Sonderband 2

Regenerative Energien und Welterbestätten Workshop der Deutschen Limeskommission am 23. November 2011 in Düsseldorf

Beiträge zum Welter be Deutsche limeskommission·Beiträge zum Welter be Limes

Deutsche Limeskommission (Hrsg.) Regenerative Energien und Welterbestätten

Beiträge zum Welter be Limes

Sonderband 2 Workshop der Deutschen Limeskommission am 23. November 2011 in Düsseldorf

2013 · Bad Homburg v. d. H. Herausgeber: Deutsche Limeskommission Römerkastell Saalburg Saalburg 1 · 61350 Bad Homburg v. d. H. www.deutsche-limeskommission.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Redaktion: Dr. Birgit Wüller, Stuttgart Gestaltung: HUND B. communication, München, Christian Hölzl, Kareen Klug Druck: Bosch Druck GmbH

Umschlagabbildungen Titelseite: Raetische Mauer (Bewuchsstreifen), umgeben von Windkraftanlagen aus der Zeit vor der Eintragung als Welterbe. BLfD, Archiv-Nr. 1Ds09247 vom 19. Juni 2008, Foto: Klaus Leidorf. Rückseite: Glauer Felder – Skizze Solarfeld Glau mit Besucherinformation und Solartankstelle. © hochC Landschaftsarchitektur www.hochC.de

© 2013 Deutsche Limeskommission Die Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung der Deutschen Limeskommission unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in ISBN 978-3-00-040803-8 VORWORT

Ohne Zweifel ist es sinnvoll, von der vielfältig problematischen Atomenergie schrittweise wegzukom- men. Aber auch für die schrumpfenden Vorräte fossiler Energien muss Ersatz gefunden werden. Die Diskussion um die Gewinnung alternativer Energien und die dafür notwendigen Anlagen ist daher nicht nur in den Medien höchst präsent, sondern hat immer mehr Einfluss auf denkmalpflegerisches Handeln. Unter Bezug auf zunehmende Diskussionen zwischen Investoren, Planungsbehörden, Denkmalämtern und der Öffentlichkeit gerade auch in Bezug auf den Obergermanisch-Raetischen Limes (ORL) als Teil der UNESCO-Welterbestätte „Grenzen des Römischen Reiches“ beschloss die Deutsche Limeskom- mission auf ihrer Sitzung am 13. April 2011 in Stuttgart die Durchführung eines intensiven fachlichen Austausches zum Thema „Regenerative Energien und Welterbestätten“. In der Deutschen Limeskom- mission, der mit der Eintragung des ORL als Welterbe 2005 offiziell als Ansprechpartner für die UNESCO und ICOMOS anerkannten Organisation, kommen die Institutionen und Gruppen zusam- men, die mit dem Erhalt und der Entwicklung des Welterbes ORL betraut sind oder ein besonderes In- teresse daran haben. Beteiligt sind die führenden Vertreter der Denkmalschutzbehörden (aus den zu- ständigen Ministerien als Ober[st]e Denkmalschutzbehörden) und der Denkmalfachbehörden (Landesämter für Denkmalpflege o. Ä.) in den betroffenen Bundesländern (Baden-Württemberg, Bay- ern, Hessen, Rheinland-Pfalz und assoziiert, wegen der geplanten Erweiterung am Niederrhein, Nord- rhein-Westfalen). Weiterhin entsenden die Römisch-Germanische Kommission des Deutschen Ar- chäologischen Instituts als institutionelle Repräsentantin sowie die das Fach Provinzialrömische Archäologie in Deutschland lehrenden Professoren, die am ORL liegenden archäologischen Museen und der Verein Deutsche Limesstraße e. V., in dem die am Limes liegenden Kommunen die touristi- sche Entwicklung betreiben, quasi als „NGO“-Deligierte in dieses 2003 per Staatsvertrag gegründete Gremium. Am 23. November 2011 lud die Deutsche Limeskommission ihre Mitglieder, die zuständigen Limesar- chäologen und -koordinatoren aus den Bundesländern und externe Gäste zu einem Workshop zu dem hochbrisanten Thema in das gastgebende damalige Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, heute Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadt- entwicklung und Verkehr, ein. Das Programm war vom Geschäftsführer der DLK, Dr. Peter Henrich, mit Unterstützung einiger Mitglieder zusammengestellt worden. In Anbetracht der in unaufgeregter Atmosphäre vorgetragenen und intensiv diskutierten vielfältigen und weiterführenden Vorträge beschloss die DLK im Rahmen ihrer am nächsten Tag stattfindenden Sitzung die Vorlage der Beiträge, um so den großen Kreis der lokal und regional Betroffenen an den Ergebnissen teilhaben zu lassen. Ich bin sehr dankbar, dass alle Referenten diesem Ansinnen mit der Abfassung eines druckfähigen Manuskripts nachgekommen sind, und es ist mir eine große Freude, mit dem vorliegenden Sonderband 2 der „Beiträge zum Welterbe Limes“ hoffentlich nachhaltige Anregungen zur Energie- wende leisten zu können. Dank sage ich daher Dr. Peter Henrich für die Vorbereitung des Workshops und die Druckvorberei­ tungen, die er zusammen mit dem Mitarbeiter der Geschäftsstelle der DLK Simon Sulk M. A. vorge­ nommen hat. Ich danke Ministerialrat Dr. Thomas Otten vom Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen für die Einladung nach Düsseldorf und der zuständigen Abteilungsleiterin Frau Ministerialdirigentin Anne Katrin Bohle für ihr Grußwort. Mein Dank geht an die Referenten für ihre sehr interessanten Beiträge. Aber auch die Teilnehmer haben während der Diskussion wesentlich zum Gelingen des Kolloquiums beigetragen. Vielen Dank auch dafür. Der Druck dieses Sonderbandes der „Beiträge zum Welterbe Limes“, der in den regulären Haushalts- mitteln der DLK nicht vorgesehen war, wurde dank eines großzügigen Zuschusses des Verbands der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (VLA) und der hessenARCHÄOLOGIE am Landesamt für Denkmalpflege Hessen ermöglicht.

München, im August 2012 Prof. Dr. C. Sebastian Sommer Vorsitzender der Deutschen Limeskommission

INHALTSVERZEICHNIS

01 C. SEBASTIAN SOMMER Einführung zum Workshop der Deutschen Limeskommission am 23. November 2011 in Düsseldorf 8

02 GIULIO MARANO Probleme und Lösungsansätze zur visuellen Integrität von UNESCO-Welterbestätten 14

03 THOMAS BECKER Planungen von Standorten regenerativer Energiegewinnung am Limes – Fallbeispiele und Erfahrungen in Hessen 18

04 HEINRICH WALGERN Das Kulturdenkmal und sein Wirkungsraum ­– Umgebungsschutz für den Limes? 28

05 MICHAEL KLOOS Visuelle und ideelle Wechselbeziehungen zwischen Welterbestätten und ihrer Umgebung – Chancen und Risiken 40

06 ERNST-RAINER HÖNES Rechtliche Widersprüche zur Welterbekonvention nach der Energiewende 2011 52

07 CLAUS HERRMANN Die Kultur der Energie – Kulturlandschaften gestalten mit erneuerbaren Energien 70 8 Regenerative Energien und Welterbestätten

C. SEBASTIAN SOMMER Einführung zum Workshop der Deutschen Limeskommission am 23. November 2011 in Düsseldorf

Regenerative Energien und Welterbestätten · Beiträge zum Welterbe Limes · Sonderband 2 01 Hrsg. Deutsche Limeskommission · Bad Homburg v. d. H. 2013 C. SEBASTIAN SOMMER Einführung zum Workshop 9

C. SEBASTIAN SOMMER Einführung zum Workshop der Deutschen Limeskommission am 23. November 2011 in Düsseldorf

Nicht erst nach dem katastrophalen Unglück in lich größte, auf jeden Fall aber längste archäolo- den Atomreaktoren in Fukushima in Japan am gische Welterbe in Europa, den Obergerma- 11. März 2011 1 und der daraufhin ausgerufenen nisch-Raetischen Limes als Teil der „Grenzen sogenannten Energiewende kommt es zum Kon- des Römischen Reiches“ – besonderes um die flikt zwischen Bodendenkmälern bzw. im spezi- Problematik der Bodendenkmäler, auch über ellen Fall archäologischen Welterbestätten und die Welterbestätten hinaus.2 Gleichwohl gehen geplanten Einrichtungen der Energiegewin- wir davon aus, dass die Fragestellungen und vor nung. Dass dabei vielfach „zwei Herzen in einer allem Ansätze zur Problemlösung insbesondere Brust“ schlagen, ist offensichtlich und wird z. B. für solche Baudenkmäler und nicht archäologi- im gastgebenden damaligen Ministerium für sche Welterbestätten, die in einem besonderen Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr Bezug zu ihrer Umgebung stehen oder vielleicht des Landes Nordrhein-Westfalen mit den unter sogar landschaftsprägend sind, übertragen wer- einem Dach vereinten Zuständigkeiten „Energie“ den können. auf der einen Seite und „Bauen“ mit der daran an- Die sogenannte Energiewende ist in aller Mun- geschlossenen Denkmalpflege auf der anderen de. Bis heute vergeht kein Tag, ohne dass neue mit nicht selten gegensätzlich erscheinenden Zahlen, Programme, Statements, aber zuneh- Zielsetzungen regelrecht formalisiert. mend auch kritische Stimmen3 in den Medien zu Mit dem Workshop „Regenerative Energien und lesen, zu hören oder zu sehen sind. Kein Politi- Welterbestätten“ hat die veranstaltende Deut- ker will und kein Amt kann sich dem verschlie - sche Limeskommission nicht den Anspruch, ßen. So erläuterte z. B. der damals gerade neu sich mit allen Facetten des Problems Denkmal- berufene Leiter der Bayerischen Staatskanzlei pflege und Erzeugung erneuerbarer Energien zu Dr. Marcel Huber – man möge mir die Bayernlas- beschäftigen. Im Vordergrund steht, trotz des tigkeit der folgenden Passagen verzeihen – un- offenen Titels, nicht das für Mitteleuropa zu- längst in der Zeitschrift „Innovative Verwal- meist in der Stadt anzutreffende typische gebau- tung“ den „Aufbruch Bayern“ und schrieb unter te Welterbe, sondern uns geht es – ausgehend der Überschrift „Themenfelder und Ziele“ zur von der Verantwortlichkeit für das wahrschein - Energie: „Wir lassen die Kernenergie so schnell

1 Die Kernschmelzen waren durch das Tōhoku-Erdbeben 3 Vgl. z. B. den Wildwuchs von Photovoltaikanlagen ausgelöst worden bzw. einen unmittelbar darauf folgenden tragenden freistehenden Dächern im Außenbereich; verheerenden Tsunami. G. Etscheit, Im Lichte des Geldes. Schlaue Bauern 2 Vgl. z. B. C. S. Sommer, Fukushima, der Klimawandel und bauen Solardächer ohne Häuser. unsere Bodendenkmäler. Archäologie in Deutschland Die ZEIT 6/2012 vom 2. Februar 2012. 5/2011, 36–37. 10 Regenerative Energien und Welterbestätten

Manchem erscheinen diese Zahlen auf den ers- Strom aus regenerativen Energien in Bayern (in TWh) ten Blick „bedrohlich“. Die entstandene Unruhe wird noch verstärkt, wenn man feststellt, dass sich z. B. im schon 2007 verabschiedeten „Klima- programm Bayern 2020“ 6 und in den meisten of- fiziellen Verlautbarungen zum Thema Energie und Umweltschutz keinerlei Bezüge zum Denk- malschutz finden. Auch zum ländlichen Raum finden sich kein Hinweise darauf, dass z. B. die Denkmäler und die Kulturlandschaft, die von diesen geprägt wird, eine gleichermaßen wichti- ge Ressource und Lebensgrundlage bilden – vielleicht auf den ersten Blick nicht unbedingt lebensnotwendig, aber auf jeden Fall mehr als nur ein „Wohlfühlfaktor“. Kein Mensch bestreitet, dass wir eine Verände- rung bei Energieverbrauch und -erzeugung brauchen, nicht erst seit Fukushima. Die Zahlen und die Unterstützung, die die Maßnahmen in Politik und durch Förderungen finden, lassen er- kennen, dass eine realistische Chance besteht, 2009 2021 die Kernenergie zu ersetzen und mittelfristig

Wasserkraft Biomasse Photovoltaik Windkraft Geothermie den Anteil an fossiler Energie deutlich zu redu- zieren. Damit einher geht jedoch eine gewaltige Landschaftsveränderung, sei es durch Windrä- der, oft mit enormer Fernwirkung, Photovoltaik- Abb. 1: Zielsetzung wie möglich hinter uns. Wir bauen mit Hoch- anlagen z. B. mit Einschränkungen der Begeh- für die Erzeugung von druck erneuerbare Energien, Energienetze und barkeit der Fluren, oder Biogasanlagen mit den Strom aus regenerativen Energiespeicher aus. Die Energieversorgung in diese voraussetzenden endlosen Maisfeldern Energien in Bayern. Bayern wird sicher, bezahlbar und umwelt- (oft auf ungeeigneten Böden) und damit verbun- freundlich sein. In dieser Energiewende sehen denen Erosionserscheinungen. Nicht zuletzt sei wir ein gewaltiges Konjunkturprogramm für auch auf die vielen für die dezentralen Energie- Bayern und die Chance für die Technologiefüh- erzeuger notwendigen neuen Energieleitungen rerschaft.“ 4 aufmerksam gemacht, seien sie nun überirdisch In dem am 24. Mai 2011 beschlossenen Bayeri- mit ihren Maststandorten, seien sie unterirdisch schen Energiekonzept „Energie innovativ“ wer- mit den die Landschaft in der Baumaßnahme bis den entsprechende Steigerungen für den Anteil zu 24 m oder gar 36 m breit zerschneidenden Ka- erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung beltrassen. Nicht selten sind davon direkt und formuliert: indirekt Bodendenkmäler7 und immer wieder 2010 2021 auch das Welterbe „Obergermanisch-Raetischer Limes“ betroffen. Neben den unmittelbaren Bo- Wasserenergie k. A. 17 % deneingriffen geht es dabei auch um Fragen der Windenergie 0,6 % 10 % Wirkung der Denkmäler im Raum, also um den Biomasse 6 % 10 % Einfluss von Maßnahmen in der Nähe auf ein Photovoltaik 3 % 16 %5 Denkmal. Für geplante Bodeneingriffe in Bodendenkmä- Dazu kommen noch Solarthermie und Umge- ler existieren überall Instrumentarien zum Um- bungswärme mit entsprechenden Anteilen an gang damit, die Denkmalschutzgesetze. Wie der Gesamtenergieerzeugung (vgl. Abb. 1 zum konsequent sie angewendet werden, sei dahin- Umfang der Energiemenge). Das kann nur mit gestellt. Zu beobachten ist jedenfalls ein immer der Errichtung einer Vielzahl von neuen Anla- stärkerer Druck, der an manchen Stellen fast gen gelingen. Nur zur Erzeugung des geplanten schon Willkür gleichkommt. Meist unausge- Anteils an Windenergie sind alleine in Bayern sprochen wird gefordert, es mit der eigentlichen etwa 1500 zusätzliche Windkrafträder nötig. Zielsetzung der meisten Denkmalschutzgesetze C. SEBASTIAN SOMMER Einführung zum Workshop 11

Abb. 2: Ruffenhofen, Mittelfranken. Blick vom Aussichtshügel über Minicastrum und durch Bepflanzung markiertes Kastell (Welterbe) mit dahinterliegender Bio­ gasanlage und Photovol- taikanlagen auf vielen Dächern im Ort Ruffen- hofen.

– dem ungestörten Erhalt auch der Bodendenk- Wissenschaft, Forschung und Kunst an alle für mäler – nicht so ernst zu nehmen oder geforder- Welterbestätten in Bayern zuständigen „Sitema- te Ersatzmaßnahmen einzuschränken.8 nager“ entsprechend: „Aus der Sicht der UNESCO Trotzdem treffen manche Denkmalschutzgeset- ist die Errichtung von Windkraftanlagen unweit ze auch Vorsorge für die Umgebung der Denk- von Welterbestätten regelmäßig problematisch. mäler, auch von Bodendenkmälern. So legt das Dabei ist v. a. zu beachten, dass bei Welterbestät- Bayerische Denkmalschutzgesetz fest: „Wer in ten z. T. auch deren Einbettung in die Landschaft der Nähe von Bodendenkmälern, die ganz oder und die sich damit ergebenden Blickbeziehun- zum Teil über der Erdoberfläche erkennbar gen/Panoramen unter den besonderen Schutz sind, Anlagen errichten, verändern oder beseiti- der UNESCO gestellt wurden (z. B. Wieskirche).“10 gen will, bedarf der Erlaubnis, wenn sich dies auf Aber wie sieht es mit der Anwendung aus? Wel- Bestand oder Erscheinungsbild eines dieser Bo- cher Landrat traut sich, einem „verzweifelten“ dendenkmäler auswirken kann.“ 9 Ohne darauf Landwirt seinen Rettungsanker „Biogas“ auch (oder einen entsprechenden Absatz für Bau- im unmittelbaren Umfeld des Weltkulturerbes denkmäler) Bezug zu nehmen, formulierte das Obergermanisch-Raetischer Limes auszuschla- zuständige Bayerische Staatsministerium für gen (Abb. 2)? Oder wer stoppt den durch Förde-

4 Innovative Verwaltung 10/2011, 17. 8 In diesem Zusammenhang interessant ist die Forderung 5 http://www.stmwivt.bayern.de/fileadmin/Web-Dateien/ seitens der Landwirtschaft, auf die durch Anlagen der Dokumente/energie-und-rohstoffe/energieversorgung/ Energiegewinnung und -leitung zum Ausgleich notwendigen Bayerisches_Energiekonzept.pdf Flächen zu verzichten, da sie ebenso dem Umweltschutz im (Zugriffsdatum: 25. Juli 2012). engeren Sinne dienten. 6 http://www.bayern.de/Anlage2093555/KlimaprogrammBay- 9 Art. 7 Abs. 4 Satz 1 BayDSchG. ern2020.pdf (Zugriffsdatum: 25. Juli 2012). 10 WFKMS B 4-K 0112.1.10-12/12 a/26 027 vom 3. November 7 N ebenbei: In Bayern betreffen die bekannten ca. 50 500 2011 unter dem Betreff „UNESCO Welterbestätte Wallfahrts- Bodendenkmäler 2,16 % der Gesamtfläche von 70 547 km²; kirche ‚Die Wies‘, Errichtung von Windkraftanlagen“. die ca. 116 000 Baudenkmäler umfassen etwa 1,5 % des gesamten Gebäudebestandes. 12 Regenerative Energien und Welterbestätten

0 0,1 0,2 0,3 0,4 km

Abb. 3: Photovoltaik über Bodendenkmälern bei Gänsdorf, Niederbayern. a Auszug aus dem Fachinformationssystem Denkmalpflege des Bayeri- schen Landesamts für Denkmalpflege (FIS). Rot: Bodendenkmäler, violett: Umgrenzung Planungsräume, hellblau: Sondageschnitte, teilweise wie spätere Leitungen, grau: Photovoltaikanlage. b Luftbild von Südosten.

rungen hervorgerufenen Hype der Photovoltaik­ rer Höhe dem Dom seine exponierte Lage anlagen auf den Dächern unserer Dörfer oder nimmt.12 Vielleicht in Reaktion darauf berück- großflächig in der Landschaft angelegt, wenn sichtigt ein im Eiltempo formulierter bayeri- erst einmal der Damm gebrochen ist (Abb. 2; 3)? scher Windkrafterlass als gemeinsame Bekannt- Zu fragen ist, ob man schon früher die Dimensi- machung der betroffenen Ministerien in einem on der Problematik auch in den Ämtern gesehen eigenen, wenn auch nur einseitigen Absatz die hat (Abb. 4). Inwieweit sind wir in der Lage, trotz Denkmäler und auch explizit Bodendenkmäler. dieser Präzedenzen weitere Schäden am Erschei- Da heißt es, „der öffentliche Belang ‚Denkmal- nungsbild zu verhindern? Dabei müssen wir uns schutz‘ steht einem privilegierten Vorhaben wohl auch eingestehen, dass wir einerseits meist jedenfalls dann entgegen, wenn das Außenbe- eher unklare Vorstellungen haben, was einer reichsvorhaben die besondere Wirkung eines Schädigung gleichkommt, andererseits was der Denkmals erheblich beeinträchtigen [würde]. einzelne als Schädigung empfindet. Dabei gibt es Der Umfang des Umgebungsschutzes ist vom je- verschiedene Gerichtsurteile – allerdings jeweils weiligen Einzelfall abhängig; insbesondere kann vor Fukushima –, die korrekterweise einzelne keine pauschale Abstandsregelung definiert Denkmäler mit ihrer Raumwirkung in den Vor- werden.“13 dergrund stellen. So entschied z. B. das Verwal- Es geht also um die Definition und Festlegung tungsgericht Schleswig-Holstein, dass Wind­ von Betroffenheiten, um die Benennung der Kon- energieanlagen, die von einem eingetragenen fliktflächen und -bereiche, aber auch um die Fra- unbeweglichen Kulturdenkmal ca. 1,6 bis 3,8 km ge, was halten wir, was hält die Gesellschaft, was entfernt liegen und in die Sichtbarkeitsbezie- hält die Welt in Bezug auf die Welterbestätten für hung zwischen einen Betrachter und das Kultur- erträglich und akzeptabel oder auch nicht. Ge- denkmal treten können, noch in dem vom Umge- fragt werden muss, ob unsere Instrumentarien bungsschutz erfassten Bereich liegen können.11 – Denkmalzone (property) Vergleichbar führte das Verwaltungsgericht – Pufferzone Düsseldorf aus, dass ein Abstand von 1500 m zwi- am Welterbe ausreichend sind, ganz gleich, ob schen einer Windenergieanlage und einem Dom sie „technisch“ eng, wie in Bayern um den Limes, störend wirkt, wenn die Anlage allein wegen ih- oder umfangreich mit konkretem Landschafts- C. SEBASTIAN SOMMER Einführung zum Workshop 13

bezug, wie ebenfalls am Limes, aber in Hessen, festgelegt sind. Gelingt es, die kulturellen Aspekte in die Planung einzubringen bzw. mit dieser abzugleichen, wie z. B. mit der „Gebiets- kulisse Windkraft als Planungshilfe für Kommu- nen“14 oder dem Energieatlas Bayern?15 Ganz wichtig, eigentlich zentral, ist dabei immer der Bezug zum Statement of Outstanding Universal Value (SOUV), mit dem Problem, dass dieses für die meisten Welterbestätten gerade erst defi- niert wird und noch der Bestätigung durch die UNESCO harrt. Mit dem Kolloquium „Regenerative Energien und Welterbestätten“ suchte die Deutsche Limeskommission – Anregungen zum Umgang mit den (archäolo- gischen) Welterbestätten – Hinweise auf die gesellschaftliche Akzeptanz von Denkmalschutz wie von Landschaftsver- änderungen und -erhalt – einen Rahmen für mögliche Kompromisse – Möglichkeiten, trotz sich verändernder Rah- menbedingungen auch weiter für unsere Nachfahren den OUV, den außergewöhnlichen universellen Wert, unserer ganz besonderen Denkmäler zu erhalten. In diesem Sinne ist die auf dem Kolloquium gehal- tene und hier einer breiteren Öffentlichkeit prä- sentierte Sammlung an Beiträgen zu verstehen.

Prof. Dr. C. Sebastian Sommer Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege Hofgraben 4 80539 München Abb. 4: Raetische Mauer (Bewuchsstreifen), umgeben von Windkraftanlagen aus der [email protected] Zeit vor der Eintragung als Welterbe.

11 VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 1. Februar 2007, Az.: 12 A 15 http://www.energieatlas.bayern.de/thema_wind.html 136/06, BImSchG-Rspr § 6 Nr. 51 / juris (Kernsätze bei (Zugriffsdatum: 25 Juli 2012). http://www.w-goehner.de/cms/index.php?id=29 [Zugriffs- datum: 25. Juli 2012], Rechtsprechung S. 1182). 12 V G Düsseldorf, Urteil vom 13. März 2003, Az.: 4 K 8525.01, juris (Kernsätze bei http://www.w-goehner.de/cms/index. php?id=29 [Zugriffsdatum: 25. Juli 2012], Rechtsprechung Abbildungsnachweis S. 1202). 13 2 129.1-UG, Hinweise zur Planung und Genehmigung von http://www.stmwivt.bayern.de/fileadmin/ Windkraftanlagen (WKA) Kap. 11, S. 53. http://www.stmug. Web-Dateien/Dokumente/energie-und-rohstoffe/ bayern.de/umwelt/oekoenergie/windenergie/doc/ energieversorgung/Bayerisches_Energiekonzept.pdf windenergie_erlass.pdf (Zugriffsdatum: 25. Juli 2012). S. 76: 1. – Römerkastell Ruffenhofen, M. Pausch: 2. 14 Chr. Sebald, Wo die Brise weht. Süddeutsche Zeitung – BLfD, Archiv-Nr. 5D226888 vom 10. Oktober 2010, 27/2012 vom 2. Februar 2012, S. R 18; http://www.stmug. Foto: Klaus Leidorf: 3a. – BLfD, Fachinformationssys- bayern.de/umwelt/oekoenergie/windenergie/gebietskulisse/ tem Denkmalpflege: 3b. – BLfD, Archiv-Nr. index.htm (Zugriffsdatum: 25. Juli 2012). 1Ds09247 vom 19. Juni 2008, Foto: Klaus Leidorf: 4. 14 Regenerative Energien und Welterbestätten

Giulio Marano Probleme und Lösungsansätze zur visuellen Integrität von UNESCO-Welterbestätten

Regenerative Energien und Welterbestätten · Beiträge zum Welterbe Limes · Sonderband 2 02 Hrsg. Deutsche Limeskommission · Bad Homburg v. d. H. 2013 Giulio Marano Probleme und Lösungsansätze zur visuellen Integrität von UNESCO-Welterbestätten 15

Giulio Marano Probleme und Lösungsansätze zur visuellen Integrität von UNESCO-Welterbestätten

Im Zentrum des Workshops stand der Oberger- heitsrechtliche Regeln eingeschränkt sind, die manisch-Raetische Limes (ORL), der im Jahr 2005 einen zusätzlichen Schutz für das Gut bilden. in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO Die Pufferzone sollte das unmittelbare Umfeld aufgenommen wurde. Der Titel des Workshops des angemeldeten Gutes, wesentliche Sichtach- – „Regenerative Energien und Welterbestätten“ – sen und andere Gebiete oder Merkmale umfas- bezieht sich dabei weniger auf Maßnahmen an sen, die eine wichtige praktische Rolle spielen, der Welterbestätte selbst als vielmehr auf eine um das Gut und seinen Schutz zu unterstützen engere und weitere Umgebung, auf die Land- […]. Merkmale und genehmigte Nutzungen einer schaft, in der dieser Limes eingebettet ist, auf Pufferzone sowie eine die genauen Grenzen des den „Nähebereich“, auf den „Umgebungsschutz“. Gutes und seiner Pufferzone ausweisende Karte Der Begriff des „Nähebereichs“ wird in den deut- sollen der Anmeldung beigefügt werden.“ schen Denkmalschutzgesetzen unterschiedlich Wesentlich in diesen Bestimmungen dürfte – im umschrieben; er ist kaum exakt definiert und Gegensatz zu denen in den Denkmalschutzge- rechtlich ein unbestimmter Begriff, der – so mei- setzen – die Festlegung von Begrenzungen des ne Erfahrung – in der Praxis der Denkmalpflege „Nähebereichs“ sein. Die Pufferzone soll „das un- nur sehr schwer zu handhaben ist. Die Schwie- mittelbare Umfeld“ der Welterbestätte umfassen rigkeiten ergeben sich zum einen aus der Frage, und „[…] eine genaue Grenze“ soll festgelegt sein. inwieweit und weshalb ein bestimmter Sachver- Wesentlich ist auch die Betonung der Schutz- halt auf ein denkmalgeschütztes Objekt beein- funktion für das „angemeldete Gut“, um Maß- trächtigend einwirkt, und andererseits aus der nahmen zu verhindern, die seinen outstanding Frage, wie weit eine solche Störung wirken mag. universal value oder seine Integrität beeinträch- Es fragt sich, inwieweit die Eigenschaft als Welt- tigen könnten. erbestätte den Charakter und die Wirkung des Der Umgebungsschutz erfasst in den Richtlinien „Nähebereichs“ beeinflusst. Tatsächlich wurde der UNESCO aber auch eine erhebliche Auswei- in den „Richtlinien für die Durchführung des tung gegenüber der engeren Pufferzone; es sind Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und die in § 104 genannten „wesentlichen Sichtach- Naturerbes der Welt“, also den Durchführungs- sen und andere Gebiete und Merkmale, die eine bestimmungen der UNESCO zur Welterbe­ wichtige praktische Rolle spielen, um das Gut konvention von 1972, in den §§ 103 bis 107 für und seinen Schutz zu unterstützen“. Es geht hier die sogenannte Pufferzone eine entsprechende um die Fernwirkung möglicher Störungen Festlegung getroffen. Die entscheidenden Anlie- durch große visuell weit wirksame (Bau-)Anla- gen der UNESCO sind dafür in § 104 enthalten: gen wie es etwa Windkrafträder oder Photovol- „Zum Zwecke eines wirksamen Schutzes des an- taikparks sein könnten. Birgitta Ringbeck wid- gemeldeten Gutes wird eine Pufferzone als ein mete diesen Instrumenten in ihrem „Leitfaden Gebiet definiert, die das angemeldete Gut um­ zum Managementplan“1 einen relativ großen gibt und dessen Nutzung und Entwicklung Abschnitt, was ein Hinweis dafür sein mag, durch ergänzende gesetzliche oder gewohn- um welch spezielle Problematik es sich hierbei

