SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Interview der Woche – Manuskript

Autor: Mathias Zahn Gesprächspartner: , Vorsitzender DIE LINKE Redaktion: Stephan Ueberbach SWR Studio Berlin Sendung: Samstag, 21.10.2017, 18.30 – 18.40 Uhr, SWR

SWR Interview der Woche vom 21.10.2017

SWR: Die Linke produziert mal wieder Schlagzeilen mit internem Streit. Machtkampf, Intrigantenstadl, Schlammschlacht war diese Woche zu lesen in den Zeitungen. Wie würden Sie es umschreiben, was da auf der Klausurtagung der Linksfraktion passiert ist diese Woche?

B. R. Ja, also darauf können wir ganz bestimmt nicht stolz sein. Wir haben einen internen Konflikt gehabt, der über die Medien und über die Öffentlichkeit ausgetragen wurde, das ist immer schlecht für eine Partei. Das sollte man auch definitiv nicht tun. Man sollte auch keine Briefe schreiben, die quasi für die Öffentlichkeit in Wirklichkeit gedacht sind. Das hat sicher die Klausurtagung sehr stark belastet. Im Kern ging es darum, dass wir eine neue Fraktion haben, dass ein Drittel neue Mitglieder sind. Und dass wir einen Fraktionsvorstand, eine Fraktionsführung bekommen, die einerseits eng verzahnt ist mit der Partei und andererseits Ausdruck ist der gesamten Fraktion. Ich glaube, wir haben jetzt einen Kompromiss gefunden. Wir haben einen Schlussstrich gezogen und sollten uns jetzt dringend der politischen Arbeit zuwenden.

SWR: Sind Sie eigentlich überrascht was alles so möglich ist bei so einem Machtkampf? Das ging schon letzte Woche los, da stand in der Bild-Zeitung, Sie hätten vor Nachwuchspolitikern gesagt: muss gegangen werden, daran arbeiten wir. So etwas wird dieser Zeitung natürlich von interessierten Kreisen zugespielt.

B. R.: Ja, da bin ich überrascht. Ich merke immer, dass ich noch ein bisschen naiv bin. Wie quasi über die Medien über Bande gespielt wird. Ich habe das nie gemacht in den letzten fünfeinhalb Jahren, habe das auch nicht vor. Ich habe auch nicht vor, ein Politiker zu werden, der Machtkämpfe mit Ellenbogen oder Intrigen ausführt. Ich finde auch, der eigentliche Skandal ist der, dass Gespräche am Stammtisch, die im Übrigen nicht so gelaufen sind, aber dafür habe ich genügend Zeugen, der Bild-Zeitung zugetragen werden und damit Politik in innerparteilichen Auseinandersetzungen gemacht wird. So etwas halte ich für unterste Schublade. Und diejenigen die das gemacht haben, vor der Niedersachsen- Wahl, müssen sich auch dafür verantworten, man wird es nur nie endgültig rausbekommen. Aber man kann sicher sagen, dass wir daran kein Interesse haben.

SWR: Und dann kam dieser Brandbrief. Sie haben ihn schon angesprochen, geschrieben von Sahra Wagenknecht am Morgen der Fraktionsklausur, wo Sie und Katja Kipping als Parteichefs scharf angegriffen werden. Da heißt es zum Beispiel: Sie würden aus dem Hinterhalt und mittels Intrigen demokratische Entscheidungen der Partei unterlaufen. Sie beide seien offenkundig nicht zu einer fairen Zusammenarbeit bereit. Diese Kritik hat Wagenknecht auch nicht wirklich zurückgenommen bisher, oder auch nur relativiert. Das ist doch so, dass da jetzt keine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist, wenn dieser Brief im Raum steht!?

