Die bescheidene Königin DIE GESCHICHTE DER ORGEL IN DER KIRCHE ST. NICOLAI, KOTZENBÜLL DIE BESCHEIDENE KÖNIGIN UND DIE ANDEREN MARSCH- DER ORGELBAUER JOHANN FÄRBER UND also müssen beide anderen Etappen älter sein, und zwar LANDSCHAFTEN SEIN AUFTRAG als zwei voneinander getrennte Stufen. Zugegeben, eine Orgel ist in einer Kirche oft ein beherrschendes Inventarstück. Doch denjenigen Hinter den Deichen, die das Marschland vom „Welt- Auch in Kotzenbüll hinterließ das 19. Jahrhundert seine Das C als tiefster Ton kam dann 1737/38 ins Spiel, als gegenüber, die nur ihr Äußeres bewundern, verbirgt sie naturerbe Wattenmeer“ trennen, lag der Lebensnerv Spuren, unübersehbar ja auch an der Orgel. Dieses Äu- Johann Hinrich Klapmeyer aus Itzehoe die Orgel um ihre wahren Werte noch. Denn mit den nur wenigen frühneuzeitlicher Städte: Auf extrem fruchtbaren ßere der Orgel geht zurück auf das Jahr 1859 – und auf ein eigenes Pedalwerk erweiterte. Und so war Johann Pfeifen, die in diesem „Orgelprospekt“ stehen, lassen Böden gediehen Vieh und Getreide, ohne die die den jungen Orgelbauer Johann Färber. Bei Jürgen Mar- Färbers Auftrag klar: Er sollte alle Teil-Werke der Orgel sich die vielfältigen Klangschattierungen dieser „Köni- jungen Metropolen nicht hätten existieren können. cussen und Andreas Reuter in Apenrade (Aabenraa), und alle ihre Register so erweitern, dass der Grundton gin der Instrumente“ nicht erzielen. In ihrem Inneren Landwirtschaft und Handel lag hier in den Händen den Begründern einer Orgelbaufirma mit Weltrang, ein C war. Dafür musste er natürlich die Renaissan- stehen deshalb viel, viel mehr Pfeifengruppen (Regis- der Einwohner selbst, die – weil sie auch den Küsten- hatte er als Geselle gearbeitet und sich nun in seiner ce-Windladen durch völlig neue ersetzen – also auch ter), auch solche, die ganz anders aussehen als die der schutz übernahmen – eigene Freiheitsrechte hatten. Heimatstadt Tönning niedergelassen. Sein Wirkungs- die gesamte Technik im Inneren neu gestalten. Doch Schauseite und deshalb auch anders klingen. Und da- Ihr Land und seine Erträge verwalteten sie als früh- raum reichte von Hamburg bis nach Süddänemark. die Pfeifen blieben die alten. mit ein Organist diese Klangvielfalt Register dirigieren demokratische Gemeinschaft. Und so engagierten sie kann, ist eine hoch komplexe Mechanik erforderlich. sich auch gemeinschaftlich für große Kunst, vor allem Bei Marcussen und Reuter hatte er gelernt, histori- Färbers subtile Baumaßnahme sucht im 19. Jahrhun- für kostbare kirchliche Bildwerke und für Orgeln. Sie sche Orgeln behutsam fortzuentwickeln. Auf beson- dert ihresgleichen: So viel Bestandserhaltung wie hier In der Kotzenbüller Orgel kommen zu dieser „nor- sollte sonntags im Gottesdienst am liebsten ganz allein dere Weise war genau dies das Ziel der Kotzenbüller gab es andernorts kaum noch einmal. Und so ermöglicht malen Bescheidenheit“ noch andere Aspekte hinzu. spielen, so dass man ihr – mit guten und natürlich Gemeinde; denn für eine neue Orgel reichte das Geld die Kotzenbüller Orgel einzigartige Perspektiven. Die Lange Zeit rechnete niemand damit, dass sich in frommen Gedanken – ebenso zuhören konnte wie nicht. Doch die vorhandenen Teile sollten in einen historische Klangwelt, die den anderen Eidersted- dem Gehäuse, das mit seinen gotisch angehauchten, dem Pastor in