1 Deutsche UNESCO-Kommission 2008. 16 Regenerative Energien und Welterbestätten

handelt. Zu beachten wäre, dass auch diese nert, wonach Pufferzonen „[…] insbesondere dort „Sichtachsen und andere Gebiete“ als Teil der festzulegen [sind], wo Einzelbestandteile des Pufferzone exakt definiert und in Kartenmateri- ORL landschaftsprägend sind“. Als Beispiel sei al festgelegt sein müssten. Eine nachträgliche, auf einen Abschnitt des Limes nördlich von El- auf eine akute Planung hin festgelegte Sichtach- lingen in Mittelfranken hingewiesen, der sich se dürfte kaum Anerkennung bei den Genehmi- dort als mit Buschwerk bewachsener Wall hü- gungsbehörden finden. gelauf und -ab über eine längere Strecke inmit- Es sei auch daran erinnert, dass die Festlegung ten landwirtschaftlich genutzter Flächen er- von Pufferzonen einschließlich Sichtachsen im streckt. Er stellt hier eine höchst eindrucksvolle Managementplan als Instrument des deutschen Landmarke dar, die eine Vorstellung davon zu Bau- und Planungsrechts nicht greift. Derartige vermitteln vermag, welche bauliche und logisti- Zonen müssen durch „nationales Recht“ abge- sche Leistung es war, diesen Grenzwall über deckt werden – durch Bestimmungen des jewei- Hunderte von Kilometern zu errichten und über ligen Denkmalschutzgesetzes, durch Natur- und längere Zeit hinweg instand zu halten. Die mög- Landschaftsschutzausweisungen, durch Festle- lichst ungestörte Wirkung einer solchen Land- gungen in Landesentwicklungsplänen, Flächen- marke zu erhalten, müsste ein Ziel der Bemü- nutzungsplänen und dergleichen. hungen sein, ist aber mit der Festlegung einer Wenn also in unserem Workshop nach der Denk- Pufferzone von nur 100 m Breite nicht zu er­ malverträglichkeit von Windkrafträdern, Bio- reichen. Hier müssten die in § 104 der Richtlini- gasanlagen und Photovoltaikparks im visuellen en genannten „Sichtachsen und andere Gebiete Bereich der Welterbestätte und nach Lösungsan- und Merkmale“ zum Tragen gebracht werden. sätzen bei Konflikten gefragt wird, so scheinen Es möge bei anderen Abschnitten des Limes an- zunächst zwei Komplexe von Bedeutung zu dere Qualitäten geben, die ihn charakterisieren. sein: Anhand des Beispiels Mittelfranken soll darge- 1. Ist die Pufferzone einschließlich der Sichtach- stellt werden, dass es bei den Versuchen, eine sen für den Limes im Managementplan exakt bestimmte Situation der räumlichen Wirkung festgelegt und durch „nationales Recht“ ge- des ORL zu bewahren, darauf ankommt, speziell deckt? auf das an dieser Stelle betroffene Gut und seine 2. Welche Gründe hinsichtlich einer Beeinträch- Eigenschaften einzugehen. Die Grundlagen für tigung des Limes durch solche neuartigen An- die Bewertung möglicher Gefahrenpotenziale lagen können angeführt werden? sind im Managementplan für den Limes gut dar- Zu 1.: Soweit es sich feststellen ließ, sind die en- gestellt; die Argumente zur Vermeidung von Be- geren Pufferzonen entlang des Limes exakt fest- einträchtigungen dürfen aber nicht generalisiert gelegt, allerdings mit Einschränkungen. Zum ei- werden, sondern müssen aus der jeweiligen Situ- nen sind diese Grenzen der Pufferzone in den ation entwickelt werden. Es sei hier daran erin- vier betroffenen Bundesländern nicht einheit- nert, dass Ergänzungen des Managementplans lich festgelegt – in Bayern eher schematisch, mit – etwa die Festlegung von Sichtachsen – durch- gleichbleibendem Abstand zum Limes, in Ba- aus nachträglich möglich sind etwa im Zuge der den-Württemberg differenzierter, entlang der nächsten „periodischen Überwachung“. Dies ist Grenzen von Parzellen. Dies ist im Hinblick auf auch im Managementplan Ziff. 3.2.3 und 3.3 die großräumigen Planungen für regenerative grundsätzlich vorgesehen. Energien und der notwendigen neuen Trans- Die Erweiterung der bisherigen Pufferzone portleitungen nicht angemessen, die Grenzen durch Sichtachsen kann aber auch zu Einschrän- sollten vereinheitlicht werden. Darüber hinaus kungen der „Nutzung und Entwicklung“ führen sind Pufferzonen in bayerischen Staatsforsten (Art. 104 der Richtlinien). Ein Einverständnis der überhaupt nicht festgelegt, was den Kriterien betroffenen Eigentümer und der kommunalen des Managementplans in Ziff. 4.2.4 (Gefahren in Landeskörperschaften müsste für solche Nach- Waldgebieten) nicht entspricht. träge erwirkt werden, was nicht immer leicht Das Instrument zur Sicherung der visuellen In- sein wird. tegrität des Limes über größere Bereiche hin- Zurzeit verfolgt ICOMOS mit Spannung die weg mit der Festlegung von „Sichtachsen“ – oder Festlegungsbemühungen von großräumigen Sichtbereichen – wurde dagegen bisher wohl Sichtachsen mit dem Ziel, die weithin sicht­bare kaum entwickelt. Es sei in diesem Zusammen- Stadtsilhouette von Lübeck von störenden hang an den Managementplan Ziff. 2.33 erin- Hochbauten freizuhalten (auch und gerade von Giulio Marano Probleme und Lösungsansätze zur visuellen Integrität von UNESCO-Welterbestätten 17

Windkrafträdern). Das betroffene Gebiet reicht die Anschaulichkeit der Grenzanlage vermit- bis 20 km weit vom Stadtzentrum nach Holstein teln soll. Diese Anschaulichkeit könnte gestört und Mecklenburg hinein. Die Gremien der Stadt und unglaubwürdig werden, wenn in ihrem haben dieses Ziel einstimmig befürwortet; jetzt visuellen Umfeld technische Anlagen für rege- steht die Umsetzung in den Regionalplänen in nerative Energie errichtet werden. zwei Bundesländern an. Entscheidend für den Erfolg, Störungen im Um- Zu 2.: Wie anfangs dargestellt, bezieht sich die feld des Limes zu vermeiden, ist es, frühzeitig Schutzfunktion der Pufferzone auf mögliche Be- von den Planungen zu erfahren. Da weder die Li- einträchtigungen der Welterbestätte. Es geht meskommission noch ICOMOS Träger öffentli- also nicht um die allgemeine Qualität von Maß- cher Belange sind, ist es vor allem Aufgabe der nahmen innerhalb von Pufferzonen, sondern Denkmalpflege und der Denkmalschutzbehör- immer nur um ihre Wirkung auf das Welterbe. den, Planungen im Bereich des ORL zu verfolgen Die Hoffnung, mit Hilfe der Welterbestätte in ih- und möglichst umgehend die Limeskommission rer Umgebung so etwas wie bessere „Baukultur“ und gegebenenfalls ICOMOS zu alarmieren, die zu fordern oder „Kulturlandschaft“ bewahren dann etwa während der „öffentlichen Ausle- und schützen zu können, geht schon deshalb gung“ von Flächennutzungsplänen und von B- fehl, weil z. B. der Begriff „Kulturlandschaft“ in Plänen reagieren könnten. Wirkungsvoller ist Deutschland nicht definiert ist. Bis auf Weiteres aber sicher ein noch frühzeitigeres Eingreifen ist bei uns jede Landschaft von Menschen ge- im Rahmen der Aufstellung von Raumplanungs- macht oder beeinflusst – bis auf wenige Gebiete instrumenten, etwa der Landesentwicklungs- im Hochgebirge oder im Wattenmeer – und so- pläne. mit als „Kulturlandschaft“ anzusehen. Selbst Es wird wohl – bei rechtzeitigem Eingreifen und wenn es gelingen sollte, verbindlich eine „histo- wenn die Pufferzonen ausreichend festgelegt rische Kulturlandschaft“ zu definieren, sie wür- sind – sicher in vielen Fällen möglich sein, den de sich auf Erscheinungsformen beziehen, die ORL von beeinträchtigenden Großanlagen frei relativ jung sind und mit einer „antiken“, mit zu halten. Außerhalb der in den Richtlinien der dem Limes zeitlich korrespondierenden Land- UNESCO vorgesehenen Schutzzonen ist ein Er- schaft wohl nichts zu tun haben würden. folg unter Berufung auf das Welterbe kaum zu Aus heutiger Situation gibt es nach meiner Ein- erwarten. Die Chancen, korrigierend einzu­ schätzung zwei Möglichkeiten, auf positive Re- greifen, wären allerdings größer, wenn andere sonanz zu stoßen, wenn im „Nähebereich“ des ­Aspekte wie solche des Natur- und Landschafts- Limes Anlagen geplant sind, die als störend schutzes und der Eigentümerinteressen eben- empfunden werden müssen. Dies ist zum einen falls eine Rolle spielen würden. dann der Fall, wenn die sichtbaren Reste des Schließlich ist die Entwicklung und Verbreitung ­Limes seit langer Zeit zu einer Landmarke ge- von regenerativen Energien nicht nur politisch worden sind. So wurde der zum Schutzwall ver- gewollt, sondern – nach heutigen Erkenntnissen – fallene Limes im Grenzbereich zwischen Mittel- aus mehreren Gründen auch geboten. Es wird franken und Oberbayern auf der Jurahochfläche daher nicht einfach sein, überzeugend darzule- schon in den mittelalterlichen Saalbüchern als gen, dass ein Windpark in 3 km oder eine Photo- „Pfahl“ und als „Hundsmauer“ (später als „Teu- voltaikanlage in 1 km Entfernung den outstan- felsmauer“) bezeichnet und z. B. auf einer Länge ding universal value dieses im Wesentlichen von 6 km als nördliche Begrenzung des Raiten- archäologisch definierten und oberirdisch nur bucher Forstes herangezogen. Der Limes übte in seltenen Fällen sichtbaren Denkmals in er- hier folglich einen prägenden Einfluss auf die heblicher Weise beeinträchtigen. vorindustrielle Landschaftsentwicklung aus und erlangt damit eine zusätzliche, über seinen archäologischen Wert hinausgehende Qualität. Moderne technische Anlagen in seinem Umfeld könnten durchaus beeinträchtigend auf diese Dipl.-Ing. Giulio Marano historisch bestimmte Eigenschaft als Landmar- ICOMOS ke einwirken. Deutsches Nationalkomitee Eine zweite Argumentation könnte dort auf Postfach 100 517 fruchtbaren Boden fallen, wo der Limes mit re- 80079 München konstruierten Teilen, also museal aufgearbeitet, [email protected] 18 Regenerative Energien und Welterbestätten

Thomas Becker Planungen von Standorten regenerativer Energiegewinnung am Limes – Fallbeispiele und Erfahrungen in Hessen

Regenerative Energien und Welterbestätten · Beiträge zum Welterbe Limes · Sonderband 2 03 Hrsg. Deutsche Limeskommission · Bad Homburg v. d. H. 2013 Thomas Becker Planungen von Standorten regenerativer Energiegewinnung am Limes – Fallbeispiele und Erfahrungen in Hessen 19

Thomas Becker Planungen von Standorten regenerativer Energiegewinnung am Limes – Fallbeispiele und Erfahrungen in Hessen1

Die Denkmalschutz- und -fachbehörden der Bundesländer stehen seit der Diskussion um die Energiewende und der damit verbundenen Hin- wendung zu den verschiedenen Formen regene- rativer Energiegewinnung vor der Situation, dass sich ein nicht unerheblicher planerischer Druck auf die verschiedensten Denkmalgattun- gen entwickelt. Bei der Begutachtung solcher Vorhaben gilt es, sowohl mögliche Eingriffe in die Denkmalsubstanz selbst wie auch Auswir- kungen auf ihr Erscheinungsbild im Umfeld zu prüfen und hier gegebenenfalls im Sinne des Denkmalsschutzes einzugreifen. Gängigerweise betrifft letztgenannter Umgebungsschutz des Denkmals vor allem Baudenkmäler, die auf- grund ihrer generellen Sichtbarkeit durch Vor- Abb. 1: Heidenrod-Kemel, Rheingau-Taunus-Kreis (Hessen). Holzmodell eines römi­ haben in ihrer Umgebung beeinflusst werden schen Wachtturms auf dem ehemaligen Bundeswehrareal und heutigem Gelände können. Bei Bodendenkmälern fällt die Betrach- eines regionalen Entsorgungsunternehmens, das als Vorzugsgebiet für regenerative tung des Umgebungsschutzes meist hinter die Energienutzung klassifiziert ist. Neben den bereits eingerichteten Photovoltaikanla- Prüfung des Einflusses auf das Denkmal selbst gen sollen hier noch zwei Windenergieanlagen und eine Biogasanlage entstehen. zurück. Anders sieht es bei Bodendenkmälern aus, die winnung unterworfen (Abb. 1). Dabei zeigen die prägend in der modernen Kulturlandschaft Planungsnotwendigkeiten der unterschiedli- liegen. Hierzu zählt das UNESCO-Welterbe chen Energiegewinnungsarten, dass im Einzel- „Obergermanisch-Raetischer Limes“, bei dem die fall abzuwägen ist, ob die Planungen im Umfeld Landschaftsprägung zu den herausragenden Ei- des Welterbes Einfluss auf selbiges haben. Allge- genschaften des Denkmals („an extensive relict mein lässt sich jedoch festhalten, dass eine di- cultural landscape“) gehört und damit Teil des rekte Überplanung des Welterbes selbst von outstanding universal value der Welterbestätte vorneherein einen Restriktionsgrund für das ist. Auch dieses Welterbe ist dem Druck der Pla- Planungsvorhaben darstellt. Dessen ungeachtet nung von Standorten regenerativer Energiege- zeichnen sich auch generelle Voraussetzungen

1 Der Artikel basiert auf dem im Rahmen des Workshops Limes und regenerative Energiegewinnung. Erfahrungswerte gehaltenen Vortrag. Eine ergänzte und aktualisierte Fassung und Umgang in Hessen. Denkmalpflege & Kulturgeschichte 3, ist zwischenzeitlich erschienen: Th. Becker, UNESCO-Welterbe 2012, 23 – 30. 20 Regenerative Energien und Welterbestätten

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Abb. 2: Echzell – Grund-Schwalheim, Wetteraukreis (Hessen). Planentwurf für Abb. 3: a) Pohlheim-Holzheim/Linden-Leihgestern, eine Photovoltaikanlage, auf den die Lage der Kernzone des Welterbes eingetragen Landkreis Gießen (Hessen). b) Angedachtes Areal für wurde. die Aufstellung von Windenergieanlagen in unmittel­ barer Nachbarschaft zum Limes (Wiesenstreifen, Hecke) mit projizierten Rotoren.

ab, die grundsätzlich bei der Planung im Umfeld Denk­malpflege vor. Die Planung sah vor, auf des Denkmals Anwendung finden müssen. einer Grundfläche von insgesamt knapp Im Zuge der Entwicklung der letzten Monate 76 000 m2² eine Photovoltaikanlage anzulegen, konnten erste Erfahrungen im Zusammenhang die im östlichen Randbereich der überplanten mit solchen Planungsvorhaben gesammelt wer- Fläche in die Kernzone des Welterbes hinein- den. Im Folgenden sollen drei Beispiele vom reicht (Abb. 2). Dabei war nicht nur der Verlauf 153 km langen Limesabschnitt im Bundesland des Limes, sondern auch die Turmstelle 4/80 Hessen vorgestellt werden, die sich durch Beson- durch das Vorhaben betroffen. Grundsätzlich derheiten beim Umgang mit Planungsvorhaben würde die hessische Landesarchäologie ein sol- auszeichnen und wertvolle Wegweiser im Um- ches Vorhaben wegen der Überplanung des gang mit zukünftigen Planungen sein können. Denkmals und der unmittelbaren Nähe zum Welterbe selbst ablehnen. Allerdings bestand Fallbeispiel Photovoltaik Echzell – hier die Schwierigkeit, dass der rechtsgültige Grund-Schwalheim, Wetteraukreis Bebauungsplan bereits eine gewerbliche Nut- Im Jahr 2011 legte die Gemeinde Echzell den zung des Areals inklusive eines Hallenbaus vor- Entwurf der 2. Änderung des Bebauungsplans sah. Diesem war in einem ersten Beteili­ „Gewerbegebiet Grund-Schwalheim“ im Orts- gungsverfahren 1996 grundsätzlich zugestimmt teil Grund-Schwalheim zur Stellungnahme bei wor­den, so dass bei der Beteiligung zur 1. Ände- der hessenARCHÄOLOGIE am Landesamt für rung im Jahr 2007 nur noch Modifikationen in Thomas Becker Planungen von Standorten regenerativer Energiegewinnung am Limes – Fallbeispiele und Erfahrungen in Hessen 21

der Baugestaltung eingebracht werden konnten. Grundsätzlich stellt zwar die vorgelegte 2. Än- derung eine weitreichende Umplanung dar, die eine Neubewertung seitens der staatlichen Denkmalpflege rechtlich erlauben würde. Aber im Sinne der Glaubwürdigkeit des Denkmal- schutzes sollte in diesem Fall auf eine ablehnen- de Haltung verzichtet werden, da eine Zustim- mung zum Gewerbebau und eine anschließende Ablehnung der Photovoltaik nicht zu vermit- teln gewesen wäre. In Abstimmung mit der Kreisarchäologie des Wetteraukreises und nach Vorlage bei der Deutschen Limeskommission wurde dem Vorhaben daher unter Auflagen zu- gestimmt. Diese forderten eine Herausnahme der Kernzone aus der Überplanung und eine vorhergehende geophysikalische Prospektion zur Zustandsdokumentation des Denkmals.

Fallbeispiel Windpark Pohlheim/Linden, Landkreis GieSSen Im Juli 2011 ging bei der hessenARCHÄOLOGIE am Landesamt für Denkmalpflege eine Voran- frage ein, die eine Überlegung für einen kleinen Windpark an der Gemeindegrenze zwischen Pohlheim und Linden auf den Gemarkungen Watzenborn-Steinberg bzw. Leihgestern bein- haltete. Das vorgesehene Areal liegt im Vorfeld des Limesverlaufes (ca. 200 bis 500 m entfernt), der sich hier als Grünstreifen mit Heckenbe- Abb. 4: Limesverlauf um die Wetterau in Hessen mit eingetragenen Sichtachsen wuchs und zum Teil erkennbaren Resten des (rote Linien) zwischen dem Limes bzw. einzelnen Kastellen über Signaltürme (Bad Grabens als Kulturlandschaftselement durch Nauheim – Johannisberg, Wölfersheim-Wohnbach). die agrarisch intensiv genutzte Landschaft zieht (Abb. 3 a). Die Aufstellung von Windrotoren wür- de das Erscheinungsbild des Denkmals nach- Johannisberg bei Bad Nauheim und dem Kastell haltig stören, wie die Montage der möglichen Butzbach – beides Teile des Welterbes – lag. Umsetzung des Vorhabens eindrucksvoll ver- Das Planungsareal befand sich weder in der deutlicht (Abb. 3 b). Der damit gegebene Konflikt Kern- noch in der Pufferzone des Welterbes, wo- mit § 16 Abs. 2 HDSchG und dem im Regional- bei die Sichtverbindung zwischen den beiden plan aufgenommenen Mindestabstand von Plätzen für das Verständnis der Funktion des Si- Windrotoren zum Welterbe von 1000 m führte gnalturmes grundlegend ist. Dieser diente zur zu einer ablehnenden Position seitens der hessi- Übermittlung von visuellen Signalen von der Li- schen Landesarchäologie zu diesem Vorhaben. messtrecke bzw. von den benachbarten Kastel- Die Ablehnung wurde in einer Antwort auf die len zu dem auf dem Friedberger Burgberg Anfrage entsprechend kommuniziert. liegenden Kastell, dessen Besatzung als rück- wärtige Sicherung für den Wetterauabschnitt Fallbeispiel Windpark Ober-Mörlen, des Limes diente. Direkte Sichtverbindungen Wetteraukreis waren hier aufgrund von topographischen Ge- Im September 2009 wurde die hessenARCHÄO- gebenheiten nicht möglich, so dass die Römer LOGIE am Landesamt für Denkmalpflege Hes- diese Art der Nachrichtenübermittlung wähl- sen von einem Bürger auf einen ausgewiesenen ten. Diese Situation ist für die gesamten 550 km Standort für einen Windpark im Entwurf des Re- des Welterbes einzigartig (Abb. 4). gionalplanes HessenSüd hingewiesen, der in der Der Hinweis auf diese ausgewiesene Fläche er- Sichtachse zwischen dem Signalturm auf dem ging zu einem Zeitpunkt, als die hessische Lan- 22 Regenerative Energien und Welterbestätten

auch in der Bevölkerung eine Wahrnehmung des negativen Einflusses von solchen Windroto- ren auf das Erscheinungsbild des Denkmals und Welterbes ausgeprägt ist. Es handelt sich dabei durchaus um keinen Einzelfall eines solchen bürgerlichen Hinweises auf entsprechende Pla- nungsvorhaben, denn auch an anderen Stellen wurde die staatliche Denkmalpflege auf ent- sprechende Konfliktsituationen im Vorfeld hin- gewiesen.

Beispiele aus anderen Bundesländern Die ausgewählten Beispiele vom hessischen Ab- schnitt zeigen eine Bandbreite von Planungsbei- spielen und deren Konfliktpotenzial zwischen dem Nutzungswunsch zur Gewinnung regene- rativer Energien und der Schädigung des Welter- bes und Denkmals in der entwickelten Kultur- landschaft. Um zu verdeutlichen, dass diese Situation keine länderspezifisch typische für Hessen ist, sondern auch an den Abschnitten der drei anderen Bundesländer Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg eine aktuelle Relevanz hat, sollen hier auch kurz Beispiele aus Rheinland-Pfalz und Bayern vorgestellt werden.2 In Rheinland-Pfalz wurde der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE), Direktion Landesar- chäologie, als Denkmalfachbehörde von der Abb. 5: Bad Ems- desarchäologie als Träger öffentlicher Belange Unteren Denkmalschutzbehörde des Rhein- Kemmenau, Rhein-Lahn- im Rahmen des Beteiligungsverfahrens zur Stel- Lahn-Kreises die Planung eines Solarparks in Kreis (Rheinland-Pfalz). lungnahme zum Regionalplan durch das Regie- Kemmenau zur Stellungnahme vorgelegt. Das Lage des Solarparks rungspräsidium Darmstadt aufgefordert war, so Vorhaben zur Errichtung einer 4,2 ha großen (grüne Fläche) zu Kern- dass der Hinweis geprüft und als Konfliktfall mit Photovoltaikanlage liegt weder in der Kern- und Pufferzone des in die Stellungnahme vom 26. September 2009 noch in der Pufferzone des Welterbes, hat einen Welterbes. aufgenommen wurde. Abstand von mindestens 500 m Luftlinie zur Gleichzeitig schrieb der besorgte Bürger mit Kernzone des Welterbes und von 150 m zur Puf- gleichem Hinweis am 11. September 2009 an die ferzone (Abb. 5). Da aufgrund der Beteiligung UNESCO nach Paris, um auf eine potenzielle Be- der Deutschen Limeskommission durch die drohung des Welterbes hinzuweisen. Dieses GDKE die beabsichtigte schnelle Überprüfung Schreiben ging am 18. März 2010 über die per- im Vereinfachten Raumordnungsverfahren manente Delegation der Bundesrepublik bei der nicht termingerecht umgesetzt werden konnte, UNESCO an das Auswärtige Amt in Berlin und wurde daraufhin von der Unteren Landespla- von dort über die Kultusministerkonferenz an nungsbehörde die Struktur- und Genehmi- das Hessische Ministerium für Wissenschaft und gungsdirektion Nord (SGD) eingeschaltet, die Kunst, um von dort an das Landesamt für Denk- das Verfahren wiederum an die Obere Landes- malpflege mit der Bitte um Stellungnahme wei- planungsbehörde zurückverwies. Es erfolgte tergeleitet zu werden. Hier konnte auf die ableh- die Nachreichung einer Landschaftsbildanaly- nende Stellungnahme verwiesen werden, zumal se, durch die keine Sichtverbindungen vom Li- zwischenzeitlich das Regierungspräsidium den mes zur Photovoltaikanlage nachzuweisen wa- Konfliktfall abgewogen und die Planungsfläche ren. Nach Prüfung durch die GDKE und aus dem Regionalplan herausgenommen hatte. Diskussion des Vorhabens in der Sitzung der Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass nicht nur auf Deutschen Limeskommission vom 15. April 2010 der Ebene der staatlichen Denkmalpflege als wurden keine denkmalrechtlichen Bedenken Schutzinstitution für das Welterbe, sondern festgestellt. In den Gemeinden Weiltingen- Thomas Becker Planungen von Standorten regenerativer Energiegewinnung am Limes – Fallbeispiele und Erfahrungen in Hessen 23

Abb. 6: Weiltingen-Wörnitzhofen, Landkreis Ansbach (Bayern). Neu errichtete Biogasanlage (unter blauem Pfeil) in der Blickachse vom Kastell zum Limesverlauf (rote Pfeile).