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B. R.: Ja, dieser Brief war eine klare Grenzüberschreitung. Dabei bleibe ich auch, so was macht man nicht. Zumal nicht mit Behauptungen, die nicht belegt werden können Wenn ich anderen vorwerfe, dass sie eine Intrige planen muss ich irgendeinen Beleg beibringen und nicht irgendwelche Behauptungen oder Vermutungen. Ich glaube, da muss man sich einfach an die Fakten halten. Wir haben in keiner Phase praktisch in irgendeiner Form die Spitzenkandidaten kritisiert. Wir sind loyal zu dem Wahlkampf gestanden. Wir haben einen sehr engagierten, geschlossenen Wahlkampf gemacht. Auch danach keine Kritik geäußert, im Gegenteil, Lob ausgeteilt. Die Kritik ist eindeutig an uns gegangen, die öffentlich wahrnehmbare und die belegbare. Da muss man jetzt keine Geschichte stricken, dass man das Opfer von irgendwelchen Intrigen geworden ist, belegbar ist eher das Gegenteil. Aber wir haben gesagt, wir machen einen Schlussstrich unter diese Geschichte, das hat auch Frau Wagenknecht gesagt. Und jetzt müssen wir uns den eigentlichen Aufgaben zuwenden. Aber da die Vorwürfe im Raum stehen werde ich die auch ganz klar zurückweisen. Und ich kann auch ganz klar beweisen, dass das nicht stimmt. Und was definitiv nicht geht, ist mit solchen Unterstellungen zu arbeiten.

SWR: Können Sie noch vertrauensvoll mit Wagenknecht zusammenarbeiten?

B. R.: Wir können auf alle Fälle professionell zusammenarbeiten. Ich glaube, das gehört einfach zur Tätigkeitsbeschreibung von Spitzenpolitikern dazu, dass es immer wieder interne Auseinandersetzungen gibt die auch verletzend sind. Trotz dieser Verletzungen muss man eine Form der professionellen Zusammenarbeit finden. Die professionelle Zusammenarbeit besteht darin, dass man ein gemeinsames Interesse haben, und auch haben muss, die Linke weiterzubringen und sie als gesellschaftliche Kraft zu verankern, jeder an seinem Platz. Und dieser Aufgabe werden wir uns auch zuwenden.

SWR: Und dann gab es noch diese Szene, die wohl in die Archive und in die Geschichte der Partei eingehen wird. Dienstagabend nach einer sehr langen Sitzung wollen Sie vier, also Katja Kipping, Sie, Sahra Wagenknecht und den Kompromiss vorstellen, Sie stehen neben Wagenknecht, Sie wollen die Journalisten begrüßen und da fällt Ihnen Sahra Wagenknecht direkt ins Wort „Bernd, dass ist die Pressekonferenz der Fraktion“ hat Sie Wagenknecht regelrecht angeherrscht. Eine Demütigung auf offener Bühne, oder wie haben Sie diese Szene erlebt?

B. R.: Ja, das war schon belämmert, anders kann man es nicht ausdrücken. Es gab eine andere Absprache wie wir diese Pressekonferenz machen, zumindest mit dem Pressesprecher der Fraktion, vielleicht ist die nicht vorgedrungen zu Sahra Wagenknecht. Deswegen war ich auch sehr belämmert dagestanden, also mir selber eher peinlich. Aber wie gesagt, ich war davon völlig überrascht, weil bei mir eine andere Absprache im Ohr war, aber grundsätzlich bin ich nicht gewohnt, dass man so mit Ellenbogen arbeitet. Wie gesagt, ich bin da offensichtlich eine Stufe zu naiv in diesem Umgang. Aber ich möchte auch nochmal deutlich sagen, dass ich gerne mit solchen Methoden auch nicht arbeiten möchte. Also ich finde, man sollte nicht quasi die Ellenbogen im Umgang miteinander einschalten, das gehört für mich auch bei einer linken Partei nicht dazu.

SWR: Ellenbogen ist ja ein gutes Stichwort. Sahra Wagenknecht hat auf der Klausur mindestens zweimal mit ihrem Rückzug gedroht um sich durchzusetzen. Das ist ja bei der Entscheidung zur Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl ähnlich gelaufen. Wie oft wollen Sie sich von Wagenknecht noch erpressen lassen.