seiner Predigt. guten Zusammenhang gebracht werden – erstmals. ter Kirchen abhanden gekommen ist: Hier wird sie verspielten Formen an deutsche Burgenromantik des Also musste zunächst das geschehen, was bis heute bei irgendwann wieder erlebbar sein. 19. Jahrhunderts erinnert, ein Juwel verbirgt. Das war Auf diese Weise entstand seit etwa 1450 zwischen öffentlichen Baumaßnahmen üblich ist: Man brauchte vermutlich das Glück dieser Orgel. Man ging achtlos Amsterdam und Süddänemark eine einzigartige eine detaillierte Projektbeschreibung, um daraufhin Das ist zunächst Johann Färber zu danken. Damit an ihr vorbei. Jahrzehntelang wurde sie mehr schlecht Orgellandschaft. Eiderstedt teilt sich dieses Erbe mit die eingehenden Angebote miteinander vergleichen aber dieses Instrument seine nationale, vielleicht sogar als recht instand gehalten. Nun befindet sie sich in Ostfriesland und dem Alten Land, mit und und dann den Auftrag vergeben zu können. Diesen europäische Bedeutung wiedererlangen kann, sind einem schockierenden Zustand. Zugleich ist nun aber Föhr oder der Provinz Groningen und Dithmarschen. Vorarbeiten verdanken wir extrem gute Informationen Menschen des 21. Jahrhunderts gefragt, die bereit das nötige Bewusstsein dafür vorhanden, sie – ihrem Seit 1512 gibt es Orgeln in und Oldenswort; darüber, wie die Orgel vor diesem Umbau aussah. sind, dieses Erbe anzunehmen. Die zerknautschten, Wert entsprechend – zu restaurieren. schon um 1600 konnte man beim Blick über das Land gerissenen Pfeifen, die hinter dem Gehäuse liegen, las- drei oder mehr Kirchtürme auf einmal sehen, unter Im Kern bestand die Orgel aus einem sehr alten Haupt- sen eher an Aschenputtel denken als an eine schlafende denen bedeutende Orgeln standen. werk. Der tiefste Ton seiner Register war D, der höchste Prinzessin. Doch hier gilt es, eine Königin wachzuküssen! ein g2; die altertümliche Bauweise der Windladen ließ Eiderstedt war im 19. Jahrhundert reicher als manche es nicht zu, diesen Tonumfang in späterer Zeit zu andere Marschlandschaft. Deshalb war mehr Geld erweitern. Folglich musste sich der jeweilige Spieler Den vorstehenden Text verdanken wir dem Freiburger als anderswo dafür vorhanden, in traditionsreiche damit behelfen, was ganz zu Beginn dieser Geschichte Musikwissenschaftler Herrn Prof. Dr. Konrad Küster. Instrumente einzugreifen, um sie einem gewandelten geschaffen worden war: auf jeden Fall noch tief im Die Schirmherrschaft unseres Projektes zur Rettung Zeitgeist anzupassen. Die Orgel in Garding wurde ent- 16. Jahrhundert. In einer nächsten Etappe kamen die der Kotzenbüller Orgel hat Herr Prof. Ludwig Güttler kernt; übrig blieb das imposante Gehäuse – doch die delikat klingenden Stimmen eines Brustwerks hinzu, aus Dresden übernommen. bemalten gotischen Pfeifen gingen für immer verloren. das über dem Spieltisch eingebaut wurde. Die Spiel- Beiden sind wir aus tiefstem Herzen dankbar für ihr Auch in Oldenswort, Tönning und erinnern ansprüche hatten sich fortentwickelt; der tiefste Ton war Engagement. nur noch die Gehäuse an die Pracht, die sich einst nun F, der höchste a2. Seit dem mittleren 17. Jahrhun- Orgelbauverein Kotzenbüll e.V. Verein zur Restaurierung auch im Klang der alten Register äußerte. Kotzenbüll dert war als tiefster Orgelton jedoch C üblich geworden; der einmaligen historischen Orgel aber ist anders.