Wörnitzhofen (Abb. 6) sowie Wittelshofen, PlanungsrechTliche Situation in Hessen Landkreis Ansbach, entstanden in den letzten Für das Bundesland Hessen fasste die Landesre- Jahren zwei Biogasanlagen im Randbereich der gierung im Jahr 2011 den Beschluss, dass der Orte. Am südwestlichen Ortsrand von Wittels- Energiebedarf für das Land bis 2050 vollständig hofen liegt das Kastell Ruffenhofen, dessen Flä- mit regenerativen Gewinnungsarten gedeckt che samt zugehörigem vicus in den letzten Jah - werden soll. Dazu wurde ein Energiegipfel ein- ren mit öffentlichen Mitteln aufgekauft und berufen und in diesem Arbeitsgruppen zu den zum Römerpark Ruffenhofen entwickelt wur- Themen Ausbau, Identifizierung, Anforderun- de. Das Kastell wurde von den Römern bewusst gen und gesellschaftliche Akzeptanz gebildet. so in Spornlage über der Wörnitz positioniert, Deren Ergebnisse und ein zusammenfassender dass eine Sichtverbindung zur Grenzlinie des Bericht stellte die Landesregierung im Novem- Limes bestand. Die beiden Anlagen wurden in ber 2011 der Öffentlichkeit vor.3 diesen Sichtfächer platziert, ohne dass eine Ab- Im Rahmen dieser Vorstellung wurden der stimmung zur Lage im Gelände und eine Ein- Öffentlichkeit auch erste Zahlen vorgelegt. So schätzung eventueller Beeinträchtigungen der lautet das formulierte Ziel, dass bis zu 2 % der Umgebung stattfand. hessischen Landesfläche für die Gewinnung

2 Für die Übermittlung der Beispiele sei ganz herzlich Herrn Einrichtung regenerativer Energiestandorte vor (freundliche Dr. Jens Dolata, Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland- Mitteilung Dr. A. Thiel, Regierungspräsidium Stuttgart, Pfalz, Direktion Landesarchäologie Mainz, und Herrn Landesamt für Denkmalpflege, und Dr. St. Bender, LIZ Dr. Jürgen Obmann, Bayerisches Landesamt für Denkmal- Baden-Württemberg, Aalen). pflege München, gedankt. In Baden-Württemberg liegen 3 http://www.energiegipfel.hessen.de/mm/Abschluss.pdf aktuell im Bereich des Welterbes Limes keine Vorhaben zur (Zugriffsdatum: 26. Juli 2012). 24 Regenerative Energien und Welterbestätten

Abb. 7: Planungsvorhaben (Voranfragen und Stellungnahmen) zu Standorten regenerativer Energiegewinnung am hessischen Limesabschnitt von 2005 bis April 2011 (grüne Rechtecke) und April 2011 bis November 2011 (rote Rechtecke) sowie standortübergreifende Abfragen von Re­ striktionsflächen (rote Linie).

regenerativer Energien genutzt werden müssen. Die reale Situation gestaltet sich allerdings an- Bei einer Gesamtgröße Hessens von 21 115 km2 ders. Bis zum Zeitpunkt der Verkündigung des entspricht dies einer Fläche von 422,3 km2, wel- Energiegipfels im April 2011 musste die hessen- che wiederum nahezu äquivalent mit der dop- ARCHÄOLOGIE im Landesamt für Denkmal- pelten Grundfläche der Stadt Frankfurt am pflege seit der Eintragung des Limes auf die Lis- Main (248,31 km2) ist. Hinsichtlich der Konzepti- te der UNESCO-Welterbestätten 2005 zu vier on eines effizienten Mix der verschiedenen Planungsvorhaben von regenerativen Energie­ Energiegewinnungsarten könnte dies zur Folge standorten im Umfeld des Limes Stellung neh- haben, dass bis zu 1500 neue Windrotoren men (Abb. 7). Im nachfolgenden Zeitraum bis No- in Hessen entstehen.4 Setzt man dies ebenfalls in vember 2011, also für sieben Monate, lag die Zahl den Bezug zur Landesfläche, so kommt auf der Anfragen bzw. Stellungnahmen bei fünf in- 14 km2 ein neuer Windrotor. klusive zweier übergreifender Abfragen zu Re­ Betrachtet man diese Angaben vor dem Hinter- striktionsflächen für zwei Landkreise. grund des Umfangs des UNESCO-Welterbes Die hessenARCHÄOLOGIE im Landesamt für Limes in Hessen, so liegt die Fläche der Kernzo - Denkmalpflege vertritt dabei die Position, dass in ne bei 12,76 km2 und die der umgebenden Puffer- einem Abstand von 1000 m von der Kernzone des zone bei 196,61 km2. Damit wird klar, dass Welterbes hoch aufragende Bauten einen Einfluss allein aufgrund der Flächenvergleiche im Durch- auf das Erscheinungsbild des Denkmals haben schnitt mindestens ein Windrotor in der Kern- und damit keine Windrotoren als weit sichtbare zone des Welterbes und 14 in der Pufferzone Landmarken aufgestellt werden dürfen. Diese entstehen müssten. Haltung findet sich auch wieder in den Abstands- Thomas Becker Planungen von Standorten regenerativer Energiegewinnung am Limes – Fallbeispiele und Erfahrungen in Hessen 25

flächen zwischen Denkmälern und Wind­ro­toren, Limes haben und damit eine Gefährdung des die in die Regionalpläne Mittelhessen und OUV darstellen. Hierauf wird auch im Manage- Südhessen von der hessenARCHÄOLOGIE im mentplan für den deutschen Abschnitt des Rahmen des Beteiligungsverfahrens für „denk­ Welterbes eingegangen, der die Bedeutung die - malpflegerisch relevante Gesamtanlagen mit ser engen Beziehung zwischen dem Denkmal regionaler Bedeutung und entsprechender und der Landschaft herausstellt und ihre Inte­ Fernwirkung“ und „denkmalpflegerisch rele- grität als erhaltensnotwendig erachtet.9 Die vante Gesamtanlagen mit lokaler Bedeutung Deutsche Limeskommission bestätigt vor diesem und geringer Fernwirkung“ implementiert und Hintergrund die Notwendigkeit eines solchen im Zuge des Beschlusses für den Regionalplan Mindestabstands von 1000 m im Rahmen von Mittelhessen bereits bestätigt wurden.5 Beim Stellungnahmen zu zwei Planungsvorhaben.10 Regionalplan Südhessen wurde der Teil zur re- Flächenwirksame Anlagen ohne ausgeprägte generativen Energiegewinnung aus der Be- Höhenwirkung (Photovoltaikanlagen) sind bei schlussfassung herausgenommen,6 so dass hier einer Lage im Umfeld des Welterbes innerhalb lediglich die Anerkennung der entsprechenden oder außerhalb der Pufferzone einer Prüfung Stellungnahme durch das Regierungspräsidium zu unterziehen, um festzustellen, inwieweit das Darmstadt vorliegt. Auch wenn hier eine expli- Denkmal durch die Anlage in seinem Erschei- zite Nennung des UNESCO-Welterbes nicht vor- nungsbild beeinträchtigt ist. Bei dem vorste- genommen ist, attestiert der Regionalplan dem hend erwähnten rheinland-pfälzischen Beispiel Limes doch eine überregionale Bedeutung, die wurde dies vorbildhaft praktiziert. Überpla- aufgrund des Status sicherlich auch unstrittig nungen durch diese Energiegewinnungsform ist.7 Dies und ebenfalls die vorhandene erhebli- sind wie bei allen anderen Formen auch grund- che Fernwirkung sowie sein landschaftsprägen- sätzlich abzulehnen. der Charakter8 unterstreichen die notwendigen Restriktionsflächen von 1000 m beiderseits der Ausblick Kernzone des Welterbes. Der vorgelegte Überblick zeigt deutlich den po- Diese Abstandsflächen erscheinen auch unbe- tenziellen Konfliktbereich zwischen Planungen dingt notwendig vor dem Hintergrund des Out- von Standorten regenerativer Energiegewin- standing Universal Value (OUV) der transnatio- nung und dem Welterbe Limes. Die Erfahrung nalen Welterbestätte „Frontiers of the Roman zeigt bisher, dass grundsätzlich keine Überpla- Empire / Grenzen des Römischen Reiches“. Hier nungen der Kernzone des Welterbes vorgelegt heißt es, dass der Zusammenhang mit der um- wurden. Dafür sind etliche Vorhaben zu benen- gebenden Landschaft Teil der Integrität der nen, die innerhalb der Pufferzone und im direk- Welterbestätte ist. Damit wird klar, dass extrem ten Umfeld des Welterbes angesiedelt sind. Sie landschaftsprägende Elemente wie Windroto- greifen folglich in die geschützte Umgebung des ren oder auch Biogasanlagen durch ihre Höhe Limes ein, für die als Umfeld eines Bodendenk- einen Einfluss auf die Umgebungswirkung des mals stets ein Genehmigungsvorbehalt bzw. ein

4 Auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Abschlussbe- gienutzung auf der Grundlage eines Regionalen Energiekon- richts für den Energiegipfel Hessen am 10. November 2011 zepts nachgeholt wird (http://www.hessen.de/irj/RPDA_Inte (http://www.energiegipfel.hessen.de/mm/Abschluss.pdf rnet?cid=b3c39cc0b19c9d2c600e728163b1abd1 [Zugriffs- [Zugriffsdatum: 26. Juli 2012]) wurde diese Anzahl als zu datum: 26. Juli 2012]). erwartende Menge ins Gespräch gebracht: „Umweltministe- 7 Regionalplan Mittelhessen 2010, 72. rin Lucia Puttrich (CDU) rechnete mit bis zu 1500 neuen 8 Regionalplan Mittelhessen 2010, 91. Windrädern in Hessen“ (http://www.welt.de/print/welt_ 9 Deutsche Limeskommission (Hrsg.), UNESCO-Welterbe kompakt/vermischtes/article13710882/Energiegipfel-be- „Grenzen des Römischen Reiches: Obergermanisch-Raeti- schliesst-Aktionsplan.html [Zugriffsdatum: 26. Juli 2012]). scher Limes.“ Management-Plan 2010–2015. Beiträge zum 5 R egionalplan Mittelhessen 2010, 134 (http://www. Welterbe Limes Sonderband 1 (Bad Homburg 2010) 22 7.1.4 landesplanung-hessen.de/regionalplaene/ [Zugriffsdatum: und 7.1.7. 26. Juli 2012]). 10 Schreiben vom Vorsitzenden der Deutschen Limeskommissi- 6 In Vorbereitung befindet sich auch die Aufstellung eines on, Prof. Dr. C. S. Sommer, vom 22. Juni 2010 bzw. 6. März sachlichen Teilplans Windenergienutzung, mit dem die 2012 zu Vorhaben in Ober-Mörlen (s. o.) und Friedrichsdorf. bislang fehlende Festlegung von Flächen für die Windener- 26 Regenerative Energien und Welterbestätten

Abb. 8: Pfahlheim- Genehmigungsverfahren im Sinne des § 16 Abs. 2 tive Energiegewinnung freigehalten wird und Halheim, Ostalbkreis HDSchG notwendig ist. Ein solcher Umgebungs- dafür eine schwerpunktmäßige Nutzung an an- (Baden-Württemberg). schutz ist in allen vier Landesgesetzen der an derer Stelle zu erfolgen hat. In jedem Fall muss Die kurz vor der Eintra- der Welterbestätte Limes beteiligten Bundeslän- aus den Fehlern, die in der Vergangenheit an we- gung zum Welterbe ge- der implementiert.11 nigen Stellen bereits mit der Einrichtung rege- nehmigten Windrotoren Die Einrichtung regenerativer Energiegewin- nerativer Energiegewinnungsorte im direkten im Umfeld des Kastells nung kann nicht nur den Status des Welterbes Umfeld des Limes gemacht wurden (Abb. 8), ge- Halheim und des zum Teil gefährden, sondern auch in die bestehende Kul- lernt werden, damit es nicht zu Wiederholungen obertägig sichtbaren turlandschaft mit ihrem herausragenden Ele- kommt. Verlaufs der raetischen ment Limes in einer Form eingreifen, die von Mauer könnten heute bei zukünftigen Generationen als unbedachte Zer- bestehendem Welterbe- störung einer intakten historisch gewachsenen status in dieser Form Kulturlandschaft angesehen werden kann.12 Für nicht mehr genehmigt einen besonnenen Umgang und eine wohldurch- werden. dachte Auswahl von Standorten warb daher Bayerns oberster Denkmalpfleger Prof. Dr. Egon Greipl, der als Beispiel von unbedachter und heute abgelehnter Planung auf das Programm „Autogerechte Stadt“ der 1960er Jahre hinwies.13 Auf die Gefahr einer Abwertung des Welterbes und der Kulturlandschaft beispielsweise im Hin- blick auf den Erholungswert oder das touristi- Thomas Becker M. A. sche Wirtschaftspotenzial wird auch seitens der hessenARCHÄOLOGIE am Landesamt für Politk aufmerksam gemacht.14 Daraus geht deut- Denkmalpflege Hessen lich hervor, dass es ebenso zum gesellschaftli- Schloß Biebrich/Ostflügel chen Konsens werden muss, dass das Umfeld 65203 Wiesbaden eines Welterbes von einer Nutzung für regenera- [email protected] Thomas Becker Planungen von Standorten regenerativer Energiegewinnung am Limes – Fallbeispiele und Erfahrungen in Hessen 27

11 § 15.3 DSchG Baden-Württemberg („Bauliche Anlagen in auf berühmte Stadtsilhouetten wie , Nürnberg, der Umgebung eines eingetragenen Kulturdenkmals, soweit Rothenburg oder Würzburg müssten frei bleiben. ‚Die sie für dessen Erscheinungsbild von erheblicher Bedeutung Menschen kommen gerne nach Bayern, weil sie tolle Städte, ist, dürfen nur mit Genehmigung der Denkmalschutzbehörde Kirchen und Landschaften sehen wollen, weniger wegen errichtet, verändert oder beseitigt werden.“). – § 7.4 DSchG vieler Windräder.‘ Historische Kulturlandschaften, etwa den Bayern („Wer in der Nähe von Bodendenkmälern, die ganz gesamten Alten Kanal, die historischen Flößerwege von oder zum Teil über der Erdoberfläche erkennbar sind, Kronach bis hinunter nach Frankfurt, den ganzen Main Anlagen errichten, verändern oder beseitigen will, bedarf entlang, die alten Stauteiche und Schleusen, auch die Reste der Erlaubnis, wenn sich dies auf Bestand oder Erschei- vorzeitlicher Höhensiedlungen gerade in Franken möchte nungsbild eines dieser Bodendenkmäler auswirken kann.“).– Greipl von großen Windrädern in der Umgebung verschonen. § 16.2 DSchG Hessen („Der Genehmigung der Denkmal- Dabei setzt der Denkmalschützer nicht auf Verbote, sondern schutzbehörde bedarf ferner, wer in der Umgebung eines un- auf den Dialog mit den Bürgern, auf Modellprojekte, die beweglichen Kulturdenkmals Anlagen errichten, verändern zeigen, wie es geht.“ oder beseitigen will, wenn sich dies auf den Bestand oder 14 Der Landrat des Hochtaunuskreises, Ullrich Krebs, äußerte das Erscheinungsbild des Kulturdenkmales auswirken sich zu einer solchen Gefahr für den Limes im Hochtaunus im kann.“). – § 4.1 und § 13.1 DSchG Rheinland-Pfalz Bereich des Limeserlebnispfades: „Die Gemeinden müssten („Gegenstand des Denkmalschutzes ist auch die Umgebung entscheiden, wo der Bau der mehr als hundert Meter hohen eines unbeweglichen Kulturdenkmals, soweit sie für dessen Anlagen verantwortbar sei. Der Hochtaunus sei ein Bestand, Erscheinungsbild oder städtebauliche Wirkung von Erholungsgebiet für gut drei Millionen Menschen, sagte der Bedeutung ist. […] In der Umgebung [§ 4 Abs. 1 Satz 4] CDU-Politiker. Und der Limes-Erlebnispfad auf dem eines unbeweglichen Kulturdenkmals darf eine bauliche Taunuskamm sei eine Attraktion. ‚Es wäre kontraproduktiv, Anlage nur mit Genehmigung errichtet, verändert oder den Weg mit Windrädern zu markieren.‘“ (Frankfurter beseitigt werden.“). – In Baden-Württemberg besteht der Rundschau vom 11. Januar 2012: http://www.fr-online.de/ Umgebungsschutz nur für eingetragene Kulturdenkmäler bad-homburg/oberursel-kein-freund-von-wind- von besonderer Bedeutung (§ 12 DSchG), wobei aufgrund parks,1472864,11418956.html [Zugriffsdatum: 26. Juli 2012]). der besonderen Bedeutung einer Welterbestätte und des von der UNESCO geforderten höchsten rechtlichen Schutzes nach Landesgesetzgebung von der Voraussetzung zur Aufnahme des Limes in das Denkmalbuch ausgegangen werden kann. Abbildungsnachweis 12 D ie Auswirkungen von Windenergierotoren und Solarfeldern auf die Kulturlandschaft wurden verschiedentlich betrachtet: hessenARCHÄOLOGIE, Th. Becker M. A.: 1. – Plan: W. Nohl, Landschaftsästhetische Auswirkungen von Planungsgruppe Freiraum und Siedlung, Wöllstadt, Windkraftanlagen. Schöne Heimat 99.3, 2010, 3–12. – Überarbeitung: hessenARCHÄOLOGIE, Th. Becker M. A.: H. Waltner, Solarfelder – Verschandelung oder Gewinn für 2. – Foto und Montage: hessenARCHÄOLOGIE, die Kulturlandschaft?. Schöne Heimat 99.3, 2010, 167–170. Th. Becker M. A.: 3. – Kartengrundlage: G. Preuss, 13 N ürnberger Nachrichten vom 19. Dezember 2011 (http:// Layout & Grafik, Wachenheim, Kartierung: www.nordbayern.de/nuernberger-nachrichten/region-bay- hessen­ARCHÄOLOGIE, Th. Becker M. A.: 4. – Karte: ern/augenmass-bei-sonne-und-wind-1.1733048 [Zugriffsda- Deutsche Limeskommission / Landesvermessungsamt tum: 26. Juli 2012]): „‚Wir sind als Denkmalpfleger Baden-Württemberg, Stand 2003, grafische sozusagen die Apostel der Nachhaltigkeit‘, sagt Greipl. Überarbeitung: hessenARCHÄOLOGIE, Th. Becker M. A.: Deshalb möchte er nicht erleben, dass ‚wir in ein paar Jahren 5. – Foto: BLfD, Dr. Jürgen Obmann, grafische von den Leuten gefragt werden, warum habt ihr nicht laut Überarbeitung: hessenARCHÄOLOGIE, eure Stimme erhoben, als damals auch sensible Landschaf- Th. Becker M. A.: 6. – Kartengrundlage: G. Preuss, ten mit Windrädern und markante Baudenkmäler mit Layout & Grafik, Wachenheim, Kartierung: großflächigen Solarmodulen beeinträchtigt wurden‘. […] Bei hessen­ARCHÄOLOGIE, Th. Becker M. A.: 7. – Foto: der Windkraft sieht Greipl etliche Konfliktfelder. Sichtachsen Limesmuseum Aalen, U. Sauerborn: 8. 28 Regenerative Energien und Welterbestätten

Heinrich Walgern Das Kulturdenkmal und sein Wirkungsraum – Umgebungsschutz für den Limes?

Regenerative Energien und Welterbestätten · Beiträge zum Welterbe Limes · Sonderband 2 04 Hrsg. Deutsche Limeskommission · Bad Homburg v. d. H. 2013 Heinrich Walgern Das Kulturdenkmal und sein Wirkungsraum – Umgebungsschutz für den Limes? 29

Heinrich Walgern Das Kulturdenkmal und sein Wirkungsraum – Umgebungsschutz für den Limes?

Wenn der Schutz des Limes als Welterbe allein durch die Ausweisung einer archäologischen Pufferzone nicht hinreichend möglich ist, mag es hilfreich sein, die Möglichkeiten des Umge- bungsschutzes für Baudenkmäler, wie sie in den deutschen Denkmalschutzgesetzen festge- schrieben sind, zu betrachten. Daher sollen zu- erst die denkmalkundlichen Grundlagen des Umgebungsschutzes erläutert und an einigen Beispielen der methodische Ansatz zur inhaltli - chen und räumlichen Bestimmung aufzeigt wer- den. Zuletzt sollen strategische Ansätze der Denkmalpflege zur erhaltenden Entwicklung von Bau- und Bodendenkmälern im Rahmen des planerischen Umgangs mit Kulturlandschaft nach Baugesetzbuch (BauGB) und Raumord- nungsgesetz (ROG) vorgestellt werden. Ob diese auf die Situation des Limes übertragbar sind, wäre zu prüfen.

Wirkungsraum von Denkmälern risch begründeter Wechselwirkung. Der Wir- Abb. 1: Burg Strauweiler Jedes Denkmal steht an einem bestimmten Ort kungsraum kann gleichzeitig mit dem Denkmal bei Odenthal, Bergisches und damit in einer Beziehung zu seiner Umge- gebildet worden sein, bereits vor seiner Erstel- Land. bung. Maßgebliche Umgebung eines Denkmals lung bestanden haben oder eine spätere Ent- ist der Bereich, der funktional, strukturell oder wicklung darstellen (Abb. 1). visuell mit dem Denkmal zusammenhängt und Wenn der inhaltliche oder räumliche Zusam- zur Bedeutung des Denkmals beiträgt, der Be- menhang zwischen mehreren denkmalwerten reich, in dem das Denkmal wirkt und in dem es oder erhaltenswerten historischen baulichen wahrgenommen wird. Dieser Bereich wird da- Anlagen und Freiräumen besonders dicht ist her auch als Wirkungsraum, Wirkungsbezugs- und der Bereich darüber hinaus unter einem raum1 oder Ausstrahlungsbereich 2 bezeichnet. einheitsstiftenden Motiv, ob gesetzt oder ge- Denkmal und Wirkungsraum bilden eine räum- wachsen, steht, bildet er dagegen ein Denkmal­ liche Einheit und stehen miteinander in histo- ensemble. Dies kann auf großräumiger Ebene

1 Eidloth 2008, 55; nach Breuer 1983, 77. 2 Janßen-Schnabel 2009. 30 Regenerative Energien und Welterbestätten

Abb. 2: Heimbach, Bürgergärten an der Rur.

auch ein historischer Kulturlandschaftsbereich tradierte Nutzungen, Blickverbindungen, Sicht- sein (Abb. 2).3 Für einen Landschaftsbereich mit achsen, Sichträume und Silhouetten. Unter dem herausragender Prägung durch Denkmäler hat zusätzlichen Aspekt der Anschaulichkeit und der bayerische Landeskonservator Tilmann Nachvollziehbarkeit wird daraus abgrenzend Breuer den Fachbegriff der Denkmallandschaft die maßgebliche Umgebung des Kulturdenk- entwickelt, der jedoch im Denkmalrecht bisher mals bestimmt, die für den rechtlichen Schutz keinen Niederschlag gefunden hat.4 relevant ist. Der Wirkungsraum eines Denkmals muss im Eine inhaltlich und räumlich besonders umfas- Rahmen einer denkmalkundlichen Analyse sende Untersuchung der maßgeblichen Umge- nach strukturellen, funktionalen, baulich-räum- bung eines Denkmalensembles liegt mit dem lichen, visuellen und assoziativen Zusammen- Gutachten des Rheinischen Amtes für Denkmal- hängen inhaltlich und räumlich erfasst, bewer- pflege zur Pufferzone des Welterbes „Schlösser tet und dokumentiert werden.5 Dabei werden, Augustusburg und Falkenlust“ in Brühl vor ausgehend von der Eigenheit und Geschichte (Abb. 3).6 Neben einer „unmittelbaren Umge- des Denkmals und seiner Umgebung, Wert und bung“, die den räumlichen und funktionalen Zu- wechselseitige Wirkung sowie Charakteristika sammenhang der einzelnen Teile des Welterbes der Umgebung bestimmt. Wichtige Aspekte mit der Altstadt von Brühl und den in kurfürstli- sind dabei die historisch-topographische Situati- cher Zeit für die Falkenjagd genutzten landwirt- on innerhalb der Stadt und in der Landschaft, schaftlichen Freiflächen sichert (Pufferzone 1), der siedlungsgeschichtliche Zusammenhang, werden ermittelt: ein „Ausstrahlungsbereich“, Volumina, Proportionen, Bauart und Materiali- der die benachbarten adeligen Häuser und Anla- en von Bauten, die Dachlandschaft, Enge oder gen am Hang der Ville einbezieht (Pufferzone 2), Weite von Räumen, Vegetation und Freiräume, eine Sichtzone auf die Schlösser und ihren Hin- Beziehungen der einzelnen Elemente zum tergrund (Pufferzone 3) und weiträumige „Sicht- Denkmal und zueinander durch Dominanz oder bezüge“ in der Landschaft des Rheintals, zum Ein- und Unterordnung, der historisch-funktio- Neuen Schloss des Herzogs von Berg in Bens- nale Wirkungszusammenhang und historisch berg, zur Benektinerabtei auf dem Michaelsberg Heinrich Walgern Das Kulturdenkmal und sein Wirkungsraum – Umgebungsschutz für den Limes? 31

Abb. 3: Schlösser Augustusburg und Falkenlust bei Brühl. Welterbe (rot) und Pufferzone 1 (Denkmalbereich nach DSchG NRW: lila). in Siegburg und auf das Siebengebirge (Puffer­ kation und damit Heimat, spielen sinnliche Ein- zone 4). Für die Pufferzone 1 wird der Schutz als drücke eine positive Rolle und können so den Denkmalbereich nach § 2 DSchG NW (Ensem­ble Wert eines Denkmals verstärken.8 Wichtige An- und Umgebung von Denkmälern), für die Puf- sprüche an eine Verrechtlichung wie Eindeutig- ferzonen 2 bis 4 durch Festsetzungen in den keit und Bestimmtheit der Phänomene und Be- Flächennutzungsplänen der zehn (!) beteiligten züge sowie ihrer Abgrenzung und damit ihrer Gemeinden, im Regionalplan und im Landesent- Vermittelbarkeit sind jedoch nicht oder nur un- wicklungsplan empfohlen. zureichend gegeben. Andererseits verpflichten In der Wissenschaft werden neben den oben UNESCO und Europarat nicht nur zum Schutz angegebenen Bedeutungsaspekten weitere As- des materiellen kulturellen Erbes, sondern auch pekte bearbeitet; sie flossen jedoch bisher nicht des immateriellen Erbes. Gerade Deutschland in die praktische Anwendung des Umgebungs- dürfte hier nachzuarbeiten haben, da es den in - schutzes ein: akustische Raumwirkungen wie ternational benutzten Begriff „Kulturelles Erbe“ Kirchengeläute oder olfaktorische Phänomene bisher rechtlich auf Sachen, nämlich „Kulturgü- und Gerüche, die Gärten, Städte oder Indus­ ter“, verkürzt. trieanlagen prägen.7 Negativ als Lärm oder Ge - Analysemethode und -aufwand für die Bestim- stank wahrgenommen, sind sie als Immissionen mung von Wirkungsraum und Umgebung sind längst in unser Rechtssystem (BImSchG; UVPG) abhängig von der Frage, ob es sich um ein einzel- eingegangen und werden räumlich erfasst und nes Denkmal, ein Ensemble oder einen histori- bewertet. Für die emotionale Raumwahrneh- schen Landschaftsbereich handelt, sowie vom mung, auch im Sinne von Atmosphäre, Identifi- Maßstab der Betrachtung. Die maßgebliche Um-

3 Janßen-Schnabel 2008. 6 Rheinisches Amt für Denkmalpflege 2005; Janßen-Schnabel 4 Breuer 1983; Gunzelmann 2010. 2009. 5 Strobel/Buch 1986; Eidloth 2007. 7 Winkler 2005; Bischoff 2005. 8 Hasse 2010. 32 Regenerative Energien und Welterbestätten

ist aber auch Icon in der Werbung (Abb. 5). Gerade wegen dieser Bedeutungs- und Wahr- nehmungsvielfalt wurden die Sichtfeldanalysen und Stadtbildverträglichkeitsstudien, die zum Kölner Dom wegen der geplanten Hochhäuser im rechtsrheinischen Deutz gefertigt wurden, dem Dom nicht gerecht, da in ihnen versucht wurde, das Bild des Doms auf vermeintlich ratio- nale Foto- und Videoeinstellungen zu reduzie- ren – und das vor allem aus der Sicht von Auto- fahrern und Touristen! 11