B. R.: Ich habe ja eine Stellungnahme abgegeben, dass das Ende der Basta Politik erreicht ist und ich glaube, dass das nicht mehr geht, dass das die Fraktion auch nicht mehr mit sich machen lässt. Das passiert natürlich immer wieder, dass Spitzenpolitiker sagen, wenn das nicht so ausgeht wie ich das will, dann stehe ich nicht mehr zur Verfügung, aber das kann man nicht oft machen. Und ich glaube, dass auch die Fraktion und die Partei das kein weiteres Mal mitmachen werden. Das Ende quasi von Interview der Woche :  3

Rücktrittsdrohungen und Erpressungen ist erreicht. Wobei, vielleicht muss man das Wort Erpressungen relativieren, aber dass jemand sagt, wenn das nicht so ausgeht wie ich mir das vorstelle, dann stehe ich nicht mehr zur Verfügung, kann man ein oder zweimal machen, dann geht es nicht mehr.

SWR: Auf der Klausurtagung haben Sie so viel gestritten, dass wenig oder gar keine Zeit blieb für eine Strategiedebatte. Wie wollen Sie sich eigentlich für den neuen aufstellen? Da sind die Linken ja degradiert vom Oppositionsführer zur kleinsten Oppositionsfraktion, wenn Jamaika zustande kommt. Wie wollen Sie denn dann überhaupt noch wahrnehmbar bleiben, in einer Opposition mit SPD und AfD?

B. R.: Ich glaube, das Risiko das Sie beschreiben ist durchaus da, dass wir zwischen AfD und SPD irgendwo nicht mehr wahrnehmbar sind, aber es sind auch große Chancen da. Die Chance besteht doch darin, dass die Jamaika Koalition, wenn sie zustande kommt, die sozialen Fragen in den Hintergrund drängen wird. Die CDU kommt unter Druck durch die FDP, die quasi eine stärkere Neopolitik einfordert, also weniger sozialer Wohnungsbau, weniger Rentenpolitik, weniger Regulierung am Arbeitsmarkt. Die Grünen werden die Sozialfragen nicht zu Kernfragen in dieser Koalition machen, sondern werden zufrieden sein, wenn sie ein bisschen was bekommen in Frage Klimaschutz und Ökologie, was durchaus wichtig ist. Sprich die sozialen Fragen kommen unter die Räder und die Jamaika-Koalition wird keine Politik gegen die soziale Spaltung im Land machen. Da ist eine linke Oppositionspolitik die genau diese Fragen in den Vordergrund stellt, dass wir eine Gesellschaft brauchen, die keine Armut und Kinderarmut kennt, dass wir mehr investieren müssen in Bildung und Gesundheit, dass wir Arbeitsverhältnisse haben wollen, von denen die Leute leben können. So eine Linke brauchen wir und die wird da eine große Bedeutung haben und dann wird natürlich viel davon abhängig sein, macht die SPD so weiter mit der Rumeierei oder findet sie zurück zu eine sozialdemokratischen Politik?

SWR: Wäre da von Ihrer Seite auch die Ansage, wir könnten jetzt mal auf die Sozialdemokraten zugehen, also es gibt keine Koalition in der Opposition das ist klar, aber bisher haben Sie sich ja eher an der SPD abgearbeitet, dass man sozusagen für die nächsten vier Jahre darauf setzt, wirklich auch mal eine linke Alternative zu präsentieren?

B. R.: Ich würde es sehr begrüßen, wenn die SPD eine klare, soziale Politik macht. Das muss jetzt nicht abgeschrieben sein bei den Linken, aber dass sie wenigstens wieder ein klares Profil wieder hat für soziale Gerechtigkeit, für Steuergerechtigkeit und vieles andere mehr. Das würde die Arbeit im Übrigen beider Oppositionsparteien erleichtern. Man würde schaffen wieder die sozialen Fragen wieder in den Mittelpunkt der Auseinandersetzungen zu stellen und man könnte wieder um eine gesellschaftliche Mehrheitsfähigkeit deutlich links von der Mitte werben. Ich glaube, das würde die Rechten schwächen und würde wieder auf die Tagesordnung bringen, dass es auch Alternativen zu Frau Merkel gibt.