Umgebungsschutz von Denkmälern nach Denkmalrecht Der Wirkungsraum bestimmt sich vom Denk- Abb. 4: Blick von der Löwenburg ins Siebengebirge und das Rheintal. mal und seiner Bedeutung. Er ist unabhängig von einem Projekt in der Umgebung des Denk- mals, z. B. einer Windkraftanlage. Dieses wirkt gebung eines Kulturdenkmals ist immer ein seinerseits auf das Denkmal und seinen Wir- dreidimensionaler Raum, was die Darstellung in kungsraum ein. Um dieser Gesamtsituation Karten oft vernachlässigt (Abb. 4). Räumliche als denkmalpflegerischem Interessengebiet ge- Abgrenzung, Schutzziele und Einschränkungen recht zu werden, werden in den entsprechenden für die Umgebung sind festzulegen. Die Abgren- Planungsgesetzen nicht nur Denkmäler, son- zung der maßgeblichen Umgebung muss den dern auch denkmalpflegerische Belange ange- Wirkungsraum rechtlich handhabbar machen sprochen. Wie wichtig die Unterscheidung vom und kann dabei mehrere, nach Schutzzielen ge- Wirkungsraum und relevanter Umgebung ist, stufte Bereiche und zusätzlich Sichtachsen oder zeigt anschaulich das Gutachten des Landes- Sichtfächer umfassen. Für die in den Denkmal- denkmalamtes Schleswig-Holstein zum Schutz schutzgesetzen betonte optische Wahrnehmung von Denkmälern vor Beeinträchtigung durch ist der menschliche Betrachtungswinkel von Windkraftanlagen, das neben den Denkmälern allen relevanten Standorten aus maßgebend. und ihrem Wirkungsraum die damaligen Höhen Eine standardisierte Festlegung der räumlichen von Windkraftanlagen und Größe der Rotoren Abgrenzung, z. B. ein Radius von 500 m wie zur Grundlage machte und so für heutige Beur- im französischen Denkmalrecht (périmètre de teilungen nicht mehr brauchbar ist.12 protection), ist daher keine geeignete Beurtei- Umgebungsschutz ist in den Denkmalschutzge- lungsgrundlage für Maßnahmen in der Umge- setzen der Länder sowie auch in anderen Geset- bung von Kulturdenkmälern. zen wie den Bauordnungen und Bauplanungsge- In der baurechtlichen und auch in der denkmal- setzen festgeschrieben. Geschützt wird die pflegerischen Genehmigungspraxis wird der Wirkung des Denkmals in seiner Umgebung, Umgebungsschutz häufig auf das Visuelle redu- nicht die Umgebung selbst. Veränderungen der ziert. Die Begriffe „Bild“ oder „Erscheinungsbild“ Umgebung dürfen Substanz und Eigenart des meinen aber nicht allein das rein visuelle Ab- Denkmals, seine Wirkung und Wahrnehmung bild, sondern den Phänotyp, die Summe aller nicht beeinträchtigen. Nach den Denkmalschutz­ Merkmale, Eigenschaften und Beziehungen ei- gesetzen bezeichnet der Umgebungsschutz den nes Objektes, ja sein Wesen, das eine Vielzahl Anspruch eines Denkmals auf eine angemesse- von Bedeutungen ausströmt. Der Betrachter ne positive Gestalt seiner Umgebung, während wird von ihm atmosphärisch eingenommen und das Bauordnungsrecht lediglich die Abwehr von kann sich identifizieren.9 Die Umgebung ist da- Verschlechterung sichert. her die spezifische Situation, die auf den histori- Aufgrund der Bedeutung der Umgebung für den schen Ort des Baudenkmals verweist.10 Ein gutes Wert des Denkmals unterliegen die Errichtung, Beispiel für diese Vielfalt in der Wahrnehmung Veränderung und Beseitigung von Anlagen und des Menschen ist der Kölner Dom; er ist Objekt Freiflächen in der Umgebung von Denkmälern religiöser Andacht („Hohe Domkirche“), er ist in zur Verhinderung nachteiliger Eingriffe nach Image und Identität Symbol der Stadt Köln; er den Denkmalschutzgesetzen einem Genehmi- Heinrich Walgern Das Kulturdenkmal und sein Wirkungsraum – Umgebungsschutz für den Limes? 33

gungs- oder Erlaubnisvorbehalt. Die Denkmal- behörden werden in Maßnahmen zur Verände- rung der Umgebung einbezogen; dabei wird die Bedeutung der Umgebung des Denkmals jedoch oft einseitig auf die optische Dimension redu- ziert. Der Wahrung von Struktur und Funktion des Denkmals im Raum muss aber ebenso große Aufmerksamkeit zukommen. Das Kulturdenk- mal und seine Umgebung sind vor negativen Be- einträchtigungen baulicher, infrastruktureller oder nutzungsbedingter Art in Bezug auf den historischen Aussagewert des Denkmals zu schützen. Bei unausweichlichen Veränderungen in der Umgebung eines Denkmals kommt es da- rauf an, die Situation so gering wie möglich zu verändern. Es ist eine hohe gestalterische Quali- Abb. 5: Köln, Dom und Groß St. Martin. tät anzustreben, die der historischen Situation entspricht; neue Elemente sollen nicht in Kon- kurrenz zum Denkmal treten. Temporäre Ein- Umgebungsschutz nach Denkmal- richtungen für Aktivitäten von kurzer Dauer schutzrecht und den UNESCO-Welterbe- sind möglich, wenn sie die Umgebung des Denk- Richtlinien mals ohne jeden Schaden zurücklassen. Der Schutz des Denkmals in seiner Umgebung Als eine besonders schwerwiegende Beeinträch- wurde seit 1900 immer wieder auf den „Tagen tigung erweisen sich Windkraftanlagen wegen für Denkmalpflege“ erörtert und als fachlicher ihrer übergroßen Dimensionen, aber auch we- Standard festgehalten: „[…] ist dafür Sorge zu tra- gen der Drehbewegungen ihrer Rotorblätter gen, daß nicht Neubauten zur Ausführung ge- und deren rhythmisierten Schattenwurfs, die langen, welche das Denkmal […] entstellen oder ganze Ortsansichten, Stadtsilhouetten und his- seine monumentale Wirkung beeinträchtigen. torische Kulturlandschaftsbereiche dominieren […]. Es ist zu vermeiden, daß die Freilegungen und so zerstören. Historische Hofanlagen oder um ein Denkmal herum einen solchen Umfang Adelssitze in offener Landschaft werden in ih- annehmen, daß der durch die Nähe der umlie- rem Erleben, in ihren Nutzungen und Nutzungs- genden Gebäude für die Größe des Denkmals potenzialen so stark eingeschränkt, dass sie zu- geschaffene Maßstab in seinem Werthe gemin- mindest langfristig, auch unter dem Aspekt des dert wird oder verloren geht. […] Es sollen ortspo- Strukturwandels in der Landwirtschaft und im lizeiliche Bestimmungen getroffen werden, wo- ländlichen Raum, durch Leerstand gefährdet durch der Eigenthümer im Interesse der sind. Freihaltung eines benachbarten Baudenkmals Der Schutz von Denkmälern in ihrer Umgebung gewissen Beschränkungen, insbesondere in Be- ist eine konservatorische Aufgabe, die nicht mit treff der Höhe und der Entfernung etwaiger Neu- stadtgestalterischen Themen und Aufgaben bauten unterworfen wird.“13 Das Anliegen des vermengt werden darf. Die Beurteilung einer Umgebungsschutzes findet sich daher, wenn Beeinträchtigung des Denkmals obliegt nach auch in eingeschränkter Form, 1902 in Art. 2 des ständiger Rechtsprechung der Oberverwal- „Gesetzes, den Denkmalschutz betreffend“ des tungsgerichte dem Urteil eines denkmalpflege- Großherzogtums Hessen-Darmstadt.14 Es wurde rischen Sachverständigen. Denkmalpflege hat seitdem in alle deutschen Denkmalschutzgeset- vorsorgend darauf hinzuwirken, dass Denkmä- ze übernommen. ler und ihre maßgebliche Umgebung nach § 1 (6) Der unbestimmte Rechtsbegriff „Umgebung“ BauGB in der Bauleitplanung angemessen ge- wird gesetzlich variiert und teilweise weiter ein- würdigt werden. geschränkt durch Begriffe wie in der Nähe, un-

9 Rombach 1970. 12 Schafft 1994. 10 Hasse 2010, 111. 13 Erster Tag für Denkmalpflege 1900, 46 f., 65. 11 Eisenlauer u. a. 2003; Kloos u. a. 2005, 27, 41. 14 Dritter Tag für Denkmalpflege 1902, 147. 34 Regenerative Energien und Welterbestätten

mittelbare oder engere Umgebung. Eine in­ Schritt wurden dann die Auswirkungen der ge- haltliche Bestimmung und Abgrenzung im planten Windkraftanlagen auf die Denkmäler Schutz­verfahren (Eintragung in die Denkmal­ und ihre Wirkungsräume bewertet (Umgebung): liste) ist in den deutschen Denkmalschutzgeset- maßstabsprengender Gegensatz von kleinteilig zen nicht vorgesehen, sondern wird erst im strukturierter, historisch geprägter Landschaft denkmalrechtlichen Gestattungsverfahren vor- und technischen Großanlagen, Zerschneidung genommen. Das ist bedauerlich, da so zum einen der Sichtbeziehungen und Einschränkung der der fachlichen Darstellung und Würdigung ei- traditionellen Wahrnehmbarkeit der Denkmä- nes Denkmals ein wesentlicher Aspekt, die Ein- ler und der Landschaft und damit wesentlicher bindung in den umgebenden Raum, fehlt, zum Verlust an Anschaulichkeit und Vermittelbar- anderen eine räumliche Abgrenzung des Wir- keit der geschichtlichen Zusammenhänge. Das kungsraums nicht vorgegeben wird, so dass Bauvorhaben wurde wegen der schwerwiegen- letztendlich statt des Denkmalpflegers als Fach- den Beeinträchtigung von Denkmälern und mann der bauwillige Bürger, sein Architekt oder Kulturlandschaft abgelehnt und diese Entschei- auch der Mitarbeiter der Bauaufsicht oder des dung inzwischen durch das Verwaltungsgericht Planungsamtes eine Einschätzung von Betrof- bestätigt. fenheit vornehmen kann oder muss. Dass diese Die Schweizer Denkmalpflege hat das Problem dabei die Komplexität des Wirkungsraums und Denkmal und Wirkungsraum grundsätzlich damit seine räumliche Ausdehnung häufig gelöst. Hier gehört zur Bestimmung und falsch einschätzen und im Zweifelsfall von einer Würdigung eines Kulturdenkmals immer auch Nicht-Betroffenheit ausgehen, dürfte einsichtig die verbindliche Festlegung des Umgebungs- sein. Die Bestimmung des Wirkungsraums eines schutzraums mit Schutzzielen und Einschrän- Kulturdenkmals ist also in erster Linie ein theo- kungen, gegebenenfalls nach Zonen und Sicht­ retischer Ansatz der Denkmalkunde. In der achsen differenziert.16 Einen Weg in diese denkmalpflegerischen Praxis wird – insbeson- Richtung eröffneten die Länder Brandenburg, dere aus Gründen der Arbeitseffizienz – mit der Meck­lenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfa- konkreten Bestimmung des Wirkungsraums auf len, Sachsen-Anhalt und Thüringen, indem de- das Genehmigungsverfahren für ein Vorhaben ren Denkmalschutzgesetze die Denkmalbe­ in der Umgebung von Kulturdenkmälern ge- hörden ermächtigen, die Umgebung eines wartet. Denkmals durch Denkmalbereichssatzung fest- Ein Beispiel: Das LVR-Amt für Denkmalpflege im zulegen. So wird die allgemeingesetzliche Be- Rheinland erarbeitete 2010 im Rahmen eines im- grenzung der „engeren Umgebung“ auf die er- missionsschutzrechtlichen Verfahrens für ge- mittelte maßgebliche Umgebung erweitert. plante Windkraftanlagen am nördlichen Rand Dem relativ geringen rechtlich geforderten Auf- der Eifel eine gutachtliche denkmalpflegerische wand beim Beschluss der Satzung – sie ist ver- Stellungnahme.15 In einem ersten Schritt wur - gleichbar einer Erhaltungssatzung nach § 172 den die durch den geplanten Standort der Wind- BauGB – steht bei der administrativen Handha- kraftanlagen am Nordrand der Eifel betroffenen bung aufgrund der Vielzahl der Fälle und des Denkmäler in ihrem Wirkungsraum gewürdigt: hohen Anspruchs an die fachliche Qualifikation die Wallfahrtskapelle auf dem Michelsberg und bei den Einzelfall-Entscheidungen ein relativ der zugehörige Kreuzweg sowie die katholische großer Aufwand gegenüber. Daher sind – abge- Pfarrkirche St. Goar im Dorf Schönau im Tal der sehen von Satzungen, die in erster Linie den Erft und deren Einbindung in die großräumige Schutz von Ensembles bewirken – keine Satzun- Kulturlandschaft des nördlichen Eifelrandes mit gen zur Bestimmung und Begrenzung des Um- ihren historischen Bezugssystemen seit der Rö- gebungsschutzbereiches in Nordrhein-Westfa- merzeit. In einem zweiten Schritt wurde die be- len bekannt. sondere Bedeutung der Blickbeziehungen als Die internationalen Richtlinien der UNESCO für Wirkungsraum herausgestellt: aus der Voreifel- die Durchführung des Übereinkommens zum landschaft auf den Michelsberg als Zielpunkt Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von Wallfahrten und von den Hochpunkten der fordern einen definierten Umgebungsbereich, Eifelberge, insbesondere des Michelsbergs, – den engl. buffer zone.17 Die „Charta von Venedig“ von „Eifelblicken“ – als Panoramablicke in die Land- 1964 stellt fest, dass zur Erhaltung eines Denk- schaft der Voreifel mit ihren prägenden denk- mals die Bewahrung eines seinem Maßstab malwerten Kirchen und Dörfern. Im dritten entsprechenden Rahmens gehört. Im „Überein- Heinrich Walgern Das Kulturdenkmal und sein Wirkungsraum – Umgebungsschutz für den Limes? 35

kommen der Mitgliedsstaaten des Europarates Bauordnungsrecht gebraucht. Während das zum Schutz des architektonischen Erbes vom Bundesnaturschutzgesetz die Ansprüche an die 3.10.1985“ haben sich die Vertragsparteien ver- Umgebung von Schutzgebieten – vergleichbar pflichtet, Rechtsvorschriften zu erlassen, nach den Denkmalschutzgesetzen – positiv regelt, denen Vorhaben in der Umgebung von Denk- fordern die Baugesetze lediglich abwehrend, mälern den Denkmalbehörden vorzulegen sind. dass eine wesentliche Verschlechterung oder Lediglich für eine der vier Welterbestätten in Störung der vorhandenen Situation nicht eintre- Nordrhein-Westfalen ist bisher diese buffer zone ten darf, indem sich (Bau-)Vorhaben nach dem durch Denkmalbereichsatzung rechtlich gesi- Gebot der Rücksichtnahme und Spannungsbe- chert, nämlich die des 1982 eingetragenen wältigung „in die städtebauliche Eigenart der Aachener Doms.18 Für die Welterbestätten näheren Umgebung einfügen“ müssen (§ 34 „Schlösser Augustusburg und Falkenlust“ in BauGB) oder „nicht verunstaltend“ wirken dür- Brühl (Welterbe seit 1984) und Industrieller Kom- fen (Landesbauordnungen). Weiterhin wird im plex „Zeche Zollverein“ in Essen (Welterbe seit Baugesetzbuch gefordert, dass das Straßen-, 2001) liegen denkmalpflegerische Gutachten zur Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigt buffer zone vor, ohne dass eine rechtliche Umset- wird oder dass auf Anlagen von geschichtlicher, zung in Aussicht steht.19 künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung Nach Art. 1, Nr. 3 des „Europäischen Überein- sowie auf denkmalpflegerische Belange Rück- kommens von Valetta zum Schutz des archäolo- sicht zu nehmen ist.21 gischen Erbes vom 16.01.1992“ umfasst der Das Bauplanungsrecht steht aber unter der Schutz des archäologischen Erbes ausdrücklich grundsätzlichen Leitlinie der „Baufreiheit“, d. h., auch dessen Umgebung. Die Regelungen der zugunsten des Antragstellers ist genehmi- Denkmalschutzgesetze der Länder zum Umge- gungsfähig, was gerade noch unter Beachtung bungsschutz schließen daher Bodendenkmäler öffentlicher Belange tolerabel ist. Andererseits ein. Schutzzonen für die archäologischen Stätten können die Gemeinden diese relativ groß­ und ihre Umgebung sollen das archäologische zügigen Regelungen des Rahmenrechts durch Erbe umfassend sichern und so Gefährdungen eigene Satzungen (Flächennutzungsplan, durch die heutigen Wirtschaftsweisen der Men- Bebauungsplan, Erhaltungssatzung und Ge­ schen in der Land- und Forstwirtschaft, durch staltungssatzung) einschränken und aus­ge­stal­ Baumaßnahmen, durch den Abbau von Boden- ten, auch zugunsten denkmalpflegerischer schätzen, durch Grundwasserabsenkungen und An­sprüche an Baustruktur, Freiflächen und sonstige Veränderungen der Landschaft abweh- Landschaftsbild. Wegen der Bedeutung der ren. Durch Beeinflussung von Städtebau, Raum - kom­munalen Planungshoheit und um einen ordnung und Kulturpolitik machen sie einen in- umfassenden, auch indirekten Schutz der Denk- direkten Schutz der Denkmäler möglich, da sich mäler in ihrer Umgebung zu ermöglichen, über- die archäologischen Zeugnisse vielfach dem di- trug der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen rekten sinnlichen Erkennen und Erleben entzie- 1980 und nachfolgend in vielen anderen Län- hen und über den Umweg einer Schutzzone Pla- dern den Gemeinden die staatlichen Aufgaben nern und Entscheidungsträgern greifbar und der Unteren Denkmalbehörde. Den Gemeinden operabel gemacht werden können. Trotz der stehen im Rahmen der Stadtplanung weitere In- rechtlichen Vorgaben hat sich bis heute in der strumente zur Sicherung von Denkmälern in denkmalpflegerischen Praxis ein Umgebungs- ihrer Umgebung zur Verfügung, insbesondere schutz kaum realisieren lassen.20 der Denkmalpflegeplan.22 Ein weiterer effektiver Ansatz zum Schutz von Andere Schutzmöglichkeiten Kulturdenkmälern in ihrer Umgebung ist ihre Außer im Denkmalschutzrecht wird der Be­griff planerische Sicherung und qualitative Entwick- der Umgebung noch im Naturschutzrecht lung in der räumlichen Gesamtplanung, insbe- (§ 22 [1] BNatSchG) sowie im Bauplanungs- und sondere der Landes- und Regionalplanung.

15 LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland 2010. 19 Walgern 2005; Janßen-Schnabel 2009. 16 Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege 2008. 20 Maluck 2010. 17 Machat 2008. 21 Stich 2001. 18 Meyer 2009; Janßen-Schnabel 2011. 22 Overhoff 2005. 36 Regenerative Energien und Welterbestätten

sind die Wahrung geschichtlicher und kulturel- ler Zusammenhänge, die Erhaltung der Denk- mäler und Denkmalbereiche, die Sicherung und behutsame Entwicklung der historischen Kul- turlandschaftsbereiche in ihrer Vielschichtig- keit zeitlicher Ebenen und gegebenenfalls die Steuerung der Veränderungsdynamik; damit unvereinbare Nutzungen sollen ausgeschlossen und die kulturhistorischen Belange bei erfor- derlichen Abwägungen besonders berücksich- tigt werden. Die Handreichung „Kulturgüter in der Planung“ zur Berücksichtigung des kultu- rellen Erbes bei Umweltprüfungen kann bei der Erarbeitung helfen.25 Fachbeiträge zu Flächen- nutzungsplänen und Regionalplänen erarbeite- ten seit den 1990er Jahren insbesondere die Denkmalfachbehörden in Baden-Württemberg, Bayern und im Rheinland.26 Zuletzt fertigten die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und Rheinland einen kulturlandschaftlichen Fach- beitrag zum Landesentwicklungsplan Nord- Abb. 6: Historisch Ein wesentlicher Aspekt ist dabei, dass die Men- rhein-Westfalen an.27 Einzelstudien zur Darstel- bedeutsame Kulturland- schen gerade auf der regionalen Ebene eine Viel- lung von Kulturdenkmälern und historischen schaftsbereiche im zahl ihrer täglichen Erfahrungen machen und Kulturlandschaften im regionalen Zusammen- „Kulturlandschaftlichen hier viele politische Entwicklungskonzepte an- hang gibt es darüber hinaus insbesondere in Fachbeitrag der Land- gesiedelt sind.23 Gerade für die langfristige Si - Bayern.28 Die Wirkung der Fachbeiträge zu ge - schaftsverbände West­ cherung von Kulturdenkmälern in ihrer Umge- samträumlichen Planungen, die ja einen be- falen-Lippe und Rhein- bung bietet die regionale Planungsebene eigene, trächtlichen Aufwand erfordern, kann nur land zum LEP NRW über das Denkmalrecht hinausgehende neue schwer beurteilt werden, da diese Planungen 2025, 2007“. Möglichkeiten. Die Denkmalpflege muss sich je- langfristig und indirekt wirken. Entscheidend (Ausschnitt um Kleve am doch von der eingeübten Betrachtung des ein- ist aber, dass so Informationen über Denkmäler Niederrhein). zelnen Objekts lösen, da Denkmäler hier in ih- und ihre räumlichen Beziehungen in planerisch rem räumlichen, landschaftlichen Bezug sowie aufbereiteter und damit unmittelbar anwend- im Diskurs verschiedener gesellschaftlicher barer Form in Karte und Text vorliegen. Sollte Interessen berücksichtigt werden. Hierzu sind es gelingen, historische Kulturlandschaftsberei- denkmalpflegerisch-kulturlandschaftliche Fach­ che mit ihren Denkmälern unter den Stichwor- beiträge als für Planer aufbereitete Informatio- ten „kulturgeschichtliche Genese“, „Qualität“ nen erforderlich. Diese können aufgrund ihrer (Bedeutung, Funktion und Wert für die Zu- fachlichen und rechtlichen Komplexität nur in- kunft) und „Identität“ als „Vorranggebiete“ oder terdisziplinär erarbeitet und vermittelt werden „Vorbehaltsgebiete“ in Konzepte, Leitbilder und (Abb. 6).24 Pläne der Landes- und Regionalplanung zu inte- Da kulturlandschaftliche und denkmalpflegeri- grieren, wäre die Denkmalpflege als Vertrete- sche Fachbeitrage jeweils projektgebundene rin der Kulturgeschichte einen entscheidenden Aussagen darstellen, die nicht beliebig auf an- Schritt weiter; vgl. aktuell den Nutzungsaus- dere Planungsverfahren übertragen werden schluss in der Umgebung von „Kulturerbe­ können, sind in der räumlichen Planung ent- standorten“ im Thüringischen Landesentwick- sprechend der gestuften „Abschichtung“ der lungsprogramm 2025, 1. Entwurf 29. Planungsebenen die kulturhistorischen und denkmalpflegerischen Ansprüche jeweils nach Umgebungsschutz für den Limes? dem Umfang der Plangebiete, den planerischen Inwieweit die dargelegten fachlichen Grundla- Zielen und den gesetzlichen Grundlagen aus gen, Methoden und Erfahrungen der Baudenk- Raumordnungs- und Bauleitplanungsrecht, malpflege auf ein archäologisches Denkmal wie Fachplanungsrecht oder dem Recht der Um- den Limes übertragen werden können, vermag weltprüfung (UVPG, SUP) zu formulieren. Ziele ich nicht zu beurteilen. Die Unterlagen zum Heinrich Walgern Das Kulturdenkmal und sein Wirkungsraum – Umgebungsschutz für den Limes? 37

Welterbe Limes zeigen, dass die buffer zone sehr ermöglichen gebietsüberschreitende Schnitte eng festgelegt ist, vermutlich überwiegend ar- durch die moderne Landschaft und können so- chäologische Funderwartungsbereiche umfas- mit als großangelegte Suchschnitte für die Er- sen dürfte. Mögliche Einwirkungen auf das fassung der kulturgeschichtlichen Landschaft Denkmal Limes und seinen Wirkungsraum im dienen.“31 Es wäre zu prüfen, ob dieser Ansatz Sinne des Umgebungsschutzes scheinen nicht auch für historische Trassen von Kanälen, Ei- berücksichtigt zu sein. senbahnstrecken oder eben auch den Limes gilt Die Vielfalt der einzelnen Erscheinungsformen und ob er insbesondere für die Darstellung der des Limes verlangt mehrere parallele Arbeits- Kulturgeschichte der berührten Landschaften ansätze. Die Situation in offenen bäuerlichen genutzt werden kann. So könnten sich die regio- Landschaften, z. B. am Raetischen Limes, lässt nalen Räume in besonderer Weise über das einerseits den Betrachter die lineare Struktur Welterbe Limes definieren und untereinander gut ablesen, andererseits ist sie besonders emp- verknüpft werden. findlich gegenüber Änderungen in der landwirt- schaftlichen Nutzung der angrenzenden Flä- Resümee chen, z. B. durch „KUP – Kurzumtriebsplantagen“ Im Bereich von gesicherten Ausgrabungen, In- nach dem Gesetz zur Gleichstellung stillgelegter terpretationen und Rekonstruktionen könnte und landwirtschaftlich genutzter Flächen (FGlG) der baudenkmalpflegerische Umgebungsschutz und andere Formen der Biomasse-Produktion sinnvoll eingesetzt werden. In den anderen Be- oder weiträumig wirkende Windkraftanlagen.30 reichen sind die konkurrierenden Raumansprü- Die Situation in den Waldbereichen, prägend für che so vielfältig, dass meines Erachtens allein den Obergermanischen Limes, ist gefährdet die aktive Mitwirkung an den räumlichen Ge- durch großmaschinelle Bewirtschaftung der samtplanungen, insbesondere der Regionalpla- Forsten, durch Freizeitnutzungen und Zer- nung, auf Dauer Erfolg verspricht. So lassen sich schneidungen durch kreuzende lineare Struk- die Herausforderungen durch die politische turen, die durch die neuerdings ermöglichte Forcierung der erneuerbaren Energien nur hier Nutzung der Wälder für Windkraftanlagen und angemessen ausgleichen und lösen. Dies erfor- den damit verbundenen Wege- und Leitungsbau dert aber eine umfassende Strategie und ein eine neue, noch nicht abschätzbare Dimension Managementsystem. Der Limes als großräumi- erfahren. ges lineares historisches Element muss dafür in Der denkmalpflegerische Umgebungsschutz das Gesamtsystem der historischen Kulturland- greift aus den oben angegebenen Gründen nur schaft und seiner geschichtlichen Entwicklung begrenzt, wie zuletzt der Rechtsstreit um Wind- eingebracht werden und als kulturhistorischer kraftanlagen am Welterbe gezeigt hat. Raumanspruch gemeinsam von allen hieran In- Die Nutzung des Raumes und insbe­son­de­re die teressierten vertreten werden. Siedlungstätigkeit der Gemeinden sind durch denkmalpflegerischen Umgebungsschutz nicht zu steuern. Daher sind die kommunalen und re- gionalen Gebietskörperschaften, die über Stadt- planung und Regionalentwicklung weitgehend die Rahmenbedingungen sowie die Erhaltung Dipl.-Ing. Heinrich Walgern und Entwicklung des Welterbes Limes steuern, Wissenschaftlicher Referent als Partner zu gewinnen. Einen interessanten LVR – Amt für Denkmalpflege im Rheinland Aspekt sieht hier der niederländische Geograph Postfach 2140 Tom Bloemers: „Die infrastrukturellen Ent­ 50250 Pulheim wicklungen, insbesondere die linearen Trassen, [email protected]

23 Bloemers 2000, 13. 28 Gunzelmann/Ongyerth 2002; Büttner/Leicht 2005. 24 Walgern 2010. 29 Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und 25 UVP-Gesellschaft 2008. Verkehr 2011, 12 f. 26 Eidloth 1997; 2005; Walgern 2000; Hahn 2001; Büttner/ 30 Peters 2010. Leicht 2005. 31 Bloemers 2000, 16. 27 Walgern 2010. 38 Regenerative Energien und Welterbestätten

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Michael Kloos Visuelle und ideelle Wechselbeziehungen zwischen Welterbestätten und ihrer Umgebung – Chancen und Risiken

Regenerative Energien und Welterbestätten · Beiträge zum Welterbe Limes · Sonderband 2 05 Hrsg. Deutsche Limeskommission · Bad Homburg v. d. H. 2013 Michael Kloos Visuelle und ideelle Wechselbeziehungen zwischen Welterbestätten und ihrer Umgebung – Chancen und Risiken 41

Michael Kloos Visuelle und ideelle Wechsel­ beziehungen zwischen Welterbestätten und ihrer Umgebung – Chancen und Risiken

Das Institut für Städtebau und Landesplanung klärt, dass zusammenhängende historische Abb. 1: Visualisierung der an der RWTH Aachen University setzt sich seit Stadt- und Kulturlandschaften schon alleine des- Waldschlösschenbrücke, mehreren Jahren mit Fragen der Nominierung, wegen, weil hier gewohnt und gearbeitet wird, Dresden. Der hier ge- der Evaluierung und dem Management von einem ständigen Wandlungsprozess unterwor- zeigte sogenannte Wald- UNESCO-Welterbestätten auseinander. Es ist da- fen sind. Dass hier das Konfliktpotenzial relativ schlösschen-Blick war mit eine der wenigen europäischen Forschungs- hoch ist, liegt auf der Hand. Besonders bekannt einer der Schwerpunkte einrichtungen, die wissenschaftlich fundierte wurden in den letzten Jahren die Diskussionen bei den Diskussionen um Beratungsleistungen für eine von Sorgfalt und um die visuelle Integrität des Dresdner Elbtals die Errichtung der Wald- Umsicht geprägte Weiterentwicklung viel- im Zusammenhang mit der geplanten Errich- schlösschenbrücke. schichtiger Welterbestätten, insbesondere von tung der Waldschlösschenbrücke, was über Mo - Stadt- und Kulturlandschaften, erbringen. In nate hinweg für hitzige Debatten in den Feuille - diesem Zusammenhang ist das Institut an Welt- tons und der Öffentlichkeit sorgte (Abb. 1). erbestätten im In- und Ausland tätig und berei- Vergleichbare Streitfälle, mit denen sich das Ins- tet derzeit die Einrichtung eines UNESCO- titut für Städtebau und Landesplanung ausein- Chairs vor, der sich mit dieser Thematik befasst. andersetzte, waren die Beurteilung geplanter Bereits seit einigen Jahren stellt die unabhängi- Hochhäuser im rechtsrheinischen Köln und am ge Evaluierung der Veränderung von Stadt- und neuen Zentralbahnhof in Wien sowie beabsich- Landschaftsbildern ein Spezialfeld in der For- tigte Brückenbauten im Oberen Mittelrheintal, schung des Instituts für Städtebau und Landes- dem Goldenen Horn von Istanbul und der Bucht planung dar. Insbesondere bei komplexen von Kotor in Montenegro. UNESCO-Welterbestätten ergaben sich in den Bei all diesen Evaluierungen stand die Frage im letzten Jahren im In- und Ausland wiederholt Mittelpunkt, inwieweit der einzigartige univer- Auseinandersetzungen, was sich dadurch er- selle Wert, die Authentizität und die (visuelle) In- 42 Regenerative Energien und Welterbestätten

Abb. 2: Welterbestätte „Natural and Culturo-Historical Region of Kotor“, Montenegro.

Komplexität unterschiedlicher Wahrnehmungsmuster und outstanding universal value als Rahmenbedingung zur Evaluierung von Fragen über die visuelle Integrität von Welterbestätten Wann immer Fragen bezüglich der Verände- rung von Stadt- und Landschaftsbildern in UNESCO-Welterbestätten auftreten, werden diese, wie oben bereits anhand des Falls im Dresdner Elbtal angesprochen, sehr kontrovers und emotional diskutiert. Oftmals mischen sich Unkenntnis und Unsachlichkeit in die Diskussi- on, was erfahrungsgemäß die Lösungsoptionen minimiert. Dass Fragen um die Transformation von Stadt- und Landschaftsbildern sehr emotio- nal verlaufen, ist wenig verwunderlich, denn schließlich handelt es sich bei solchen Eingrif- fen zumeist um tiefgreifende Veränderungen, Abb. 3: Ca. 2 km außerhalb der Welterbestätte „Natural and Culturo-Historical die festgefügte Bilder im kollektiven Gedächt- Region of Kotor“, Montenegro, die sich in der hintersten Bucht eines fjordartigen nis sozialer Gemeinschaften durcheinander- Systems befindet, ist die Errichtung eines neuen Brückenbaus geplant. bringen. Gleichzeitig geht es hier oftmals um politische und ökonomische Erwägungen. In- vestitionen im dreistelligen Millionenbereich sind keine Seltenheit. Da überdies die Bewer- bung für die Aufnahme in die Welterbeliste nur tegrität dieser UNESCO-Welterbestätten einge- selten im Bewusstsein geschieht, dass dies mit schränkt würden, falls dort durch Neuplanungen einem Stück Souveränitätsverzicht einhergeht, Veränderungen im Stadt- und Landschaftsbild weil Welterbestätten das gemeinsame Erbe der entständen. gesamten Menschheit darstellen, sind zudem Nachstehend soll vor diesem Hintergrund oftmals noch zahlreiche Missverständnisse skizziert werden, wo aus Sicht des Instituts für zwischen lokalen und internationalen Entschei- Städtebau und Landesplanung Risiken und dungsgremien im Spiel. In der Debatte um die wo Chancen im Zusammenhang mit dem Errichtung der Waldschlösschenbrücke in Dres- Thema „Regenerative Energien“ in Bezug auf den bündelten sich diese unterschiedlichen Fak- die Welterbestätte „Obergermanisch-Raetischer toren, was letztlich mit der Aberkennung des Limes“ liegen. Welterbetitels des Dresdner Elbtals endete. Michael Kloos Visuelle und ideelle Wechselbeziehungen zwischen Welterbestätten und ihrer Umgebung – Chancen und Risiken 43

Vor diesem Hintergrund ist es die Philosophie des Instituts für Städtebau und Landespla­nung, so weit wie möglich zur Versachlichung solcher Diskussionen beizutragen. Kern der hier durch- geführten sogenannten Heritage Impact Assess- ments ist es, exakt und nachvollziehbar zu zeigen, wie geplante Veränderungen an Welter- bestätten wirklich aussehen. Mittels virtueller Computermodelle wird veranschaulicht, wie sich Planungen in der Realität auswirken. Alle betroffenen Beteiligten, − insbesondere lokale Be­woh­ner und Akteure aus unterschiedlichen Professionen, sowie die internationalen Ent- scheidungsebenen von UNESCO und ICOMOS sollen möglichst transparent und objektiv über die geplanten Veränderungen informiert wer- den, um deren Konsequenzen besser abschät- Abb. 4: Zunächst wurde ein virtuelles Computermodell „gebaut“, mit dessen Hilfe ein zen zu können. „Verschattungsmodell“ entstand, das zeigte, von welchen Stellen des Buchtsystems Um dies zu erreichen, sind mehrere Untersu- der geplante Brückenbau sichtbar wäre. chungsschritte notwendig, was nachfolgend an- hand des Beispiels einer durchgeführten Unter- suchung zu einem geplanten Brückenbau in der Bucht von Kotor, Montenegro, stichwortartig aufgezeigt werden soll. Rund 2 km außerhalb dieser Welterbestätte, deren Gebiet in der in- nersten eines fjordartigen Systems mehrerer hintereinandergeschalteter Buchten liegt, war ein neuer Brückenbau geplant. Zur Festlegung des relevanten Untersuchungsgebiets wurde zu- nächst ein virtuelles Computermodell „gebaut“, das mittels Daten aus Airborne-Laserscan-Auf- nahmen, einer sogenannten Punktwolke, gene- riert wurde. Diese lieferten die Grundlage für ein „Verschattungsmodell“, das alle Sichtbezüge zu dem geplanten Brückenbau zeigte. Auf dieser Basis wurden auch die Visualisierungen des Bauwerks erzeugt (Abb. 2–5). Abb. 5: Das Computermodell diente ebenfalls als Basis der Visualisierungen des In weiteren Schritten wurden die natur- und geplanten Brückenbaus. kulturgeschichtliche Entstehung der Welterbe- stätte analysiert und dortige zentrale Wahrneh- mungsmuster untersucht. Zu beachten ist hier- bildlicher Darstellungen, die in verschiedenen bei, dass die menschliche Wahrnehmung der zeitlichen Perioden entstanden. Dabei wurden eigenen Umwelt im Laufe längerer Zeiträume sowohl historische als auch aktuelle Karten und immer wieder Veränderungen unterworfen ist Abbildungen berücksichtigt. Hierdurch ergaben und maßgeblich durch tradierte Wahrneh- sich wertvolle Aufschlüsse über tradierte und mungsmuster gesteuert wird. Darüber hinaus aktuelle Wahrnehmungsmuster, die eine be­ nehmen verschiedene Personengruppen ein sondere kulturhistorische Bedeutung haben. und dieselbe Welterbestätte oftmals sehr unter- Überdies erfolgte im Rahmen dieses Unter­ schiedlich wahr. Bewohner von Welterbestätten suchungsschritts noch die Definition weiterer entwickeln beispielsweise völlig andere Wahr- Wahrnehmungskategorien. Hierzu zählten bei- nehmungsmuster als Touristen. Um dieser spielsweise auch Orte, die in der alltäglichen Vielschichtigkeit spezifischer Wahrnehmungs- Wahrnehmung heutiger Bewohner und Besu- muster gerecht zu werden, erfolgte deren Unter- cher eine wichtige Rolle spielen. Insgesamt ent- suchung innerhalb der Bucht von Kotor anhand stand so ein Set unterschiedlicher Sichtpunkte 44 Regenerative Energien und Welterbestätten

warum er aus verschiedenen Sichtpunkten si- muliert wurde und inwieweit hiervon tradierte und aktuelle Wahrnehmungsmuster betroffen sind (Abb. 8). Nicht jede Veränderung in oder im Umfeld einer Welterbestätte bedeutet automatisch, dass de- ren visuelle Integrität gefährdet ist. Ausschlag- gebend sind vielmehr die Nominierungskriteri- en von Welterbestätten, insbesondere deren sogenannter outstanding universal value. Nach Abschluss der inhaltlichen Untersuchung wurden die im Rahmen der Visualisierungen er- haltenen Ergebnisse daher mit den Nominie- rungskriterien der zu untersuchenden Welt­ erbestätte abgeglichen. Die Definition des outstanding universal value stellt damit den ent- scheidenden Gradmesser der Beurteilung von Veränderungen von Stadt- und Landschaftsbil- Abb. 6: Kartierung kulturhistorisch bedeutsamer Sichtpunkte in der Welterbestätte dern in Welterbestätten dar. Dies kann zu „Natural and Culturo-Historical Region of Kotor“, Montenegro. sehr unterschiedlichen Untersuchungsergeb­ nissen führen. In den Nominierungskriterien der Welterbestätte „Dresdner Elbtal“, in dessen Fall das Institut für Städtebau und Landespla- nung 2006 gebeten wurde, zur dort geplanten Waldschlösschenbrücke eine gutachterliche Stellungnahme abzugeben, hieß es z. B. unter anderem, dass dieses ein „künstlerisches Gesamtkunstwerk“ 1 darstellt. Hierzu gehören selbstverständlich auch die unterschiedlichen Sichtbeziehungen zwischen einzelnen Elemen- ten des Elbtals. Die erstellten Visualisierungen zeigten deutlich, dass zumindest aus einigen re- levanten Punkten signifikante Sichtverbindun- gen im Dresdner Elbtal zerschnitten würden. Dies führte zu dem Ergebnis, dass der outstan- ding universal value, die Authentizität und die visuelle Integrität der Welterbestätte durch die geplante Waldschlösschenbrücke gefährdet würden, woraus die Empfehlung folgte, den ge- planten Brückenbau nochmals zu überdenken. Abb. 7: Kartierung relevanter Sichtkorridore in der Welterbestätte „Natural and In einer weiteren drei Jahre später durchgeführ- Culturo-Historical Region of Kotor“, Montenegro, die insbesondere in der Wahrneh- ten Visulisierungsstudie untersuchte das Insti- mung des geplanten Brückenbaus vom Wasser aus eine signifikante Rolle spielen. tut für Städtebau und Landesplanung in der Welterbestätte „Oberes Mittelrheintal“ ebenfalls einen geplanten Brückenbau. Diese Untersu- und -korridore, deren Qualitäten exakt einge- chung führte im Gegensatz zum vorgenannten stuft und benannt werden konnten (Abb. 6; 7). Projekt zu dem Ergebnis, dass eine Vereinbar- Im nächsten Untersuchungsschritt wurden zu- keit mit dem outstanding universal value, der Au- nächst digitale Kamera- und Videoaufnahmen thentizität und der visuellen Integrität der Welt- erstellt, die anschließend mit dem zur Ver­ erbestätte gegeben wäre. Auch hier wa­ren die fügung stehenden digitalen Computermodell Nominierungskriterien der wesentliche Grund, überlagert wurden. So konnte der geplante Brü- denn das Rheintal wurde unter anderem als „ei- ckenbau millimetergenau und realistisch visua- ner der wichtigsten Verkehrswege, der seit zwei lisiert werden. Ebenfalls war exakt begründbar, Jahrtausenden den Kulturaustausch zwischen Michael Kloos Visuelle und ideelle Wechselbeziehungen zwischen Welterbestätten und ihrer Umgebung – Chancen und Risiken 45

Abb. 8: Die Visualisierung der geplanten „Verige Bridge“ erfolgte mittels Videos und kinematischer 360°-Panorama-Bilder.

dem Mittelmeerraum und dem Norden des Kontinents erleichtert“, sowie als „eine außer­ Abb. 9: Visualisierung der gewöhnliche organisch entwickelte Kul­tur­ geplanten Rheinbrücke landschaft, deren heutiger Zustand durch geo- im Oberen Mittelrheintal. morphologische und geologische Bedingungen Dieser geplante Brücken- und durch die Eingriffe des Menschen während bau verändert das Land- der letzten zweitausend Jahre“ bestimmt ist, in schaftsbild, jedoch sind die Welterbeliste eingetragen. Ein weiteres Kri- im Gegensatz zum Dresd- terium war, dass diese Kulturlandschaft ein ner Elbtal die Welterbe- „hervorragendes Beispiel für eine sich fort ent- Kriterien hiervon nicht wickelnde, traditionelle Siedlungsweise und betroffen. Kommunikation in einem engen Flusstal“ dar- stellt.2 In diesem Zusammenhang wurden vor allen Dingen die vorhandenen Weinanbauter- Welterbeliste benannten Kriterien waren hier- rassen hervorgehoben. Vor diesem Hintergrund durch jedoch nicht unmittelbar betroffen (Abb. 9). führte die hier durchgeführte Untersuchung zu Insgesamt gilt es also, im Rahmen der Evaluie- dem Ergebnis, dass die geplante Rheinbrücke rung visueller Veränderungen in und um Welt- keine Einschränkung des outstanding universal erbestätten nicht nur deren Komplexität so­wie value des Welterbes verursachen würde, ob- die Vielschichtigkeit vorhandener Wahrneh- wohl selbstverständlich auch sie eine signifikan- mungsmuster, sondern auch die Bezüge dieser te Veränderung der Welterbe-Landschaft dar- Fakten zu deren Anerkennungskriterien für die stellt. Die im Rahmen der Nominierung für die Welterbeliste zu beachten.

1 Siehe UNESCO 2003: Advisory Body Evaluation Dresden Elbe garden city into an artistic whole within the river valley“ Valley, http://whc.unesco.org/en/list/1156/documents/, S. 88 (Betonung vom Autor hinzugefügt). (Zugriffsdatum: 13. August 2012): „The 2 Siehe Entwurf: „Erklärung zum Außergewöhnlichen is an outstanding cultural landscape, an ensemble that Universellen Wert [der Welterbestätte Oberes Mittel­ integrates the celebrated setting and suburban rheintal]“, in: Kloos/Korus/Wachten 2009a, 14–15. 46 Regenerative Energien und Welterbestätten

Abb. 10: Der Obergerma- V eränderungen der Bedeutung und nisch-Raetische Limes ist der Sichtbarkeit des Limes als Risikofak- ein äußerst komplexes, tor für die Entstehung von Fragen um ca. 550 km langes Denk- dessen visuelle Integrität mal, das aus sehr ver- Die zuvor genannten Faktoren haben auch im schiedenen Elementen Hinblick auf den Obergermanisch-Raetischen Li- besteht. Große Teile des mes und das hier diskutierte Thema „Regenera- Limes sind obertägig tive Energien“ große Bedeutung, denn der Ober- überhaupt nicht oder nur germanisch-Raetische Limes ist wie die oben teilweise sichtbar. Andere erwähnten Welterbestätten von einer großer Teile, z. B. die unter- Komplexität. Er erstreckt sich über eine Länge schiedlichen Kastelle oder von mehr als 550 km und besteht überdies aus die Wachttürme, sind sehr unterschiedlichen Elementen wie Wällen, dagegen sehr markante Gräben und Kastellen (teilweise rekonstruiert) Punkte im Gelände. sowie zivilen Siedlungen (vici). Andere Bestand- teile des Denkmals, beispielsweise die nach 1965 rekonstruierten Wachttürme, gehören zur Puf- ferzone der Welterbestätte. Nur 21 % der Subs- Abb. 11: Der Limes ist tanz des Obergermanisch-Raetischen Limes durch vielfältige Faktoren sind sichtbar, 9 % sind mit einem modernen ständigen Veränderun- Grenzverlauf oder einer Wegeführung identisch. gen unterworfen. Neue Demgegenüber liegen 59 % im Boden verborgen Fundstellen wirken sich und 11 % sind unwiederbringlich zerstört. 91 % genauso auf das Denkmal des Denkmals befinden sich auf land- und forst- aus wie Schädigungen, wirtschaftlichen Flächen, 9 % in Siedlungen.3 Ins- beispielsweise durch gesamt handelt es sich um ein außerordentlich Beforstung. vielschichtiges Denkmal, von dem weit mehr als die Hälfte obertägig nicht sichtbar ist (Abb. 10). Neben seiner Länge und Vielschichtigkeit der einzelnen Komponenten dürfen auch die Wahr- nehmungsmuster des Obergermanisch-Raeti- schen Limes nicht außer Acht gelassen werden. Auch sie sind sehr komplex. Überdies sind in Be- zug auf diese Muster gegenwärtig relativ starke Veränderungen zu verzeichnen. Mittels wissen- schaftlicher Methoden, beispielsweise archäolo- gisch-topographischen Plänen, Geophysik und Airborne Laserscans, wird derzeit der Verlauf des Limes kontrolliert und stellenweise berich- Abb. 12: Ähnlich wie der tigt. Dabei zeigen sich auch neue Elemente, die Hadrianswall im Zuge der bislang unbekannt waren. Andere Stellen ver- Formierung des britischen schwinden oder werden stark verfremdet, z. B. Nationalstaats zum „briti- durch Aufforstung oder Überbauung. Insgesamt schen“ kulturellen Erbe befindet sich der Limes also derzeit „in Bewe- erhoben wurde, erfuhr gung“ (Abb. 11). der Limes nach der Grün- Die Wahrnehmung des Limes wird jedoch nicht dung des Deutschen nur durch diese gegenwärtigen Veränderungen Reiches eine Bedeutungs- beeinflusst, sondern auch dadurch, dass die ma- zuweisung als „deut- teriellen Elemente römischer Grenzbefestigun- sches“ kulturelles Erbe. gen in der Geschichte unterschiedlichen Be- Dies hatte unter anderem deutungszuweisungen und starken Transforma- die Rekonstruktion tionen unterlagen. Der Hadrianswall und der zahlreicher Wachttürme Antoninuswall behielten beispielsweise noch zur Folge. lange nach dem Zusammenbruch des Römi- Michael Kloos Visuelle und ideelle Wechselbeziehungen zwischen Welterbestätten und ihrer Umgebung – Chancen und Risiken 47

schen Reiches ihre Funktion als Grenze und teil- UNESCO-Welterbeliste aufgenommen und im ten bis zum Mittelalter die Hoheitsgebiete von Jahr 2008 durch den Antoninuswall erwei­tert. Schottland und England.4 Ende des 16. Jahrhun- Er gehört damit zum gemeinschaftlichen kul­ derts änderte sich diese Situation jedoch plötz- turellen Erbe der gesamten Menschheit. Hier­ lich aufgrund der Tatsache, dass England und durch bekam er eine neue globale Bedeutung. Schottland zu einem Land – Großbritannien – Wie zum Ausgang des 19. Jahrhunderts wurden zusammengefasst werden sollten. Der Hadrians- seither vielfältige Versuche unternommen, den wall und der Antoninuswall verloren ihre Funk- Limes besser sichtbar zu machen: Neupflanzun- tion als Grenze und ihnen wurde eine neue gen und Waldschneisen sollen dessen Verlauf „Nutzung“ zugewiesen. Die ehemalige Grenze markieren. Neue Wanderwege erschließen den zwischen England und Schottland erfuhr eine Verlauf der ehemaligen Grenze, Limes-Cicero- Umdeutung zum „britischen“ kulturellen Erbe, nes erklären uns die Bedeutung des ehemaligen also zu einem Element, mit dem die Gemeinsam- Denkmals und spezielle Veranstaltungen sollen keiten beider Länder unterstrichen und eine helfen, dessen „römische Atmosphäre“ zu „britische“ Identität aufgebaut werden konnte. erspüren. Ähnlich wie auf den Britischen Inseln wies man Die bereits angesprochenen Airborne Laser- dem Limes auch in Deutschland neue Bedeutung scans und weitere technisch-wissenschaftliche als „deutsches“ kulturelles Erbe zu, nachdem Handlungsebenen tragen dazu bei, den Verlauf 1871 die Vereinigung zum Deutschen Reich voll - des Limes zu verifizieren und zu korrigieren. zogen worden war. Diese Veränderungen der Be- Hierbei werden auch neue Elemente entdeckt. deutungszuweisung gingen auch mit Verände- Selbst „Prestige-Projekte“ wie das Schutzhaus rungen am Limes selbst einher, denn seine über dem Dalkinger Tor mit einem Kostenvolu- Funktion als „deutsches“ kulturelles Erbe wurde men von fast 2 Millionen Euro wurden in den unter anderem durch verschiedene Rekonstruk- letzten Jahren umgesetzt. tionen – genannt sei hier beispielsweise der 1874 Insgesamt bestehen sehr viele Handlungsebe- errichtete Wachtturm in Bad Ems, der „Kaiser nen, die alle dazu beitragen sollen, den Limes Wilhelm, [...] dem größten Gallierbesieger, dem auf unterschiedlichen Ebenen besser sicht- und Wiederhersteller des Deutschen Kaiserreichs“ begreifbar zu machen. Prinzipiell sind keine we- gewidmet wurde – deutlich gezeigt.5 Neben dem sentlichen qualitativen Unterschiede zu den vor rekonstruierten Wachtturm in Bad Ems gibt es ca. hundert Jahren im Zuge der Umwidmung des noch zahlreiche weitere Beispiele wie die Saal- Limes zu einem „deutschen“ Denkmal getroffe- burg, die bezeugen, dass sich die Veränderungen nen Maßnahmen vorhanden (Abb. 13; 14 ). der Wahrnehmung des Limes im 19. Jahrhundert Durch die Bündelung all dieser Maßnahmen unmittelbar auf dessen Struktur auswirkten. tritt nun jedoch ein paradoxer Effekt ein, der im Generell wurde der Versuch unternommen, den Hinblick auf die visuelle Integrität des Limes ei- Limes durch Rekonstruktionen besser sichtbar nen nicht zu unterschätzenden Risikofaktor dar- zu machen, um ihn als Symbol „deutschen“ kul- stellt. Je „sichtbarer“ der Limes wird, desto drän- turellen Erbes heranziehen zu können (Abb. 12). gender werden die Fragen um dessen visuelle Der Vergleich mit der heutigen Situation am Li- Integrität. Solange der Limes „vergessen“ im mes zeigt, dass hier viele Parallelen bestehen. Wald lag oder von Wurzeln umschlungen war, Der Obergermanisch-Raetische Limes wurde bestanden noch relativ wenige Probleme. Wird 2005 als Ergänzung des Hadrianswalls in die der Limes aber zum sichtbaren Erbe und

3 Limesentwicklungsplan BW 2007, 46. 5 „Kaiser Wilhelm dem Ersten, dem Sohne Friedrich Wilhelms 4 „The boundary between England and Scotland is clearly des Dritten, dem Frommen, dem Glücklichen, dem marked by Hadrian’s Wall, 73 miles long and built between Erhabenen, dem Unbesieglichen, dem Vater des Vaterlandes 122 and 130 AD by the Roman Emperor Hadrian to protect zu Ehren haben die Bürger von Bad Ems, seinem Namen und the Empire’s most northerly border.“ Siehe http://www.bl.uk/ seiner Hoheit getreu ergeben, den Wachtturm der Grenzen onlinegallery/onlineex/mapsviews/mapgb/index.html (Zu- des einstigen Römischen Reiches, welcher durch die griffsdatum: 21. November 2011). Als allgemeine Einführung Missgunst der Zeiten zerstört war, aus gesammelten in das Thema „Römer in Britannien“ bieten sich an: Geldbeiträgen von Grunde auf wiederherstellen lassen im D. J. Breeze /B. Dobson, Hadrian´s Wall 4 (London 2000) oder Jahr 1874“ (Dolata 2010, 15). R. Hobbs/R. Jackson, Das römische Britannien (Darmstadt 2011). 48 Regenerative Energien und Welterbestätten

Fremdinstrumentalisierung des Limes und Bezüge zur Entstehung von Fragen um dessen visuelle Integrität Neben dem erhöhten Konflikt- und Risikopoten- zial ergibt sich als weitere Konsequenz der Be- deutungssteigerung und der erhöhten Sichtbar- keit des Obergermanisch-Raetischen Limes, dass er nun für private Interessen instrumentali- siert werden kann. Spätestens seit „Stuttgart 21“ ist bekannt, dass „Wutbürger“ immer dann, wenn Fragen und Probleme nicht mehr auf loka- ler Ebene lösbar scheinen, gerne die UNESCO ins Spiel bringen. Der Stuttgarter Hauptbahnhof wurde beispielsweise in dem Moment zum UNESCO-Welterbe vorgeschlagen, als er „ge- fährdet war“, sprich als der seit zehn Jahren ge- Abb. 13: Das Dalkinger Tor in seinem Zustand bis vor zwei Jahren. plante Teilabriss des Nord- und Südflügels unmittelbar bevorstand. Ein erheblicher Risiko- faktor in Bezug auf Fragen der visuellen Integri- tät an UNESCO-Welterbestätten ist daher auch, dass diese gerade aufgrund ihrer Bedeutung oft- mals zu allen möglichen Zwecken instrumenta- lisiert werden. Dabei spielt auch der Umstand eine wesentliche Rolle, dass Veränderungen meist nur dann akzeptiert werden, wenn sie „nicht im eigenen Hinterhof stattfinden“, also wenn sie im eigenen Umfeld Betroffener nicht stören. Hinzu kommt, dass in Bezug auf den Um- gang mit kulturellem Erbe noch ein weiterer Aspekt berücksichtigt werden muss. Kulturelles Erbe wird nämlich immer dann als am wert- vollsten erachtet, wenn es gefährdet scheint. Ins- besondere durch diesen Faktor bahnt sich der Unmut oft auf emotionaler Ebene seinen Weg Abb. 14: Seit seiner Nominierung zum Welterbe war der Obergermanisch-Raetische und diese emotionalen Wogen lassen sich nur Limes großen Veränderungen unterworfen, die zumeist darauf abzielten, das Denk- schwer glätten, wenn sie sich erst einmal in mal besser sichtbar zu machen. Das neu errichtete Schutzhaus über dem Dalkinger Bewegung gesetzt haben. Aufgrund der zuneh- Tor ist nur ein Beispiel dieser Veränderungen der letzten Jahre. menden Bedeutung und der großen Länge des Obergermanisch-Raetischen Limes von ca. 550 km besteht daher die Gefahr, dass das Welterbe-Management im Zusammenhang mit zum Kulturevent stilisiert, stören plötzlich alle dem Thema der regenerativen Energien in sehr Veränderungen in dessen Umfeld – auch das be- viele Auseinandersetzungen hineingezogen nachbarte Windrad – erheblich. Die Tatsache, wird, die prinzipiell mit dem Welterbe selbst nur dass der Limes derzeit generell eine sehr starke wenig zu tun haben. Bedeutungsaufwertung erfährt und dies mit Generell gilt es in diesem Zusammenhang auch der Intention einhergeht, den Limes „besser zu beachten, dass sich ein solch großes Boden- sichtbar“ zu machen, muss deshalb im Hinblick denkmal, das aus so vielen unterschiedlichen auf das Thema „Regenerative Energien“ als Risi - einzelnen Objekten besteht und dessen genauer ko gesehen werden, denn hierdurch erhöht sich Verlauf vielfach noch nicht einmal exakt be- die Wahrscheinlichkeit signifikant, dass im kannt ist, respektive erst jetzt bekannt wird, Zusammenhang mit der gegenwärtigen Energie­ nicht zu 100 % gegenüber Veränderungen globa- wende Konflikte um dessen visuelle Integrität ler Rahmenbedingungen, wie der jetzigen Ener- entstehen. giewende, schützen lässt. Trotz aller gebotenen Michael Kloos Visuelle und ideelle Wechselbeziehungen zwischen Welterbestätten und ihrer Umgebung – Chancen und Risiken 49

Vorsicht, die im Umgang mit dem Welterbe zukünftig als Ganzes entwickelt wird. Viele Di- selbstverständlich sein sollte, gefährdet über- rektiven des jetzigen Managements ermöglichen dies nicht jedes Windrad und auch nicht jedes insbesondere Aussagen darüber, wie der Ober- Solarpaneel die Integrität eines bis zu 2000 Jahre germanisch-Raetische Limes vor Beschädigun- alten Denkmals mit solchen Ausmaßen substan- gen geschützt werden soll. Nur relativ wenig ziell. Konsens besteht jedoch bisher, mit welchen Strategien und mit welchen Leitvorstellungen Strategische Zielvorstellungen im die unterschiedlichen Teile des Obergerma- Zusammenhang mit der gegenwärtigen nisch-Raetischen Limes zukünftig entwickelt Energiewende als Chance für und in die Gesamtheit der transnationalen Welt- den Obergermanisch-Raetischen Limes erbestätte eingeordnet werden sollen. Eine de- Vor dem Hintergrund der oben genannten zidierte Auseinandersetzung mit vorhandenen Aspekte erscheint ein „entspannter“ und prag- Wahrnehmungsmustern kann eine wertvolle matischer Umgang mit der Thematik der rege- Hilfestellung bei einer solchen Strategiefindung nerativen Energien in Bezug auf die Welterbe- sein. Auch die Nominierungskriterien der trans- stätte des Obergermanisch-Raetischen Limes nationalen Welterbestätte „Frontiers of the Ro- sehr sinnvoll. Das bedeutet zwar längst nicht, man Empire“ können hier Orientierung bieten. dass jede Veränderung in dessen Umfeld im Zu- ICOMOS International hat definiert, dass diese sammenhang mit der jetzigen Energiepolitik zu Stätte akzeptieren ist, aber es ist zu beachten, dass der – (Kriterium II): als Ganzes die römische Militär- Obergermanisch-Raetische Limes Teil einer Kul- architektur widerspiegelt und die Auswirkun- turlandschaft ist, die nicht zu einem spezifi- gen der Grenze auf Transportrouten und Urba- schen Zeitpunkt, sondern in einem ca. 2000- nisierung jährigen Prozess entstand. Auch zukünftig wer- – (Kriterium III): als größtes Denkmal des römi- den hier Veränderungen stattfinden, die sich schen Imperiums die Komplexität der römi- nicht zuletzt aus dem Anspruch ergeben, das schen Kultur widerspiegelt, aber auch deren Bodendenkmal als Welterbe sichtbar zu ma- Auswirkungen auf Europa und unterworfene chen. Das Thema der regenerativen Energien Völker reiht sich in diese lange „Änderungsgeschichte“ – (Kriterium IV): ein Symbol der Macht und der ein. Wesentlich wichtiger als die Auseinander- Ausweitung klassischer Kultur war, die Euro- setzung mit jeder kleinen Veränderung im Zu- pa nachhaltig prägte. sammenhang mit der gegenwärtigen Energie- Diese Kriterien könnten auf unterschiedlichem wende ist es daher, klare Zielvorstellungen Wege in eine allgemeine Strategie zum Umgang bezüglich dieses Themas zu entwickeln. Gene- mit dem Obergermanisch-Raetischen Limes rell gilt es, vor dem Hintergrund der zu erwar- umgesetzt werden. Die „ruhige“ Idee des Limes- tenden vielschichtigen Veränderungen klar Wanderwegs macht beispielsweise auf selbst- abzustecken, welche Stellen des Obergerma- verständliche Art und Weise mit unscheinbaren nisch-Raetischen Limes wirklich eine so große Elementen des Denkmals vertraut und ermög- Bedeutung haben, dass sie gegen Veränderungen licht ebenfalls eine nachhaltige touristische Be- geschützt werden sollen, und bei welchen Orten wirtschaftung des kulturellen Erbes. Dies eröff- dies vielleicht weniger relevant ist. Aus diesem net die Chance, Interessen der Denkmalpflege Grund ist es außerordentlich wichtig, strategi- mit Interessen lokaler Akteure abzustimmen, sche Zielvorstellungen zu entwickeln, wie zu- die oftmals eine stärker ökonomisch geprägte künftig mit dem Obergermanisch-Raetischen Li- Bezugsebene zum Denkmalschutz haben. Auch mes umgegangen werden soll. Dies gilt sowohl der konstruktive Umgang mit dem Thema der im Hinblick auf das Thema der regenerativen regenerativen Energien am Limes könnte Chan- Energie als auch in Bezug auf die Frage seiner cen eröffnen, solche Symbiosen herbeizuführen. Sichtbarkeit. Hierdurch ergeben sich aus der ak- An Punkten mit großer Bedeutung wie dem Dal- tuellen Thematik des energetischen Wandels kinger Tor gilt es zu beachten, dass hier die An - auch vielfältige Chancen für den Umgang mit sprüche an den Schutz der visuellen Integrität dem Limes als UNESCO-Welterbe. Sie bestehen des Denkmals stark ansteigen. Hohe Ansprüche vor allen Dingen darin, dass aus den derzeitigen gelten ebenfalls für wichtige archäologische Fragen um die regenerativen Energien eine Stra- Fundstellen. Hier geht es darum, sich frühzeitig tegie erwachsen könnte, wie die Welterbestätte Gedanken um deren Schutz zu machen. Dies 50 Regenerative Energien und Welterbestätten

Abb. 15: Nicht jede Veränderung durch regenerative Energien „stört“ oder „zerstört“ Abb. 16: Vorhandene Datengrundlagen wie Airborne die visuelle Integrität des Limes. Sehr wichtige Fundorte oder „inszenierte“ Stellen Laserscans können nicht nur zur Ermittlung des Ver- wie die des Dalkinger Tores benötigen daher völlig andere Schutzmaßnahmen als laufs des Limes dienen, sondern auch zur Erarbeitung Stellen, an denen der Limes kaum oder gar nicht sichtbar ist. „aktiver“ Schutzkonzepte.

erfordert wiederum deren Einbindung in ein papier könnte auf dem bestehenden Manage- vielfältiges Kulturlandschaftsmanagement. Zu- mentplan aufgebaut werden und birgt die große dem bedeutet es, dass hier eine Abstimmung Chance, dass im Management der Welterbestät- der Schutzinstrumentarien auf solche unter- te selbst aktiv entschieden werden kann, wie zu- schiedlichen Anforderungen vorgenommen künftig mit dem Thema der regenerativen Ener- werden muss. Insgesamt sollten Schutzzonen gien umgegangen werden soll. Damit könnten daher flexibel ausgelegt werden und in engem die jetzigen Fragen, die sich im Hinblick auf das Zusammenhang mit der topographischen Um- Thema stellen, als Chance für die zukünftige gebung der Kulturlandschaft stehen. Vor allen Entwicklung der Welterbestätte genutzt werden. an „wichtigen“ und exponierten Stellen ist es er- forderlich, deren Bezüge zur umgebenden Land- schaft zu berücksichtigen. Durch die bereits vor- handenen Airborne Laserscans besteht hier bereits eine wertvolle Datengrundlage, die dazu verwendet werden kann, die visuelle Integrität des Limes zu sichern, denn diese Daten können – wie eingangs dargestellt – auch dazu genutzt werden, um mögliche Veränderungen in der Nähe des Limes sichtbar zu machen (Abb. 15; 16). All diese Instrumente können jedoch nur Hilfs- mittel darstellen, um Entscheidungsgrundlagen zu erzeugen, die aufzeigen, wie mit dem Thema der regenerativen Energien am Limes zukünftig umgegangen werden soll. Generell sollten die aktuellen Fragen als Gelegenheit genutzt wer- Dipl.-Ing. Michael Kloos den, ein Strategiepapier für den Limes zu erstel- Institut für Städtebau und Landesplanung len, aus dem hervorgeht, welchen Stellen im Hin- UNESCO Chair in World Cultural and Urban Landscapes blick auf das gesamte Denkmal signifikante RWTH Aachen University Bedeutung zugemessen wird und unter welchen Wüllnerstraße 5b Direktiven zukünftig die Entwicklung der Welt- 52062 Aachen erbstätte erfolgen soll. Ein solches Strategie­ [email protected] Michael Kloos Visuelle und ideelle Wechselbeziehungen zwischen Welterbestätten und ihrer Umgebung – Chancen und Risiken 51

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Ernst-Rainer Hönes Rechtliche Widersprüche zur Welterbekonvention nach der Energiewende 2011

Regenerative Energien und Welterbestätten · Beiträge zum Welterbe Limes · Sonderband 2 06 Hrsg. Deutsche Limeskommission · Bad Homburg v. d. H. 2013 Ernst-Rainer Hönes Rechtliche Widersprüche zur Welterbekonvention nach der Energiewende 2011 53

Ernst-Rainer Hönes Rechtliche Widersprüche zur Welterbekonvention nach der Energiewende 2011

Vorbemerkung zur Energiewende 2011 2011 müssen dabei noch aus der Schule wissen, Seit der ersten Ölkrise von 1973 gab es in Deutsch- dass sich elektrische Energie auch nach dem land zunehmend politische Bemühungen, die neuesten Stand der Technik mit Ausnahme Abhängigkeit von fossilen Energien unter dem von z. B. Pumpspeichern, Batteriespeichen oder Schlagwort „weg vom Öl“ (Abb. 1) einzuschrän- Wasserkraftwerken nicht speichern lässt. Elek­ ken. Eine Spätfolge solcher Aktivitäten war die trische Energie muss daher seitens der Herstel- Einführung der Sommerzeit, eine aus heutiger ler immer gleichzeitig mit der Nachfrage bereit - Sicht eher harmlose Maßnahme zur Herbeifüh- gestellt werden. Weiterhin hat elektrische rung einer „Energiewende“. Schon von grund- Energie, die ohne Umwandlung in eine andere sätzlicher Art waren die damals parallel laufen- Energieform nicht speicherbar ist, die Besonder- den Bemühungen zum Atomausstieg, der ab 2000 heit, dass ihr Transport in aller Regel nur mittels angestrebte zeitlich gestaffelte „Atomkonsens“. spezieller Leitungen erfolgen kann. Deshalb exis- Unter dem Begriff „Energiewende“ versteht man heute den Wechsel von Kernbrennstoffen (Uran) und auch fossilen Brennstoffen (Öl, Erdgas, Koh - le) zu erneuerbaren Energien wie Wind- und Sonnenenergie, Wasserkraft, Biomasse oder Geothermie. Die Diskussion über erneuerbare Energien wurde durch das Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011 angestoßen, das den Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie zur Herstellung von Strom er- heblich beschleunigt, ohne dass damit schon rechtliche Widersprüche zum Denkmal-, Kul- tur- und Welterbeschutz auftreten müssen. Das Hin und Her der Historie des Atomausstiegs nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima/ Japan vom 11. März 2011 wird für den Schutz der Welterbestätten in Deutschland wie der Denk- mäler überhaupt erst mit der im Schatten des forcierten Atomausstiegs vorgenommenen Neu- regelung des Rahmenrechts für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energi- en und weiterer einschlägiger Regelungen be- deutsam. Die Befürworter der Energiewende Abb. 1: Dresden, Wahlplakat „Weg vom Öl“ (2005). 54 Regenerative Energien und Welterbestätten

europarechtlichen Begriff der Umwelt ein- schließt, der auch die Sachgüter und das kultu- relle Erbe umfasst.3 Gleichwohl bleibt bei der Festlegung der Gemeinwohlzwecke unerwähnt, dass auch der Denkmalschutz ein Gemeinwohl- anliegen von hohem Rang ist. In dem an eine Präambel erinnernden § 1 Abs. 1 EnWG wird so- mit als Gesetzeszweck auch die umweltverträg- liche Versorgung der Allgemeinheit mit Elektri- zität und Gas ausdrücklich genannt, wobei der damit einschlägige Begriff der Umweltverträg- lichkeit in § 3 Nr. 33 EnWG definiert wird. Die Umweltverträglichkeit ist damit als Vorgabe des Gemeinschaftsrechts (EU) einer der grundlegen- den Zwecke des EnWG. Deshalb stellt § 1 Abs. 3 EnWG klar, dass der Zweck dieses Gesetzes ferner die Umsetzung und Durchführung des Europäischen Gemein - Abb. 2: Dom zu Speyer, tieren in Deutschland wie auch in allen übrigen schaftsrechts auf dem Gebiet der leitungsgebun- europäisches Kulturerbe Industrieländern flächendeckende Leitungsnetze, denen Energieversorgung ist. Dies führt zu den (Welterbe seit 1981). an die sowohl Erzeuger als auch Abnehmer von europarechtlichen Vorgaben. Schließlich ent- Strom angeschlossen sind. Die wichtigsten vier standen erste Ansätze eines energiespezifischen Stufen sind Erzeugung, Übertragung, Erteilung Europarechts bereits 1951 mit der Montanunion. und Verkauf des Stroms an den Endverbraucher. Maßnahmen im Bereich der Energie gehörten Vergleichbare Stufen gibt es auch bei der Gas- bereits seit dem Maastrichter Vertrag zu den wirtschaft. In der einschlägigen Literatur zu Vertragszielen.4 Dies führt zur Berücksichtigung diesem Thema kommen im jeweiligen Stich- des kulturellen Erbes nach Maßgabe der euro- wort- oder Sachverzeichnis Begriffe wie „Kultur- parechtlich vorgegebenen Umweltverträglich- denkmal“, „Kulturerbe“ oder „Welterbe“ nicht keitsprüfung. vor, so dass die kapitalintensive Strom- und Gas- wirtschaft wie die Energiewirtschaft überhaupt Vorgaben der Europäischen Union das kulturelle Erbe (im Unterschied zum natür- Im Reformvertrag von Lissabon von 2007 wer- lichen Erbe) jedenfalls nicht ausdrücklich be- den bei den neu gegliederten Kompetenzkate- rücksichtigt.1 Dabei wissen die Vertreter der gorien5 sowohl das kulturelle Erbe als auch Energiewirtschaft seit der Zeit des römischen energiespezifische Kompetenznormen berück- Imperiums, dass der auf die Bedürfnisse der sichtigt. räumlichen Ausdehnung der Handelsbeziehun- Im Vertrag über die Europäische Union (EUV) gen ausgerichtete Ausbau des Verkehrs- und wird in der Fassung des Vertrags von Lissabon Transportwesens von zentraler Bedeutung ist. vom 13. Dezember 2007 die Kultur berücksich- Weiterhin ist heute neben der Energieversor- tigt. Gemäß der Präambel dieses Vertrags gung gerade der Energiepreis ein maßgeblicher schöpften die Vertragsparteien „aus dem kultu- Faktor. rellen, religiösen und humanistischen Erbe Eu- Das Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasver- ropas“. Damit wird der historische Standort der sorgung (Energiewirtschaftsgesetz = EnWG) hat Unionsgründung charakterisiert. Außerdem in § 1 Abs. 1 EnWG die aus seiner Sicht grundle- schlossen sie den Vertrag (Lissabon 2007) gemäß genden Gemeinwohlzwecke festgelegt: Zweck der Präambel in dem Wunsch, die Solidarität des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preis- zwischen ihren Völkern unter Achtung ihrer günstige, verbraucherfreundliche, effiziente Geschichte, ihrer Kultur und ihrer Traditionen und umweltverträgliche leitungsgebundene zu stärken (Abb. 2). Auch wenn dies noch keine Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität konkreten Vertragspflichten sind, gehört diese und Gas.2 Von einer kulturverträglichen Versor- Aussage zu den wichtigen Grundsätzen, zu de- gung der Allgemeinheit ist nicht die Rede, wo- nen sich die Union verpflichtet fühlt. bei das bereits 1998 eingefügte Ziel der Um- Bei dem Ziel der Union nach Art. 3 Abs. 3 UAbs. 3 weltverträglichkeit der Energieversorgung den EUV wahrt die Union den Reichtum ihrer kultu- Ernst-Rainer Hönes Rechtliche Widersprüche zur Welterbekonvention nach der Energiewende 2011 55

rellen und sprachlichen Vielfalt und sorgt für derer Bestimmungen der Verträge den kulturel- den Schutz und die Entwicklung des kulturellen len Aspekten Rechnung trägt, insbesondere zur Erbes Europas. Wahrung und Förderung der Vielfalt ihrer Kul- Von zentraler Bedeutung für die Kompetenz- turen. Diese „Querschnittsklausel“ ist auch im ordnung der Europäischen Union (EU) ist außer- europäischen Energierecht zu beachten. dem der Vertrag über die Arbeitsweise der Eu- In Art. 191 Abs. 1 AEUV (bisher Art. 174) werden ropäischen Union (AEUV). Dieser Vertrag und im Titel „Umwelt“ ausdrücklich „Erhaltung und der ebenfalls bereits erwähnte Vertrag über Schutz der Umwelt sowie Verbesserung ihrer die Europäische Union (EUV) bilden nach Art. 1 Qualität“ angesprochen. Der Begriff „Umwelt“ Abs. 2 AEUV die Verträge, auf die sich die Union wird in diesem Vertrag nicht näher definiert. gründet. Diese beiden Verträge, die rechtlich Gemessen an den europäischen Vorgaben für gleichrangig sind, werden als „die Verträge“ be- die Umweltverträglichkeitsprüfung geht es zeichnet. Sie beinhalten weitgehend die Subs- nicht nur um natürliche Urzustände wie Natur- tanz des zuvor gescheiterten Verfassungsver- landschaften, sondern auch um die Umweltgü- trags. Bei dem Lissaboner Vertragswerk der EU ter Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden, Was- handelt es sich jedoch leider um keine leicht les- ser, Luft, Klima und Landschaft, Sachgüter und bare Verfassung, sondern um ein hinsichtlich das kulturelle Erbe sowie die Wechselwirkun- der Verteilung der Regelungen auf EUV und gen der genannten Umweltgüter.8 AEUV unübersichtliches mixtum compositum. Der Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Nach Art. 6 Satz 1 AEUV ist die Union für die Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit de- Durchführung von Maßnahmen zur Unterstüt- finierte im Ersten Buch des Entwurfs eines Um- zung, Koordinierung und Ergänzung der Maß- weltgesetzbuches vom 19. November 2007 (UGB I) nahmen der Mitgliedstaaten zuständig. Nach bei den Begriffsbestimmungen in § 4 Nr. 1 des Art. 6 Satz 2 lit. c) AEUV können Maßnahmen Entwurfs Umwelt im Sinne des Umweltgesetz- mit europäischer Zielsetzung im Bereich der buches als „Tiere, Pflanzen, die biologische Viel- „Kultur“ getroffen werden. Beim Beihilfeverbot falt, der Boden, das Wasser, die Luft, das Klima gemäß Art. 107 AEUV gibt es die Ausnahme, und die Landschaft sowie Kultur- und sonstige dass mit dem Binnenmarkt nach Art. 107 Abs. 3 Sachgüter (Umweltgüter) einschließlich der lit. d) AEUV Beihilfen zur Förderung der Kultur Wechselwirkungen zwischen diesen Umweltgü- und der Erhaltung des kulturellen Erbes als mit tern“. Daher kann man auch unter dem Einfluss dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden der zusätzlichen internationalen Vorgaben von können. einer Europäisierung des Denkmal- und Kultur - Nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Eu- güterschutzes und des Natur- und Umweltschut- ropäischen Union (AEUV) leistet die Union einen zes in Deutschland sprechen. Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mit- Der Europäische Gerichtshof 9 bestätigte in sei - gliedstaaten unter Wahrung ihrer nationalen ner Entscheidung zur Umweltverträglichkeits- und regionalen Vielfalt sowie gleichzeitiger Her- prüfung bei bestimmten öffentlichen und priva- vorhebung des gemeinsamen kulturellen Er- ten Projekten gegenüber Irland unter Bezug auf bes.6 Die Union fördert durch ihre Tätigkeit die die Richtlinie 85/337/EWG diese Linie. In diesem Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten Verfahren, das den Abbruch eines nach dem ir- und unterstützt und ergänzt erforderlichenfalls ländischen Denkmalschutzgesetz geschützten deren Tätigkeit im Bereich „Erhaltung und nationalen Denkmals betraf, entschied er, dass Schutz des kulturellen Erbes von europäischer hier im Rahmen eines umfassenden Verfahrens Bedeutung“.7 Für die nachfolgend zu erwähnen - eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchge- den energiespezifischen Einzelregelungen der führt werden muss. EU ist von Bedeutung, dass die Union nach Art. Die in Lissabon beschlossene „Verfassung“ der 167 Abs. 4 AEUV bei ihrer Tätigkeit aufgrund an- Europäischen Union kann somit etwas, was das

1 Vgl. für viele Schneider/Theobald 2011. 6 Art. 167 Abs. 1 AEUV. 2 V gl. Britz/Hellermann/Hermes 2010. 7 Art. 167 Abs. 2, Spiegelstrich 2 AEUV. 3 Hönes 2009c. 8 Hönes, 2009a. 4 A rt. 3 lit. u) EGV. 9 EuGH 2011. 5 Hönes 2012a. 56 Regenerative Energien und Welterbestätten

(Bonner) Grundgesetz bis heute nicht kann, da akt einnimmt. Allein das im Bundesgesetzblatt ihr die Kompetenz dazu von den Vertragsstaa- veröffentlichte Zustimmungsgesetz, das sich auf ten verliehen wurde. Dank der Loyalitätspflich- das jeweilige Übereinkommen insgesamt be- ten der Mitgliedstaaten gegenüber der Union 10 zieht, entfaltet aber nur Rechtswirkungen inso- (und des Anwendungsvorrangs des Unions- weit, als es die Exekutive zum völkerrechtlich rechts) hat das Bekenntnis der EU zum Schutz verbindlichen Vertragsschluss ermächtigt; es gibt dem dafür zuständigen Bundespräsidenten die Erlaubnis zur Ratifikation.13 Innerstaatliche Geltung als Bundesrecht erlang- ten die jeweiligen Übereinkommen allerdings dann nur insoweit, als dem Bund für die darin geregelten Sachmaterien nach Art. 70 ff. GG die 14 , Gesetzgebungskompetenz zusteht. Daran än- dert die Tatsache nichts, dass die Länder z. B. für Abb. 3: UNESCO-Emblem. den Bereich der Kultur gemäß dem sogenannten Lindauer Abkommen zustimmten. des kulturellen Erbes von europäischer Bedeu- Da das Denkmalschutzrecht nach der Grundre- tung auch in Deutschland Gewicht. gel des Art. 70 Abs. 1 GG in die Zuständigkeit der Dagegen findet sich im Vergleich zur Kultur11 in Länder fällt, sind somit zunächst die Länder auf- den Verträgen eigentlich kein eigenständiges gerufen, die Welterbekonvention umzusetzen. Energiekapitel. Im Art. 19412 AEUV gibt es jedoch Folglich legte das niedersächsische Justizminis- eine neue wichtige EU-Energiekompetenznorm terium am 7. Januar 2008 eine gutachterliche zur europäischen Energiepolitik. Außerdem Stellungnahme zur innerstaatlichen Verbind- werden in Art. 170 bis 172 AEUV im Titel XVI. lichkeit des UNESCO-Übereinkommens zum transeuropäische Netze geregelt, ohne dass sich Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vor. daraus gesonderte Gesetzgebungskompetenzen Es kommt u. a. zu dem Ergebnis, dass die Bun- ergeben. Aus Raumgründen kann neben diesen desrepublik als Gesamtstaat völkerrechtlich an Hinweisen auf die primärrechtlichen Vorgaben die Welterbekonvention gebunden ist, es glaubt der EU-Verträge das dazugehörige europäische aber, dass die innerstaatlichen Rechtsanwender Energiesekundärrecht nicht dargestellt werden, (Organe und Behörden des Bundes, der Länder zumal es hier um den Sonderfall der Energie- und der Kommunen) und Rechtsunterworfenen wende 2011 in Deutschland geht. nicht verpflichtet sind, die Bestimmungen der Welterbekonvention zu beachten (Abb. 3). Vorbemerkung zur Welterbekonvention Daher wurde zur Umsetzung der Welterbekon- Beim Workshop „Regenerative Energien und vention im Niedersächsischen Denkmalschutz- Welterbestätten“ sollten zur Herausarbeitung gesetz vom 26. Mai 201115 bei den Begriffsbestim- rechtlicher Widersprüche zur Welterbekonven- mungen über Denkmale in § 2 Abs. 3 NDSchG tion nach der Energiewende 2011 einige ein- klargestellt, dass in öffentlichen Planungen und schlägige Rechtsquellen erwähnt werden. Dies bei öffentlichen Baumaßnahmen die Belange des ist für die Lösung von Normwidersprüchen not - Denkmalschutzes und der Denkmalpflege sowie wendig, wobei das deutsche Recht in Tradition die Anforderungen des UNESCO-Übereinkom- des römischen Rechts Lösungsmöglichkeiten mens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes kennt. Kollidieren Rechtsnormen derselben Stu- der Welt vom 16. November 197216 rechtzeitig und fe wie z. B. auf der Ebene der Bundesgesetze, so so zu berücksichtigen sind, dass die Kulturdenk- geht das jüngere Recht dem älteren Recht vor male und das Kulturerbe im Sinne des Überein- (lex posterior derogat legi priori). Dies kann hier kommens erhalten werden und ihre Umgebung für die nach der Energiewende erlassenen oder angemessen gestaltet wird, soweit nicht andere geänderten Bundesgesetze im Einzelfall von Be- öffentliche Belange überwiegen. Wenn Nieder- deutung sein. sachsen nun künftig z. B. die Aufnahme von Kul- Dem EG/EU-Recht kommt außerdem gegenüber turlandschaften im Sinne der Welterbekonventi- dem kollidierenden deutschen Recht Anwen- on und ihrer dazu erlassenen Richtlinien für die dungsvorrang zu. Durchführung der Konvention (Operational Gui- Das Völkervertragsrecht hat den Rang, den der delines) bei der UNESCO beantragen sollte, die so erforderliche Transformations- oder Vollzugs- nicht in der Legaldefinition des § 3 NDSchG vor - Ernst-Rainer Hönes Rechtliche Widersprüche zur Welterbekonvention nach der Energiewende 2011 57

Abb. 4: Schnee am Mittelrhein am 13. April 2009 (Welterbe seit 2002). gesehen sind,17 bedürfte es wohl der Ergänzung in der Liste des Erbes der Welt der UNESCO ge­ der einschlägigen Vorschriften des Niedersächsi- mäß Art. 11 Abs. 2 Satz 1 des Übereinkommens schen Denkmalschutzgesetzes.18 vom 23. November 1972 zum Schutz des Kultur- Zuvor hatte schon Rheinland-Pfalz mit Gesetz und Naturerbes der Welt aufgeführt sind. vom 26. November 200819 bei der Pflicht zur Er - Die Bundesregierung kommt in ihrem Gutach- haltung und Pflege der Kulturdenkmäler gemäß ten vom Dezember 2007 zu dem Ergebnis, dass § 3 Abs. 3 Satz 1 DSchG RP diese Verpflichtung die Welterbekonvention lediglich Bemühensver- zur Berücksichtigung des Kulturerbes geregelt pflichtungen enthält. Es ist zwar richtig, dass die (Abb. 4).20 Welterbekonvention überwiegend Bemühens- Dass die Welterbekonvention in den übrigen pflichten beinhaltet, doch sind dies nicht nur un- Landesdenkmalschutzgesetzen noch unzurei- verbindliche Absichtserklärungen, denn nach chend umgesetzt ist, zeigte das Problem des Art. 4 WEK erkennt jeder Vertragsstaat an, dass Schutzes des 2000 als Kulturdenkmal in die es in erster Linie seine eigene Aufgabe ist, „Erfas- Welterbeliste eingetragenen Dessau-Wörlitzer sung, Schutz und Erhaltung in Bestand und Wer- Gartenreichs in Sachsen-Anhalt.21 Nachdem das tigkeit des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen Verwaltungsgericht Dessau22 entschieden hatte, […] Kultur- und Naturerbes sowie seine Weiterga- dass das Dessau-Wörlitzer Gartenreich in seiner be an künftige Generationen sicherzustellen. Er Gesamtheit kein Kulturdenkmal im Sinne von wird hierfür alles in seinen Kräften Stehende tun § 2 Abs. 2 Denkmalschutzgesetz Sachsen-Anhalt […].“ Daher kam das Bundesverfassungsgericht in ist, wurde auch der Antrag auf Berufung gegen seinem Beschluss vom 29. Mai 200724 in seiner dieses Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Entscheidung über den Bau der Waldschlöss- Landes Sachsen-Anhalt 23 abgelehnt. Also er- chenbrücke in Dresden zu dem Ergebnis, dass gänzte Sachsen-Anhalt wegen der wenig glückli- die Welterbekonvention, in der die Idee eines in- chen Rechtsprechung zur Denkmaleigenschaft ternationalen Kulturgüterschutzes zum Aus- des Dessau-Wörlitzer Gartenreichs sein Denk- druck kommt, nach Konzeption und Wortlaut malschutzgesetz 2003 dahingehend, dass nach keinen absoluten Schutz gegen jede Verände- § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 DSchG LSA auch Kultur- rung der eingetragenen Stätten des Kultur- und landschaften Denkmalbereiche sein können, die Naturerbes bietet.25 Deshalb forderte das Deutsche

10 Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 und 3 EUV. 18 So Schmaltz/Wiechert 2012, § 2 Rn. 16. 11 Titel XIII. Kultur, Art. 167 AEUV. 19 GVBl., 103. 12 Titel XXI. Energie. 20 Hönes 2011, Erl. 2.7, 216. 13 BVerwG 2010. 21 Vgl. Hönes 2001. 14 BVerwG 2009. 22 VG Dessau 2001. 15 GVBl.,135. 23 OVG SA 2001. 16 BGBl. 1977 II, 213. 24 BVerfG 2007. 17 Schmaltz/Wiechert 2012, § 3 Rn. 12. 25 Vgl. Hönes 2008. 58 Regenerative Energien und Welterbestätten

lungen wie die zusammen mit der Welterbekon- vention am 16. November 1972 in Paris beschlos - sene „Empfehlung betreffend den Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationaler Ebene“ von Bedeutung.29 Somit kommt § 2 Abs. 5 BNatSchG insbesondere auch dort zum Tragen, wo sich die Vertragsparteien nicht ausdrücklich verpflichten, sondern lediglich Bemühensklau- Abb. 5: Bau der seln bestehen, denen als „weiches Recht“ (soft Waldschlösschenbrücke law) keine rechtliche Verbindlichkeit zukommt. in Dresden (April 2009). Somit wurde am 16. November 1972 in Paris rechtlich verbindliches Vertragsrecht (Welterbe- Nationalkomitee für Denkmalschutz (DNK) in sei- konvention) mit dem eigentlich unverbindlichen nem Würzburger Appell vom 11. November 2007, Dokument der „Empfehlung betreffend den endlich Rechtssicherheit zu schaffen.26 Die poli- Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationa- tische Forderung, „UNESCO-Welterbestätten in ler Ebene“ kombiniert. Diese Empfehlungen kön- Deutschland stärken“27, genügt somit nicht, nen dann auch zur Interpretation der Welterbe- wenn der Bund nicht bereit ist, damit auch die konvention herangezogen werden, so dass man gesetzlichen Voraussetzungen im Bau- und Pla- anschaulich von zebra codes spricht. nungsrecht zu schaffen, mit denen eine Wieder- Im Naturschutz werden manche bundes- oder holung des Baus der Waldschlösschenbrücke28 landesrechtliche Regelungen in der Normenpy- notfalls verhindert werden kann (Abb. 5). ramide noch vom Europäischen Gemeinschafts- Bei der Güterabwägung spielt die Frage der Fi- recht (EG-Recht) überlagert, das Anwendungs- nanzierung des Vorhabens in aller Regel eine vorrang hat. entscheidende Rolle, denn ohne Geld wird nicht gebaut. Dies gilt für Energieanlagen ebenso wie Zur Normenpyramide für die Waldschlösschenbrücke. So hatte die Bezüglich eventueller Widersprüche zur Welter- Stadt Dresden wohl nur 15 % der Bausumme auf- bekonvention oder zum landesrechtlichen bringen müssen, der Freistaat Sachsen hat dage- Denkmalschutzrecht überhaupt muss nicht zu- gen über das Sächsische Wirtschaftsministerium letzt wegen der Vorgabe des Art. 31 GG, wonach den Verkehrszug mit ca. 80 % der noch offenen Bundesrecht Landesrecht bricht, die bestehende Baukosten gefördert, die wiederum teilweise Normenpyramide aufgezeigt werden: vom Bund zur Förderung des kommunalen Stra- ßenbaus in Sachsen kamen (GVFG-Mittel). Europäisches Gemeinschaftsrecht Der Bund geht davon aus, dass die Inkorporation (EG/EU-Recht) der Welterbekonvention in das deutsche Recht durch Kabinettsbeschluss der Bundesregierung Bundesrecht vom 8. Juli 1976 für den Bereich der Gesetzge- 1. Bundesverfassungsrecht (insbesondere bungskompetenz des Bundes erfolgte. Er be- Grundgesetz = GG) rücksichtigte die Welterbekonvention von 1972 2. Formelle Bundesgesetze (z. B. BauGB, bisher lediglich im Bundesnaturschutzgesetz BNatSchG, EEG, EnWG) 2010. Nach § 2 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG werden die 3. Rechtsverordnungen des Bundes internationalen Bemühungen auf dem Gebiet des 4. Bundesrechtliche Satzungen Naturschutzes und der Landschaftspflege insbe- sondere durch den Schutz des Kultur- und Naturer- Landesrecht bes im Sinne des Übereinkommens vom 16. No- 1. Landesverfassungsrecht (insbesondere vember 1972 zum Schutz des Kultur- und Verfassungen der Länder) Naturerbes der Welt unterstützt. Die Regelung 2. Formelle Landesgesetze (z. B. Denkmalschutz- richtet sich insbesondere an die zuständigen gesetz) Behörden des Bundes und der Länder und kann 3. Rechtsverordnungen der Länder zu einer völkerrechtskonformen Auslegung 4. Landesrechtliche Satzungen. verpflichten. Außerdem ist die Vorgabe des § 2 Abs. 5 Satz 2 Daraus lässt sich die Normenhierarchie wie folgt BNatSchG z. B. auch für internationale Empfeh- darstellen: Ernst-Rainer Hönes Rechtliche Widersprüche zur Welterbekonvention nach der Energiewende 2011 59

Normenhierarchie

GG Gemeinschaftsrecht: grundsätzlich Anwendungsvorrang LEX SUPERIOR Formelles Gesetz Allgemeine Grundsätze des DEROGAT Parlamentsgesetz Völkerrechts Art. 25GG LEGI INFERIORI Materielles Gesetz Internationale Verträge Art. 59 Abs. 2GG Verordnungen, Satzungen Satz 1: Zustimmungs-Vertragsgesetz als Parlamentsgesetz Satz 2: im Rang darunter, d. h. Verwaltungsabkommen

Konkretisierung durch Richterrecht

Nationales RechtInternationales Recht

Eine nach Art. 31 GG denkbare Kollision von Bundes- und Landesrecht setzt voraus, dass die betreffenden Normen auf denselben Sachver- halt anwendbar sind und bei ihrer Anwendung zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen. Da es sich beim bundesrechtlichen Energierecht und dem landesrechtlichen Denkmalschutz- recht nicht um inhaltsgleiche Normen handelt, kann hier das Bundesrecht das Landesrecht nicht „brechen“. Etwas anderes könnte im Ein- zelfall z. B. beim römischen Limes (Abb. 6) gege- ben sein, wenn der Eigentümer eines Teils des Limes kraft Denkmalschutzgesetz zur Erhal- tung und Pflege der baulichen Reste verpflich- tet ist, während der Landesnaturschutz behaup- tet, dass es sich bei mangelnder Pflege in der Tendenz um eine faktische Zweck- und Nut- Bei den hier zur Energiewende 2011 insbesondere Abb. 6: Die Saalburg als zungsaufgabe handelt, so dass Erhaltungsmaß- im Sommer 2011 erlassenen sieben Gesetzen Teil des Obergermanisch- nahmen einen Eingriff in die Natur und Land- ist die Kompetenz des Bundes, von Einzelrege- Raetischen Limes. schaft darstellen. Deshalb ist hier nochmals lungen abgesehen, nicht fraglich. Deshalb ließ anzumerken, dass das bundesrechtliche „Ener- der Bundesrat auch die Gesetze am 8. Juli 2011 gierecht“ etwas anderes regelt als das Landes- passieren mit Ausnahme des Entwurfs eines denkmalrecht oder die Welterbekonvention, so Gesetzes zur steuerlichen Förderung von ener- dass das Bundesrecht das Landesrecht in die- getischen Sanierungsmaßnahmen an Wohnge- sem Fall nicht brechen kann. bäuden.

26 DNK 2007. 28 Vgl. BVerfG 2007. 27 BT.-Drucksache 17/7357. 29 Vgl. Hönes 2009b, 149 f. 60 Regenerative Energien und Welterbestätten

vorgesehene Mindestvergütung, und zwar un- geachtet dessen, ob sie im Einzelfall an einem Standort in einem solchen Gebiet naturschutz- rechtlich zulässig sein könnten.34 Daher wäre es aus kulturstaatlicher Verantwortung wegen der internationalen Vorgaben sachgerecht, entspre- chend dieser Regelung zum Ausschluss der Ver- gütung bei Strom aus Windenergieanlagen aus Gebieten mit dem Status von UNESCO-Welter- bestätten generell ebenfalls keine Vergütung zu zahlen. Obwohl, wie beim EU-Recht (s. o.) garantiert, das kulturelle Erbe dank einer „Querschnittsklau- sel“ des Art. 167 Abs. 4 AEUV zu berücksichtigen ist, tauchen in dem nachstehend aufgeführten Gesetzespaket von 2011 zur Energiewende abge- sehen von der Energieeinsparverordnung Abb. 7: Frömmigkeit und Windkraft bei Mainz-Ebersheim. (EnEV) keine Ausnahmen zugunsten des kultu- rellen Erbes auf. Vielmehr wird versucht, das Das Problem ist, dass der Bund, der die Welter- Problem auf eine umweltverträgliche Versor- bekonvention ratifizierte und damit an die Ein- gung mit Strom und Gas zu reduzieren. haltung der völkerrechtlichen Verpflichtung aus Es bedarf eigentlich keiner Erwähnung, dass wir der Welterbekonvention wirksam gebunden ist, die Priorität des Denkmalschutzes in § 24 Abs. 1 gleichwohl konventionswidrig in seinen ein- EnEV den Vorgaben der Richtlinie 2002/91/EG schlägigen Bundesgesetzen, abgesehen vom des Europäischen Parlaments und des Rates Bundesnaturschutzgesetz30, die Welterbekon- über die Gesamteffizienz von Gebäuden vom vention nicht ausreichend berücksichtigt. 16. Dezember 2002 bzw. deren Neufassung vom Dies zeigt sich schon beim für das Welterbe be- 19. Mai 2010 35 verdanken. Während der entschei- deutsamen Raumordnungsgesetz.31 dende Aspekt des Umweltschutzes für die Ver- Da nach § 1 Abs. 4 BauGB die Bauleitpläne den treter des Energierechts somit der rationelle und Zielen der Raumordnung anzupassen sind, sparsame Umgang mit Energie mit der daraus strahlt dieser Mangel auch auf das Baugesetz- resultierenden Schonung der Ressourcen sein buch aus. Schließlich kann dieser Planungsleit- dürfte, geht das EU-Recht z. B. mit der Richtlinie satz nicht im Ergebnis der Abwägung nach § 1 2012/31/EU über die Gesamteffizienz von Ge- Abs. 7 BauGB oder einer Befreiung nach § 31 bäuden in Art. 4 Abs. 2 der RL insofern aus- BauGB überwunden werden.32 Außerdem sind drücklich weiter, als die Mitgliedstaaten be- viele Fachvertreter des Energierechts der Auf- schließen können, die in Art. 4 Abs. 1 der RL fassung, dass es nicht Aufgabe des Energie- genannten Anforderungen bei einigen Gebäu- rechts, sondern des sonstigen für alle Wirt- dekategorien nicht festzulegen oder nicht anzu- schaftszweige gültigen Umweltrechts ist, für wenden. Dazu gehören nach Art. 4 lit. a) der RL den Schutz der Umweltgüter einschließlich der Gebäude, die als Teil eines ausgewiesenen Um- Kulturgüter zu sorgen.33 felds oder aufgrund ihres besonderen architek- Dies wird aber rechtssystematisch nicht durch- tonischen oder historischen Werts offiziell ge- gehalten, da z. B. das Erneuerbare-Energien-Ge- schützt sind, soweit die Erhaltung bestimmter setz (EEG) Konflikte zwischen den Zielen des Na- Mindestanforderungen an die Gesamtenergieef- turschutzes und den Zielen des EEG ausgleichen fizienz eine unannehmbare Veränderung ihrer will, indem § 31 Abs. 3 EEG eine Ausnahme von Eigenart oder ihrer äußeren Erscheinung be- den Vergütungsregelungen der Abs. 1 und 2 des deuten würde. Entsprechendes gilt nach Art. 4 § 31 EEG enthält. Daher gelten diese Absätze z. B. Abs. 2 lit. b) für Gebäude, die für Gottesdienst nicht für Strom aus Offshore-Anlagen, die in ei- und religiöse Zwecke genutzt werden.36 Bei die- nem Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung ser Ausnahmeregelung muss man bedenken, oder einem Vogelschutzgebiet im Meer errichtet dass der Anteil an Denkmälern einschließlich wurden. Solche Anlagen haben keinen An- Ensembles und Stätten am gesamten Gebäude- spruch auf die nach § 31 Abs. 1 und 2 EEG bestand maximal 1,5 % beträgt und der Denk- Ernst-Rainer Hönes Rechtliche Widersprüche zur Welterbekonvention nach der Energiewende 2011 61

Abb. 8: Die Wies in der bayerischen Landschaft. Abb. 9: Die Wallfahrtskirche Wies (Weltkulturerbe seit 1983).

malschutz wegen fehlender Kompetenz für das bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestim- Energierecht nicht die Möglichkeit hat, dieses mungen der Verträge den kulturellen Aspekten kulturelle Erbe von der staatlichen Klima- Rechnung trägt, insbesondere zur Wahrung schutz-Förderung auszunehmen (Abb. 7–9). Der und Förderung der Vielfalt ihrer Kulturen. Schlüssel zur Berücksichtigung der kulturellen Belange bei der Energiewende 2011 und den si- Das Gesetzespaket 2011 cher nachfolgenden Novellierungen (Nachbes- Formal handelt es sich um folgende Gesetze: serungen) sind die neuen hier bereits aufge­ – Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Atom- führten Bundesgesetze, nicht das jeweilige gesetzes (AtG) vom 5. August 2011 38. Eine Er- Landes­denkmalschutzgesetz. gänzung des Art. 20 a GG mit dem Ziel, die Dem steht nicht entgegen, dass z. B. Niedersach- Nutzung der Atomkraft zur Energieerzeu- sen in seinem Denkmalschutzgesetz von 1978 gung zu verbieten, wird es nicht geben. durch Gesetzesänderung vom 26. Mai 2011 bei – Gesetz zur Neuregelung des Rechtsrahmens der Frage der Erhaltung der Kulturdenkmale für die Förderung der Stromerzeugung aus er- nach § 7 NDSchG abweichend vom Referenten- neuerbaren Energien (EEG) vom 4. August entwurf nun drei Beispiele als öffentliche Inter- 201139 essen im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2 NDSchG auf- – Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftli- zählte. Ein Eingriff in ein Kulturdenkmal ist cher Vorschriften (EnWGÄndG) vom 3. August danach zu genehmigen, soweit ein öffentliches 201140 Interesse anderer Art, z. B. – Gesetz über Maßnahmen zur Beschleuni­ – die nachhaltige energetische Verbesserung gung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze des Kulturdenkmals vom 28. Juli 201141 mit dem Netzausbaube- – der Einsatz erneuerbarer Energien oder schleunigungsgesetz (NABEG) und weiteren – die Berücksichtigung der Belange von alten fünf Gesetzesänderungen Menschen und Menschen mit Behinderungen, – Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errich- das Interesse an der unveränderten Erhaltung tung eines Sondervermögens „Energie- und des Kulturdenkmals überwiegt und den Ein- Klimafonds“ (EKFG-ÄndG) vom 29. Juli 201142 griff zwingend verlangt.37 – Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei Für die bereits oben erwähnten energiespezifi- der Entwicklung in den Städten und Gemein- schen Einzelregelungen der EU ist von Bedeu- den (sog. Klimaschutznovelle des BauGB) vom tung, dass nach Art. 167 Abs. 4 AEUV die Union 29. Juli 201143.

30 § 2 Abs. 5 BNatSchG 2010. 37 § 7 Abs. 2 Nr. 2 NDSchG; vgl. Schmaltz/Wiechert 2012, § 7 Rn. 8. 31 Hönes 2010a. 38 BGBl. I, 1704. 32 Hönes 2010b. 39 BGBl. I, 1634. 33 Büdenbender 2005. 40 BGBl. I, 554. 34 Altrock/Oschmann/Theobald 2011, § 31 Rn. 62. 41 BGBl. I, 1690. 35 RL 2010. 42 BGBl. I, 1702. 36 RL 2010. 43 BGBl. I, 1509. 62 Regenerative Energien und Welterbestätten

Ein zweiter Teil der Bauplanungsrechtsnovelle mit den Schwerpunkten Stärkung der Innenent- wicklung und Anpassung der Baunutzungsver- ordnung wurde bereits eingeleitet. Dieser zwei- te Teil soll im Herbst 2012 abgeschlossen werden. Wegen der bereits zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Bau der Wald- schlösschenbrücke45 ist es in Anbetracht des völ- kerrechtlichen Rahmens jedoch verfassungs- rechtlich möglich, dass sich der in einer förmlichen Abstimmung festgestellte Bürger- wille (hier: zum geplanten Bau einer Brücke über die Elbe in Dresden) als authentische Aus- drucksform unmittelbarer Demokratie in einem Konflikt über die planerische Fortentwicklung einer Kulturlandschaft durchsetzt. Als Folge Abb. 10: Windkraft an der Autobahn bei Alzey. müssen dann gleichwohl die möglichen Nachtei- le aus der Entscheidung – wie etwa der Verlust des Welterbestatus und ein damit einher­ gehender Ansehensverlust – in Kauf genommen werden.46 Mit den bisherigen Instrumentarien des Bauge- setzbuches (und des Straßenrechts) lässt sich eine Entscheidung gegen die Vorgaben der Welt- erbekonvention rechtlich nicht immer verhin- dern. Daher hatte der Verfasser das Bundesbau- ministerium im April 2012 (vergeblich) gebeten, dass der Bund künftig nach § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB in einen neuen Satz 3 die internationalen und europäischen Bemühungen auf dem Gebiet des Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschut- zes unterstützt. Es reicht leider nicht aus, dass in der Begründung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Innenentwicklung von Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklun- Abb. 11: Warnung vor Windkraftanlagen. gen des Städtebaurechts“ darauf hingewiesen wird, dass im Einzelfall auch Kultur-, Bau- und BauGB Bodendenkmäler sowie historische Kulturland- Nach der Änderung des Baugesetzbuches mit schaften und -landschaftsteile von besonders dem Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes charakteristischer Eigenart, insbesondere die bei der Entwicklung in den Städten und Gemein- auf der Grundlage des Übereinkommens vom den (sog. Klimaschutznovelle) vom 29. Juli 201144 16. November 1972 zum Schutz des Kultur- und wurden im Städtebaurecht die bisherigen Be- Naturerbes der Welt,47 als Weltkulturerbe ge- rücksichtigungen des Denkmalschutzes ein- schützte Stätten zu erhalten sind (Abb. 10; 11). schließlich des städtebaulichen Denkmalschut- Das Beispiel des Straßenrechts belegt ebenfalls, zes beibehalten. Diese Normerhaltung wird von dass auch im Energierecht straßenrechtliche Er- den Vorgaben des noch darzustellenden Ener- fordernisse berücksichtigt werden. Während giefachrechts überlagert. Die „Klimaschutzno- bauliche Anlagen längs der Bundesautobahnen velle“ ist zwar Teil des Gesetzespakets der nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 FStrG in einer Entfernung „Energiewende“, steht aber mit dem Atomaus- bis zu 100 m nicht ohne Baugenehmigung errich- stieg nur mittelbar in Beziehung, wenn man ein- tet werden dürfen, sollen nach § 32 Abs. 3 Satz 1 mal davon absieht, dass das geltende Neubau- Nr. 4 EEG Anlagen zur Erzeugung von Strom aus verbot von Kernenergieanlagen nun auch in § 35 solarer Strahlungsenergie eine Vergütung nur Abs. 1 Nr. 7 BauGB nachvollzogen wurde. erhalten, wenn sie sich auf Flächen befinden, die Ernst-Rainer Hönes Rechtliche Widersprüche zur Welterbekonvention nach der Energiewende 2011 63

längs von Autobahnen oder Schienenwegen lie- gen und in einer Entfernung bis zu 110 m, gemes- sen vom äußersten Rand der befestigten Fahr- bahn, errichtet wurden.48 Also hätte man für den Schutz des Welterbes im EEG ebenfalls zur Berücksichtigung der international geforderten Pufferzonen einen Mindestabstand für die För- derfähigkeit der Anlagen festlegen können. Als einen Schwerpunkt des Baugesetzbuches möchte ich den Außenbereich (§ 35 BauGB) her- ausgreifen, da sich der römische Limes überwie- gend dort befindet. So wurde die planungsrecht- liche Zulässigkeit von Biogasanlagen in § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB präzisiert. Nun wurde die Feue- rungswärmeleistung auf 2.0 Megawatt angeho- ben, womit ein gewisser Spielraum für eine bedarfsorientierte flexible Stromerzeugung er- Abb. 12: Errichtung einer Windkraftanlage. öffnet wurde. Dies könnte für die Archäologie ohne Belang sein, wenn es nicht z. B. den Anbau plan und im Bebauungsplan ermöglicht. Nach bestimmter Pflanzen fördern würde und so z. B. dem Gesetzentwurf der „Klimaschutznovelle“ zu einer Vermaisung der Landschaft führen sollen durch das Repowering ältere, oft verein- würde. Es werden also künftig zunehmend land- zelt stehende Windenergieanlagen durch mo- wirtschaftliche Flächen für sogenannte Energie- derne leistungsfähigere Anlagen, vorzugsweise pflanzen genutzt. in Windparks, ersetzt werden, wodurch aus der Nun wurde erstmals in einer neuen Nr. 8 in § 35 Sicht des Gesetzgebers vielfach auch ein Beitrag Abs. 1 Nr. 8 BauGB die Nutzung solarer Strah- zum „Aufräumen der Landschaft“ geleistet wer- lungsenergie in, an und auf Dach- und Außen- den kann. Was das für den Boden als Archiv der flächen von zulässigerweise genutzten Gebäu- Natur- und Kulturgeschichte bedeuten kann, den privilegiert. Hierbei muss man aber wird nicht gesagt. bedenken, dass die Vergütung der solaren Der Reformeifer der Bundesregierung ist jeden- Strahlungsenergie an oder auf Gebäuden in § 33 falls beeindruckend. Inwieweit die sogenannte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geregelt ist Klimaschutznovelle die Gewichte verschieben (nachstehend). wird, bleibt nicht zuletzt angesichts der Fülle Die nachträgliche Wärmedämmung (§ 248 von Rechtsstreitigkeiten abzuwarten (Abb. 12).49 BauGB) verlangt auch bei bestehenden Gebäu- den bauliche Anforderungen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) EnEV; § 3 Abs. 2 bis 4 EEWärmeG). Darüber hin - Das Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasver- ausgehenden Verpflichtungen unterliegt die öf- sorgung (Energiewirtschaftsgesetz = EnWG) fentliche Hand bei der grundlegenden Renovie- legte, wie bereits erwähnt, in § 1 Abs. 1 EnWG rung von in ihrem Eigentum oder Besitz die aus seiner Sicht grundlegenden Gemein- befindlichen öffentlichen Gebäuden nach § 3 wohlzwecke fest: Zweck des Gesetzes ist eine Abs. 2 bis 4 des Gesetzes zur Förderung erneuer- möglichst sichere, preisgünstige, verbraucher- barer Energien im Wärmebereich (EEWämeG). freundliche, effiziente und umweltverträgliche Die Windenergie ist (schon bisher) nach § 35 Abs. leitungsgebundene Versorgung der Allgemein- 1 Nr. 5 BauGB privilegiert. Jetzt aber erleichtert heit mit Elektrizität und Gas.50 Von einer kultur- § 249 BauGB das Repowering von Windenergie- verträglichen Versorgung der Allgemeinheit ist anlagen. Zugleich wird zugunsten des Repowe- nicht die Rede, wobei das bereits 1998 eingefüg- ring das Baurecht auf Zeit im Flächennutzungs- te Ziel der Umweltverträglichkeit der Energie-

44 BGBl. I, 1509. 48 Altrock/Oschmann/Theobald 2011, § 32 Rn. 73. 45 BVerfG 2007. 49 Wilke 2011. 46 So BVerfG 2007, 1177. 50 Vgl. Britz/Hellermann/Hermes 2010. 47 BGBl. 1977 II, 213, 215. 64 Regenerative Energien und Welterbestätten

Abb. 14: Kulturgut- Abb. 15: Kulturgut- schutzzeichen in Wien. schutzzeichen in Belgien.

Abb. 13: Solaranlage an versorgung den europarechtlichen Begriff der lagen auf einem Kirchendach rechtfertigen sol- einer Schallschutzwand. Umwelt einschließt, der auch die Sachgüter und len, nicht dazu.53 Die Gewinnung regenerativer das kulturelle Erbe umfasst.51 Energien ist, auch wenn sie religiös motiviert Hierbei muss man aber bedenken, dass die Ver- sein mag, keine Religionsausübung.54 gütung der solaren Strahlungsenergie an oder Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) auf Gebäuden in § 33 Erneuerbare-Energien-Ge- hat zur Errichtung einer Photovoltaikanlage auf setz (EEG) geregelt ist. Gebäude sind nach § 33 einer als Denkmal geschützten Kirche bei der Abs. 3 EEG selbständig benutzbare überdeckte Ermessensentscheidung der zuständigen Behör- bauliche Anlagen, die von Menschen betreten de entschieden, dass die Belange von Klima und werden können und vorrangig dazu bestimmt Umwelt nicht zu einer Einschränkung des Er- sind, dem Schutz von Menschen, Tieren und Sa - messensspielraums der Behörde führen. Sie sind chen zu dienen. Diese Begriffsbestimmung ist jedoch bei der Ausübung des Ermessens zu be- an die Musterbauordnung angelehnt. achten.55 Der Verfasser hatte zu § 33 EEG (Solare Strah- Der in Art. 20a GG normierte Schutz der natürli- lungsenergie an oder auf Gebäuden) beantragt, chen Lebensgrundlagen entfaltet im Rahmen dass bei Absatz 1 ein neuer Satz 2 angefügt wer- der denkmalrechtlichen Abwägung kein sol- den sollte: „Dies gilt nicht für denkmalgeschütz- ches Gewicht, dass eine Photovoltaikanlage auf te Gebäude“, denn schließlich macht es einen einem denkmalgeschützten Gebäude grund- Unterschied, ob die Solaranlage an einer Lärm- sätzlich genehmigt werden müsste.56 Festzuhal- schutzwand oder einem Kulturdenkmal an- ten bleibt, dass die Zahl der Konflikte durch die gebracht wird (Abb. 13). Gerade bei Welterbe- Novellierungen im Energierecht mit Bezug auf stätten ist es unerträglich und mit der Welterbe- das Denkmalschutzrecht und Landschafts- konvention von 1972 nicht vereinbar, wenn der schutzrecht zugenommen hat.57 Strom aus Solaranlagen auf Welterbestätten Für Strom aus Windenergie gibt es nach § 29 nach § 33 EEG noch gefördert wird. Dem wurde EEG ebenfalls eine Vergütung. Die Erzeugung nicht entsprochen. von Strom aus Windenergie ist dabei eine indi- Da große Stecken des Limes nicht oder nicht rekte Nutzung der solaren Strahlungsenergie, mehr dem Schutz von Menschen, Tieren oder da Winde durch die Unterschiede in der Erder- Sachen dienen, ist diese Welterbestätte viel- wärmung der Erdoberfläche infolge der Sonnen- leicht weniger betroffen; auf die meisten sonsti- einstrahlung entstehen. Die Rechtsprobleme bei gen Kulturgüter dürfte der Sachverhalt jedoch der Planung und Errichtung von Windenergie- wohl zutreffen. Da es auf den Errichtungszweck anlagen können hier aus Raumgründen nicht nicht ankommt, gilt die Regelung z. B. auch für dargestellt werden. Ohne das Instrument der Gotteshäuser.52 Hier gibt es bereits eine Reihe Vergütung und damit der Preissteuerung nach von Rechtsstreitigkeiten, die nicht nur mit den §§ 16 und 29 EEG gäbe es jedoch manchen Kon- energierechtlichen Vorgaben, sondern auch reli- flikt mit der Denkmalpflege nicht. giös motiviert werden. Schon früh hatte das Oberverwaltungsgericht Gleichwohl gehören Bekenntnisse zum Erhalt Schleswig-Holstein 58 zur Planung einer Wind- der Schöpfung, die den Bau von Photovoltaikan- kraftanlage etwa 1200 m Luftlinie vom Meldor- Ernst-Rainer Hönes Rechtliche Widersprüche zur Welterbekonvention nach der Energiewende 2011 65

fer Dom entschieden, dass die Entscheidung, ob Satz 1 GG, wonach „für Angelegenheiten, für die bei einer wesentlichen Beeinträchtigung eines dem Bunde die Gesetzgebung zusteht, selbstän- Kulturdenkmals durch den Bau einer Wind- dige Bundesoberbehörden […] durch Bundesge- kraftanlage eine denkmalschutzrechtliche Ge- setz errichtet werden“ können. nehmigung erteilt wird, im Ermessen der Denk- Die betroffenen Länder können nach § 14 NA- malschutzbehörde liegt. BEG gegen Entscheidungen der Bundesnetz- Das Verwaltungsgericht Dessau59 lehnte den Bau agentur über die Bundesfachplanung (§ 12 Abs. 3 einer 100 m hohen Windkraftanlage in der Nähe und 3 NABEG) innerhalb einer Frist von einem des Denkmalensembles „Kirche und Schloss Monat Einwendungen erheben. Leitz­kau“ als planungsrechtlich unzulässig ab. Soweit dies im Rahmen einer Großtrassenpla- Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt60 nung möglich ist, prüft die Bundesnetzagentur entschied, dass eine geplante Windenergieanlage nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NABEG, ob der Verwirkli- trotz ihrer Privilegierung im Außenbereich nach chung des Vorhabens in einem Trassenkorridor § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB in der Nähe einer ehemali- überwiegende öffentliche oder private Belange gen Stiftskirche mit zwei Schlossbauten wegen entgegenstehen. Gegenstand der Prüfung sind der Belange des Denkmalschutzes nicht gebaut auch nach § 5 Abs. 1 Satz 4 NABEG etwaige werden durfte, da auch für Anlagen der Wind- ernsthaft in Betracht kommende Alternativen energie der Grundsatz der „größtmöglichen von Trassenkorridoren. Dabei ist nach § 5 Abs. 2 Schonung des Außenbereichs“ gilt (Abb. 14; 15). NABEG eine strategische Umweltprüfung durchzuführen. NABEG Die Folge ist, dass bei der Planfeststellung dann Das Gesetz über Maßnahmen zur Beschleuni- nach § 23 NABEG die Umweltverträglichkeits- gung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze vom prüfung nach dem UVPG aufgrund der in der 26. Juli 2011 61 Bundesfachplanung bereits durchgeführten Anders als im Bereich des EEG begnügt sich der Strategischen Umweltprüfung auf zusätzliche Gesetzgeber hier nicht mit punktuellen Ände- oder andere erhebliche Umweltauswirkungen rungen, sondern begründet für bestimmte prio- der beantragten Stromleitung beschränkt wird. ritäre Projekte ein vollständig neues Planungs- und Zulassungssystem. Das Gesetz sieht für Energetische Ertüchtigung von Leitungen von Elektrizität mit europäischer Baudenkmälern oder überregionaler Bedeutung, insbesondere Beim Workshop „Regenerative Energien und bundesländerübergreifende Höchstspannungs- Welterbestätten“ standen Fragen in Bezug auf leitungen, eine bundeseinheitliche Prüfung Maßnahmen der Sanierung und Modernisie- der Raumverträglichkeit und Planfeststellung rung von bestehenden Gebäuden einschließlich durch die Bundesnetzagentur unter Einbezie- Baudenkmäler mit dem Ziel einer bautechni- hung aller in diesem Verfahren relevanten ge- schen Verbesserung der Gebäude zur Verringe- setzlichen Vorschriften vor, insbesondere derje- rung des Energiebedarfs nicht im Vordergrund. nigen Regelungen, die die Umweltverträglichkeit Die Solaranlagen wurden bereits beim Erneuer- sowie sonstige raumplanungs- und naturschutz- baren-Energien-Gesetz (EEG) erwähnt. Maßnah- rechtliche Belange betreffen. men der Innen- und Außendämmung werden In ihrem Anwendungsbereich ersetzt die Bun- insbesondere mit der Energieeinsparungsver- desfachplanung der Bundesnetzagentur nach ordnung (EnEV) angesprochen, die neben den § 28 NABEG das nach § 15 ROG grundsätzlich er- Neubauten auch bei bestehenden Gebäuden und forderliche Raumordnungsverfahren vor den Anlagen Anwendung findet. Damit gilt die EnEV nach Landesrecht zuständigen Behörden. Die grundsätzlich – bis auf die in § 1 EnEV genann- Kompetenz hierfür ergibt sich aus Art. 87 Abs. 3 ten Ausnahmen – für alle beheizten bestehen-

51 Hönes 2009c. 57 Vgl. Grothmann 2012. 52 Hönes 2012b. 58 OVG SH 1995. 53 VG Dresden 2010. 59 VG Dessau 2002. 54 VGH BW 2011. 60 OVG SA 2005. 55 BayVGH 2010. 61 BGBl. I, 1690. 56 OVG RP 2011. 66 Regenerative Energien und Welterbestätten

Abb. 16: Berlin 2007, Werbung für Gebäude­ sanierung.

den Gebäude, also auch für Baudenkmäler und sung des Verwaltungsgerichts Minden besteht Denkmalbereiche.62 Soweit bei Baudenkmälern kein öffentliches Interesse daran, Denkmäler oder sonstiger besonders erhaltenswerter Bau- mit einer Außendämmung zu versehen, da Bau- substanz die Erfüllung der Anforderungen denkmäler die Wärmeschutzanforderungen der dieser Verordnung die Substanz oder das Verordnung über energiesparenden Wärme- Erscheinungsbild beeinträchtigen oder andere schutz und energiesparende Anlagetechnik bei Maßnahmen zu einem unverhältnismäßig ho- Gebäuden – Energieeinsparverordnung – nicht hen Aufwand führen, kann nach § 24 Abs. 1 zu erfüllen brauchen.64 EnEV von den Anforderungen dieser Verord- Das Verwaltungsgericht Berlin ist bezüglich des nung abgewichen werden. Dieser Ausnahmetat- ungenehmigten Einbaus von Kunststofffenstern bestand ist z. B. im Einzelfall erfüllt, wenn die ebenfalls auf die Anforderungen der EnEV ein- Substanz oder das Erscheinungsbild beeinträch- gegangen. Es stellte fest, dass die denkmalbezo- tigt wird. Aus dieser Ausnahme des Verord- gene Kollisionsklausel des § 24 Abs. 1 EnEV ge- nungsgebers zugunsten des Denkmalschutzes nerell die Voraussetzungen umschreibt, unter kann auch eine Abwägungsdirektive für andere denen das Energieeinsparungsrecht gegenüber denkmalrechtliche Entscheidungen im Wider- überwiegenden denkmalrechtlichen Belangen streit zwischen Denkmalschutz und Klima- zurücktritt, ohne dass es der Erteilung einer schutz gesehen werden.63 Ausnahme nach der Energieeinsparungsverord- Außerdem sind nach § 16 Abs. 4 EnEV Baudenk- nung bedürfte. Der Vorrang des Denkmalschut - mäler bei Verkauf, Vermietung, Verpachtung zes gegenüber dem Energieeinsparungsrecht ist und Leasing von der Pflicht zur Erstellung eines danach nicht vom Willen oder einem Antrag des Energieausweises ausgenommen. Nach Auffas- Bauherrn abhängig (Abb. 16).65 Ernst-Rainer Hönes Rechtliche Widersprüche zur Welterbekonvention nach der Energiewende 2011 67

E rgebnis nicht Aufgabe des Energierechts, sondern des Durch die Energiewende 2011 wurden schon be- für alle Wirtschaftszweige geltenden Kultur- stehende rechtliche Widersprüche zur von und Umweltschutzrechts ist, für den Schutz des Deutschland ratifizierten Welterbekonvention kulturellen Erbes zu sorgen, hatte der Verfasser, von 1972 deutlich, neue Widersprüche kamen wie bereits erwähnt, vergleichbar der Vorgabe insbesondere auf der Ebene des Bundesrechts des § 2 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG vorgeschlagen, hinzu. Abgesehen von der durch europarechtli- dass der Bund künftig nach § 1 Abs. 5 Satz 2 che Vorgaben erzwungenen Berücksichtigung BauGB in einen neuen Satz 3 die internationalen des kulturellen Erbes bei der Energieeinspar- und europäischen Bemühungen auf dem Gebiet verordnung gibt es – soweit ersichtlich – keine des Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschut- Berücksichtigung der Welterbekonvention oder zes unterstützt. Dies wird in dem noch laufen- des kulturellen Erbes in dem zur Energiewende den Gesetzgebungsverfahren wohl nicht er- 2011 beschlossenen Gesetzespaket. Das Ener- reicht werden, so dass der Bund, der auch für die gierecht konzentriert sich hauptsächlich auf städtebauliche Denkmalpflege Verantwortung eine Strategie des Förderns über Förderpro- trägt, über die finanzielle Förderung, beim Bau gramme und steuerliche Anreize, um freiwilli- der Waldschlösschenbrücke in Dresden ebenso ge energetische Sanierungsprogramme voran- wie bei den anstehenden Fördermaßnahmen zutreiben mit dem Ziel, die Sanierungsrate nach der Energiewende, die Bemühungen im erheblich zu erhöhen. Deshalb verfolgt z. B. Rahmen der Welterbekonvention unterläuft. Le- § 1 Abs. 2 EEG das ehrgeizige Ziel, den Anteil er- diglich, wo dank der europäischen Vorgaben neuerbarer Energien an der Stromversorgung eine Umweltverträglichkeitsprüfung (Umwelt- bis zum Jahr 2020 auf mindestens 30 % und da- prüfung) vorgeschrieben ist, hat das kulturelle nach kontinuierlich zu erhöhen. So wird, wie Erbe noch eine Chance, in Planungen und sons- bereits kritisiert, die solare Strahlungsenergie tigen Verfahren berücksichtigt zu werden. an und auf Gebäuden und die Vergütung der Stromeinspeisung in § 33 EEG geregelt für Anla- gen, die ausschließlich an oder auf einem Ge- bäude oder einer Lärmschutzwand angebracht sind, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, ob die- ses Gebäude eine Welterbestätte wie der Aache- ner, Kölner oder Speyerer Dom ist oder ein be- liebiges Gebäude oder eine Lärmschutzwand, zumal die dem kulturellen Erbe zuzurechnen- den Gebäude in Deutschland kaum mehr als 1 oder 2 % des Baubestandes ausmachen. Das Energierecht ist somit blind für kulturelle Belange, der Verweis auf die für das kulturelle Erbe einschlägigen Gesetze ist unzureichend, da es, wie in Art. 167 Abs. 4 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), darum gehen muss, dass neben der EU in Deutschland auch der Bund, die Länder und Gemeinden bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen auch der Berücksichtigung des kulturellen Erbes Rechnung tragen. Da das Gesetzespaket der Energiewende als Energiefach- und Finanzierungsrecht seiner kul- Prof. Dr. Ernst-Rainer Hönes turellen Mitverantwortung zur Schonung des Max-Planck-Straße 3 kulturellen Erbes nicht gerecht wird, weil man 55124 Mainz wohl überwiegend der Auffassung ist, dass es [email protected]

62 Martin/Krautzberger 2010, Teil F Rn. 178. 64 VG Minden 2009. 63 So Mast/Göhner 2012, 25. 65 VG Berlin 2010. 68 Regenerative Energien und Welterbestätten

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Claus Herrmann Die Kultur der Energie – Kulturlandschaften gestalten mit erneuerbaren Energien

Regenerative Energien und Welterbestätten · Beiträge zum Welterbe Limes · Sonderband 2 07 Hrsg. Deutsche Limeskommission · Bad Homburg v. d. H. 2013 Claus Herrmann Die Kultur der Energie – Kulturlandschaften gestalten mit erneuerbaren Energien 71

Claus Herrmann Die Kultur der Energie – Kulturlandschaften gestalten mit erneuerbaren Energien

Abb. 1: Landscape Change, Simulation zur landschaftsräumlichen Wirkung von Biomasse- Maisanbau.

Landschafts- und Denkmalschützer versuchen Asnu ga gslage den Ausbau der erneuerbaren Energien vor Die verbreitete Auffassung „Wind- und Solar- allem durch die Ausweisung von Tabuzonen parks ja, aber nicht vor meiner Haustür oder und Abstandsflächen zu den Schutzgütern zu meiner Weltkulturerbestätte!“ ist zwar emotio- regulieren. Umfassende Restriktionen sind aber nal verständlich, lässt sich aber nicht mehr auf- immer schwerer durchzusetzen, die Flächen- rechterhalten, wenn der im gesellschaftlichen konkurrenzen werden größer. Landschaftspla- Konsens angestrebte Ausbau der erneuerbaren nerische Gestaltungswettbewerbe könnten ein Energien zwangsläufig dazu führen wird, dass probates Mittel sein, um den gesellschaftlichen die Abstandsregeln für Schutzgüter und Sied- Diskurs über die ortsangepasste Gestaltung von lungsbereiche zukünftig verringert und Rest- Wind-, Solar- und Biomasseparks zu beflügeln riktionen abgeschwächt werden. Denn nach und neue Bilder und Visionen für die Kultur- dem aktuellen Energiekonzept der Bundesregie- landschaften der Zukunft zu entwickeln. Dies rung soll der Anteil von Strom aus erneuerbaren gilt auch im landschaftsräumlichen Umfeld des Energien von heute 25 % bis zum Jahr 2020 auf Limes. 35 % und bis 2050 auf 80 % mehr als verdreifacht 72 Regenerative Energien und Welterbestätten

Abb. 2: Alley-cropping in der Lausitz – ein Forschungs- Abb. 3: Forschungsprojekt von Prof. Scheffer/GH Kassel projekt der BTU Cottbus zur Kombination von Ackerflä- zu Mischkulturen im Biomasseanbau (hier Sonnenblu- chen mit Heckenstrukturen zur Energieholzgewinnung. men und Mais im Oktober!).

werden. Umweltminister Altmaier hat diese Zie- rende Teilbereiche in diesen Kulturlandschaften. le im Oktober 2012 sogar noch nach oben korri- Der Schutzanspruch von Welterbestätten führt giert und strebt einen Anteil von 40 % bis 2020 daher häufig zu Konflikten mit dem Bau von an. Uns allen muss klar sein, dass diese Ziele raumwirksamen Baulichkeiten der Infrastruk- nicht nur mit Energieeinsparung, Offshore- tur, die in deren Umfeld errichtet werden sollen. Windparks und Sonnenstrom aus der afrikani- Nicht immer lassen sich neue Baulichkeiten in schen Wüste erreicht werden können. Auch im historische Kulturlandschaften verträglich inte- deutschen Binnenland und in bislang weitge- grieren. So hat der Bau der Waldschlösschen- hend von Windenergie verschonten Bundeslän- brücke 2009 zu der spektakulären Entscheidung dern wie Baden-Württemberg wird sich das geführt, dem Dresdner Elbtal den Weltkulturer- Landschaftsbild rasch weiter verändern. Doch bestatus zu entziehen. das ist zunächst nichts Ungewöhnliches. Von Schutzzielen und Tabuzonen Exkurs Schon heute prägen oder dominieren bis zu Heute als schön und schützenswert eingestufte 200 m hohe Windenergieanlagen ganze Landstri- Kulturlandschaften, wie sie auch entlang des che, vor allem im Norden Deutschlands. Freiflä- Limes häufig zu finden sind, waren immer auch chensolaranlagen und Monostrukturen im Bio- Ausdruck ökonomischen Handelns und hatten masseanbau (v. a. Mais) kommen hinzu (Abb. 1). nie ausschließlich die Aufgabe, vom Betrachter Denkmalschützer leiten aus dem jeweiligen in- als schön empfunden zu werden. Kulturland- dividuellen Schutzziel (Denkmal, Kulturerbe, schaften sind vielmehr ganz allgemein geprägt Tierarten, Landschaft etc.) in der Regel Restrik- durch die verschiedenen Wechselwirkungen tionen ab und weisen je nach Denkmalbeschaf- zwischen menschlicher Einflussnahme und na- fenheit Schutzzonen, Abstandsflächen und Ta- turräumlichen Gegebenheiten. buzonen aus. Diesen dynamischen Prozess konzeptionell zu Die Frage ist naheliegend, ob sich moderne Kul- begleiten und die Kulturlandschaften der Zu- turlandschaften der Zukunft auch heute inte­ kunft mit zu entwickeln ist eine wichtige gesell- grativ mit einer konzeptionellen Herangehens- schaftliche Aufgabe, auch für Landschaftsarchi- weise entwickeln lassen oder wie derzeit üblich tekten. meist als eine Aneinanderreihung von Schutz-, Verschiedene Bauwerke wie Wind- und Wasser- Nutzungs- und Entwicklungsräumen verstan- mühlen und landwirtschaftliche Nutzflächen den werden, deren Übergangsbereiche und für Futtermittelpflanzen sind seit Jahrhunder- Überlagerungen oft in einem Nutzungskonflikt ten Bestandteil der einem ständigen Wandel un- miteinander stehen. Diese Nutzungskonkurren- terliegenden Kulturlandschaften. zen in den deutschen Kulturlandschaften haben Kulturlandschaften sind also transitorisch und sich durch den Ausbau der erneuerbaren Ener- einem ständigen Wandel unterworfen. Weltkul- gien und steigende Landpreise in den letzten turerbestätten wie der Limes sind hingegen ma- Jahren verschärft. Strengere Abstands- und nifeste und in ihrer Originalsubstanz zu bewah- Landschaftsschutzkriterien führen dazu, dass Claus Herrmann Die Kultur der Energie – Kulturlandschaften gestalten mit erneuerbaren Energien 73

Erntezyklen in den Agroforstsystemen nach hochC und Energiegarten e. V.

naturnahe Hecke Landwirtschaftliche Energieholzpflanzung Landwirtschaftliche Energieholzpflanzung Folgepflanzung Folgepflanzung

Abb. 4: Schnitt durch die Erntezyklen eines Energiegartens mit strei- fenförmigen Kurzum- triebshecken, naturnahen Heckenstreifen und viel- fältigem Kulturpflanzen- anbau. die potenziellen Eignungsflächen z. B. für die und ergänzt, dass bei der Gestaltung von Wind - effiziente Windenergie sehr beschränkt sind. In parks „[...] mit ästhetischen, ja künstlerischen Sachsen ist es beispielsweise so, dass der bislang Maßstäben gearbeitet [...]“ werden solle. Christo- geforderte Abstand von nur 1000 m zu Sied- pher Schwarz fordert in der Wirtschaftswoche lungsbereichen nach Berücksichtigung aller im Juni 2012: „Windräder müssen sinnstiftend in Schutzzonen kaum noch weitere Ausbaupoten- die Landschaft eingefügt werden“, und er be- ziale für Windenergie zulässt. klagt, dass über Gestaltungsmöglichkeiten „[…] In Fachzeitschriften und Feuilletons großer Zei- viel zu wenig diskutiert [...]“ werde. tungen häufen sich seit einigen Monaten Beiträ- Auch immer mehr Forschungsprojekte und Fa- ge, in denen die Landschaftszerstörung durch kultäten an Universitäten und Fachhochschulen erneuerbare Energien angeprangert wird. „Sol- beschäftigen sich mit diesen Problemen. Umso len wir deshalb die regenerative Energiewende erstaunlicher ist es, dass es bis heute in Deutsch- aufgeben? Nein. Aber eine strenge Regulierung land kaum Planungen gibt, wie die erneuerba- muss her“, schreibt z. B. Gottfried Knapp am ren Energien in nachhaltig angelegte und äs­ 1. September 2012 in der Süddeutschen Zeitung thetisch akzeptable Kulturlandschaftskonzepte 74 Regenerative Energien und Welterbestätten

Abb. 5: Collage Visionen für vielfältige und multistruk- Abb. 6: Landscape Change, Simulation zur landschafts- turierte Energielandschaften. räumlichen Wirkung von Kurzumtriebsplantagen in Kombination mit Windenergie und Solarmovern.

integriert werden könnten. Es fehlen die Visio- tung der Kurzumtriebshecken in Agroforstsys- nen und die Bilder und wohl auch der Mut, sich temen bietet weitere Potenziale zur Gestal­tung umfassend dieser gesellschaftlichen Aufgabe zu einer vielschichtigen und abwechslungsreichen stellen. Landschaft (Abb. 4). Zur Diskussion steht dabei Reale Auswirkungen der Forschungsprojekte stets, ob je nach örtlicher Situation eher die und Fachpublikationen auf die raumplanerische punktuelle, die flächenhafte oder eher die linea- Praxis sind bislang gering. Nach wie vor ist es re Anordnung von Windparks, Solarparks oder gängige Praxis, Restflächen als Windeignungs- Biomasse­an­bauflächen kulturlandschaftsräum- gebiete auszuweisen, die nach Abzug von Ab- lich angemessen ist, ob die Kombination von standsflächen, Schutzgebieten, Sichtschneisen verschiedenen erneuerbaren Energien in einem und Tabuzonen übrig bleiben. Auf diesen Rest- räumlichen Zusammenhang Bündelungseffekte flächen werden die Windenergieanlagen dann generiert und wie diese individuell zu gestalten ökonomisch optimiert und ohne Gestaltungs- sind. Ein Beispiel hierfür sind die konzeptionel- vorgaben aufgestellt. Ganzheitliche Konzepte len Visualisierungen für spezifische Energiegär- zur landschaftsräumlichen Verzahnung der ten in der Lausitz von hochC Landschafts­ verschiedenen erneuerbaren Energien mit der architektur (Abb. 5; 6) oder der Solarpark Geländemorphologie und -typologie, wie sie Friedensstadt bei Glau, der konzeptionell an das Professor Schöbel fordert, und Projekte zur In- Freigelände eines Naturparkszentrums ange- szenierung erneuerbarer Energien in der Land- gliedert werden soll und teilweise für die Öffent- schaft (Energieberg Georgswerder bei Ham- lichkeit zugänglich gemacht wird (Abb. 7–9). burg, Energieallee A 7) sind selten. Wir sollten auch im Umfeld des Limes über Kon- Gestaltungswettbewerbe zepte nachdenken, wie die baulichen Anlagen Neben den vorrangig auf den exklusiven Schutz zur Erzeugung erneuerbarer Energien entlang des Limes ausgerichteten Limes-Entwicklungs- dieses band- oder linienartig verlaufenden plänen, die sich eher gegen Windenergie und So- Denkmals verträglich angeordnet werden kön- larparks in der Nähe wenden, wäre es interes- nen. Kurzumtriebsplantagen können auch sant, auch konzeptionelle Ansätze für den heckenförmig angelegt werden und standortan- nachhaltigen und kulturlandschaftverträgli- gepasste, naturnahe Gehölzpflanzungen enthal- chen Ausbau der erneuerbaren Energien im Um- ten und Synergien zur landwirtschaftlichen feld des Limes ebenso zu entwickeln wie ein Nutzung entfalten (Abb. 2). Auch Mischkultu- Leitbild, das die erneuerbaren Energien mit ein- ren, möglicherweise sogar mit historisch be- schließt und nicht nur ausschließt. deutsamen Kulturpflanzensorten, können ne- Wir brauchen Gestaltungswettbewerbe, um Vi- ben ihrem Beitrag zur Biodiversität eine sionen und neue Bilder für die Kulturlandschaf- standortangepasste Bereicherung für das Land - ten der Zukunft entwerfen und über diese neu- schaftsbild sein (Abb. 3). Die zyklische Beern- en Bilder ganzheitlich diskutieren zu können. Claus Herrmann Die Kultur der Energie – Kulturlandschaften gestalten mit erneuerbaren Energien 75

Abb. 7: Glauer Felder bei Berlin am Naturpark Nuthe- Abb. 8: Glauer Felder – Illustration Solarfeld Glau mit Info- und Um- Nieplitz – Lageplan von Freianlagen am Besucherzent- weltbildungseinrichtungen. rum mit 14 ha Solarpark und kombinierten Umweltbil- dungsstationen, Berlin-Brandenburg.

Abb. 9: Glauer Felder – Skizze Solarfeld Glau mit Besucherinformation und Solartankstelle.

Diese Gestaltungswettbewerbe müssen natür- Dipl.-Ing. Claus Herrmann lich auf die individuelle Situation ausgerichtet hochC LANDSCHAFTSARCHITEKTUR sein. So werden ästhetisch überzeugende Ener- Crellestraße 22 gieparks in dünnbesiedelten und weitgehend 10827 Berlin ebenen Tagebaufolgelandschaften der Lausitz [email protected] sicher anders aussehen als gut gestaltete Wind- und Solarparks auf der Schwäbischen Alb. Zur Initiierung solcher Gestaltungswettbewer- Abbildungsnachweis be für von erneuerbaren Energien geprägte Kul- turlandschaften entlang des Limes könnte die © ARGE hochC Landschaftsarchitektur www.hochc.de / Horst Schumacher / Lenné 3D: 1, 5, 6. – Limeskommission ein wichtiger Impulsgeber © Jan Oelker: 2. – © hochC Landschaftsarchitektur www.hochc.de: 3, 8, 9. – © hochC Land- sein. Eine länderübergreifende Gesamtbetrach- schaftsarchitektur www.hochc.de / Energiegarten e. V.: 4. – © hochC Landschaftsarchitektur tung entlang des Limes wäre hierbei sinnvoll. unter Nutzung von Geobasisdaten mit Genehmigung der LGB GB-GI/99: 7.

Bisher erschienene Bände der Reihe Beiträge zum Welterbe Limes

A. Thiel (Hrsg.), A. Thiel (Hrsg.), A. Thiel (Hrsg.), Der Limes als UNESCO-Welterbe. Forschungen zur Funktion des Limes. Neue Forschungen am Limes. Beiträge zum Welterbe Limes 1 3. Fachkolloquium der 4. Fachkolloquium der (Stuttgart 2008) Deutschen Limeskommission, Deutschen Limeskommission, 17./18. Februar 2005 in 27./28. Februar 2007 in Osterburken. Weißenburg i. Bay. Beiträge zum Welterbe Limes 3 Beiträge zum Welterbe Limes 2 (Stuttgart 2008) (Stuttgart 2007)

P. Henrich (Hrsg.), P. Henrich (Hrsg.), P. Henrich (Hrsg.), Limes 90°. Perspektiven der Limesforschung. Der Limes vom Niederrhein Der Obergermanisch-Raetische Limes 5. Kolloquium der Deutschen bis an die Donau. fotografiert von Dr. Eckehart Ayen. Limeskommission, 19./20. Mai 2009 6. Kolloquium der Deutschen Beiträge zum Welterbe Limes 4 im Römisch-Germanischen Museum Limeskommission, 15./16. März 2011 (Stuttgart 2009) der Stadt Köln. in Mainz. Beiträge zum Welterbe Limes 5 Beiträge zum Welterbe Limes 6 (Stuttgart 2010) (Stuttgart 2012) Bisher erschienene SONDERBände der Reihe Beiträge zum Welterbe Limes

Deutsche Limeskommission (Hrsg.), Deutsche Limeskommission (Hrsg.), Obergermanisch-Raetischer Limes. Regenerative Energien und Management-Plan 2010–2015. Welterbestätten. Workshop der Beiträge zum Welterbe Limes Deutschen Limeskommission am Sonderband 1 23. November 2011 in Düsseldorf. (Bad Homburg v. d. H. 2010) Beiträge zum Welterbe Limes Sonderband 2 (Bad Homburg v. d. H. 2013) zuletzt erschienene Nachrichtenblätter der Reihe Der Limes

Deutsche Limeskommission (Hrsg.), Deutsche Limeskommission (Hrsg.), Der Limes 5/2011, Heft 1. Der Limes 5/2011, Heft 2. Nachrichtenblatt der Nachrichtenblatt der Deutschen Limeskommission Deutschen Limeskommission (Bad Homburg v. d. H. 2011) (Bad Homburg v. d. H. 2011)

Deutsche Limeskommission (Hrsg.), Deutsche Limeskommission (Hrsg.), Der Limes 6/2012, Heft 1. Der Limes 6/2012, Heft 2. Nachrichtenblatt der Nachrichtenblatt der Deutschen Limeskommission Deutschen Limeskommission (Bad Homburg v. d. H. 2012) (Bad Homburg v. d. H. 2012)

Nicht erst nach dem katastrophalen Unglück in den Atomreaktoren in Fukushima in Japan am 11. März 2011 und der daraufhin ausgerufenen sogenannten Energiewende kommt es zum Konflikt zwischen Bodendenkmälern bzw. im speziellen Fall archäologischen Welterbestätten und geplanten Einrichtungen der Energiegewinnung.

Im November 2011 lud deshalb die Deutsche Limeskommission ihre Mitglieder, die zuständigen Limesarchäologen und -koordinatoren aus den Bundesländern und externe Gäste zu einem Workshop zu dem hochbrisanten Thema „Regenerative Energien und Welterbestätten“ in das gast­ gebende Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr nach Düsseldorf ein. In Anbetracht der in unaufgeregter Atmosphäre vorgetragenen und intensiv diskutierten vielfältigen und weiterführenden Vorträge beschloss die Deutsche Limeskommission die Publikation der Beiträge, um so den großen Kreis der lokal und regional Betroffenen an den Ergebnissen teilhaben zu lassen. Mit diesem Workshop hat die veranstaltende Deutsche Limeskommission nicht den An- spruch, sich mit allen Facetten des Problems Denkmalpflege und Erzeugung erneuerbarer Energien zu beschäftigen. Im Vordergrund steht, trotz des offenen Titels, nicht das für Mitteleuropa zumeist in der Stadt anzutreffende typische gebaute Welterbe, sondern uns geht es – ausgehend von der Verantwortlichkeit für das wahrscheinlich größte, auf jeden Fall aber längste archäologische Welt­ erbe in Europa, den Obergermanisch-Raetischen Limes als Teil des UNESCO-Welterbes „Grenzen des Römischen Reiches“ – besonders um die Problematik der Bodendenkmäler, auch über die Welt­erbestätten hinaus.

Beiträge zum Welter be Limes

Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland