Plenarprotokoll 18/177

Deutscher

Stenografischer Bericht

177. Sitzung

Berlin, Freitag, den 10. Juni 2016

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 28: Tagesordnungspunkt 29: Erste Beratung des von der Bundesregierung a) Erste Beratung des von den Abgeordne- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur ten , , Volker Reform des Bauvertragsrechts und zur Än- Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und derung der kaufrechtlichen Mängelhaftung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 18/8486...... 17473 A eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftrag- , Bundesminister BMJV ...... 17473 B te oder den unabhängigen Polizeibeauf- (DIE LINKE) ...... 17474 D tragten des Bundes (Bundespolizeibe- auftragtengesetz – BPolBeauftrG) Dr . Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU). . . . . 17476 B Drucksache 18/7616...... 17494 A Christian Kühn (Tübingen) b) Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)...... 17478 D Luise Amtsberg, (Köln), Dr . (SPD)...... 17480 D weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aufklärung Alexander Hoffmann (CDU/CSU)...... 17482 A polizeilichen Fehlverhaltens erleichtern – (SPD)...... 17483 C Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die unabhängige Polizeibeauftragte (Kleinsaara) (CDU/CSU). . . . 17484 A oder den unabhängigen Polizeibeauftrag- ten des Bundes (Bundespolizeibeauftrag- tengesetz – BPolBeauftrG) Tagesordnungspunkt 30: Drucksache 18/7617...... 17494 A Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und c) Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Deutsch-indi- Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weite- sche Bildungs- und Wissenschaftskoopera- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- tion ausbauen NIS 90/DIE GRÜNEN: Änderung der Drucksache 18/8708...... 17485 C Geschäftsordnung des Deutschen Bun- destages – hier: Umsetzung des Gesetzes Dr . Stefan Kaufmann (CDU/CSU)...... 17485 D über die unabhängige Polizeibeauftragte Dr . (DIE LINKE)...... 17487 A oder den unabhängigen Polizeibeauftrag- ten des Bundes (Bundespolizeibeauftrag- Dr . Simone Raatz (SPD)...... 17488 A tengesetz – BPolBeauftrG) (BÜNDNIS 90/ Drucksache 18/7618...... 17494 B DIE GRÜNEN)...... 17489 B Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 17494 B Dr . (CDU/CSU)...... 17490 C (Weil am Rhein) (Spandau) (SPD)...... 17491 D (CDU/CSU)...... 17495 B Dr . Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU) . . . . 17492 D Frank Tempel (DIE LINKE)...... 17496 D II Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Günter Baumann (CDU/CSU) ...... 17497 D Bernhard Kaster (CDU/CSU)...... 17501 C Wolfgang Gunkel (SPD)...... 17498 D Dr . (DIE LINKE)...... 17503 B Dr .Volker Ullrich (CDU/CSU)...... 17500 C (SPD)...... 17504 C Tagesordnungspunkt 31: Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 17505 D Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge- Dr . Hans-Peter Uhl (CDU/CSU)...... 17506 D schäftsordnung (SPD) ...... 17508 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr .Petra Sitte, , Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Nächste Sitzung ...... 17509 D DIE LINKE: Transparenz herstellen – Einführung eines verpflichtenden Lob- byistenregisters – zu dem Antrag der Abgeordneten Britta Anlage 1 Haßelmann, Volker Beck (Köln), Luise Liste der entschuldigten Abgeordneten. . . . . Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der 17511 A Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Transparenz schaffen – Verbindliches Register für Lobbyistinnen und Lob- Anlage 2 byisten einführen Drucksachen 18/3842, 18/3920, 18/8742. . . . 17501 C Amtliche Mitteilungen...... 17511 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17473

(A) (C)

177. Sitzung

Berlin, Freitag, den 10. Juni 2016

Beginn: 9 .00 Uhr

Vizepräsident : Zweitens . Wir wollen das Kaufrecht verbessern für Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die den Fall, dass Handwerker mangelhaftes Material kaufen Sitzung ist eröffnet . und bei ihren Kunden einbauen . Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf: Meine Damen und Herren, für die große Mehrheit der Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- Menschen ist der Bau eines eigenen Hauses die größte gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform finanzielle Investition ihres Lebens. Der Hausbau ist für des Bauvertragsrechts und zur Änderung der sie oft mit Risiken verbunden . Verzögerungen oder uner- kaufrechtlichen Mängelhaftung wartete Mehrkosten können bis an ihre finanzielle Exis- tenz gehen . Trotz dieser Bedeutung gibt es im geltenden Drucksache 18/8486 Recht nur ganz vereinzelt Vorschriften, die den Bauherrn Überweisungsvorschlag: als Verbraucher schützen . Unser Werkvertragsrecht fällt da weit hinter andere Rechtsgebiete zurück, in denen es (B) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) (D) Ausschuss für Wirtschaft und Energie einen viel umfassenderen Schutz für Verbraucherinnen Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher- und Verbraucher gibt . Außerdem sind die Regelungen, heit die wir haben, auch nicht sehr detailliert . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei- Das BGB soll für alle Arten von Werkverträgen pas- nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen . sen . Aber der Bau eines Wohnhauses ist nun einmal komplexer als die Reparatur eines Fahrrades . Das führt Ich eröffne die Aussprache . Als Erstem erteile ich das dazu, dass wichtige Fragen im Gesetz eben nicht aus- Wort für die Bundesregierung Bundesminister Heiko reichend geregelt sind . Die Lücken haben die Gerichte Maas . in der Vergangenheit durch die Rechtsprechung gefüllt . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Aber was ist die die Folge davon? Das Bauvertragsrecht der CDU/CSU) ist nicht mehr transparent . Es ergibt sich nicht mehr aus dem Gesetz, was ist und was nicht ist . Das ist für die Verbraucherinnen und Verbraucher dann auch nicht mehr Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver- zu überblicken . braucherschutz: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- Wir wollen deshalb mit der Reform mehr Schutz für ren! Den Traum von den eigenen vier Wänden haben vie- Verbraucherinnen und Verbraucher erreichen, und wir le Menschen . Für 30 Millionen Deutsche ist er Realität: wollen auch mehr Übersichtlichkeit und Genauigkeit Sie wohnen im eigenen Haus . Auch die ökonomische im Bauvertragsrecht schaffen . Wir fügen dazu ein neues Bedeutung der Bauwirtschaft ist enorm: 175 Milliarden Kapitel zum Verbraucherschutz in das Werkvertragsrecht Euro wurden im vergangenen Jahr im Wohnungsbau in- des Bürgerlichen Gesetzbuches ein . Es enthält vor allen vestiert . Dingen vier große Neuerungen . Weil das Bauwesen sowohl für den Einzelnen als auch Erstens . Wer einen Bauvertrag abschließt, soll über für unsere Wirtschaft so wichtig ist, brauchen wir hier seine Entscheidung noch einmal nachdenken können, so Gesetze, die vor allen Dingen transparent und fair sind . wie in anderen Rechts- und Vertragsgebieten auch . Un- Deshalb wollen wir zwei große Reformen angehen . ser Gesetzentwurf gibt den Verbraucherinnen und Ver- Erstens . Wir wollen die Regelungen für den Bau- brauchern ein Widerrufsrecht . 14 Tage lang können sie vertrag in das Bürgerliche Gesetzbuch aufnehmen . Das dann auch die finanziellen Folgen ihres Tuns noch einmal kommt dann allen Bauherren und Unternehmern zugute . sorgfältig abwägen . 17474 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Bundesminister Heiko Maas (A) Zweitens. Wir verpflichten die Unternehmer dazu, seinem Händler auch die Kosten für den Aus- und Einbau (C) sich verbindlich auf eine Bauzeit festzulegen . Damit Ver- des Ventils verlangen kann . braucherinnen und Verbraucher mehr Planungssicherheit (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten haben, muss in Bauverträgen künftig verbindlich gere- der CDU/CSU) gelt werden, wann der Bau fertiggestellt wird . Aber wir wollen den Schwarzen Peter nicht einfach Drittens. Unternehmer sind zukünftig verpflichtet, zum Baustoffhändler weiterschieben . Wir sorgen zu- Unterlagen über das Bauvorhaben zu erstellen und diese gleich dafür, dass dieser leichter bei seinem eigenen dann herauszugeben . Wer einen Förderkredit beantragen Lieferanten Rückgriff nehmen kann . In der Lieferkette will, muss schwarz auf weiß haben, dass er die Förder- kann also die Regressforderung künftig bis zu demje- bedingungen seiner Bank auch einhält . Nach Ende der nigen weitergereicht werden, der den Fehler tatsächlich Bauarbeiten muss der Bauherr belegen können, dass so verursacht hat, das heißt bei Produktionsfehlern bis zum gebaut wurde, wie geplant worden war . Hersteller . Viertens. Wir wollen das Recht flexibler machen. Ein Meine Damen und Herren, mit diesem Entwurf ma- Hausbau dauert Monate, manchmal sogar Jahre . In die- chen wir also etwas, was oft als unvereinbar galt . Wir ser Zeit können sich die Wünsche und Bedürfnisse aller stärken den Verbraucherschutz, und wir entlasten den Beteiligten ändern . Deshalb treffen wir faire Regelungen, Mittelstand . Das geht, weil sich durch diesen Entwurf wie die Vertragspartner mit neuen Entwicklungen umge- ein roter Faden zieht: die gerechte Verteilung von Ver- hen können . antwortung .

Meine Damen und Herren, all diese Punkte bedeu- Gerade jetzt, da wir wegen großer Diskussionen und ten nicht nur mehr Verbraucherschutz, sie schaffen auch wegen der Wohnungsnot in Ballungsräumen Wohnraum mehr Rechtssicherheit . Das ist wichtig für die Unterneh- brauchen, ist unser Gesetzentwurf ein wichtiges Signal men . Bislang werden Bauunternehmer oft unnötig stark an Eigentümer und Unternehmer . Ihr baut, und wir sor- belastet . Das gilt etwa, wenn Änderungen angeordnet gen dafür, dass es dabei fair zugeht . werden, die zu Mehrkosten führen . Für solche Fälle ha- Schönen Dank . ben wir in unserem Entwurf die Berechnungsgrundlagen überarbeitet, damit Unternehmer auch dann noch zu ei- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) ner angemessenen Vergütung kommen . Das gilt aber auch, wenn der Bauherr Mängel reklamiert . In Zukunft Vizepräsident Peter Hintze: dürfen Abschlagszahlungen wegen Mängeln nicht mehr Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abge- (B) komplett verweigert werden, sondern nur noch teilweise . ordneten Karin Binder, Fraktion Die Linke . (D) Mit der Reform des Bauvertragsrechtes erreichen wir (Beifall bei der LINKEN) also beides: mehr Verbraucherschutz für den Bauherrn, aber auch mehr Fairness für den Bauunternehmer . Karin Binder (DIE LINKE): Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) und Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Besu- chertribünen! Zwei Legislaturperioden hat die Bundes- Meine Damen und Herren, um einen fairen Interes- regierung gebraucht, um endlich eine Reform des Bau- senausgleich geht es auch im zweiten Teil unseres Ge- vertragsrechts vorzulegen, um damit Verbraucherinnen setzes . Wir wollen den Handwerkern gegenüber ihren und Verbraucher besser zu schützen . Menschen, die mit Zulieferern mehr Rechte geben . Manchmal verursachen ihrem eigenen Zuhause für ihr Alter vorsorgen, hat man bereits kleine Mängel große Kosten, etwa bei einem Un- bisher im Regen stehen lassen . Das ist unverantwortlich . terputzventil . Das Produkt selbst kostet nur wenige Euro . Gerade beim Baurecht ist der Schutz von Verbraucherin- Aber wenn ein mangelhaftes Ventil erst einmal eingebaut nen und Verbrauchern besonders wichtig . In der Regel ist, dann kann der Aufwand, den Mangel zu beheben, fehlt hier die notwendige Fachkenntnis, um auf Augen- enorm sein . Der Handwerker, der das kaputte Ventil bei höhe mit Bauträgern und Baufirmen auch künftige Ver- seinem Baustoffhändler gekauft hat, kann natürlich ein träge auszuhandeln . neues, fehlerfreies Ventil verlangen . Wenn er aber das kaputte Ventil bereits verbaut hat, bringt dem Handwer- Der Bezug der eigenen Wohnung oder des eigenen ker dieses Recht nur wenig; denn er selbst schuldet dem Hauses ist für die meisten Menschen mit der größten Bauherrn ein mangelfreies Werk, und das bedeutet: Er Investition ihres Lebens verbunden . Über die Hälfte der muss die Wand aufstemmen, das Ventil austauschen und Familien hat ein bescheidenes Haushaltseinkommen das Ganze neu verputzen . Bislang musste die Kosten der zwischen 2 500 und 3 500 Euro im Monat . Sie geben für Handwerker selbst tragen; denn häufig traf den Baustoff- 20 bis 30 Jahre einen Großteil dieses Einkommens in die händler für den Produktmangel keine Schuld, zum Bei- Finanzierung der eigenen Wohnung oder des Häuschens . spiel weil es einen nicht erkennbaren Fehler in der Pro- Das ist für diese Familien mit hohen Risiken und auch duktion gab . Wenn der Handwerker aber alle Kosten für mit Verzicht verbunden . Durch Baumängel entstehen den Einbau selber tragen muss, dann kann das für einen nicht selten unerwartete Mehrkosten, oder der Einzug Mittelständler eine enorme Belastung sein . Und deshalb wird durch eine längere Bauzeit verzögert . Eine Insol- wollen wir an diesem Punkt etwas für viele Handwerker venz des Bauunternehmens kann die ganze Existenz- tun . Wir schlagen vor, dass der Handwerker künftig von grundlage der Häuslebauer vernichten . Bis heute gibt Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17475

Karin Binder (A) es in unserem Baurecht keine allgemeinen Regeln zum streitigkeiten sind das wichtige Faktoren . Wir haben das (C) Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher . Eine Ge- zu klären . setzesreform ist daher dringend notwendig . (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Auch die Regelungen zu Nachtragsforderungen reichen nicht aus, um die Verbraucher angemessen zu schützen . Laut Experten gehört Pfusch am Bau heute leider zum Durch eine unvollständige oder bewusst ungenaue Be- Alltag und ist mittlerweile eher die Regel als die Ausnah- schreibung kann das Bauunternehmen weiterhin nach- me . Immer öfter geht es auch um Betrug . Durch schlech- träglich den Preis erhöhen . Das treibt Familien in die te Planung und Bauausführungen bleiben Häuslebauer Pleite . jährlich auf Schäden von etwa 5 Milliarden Euro sitzen . ( [CDU/CSU]: Was?) (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wahnsinn!) Die weitverbreitete Praxis, dass Unternehmen vom Ver- Etwa 45 000 Bauvorhaben enden pro Jahr im Gerichts- braucher Abschlagszahlungen und zusätzlich noch eine saal . Viele Betroffene werden durch fehlende rechtliche Sicherheit von 100 Prozent des Werklohns verlangen, Regelungen in den Ruin getrieben . Statt in die eigene ohne dass eine Fertigstellungsgarantie gegeben wird, Wohnung zu ziehen, müssen sie Kreditraten für eine muss unterbunden werden . Bauruine zahlen und wohnen weiter zur Miete . Das muss ein Ende haben; das müssen wir ändern . (Beifall bei der LINKEN) Die Höhe der Sicherheitsleistung muss, wie im Refe- (Beifall bei der LINKEN) rentenentwurf vorgesehen war, bei höchstens 20 Prozent gedeckelt werden . Zwingend erforderlich ist außerdem, Nun zum Gesetzentwurf der Bundesregierung . Der dass die Vorleistungspflicht des Kunden ausgeschlossen Gesetzentwurf greift zahlreiche Empfehlungen der Run- wird. Häufig werden Verbraucherinnen und Verbraucher de der Experten für Bauvertragsrecht auf . Bauunterneh- vertraglich genötigt, vor der Schlüsselübergabe 100 Pro- mer werden zu einer Baubeschreibung verpflichtet. Es zent des Vergütungsanspruchs an die Werkunternehmer soll verbindliche Vereinbarungen zur Bauzeit geben . auszuzahlen . Damit bringen sie eine risikoreiche Vor- Auch ein zweiwöchiges Widerrufsrecht für die Verbrau- leistung und können später berechtigte Mängelansprüche cherinnen und Verbraucher soll es geben . Außerdem sol- kaum noch durchsetzen . Das darf so nicht bleiben . len Obergrenzen für die Abschlagszahlungen eingeführt werden . Das begrüßen wir ausdrücklich . Die Bauunter- (Beifall bei der LINKEN) (B) nehmen werden auch verpflichtet, Bauunterlagen an die (D) Bauherren herauszugeben . All das ist in Ordnung . Wir Bauchschmerzen bereitet mir auch die Regelung zur unterstützen außerdem, dass ein Bauunternehmer den Abnahme des Bauwerks . Problematisch ist, dass der Aufwand für den Austausch fehlerhafter Produkte von Bauunternehmer unter bestimmten Umständen allei- den Herstellern erstattet bekommt . Beispielsweise wird ne den Zustand des Bauwerkes beurteilen kann . Nach der beim Austausch eines defekten Heizkörpers entste- § 650f des neuen Gesetzentwurfs soll der unkundige hende Aufwand erstattet, den der Handwerker bisher al- Verbraucher gemeinsam mit dem Bauunternehmer, dem lein zu tragen hatte . Gute Sache! Fachkundigen, das Haus abnehmen . Baumängel, die er bei dieser Gelegenheit nicht angibt, kann er danach kaum Aber leider hat der Gesetzentwurf auch einige Bau- noch geltend machen . mängel zum Nachteil der Verbraucherinnen und Ver- Weiter fordert die Linke: Die Insolvenzversiche- braucher . Der Bundesrat und auch der Baugerichtstag rung des Bauunternehmers sollte von 5 auf 10 Prozent haben bereits darauf hingewiesen . Die Stellung der Ver- der Bausumme erhöht werden; denn das Risiko einer braucherinnen und Verbraucher wird dadurch gegenüber Firmeninsolvenz ist nicht unerheblich und stellt für die dem bisherigen Gesetzeszustand sogar verschlechtert . Verbraucherinnen und Verbraucher, für die Familien eine So ist völlig unzureichend beschrieben, was eigentlich existenzgefährdende Situation dar . der sogenannte Verbrauchervertrag ist . Es ist auch völlig inakzeptabel, dass Verbraucherschutzregelungen nur bei Ferner sollten auch die Bauträgerverträge gemäß erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden § 650t, bei denen neben der Einrichtung des Hauses auch Gebäude greifen sollen . Was ist denn dann zum Beispiel ein Grundstück geschuldet wird, mit einem außerordent- mit Terrassen, Hofanlagen, Garagen, Carports oder Ne- lichen Kündigungsrecht zum Schutze der Familien und bengebäuden? Auch übliche Einzelleistungen wie der Häuslebauer versehen werden . Rohbau eines Hauses oder der Einbau von Fenstern und Türen werden nicht in das neue Gesetzeswerk einbezo- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- gen . Die Folge wird sein, dass Unternehmer die Bau- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) vorhaben in zahlreiche Einzelverträge für jeden Bauab- Der im Gesetz vorgesehene Ausschluss der Kündigung schnitt aufsplitten . Wollen Sie das wirklich? nimmt dem Bauherren die letzte Möglichkeit, sich in Fäl- len von grob vertragswidrigem Verhalten vom Bauunter- Der Gesetzentwurf schweigt zu weiteren wichtigen nehmen zu trennen . Aspekten des Sachverständigenverfahrens, zum Beispiel zu der Frage: Wer darf als Sachverständiger tätig werden, Dringend erforderlich ist außerdem ein Kündigungs- und wann muss ein Gutachten erstellt sein? Bei Rechts- recht der Verbraucherinnen und Verbraucher bei Insol- 17476 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Karin Binder (A) venz des Bauunternehmens . Das muss gesetzlich gere- auf ein neues und stabiles Fundament . Zugebenermaßen (C) gelt werden . rechtsästhetisch eher unschön, aber wohl unvermeidbar, ist die Nummerierung der Paragrafen von 650a bis 650u . (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Wer des Alphabets mächtig ist, wird feststellen, dass neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) nach „u“ nur noch eine Handvoll Buchstaben verbleibt, Denn bei der Insolvenz erhöhen sich die finanziellen und dann sind wir mit dem Alphabet durch . zeitlichen Risiken für die Eigenheimbauer erheblich . Lassen Sie mich zu Beginn auf den Reformbedarf Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass eingehen . Das Werkvertragsrecht des BGB ist bislang in weitere wichtige Regelungen fehlen . Wie beim gewerb- erster Linie auf den kurzfristigen, punktuellen Austausch lichen Bau bereits üblich, sollte der sogenannte Gewähr- von Leistung und Gegenleistung angelegt . Nicht zuletzt leistungseinbehalt von 5 Prozent der Bausumme gesetz- die Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht in der letzten Wahl- lich geregelt werden . Das ist notwendig wegen möglicher periode und der Baugerichtstag haben gezeigt, dass das später auftretender Mängel . Werkvertragsrecht nicht geeignet ist, die Durchführung eines komplexen, auf längere Zeit angelegten Bauvor- (Beifall bei der LINKEN) habens abzubilden . Deshalb wird das Bauvertragsrecht jetzt erstmals ausführlich im BGB geregelt . Für den Bau- Vizepräsident Peter Hintze: vertrag, den Verbraucherbauvertrag, für den Architekten- Die Uhr! und Ingenieurvertrag werden spezielle Regelungen in das Werkvertragsrecht eingefügt . Das ist die größte Än- derung des BGB seit der Schuldrechtsreform 2002 und Karin Binder (DIE LINKE): setzt die Anpassung des BGB an eine immer komplexere Zusammenfassend stelle ich fest: Mit dem hier vor- Lebenswirklichkeit erfolgreich fort . liegenden Entwurf zum Bauvertragsrecht planen Sie ein Haus – das Dach ist allerdings undicht, und die Fenster Meine Damen und Herren, ein Kernpunkt der Reform und Türen schließen nicht . Da sollte noch dringend nach- ist die deutliche Erhöhung des Verbraucherschutzes bei gebessert werden . Lassen Sie uns diese Mängel ausräu- Bauverträgen; der Minister hat es schon angesprochen . men, bevor das Gesetz verabschiedet wird . Weil die meisten Verbraucher nur ein einziges Mal in ih- rem Leben ein Haus bauen und sich dafür zumeist hoch Danke schön . verschulden müssen, sind sie auch besonders schutzbe- (Beifall bei der LINKEN) dürftig . Sie bekommen deshalb ein 14-tägiges Widerrufs- recht, wir begrenzen die Höhe der Abschlagszahlungen, und wir fordern detaillierte Baubeschreibungen, damit (B) (D) Vizepräsident Peter Hintze: Verbraucher realistisch vergleichen und sich für das qua- Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge- litativ beste Angebot entscheiden können . Das führt im ordneten Dr . Hendrik Hoppenstedt, CDU/CSU-Fraktion . Interesse der Verbraucher zu einem fairen Wettbewerb, (Beifall bei der CDU/CSU) der über die Qualität statt über den Preis geführt wird . Davon profitieren übrigens auch insbesondere die solide kalkulierenden Bauunternehmen . Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Alle Bauverträge, unabhängig davon, ob ein Verbrau- Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir cher Bauherr ist oder nicht, haben gemeinsam, dass sie befassen uns heute Morgen mit einer zugegebenermaßen auf eine längere Erfüllungszeit angelegt sind . Dieser Tat- relativ komplexen Materie, nämlich dem Bauvertrags- sache soll vor allem durch die Einführung eines einseiti- recht und der kaufrechtlichen Mängelgewährleistung . gen Anordnungsrechts des Bestellers Rechnung getragen Beide Themen haben strenggenommen nichts miteinan- werden, mit dem zugleich Regelungen zur Preisanpas- der zu tun . Allerdings besteht im Hinblick auf den Adres- sung und zur rechtlichen Durchsetzung verbunden sind . satenkreis doch ein sachlicher Zusammenhang zwischen Wir brauchen einen Dreiklang aus Anordnung, Vergü- beiden Regelungsmaterien: Es sind jeweils Werkunter- tungsanspruch und zügiger Rechtsdurchsetzung . nehmer beteiligt, die durch das eine Vorhaben begünstigt Zum größten Knackpunkt, dem Anordnungsrecht: und durch das andere Vorhaben belastet werden; mög- Kaum ein Bauprojekt wird so gebaut, wie es geplant licherweise hilft das, die Kompromissfähigkeit zu erhö- wird . Während der Bauausführung können sich Wünsche hen . und Bedürfnisse verändern . Die geplanten Neuregelun- Sie gestatten mir zu Beginn einige Bemerkungen zur gen erleichtern es dem Bauherrn, den Vertragsinhalt – Reform des Bauvertragsrechtes, bevor ich zu den geplan- idealerweise im Einvernehmen mit dem Bauunterneh- ten Änderungen der Gewährleistung im Kaufrecht kom- men – an den sich ändernden Bedarf anzupassen . Da eine me . Einigung nicht immer gelingt, wird das einseitige Anord- nungsrecht des Bauherrn eingeführt . Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verstän- digt, den Verbraucherschutz bei Bau- und Dienstleistun- Dabei ist völlig klar, dass das Anordnungsrecht ein gen für Bauherren und Immobilieneigentümer auszubau- scharfes Schwert und auch ein massiver Eingriff in die en, insbesondere im Bauvertragsrecht . Mit der Reform Vertragsfreiheit ist, und aus diesem Grund äußert die des Bauvertragsrechtes stellt die Koalition die rechtli- Bauwirtschaft auch deutliche Kritik . Im Interesse der zü- chen Rahmenbedingungen für Bauvorhaben insgesamt gigen Abwicklung von Bauvorhaben ist das Anordnungs- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17477

Dr. Hendrik Hoppenstedt (A) recht meines Erachtens jedoch sinnvoll und gerade noch Hinzu kommt: Verfahren in Bau- und Architektensa- (C) verhältnismäßig . Tatsächlich habe ich den Eindruck, dass chen sind extrem komplex . Selbstverständlich sind alle gar nicht das einseitige Anordnungsrecht an sich so pro- unsere Richterinnen und Richter exzellente Juristen . blematisch gesehen wird – nicht ohne Grund wird es ja Aber nicht alle können logischerweise automatisch Bau- in der VOB/B bereits seit vielen Jahren so praktiziert –; vertragsrechtsexperten sein; wie auch? Es bleibt damit vielmehr steht hinter der Kritik die verständliche Be- unsicher, ob der Richter am Landgericht, bei dem der fürchtung der Bauunternehmer, für ihre Leistungen nicht Antrag auf einstweilige Verfügung landet, in kurzer Zeit schnell und ordentlich bezahlt zu werden oder im Streit- den Streitgegenstand sachgerecht entscheiden kann, ins- fall keine zügige Rechtsentscheidung zu bekommen . besondere dann, wenn das Landgericht gar keine Bau- Damit komme ich zum zweiten Knackpunkt, zur Fra- kammern eingeführt hat . ge der Vergütung . Damit der Unternehmer die infolge Die Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht hat deshalb zur der Änderung gegebenenfalls geschuldete Mehrleistung schnellen und effizienten Streitbeilegung die Einführung nicht ohne Vergütung erbringen muss und um ihn vor Li- einer sogenannten Bauverfügung empfohlen . In einem quiditätsengpässen zu schützen, kann er eine 80-prozen- beschleunigten vorläufigen gerichtlichen Erkenntnisver- tige Abschlagszahlung, basierend auf seinem ursprüng- fahren würden die Streitigkeiten kurzfristig geklärt . Zur lichen Angebot, fordern . Dahinter steht die Idee, dass Entscheidung berufen wären in jedem OLG-Bezirk be- der Unternehmer zumindest einen Teil der geschuldeten sonders qualifizierte Richterinnen und Richter. Ich halte Mehrvergütung auf jeden Fall zügig erhalten soll . diese Idee zumindest für bedenkenswert . Allerdings stellt sich die Frage, wie erreicht werden kann, dass das ursprüngliche Angebot des Unternehmers (Beifall bei der CDU/CSU) angemessen ist . Der vorangegangene Einigungsversuch ist ja gerade deswegen gescheitert, weil dem Bauherrn Meine Damen und Herren, ich komme nun zum zwei- die Preisvorstellung des Unternehmers zu hoch war . Hier ten Teil des Gesetzentwurfs, zur kaufrechtlichen Mängel- müssen wir noch Regelungen finden, die zu einem ange- gewährleistung . Mit dem Gesetzentwurf verbessern wir messenen interessengerechten Ausgleich führen . die Rechtsstellung der Handwerker und der sonstigen Werkunternehmer . Der Verkäufer einer mangelhaften Sa- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- che, die bestimmungsgemäß verbaut worden ist, ist künf- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) tig im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, entweder – Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet . deren Ausbau sowie den Einbau einer mangelfreien Sa- che selbst vorzunehmen oder die entsprechenden Kosten (Heiterkeit bei der LINKEN) zu tragen . Da der Verkäufer den betreffenden Produkt- (B) (D) Aber Sie sind stets eingeladen, zu applaudieren . fehler regelmäßig ebenfalls nicht zu vertreten hat, be- kommt er eine Regressmöglichkeit gegenüber seinem (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Herr Vorlieferanten . Kollege Hoppenstedt, jetzt haben wir ein Pro- blem!) Ziel meiner Fraktion ist es, die ungerechte Haftungs- falle für Handwerker zu beseitigen, aber zugleich auch Schönen Dank! den berechtigten Interessen anderer Branchen, insbe- (Zuruf von der CDU/CSU: Die Linke ist auf- sondere des Handels, des produzierenden Mittelstandes gewacht! – Heiterkeit bei der SPD und der sowie der Industrie, Rechnung zu tragen . Bei dieser LINKEN) Zuweisung von Haftungsrisiken geht es darum, dass im Regelfall derjenige die Kosten zu tragen hat, der für den – Das sollten Sie öfter tun, bei der Union zu applaudie- Produktmangel verantwortlich ist . Deshalb legen wir im ren . Hinblick auf abweichende Vertragsklauseln in allgemei- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU], an die nen Geschäftsbedingungen fest, dass ein Ausschluss oder LINKE gewandt: Das war nicht fair!) eine Begrenzung dieser Haftung gegenüber Verbrauchern unwirksam ist . Dies wird aufgrund der Indizwirkung des Dritter Diskussionspunkt ist die Frage der zügigen § 309 BGB grundsätzlich auch für allgemeine Geschäfts- Streitbeilegung . Jeder Tag Stillstand auf der Baustelle bedingungen gelten, die gegenüber Unternehmern ver- kostet viel Geld . Längere Streitigkeiten sind für private wendet werden . Häuslebauer kaum finanzierbar. Aber auch für kleine und mittelständische Bauunternehmen und Bauhandwerker Dem Handwerk geht das aber nicht weit genug . Es sind langwierige und kostenintensive Streitigkeiten ein möchte darüber hinaus die vorgeschlagene Regelung zu- Insolvenzrisiko . Deswegen muss die Rechtsdurchset- sätzlich AGB-fest machen, das heißt, eine ausdrückliche zung schneller werden . Regelung haben, nach der der Verkäufer auch im unter- (Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Johannes nehmerischen Geschäftsverkehr keine Klausel in seine Fechner [SPD]: Aufgewacht!) AGB aufnehmen darf, die seine Nacherfüllungspflicht auf die Lieferung einer mangelfreien Sache begrenzt . Ich bin skeptisch, ob der im Gesetzentwurf geübte Ver- zicht auf die Erforderlichkeit der Glaubhaftmachung des Unser Koalitionspartner steht laut einer Pressemittei- Anordnungsgrundes in einer einstweiligen Verfügung lung vom 31 .Mai dieses Jahres, also vor kurzer Zeit, die- nun so unbedingt der große Wurf ist . sem Anliegen aufgeschlossen gegenüber und stellt sich 17478 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Dr. Hendrik Hoppenstedt (A) somit gegen den Gesetzentwurf des eigenen Bundesmi- werden und zulässig sein . Mit der geplanten Regelung (C) nisters . wird der kleine Handwerksbetrieb ausreichend geschützt . (Dr . Johannes Fechner [SPD]: Soll vorkom- Es müssen aber bei der Bewertung der AGB-Klau- men! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Schämt seln die besonderen Verhältnisse des unternehmerischen euch!) Geschäftsverkehrs zumindest im Einzelfall möglich bleiben . Es wäre doch beispielsweise absurd, wenn ein So viel fast schon revolutionäres Eigenleben sind wir in Restpostenhändler, der Fliesen aus Insolvenzmassen zu letzter Zeit von Ihnen gar nicht gewohnt gewesen . Das einem Spottpreis verkauft, die Übernahme der Aus- und kommt nicht unbedingt jeden Tag vor . Einbaukosten nicht abbedingen und von seinem Käufer (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU so- in Regress genommen werden könnte, obwohl er selbst wie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ aufgrund der Insolvenz seines Lieferanten diese Regress- DIE GRÜNEN) kette ja nicht nutzen kann . Der Bundesrat hat sich übrigens Ihrer Forderung ange- Deswegen setzt sich die Union dafür ein, dass zu- schlossen . Heiko Maas hat diese Forderung in seiner mindest ein gewisses Maß an Gestaltungsspielraum, das Stellungnahme und Erwiderung abgelehnt . Ich muss sa- heißt Vertragsfreiheit, erhalten bleibt . Zugleich halten gen: Wo der Mann recht hat, hat er recht . wir gegenüber den Handwerkern Wort und lassen sie bei den Aus- und Einbaukosten nicht im Stich . (Dr . Johannes Fechner [SPD]: Welcher? Er oder ich?) (Dr . Johannes Fechner [SPD]: Doch, genau das machen Sie!) Auch der Handel, der produzierende Mittelstand und die Industrie sprechen sich dagegen aus, die Forderung des Alles in allem ist der von Ihnen, Herr Minister Maas, Handwerkes und des Bundesrates aufzugreifen . vorgelegte Gesetzentwurf eine gute Diskussionsgrundla- Nachdem die Beseitigung der Haftungsfalle für Hand- ge . Ich möchte den vielen Mitarbeiterinnen und Mitar- werker ein Anliegen ist, das auf Initiative der Union in beitern Ihres Hauses, die dafür gearbeitet haben, einmal den Koalitionsvertrag hineingekommen ist – das darf ich danken . Jetzt kommt es darauf an, dass wir in diesem Ho- in aller Bescheidenheit anmerken –, hen Haus ein gutes Gesetz daraus machen . (Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Johannes Herzlichen Dank . Fechner [SPD]: Das habe ich aber anders in (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Erinnerung!) ordneten der SPD) (B) (D) verstehen wir ganz gut, dass die Kollegen von der SPD versuchen, beim Handwerk wieder Boden gutzumachen, Vizepräsident Peter Hintze: und sich deswegen der Forderung nach AGB-Festigkeit anschließen . Aber das ist rechtsdogmatisch leider der fal- Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge- sche Weg und rechtspolitisch überflüssig. ordneten Christian Kühn, Fraktion Bündnis 90/Die Grü- nen . (Dr . Johannes Fechner [SPD]: Ihre eigenen Leute wollen das doch!) Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE Das ist spätestens dann zu erkennen, wenn man sich GRÜNEN): das von Sigmar Gabriels Wirtschaftsministerium heraus- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Besuche- gegebene Ergebnispapier der AG „Rechtliche Rahmen- rinnen und Besucher auf der Tribüne! Liebe Kolleginnen bedingungen“ der Plattform Industrie 4 .0 anschaut . Darin und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Heiko Maas, steht, dass die ausufernde Anwendung von AGB-rechtli- ich finde es erst einmal schön, dass Sie zur Kernzeitde- chen Restriktionen im B2B-Bereich, also innerhalb der batte hier im Plenum anwesend sind . Wirtschaft, kritisiert wird . Die Industrie erwartet deshalb negative Auswirkungen auf die Attraktivität des deut- (Dr .Volker Ullrich [CDU/CSU]: Das ist schen Rechts im grenzüberschreitenden unternehmeri- selbstverständlich!) schen Geschäftsverkehr und damit Schaden für den deut- Das ist in den letzten Wochen nicht bei allen Ministe- schen Wirtschaftsstandort insgesamt . rinnen und Ministern so gewesen . Und jetzt möchte ich Meine Damen und Herren, im Koalitionsvertrag haben nicht, dass Sie erschrecken; denn hier ist heute ja schon wir uns darauf verständigt, dass Handwerker nicht pau- Einiges passiert, was nicht alltäglich ist . Auch meine schal auf den Folgekosten von Produktmängeln sitzen Rede beginnt heute nicht alltäglich – zumindest in Zeiten bleiben sollen . Das heißt umgekehrt aber nicht, dass Un- der Großen Koalition . ternehmer und auch Handwerker Verbrauchern pauschal gleichgestellt werden sollten . Es gibt zweifelsfrei viele (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was?) schutzwürdige Unternehmen . Für die gilt die Indizwir- Wo Sie sich ja in der Großen Koalition eher durch Ge- kung . Wegen der besonderen Interessen und Bedürfnis- zänk und Streit auszeichnen, se des unternehmerischen Geschäftsverkehrs kann eine entsprechende Klausel zwischen Unternehmern jedoch (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt im Einzelfall ausnahmsweise als angemessen angesehen aber!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17479

Christian Kühn (Tübingen) (A) möchte ich Sie persönlich – nicht nur die Mitarbeiterin- löchern, dass Sie das nicht verzögern und nicht auf die (C) nen und Mitarbeiter Ihres Hauses, sondern Sie persön- lange Bank schieben, sodass es dann vielleicht doch lich – heute hier loben . nicht mehr in dieser Legislaturperiode zustande kommt . Bleiben Sie als Koalition hier standhaft, verfahren Sie (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- hier nicht nach Art von Let’s Dance, sondern halten Sie SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuru- Kurs – sowohl im parlamentarischen Verfahren als auch fe von der SPD: Oh! – Volker Kauder [CDU/ in den Wortmeldungen in der Presse . Ich glaube, das CSU]: Weiter so!) wäre ganz gut . Ich will Sie loben, weil Sie dieses Lob auch verdient ha- ben – und das ist ernst gemeint –, Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ich glau- be, hier müssen Sie auch aufpassen . Sie dürfen sich hier, (Dr . [DIE LINKE]: Auch auch wenn die Worte jetzt ganz schön klingen, nicht über das noch!) den Tisch ziehen lassen, wie das in der Vergangenheit weil Sie das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts zum Beispiel bei der Mietpreisbremse zwar langsam und sicherlich nicht in allen Detailrege- (Dr .Johannes Fechner [SPD]: Funktio- lungen in der Form, die man sich wünschen würde, aber niert doch! Was wollen Sie denn? – Michael eben doch auf den Weg gebracht haben, und das ist ein Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nun mischen Fortschritt im Verbraucherschutz . Ich glaube, das muss Sie sich mal nicht ein!) auch Opposition einmal anerkennen, dass diese Regie- rung zwar nicht alles und nicht vieles, aber manchmal ein oder bei anderen Gesetzen der Fall war . bisschen was ganz gut macht . Wir brauchen ein starkes Bauvertragsrecht . Bleiben Sie (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- deshalb auch hier standhaft! SES 90/DIE GRÜNEN – Dr .Petra Sitte [DIE LINKE]: Reicht jetzt!) (Dr . Johannes Fechner [SPD]: Na, logo!) Ich fände es schön, wenn auch der eine oder andere Ich habe nicht nur die heutige Debatte, sondern den Kollege aus der Union und auch der SPD jetzt hier klat- ganzen Prozess der Reform des Bauvertragsrechts so ver- schen würde, wenn die Opposition einmal etwas Positi- standen, dass sich eigentlich alle Experten einig sind: Es ves über diese Regierung sagt . ist ein gutes Gesetz, es bringt Klarheit und Schutz für (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr Verbraucher, und es schützt Handwerker vor Regressfor- gut!) derungen . Deswegen sollten wir es in einem schnellen Verfahren einvernehmlich durch das Parlament bringen . (B) Und dennoch: (D) (Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Aha!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Der politische Prozess zum Bauvertragsrecht war lang, und das ist eigentlich symptomatisch, wie ich finde, für 2015 wurden in Deutschland Baugenehmigungen für die Themen Bauen und Wohnen, für das Thema Verbrau- 115 000 Ein- und Zweifamilienhäuser und 66 000 für Ei- cherschutz sowie das Thema Immobilien. Ich finde, bei gentumswohnungen erteilt . Und das ist – das ist heute diesen Themen hat Ihre Regierung die Entdeckung der schon mehrfach hier gesagt worden – für viele Menschen Langsamkeit zu einem Prinzip gemacht . Diese Entde- das Investment ihres Lebens . Ich glaube, hier braucht es ckung der Langsamkeit, die Sie da sozusagen zelebrie- einen besonderen Schutz . Gerade in der derzeitigen Nie- ren, haben Sie bühnenreif umgesetzt . Sie bewegen sich drigzinsphase, in einer Zeit, in der die Immobilienmärkte einmal in die eine Richtung, dann wieder in die andere . überhitzt sind und das Bauen immer teurer wird, muss der Staat einen besonderen Schutz vorsehen . Ich glaube, dass (Zurufe von der CDU/CSU) wir das mit diesem Gesetz ein Stück weit hinbekommen . Sie wanken hin und her, gehen ein bisschen vor, dann gibt Doch es fehlt noch relativ viel . Damit sind wir wieder bei es eine Wortmeldung von Herrn Luczak zu irgendeinem der Politik . Sie machen zwar einen kleinen Schritt nach Thema, dann gibt es eine Pressemitteilung oder ein Po- vorne, aber er hätte eigentlich viel größer sein müssen . sitionspapier der SPD oder des SPD-Ministers . Aber an Die Aktivitäten von Bauträgern auf den überhitzten sich kommen Sie eigentlich bei fast allen Themen nicht Immobilienmärkten in Baden-Württemberg und anders- richtig vorwärts . Sie sollten mit diesen Trippelschritten wo zurzeit erinnern mich nicht an die soziale Marktwirt- vielleicht eher bei Let’s Dance auftreten, als vorzugeben, schaft; dass Sie wirklich etwas für Verbraucherinnen und Ver- braucher auf den Weg bringen . Ich glaube, das muss man (Dr . Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Da muss an dieser Stelle schon auch festhalten . der Ministerpräsident in Baden-Württemberg (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) etwas machen!) Darum hoffe ich jetzt inständig, dass mein Lob auch sie legen vielmehr eine Wildwestmanier an den Tag, bei etwas bewirkt, nämlich, dass Sie sich jetzt nicht beirren der auch Verbraucher über den Tisch gezogen werden . lassen von denjenigen, die versuchen, dieses gute Ver- Hier bedarf es endlich einer Änderung beim Bauträger- braucherschutzgesetz, das zukünftige Eigentümerinnen recht . Wir brauchen ein eigenständiges Bauträgerrecht, und Eigentümer in Deutschland schützen soll, zu durch- das Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland 17480 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Christian Kühn (Tübingen) (A) effektiv schützt . Hier haben wir eine Gesetzeslücke, und Dr . Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Da haben (C) diese muss endlich geschlossen werden . Sie recht! Das wollen wir auch nicht!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nun zur Union: Ihr zentrales Wahlkampfversprechen beim Thema Mieten und Wohnen in Deutschland war die Wenn wir über Eigentümer in Deutschland reden, Mietpreisbremse . dann müssen wir auch diejenigen miteinbeziehen, die be- reits eine Eigentumswohnung haben . (Dr . Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Die haben wir auch eingeführt, Herr Kollege!) (Volker Kauder [CDU/CSU]: Was?) Die Kanzlerin selbst hat versprochen, dass sie die Miet- Ich warte im Augenblick nicht nur darauf, dass wir das steigerungen in Deutschland bremsen wird . Die Studi- Verfahren auf den Weg bringen, um Qualifizierungsvo- en zur Mietpreisbremse zeigen aber klar: Sie haben die raussetzungen für WEG-Verwalter festzulegen, sondern Mietpreisbremse verzögert und durchlöchert . Deswegen auch darauf, dass endlich das WEG-Recht angepackt funktioniert sie nicht . wird . In einer Niedrigzinsphase mit überhitzten Märkten muss es doch mehr Informationsrechte und mehr Trans- Erinnern Sie sich an die Worte der Kanzlerin vom parenz geben, wenn man eine Eigentumswohnung als Sommer 2013, dass sie die Mietsteigerungen in Deutsch- Bestandsimmobilie kauft. All das findet nicht statt. Des- land bremsen will! Gehen Sie in einer zweiten Miet- wegen muss, glaube ich, auch beim WEG-Recht deutlich rechtsnovelle gemeinsam mit der SPD den Weg, endlich nachgebessert werden . zu einer funktionsfähigen Mietpreisbremse in Deutsch- (Dr . Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Darüber land zu kommen . Dabei werden wir Sie unterstützen; reden wir heute Morgen aber nicht!) denn das brauchen wir, damit die Immobilienmärk- te nicht weiter aus dem Ruder laufen und damit weder Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, Sie schüt- zukünftige Eigentümer und Eigentümerinnen noch die teln gerade den Kopf . Hier könnten Sie etwas für Eigen- Mieterinnen und Mieter belastet werden . tümer in Deutschland tun . Es reicht nicht, nur über die Wiedereinführung der Eigenheimzulage zu philosophie- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ren, sondern der Verbraucherschutz muss beim Thema sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuru- Eigentum endlich richtig durchdekliniert werden . fe von der CDU/CSU) (Dr . Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das Ich hoffe, dass Sie bei dem vorliegenden Gesetz nicht machen wir ständig!) versagen . Es ist ein guter Anfang . Sie müssen jetzt stand- haft bleiben . Ich hoffe, dass Sie das Prinzip der Lang- Sie sollten hier nicht nur einen kleinen Schritt vorange- samkeit, das Sie auszeichnet, und den Streit, für den Sie (B) (D) hen, sondern wirklich einmal ein paar Schritte; denn das stehen, beim Thema Bauen, Wohnen und Verbraucher- ist absolut notwendig . schutz abstreifen können . Fangen Sie endlich an, zu han- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) deln! Ich finde, der Druck ist enorm. Lösen Sie endlich Ihr Versprechen bei den Verbrauchern und beim Mieter- Wenn wir über Verbraucherschutz bei den Themen schutz ein! Dann gibt es vielleicht öfter ein Lob der Op- Wohnen und Immobilieneigentum reden, dann muss man position, sowohl Applaus von der Linken als auch von auf jeden Fall auch das Mietrecht miteinbeziehen . Gera- hier vorne am Rednerpult . de in einer Kernzeitdebatte gehört das dazu . Danke schön . Mieterinnen und Mieter sind Verbraucher, und Miet- recht ist letztlich auch ein Recht, das Mieterinnen und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mieter schützt, und damit auch Teil des Verbraucher- schutzes . Wann kommt eigentlich die von Ihnen verspro- Vizepräsident Peter Hintze: chene Reduzierung der Modernisierungsumlage, die Sie Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge- im Koalitionsvertrag gemeinsam beschlossen haben? ordneten Dr . Johannes Fechner, SPD-Fraktion . Wann kommt das endlich? Ich sehe es leider nicht . Die Union blockiert das . Ich glaube, wenn man in Großstäd- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ten Wahlen gewinnen will, dann muss man sich auch der CDU/CSU) Gedanken darüber machen, wie man die Probleme der Menschen dort aufgreift . Dr. Johannes Fechner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie- (Dr .Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Es geht be Besucherinnen und Besucher auf den Tribünen! Nach aber nicht nur um Wahlkampfgeschenke, son- in der Tat intensiven Vorbereitungen und Gesprächen in dern um vernünftige Politik!) den verschiedensten Gremien können wir heute in ers- Deswegen rate ich Ihnen: Machen Sie sich darüber Ge- ter Lesung über den Entwurf eines Gesetzes beraten, das danken, wie Sie die Modernisierungsumlage so refor- für Verbraucher, Handwerker, Bauunternehmer und vor mieren, dass niemand mehr von dieser asozialen Praxis allem für Bauherren viele Verbesserungen bringen wird, des Heraussanierens betroffen ist – weder in Berlin noch und zwar so viele, dass ich mich in meiner Rede auf eini- anderswo! ge wenige beschränken muss . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wir geben mit diesem Gesetz Verbrauchern, die Bau- sowie bei Abgeordneten der LINKEN – material verbauen, das sich hinterher als mangelhaft Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17481

Dr. Johannes Fechner (A) erweist, endlich einen Rechtsanspruch, dass sie vom Wittlers Baushow Einsatz in 4 Wänden, eine dem Fach- (C) Verkäufer des mangelhaften Materials nicht nur neues, publikum bekannte Sendung, angesehen . mangelfreies Material fordern können, sondern auch den Ersatz der Kosten für Aus- und Wiedereinbau . Das ist nur (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) recht und billig; denn es ist, wie ich finde, Sache des Ver- Dort sah sie ein Treppenhaus, das sie unbedingt haben käufers, dafür zu sorgen, dass seine gelieferte Ware keine wollte . Ich erhielt sofort den Auftrag von ihr, mit dem Mängel hat . Bauunternehmer nachzuverhandeln und eine Änderung Wie sieht es nun aber aus, wenn ein Handwerker die durchzusetzen . mangelhafte Ware bei einem Verbraucher eingebaut hat? (Dr . Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Klare Bislang bleibt der Handwerker auf seinen Aus- und Ein- Rollenverteilung!) baukosten sitzen . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll das nun geändert werden, und nicht nur dem Ver- Wir haben das dann einvernehmlich hinbekommen . Aber braucher, sondern gerade auch dem Handwerker – uns in der Praxis ist es oft so, dass ein solcher Änderungs- als SPD ist das besonders wichtig – wird gegenüber sei- wunsch nicht einvernehmlich umgesetzt wird . Deswe- nem Baustofflieferanten ein Anspruch auf Ersatz dieser gen, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir eine Kosten eingeräumt . Das ist nur gerecht . Deswegen soll- gesetzliche Grundlage, um von dem eigentlich geltenden ten wir das so machen, liebe Kolleginnen und Kollegen . Grundsatz „Verträge sind einzuhalten“ – pacta sunt ser- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten vanda – abzuweichen . der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD) In der Tat sieht der Gesetzentwurf zu unserem Miss- Immobilien nutzt man ja Jahrzehnte bzw . ein Leben lang . fallen vor – Kollege Hoppenstedt hat es angesprochen –, Deswegen muss es möglich sein, auch nach dem Bauver- dass der Baustofflieferant gegenüber dem Handwerker tragsabschluss solche Änderungswünsche umzusetzen . die Haftung für die genannten Kosten abbedingen kann . Das ist wiederum nicht gerecht; denn gerade kleine und Im Sinne der Bauunternehmen haben wir die Rege- mittlere Betriebe haben oft nicht die Stellung und die lung vorgesehen, dass ein Rechtsanspruch auf Umset- Position, um entsprechende Klauseln in den AGBs ihrer zung eines Änderungswunschs nur dann besteht, wenn es Lieferanten wegverhandeln zu können . für den Bauunternehmer zumutbar ist und wenn er eine Der Gesetzentwurf geht zwar davon aus, dass Ge- entsprechende Mehrvergütung bekommt . richte zu dem Ergebnis kommen mögen, dass entspre- Diese Regelung ist also sinnvoll . Wir sollten die Erfül- chende AGB-Gestaltungen unwirksam sind . Aber das (B) lung von Änderungswünschen auch nach Bauvertragsab- (D) müssen die Handwerker erst in langwierigen und oft teu- schluss ermöglichen, liebe Kolleginnen und Kollegen . ren Prozessen erstreiten. Ich finde, wir können es nicht zulassen, dass aufgrund einer solchen Regelung gerade (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der kleine und mittlere Betriebe ihrem Geld hinterherrennen CDU/CSU) müssen . Das kann ja, wenn die Forderung eine gewis- se Höhe erreicht, wirklich existenzbedrohend sein . Ich Gerade im Bauvertragsrecht haben alle Beteiligten ein finde es deshalb gut, dass Herr Billen schon angedeutet großes Interesse daran, dass es nicht zu Bauverzögerun- hat, für einvernehmliche Vorschläge aus den Fraktionen gen kommt . Gut ist deshalb am vorliegenden Gesetzent- offen zu sein . Ich habe auch mit Interesse zur Kenntnis wurf, dass wir ausdrücklich Regelungen zur Beschleu- genommen, dass Sie, Frau Kollegin Strothmann, unsere nigung und zur Lösung von Streitigkeiten vorsehen . Position teilen und sich dafür offensichtlich einsetzen . Wir haben erstmals eine Definition, was überhaupt ein So falsch, Herr Kollege Hoppenstedt, können wir also Werkvertrag ist . Verbraucher bekommen einen Rechtsan- da nicht liegen . spruch auf Übersendung einer Baubeschreibung . Es wird das Widerrufsrecht – genauso wie bei vielen anderen Abschließend zu diesem Punkt: Wir brauchen letzt- Vertragstypen – geregelt . Und es muss zudem eine ver- lich für das Handwerk die klare Regelung, dass Ein- und bindliche Angabe zur Bauzeit geben . Das sind wichtige Ausbaukosten vom Lieferanten der mangelhaften Ware Verbesserungen, die wir hiermit vornehmen . Wenn selbst zu tragen sind . die Linke hier zustimmend nickt, dann muss es ja wohl (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ein guter Gesetzentwurf sein . der CDU/CSU und der LINKEN) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- Im Bauvertragsrecht schaffen wir wesentliche Ver- ten der LINKEN – Dr .Dietmar Bartsch [DIE besserungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher . LINKE]: Das ist ein Gütesiegel! – Zuruf von Kernstück ist das Anordnungsrecht des Bauherrn . Gele- der CDU/CSU): Welche Logik!) gentlich wird bezweifelt, dass wir so etwas brauchen . Ich Wichtig ist, dass wir praktikable Regelungen finden. möchte Ihnen anhand eines Beispiels aus meiner eigenen Ich finde, wir sollten prüfen, ob es nicht sinnvoll ist, eine Bautätigkeit den Grund nennen, warum wir ein solches Schriftform für den Änderungswunsch zu festzulegen, Anordnungsrecht brauchen . klare Fristen für die Abgabe und die Annahme der Än- Meine Gattin und ich haben im letzten Februar einen derungswünsche zu setzen und sich anzuschauen, ob wir Bauvertrag unterschrieben . Wenige Wochen danach hat das System zur Berechnung der Mehrvergütung klarer sie, als ich in einer Sitzungswoche in Berlin war, Tine regeln . 17482 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Dr. Johannes Fechner (A) Insgesamt, meine Damen und Herren, enthält dieser Drittens ist es nicht nur im Hause Fechner so, dass im (C) Gesetzentwurf also zahlreiche Verbesserungen für Ver- Rahmen der Bauerbringung dem Auftraggeber oder der braucher, für Handwerker, für Bauunternehmen und für Auftraggeberin immer wieder neue Ideen kommen, was die Bauherren . Jetzt gilt es, diesen Entwurf an einigen man noch alles machen könnte . wenigen Stellen noch zu verbessern . Für mich und die Viertens dreht es sich – das ist, glaube ich, ganz wich- SPD gehören hierzu ganz eindeutig die AGB-feste Rege- tig – vor allem für Bauherren immer um eine Rahmen- lung, dass Handwerker ihre Ein- und Ausbaukosten auch größe, die letztendlich ein existenzielles Ausmaß an- im B2B-Verhältnis umsetzen können, und die Präzisie- nimmt . Viele Menschen bauen nur einmal im Leben und rung des Genehmigungsrechts an manchen Stellen . wenden dafür dann einen Großteil ihres Vermögens auf .

Präsident Dr. : Handlungsfeld Nummer zwei ist das Kaufrecht . Die Herr Kollege . dort vorhandene Lücke geht seit Jahren zulasten des Handwerks . Stellen Sie sich folgenden Fall vor – diese Konstellation ist vorhin schon dargestellt worden –: Eine Dr. Johannes Fechner (SPD): Trockenbaufirma hat den Auftrag, ein Dachgeschoss zu Insgesamt ist es ein gelungener Gesetzentwurf . Herz- dämmen und auszubauen . Der Auftrag wird erledigt, lichen Dank an das Justizministerium und an alle, die in und die Trockenbaufirma bezieht eine Dampfsperre, die den verschiedensten Gremien dazu Vorarbeit geleistet fehlerhaft ist . Sie hat Löcher, ist damit luftdurchlässig, haben . sodass Feuchtigkeit in die Dämmung eindringen kann . Vielen Dank . Das wird entdeckt, nachdem eingebaut worden ist . Dann hat der Bauherr gegen die Trockenbaufirma Anspruch (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten auf Lieferung einer neuen Dampfsperre, aber auch auf der CDU/CSU) Aus- und Einbau und Tragung der Kosten . Das Problem ist, dass dann kein Rückgriff möglich ist . Die Trocken- Präsident Dr. Norbert Lammert: baufirma hat gegen den Lieferanten nur Anspruch auf Das Wort erhält nun der Kollege Alexander Hoffmann Lieferung einer mangelfreien Dampfsperre . Das ist eine für die CDU/CSU-Fraktion . Lücke, die es zu schließen gilt . (Beifall bei der CDU/CSU) Ich freue mich, dass die Forderung der Union, diese Lücke zu schließen – Kollege Hoppenstedt hat es vorhin schon dargestellt –, durch unseren Impuls Niederschlag Alexander Hoffmann (CDU/CSU): im Koalitionsvertrag gefunden hat . Heute können wir, (B) Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen wenn wir den vorliegenden Gesetzentwurf anschauen, (D) und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! sagen: Jawohl, wir liefern . Wir regeln hier die Rechts- Kollege Kühn, Sie haben zu sehr vielem gesprochen – verhältnisse ähnlich wie im Verbrauchsgüterkauf . Es gibt ich würde sagen, es war eher ein bisschen Wahlkampf –: eine eigene Anspruchsgrundlage, ein echtes Rückgriffs- etwa zum Wohnungseigentumsgesetz und zum Miet- recht . Deswegen sage ich: Allein die Vorlage dieses Ge- preismarkt . Ich habe an dieser Stelle etwas ganz Verrück- setzentwurfs macht diesen Tag zu einem guten Tag für tes vor . Ich will nämlich tatsächlich zum vorliegenden die Handwerker . Gesetzentwurf sprechen . (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir sollten das parlamentarische Verfahren selbstver- Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie kennen den ständlich nutzen, um uns noch einmal gründlich das Für Satz: Das Handwerk hat goldenen Boden . Damit dieser und Wider vor Augen zu führen, inwieweit hier nun noch Satz Geltung beanspruchen kann, brauchen wir zwei Din- eine AGB-Festigkeit erforderlich ist oder die Rechtspre- ge: Wir brauchen eine prosperierende Wirtschafts- und chung in diesem Bereich, insbesondere die Indizwirkung Marktlage, und wir brauchen praxistaugliche gesetzliche von § 307 BGB – Sie haben es vorhin angesprochen –, Rahmenbedingungen . Gerade für Letzteres sind hier im ausreichend ist . Hause die Rechtspolitiker zuständig . Nach der Schuld­ rechtsreform im Jahr 2000 gilt es, zwei Handlungsfelder Nun zurück zum ersten Themenfeld: die bessere An- zu beleuchten und uns für die dort vorhandenen Pro­ passung des Werkvertragsrechts an die Erfordernisse bleme Lösungen zu überlegen . im Baubereich . Ich will auf zwei Themen eingehen, zu- nächst auf die Abschlagszahlungen, § 632a BGB . Bisher Handlungsfeld Nummer eins ist das Werkvertrags- ist es so, dass sich die Höhe der Abschlagszahlungen am recht . Wenn man genauer hinschaut, muss man fest- Wertzuwachs orientiert, den der Auftraggeber durch die stellen, dass das Werkvertragsrecht – es ist heute schon Lieferung und den Einbau der Sache erlangt . Das ist im angeklungen – noch nicht tauglich ist für die speziellen Einzelfall bisweilen schwierig zu beurteilen, weil natür- Anforderungen im Baubereich . Das liegt vor allem an lich gerade der Verbindungs- oder Einbauvorgang eine vier Komponenten . ganz andere Wertentwicklung mit sich bringen kann . Deswegen, glaube ich, ist die vorgeschlagene Neurege- Erstens ist es so, dass die Werkerbringung im Baube- lung ein guter Schritt . Jetzt soll sich die Abschlagszah- reich oftmals über einen längeren Zeitraum stattfindet. lung an dem Wert der erbrachten Leistung orientieren . Zweitens ist die Erbringung oftmals gegliedert in eine Das ist im Einzelfall zweifelsfrei festzustellen; denn es Vielzahl von Abschnitten . ergibt sich letztendlich aus dem Leistungsverzeichnis . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17483

Alexander Hoffmann (A) Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister, Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit . (C) wir sollten eine Stelle der Neuregelung unbedingt hin- terfragen und uns überlegen, ob wir sie so beibehalten (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- wollen . In der Neufassung ist die frühere Regelung ge- ordneten der SPD) strichen, dass die Verweigerung einer Abschlagszahlung wegen unwesentlicher Mängel nicht möglich sein soll . Präsident Dr. Norbert Lammert: Das war in der Vergangenheit eine ganz wichtige Klar- Sabine Poschmann ist die nächste Rednerin für die stellung . Ich bekomme aus meinem Wahlkreis und gera- SPD-Fraktion . de auch aus der Handwerkerschaft in Bayern sehr viele Rückmeldungen . Dort besteht die große Angst, dass man, (Beifall bei der SPD) wenn man diese Klarstellung streicht, dem Missbrauch Tür und Tor öffnet, dass dann nämlich wegen unwesent- (SPD): licher Mängel Abschlagszahlungen verweigert werden . Sabine Poschmann Das sollten wir dringend überdenken . Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer! Als Mittelstandsbeauftragte Das zweite Thema, auf das ich im Bereich des Werk- der SPD-Bundestagfraktion begrüße ich den Gesetzent- vertragsrechts noch eingehen will, ist die Abnahme, ge- wurf ausdrücklich . Auf vielen Veranstaltungen, die ich regelt in § 640 BGB . Bisher ist es so, dass die Fälligkeit besuchte, wurde gerade der Punkt „Wer übernimmt die der Werklohnforderung dann hinausgeschoben wurde, Folgekosten bei Produktmängeln?“ als Problem darge- wenn der Auftraggeber fristgerecht die Verweigerung der stellt . Aus meiner Aussage auf den Veranstaltungen „Wir Abnahme erklärt hat . Dafür brauchte er in der Vergan- arbeiten daran“ ist heute ein „Wir haben fertig“ gewor- genheit aber keine Gründe anzugeben. Deswegen finde den . So ganz fertig sind wir jedoch meiner Meinung nach ich es im Interesse der Handwerkerschaft sehr gut, dass nicht . Denn wenn wir tatsächlich dafür sorgen wollen, die Neuregelung fordert, dass die Verweigerung auch die dass zum Beispiel der Handwerker nicht mehr auf den Benennung der Gründe beinhalten muss . Damit können Folgekosten für den Ein- und Ausbau fehlerhafter Pro- wir letztendlich, ich sage jetzt mal, bestimmte Winkel- dukte sitzen bleibt, dürfen wir keine abweichenden Re- züge, bestimmte Missbräuche, die nur dazu dienen, am gelungen zulassen . Schluss die Fälligkeit der Werklohnforderung hinauszu- zögern, verhindern . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg . Karin Binder Noch eine Ergänzung: Wenn die Verweigerung der [DIE LINKE]) Abnahme mit der Benennung der Mängel formuliert ist, dann – das halte ich für sehr gelungen – findet ein, Unternehmen untereinander haben bisher die Mög- (B) (D) ich sage jetzt mal, Wechselspiel statt . Der Handwerker lichkeit, in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat nämlich dann einen Anspruch auf Zustandsfeststel- abweichende Regelungen zu treffen . Für sie gilt das so- lung . Ich glaube, das ist für die Praxis ein ganz wichtiger genannte Klauselverbot nicht . Die Marktmacht größerer Punkt . Es wird der Zustand, der Status quo, draußen auf Unternehmen birgt damit die Gefahr, dass diese sich ihrer der Baustelle festgestellt . Das schafft letztendlich Klar- Verantwortung entziehen und der Kleine auf den Kosten heit für den Fall, dass später die Diskussion aufkommt: sitzen bleibt . Wer trägt die Verantwortung für später entdeckte Män- gel? Ich glaube, das ist ein weiteres wirklich praxistaug- Wenn zum Beispiel ein Handwerker Parkett verlegen liches Instrument . soll, muss er Dämmmaterial und Parkett kaufen; klar . Dabei wird er den Geschäftsbedingungen des Händlers Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich am zustimmen . Stellt der Kunde später fest, dass die unter Ende zusammenfassen: Ich glaube, wir haben mit diesem dem Parkett verlegte Dämmung keinerlei Wirkung zeigt, Entwurf eine gute Arbeitsgrundlage . Er bringt vor allem wird er Nachbesserung verlangen . Das zu ersetzende für die Handwerkerschaft viele Pluspunkte . Es gibt den Material ist relativ günstig; der zeitliche Aufwand, das Rückgriffsanspruch. Es gibt die Begründungspflicht bei Ganze wieder herauszureißen, ist relativ hoch . Deshalb der Abnahmeverweigerung . Es gibt den Anspruch auf ist es richtig, dass der Handwerker eine Erstattung des Zustandsfeststellung . Es gibt darüber hinaus noch die Materials und der Ein- und Ausbaukosten vom Händler Sicherungshypothek und die Bauhandwerkersicherung . verlangen kann . Daneben bekommt aber auch der Kunde als Verbraucher viele Schutzkomponenten neu eingeräumt . Zu nennen ist Hat der Händler in seinen Allgemeinen Geschäftsbe- die umfassende Informationspflicht in der Baubeschrei- dingungen eine Erstattung der Kosten für den Ein- und bung . Es gibt das Widerrufsrecht; das ist schon angeklun- Ausbau ausgeschlossen, bleibt dem Handwerker im bes- gen . Und es gibt den Mindestinhalt beim Bauvertrag . Als ten Fall eine Kulanzregelung oder der Klageweg . Aber, Mindestinhalt müssen zukünftig der Zeitplan und der meine Damen und Herren: Kann sich der Handwerker in Fertigstellungstermin aufgenommen werden . Ich glau- diesem Fall gegenüber dem Händler durchsetzen? be, auch das ist eine praxistaugliche Ergänzung, die am Bleiben wir beim Beispiel Parkettverleger . Ein durch- Schluss den Verbraucherinnen und Verbrauchern in un- schnittlicher Betrieb erwirtschaftet einen Jahresumsatz serem Land hilft . von rund 250 000 Euro . Der Marktführer unter den Bau- Alles in allem, meine Damen, meine Herren, ein guter märkten machte 2015 in Deutschland rund 3,9 Milliar- Anfang! Bringen wir es im vor uns liegenden parlamen- den Euro Umsatz . Die Verteilung der Kräfte zwischen tarischen Verfahren gut voran und gut zu Ende! den Vertragspartnern könnte folglich nicht größer sein . 17484 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Sabine Poschmann (A) Wir haben jetzt die Gelegenheit, mit einer AGB-festen den Fachgremien miteinander auf einige Prinzipien, auf (C) Regelung Rechtssicherheit zu schaffen . In diesem Punkt die ich im Folgenden eingehe, verständigen sollten . Die würden wir auch die Position des Bundesrates stützen . Vertragsfreiheit ist in unserer Gesetzgebung ein wichti- Ich lade Sie ein, gemeinsam an einer Formulierung zu ges Gut . Wir sollten also nur das regeln, was notwendig arbeiten, sodass wir im weiteren Verfahren noch zu ent- ist, und nichts überzogen regeln . Vielmehr sollten wir, sprechenden Änderungen kommen . soweit es geht, die Möglichkeit geben, dass Partner ihren Vertrag frei miteinander regeln können . Aber es gibt na- Herzlichen Dank . türlich Dinge, die wir regeln müssen . Wir müssen dafür (Beifall bei der SPD) sorgen, dass wir gleiches Recht für alle gelten lassen . Das gilt für den Auftraggeber, also für den Bauherrn, genauso Präsident Dr. Norbert Lammert: wie für das Bauunternehmen, das in den allermeisten Fäl- len sorgfältig und termingerecht den Bau ausführt . Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Volkmar Vogel für die CDU/CSU-Fraktion . Wir sollten darauf achten, dass wir den Grundsatz des (Beifall bei der CDU/CSU) Verbindenden zwischen den beiden Vertragspartnern he- rausstellen und nicht zwingend das Trennende . Genauso gehört dazu, möglichst dafür Sorge zu tragen, dass die Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU): Einigung der Vertragspartner ohne Rechtsstreit und ohne Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! andere Auseinandersetzungen im Mittelpunkt stehen Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Baupo- muss . litiker, der die Debatte eben sehr intensiv verfolgt hat, kann ich sagen: Ich denke, wir sind auf einem guten Weg . Risiken bestehen auf beiden Seiten: Einerseits steht Die Feinjustierung, die noch notwendig ist, werden wir vielleicht die Existenz des Verbrauchers, des Auftragge- hinbekommen . Wir sprechen ja über die Änderung der bers auf dem Spiel, wenn man unfair miteinander um- kaufrechtlichen Mängelhaftung und die Reform des Bau- geht . Andererseits muss man vor allen Dingen auch die vertragsrechts . Das sind zwei wesentliche Punkte, die vielen kleinen Handwerker, die kleinen Bauunternehmen zum einen mit dem Verbraucherschutz und zum anderen sehen und nicht zuletzt auch die Mitarbeiter, die 2, 3, 5, natürlich auch mit der Rechtssicherheit in der Bauwirt- 10 oder 20 Mitarbeiter eines Bauunternehmens, deren schaft zu tun haben . Existenz, wenn es zu unbilligen Härten kommt, unter Umständen auch auf dem Spiel stehen kann . Deswegen Lassen Sie mich als Baupolitiker sagen: Die Bauwirt- sind die Verbesserungen bei den Ein- und Ausbaukosten schaft ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige, den für die Handwerker und für die kleinen Bauunternehmen wir in unserem Land haben . Die Bauwirtschaft ist die so wichtig und existenziell . (B) Konjunkturlokomotive in unserem Land oder – wenn (D) wir hier die falschen Entscheidungen treffen – eben auch Meine Bitte an uns alle, so, wie wir hier zusammen nicht . Die Diskussionen über die Mietpreisbremse und sind, ist, dass wir dieses Gesetzesvorhaben, das jetzt in die Modernisierungsumlage, die wir geführt haben, sind die Ausschüsse geht, nicht verzögern, sondern es zügig sicherlich wichtig und richtig . Aber diese Instrumen- zum Abschluss bringen . Das hilft den Unternehmen . te dienen nur dazu, die Symptome, die wir spüren, zu Es ist richtig und gut, dass wir mit den Änderungen im mildern . Am Ende ist es wichtig, dass wir bauen, bauen, Bereich der Ein- und Ausbaukosten die Geschäftsbezie- bauen und dafür Sorge tragen, dass sich der Markt ent- hung – ich sage jetzt nicht Business, denn wir sind ja hier spannt und auf ihm tatsächlich auch alle Akteure arbeiten im Deutschen Bundestag – zwischen dem gewerblichen können . Bereich und den Endkunden, aber auch zwischen den Gewerblichen untereinander geregelt haben, und zwar (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . innerhalb der gesamten Lieferkette bis hin zu den Ver- Dr . Johannes Fechner [SPD]) ursachern . Natürlich gehören zum Bauen Auftraggeber . Sie müs- Natürlich ist es so – auch wenn ich sage, dass wir das sen wir besonders schützen . Verbraucherschutz hat für nicht in die Länge ziehen, sondern zügig zum Abschluss uns oberste Priorität . Gerade im Baubereich, in dem es bringen sollten –, dass wir sicherlich noch Feinjustie- um langfristige Investitionsentscheidungen geht, viel rungs- und Diskussionsbedarf im Bereich des Bauver- Geld in die Hand genommen wird und die Bauherren, tragsrechts haben . Es ist erst einmal richtig, dass wir dort gerade Familien, ein hohes Risiko eingehen, kommt es Regelungen treffen . Denn – einer meiner Vorredner hat darauf an, sie zu schützen und ihnen dabei zu helfen, die- es gesagt – wir haben zwar das Werkvertragsrecht, aber ses Risiko zu minimieren . das ist ja eher terminlich, punktuell ausgelegt, wohinge- Oft ist es so, dass Familien an Mehrkosten verzwei- gen das Bauvertragsrecht den gesamten Zeitablauf, der feln oder der Bauträger bzw . das Bauunternehmen in die im Baubereich ja nun einmal über einen längeren Zeit- Insolvenz geht . In solchen Fällen benötigen sie unsere raum geht, besser abbildet . Daher ist es sinnvoll, die Re- Hilfe . Deswegen ist es auch richtig, dass wir diese beiden gelungen dort zu treffen . Vorhaben – die Änderung der kaufrechtlichen Mängel- Aus meiner Sicht ist weitgehend unstrittig – natürlich haftung und die Reform des Bauvertragsrechts – mitei- kam dazu Kritik aus der Bauindustrie –, dass wir Festle- nander verknüpft haben . gungen zu Mindestanforderungen treffen müssen, auch Ich möchte aber darauf hinweisen, dass wir uns in der zu terminlichen . Ich glaube, das hilft allen und am Ende jetzt anstehenden Debatte und in den Diskussionen in auch dem Bauunternehmer, weil mehr Rechtssicherheit Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17485

Volkmar Vogel (Kleinsaara) (A) gegeben ist . Dies bildet die Grundlage, auf der man sich Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, (C) fair untereinander einigen kann, ohne dass es zu Ausein- SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN andersetzungen kommt . Deutsch-indische Bildungs- und Wissen- (Beifall des Abg . Christian Kühn [Tübingen] schaftskooperation ausbauen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Drucksache 18/8708 Ich bin auch der Meinung, dass es ein Anordnungs- Überweisungsvorschlag: recht geben muss . Das ist ganz unstrittig . Wer das Risiko Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- auf sich nimmt und eine Investition tätigt, muss auch die zung (f) Möglichkeit haben, Änderungen durchzusetzen . Aber es Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Energie muss auf der anderen Seite – das meine ich mit fairem Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausgleich – für denjenigen, der es umsetzen muss, ver- Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- hältnismäßig bleiben . Das heißt, er muss tatsächlich auch lung die Befähigung haben . Er muss die notwendige Technik Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuss für Kultur und Medien dafür haben . Er muss vielleicht auch das Personal dafür Haushaltsausschuss haben . Es muss auch in seinen sonstigen Bauablauf hi- neinpassen . Deswegen ist es wichtig und richtig, dass All denen, die sich jetzt auf dem Umweg über das man an der Stelle genau hinschaut, sodass eine sinnvolle Büro auf den Weg ins Wochenende begeben, wünsche Regelung für beide Seiten herauskommt . Wir reden in ich ein sonniges und gemütliches Wochenende . der Baukostensenkungskommission natürlich auch über die Senkung der Baukosten. Ein großer Teil sind Vorfi- Nachdem diejenigen, die an der Debatte zu diesem Ta- nanzierungskosten, die letztendlich der Bauunternehmer gesordnungspunkt teilnehmen wollen, die wenigen noch tragen muss . Das kann man nicht überziehen . Da muss es freien Plätze eingenommen haben, eröffne ich nun die einen fairen Ausgleich untereinander geben . Aussprache, für die nach einer interfraktionellen Verein- barung 38 Minuten vorgesehen sind .– Einwände höre (Beifall bei der CDU/CSU) ich keine . Also können wir so verfahren . Was ich noch ein bisschen kritisch sehe, gerade wenn Ich erteile das Wort dem Kollegen Stefan Kaufmann es um das Anordnungsrecht geht – ich glaube, Kollege für die CDU/CSU-Fraktion . Hoffmann hat es schon angesprochen –, ist, dass trotz al- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ledem Abschlagszahlungen in sinnvoller Art und Weise ordneten der SPD) möglich sein müssen; die vorher vereinbarte Möglichkeit (B) der Abschlagszahlung darf nicht über die einseitige An- (D) ordnungserlaubnis ausgehebelt werden . Hier muss also Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU): auch eine Regelung her, die für beide Seiten vernünftig Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! und vertretbar ist . Meine Damen und Herren! Aus aktuellem Anlass darf ich als Obmann zunächst dem Sprecher der CDU/CSU-Frak- Lassen Sie mich ganz zum Schluss noch eines sagen: tion für Bildung und Forschung ganz herzlich zum heuti- Wir haben auf der einen Seite marktstarke Auftragneh- gen Geburtstag gratulieren . Lieber Albert, ich denke, das mer, also Bauunternehmen, die das vielleicht ausnutzen tue ich auch im Namen des ganzen Hauses . wollen, auf der anderen Seite haben wir unter Umständen aber auch sehr marktstarke Auftraggeber, die das natür- (Beifall) lich auch in ihrem Sinne ausnutzen wollen . Deswegen ist Indien ist ein Land der Extreme, aber auch extrem es unsere Aufgabe als Gesetzgeber, hier dafür zu sorgen, spannend . Auf der einen Seite ist es ein Hightechland auf dass es sowohl für die Verbraucher, den Endkunden, als Weltniveau mit erfolgreichen Raketensystemen, einer auch für die vielen seriösen, fleißigen Bauunternehmen, eigenen Raumfahrtagentur und rund 700 000 ITlern in die jeden Tag in Deutschland tätig sind und für uns arbei- einer Stadt wie Bangalore, auf der anderen Seite finden ten, fair und gerecht zugeht . sich dort Armut – 30 Prozent der Menschen in Indien le- Danke schön . ben von weniger als 1,25 Dollar pro Tag –, Schmutz und heilige Kühe auf den Straßen . Dritte Welt! Es ist also ein (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Land der zwei Geschwindigkeiten . Das ist meine Kurz- ordneten der SPD) beschreibung unserer sehr harmonischen Delegationsrei- se nach Indien im letzten Jahr, die unserem Antrag heute ja auch zugrunde liegt . Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache . (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Und Erkenntnisse!) Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent- wurfs auf der Drucksache 18/8486 an die in der Tages- Wie viel Potenzial in diesem Land steckt, kann man ordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt sehr gut an einer Zahl ablesen: Weniger als 5 Prozent aller es dazu andere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall . Dann Personen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, haben wir die Überweisung so beschlossen . verfügen nach Regierungsangaben über eine berufliche Qualifikation. Für die jährlich rund 12 Millionen jungen Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 30: Menschen, die neu auf den Arbeitsmarkt kommen, gibt 17486 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Dr. Stefan Kaufmann (A) es bisher lediglich rund 4,5 Millionen Ausbildungsange- man Science and Technology Centre in Gurgaon – das (C) bote, die zumeist von äußerst geringer Qualität sind . ist in der Nähe von Delhi –, das wir auch in unserem Antrag explizit erwähnen . Es wird von Deutschland und Genau hier kommen wir ins Spiel, Deutschland als Indien zu gleichen Teilen mit bisher jährlich 2 Millionen Land des Mittelstandes . So heißt denn auch die neue Euro und ab dem nächsten Jahr mit 4 Millionen Euro Strategie der indischen Regierung „MIIM“, also „Make finanziert. Es fördert bilaterale, anwendungsorientierte in India Mittelstand“ . Forschungsprojekte unter Einbeziehung von Unterneh- Warum ist Deutschland als Partner so wichtig für In- men auf beiden Seiten und ist deshalb, so finden wir, ein dien? Deutschland ist der größte Handelspartner Indiens vorbildliches Projekt . innerhalb der EU, doch gewünscht ist von indischer Seite noch viel mehr, wenn es nach der Regierung Modi geht . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Das wurde auch vorgestern beim Deutsch-Indischen Wirtschaftsdialog noch einmal deutlich . Deshalb gibt es Umgekehrt ist Indien auch an mehreren Großfor- seit dem Frühjahr speziell für deutsche Unternehmen ei- schungseinrichtungen in Deutschland maßgeblich be- nen sogenannten „Fast track to India“ . teiligt; Sie wissen das . Der indische Beitrag zum mul- tinationalen Teilchenbeschleuniger FAIR in Darmstadt Es gibt in Indien sechs Goethe-Institute . Derzeit neh- beträgt rund 30 Millionen Euro . Das ist ein stattlicher men dort jährlich etwa 17 000 Personen an Deutschkur- Betrag . Auch in Nutzungsrechte des Teilchenbeschleuni- sen teil, und außerdem wird an zahlreichen Schulen in gers DESY in Hamburg hat Indien erheblich investiert . Indien die deutsche Sprache unterrichtet . Schließlich ist Indien an ITER als einer von sieben Part- Im Wintersemester 2014/15 waren rund 11 860 indi- nern mit 9 Prozent maßgeblich beteiligt . sche Studierende an deutschen Hochschulen eingeschrie- ben . Das entspricht einer Steigerung um 24 Prozent ge- Im November 2012 hat das Fraunhofer-Institut ein er- genüber dem Vorjahr . Die Zahl deutscher Studierender folgreiches Marketing-Office in Bangalore eröffnet, das an indischen Hochschuleinrichtungen wird auf etwa Projekte in Millionenhöhe für die deutsche Wirtschaft 1 000 geschätzt . In Deutschland bilden über 1 000 indi- akquiriert . Übrigens gibt es in Bangalore – deshalb wa- sche Doktoranden die zweitgrößte Gruppe ausländischer ren wir dort gewesen – etliche große Forschungszentren Promotionsstudenten direkt nach der chinesischen . Das deutscher Konzerne . Bei unserem Besuch konnten wir Potenzial für den Ausbau der Zusammenarbeit ist also uns von der hohen Qualität von Wissenschaft und For- riesig . schung persönlich überzeugen . In einem Bereich sind die Beziehungen zu Indien be- Sie sehen, meine Damen und Herren, wie eng die For- (B) sonders eng, nämlich in der Forschung . Für Indien ist schungszusammenarbeit mit dem Subkontinent ist und (D) Deutschland weltweit der zweitwichtigste Forschungs- vor allem auch wie wichtig sie ist . Deshalb möchte ich partner hinter den USA . Die indische Wissenschaft ge- jetzt nur drei Forderungen aus unserem Antrag hervorhe- nießt auch in Deutschland einen exzellenten Ruf . Ich darf ben, die mir besonders wichtig sind . nur den Bereich Biotechnologie nennen . Erstens . Wir müssen alles daransetzen, dass wir den Im Jahr 2014 haben beispielsweise über 800 in- Studierenden- und Wissenschaftleraustausch mit Indien dische Wissenschaftler an Forschungsaufenthal- weiter intensivieren . Da sind DFG, AvH und DAAD ge- ten an Max-Planck-Instituten teilgenommen . Die fordert . Dies ist schon deshalb erfolgsträchtig, weil die Max-Planck-Gesellschaft unterhält gleich zwei Unterrichts- und Landessprache Englisch ist und damit deutsch-indische Forschungseinrichtungen, das In- auch die Verständigung im Alltag unkompliziert ist . do-German Max Planck Center for Computer Science und das Max Planck Center on Lipid Research am Na- Zweitens . Ich habe die Zahlen bereits genannt: Wenn tional Center of Biological Sciences in Bangalore . Das nur etwa 5 Prozent der Bevölkerung über eine berufliche Erstere haben wir übrigens auf unserer Delegationsreise Qualifikation verfügen, ergibt sich hier ein enormes Po- besucht . tenzial . Dementsprechend müssen wir die duale Ausbil- Dann gibt es dort seit 2012 das Deutsche Wissen- dung in Indien insgesamt und besonders die Ausbildung schafts- und Innovationshaus in Delhi . 15 Konsortial- von Facharbeitern fördern . partner werden dort unter einem Dach zusammengeführt . Sie erleichtern indischen und deutschen Wissenschaft- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie lern sowie Studierenden den Aufbau von Kontakten bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE und erhöhen vor allem die Sichtbarkeit Deutschlands GRÜNEN) als Wissenschafts- und Forschungsstandort . Seit 2012 fanden laut eigenen Angaben des DWIH rund 50 000 di- Die Regierung Modi will bis 2022 500 Millionen Inder rekte Kontakte mit Wissenschaftlern und Studierenden beruflich qualifizieren, ein wirklich gigantisches Projekt. dort statt . Weltweit gibt es im Übrigen nur sechs dieser Mein Kollege Thomas Feist wird mit Sicherheit zu die- DWIHs . Auch dies unterstreicht den großen Stellenwert sem Aspekt im Detail noch etwas sagen . der Forschungszusammenarbeit zwischen Deutschland Drittens . Wir sollten für eine ausreichende räumliche und Indien . Ausstattung der deutschen Schule in Neu Delhi sorgen . Weiterhin unterhält Deutschland sein weltweit einzi- Denn was bringt die Finanzierung von Lehrkräften und ges bilaterales Forschungsförderzentrum, das Indo-Ger- auch das enorm wachsende Interesse an der deutschen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17487

Dr. Stefan Kaufmann (A) Sprache, wenn die Räume nicht da sind, um die jungen nicht einmal im Grundgesetz, obwohl ich mir da lieber (C) Menschen zu unterrichten? „Bildung für alle“ wünschen würde . Seit 2010 gibt es das gesetzlich verankerte Recht auf staatlich geförderte Bil- (Beifall des Abg . Kai Gehring [BÜND- dung – nicht auf kostenlose . Doch das staatliche Schul- NIS 90/DIE GRÜNEN]) system ist schlecht ausgestattet, und es ist eine Mammut- Zusammenfassend bin ich davon überzeugt, dass der aufgabe für die indische Regierung . indische Subkontinent als größte Demokratie der Welt mit seiner demografischen Entwicklung, seinem enormen Was in großen Städten langsam Gestalt annimmt, ist Potenzial und auch dem großen Hunger auf Bildung und in den ländlichen Gebieten sehr viel schwerer umzuset- Fortschritt ein besonders enger Partner für Deutschland zen . Aber Indien hat das ehrgeizige Ziel, 400 Millionen sein muss . Das hat übrigens auch die Bundesregierung Menschen – das ist etwa ein Drittel der Bevölkerung – richtig erkannt, wie erst jüngst bei den Regierungskon- in den nächsten Jahren beruflich zu qualifizieren und sultationen gezeigt wurde . Wissenschaft und Forschung 40 Millionen Studienplätze zu schaffen . Was für ein Ziel spielen dabei eine ganz zentrale Rolle . Lassen Sie uns angesichts der Zahlen, mit denen wir uns hier herum- diesen Weg gemeinsam weitergehen . schlagen und die wir gestern im Rahmen der Debatte des Berufsbildungsberichts benannt haben . Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und vielen Dank auch an die Kollegen, dass wir diesen Antrag hier (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Kai gemeinsam geschrieben haben und auch die Reise so har- Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) monisch verlaufen ist . Trotzdem ist dies angesichts der Zahl der Menschen, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie die in Indien leben, erst ein Anfang . Darum ist es ein bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE richtiges Anliegen, die Wissenschaftskooperation und GRÜNEN) die Bildungszusammenarbeit zu intensivieren . Aller- dings darf es uns dabei nicht nur darum gehen, die Fach- Präsident Dr. Norbert Lammert: kräftesituation für deutsche Unternehmen in Indien zu Für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Rosemarie verbessern, sondern es muss auch um eine Kooperation Hein das Wort . auf Augenhöhe gehen . (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Ich bin mir nicht sicher, ob das bei der Erstellung des (B) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (D) Oktober 2011 in Neu-Delhi, Nachmittag: Besuch eines Antrags immer im Blick war . Es geht mir vor allem um indischen Grabmals mit Säulenhalle aus dem 17 . Jahr- gegenseitigen Respekt und nicht um die missionarische hundert, eines von unzähligen wertvollen Objekten des Verbreitung unserer Weisheiten . indischen Kulturerbes, das restauriert werden soll . Am (Beifall bei der LINKEN) Boden sitzt eine Handvoll Männer mit Schutzbrille und Mundschutz, die unter Anleitung eines Fachmannes für Ich sage das insbesondere mit Blick auf den Ausbau Denkmalpflege Steinmetzarbeiten verrichten. Sie erhal- der beruflichen Bildung. So wichtig uns das duale Sys- ten im Zuge dieser Restaurierungsarbeiten eine Ausbil- tem ist: Indien muss in Sachen beruflicher Bildung sei- dung als Handwerker – ganz praktisch, ohne Schule . nen Weg, der möglicherweise ein anderer ist, gehen . Wir Zwei Tage später: Besuch in einer PASCH-Schule, sind immer schnell dabei, anderen Ländern aufzuschwat- also einer Schule aus dem Programm „Partner der Zu- zen, was wir für gut befunden haben . kunft“, von denen es weltweit 1 800 gibt – nicht alle in Indien – und die eine verstärkte Vermittlung der deut- (Zurufe von der CDU/CSU: Ui! Ui!) schen Sprache anbieten . Die jungen Leute zeigen uns en- Andere Länder nehmen das angesichts der wirtschaftli- gagiert ihre Schule . Natürlich sprechen sie Deutsch . Wir chen Stärke Deutschlands auch ganz gerne an. Ich finde, erleben ein trotz Schulferien eingeübtes Programm, eine wir täten gut daran, mit etwas mehr Vorsicht und Demut Kurzfassung indischer Geschichte – auch in Deutsch . in die Welt zu schauen . Es ist klar, dass bei einem solchen Besuch von Mit- gliedern des Deutschen Bundestages uns vor allem die (Beifall bei der LINKEN) Vorzüge eines Landes gezeigt werden . Beeindruckend Dabei sind Beratung und Zusammenarbeit ganz sicher war das schon . Aber wir haben auch von den unbe- richtig und wichtig, Copy and Paste nicht . Ich wunde- schreiblichen Schwierigkeiten erfahren, von der sozialen re mich schon, dass die Grünen hier so wenig kritisches Spaltung Indiens, die man überwinden möchte und von Gespür haben; denn Sie haben ja diesen Antrag mitge- der man sich nur ein Bild machen kann, wenn man über- zeichnet . Überhaupt müssen wir ein Auge darauf haben, haupt einmal da war . dass die großen Entwicklungsbedarfe in Indien nicht Indien ist ein Land mit jetzt 1,3 Milliarden Menschen, dazu verleiten, dass deutsche Firmen nur den eigenen und es hat das Ziel, seinen Menschen viel Bildung mit Mehrwert sehen . Zum Beispiel ist Indien ein Land, in auf den Weg zu geben . Das Ziel „Erziehung für alle“ ist dem gerne Arzneimittelstudien durchgeführt werden . in der Verfassung festgeschrieben . So etwas haben wir Wir müssen sehr peinlich darauf achten, dass dabei kei- 17488 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Dr. Rosemarie Hein (A) ne schlechteren Standards zugelassen werden, als sie in Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Ergebnis dieser (C) Europa gelten . Reise ist der vorliegende Antrag „Deutsch-indische Bil- dungs- und Wissenschaftskooperation ausbauen“ – das (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . kann man auch an der Medienwand lesen – als gemein- Swen Schulz [Spandau] [SPD]) same Initiative von Union, SPD und Grünen entstanden . Und schließlich – auch da schaue ich die Grünen fra- Ich muss sagen: Ich bin besonders unseren Kollegen von gend an –: Wieso findet man eigentlich in dem Antrag den Grünen dankbar, dass sie diesen Antrag inhaltlich an mehreren Stellen Förderangebote für profitorientier- mitgestaltet und mitgetragen haben . te private Bildungsdienstleister, aber kein Wort zu den (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Möglichkeiten von NGOs? Standen die nicht auf dem Besuchsprogramm? Möglicherweise wollen Sie mit dem Dank an alle, die sich hier beteiligt haben . Das waren Antrag auch nur die famosen Kooperationsbemühungen nicht nur die Mitglieder der Delegation, sondern auch der Bundesregierung unterstützen und ins öffentliche viele andere Kollegen, auch wenn sich das hier in den Bewusstsein bringen . Das ist sicher gut . Mir allerdings Reihen nicht so widerspiegelt . Es haben sich Kollegen würde das nicht reichen . aus unserem Ausschuss, dem Wirtschaftsausschuss und Kollegen, die sich mit auswärtiger Bildungsarbeit be- Vielen Dank . schäftigen, beteiligt . Im Endeffekt ist hier eine runde Sa- che entstanden . Darum, wie gesagt: Danke an alle Betei- (Beifall bei der LINKEN) ligten und Danke an unsere Fraktionsspitzen, die uns bei unserem Projekt ganz rege unterstützt haben . Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Die Kollegin Simone Raatz hat nun für die SPD-Frak- tion das Wort . Diese große Übereinstimmung in den Inhalten des Antrags ist gut für unser parlamentarisches System . Man (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sollte das nicht immer negativ sehen . Es ist doch auch der CDU/CSU) schön, wenn man einmal Anträge verabschiedet, bei de- nen wir uns weitestgehend einig sind . Natürlich kann Dr. Simone Raatz (SPD): man Kritik üben . Wenn man aber sagt, die Mehrheit der Punkte tragen wir gemeinsam, dann, denke ich, ist das Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und gut und wichtig für die Sache selbst, insbesondere für die Kollegen! Auch wenn Frau Hein einige kritische Worte weitere Stärkung der Zusammenarbeit mit Indien . gesagt hat, so ist es ganz wichtig, festzuhalten: Alles, was (B) die Kooperation betrifft, insbesondere im Bereich Bil- Liebe Kolleginnen und Kollegen, kaum ein anderes (D) dung und Forschung, muss auf Augenhöhe stattfinden. Schwellenland – ich glaube, Herr Kaufmann ist auch Wir sollten nicht – das haben Sie schon angesprochen – schon darauf eingegangen – investiert so viel in Bildung Copy-and-paste machen . Darum geht es uns in unserem und Forschung wie Indien . Als weltweit größte Demo- Antrag auch nicht . kratie ist Indien auch für uns ein verlässlicher Partner mit einem vielfältigen Potenzial zur Kooperation . Al- Wichtig ist – das wurde auch bei Ihnen, Frau Hein, und lein bei Betrachtung des indischen Hochschulsystems auch bei meinem Kollegen, Herrn Kaufmann, deutlich –, wird die rasante Entwicklung des Landes deutlich: Die festzuhalten: In der internationalen Zusammenarbeit ist Zahl der Studierenden ist zwischen 2009 und 2015 von die Kooperation im Bereich Bildung und Forschung ein 12 Millionen auf knapp 30 Millionen gestiegen . In dieser ganz wichtiges Element . Ich glaube, das wird manch- Zeit hat sich auch die Zahl der indischen Studierenden mal in den Debatten vergessen . Hier macht Deutschland in Deutschland mehr als verdoppelt . Damit bildet gera- enorm viel . Wir leisten viel, ohne immer darauf zu sehen, de diese Gruppe eine der größten Gruppen ausländischer welchen Mehrwert es für uns hat, sondern es geht darum, Studierender hinter China und Russland . den interkulturellen Austausch und im Endeffekt die ge- genseitige Zusammenarbeit zu festigen . Es ist aber auch festzustellen – mein Kollege Herr Kaufmann hat es eher positiv gesehen; ich würde sagen, (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem hier können wir vielleicht noch einen Tacken zulegen –, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dass Deutschland für indische Bachelor-Studierende bis- her kaum attraktiv ist . Um hier den Austausch zu ver- Es geht bei den Kooperationen nicht nur um den Aus- bessern, fordern wir in unserem Antrag, das erfolgreiche tausch von Wissen, Ideen und Erkenntnissen – natürlich Programm „Working Internships in Science and Enginee- steht das im Fokus –, sondern es geht auch darum, den ring“ weiter auszubauen . Ziel ist es dabei, den Bachelor- interkulturellen Austausch zu stärken, bestehende Netz- studierenden ein Stipendium zugutekommen zu lassen, werke zu festigen und neue zu knüpfen . Deswegen war damit sie ein Praktikum an einer unserer Forschungsein- eine kleine Delegation unseres Ausschusses für Bildung richtungen oder einer Hochschule machen können . und Forschung vor einigen Monaten in Indien, um zu se- hen, wie unsere Mittel wirken, wohin unsere Mittel flie- Genauso – darauf müssen wir gemeinsam mit dem ßen, die wir jährlich in den Haushalt einstellen . Natürlich DAAD hinwirken – muss es mehr deutsche Studierende darf man dann auch Fragen stellen, nämlich: Welche Pro- geben, die sich für einen Studienaufenthalt in Indien in- gramme laufen gut? Wo ist es sinnvoll, in der Kooperati- teressieren . Während – Sie haben die Zahlen genannt – on neue und andere Wege zu gehen? 2014 9 200 indische Studierende an unseren Hoch- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17489

Dr. Simone Raatz (A) schulen eingeschrieben waren, waren nur 730 deutsche recht . Das Land steht an der Schwelle, ein richtig wir- (C) Studenten – wir haben es im Antrag auf 1 000 aufgerun- kungsmächtiger Global Player zu werden . Es ist darum det – in Indien . Das ist nicht einmal ein Zehntel . Ziel ein ganz wichtiges Signal, dass wir diese Debatte der muss sein, dass der Austausch in beide Richtungen etwa deutsch-indischen Zusammenarbeit in Bildung und For- gleich hoch ist . schung widmen . (Beifall bei der SPD sowie des Abg . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]) sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Natürlich müssen die Hochschulsysteme auch attrak- tiv sein . Ich glaube, dass Indien auf einem sehr guten Sehr viele Projekte und Initiativen gibt es bereits, wie Weg ist . Gerade im Bereich Mathematik und Informa- unser gemeinsamer Antrag deutlich macht . Danke an tik könnte der Austausch wesentlich besser sein . Bereits Simone Raatz für den Anstoß, danke den anderen Be- heute besteht in Deutschland ein Fachkräftemangel . Wir richterstattern für das sehr konstruktive Miteinander . Es wissen, dass der Fachkräftemangel im Zuge der Digita- ist gut, dass wir uns interfraktionell einig sind, Koopera- lisierung weiter zunehmen wird . Schon jetzt fehlen rund tionen zu verstetigen und Positives auszubauen . 40 000 IT-Experten . Ich habe gehört, dass derzeit bei uns 17 000 Menschen Informatik studieren . Das ist viel Das Interesse an mehr Kooperationen in Bildung zu wenig . Da merkt man ja schon, dass hier eine Lücke und Forschung ist riesengroß; das haben unsere indi- klafft . Damit sind wir im Moment auf die Ressourcen schen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner, von solcher Länder wie Indien angewiesen . NGOs bis hin zu Spitzenforschern, während der Dele- gationsfahrt unseres Ausschusses klar an uns herangetra- Das haben wir auch deutlich gesehen, als wir in Ban- gen . Dieses Angebot nehmen wir gerne an . galore, der IT-Hochburg, waren, wo über 200 deutsche Unternehmen wie Siemens, Allianz und Infineon, also (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die großen, bereits mit Tochterunternehmen und Vertre- bei der CDU/CSU und der SPD) tungen unterwegs sind, um von den indischen IT-Spezi- Indien ist ein dynamisches und quirliges Land – auf- alisten zu profitieren. Die Zahl der Spezialisten, auf die strebend, bildungsaffin, wissbegierig, innovativ und mit wir da bauen, ist nicht im Hunderterbereich, sondern im immensen Potenzialen bei Technologie, Talenten und Tausenderbereich . Kreativität. Soziale Spaltung, eklatante Armut und Defi- zite bei Good Governance sind als Probleme erkannt und Umso wichtiger ist es, dass wir den Studierenden- und müssen in Indien mit Nachdruck beackert werden . Als Wissenschaftleraustausch im MINT-Bereich intensi- aufstrebendes Schwellenland setzt Indien auf Wachstum vieren . Das muss in enger Zusammenarbeit – es wurde (B) und Wohlstand und braucht vor allem in den Millionen- (D) schon gesagt – mit der DFG, dem DAAD und der Al- metropolen dringend mehr Umwelt- und Klimaschutz für exander-von-Humboldt-Stiftung erfolgen; denn wir müs- mehr Lebensqualität . sen international wettbewerbsfähig bleiben . Das ist, wie gesagt, ein wichtiger Punkt unseres Antrags . Indien ist die größte Demokratie der Welt – auch ein sehr wichtiger Faktor . Damit schützt Indien demokrati- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum sche Rechte und Werte, die zum Beispiel in China fehlen Schluss . Gerade in Zeiten, in denen populistische Par- und in Russland und der Türkei massiv unter Druck ste- teien an Zuspruch gewinnen und in denen Vorurteile ge- hen, Werte wie Meinungs-, Presse- und Wissenschafts- genüber anderen Kulturen zunehmen, ist es umso wich- freiheit, die auch wir leben und unterstützen . Auch des- tiger, dass wir in allen Bereichen, auch im Bildungs- und halb ist dieser Antrag so wichtig . Wissenschaftsbereich, den Austausch mit anderen Natio- nen verstetigen und intensiv pflegen. Das tun wir heute (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mit dem Antrag zur deutsch-indischen Kooperation . Ich bei der CDU/CSU und der SPD) denke, das ist ein wichtiges Zeichen . Wir werden da- ran arbeiten, dass gerade die Kooperationen im Bereich Denn diese Werte bilden den fruchtbaren Boden für eine Bildung und Forschung weiter aktiviert und intensiviert lebendige Zivilgesellschaft . Die Vielfalt und die immen- werden . se Mehrsprachigkeit in Indien fördern kreatives Denken und selbstbewusste Bürgerschaft . Dieser Weg wird sich Vielen Dank für die Aufmerksamkeit . langfristig als viel erfolgreicher erweisen als der Weg ei- ner Diktatur . Das macht den Austausch auch in der Au- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie ßenwissenschaftspolitik umso wertvoller . Auch deswe- bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE gen ist diese Antragsinitiative so wichtig, auch deswegen GRÜNEN) haben wir sie gerne aktiv mitgestaltet .

Präsident Dr. Norbert Lammert: Deutschland möchte ein verlässlicher Partner Indiens sein . Wir bieten unsere Unterstützung bei der Bewälti- Kai Gehring erhält das Wort für Bündnis 90/Die Grü- gung der großen Herausforderungen an, vor denen dieses nen . Land steht . Eine Herausforderung ist die große Nachfra- ge nach Energie . Über 300 Millionen Menschen in Indien Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): haben keinen zuverlässigen Zugang zu Strom . Das ist so, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In- als wenn in den gesamten USA das Licht ausginge . Im dien wird bisweilen unterschätzt, und das völlig zu Un- Kampf gegen diese Energiearmut setzt Indien leider vor 17490 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Kai Gehring (A) allem auf Kohlekraft, obwohl die Regierung weiß, dass und ökologische Modernisierung unserer Welt und un- (C) dies zu noch mehr Smog und noch mehr Treibhausgasen serer Länder zu finden und zu etablieren. Unser Antrag führt . Auch die Atomkraft ist wegen der Sicherheitsrisi- unterstreicht das breite bildungs- und forschungspoliti- ken und der ungeklärten Frage der Endlagerung proble- sche Fundament hierfür . Die erfreuliche Botschaft ist: matisch . Regierung und Parlament sind sich einig, dass wir das noch verbreitern wollen . Umso erfreulicher und umso unterstützenswerter ist es aber für uns als deutsches Parlament, dass die indi- Vielen Dank . sche Regierung zunehmend auch auf erneuerbare Ener- gien setzt . Bis 2022 will die indische Regierung Solar- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, anlagen mit einer Leistung von 100 Gigawatt aufbauen . bei der CDU/CSU und der SPD) Deutschland hat bereits einen bedeutenden Anteil an Er- neuerbaren . Unsere Erfahrung mit der Energiewende und Präsident Dr. Norbert Lammert: mit verantwortlicher Energieforschung teilen wir gerne . Ein Green New Deal wäre für die indische Gesellschaft, Ich erteile das Wort dem Kollegen Thomas Feist für Wirtschaft und Umwelt ein großer Gewinn . die CDU/CSU-Fraktion . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Eine weitere Herausforderung sind neue Jobs . Pro Jahr Vielen Dank . – Herr Präsident! Meine lieben Kolle- kommen 12 bis 13 Millionen Jugendliche auf den indi- ginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Her- schen Arbeitsmarkt; das muss man sich einmal vorstel- ren! Genauso verstehe ich parlamentarische Arbeit: len . Um die unterzubringen, um diesen jungen Menschen Wir haben angeregt, die deutsch-indische Kooperation Perspektiven zu geben, ist das duale System unserer Be- auszubauen, die Bundesregierung hat das übernommen rufsausbildung mit seiner Verknüpfung aus Theorie und und nach einiger Zeit schauen wir: Wo stehen wir? Was Praxis ein sinnvoller Weg, zumal es in Indien so viele können wir vielleicht noch besser machen? Wo sollten kleinste, kleine und mittlere Unternehmen gibt . Das du- wir neue Schwerpunkte setzen? – Genau das ist das Ziel ale System kann helfen, kann Vorbild sein, eine flexible unseres vorliegenden Antrages, in dem es nicht nur um und innovative Facharbeiterschaft auszubilden . Hierbei Wissenschaftskooperationen geht, sondern vor allen Din- bringen wir unsere Erfahrungen sehr gerne weiter ein . gen auch um Bildungskooperationen . Auf diese möchte (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ich kurz eingehen . (B) sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und (D) der SPD) Die Zahlen sind schon mehrfach genannt worden, aber es ist trotzdem immer wieder erstaunlich: Monat für Mo- Eine etablierte stabile Säule der deutsch-indischen nat drängen 1 Million junge Menschen in Indien auf den Freundschaft ist der Austausch von Studierenden und Arbeits- bzw . Ausbildungsmarkt . Es ist wichtig, diesen Wissenschaftlern, und die Zahlen steigen . Mittlerweile jungen Menschen Perspektiven zu geben . Frau Hein, na- sind Inder die drittgrößte Gruppe unter den internationa- türlich machen wir das auf Augenhöhe; denn auch wir len Studierenden hierzulande . Das ist überraschend und können aus der beruflichen Bildung dort etwas lernen. beeindruckend . Umgekehrt geht noch etwas: Mehr Deut- Die Regierung in Indien hat zum Beispiel ein eigenes Mi- sche sollten in Indien studieren . nisterium für die Kompetenzentwicklung und die berufli- Zahlreiche Hochschulen sowie außeruniversitäre For- che Bildung eingerichtet . Das heißt, dass der Stellenwert schungseinrichtungen sind in Indien aktiv . Das Deut- der beruflichen Bildung in Indien sehr hoch angesiedelt sche Wissenschafts- und Innovationshaus in Neu-Delhi ist. Dass dieser Stellenwert der beruflichen Bildung so ist eine sehr wichtige Adresse für den Austausch, des- wichtig ist, das haben wir gestern im Zusammenhang mit sen Finanzierung wir auch künftig sicherstellen wollen . dem Berufsbildungsbericht diskutiert . An Indien sollten Gleiches gilt für die Ausstattung der deutschen Schule in wir uns durchaus ein Beispiel nehmen . Neu-Delhi . Zusammen mit der Initiative „Schulen: Part- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem ner der Zukunft“, PASCH, und dem Programm „Deutsch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- an 1 000 Schulen“ wecken wir Interesse am modernen geordneten der LINKEN) Deutschland, das sich weltoffen und vielfältig präsen- tiert . Danke daher an alle Mittlerorganisationen, die her- Das Zweite ist: Wie macht die indische Regierung vorragend arbeiten und unser Bild als Wissensnation dort das? Die indische Regierung hat dafür gesorgt, dass das prägen . zuständige Ministerium eine Kampagne über den Wert einer dualen Berufsausbildung initiiert; denn anders als (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei uns oder in anderen deutschsprachigen Staaten hier in sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und Europa ist es so, dass die Arbeit mit den Händen und mit der SPD) dem Kopf – das möchte ich hinzufügen – in Indien keine Wir wollen Freunde Deutschlands in der Welt gewin- Selbstverständlichkeit ist; vielmehr versucht man, durch nen . Wir wollen die deutsch-indische Kooperation in Bil- ein akademisches Studium einen bestimmten Status zu dung und Forschung ausbauen . Gemeinsam sind unsere erreichen . Diese Idee ist in Deutschland mittlerweile beiden Demokratien stärker, Lösungen für die soziale nicht mehr ganz fremd, aber in Indien sehr verbreitet . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17491

Dr. Thomas Feist (A) Dort setzt man auf authentische Vorbilder . Authenti- Ausbildung natürlich nicht nur einen Arbeitsgang erlernt, (C) sche Vorbilder heißt – das konnten wir uns vor Ort in In- sondern auch etwas über Arbeitsschutz, Umweltschutz dien anschauen –, dass man diejenigen Auszubildenden und Nachhaltigkeit lernt . Deswegen ist es wichtig, dass mit besonderen Ergebnissen, mit besonderen Leistungen wir dies auch in unserer bilateralen Kooperation verstär- oder auch mit besonderen Biografien herausstellt, die be- ken . legen, dass man eben auch aus einer unteren Kaste heraus den Aufstieg erreichen und damit für sich und seine Fa- Wie tun wir das? Wir können natürlich jetzt nicht die milie ein sicheres Fundament des Lebens in Indien schaf- Hälfte der 1 Million junger Inder, die jeden Monat auf fen kann . Diese guten Beispiele werden also besonders den Arbeits- und auf den Ausbildungsmarkt drängen, herausgehoben . Ich denke, davon können wir lernen: Wir nach Deutschland holen und sie hier ausbilden . Das brauchen auch in Deutschland authentische junge Leute, würde überhaupt gar keinen Sinn ergeben . Deswegen die davon reden, was duale Berufsausbildung für sie und müssen wir effektiv und zielgerichtet vorgehen . Zielge- ihr Leben bedeutet . richtet vorzugehen heißt, dass wir das Programm „Train the Trainer“ besonders unterstützen . „Train the Trainer“ (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie heißt, dass wir besonders gute Ausbilder nach Deutsch- bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE land holen oder sie auch vor Ort fortbilden, und zwar GRÜNEN) nach deutschen Kriterien, und auch mit einem deutschen Es geht bei Kooperationen immer um Gegenseitigkeit . Zertifikat ausstatten; denn damit können wir auch etwas Wir haben das in Bangalore gesehen . Gerade im IT-Be- für das Image der beruflichen Bildung tun. Ein deut- reich – Kollegin Raatz ist darauf eingegangen – sind dort sches Zertifikat ist in Indien viel wert, und wenn wir dies viele große deutsche Unternehmen vor Ort präsent, und noch verstärken können, wäre das eine gute Sache – für man sieht, was im Bereich IT möglich ist, nämlich wirk- Deutschland und für Indien . lich die globalisierte Welt zu erfahren . Ich habe das an (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie einem Beispiel gesehen . Wir waren dort bei einer Firma, bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE deren Namen ich jetzt nicht nenne, weil ich sonst alle GRÜNEN) anderen auch nennen müsste, die sich darauf spezialisiert hat, Messinstrumente zu entwickeln und damit techni- sche Überwachungen von Prozessen zu übernehmen . Präsident Dr. Norbert Lammert: Dort habe ich auf einem Monitor ein Bild gesehen, das Swen Schulz ist der nächste Redner für die SPD-Frak- mir recht bekannt vorkam . Es hatte etwas mit einem Auto tion . zu tun, das in Leipzig produziert wird . Ich habe den jun- gen Mann gefragt, was er denn da mache, und er sagte: (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (B) Ja, ich kontrolliere hier die Endfertigung dieses Wagens der CDU/CSU) (D) der gehobenen Klasse, der in Leipzig produziert wird . – Das ist wirklich erstaunlich . Swen Schulz (Spandau) (SPD): Wichtig ist bei der Kooperation nicht nur, dass deut- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! sche Firmen davon profitieren, wenn sie in Indien inves- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Internationa- tieren . Vielmehr ist für mich auch ganz entscheidend, le Zusammenarbeit ist von elementarer Bedeutung, auch dass wir – wie dieses Beispiel zeigt – den jungen Leuten und gerade in der Wissenschaft . Das hier zu betonen, in Indien eine Perspektive geben; denn darauf kommt es kommt mir fast schon etwas merkwürdig vor; schließ- an . Es kommt nicht nur auf den Mehrwert für die deut- lich handelt es sich um eine Binsenweisheit, eine Selbst- sche Wirtschaft an, sondern auch darauf, dass wir jungen verständlichkeit . Doch vor dem Hintergrund so mancher Leuten in Indien und anderswo eine Perspektive geben, Debatte in Deutschland gerade in den letzten Monaten und dafür ist das ein gutes Beispiel . betone ich: Wir sind auf internationale Zusammenarbeit angewiesen . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU so- GRÜNEN) wie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es ist angesprochen worden, welche Schwerpunkte wir setzen . Ich halte es auch für sehr gut, dass wir in die- Nur so können wir globale Probleme lösen, nur so si- sem interfraktionellen Antrag, den wir mit den Grünen chern wir Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze, nur gemeinsam eingebracht haben, Punkte herausgearbeitet so werden wir unserer Verantwortung für die Menschheit haben, die nicht nur für Deutschland, sondern auch für gerecht . Indien ganz besonders wichtig sind . Dass wir als Bundestagsdelegation in Indien waren, Zwei wichtige Themen möchte ich am Schluss noch ist im Internet verschiedentlich kritisiert worden . Ich will herausgreifen . Eines davon ist die Infrastruktur . Wenn hier klar sagen: Wer meint, die Abgeordneten sollten in man in Indien unterwegs ist, so erlebt man etwas, woge- Deutschland bleiben und sich um deutsche Wissenschaft gen der größte Berliner Stau wirklich lachhaft ist . Des- kümmern, der hat nichts kapiert . wegen ist es wichtig, dass wir überlegen: Welche Mo- bilitätskonzepte brauchen diese Städte dort, aber auch (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU so- welche Infrastrukturkonzepte? – Da kommt wieder die wie bei Abgeordneten der LINKEN und des duale Ausbildung ins Spiel, weil man in einer dualen BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 17492 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Swen Schulz (Spandau) (A) Wer sich nur auf Deutschland bezieht, ist geistig arm, müsste . Also, wie immer es mit diesen Häusern weiter- (C) verpasst den Anschluss und wird aus seiner nationalen geht: Mit dem DWIH in Indien soll es weitergehen . Träumerei böse erwachen . Zweitens . Wir haben Hinweise erhalten, dass bei der (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Ausgestaltung der Hochschulkooperationen die Fach- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) hochschulen strukturell das Nachsehen haben könnten . Die Bundesregierung hat das schon lange erkannt Diese Sorge nehmen wir ernst . Internationale Kooperati- und einen Aktionsplan „Internationale Kooperation“ on ist nicht nur etwas für Universitäten . Vielmehr haben aufgelegt . Ein Partnerland ist Indien . Das kann schon auch die Fachhochschulen ganz besondere Fähigkeiten, angesichts der schieren Größe und des Bevölkerungs- die im Ausland gebraucht werden . reichtums dieses Landes auch gar nicht anders sein . Wir (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) wollen mit dem vorgelegten Antrag einen Impuls geben, die deutsch-indische Kooperation weiter auszubauen . Drittens . Die Kooperation kann sich nicht nur auf den technisch-naturwissenschaftlichen Bereich erstrecken . Gerade was die Entwicklung Indiens anbetrifft – das Die Geistes- und Sozialwissenschaften sind ebenso be- ist vor Ort tatsächlich sehr deutlich zu spüren –, gibt es deutend . Wir haben das in Indien bei jeder möglichen gewaltige Chancen, aber auch riesige Herausforderun- und auch unmöglichen Gelegenheit angesprochen . gen . Dieses Land ist in einigen Bereichen wissenschaft- lich führend und bekommt doch anscheinend einfache (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- und grundlegende Dinge wie die Müllentsorgung nicht NEN]: Stimmt!) hin . Indien ist wichtiger Exporteur von Hochtechnolo- gieprodukten, aber auch ein Land, bei dem es nicht viel Es ist klar, dass unsere indischen Partner da nicht so ent- Fantasie braucht, um sich vorzustellen, dass sich 100 husiastisch sind und das BMBF immer wieder vor Pro- oder 200 Millionen Menschen auf den Weg nach Europa bleme stellen . Natürlich können wir auch nicht eine Art machen . Umso wichtiger ist es, dass wir auch im Bereich Zwangsbeglückung durchführen . Aber wir ermutigen das Bildung und Wissenschaft die Zusammenarbeit forcie- BMBF, immer wieder und kontinuierlich auf den Ausbau ren . der gemeinsamen geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung zu drängen; denn ohne wird die deutsch-in- Ich will an einem Beispiel illustrieren, was das kon- dische Kooperation unvollständig bleiben und entschei- kret heißt . Kai Gehring hat schon auf die Energiethema- dende Fortschrittspotenziale werden nicht erschlossen tik abgehoben . Deutschland gehört in Sachen Sonnen- werden . energienutzung tatsächlich zu den führenden Nationen . Um dieses Wissen für die Energieerzeugung in Indien (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (B) optimal zu nutzen, ist eine Anpassung an die besonderen der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ (D) klimatischen Bedingungen sinnvoll . In einem gemein- DIE GRÜNEN) samen Projekt haben das Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme und die Schott Solar AG aus Liebe Kolleginnen und Kollegen, so sind wir unserer Mainz gemeinsam mit indischen Partnern angepasste Meinung nach auf einem guten Weg . Wenn nun bald die technische Lösungen entwickelt . versprochene Evaluierung der Internationalisierungsstra- tegie der Bundesregierung kommt, werden wir die Dis- Wenn das am Ende so funktioniert wie erhofft, gibt es kussion auch über Kooperationen mit anderen Länder lauter Gewinner: Erstens wird in Indien konkret gehol- führen und diese auch noch intensivieren können . Darauf fen . Zweitens wird die Umwelt geschützt . Drittens lernen freue ich mich . auch die deutschen Partner . Viertens wird Werbung für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Deutschland Herzlichen Dank . betrieben . Fünftens ergibt sich ein großes Marktpoten- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem zial für das deutsche Unternehmen . Besser geht es doch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren .

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie Präsident Dr. Norbert Lammert: bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Claudia Lücking-Michel für die CDU/ Bei allem Positiven will ich auch nicht verschweigen, CSU-Fraktion . dass es die eine oder andere Verbesserungsmöglichkeit gibt . Lassen Sie mich drei Punkte aus dem Antrag an- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- sprechen: ordneten der SPD) Erstens . Es muss klar sein, dass das DWIH, das Deut- sche Wissenschafts- und Innovationshaus, in Neu-Delhi Dr. Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU): seine Arbeit fortsetzen kann . Diese Häuser gibt es auch Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol- in anderen Metropolen . Sie funktionieren vielleicht nicht legen! Meine Damen und Herren! „A New Passage to überall gleich gut, von dem Haus in Indien haben wir India“ – damit war ursprünglich die Schiffsroute ge- jedenfalls einen ausgesprochen starken Eindruck erhal- meint, zu der im 15 . Jahrhundert Vasco da Gama aufge- ten . Es wäre ein Rückschlag, wenn das DWIH seine Ar- brochen ist . Heute ist dies der anschauliche Name eines beit aufgrund von Schwierigkeiten andernorts einstellen DAAD-Förderprogramms . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17493

Dr. Claudia Lücking-Michel (A) Wir haben es gehört: Im 21 . Jahrhundert reisen wir Umgekehrt besetzen viele der Deutschland-Alumni (C) nicht mehr mit dem Segelschiff, sondern – Beispiele gab der Förderorganisationen DAAD oder Humboldt-Stif- es ja viele – wir finanzieren Stipendien für Studierende tung heute Schlüsselpositionen in Verwaltung und Wis- und Wissenschaftler, wir fördern bilaterale Kontakte in senschaft ihrer Heimatländer . Das ist natürlich auch ein Wissenschaft und Wirtschaft, wir fördern das Deutsche gutes Potenzial für tragfähige Zusammenarbeit . Wissenschafts- und Innovationshaus und engagieren uns in der Berufsbildung . Darum ist es so wichtig, wenn das Programm „A New Passage to India“ fortgeführt wird, mit dem das Interes- Warum sind internationale Kooperationen gerade in se auf beiden Seiten, in Indien und in Deutschland, ja Bildung, Wissenschaft und Forschung so wichtig und gerade besonders gefördert wurde, mit dem wir Brücken gerade und besonders mit aufsteigenden Wissenschafts- zwischen Deutschland und Indien bauen . nationen wie Indien? Am Ende der Debatte will ich ver- suchen, das etwas grundsätzlicher zu beantworten oder Drittens . Wir wissen es alle, Wissenschaft spielt bei zusammenzufassen . der Formulierung zukunftsfähiger Lösungen für unsere Welt eine zentrale Rolle . Antworten auf die globalen He- Drei Gedanken: rausforderungen können wir nur in internationaler Zu- sammenarbeit und gemeinsamer Verantwortung finden. Erstens . Kollege Schulz hat es gerade als Binsenweis- heit bezeichnet, aber man kann es nicht häufig genug Das Ziel der Reise ist damit klar: Es geht nicht um ei- wiederholen: Wissenschaft lebt vom Austausch verschie- nen Nord-Süd-Transfer von wissenschaftlichem Know- dener Denkweisen und neuer Ideen . Wissenschaftlicher how, nicht um Nachhilfe, nein, es geht um gemeinsamen Fortschritt und echte Spitzenforschung sind überhaupt Erkenntnisgewinn . nur möglich, wenn sie international aufgestellt sind . Nur wer sich mit Neugier auf die Reise über nationale Gren- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem zen hinaus begibt, gelangt zu Spitzenergebnissen . BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem Internationale Forschungskooperation ist nicht reiner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eigennutz, aber auch nicht uneigennützige Aufbauhilfe für andere, sondern hier geht es um gemeinsamen Nut- Mit zunehmender Globalisierung findet Wissenschaft zen für alle . Wir brauchen natur- und ingenieurwissen- aber auch in einer zunehmenden Dualität statt: Der Wett- schaftliche Forschung für die drängenden Probleme . streit um innovative Ideen erfolgt auf der einen Seite in Die Stichworte sind gefallen . Das Spektrum reicht von Konkurrenz und auf der anderen Seite in Kooperation Abfallwirtschaft über erneuerbare Energien und hört bei zwischen den Nationen der Welt . Gute Wissenschaftspo- nachhaltiger Stadtentwicklung noch lange nicht auf . (B) litik tut gut daran, dazwischen eine Balance zu suchen . (D) So wollen wir unseren Wissenschaftsstandort hier bei uns Mir ist aber wichtig, zu betonen: Wir brauchen auch stärken und müssen gerade deswegen immer nach neuen und gerade die Geisteswissenschaften . Partnern für internationale Zusammenarbeit suchen . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ein zweiter Gedanke . Internationaler Austausch ist so der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ wichtig, weil er nicht nur zu akademischer Qualifikation, DIE GRÜNEN) sondern zur Persönlichkeitsbildung insgesamt beiträgt . Sie sind wichtig; denn sie deuten die Herkunft aus, bie- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem ten Orientierung und reflektieren Kriterien und Maßstäbe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) von Modernisierungsprozessen . Darum begrüße ich ganz besonders das deutsch-indische Projekt des „M . S . Me- Wir wissen, dass Studierende nach Auslandsauf- rian – R . Tagore Centre“ für sozial- und geisteswissen- enthalten offener sind für weitere neue Erfahrungen . schaftliche Forschung . Altruismus, Vertrauen und Entgegenkommen sind bei ihnen stärker ausgeprägt . Sie haben in dieser Zeit nicht Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Antrag zeigt: nur länderspezifische Kompetenzen erworben, sondern Wir segeln auf der „New Passage“ mit einem seetüchti- sind junge Menschen, die gelernt haben, mit Gegensät- gen Schiff, einer starken Mannschaft und viel Proviant . zen umzugehen, mit Gegensätzen, die einem begegnen, Mit unserem Antrag wollen wir jetzt unsere Segel noch wenn Kulturen, Traditionen, Werte in einer globalisierten stärker am Wind ausrichten . Welt aufeinandertreffen . Oder man kann auch sagen, es Vielen Dank . sind junge Menschen, die Differenzerfahrung gemacht haben, das heißt, die ihre eigene Herkunft auch von einer (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem Außenperspektive betrachtet haben, ihre eigenen Sicht- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) weisen infrage stellen lassen und den Dialog mit anderen dann hoffentlich respektvoll führen können . Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem Ich schließe die Aussprache . BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf An Bord unseres Schiffes heute brauchen wir mehr denn der Drucksache 18/8708 an die in der Tagesordnung auf- je eine solche Mannschaft, die in einem globalen Hori- geführten Ausschüsse vorgeschlagen . Nach der großen zont denken und handeln kann . Einmütigkeit in der Debatte vermute ich stark, dass auch 17494 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) diese Überweisung nicht auf heftigen Widerstand stößt . – auftragten beim Deutschen Bundestag verankert . Damals (C) Das ist so . Dann ist die Überweisung so beschlossen . ging die Initiative von der SPD aus, genauer gesagt vom Abgeordneten Ernst Paul . Dann kommen wir jetzt zu den Tagesordnungspunk- ten 29 a bis 29 c: Natürlich gab es anfangs auch kritische Stimmen – das ist ja völlig klar – von allen Seiten, unter anderem a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Irene aus der Union, aber auch von einigen Generälen, der Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Wehrbeauftragte sei ein Ausdruck des tiefen Misstrauens weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- gegenüber dem Militär; er sei ein unnützes Institut und NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs würde den ohnehin vorhandenen Papierkrieg noch wei- eines Gesetzes über die unabhängige Polizei- ter verstärken . Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch im beauftragte oder den unabhängigen Polizeibe- Zusammenhang mit einem Polizeibeauftragten kommen auftragten des Bundes (Bundespolizeibeauf- mir diese Argumente irgendwie bekannt vor . tragtengesetz – BPolBeauftrG) Natürlich steht der Wehrbeauftragte – das ist unstrit- Drucksache 18/7616 tig – historisch in einem völlig anderen Kontext . Aber ich Überweisungsvorschlag: denke, heute herrscht große Einigkeit darüber, dass der Innenausschuss (f) Wehrbeauftragte eine bundesrepublikanische Erfolgsge- Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz schichte ist . Es ging von Anfang an ein wichtiges Signal b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Irene von dieser Institution aus: Bei der Bundeswehr zählen Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), nicht nur Befehl und Gehorsam, sondern sie ist Teil die- weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- ser Gesellschaft, und Soldatinnen und Soldaten sind Bür- NIS 90/DIE GRÜNEN gerinnen und Bürger, wenn auch in Uniform . Aufklärung polizeilichen Fehlverhaltens er- Eine solche vertrauensstiftende Maßnahme wünschen leichtern – Ergänzung zum Entwurf eines Ge- wir uns auch für die Polizei . Aber es fehlt im Bund ein setzes über die unabhängige Polizeibeauftrag- Äquivalent zum Wehrbeauftragten für die Kontrolle des te oder den unabhängigen Polizeibeauftragten Gewaltmonopols im Innern . Genau deshalb schlagen wir des Bundes (Bundespolizeibeauftragtenge- Grünen die Schaffung der Stelle eines Polizeibeauftrag- setz – BPolBeauftrG) ten beim Deutschen Bundestag vor . Drucksache 18/7617 (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Überweisungsvorschlag: und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten Innenausschuss (f) der SPD) (B) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (D) Als die Ergebnisse des ersten NSU-Untersuchungs- c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Irene ausschusses vorgelegt wurden, wurde in diesem Hause Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), mit großer Geschlossenheit eine mangelnde Fehlerkultur weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- auch bei den Polizeibehörden festgestellt . Dabei sind wir NIS 90/DIE GRÜNEN uns sicher einig, dass die pure Forderung „Steht zu euren Fehlern!“ de facto nichts verändern wird . Nein, wir brau- Änderung der Geschäftsordnung des Deut- chen dazu Instrumente, die einen angemessenen Umgang schen Bundestages mit Fehlern ermöglichen, um auch für die Zukunft daraus hier: Umsetzung des Gesetzes über die un- zu lernen . abhängige Polizeibeauftragte oder den Deshalb brauchen wir eine unabhängige Instanz au- unabhängigen Polizeibeauftragten des ßerhalb polizeilicher Hierarchien, bei der sowohl Bürge- Bundes (Bundespolizeibeauftragtenge- rinnen und Bürger als auch Polizistinnen und Polizisten setz – BPolBeauftrG) Hinweise und Kritik, gegebenenfalls auch vertraulich, Drucksache 18/7618 vorbringen können . Überweisungsvorschlag: Der Polizeibeauftragte hat dann die Möglichkeit, die Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord- Eingaben völlig unabhängig zu prüfen . Er arbeitet dabei nung (f) Innenausschuss selbstverständlich immer eng mit den Personalvertretun- Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz gen zusammen, die schon heute eine enorm wichtige Ar- beit leisten, und vor dem Bundestag soll er regelmäßig Auch hier ist nach einer interfraktionellen Vereinba- über seine Arbeit berichten, sodass wir im Parlament die rung eine Aussprache von 38 Minuten vorgesehen .– All- Gelegenheit haben, wenn es nötig ist, politisch nachzu- gemeines Einvernehmen . steuern . Dann eröffne ich die Aussprache und erteile der Kol- Wie wichtig ein solcher unabhängiger Polizeibeauf- legin Mihalic das Wort . tragter wäre, sehen wir in der aktuell angespannten Si- cherheitslage immer wieder . Ich erinnere zum Beispiel Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): an die Vorfälle bei der Bundespolizeidirektion in Han- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie- nover, bei denen es um Folter- und Nötigungsvorwürfe be Kollegen! Vor 60 Jahren wurde im Zuge der Grün- ging . Diese sollen nun zum Glück aufgeklärt sein . Aber dung der Bundeswehr auch die Position eines Wehrbe- hier erfolgten viel zu spät Hinweise eines Polizisten, ver- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17495

Irene Mihalic (A) mutlich aus Angst vor Konsequenzen für die eigene Be- werkliche Mängel . Auf diese werden meine Kollegen (C) rufslaufbahn . Oder nehmen wir die Kölner Silvesternacht später wahrscheinlich noch gebührend eingehen . Ich als Beispiel, wo sich Beamte der Bundespolizei aus Man- möchte eher ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu gel an unabhängigen Ansprechpartnern mit ihrer Einsatz- dieser Idee machen . Der Umgang mit Beschwerden von kritik lieber gleich an die Bild-Zeitung gewandt haben . Bürgern oder internen Beschwerden ist ein sehr relevan- tes Thema; das gestehe ich zu . Es fällt mir schwer, diese Leerstelle in der Sicher- heitsarchitektur zu akzeptieren . Das sage ich auch und Ich möchte dazu folgende Punkte anmerken . Frau gerade als ehemalige Polizistin . Ich weiß, dass fraktions- Mihalic, Sie haben gesagt, dass wir eine Kontrolle des übergreifend einige Kolleginnen und Kollegen ähnlich Gewaltmonopols brauchen, und haben einen Vergleich denken und dass viele Polizistinnen und Polizisten, mit mit dem Wehrbeauftragten gezogen . Dieser hatte und hat denen ich in den letzten Jahren gesprochen habe, das ge- eine völlig andere Funktion . Die Stelle des Wehrbeauf- nauso sehen . tragten ist aus einer Innenperspektive heraus eingerichtet (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN worden, sozusagen als Anwalt der Soldatinnen und Sol- sowie bei Abgeordneten der SPD und der daten, die verpflichtend Wehrdienst leisten mussten, ob LINKEN) sie wollten oder nicht . Sowohl die Linke als auch die SPD-Fraktion bewer- (Dr .Volker Ullrich [CDU/CSU]: So ist es! – ten eine solche Institution schon länger als grundsätzlich Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: positiv, auch wenn es im Detail sicherlich noch einige So soll der Polizeibeauftragte auch verstanden Differenzen gibt . Liebe Kolleginnen und Kollegen von werden!) der Union, Sie haben sich zwar bisher eher skeptisch ge- geben . Aber in Baden-Württemberg richten wir nun eine Das war nach innen gerichtet . Der Wehrbeauftragte solche Stelle gemeinsam ein . Von der Union in Nieder- nimmt gar keine externen Beschwerden zur Kenntnis; sachsen kam bereits eine ähnliche Forderung . Ich denke, das ist nicht seine Aufgabe . Deshalb hinkt der von Ihnen Sie unterstellen nicht, dass Ihre Kolleginnen und Kolle- gezogene Vergleich völlig . Er ist fast irreführend . Das ist gen in den Landtagen kein Vertrauen zur Polizei haben . Ihrerseits kein gutes Argument . Der Polizeibeauftragte jedenfalls schafft Vertrauen so- (Dr .Volker Ullrich [CDU/CSU]: Ein schlech- wohl bei der Polizei als auch bei den Bürgerinnen und tes Argument!) Bürgern . Wenn wir untersuchen, ob wir eine solche Stelle ein- Heute ist die erste Lesung unseres Gesetzentwurfs . richten sollen, müssen wir die Frage beantworten: Brau- Wir wollen uns Zeit nehmen, diese Vorlage ordentlich zu (B) chen wir ihn wirklich, und welche anderen Beauftragten (D) beraten . Wir wollen eine gute Expertenanhörung durch- gibt es schon? Ich habe mir die Mühe gemacht, das ein- führen sowie alle Details und mögliche Differenzen ganz mal aufzulisten: genau besprechen . Ich wünsche mir, dass daraus am Ende eine gemeinsame Initiative wird und dass wir einen Erstens, die Personalvertretung . Sie ist sieben Tage die interfraktionellen Antrag oder Gesetzentwurf daraus ent- Woche und 24 Stunden am Tag ansprechbar; so habe ich wickeln, der hier im Haus eine breite Zustimmung findet. es selbst erlebt . Frau Mihalic, aufgrund Ihrer Nähe zur Es wäre doch ein starkes Signal des Parlaments, wenn Bundespolizeigewerkschaft nach den letzten Wahlen ver- wir noch vor Ende der 18 .Legislaturperiode – 60 Jahre stehe ich nicht, dass Sie so misstrauisch sind und offen- nach Einsetzen des Wehrbeauftragten – gemeinsam die bar glauben, dass diese ihren Auftrag nicht wahrnehmen Stelle eines unabhängigen Polizeibeauftragten auf den können . Die Vertretungen glauben jedenfalls, dass sie das Weg bringen . Ich freue mich auf einen konstruktiven Be- sehr gut können . ratungsprozess . (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ganz herzlichen Dank . NEN]: Die können das auch gut!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Zweitens gibt es den Dienstweg mit dem Remonstrati- LINKEN) onsrecht, drittens den Beschwerdeweg, der heute in al- len Bundespolizeibehörden an einer eingerichteten Be- schwerdestelle endet, viertens Petitionsausschüsse, die Präsident Dr. Norbert Lammert: es in Land und Bund gibt – ich vermute, dass Günter Armin Schuster ist der nächste Redner für die CDU/ Baumann noch etwas dazu sagen wird –, fünftens die CSU-Fraktion . Innenrevision, über die heutzutage jede Behörde selbst- verständlich verfügt, sechstens den Sozialmedizinischen (Beifall bei der CDU/CSU) Dienst, siebtens die katholische und evangelische Seel- sorge, die es in der Bundespolizei gibt, und zwar sogar Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): sehr breit angelegt, achtens die Gleichstellungsbeauf- Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! tragte, neuntens die Beauftragte für gleichgeschlecht- Wir haben den vorliegenden Gesetzentwurf natürlich in- liche Lebenspartner oder Lebensweisen . Zehntens . Die tensiv gelesen . Ich habe ihn geradezu studiert . Für mich Bundespolizei hat 2015 eine Vertrauensstelle eingerich- als ehemaligen Polizisten ist das ein hochinteressantes tet exklusiv für die Bearbeitung interner und externer Thema . Es gibt allerdings nicht gerade wenige hand- Beschwerden . 17496 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Armin Schuster (Weil am Rhein) (A) Frage: Braucht es jetzt einen elften Beauftragten, oder sind wir uns so etwas von einig; das können Sie sich gar (C) brauchen wir eher einen Lotsen, um bei den zehn Beauf- nicht vorstellen – erzeugt man immer von innen heraus . tragten durchzublicken? Qualität kann man nie von außen „erprüfen“ . Deshalb las- sen Sie uns die 2 Millionen Euro, die Ihr Vorhaben kos- (Beifall bei der CDU/CSU) tet – diese Zahl wird in Ihrem Gesetzentwurf genannt –, Ich mag mich gar nicht in die Rolle eines Präsidenten lieber dafür investieren, dass sich unsere Behörden aus versetzen, der das managt . ihrer inneren Kraft heraus so aufstellen, dass Beschwer- den von Bürgern und Beschwerden von Polizeibeamten Insofern: Ein Blick in die Realität hilft immer . Es gibt in den Arbeitsprozessen der Behörden systematisch und unter 200 Beschwerden pro Jahr bei der Bundespoli- professionell behandelt werden . zei – diese Zahl entnehme ich bewusst Ihrem Gesetzent- wurf; ich glaube, Sie schreiben dort von 182 Beschwer- Ich sage Ihnen auch, wo ich eine Lücke sehe: Wir den – bei – jetzt nehme ich wieder eine für Sie günstige haben noch keine Beschwerdestimulation – richtig . Der Zahl – 2,5 Millionen Kontrollen, bei denen in jedem Fall Prozessschritt – wie stimuliert man eigentlich so, dass ein Bürger betroffen ist. Wenn Sie, wie es die Profis tun, sich Bürger beschweren? – fehlt . Aber ich möchte, dass 200 Beschwerden und 2,5 Millionen Kontrollen, also die Behörden selbst diesen Schritt einleiten . Ich möchte Bürgerkontakte, ins Verhältnis setzen, dann kommen Sie nicht, dass er von Fremden vollzogen wird . Das würde auf eine Zahl von 0,00014 Prozent Beschwerden . Jede nicht mehr Qualität erzeugen . Folglich lehnen wir den Organisation in Deutschland wäre begeistert, wenn sie Gesetzentwurf ab, finden aber die Diskussion, die Sie da- eine solche Beschwerdequote hätte . mit angestoßen haben – sie kann von mir aus gerne öfter geführt werden –, richtig . Wir müssen in jedem Fall die (Beifall bei der CDU/CSU) Kontrolle darüber behalten, wie es mit den Beschwerden Es ist ein unglaublich guter Wert . aussieht . Im Moment sieht es auf jeden Fall gut aus, weil sie so gering sind . Die vor einem Jahr eingerichtete Vertrauensstelle bei der Bundespolizei hat bis jetzt 40 Fälle – Sie haben mit Ich danke Ihnen . dem, was Sie in dieser Diskussion gesagt haben, nicht (Beifall bei der CDU/CSU) unrecht – bekommen, 10 davon mit strafrechtlicher Re- levanz, einige davon mit Disziplinar- und Folgemaßnah- men . Auch das hat sich bereits bewährt . Vizepräsidentin : Vielen Dank . – Nächster Redner ist der Kollege Frank (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Tempel, Fraktion Die Linke . NEN]: Das erfährt niemand!) (B) (Beifall bei der LINKEN) (D) Mein Fazit . Im Ziel sind wir uns einig: bürgernahe Polizei, rechtskonforme hohe Qualität, vor allem bei Eingriffen . Im Weg sind wir uns nicht einig, vielleicht Frank Tempel (DIE LINKE): kann man auch sagen: noch nicht einig . Wir haben keinen Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen Beschwerdenotstand . Wir haben keine überbordenden und Herren! Die Grünen haben einen Vorschlag der Hu- Missstände in den Behörden . manistischen Union aufgegriffen, der die Einsetzung ei- nes parlamentarischen Polizeibeauftragten als unabhän- (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gige Beschwerdestelle für Bürgerinnen und Bürger und NEN]: Davon spricht auch keiner!) für Polizistinnen und Polizisten gleichermaßen vorsieht . Wir haben eher das Gegenteil, und trotzdem wählen Sie Auch die Linke hat den Vorschlag der Humanistischen eher den Weg des Misstrauens . Ich zitiere einmal aus Ih- Union aufgegriffen und die Arbeit an einem solchen Ge- rem Gesetzentwurf: setzentwurf aufgenommen . Er ist übrigens im Wesentli- chen fertig . Dazu komme ich gleich noch . Gerade in angespannten Situationen kann es dazu kommen, dass im Bürgerkontakt gesetzliche Gren- Die entscheidende Frage ist – Herr Schuster, Sie ha- zen überschritten, unverhältnismäßige Gewalt ben sie auch gestellt –: Brauchen wir so etwas? Braucht ausgeübt, Menschenrechte verletzt oder einzelne der Bürger eine Beschwerdestelle, wo er doch zum Bei- Bürgerinnen und Bürger – häufig im öffentlichen spiel die Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde Raum – diskriminiert oder unangemessen behandelt oder auch einer Strafanzeige gegen Polizeibeamte bei werden . möglichem Fehlverhalten hat? Auch berechtigt ist die Frage: Was bedeutet eine solche Stelle für Polizeibeam- Ich würde Ihnen gerade in dieser Zeit nicht empfeh- te? Bedeutet die Einrichtung einer solchen Stelle grund- len, so über Polizeibeamte in Deutschland zu reden . sätzliches Misstrauen, wie es die Polizeigewerkschaft (Beifall bei der CDU/CSU) und auch Herr Schuster vermuten, oder nutzt diese Stelle Polizeibeamten sogar? Sie haben gerade jetzt angesichts dieser geringen Be- Meine Damen und Herren, ich bin selbst Polizist, und schwerdezahlen viel mehr Vertrauen und viel mehr Zu- ich weiß, dass Polizeibeamte in unserem Land einen an- spruch verdient, gerade aus diesem Haus heraus . Deswe- strengenden und verantwortungsvollen Dienst verrichten . gen wähle ich eigentlich lieber den Weg des Vertrauens . Ihnen wird ein hoher Ausbildungsstandard vermittelt, Jetzt muss ich fachlich werden – ich will gar nicht po- und ihnen wird im Rahmen ihrer Einsätze eine erhebliche litisch argumentieren –: Qualität – die zu wollen, darin Belastung abverlangt . Im Verhältnis zum Bürger stehen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17497

Frank Tempel (A) sie aber auch in einer ganz besonderen Verantwortung . Herr Schuster, haben mir, wie gesagt, Bundespolizisten (C) Ihnen wurde das innerstaatliche Gewaltmonopol über- geschrieben . tragen, und dieser ganz besonderen Verantwortung muss auch in einer ganz besonderen Art und Weise Rechnung (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- getragen werden, neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg . Dr . Eva Högl [SPD]) (Beifall bei der LINKEN) Sehr geehrte Damen und Herren, Demokratie und insbesondere wenn wir davon ausgehen, dass da, wo Rechtsstaatlichkeit, das ist für uns alle im Bundestag Menschen ihren Dienst versehen, auch menschliches ein gemeinsamer Anspruch . Ich denke, mit einer klugen, Fehlverhalten auftreten wird – auftreten wird, Herr produktiven und vor allen Dingen offenen Debatte ist Schuster; nicht: auftreten kann . das Ende eines jahrzehntelangen Diskussionsprozesses durchaus möglich . Es muss einfach im Interesse der Polizeibeamten sein, das Vertrauen der Bürger in die Polizei zu stär- Aber nun zum Entwurf meiner Fraktion . Meine Frak- ken . Deswegen muss der Bürger folgende Gewissheit tion hat trotz einiger Unterschiede darauf verzichtet, haben: Wenn er sich von der Polizei falsch oder unge- ihren eigenen, sehr ähnlichen Entwurf hier dazuzule- recht behandelt fühlt, kann er im Zweifel auch auf eine gen . Wir möchten zum Beispiel die Tätigkeit des Beauf- unabhängige Stelle zurückgreifen, die sich des Problems tragten beim Zoll nur auf polizeilich agierende Zöllner, annimmt . Er muss sich nicht bei der Polizei über die Po- die auch in Grundrechte eingreifen, beschränken . Nach lizei beschweren . – Für viele Menschen, Herr Schuster, unserer Auffassung soll der Polizeibeauftragte auch bei ist es nun mal keine angenehme Vorstellung, sich bei der internationaler Zusammenarbeit der Polizei zum Tragen Polizei über die Polizei zu beschweren . Das führt nicht kommen . Die Selbstbeschränkung bei Aussagen des Po- selten dazu, dass Beschwerden erst gar nicht erfolgen . lizeibeauftragten als Zeugen sehen wir ebenfalls kritisch . Missstände können dann auch nicht abgestellt werden . Aber über all das können wir ergebnisoffen reden, ohne Das ist der Blick in die Realität . dass wir gleich unseren Entwurf als Konkurrenz zum Entwurf der Grünen dazulegen müssen . Wir können de- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- mokratisch auch mal einen Prozess hier beginnen, der zu neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) einem Ergebnis führt Mir als ehemaligem Polizeibeamten wird niemand den (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- großen Respekt vor der Arbeit meiner Kollegen abspre- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) chen können . Ein Generalverdacht gegen Polizeibeamte liegt mir völlig fern . Aber die Bilder vom Vorgehen ge- und an dessen Ende steht, dass der Bundestag die Ein- (B) gen die Proteste bei Stuttgart 21, Berichte über die Miss- setzung eines parlamentarischen Polizeibeauftragten als (D) handlung von Flüchtlingen durch Bundespolizisten in unabhängige Beschwerdestelle für Bürgerinnen und Bür- Hannover und auch viele kleine Vorfälle zwischen Bür- ger und für Polizisten und Polizistinnen gleichermaßen gern und Polizisten sagen mir sehr deutlich, dass es auch beschließt . keinen generellen Heiligenschein für Polizeibeamte gibt . Danke schön . (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE Mir schreibt zum Beispiel ein chronisch kranker GRÜNEN) Mann, der die Erlaubnis hat, Cannabis medizinisch zu verwenden, dass er von der Polizei monatlich mehrfach Vizepräsidentin Ulla Schmidt: kontrolliert wird, seit diese das weiß . Er fühlt sich von Vielen Dank . – Jetzt spricht der Kollege Günter der Polizei drangsaliert . Für eine Strafanzeige reicht es Baumann für die CDU/CSU-Fraktion . nicht . Er schreibt mir und erhofft sich Hilfe . Besser wäre es aber, es gäbe eine unabhängige Stelle, die diese Um- (Beifall bei der CDU/CSU) stände klären und dann auch abstellen kann . Günter Baumann (CDU/CSU): (Beifall bei der LINKEN) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Stattdessen verschließt man die Augen davor und sagt: Kollegen! Da wir heute über die Bundespolizei, über Es ist immer alles gut . Misstrauen und Beschwerden sprechen, möchte ich als Erstes Danke sagen . Ich danke den Bundespolizisten in Ganz nebenbei: Als Reaktion auf die Misshandlung unserem Land, die täglich eine riesengroße Aufgabe er- von Flüchtlingen durch die Bundespolizisten in Hanno- füllen . Die Zahl der Einsätze nimmt zu, und die Einsät- ver hat Bundespolizeipräsident Romann in seiner Behör- ze werden schwieriger und komplizierter; es geht dabei de 2015 eine solche Vertrauensstelle eingerichtet . Das ist nicht nur um Terrorismus, sondern auch um Fußballchao- wahrscheinlich sogar sehr ehrlich gemeint . Aber Bun- ten und Demonstrationen . Überall sind sie unterwegs, um despolizisten, die mir geschrieben haben, haben mich ge- für unser aller Sicherheit zu sorgen . Dafür als Allererstes warnt, einer solchen Stelle, die direkt beim Präsidenten einen ganz herzlichen Dank! angesiedelt ist, zuzustimmen; wenn Polizeibeamte den Mut aufbringen sollen, interne Missstände aufzudecken, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie sei dies nur über eine unabhängige Stelle denkbar .– Das, bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE 17498 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Günter Baumann (A) GRÜNEN und des Abg . Frank Tempel [DIE die Frage, Frau Mihalic: Brauchen wir die Stelle eines (C) LINKE]) unabhängigen Polizeibeauftragten? Meine Damen und Herren, für uns Politiker muss es Ich möchte Ihnen im Hinblick auf den Begriff „Leer- eigentlich oberste Aufgabe sein, sich die Frage zu stellen: stelle“ widersprechen . Wir haben keine Leerstelle . Wir Was können wir tun, um die Bundespolizei in Deutsch- haben unheimlich viele Stellen und Möglichkeiten . Die land zu stärken? Dazu gehört als Erstes die personelle Frage ist: Gibt es weiteren Bedarf? und finanzielle Ausstattung; ich denke, da sind wir auf Die entscheidenden Fragen lauten für mich: Was kön- einem ganz guten Weg . Aber genauso wichtig ist für nen wir tun, um das Ansehen der Bundespolizei und das uns, dafür zu sorgen, dass in der Bundespolizei und im Verhältnis innerhalb der Bundespolizei, also das Klima, Verhältnis zwischen Bevölkerung und Bundespolizei ein zu verbessern? Wie können wir Einzelprobleme viel- gutes Klima herrscht, dass die Bundespolizei in Deutsch- leicht noch besser lösen? Wir müssen in Ruhe darüber land also voll akzeptiert wird . debattieren, ob wir eine derartige Stelle brauchen . Dabei Es stellt sich natürlich auch die Frage: Was ist zu tun, müssen wir wissen: Sie kostet Geld . Das wird also nicht wenn es einzelne Probleme, Verfehlungen oder Schwie- ganz einfach; Kollege Schuster sprach bereits davon . Sie rigkeiten gibt? Armin Schuster hat einen Teil meiner haben bei den Kosten einen Betrag von 1,85 Millionen Rede vorweggenommen, weil er aufgezählt hat, welche Euro angesetzt . Wenn man sich an den Haushaltsausga- anderen Beauftragten es schon gibt . Er ist dabei bis zur ben für den Wehrbeauftragten orientiert, ist man schon Zahl zehn gekommen . Als Punkt elf folgt das Wichtigste: bei 4 Millionen Euro oder sogar etwas darüber . Insofern das Petitionswesen . müssen wir über dieses Thema nachdenken . Wir haben erst gestern im Plenum unseren Tätig- Wenn wir auf die Länder schauen, können wir über keitsbericht für das Jahr 2015 vorgestellt . Lieber Frank zwei konkrete Fälle sprechen: Rheinland-Pfalz und Ba- Tempel, es gibt eine unabhängige Stelle, und zwar den-Württemberg . Andere Länder denken darüber nach, den Petitionsausschuss . Im letzten Jahr wurden circa eine solche Stelle einzurichten . Deshalb wollen wir uns 13 000 Petitionen an den Deutschen Bundestag gerichtet . die Wirkungsweise dieser Polizeistellen in den Ländern Wir hatten eine Erfolgsquote von etwa 45 Prozent . In so in Ruhe anschauen: Was kommt dabei heraus? Bringt das vielen Fällen konnten wir den Bürgern bei ihren konkre- eine Verbesserung, oder ist das einfach nur eine zusätzli- ten Anliegen helfen . Das ist eine riesige Erfolgsquote . che Stelle, die nicht genutzt wird? Nach einiger Zeit wür- de ich mir gerne auch einmal die Vertrauensstelle beim Das Petitionswesen ist ein Grundrecht . Nach Arti- Bundespolizeipräsidenten anschauen: Was geht dort ein? kel 17 des Grundgesetzes hat jedermann das Recht, sich Welchen Erfolg bringt diese Stelle? Diese Varianten soll- (B) an die Volksvertretung zu wenden . Die Bürger machen ten wir näher betrachten . (D) davon auch Gebrauch . Das heißt, sie kommen mit allen möglichen Anliegen, die man sich vorstellen kann, zu uns Den heute vorliegenden Gesetzentwurf, den Sie, Frau und sagen: Bitte helft uns; wir kommen hier nicht weiter . Mihalic, eingebracht haben, kann man aufgrund des Wortlauts und Ihrer Ausführungen dazu nur ablehnen . Bei uns geht es um alle möglichen Themen: von Wir sind aber bereit, über die Idee miteinander zu disku- Hartz IV über die Verkehrsanbindung bis zur Rente . tieren . Wir müssen das gesamte Thema sehen: Was kön- Es gibt auch Petitionen von Bundespolizisten und über nen wir für unsere Polizei leisten? Zu allen Gesprächen Bundespolizisten . Dabei ist es nicht etwa so, dass sich darüber sind wir gern bereit . Bürger in der Mehrzahl der Eingaben beschweren, dass Herzlichen Dank . Bundespolizisten bei Demonstrationen zu hart zugegrif- fen hätten; nein, überhaupt nicht . In den Beschwerden (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- von Bundespolizisten geht es um Themen, die innerhalb ordneten der SPD – [BÜND- der Bundespolizei eine Rolle spielen . Zum Beispiel hat NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber nett!) ein Dienstherr eine Beförderung versagt, es gab eine Beschwerde über die unzureichende Ausstattung mit Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Schutzwesten, und ein genehmigter Sonderurlaub zu Bil- dungszwecken wurde nicht gewährt . Die meisten Fälle Vielen Dank . – Für die SPD-Fraktion erhält jetzt das haben wir nach einer Stellungnahme des BMI positiv Wort der Kollege Wolfgang Gunkel . bescheiden und dem betroffenen Polizisten ganz konkret (Beifall bei der SPD) helfen können . Wir haben aber auch Petitionen von Bürgern quer Wolfgang Gunkel (SPD): durch das Land erhalten, die sich Sorgen um die Sicher- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist na- heit machen; auch das ist hochinteressant . In ihren Peti- türlich recht schwer, hier als Polizist zu sprechen, wenn tionen schreiben sie zum Beispiel: „Sorgt bitte für eine sich zuvor bereits drei Polizisten geäußert haben . Ich bessere Ausstattung der Bundespolizei, sorgt für mehr kann nahtlos an das anschließen, was ich in der Debatte Bundespolizei auf Bahnhöfen, sorgt für mehr Bundespo- über einen Vorschlag der Linksfraktion, den sie vor ei- lizei im Vorfeld von Fußballspielen“ usw . usf . Das heißt, nem Jahr eingebracht hat, gesagt habe . Damals kam ich die Bürger – auch die Bundespolizisten sind ja Bürger – zu dem Ergebnis, dass der Vorschlag sehr diskussions- nutzen die Möglichkeit, sich an uns zu wenden und uns würdig ist, dass man darüber parteiübergreifend reden bei ihren Anliegen um Hilfe zu bitten . Insofern stellt sich sollte . Das ist auch heute noch meine Meinung . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17499

Wolfgang Gunkel (A) Wie ist das Ganze entstanden? Wir alle wissen, dass dem Beamten, dass darüber sicherlich nachgedacht wur- (C) der NSU-Untersuchungsausschuss zu dem katastropha- de . Dann tauchte eine Liste mit acht oder neun Leuten len Ergebnis kam, dass bei der polizeilichen Arbeit er- auf, die in der Gruppe dort tätig gewesen sein sollen, und hebliche Fehler gemacht worden sind . Aus diesem Grund sie sollten unterschreiben, dass sie eine Straftat nicht ha- hat meine Fraktion ein Sondervotum abgegeben und ge- ben feststellen können . Ein Beamter, der dort betroffen nau das gefordert, worüber wir heute diskutieren, eine war, sagte, dass er das nicht unterschreibt . Der Vorgesetz- unabhängige Beschwerdestelle, die als Ombudsstelle te sagte zu ihm: Dann warten wir einmal, bis der Chef für die Bürger fungieren soll, aber auch als interne Be- kommt, und dann wirst du ja schon sehen . schwerdestelle zur Aufarbeitung polizeilicher Beschwer- den . Dies entspricht im Wesentlichen dem, was hier vor- Der Chef war nicht da und erschien erst drei Tage gelegt worden ist . später . Der Beamte ging dorthin, und der erfahrene Chef sagte ihm gleich: Überlegen Sie sich ganz genau, was Sie Einige Punkte, die angeführt werden, sind wirklich hier sagen . Sie wissen, dass Ihnen ein Verfahren wegen diskussionswürdig . Zu dieser Diskussion kann ich et- Strafvereitelung im Amt droht, wenn Sie etwas gesehen was beitragen . Zunächst einmal will ich aber sagen, dass und es nicht zur Anzeige gebracht haben . die Anregung, die von den Vorlagen ausgeht, unbedingt Das ist eine sehr schwierige Situation, und das wollte notwendig ist . Kollege Baumann, in Rheinland-Pfalz ich einmal so drastisch deutlich machen . gibt es seit 2014 eine entsprechende Stelle . Die Zahl der dort auflaufenden Fälle beträgt etwa 2 000. Davon hat Was machte er nun? Er überlegte: Entweder gebe ich der Beauftragte 300 zurückgewiesen . Es gibt also auch zu, dass ich da etwas gesehen habe, aber dann bekom- die Möglichkeit, Fälle zurückzuweisen, die nicht in die me ich eine Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt, Kompetenz des Beauftragten fallen . Das gilt beispiels- oder ich sage, dass ich nichts gesehen habe, wodurch weise für Fälle, um die sich ein Petitionsausschuss küm- ich eventuell heil aus der Situation herauskomme . Er mern kann . Diese Fälle muss der Polizeibeauftragte bzw . entschied sich für Letzteres und wurde gefragt: Warum der Bürgerbeauftragte nicht abarbeiten, sondern in diesen konnten Sie es dann nicht unterschreiben? Die Antwort Fällen kann er den Bürger beispielsweise an die Petiti- war: Wenn ich nichts gesehen habe, kann ich auch nichts onsausschüsse verweisen . unterschreiben . Darum geht es in diesem Zusammenhang aber nicht . So ist das gewesen . Man kann also sagen: Glück ge- Hier geht es um ein Hilfsorgan, ein Hilfsinstrument des habt, dass der Vorgesetzte das auch so akzeptiert hat . Bundestages, um einen Beauftragten, der mehr Befug- nisse haben soll als ein normaler Beschwerdebearbeiter, Wie ist das Verfahren weitergegangen? Es interessiert ja auch noch der Abschluss . – Der Betroffene ist identi- (B) der in einer Polizeidienststelle tätig ist . Dahinter steht ein (D) ganz spezieller Auftrag, nämlich auch bei schwerwiegen- fiziert worden, weil jemand eine Kamera hat mitlaufen den Vorkommnissen Ermittlungsarbeit zu übernehmen, lassen, und da es ein sehr warmer Tag war, war sein Vi- Akteneinsicht zu nehmen und Ähnliches mehr . Seine Be- sier hochgeklappt, sodass er eindeutig zu identifizieren fugnisse würden also ein bisschen weiter reichen . war . Er ist dann seiner entsprechenden Strafverfolgung zugeführt worden . Von dieser Warte aus betrachtet, muss man sagen, dass Warum erwähne ich das? Ich will damit deutlich ma- es notwendig ist, diese Stelle einzurichten . Eine unab- chen, wie schwierig es für die Kollegen in solchen Fällen hängige Stelle wird gebraucht, weil bestimmte Beziehun- mitunter ist, all das „durchzuziehen“, was normalerweise gen unter den Kollegen beispielsweise bei Großeinsätzen erforderlich ist . dazu führen, dass recht unterschiedliche Meinungen über die Rechtmäßigkeit einer Handlung zustande kommen . Deshalb finde ich es besonders gut, dass in dem Ge- setzentwurf der Grünen steht, dass die Frist, die für je- Was will ich damit sagen? Ich möchte ein kleines den gelten soll, der mit einer solchen Sache konfrontiert Beispiel geben . Vor einigen Jahren ist Folgendes pas- worden ist, drei Wochen betragen soll . Man kann darüber siert – ich glaube, es ist denkbar, dass es so etwas auch reden, ob es zwei oder drei Wochen sind, aber das spielt heute noch gibt –: Es geht um einen Einsatz, bei dem ein keine Rolle . Wichtig ist, dass die Beamten eine Karenz- Haus geräumt werden soll, die Hochschule der Künste . zeit haben, während der es ihnen möglich ist, sich auch Die Polizei muss nach langen Auseinandersetzungen, die nachträglich entsprechend zu äußern, ohne sich der Ge- recht heftig verlaufen, über das Dach einsteigen und die- fahr einer Strafverfolgung auszusetzen . Das ist ein ganz ses Haus räumen . Sechs Etagen sind geräumt – ich fasse wichtiger Punkt . mich kurz –, und in dem Rondell vor dem Haus bildet sich eine Gruppe . Ein Mensch tritt auf einen Beamten zu (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ und sagt, dass er die Rechtmäßigkeit überprüfen wolle, DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der und fragt, welche Rechtsgrundlage die Polizei für ihren LINKEN) Einsatz habe . Der Polizeibeamte holt aus, schlägt ihm mit der Hand ins Gesicht und sagt: Das ist die Antwort .– Ich möchte auch noch auf Folgendes hinweisen: Es Durch das Tohuwabohu, das entsteht, und den neuen gibt interne und externe Beschwerdestellen; Rhein- Auftrag an die Gruppe verläuft sich das Ganze, und die land-Pfalz hatte ich in diesem Zusammenhang schon Sache ist zunächst einmal erledigt . erwähnt . Die Berliner Beschwerdestelle erhält zum Bei- spiel über 2 000 Beschwerden pro Jahr . Das ist schon Was passierte danach? Es wurde selbstverständlich eine große Zahl an Beschwerden, die zu bearbeiten sind . Anzeige erstattet . Am nächsten Tag erfuhren wir von Die Zahl der Beschwerden, die die Beschwerdestelle 17500 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Wolfgang Gunkel (A) der Bundespolizei erhält – und um sie geht es hier ja; Ich fasse zusammen: Der Gesetzentwurf ist insgesamt (C) da haben Sie völlig recht –, liegt weitaus darunter . Ein diskussionswürdig . Nach der Überweisung an die Aus- Grund dafür ist zum Beispiel, dass Unterstützungskräfte schüsse wird man sehen, ob etwas daraus zu machen ist . natürlich immer erst in zweiter Linie ins Blickfeld gera- ten . So war es auch in Köln und Stuttgart . Somit sind die Vielen Dank für die Aufmerksamkeit . Fallzahlen dort recht gering . Das kann sich aber jederzeit (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem ändern . BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Der Bundespolizeipräsident hat also dankenswerter- Frank Tempel [DIE LINKE]) weise eine interne Beschwerdestelle eingerichtet . Das ist löblich und auch zu begrüßen . Sie erfüllt aber nicht Vizepräsidentin Ulla Schmidt: die Aufgabe, die hier vorgesehen ist und die ich auch für Vielen Dank .– Als letzter Redner zu diesem Tages- dringend notwendig halte . ordnungspunkt hat jetzt der Kollege Dr .Volker Ullrich, Ich möchte jetzt noch ein paar Worte zu einer anderen CDU/CSU-Fraktion, das Wort . enthaltenen Bestimmung sagen: (Beifall bei der CDU/CSU – Monika Lazar Ich habe ein Problem mit § 13 Absatz 2 des Gesetzent- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mal sehen, wurfs, in dem die parallele Ermittlungszuständigkeit für was der Herr Ullrich jetzt dazu sagt!) Strafverfahren, Disziplinarverfahren und die Verfahren, die der Bundespolizeibeauftragte führen soll, vorgesehen Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): ist . Man müsste noch einmal darüber sprechen, wie das ausgestaltet werden soll . Das müsste für meine Begrif- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und fe klarer geregelt werden . Insofern kann ich nur sagen: Herren! Wir diskutieren heute den Gesetzentwurf der Es wäre schön, wenn wir eine intensive Debatte darüber Grünen zur Einrichtung eines Bundespolizeibeauf- führen könnten . tragten . Ja, wir sind in diesem Land nicht arm an Be- auftragten . Wir haben den Bundesbeauftragten für den Ich bin ganz und gar der Meinung, dass man noch ein- Datenschutz, wir haben gestern den Beauftragten für die mal alle Beteiligten anhören sollte – die Bundespolizei, Stasi-Unterlagen wiedergewählt, und es gibt auch seit die Gewerkschaften, den Landesbeauftragten in Rhein- vielen Jahrzehnten den Wehrbeauftragten . land-Pfalz und ähnliche Personen, die zur Sache etwas sagen können –, um noch einmal über diesen ganzen Vor- Gerade der Vergleich des Wehrbeauftragten mit dem gang zu reden . Ich glaube, dann könnte man von einem von Ihnen geforderten Bundespolizeibeauftragten zeigt, (B) vernünftigen Ergebnis ausgehen . dass hier zwei Positionen verglichen werden, die nicht (D) vergleichbar sind . Der Wehrbeauftragte ist für Eingaben Heute haben wir die erste Lesung . Es ist üblich, dass von Soldaten zuständig, die einem besonderen Grund- danach das Ganze an die Ausschüsse überwiesen wird . rechtsverhältnis unterliegen, und der Wehrbeauftragte Das wird auch jetzt der Fall sein . Die SPD jedenfalls be- soll die Grundsätze der Inneren Führung innerhalb der grüßt diesen Vorschlag . Ich hoffe, wir werden uns dann Bundeswehr überprüfen . in den folgenden Wochen damit tiefer auseinandersetzen können . Sie schlagen einen Bundespolizeibeauftragten vor, der Fehlverhalten von Polizeibeamten gegenüber den Bür- Ich möchte zum Schluss noch sagen, damit keiner gern im Rahmen des Einsatzes überprüfen soll . glaubt, ich erhöbe hier einen Generalverdacht gegen Handlungen der Bundespolizei, dass ich meine Kolle- (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gen sehr schätze und sehr wohl weiß, wie auch Kollege NEN]: Nicht nur!) Baumann schon gesagt hat, was von der Polizei, gerade Da muss ich Ihnen sagen: Es gibt in diesem Land bereits auch von der Bundespolizei, geleistet wird . Ich erinnere genügend rechtliche und rechtsstaatlich abgesicherte an Millionen von Überstunden durch die Entwicklung Verfahren, um Fehlverhalten zu überprüfen . Ja, es gibt der letzten Monate . Auch das muss entsprechend ho- Fehlverhalten von Polizeibeamten . Das wollen wir nicht noriert werden . wegdiskutieren . Gerade wenn der Staat das Gewaltmo- Mir liegt es fern, darüber zu philosophieren, ob die nopol hat, wirkt das Fehlverhalten von Polizisten beson- Polizei rechtsstaatlich handelt oder nicht . Sie ist ein ders schwer . Rechtsstaatselement . Wenn man die Zahlen betrachtet, Aber der Rechtsstaat hat dagegen sehr taugliche In- die immer wieder erhoben werden, um das Vertrauen in strumente entwickelt . Es gibt innerhalb des Beamten- Berufsgruppen anzugeben, dann muss man feststellen, rechts das Instrumentarium des Disziplinarverfahrens . dass Feuerwehrleute, Ärzte und Polizisten bei der Bevöl- Bei Gewaltdelikten und anderen Straftaten gilt das Lega- kerung zu 80 Prozent Vertrauen genießen – das ist schon litätsprinzip . Der Staatsanwalt muss von sich aus ermit- einmal ein ganz erheblicher Wert und das schon seit teln; er hat gar kein Ermessen . Darüber hinaus gibt es für Jahren –, während es andere Gruppen wie Politiker und Bürger auch die Möglichkeit, polizeiliches Handeln vor Gewerkschafter gibt, die bei 30 Prozent herumdümpeln . den Verwaltungsgerichten zu überprüfen . Das nur zum Vergleich . Man kann daran sehen: Die Po- lizei hat ihren Stellenwert, und der Bürger hat keinerlei Wir meinen, dieses Instrumentarium ist rechtsstaatlich Zweifel an ihrer Arbeit . ausgewogen, und wir sollten es nicht durch die Möglich- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17501

Dr. Volker Ullrich (A) keit aufweichen, ein rechtsstaatlich fragwürdiges Verfah- – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Petra (C) ren einzuführen . Sitte, Jan Korte, Matthias W . Birkwald, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE (Beifall bei der CDU/CSU) Transparenz herstellen – Einführung eines Meine Damen und Herren, Sie sprechen in Ihrem verpflichtenden Lobbyistenregisters Gesetzentwurf – ich zitiere – von „exzessiver Polizei- gewalt“, von „strukturellen Problemen“ und von „kaum – zu dem Antrag der Abgeordneten Britta vorhandener Fehlerkultur“ . Da muss ich Ihnen ehrlich Haßelmann, Volker Beck (Köln), Luise sagen: Das sind nicht unsere Worte . Wir setzen dem Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Misstrauen, das Sie in die Polizei haben, das Vertrauen Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in die Polizei entgegen . Das Vertrauen in die Polizei ist Transparenz schaffen – Verbindliches Re- wichtig, damit dieser Rechtsstaat die ihm übertragenen gister für Lobbyistinnen und Lobbyisten Aufgaben gewissenhaft erfüllen kann . einführen Deswegen, meine Damen und Herren, lassen Sie uns Drucksachen 18/3842, 18/3920, 18/8742 auch über Dinge sprechen, die ebenso wichtig sind und die man im Rahmen dieser Debatte ansprechen muss . Das Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für ist nicht nur das Fehlverhalten einzelner Polizeibeamter, die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei- sondern das ist auch die besondere Situation, der sich Po- nen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . lizeibeamte ausgesetzt sehen . Ich möchte sprechen über Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Kollege die unerträgliche Zunahme der Gewalt gegen Polizeibe- Bernhard Kaster, CDU/CSU-Fraktion . amte und gegen Einsatzkräfte . Allein im Jahr 2014 sind über 60 000 Polizeibeamte angegriffen worden . Die Zahl (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . hat sich gegenüber dem Vorjahr um 6,3 Prozent erhöht . Sonja Steffen [SPD] und Dagmar Ziegler Es gab über 22 000 Widerstände gegen Polizeibeamte . [SPD]) Ich sage Ihnen ehrlich: Wer jeden Tag auf unseren Stra- ßen und Plätzen seinen Kopf dafür hinhält, dass unser Bernhard Kaster (CDU/CSU): Land sicher ist, der hat unsere Solidarität verdient . Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen (Beifall bei der CDU/CSU – Frank Tempel und Kollegen! Lassen Sie mich drei Punkte voranstellen . [DIE LINKE]: Was hat das jetzt mit dem An- Erster Punkt . Seit 1972 gibt es öffentliche Anhörungen (B) trag zu tun?) im Deutschen Bundestag, und seitdem wird im Bundes- (D) Diese Bundesregierung hat gehandelt . Sie hat ein Pro- tag eine öffentliche Verbändeliste geführt . Dort sind über gramm aufgelegt, um die Ausrüstung von Polizeibeam- 2 200 Interessenvertretungen registriert, immer aktua- ten zu verbessern . Wir werden in den nächsten Jahren lisiert, transparent sortiert nach Lobbybereichen . Diese 3 000 neue Stellen bei der Bundespolizei schaffen, damit Liste ist auch die Grundlage für öffentliche Anhörungen . unsere Bahnhöfe, Flughäfen und Plätze noch sicherer Der zweite Punkt, den ich voranstellen will, ist folgen- werden . Deswegen von unserer Seite heute ein Dank an der: Transparency International hat bereits im Integritäts- unsere Polizeibeamten für ihren Einsatz und dafür, dass bericht 2012 festgestellt – ich zitiere –: „Die Transparenz sie unser Land sicher machen . Daran, dass die Bürger des Bundestags kann als sehr hoch eingestuft werden .“ Vertrauen in diesen Rechtsstaat und diese Polizei haben, werden wir uns messen lassen . Damit komme ich zum dritten Punkt, der im gleichen Zusammenhang steht . Wir haben ja am 11 . Mai eine An- Vielen Dank . hörung zu diesem Thema durchgeführt . Das Ergebnis dieser öffentlichen Anhörung war, dass es im Bundestag (Beifall bei der CDU/CSU) kein Transparenzdefizit gibt. Das haben sogar die Ex- perten, die Sachverständigen bestätigt, die von der Op- Vizepräsidentin Ulla Schmidt: position selbst eingeladen wurden . Ich muss feststellen, dass die Anhörung zu diesem Antrag für Sie letztendlich Vielen Dank . – Die Aussprache ist damit beendet . verheerend war . Zwischen den Fraktionen wurde vereinbart, die Vorla- (Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Da waren Sie gen auf den Drucksachen 18/7616, 18/7617 und 18/7618 auf einer anderen Anhörung!) an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen . Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, Ich konnte den Unmut der Experten verstehen, die be- das ist der Fall . Dann sind die Überweisungen so be- reits öfter zu diesem Thema zu einer Anhörung eingela- schlossen . den waren und die die Frage gestellt haben: Warum wird in jeder Legislaturperiode über fast identische Anträge Ich rufe den Tagesordnungspunkt 31 auf: diskutiert, ohne dass bei der x-ten Auflage nicht einmal längst bekannte Kritik auch in juristischer Weise aufgear- Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- beitet wird? – Es sind immer die gleichen Anträge . Jetzt richts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immu- debattieren wir wieder – das sage ich bewusst – diese nität und Geschäftsordnung (1 .Ausschuss) modrigen Anträge, die niemals aktualisiert worden sind, 17502 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Bernhard Kaster (A) weil das zur Inszenierung einer Veranstaltung der Frakti- Meine Damen und Herren, ich finde es schlimm, (C) on Die Linke gehört . dass wir immer intensiver darüber reden, wie die Ab- geordneten noch lückenloser in ihrer Arbeit beobachtet, (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der reglementiert werden können . Der Begriff „Abgeord- CDU/CSU: Unmöglich!) netenwatch“, übersetzt: Abgeordnetenbeobachtung, das Lassen Sie mich sagen: Sie bedienen sich einer Mischung führt das freie Mandat in das Absurde . Es geht nicht um gängiger Schlagworte . Beobachtung und Reglementierung von Abgeordneten . Vielmehr sollten wir auf den Kern unserer Tätigkeit hin- (Dr .Volker Ullrich [CDU/CSU]: Gängige weisen: Es geht um die Kontrolle der Regierung durch Vorurteile!) das Parlament . Hier sind die Begriffe „Kontrolle“ und „Beobachtung“ angebracht . Aber die anderen Dinge füh- Sie malen das Bild eines undurchsichtigen Parlamentes ren zu einer Schwächung der Legislative im Verhältnis mit von Lobbyisten gesteuerten Abgeordneten . Das ist – zur Exekutive . das wissen Sie alle – vollkommener Unsinn . ( [CDU/CSU]: Desinfor- (Beifall bei der CDU/CSU) mation ist das!) Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir sind Das Fatale dabei ist auch, dass Sie ganz genau wissen, gewählt, um für die Bürgerinnen und Bürger die Abwä- dass das Bild mit der Parlamentswirklichkeit hier im gung verschiedenster Interessen vorzunehmen, Interes- Deutschen Bundestag mit seinen frei gewählten Abge- sen, die auf die unterschiedlichste Art und Weise an uns ordneten nichts zu tun hat . Das ist ein Zerrbild, das Sie herangetragen werden: Bei mir und den meisten Kolle- zeichnen . gen fängt das im Regelfall im Wahlkreis an . Dort vor Ort sind Gespräche: mit der Kreishandwerkerschaft, mit (Beifall bei der CDU/CSU) einem Unternehmen, mit Gewerkschaftsvertretern . Die nächste Ebene ist das Bundesland . Da bittet zum Bei- Letztendlich ist es so, dass Sie nur für den Applaus spiel der Landesverband der Steuerberater um ein Ge- einschlägiger Internetplattformen verschiedener linker spräch mit den Abgeordneten aus Rheinland-Pfalz oder Netzwerke solche Anträge stellen . Denn dort wird dieses Nordrhein-Westfalen . Hier in Berlin ist es unsere tägliche Bild auch ständig gemalt . Arbeit . Bei Telefonaten, Mails und Gesprächen geht es (Beifall bei der CDU/CSU) immer um Politik, das heißt um die Wahrnehmung und um die Abwägung von Interessen . Da frage ich einfach: Ja, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir Trauen Sie dabei wirklich den Kollegen und Kolleginnen (B) brauchen bei jedem politischen Projekt den öffentlichen nicht zu, dass sie jeweils wissen, wer ihr Gesprächspart- (D) Diskurs, die öffentlich zugänglichen Beratungsergebnis- ner ist? Bei der Anhörung ist zudem deutlich geworden, se, Drucksachen, Anhörungen, den Diskurs in den Medi- dass schon allein die Abgrenzung, wer denn in diesem en. Es geht darum: Wie findet hier Interessensabwägung Register überhaupt erfasst würde – wenn man es tatsäch- statt? Das kann man dann auch kritisch beleuchten . Aber lich schaffen würde –, ein Riesenproblem wäre . wir werden nie zulassen, dass der frei gewählte Abgeord- nete, dem der Bürger sein Vertrauen geschenkt hat, öf- Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den fentlich Rechenschaft darüber ablegen muss, mit wem er letzten Jahren unser Mandat schon sehr weit reguliert, wann und wie über was gesprochen hat . Das widerspricht man kann auch sagen: eng reguliert . Ich gebe mal Stich- unserem Grundgesetz total und unserem Selbstverständ- worte: Verhaltensregeln, Nebentätigkeiten, Strafbarkeit nis als Abgeordnete . der Abgeordnetenbestechung . Für all die Einzelmaß- nahmen, die wir beschlossen haben, gab es jeweils gute (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Gründe, oder es gab Einzelfälle, die uns dazu veranlasst Dagmar Ziegler [SPD]) haben . Aber lassen Sie mich auch fragen – das gebe ich Lassen Sie mich an diesem Punkt darauf eingehen, ganz persönlich zu bedenken –: Wie ist die Wirkung in was uns in unseren Auffassungen unterscheidet . Hier der Summe? komme ich zu der Frage: Welches Selbstverständnis ha- In gut einem Jahr wird wieder ein Deutscher Bundes- ben wir vom Abgeordneten, von der parlamentarischen tag gewählt . Da steht in verschiedenen Wahlkreisen wie- Arbeit? Die Garantie des freien Mandates ist Kernbe- der die Frage an: Wer ist künftig bereit, seine persönliche standteil unseres Grundgesetzes . Ich bin fest davon über- Lebens- und Berufsbiografie für vier, acht oder zwölf zeugt: Es gibt kein freies Mandat ohne Vertrauen in die Jahre zu unterbrechen, um dem eigenen Land, der eige- Mandatsträger . Das muss Grundlage sein . Welches Bild nen Heimat zu dienen und sich zu engagieren? Auf wel- wird hier gezeichnet? Welches Bild vermitteln wir den che Arbeitsbedingungen trifft er denn hier im Deutschen Menschen, wenn wir beständig selbst öffentlich sugge- Bundestag? rieren, ohne ein Lobbyregister gäbe es im Parlament An- deutungen von Korruption, Klüngelwirtschaft usw ?. Sie (Frank Tempel [DIE LINKE]: Sie können bedienen damit Klischees . Aber Sie schüren auch Vorur- einem ja richtig leidtun!) teile und stellen die Unabhängigkeit der Kolleginnen und Kollegen infrage . Das geht nicht . Es geht um die Frage, welche Vorstellung man von ei- nem Parlament hat: Wen möchte man hier sitzen haben? (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Ich könnte jetzt viel dazu sagen, wie unterschiedlich die Dagmar Ziegler [SPD]) Berufsstrukturen in den verschiedenen Fraktionen sind . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17503

Bernhard Kaster (A) Wir stellen uns schon die Frage: Welche Arbeitsbe- naus. Wir wollen schon, dass der Einfluss von Interessen- (C) dingungen finden wir vor? Wieweit ist Vertrauen da? gruppen im politischen Prozess insgesamt sichtbarer und Wieweit sind Reglementierungen notwendig? Das hat nachvollziehbar wird, und, Herr Kaster, wir reden nicht etwas mit dem Selbstverständnis des Abgeordnetenman- nur über den Bundestag . dates zu tun . Da kann durchaus die Frage gestellt werden, Transparenz ist natürlich kein Selbstzweck . Da muss was zum Beispiel einen Selbstständigen motiviert – oder ich dem Sachverständigen, den Sie von der CDU/CSU andere Menschen, die fest im Berufsleben stehen –, das bestellt hatten, Professor Schliesky, widersprechen . Er Wagnis einer Wahl und des freien Mandates auf sich kam in der Anhörung – für die Zuhörer ist das vielleicht zu nehmen, wenn er beispielsweise weiß, dass er in der interessant – doch allen Ernstes auf die Idee, der Oppo- Konsequenz Ihres Antrages künftig ständig Gesprächs- sition vorzuhalten, totale Transparenz schade der Demo- notizen festzuhalten hat – mit wem er wo über was ge- kratie . Ich zitiere wörtlich: sprochen hat . Totalitäre Forderungen verheißen … in der Regel ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wenig Gutes und sind selten demokratisch – so NEN]: Das ist doch Quatsch! Das steht doch verhält es sich auch mit der Forderung nach totaler gar nicht im Antrag!) Transparenz . – Das steht nicht im Antrag . Es ist aber die Konsequenz Noch einmal zur Klarstellung: Es ging in den Anträgen daraus . Darüber wurde auch so in der Anhörung gespro- überhaupt nicht um Totalität . chen . Es gibt ja bei Ihnen Kolleginnen und Kollegen, die das so praktizieren, was nicht zu kritisieren ist . Aber (Beifall der Abg . [DIE Sie möchten das als Zielrichtung für das Parlament vor- LINKE] – Dr . [CDU/CSU]: geben .– Ein weiteres Beispiel: Ein Abgeordneter muss Auf dem Auge sind Sie blind! Das ist be- damit rechnen, dass er aufgrund des Bruttoumsatzes auf kannt!) seinem Bauernhof als Topverdiener angeprangert wird . Die Vorschläge geben überhaupt nicht her, was dort un- All das sind Regelungen, die wir schon haben und die terstellt wurde . Aber worum es sehr wohl ging, war: De- alle ihren Sinn machen; aber ihre Wirkung ist manchmal mokratie für alle . fraglich . (Beifall bei der LINKEN) Lassen Sie mich abschließend sagen: In den letzten Wahlperioden hat jeder Bundestag das Mandat ein Stück Jeder bzw . jede soll wissen können, wie Entscheidun- weiter reglementiert . Lassen Sie mich die Sorge äußern: gen, die unter anderem auch sie betreffen, zustande ge- Zumindest mir macht das im Hinblick auf die Entwick- kommen sind . Abgeordnete wurden gewählt, das stimmt; (B) lung des Parlamentes durchaus Sorgen . Wir sollten das Interessenvertreter dagegen nicht . Oft genug hinterlassen (D) bitte in Gänze im Auge behalten . Auch Ihr Antrag, Ihre Lobbyisten ihren Fußabdruck nämlich gar nicht nur im Initiative würden weiter in eine solche Richtung führen . Bundestag, sondern vor allem auf der Ebene der Minis- Haben wir Vertrauen ins freie Mandat! terien. Sie arbeiten mit an der Problemdefinition, sie ar- beiten mit an Gesetzentwürfen und bei der Ausrichtung (Frank Tempel [DIE LINKE]: Aber kein blin- von Förderprogrammen, und das alles lange vor den Ab- des!) geordneten . Das ist von uns auch gemeint und mit einbe- Vielen Dank . zogen . Deshalb habe ich gesagt: Wir reden hier nicht nur über den Bundestag . (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dagmar Ziegler [SPD]) Kommen Vorlagen ins Parlament, dann waschen die Lobbyisten noch einmal nach . Sie haben es doch selber erlebt: Sie haben gewissermaßen eine zweite Chance, die Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Interessen ihrer Auftraggeber einzuspülen . Und natürlich Vielen Dank . – Dr . Petra Sitte ist jetzt die nächste Red- bleibt das nicht ohne Rückwirkung auf die Unterstützung nerin für die Fraktion Die Linke . von Parteien bzw . nicht ohne Wirkung auf Wahlkämpfe . (Beifall bei der LINKEN) Ich darf Sie daran erinnern: Es gab hier schon mas- siven Druck, beispielsweise von der Springer-Verlags- Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): gruppe, als es um das Leistungsschutzrecht ging . Da hat Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mensch, man sich ein Geschäftsmodell vom Bundestag gesetzlich Herr Kaster, ich wusste gar nicht, dass es ein Opfer ist, schaffen lassen . Damit wurde dann eben auch gleich im Bundestag zu sitzen . mal die innovative mittelständische Konkurrenz, näm- lich kleine und mittelständische Unternehmen, in dieser (Beifall bei der LINKEN – Dr .Volker Ullrich Branche zur Seite gedrängt . Das Gleiche droht jetzt bei [CDU/CSU]: Das hat er gar nicht gesagt! Das der Netzneutralität . war eine sehr gute Rede von ihm!) Machen wir uns doch nichts vor: Natürlich weiß ich, Noch eine kleine Vorbemerkung möchte ich gerne dass jeder von uns ein mündiger Bürger ist und dass man machen: Die Opposition, sowohl die Grünen als auch gelegentlich sehr fest im Glauben sein muss . Aber Big wir Linken, hat Konzepte für eine umfassende Transpa- Player haben doch eine ganz andere Möglichkeit, in die- renzoffensive vorgelegt . Diese gehen selbstverständlich sen Bundestag – in Anführungsstrichen – „hineinzure- über das Lobbyistenregister, das wir jetzt diskutieren, hi- gieren“ . Sie wissen genauso gut wie ich, dass sie in der 17504 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Dr. Petra Sitte (A) Politik bestens vernetzt sind . Selbstverständlich können Vizepräsidentin Ulla Schmidt: (C) Medienkonzerne wie Springer für oder gegen Parteien Vielen Dank .– Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Wahlkämpfe machen . Kollegin Sonja Steffen . Andere Beispiele waren und sind der Einfluss der Au- (Beifall bei der SPD) tomobilindustrie auf die Bundesregierung bei der Fest- legung von Schadstoffgrenzwerten oder der Einfluss der Sonja Steffen (SPD): Energieriesen auf die Regularien des Atomausstiegs . Umweltverbände hatten nicht annähernd die gleichen Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Möglichkeiten . Liebe Gäste auf den Tribünen! Mal eben was im Bundestag regeln? Kurz beim zu- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie ständigen Ausschussvorsitzenden anklopfen und ein der Abg . Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/ Anliegen vorbringen? DIE GRÜNEN]) So beginnt ein Artikel der Süddeutschen Zeitung aus dem Dieser Chancenungleichheit zwischen den Interessen- Februar 2016 mit der Überschrift „Durch die Hintertür“ . gruppen sollen unsere Vorschläge ebenfalls entgegenwir- ken . (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Lesen Sie lieber die Welt!) Sie merken: Wir sind gar keine „Lobbyistenfresser“, wie uns unterstellt wird . Wir halten es für völlig normal, Zahl und Namen der Lobbyisten hat die Bundestags- dass in einer modernen Demokratie vielfältig Interes- verwaltung nach einem entsprechenden Beschluss des sen vertreten werden: von Wirtschaftsunternehmen, von Verwaltungsgerichts Berlin vor einiger Zeit veröffent- Verbänden, von Nichtregierungsorganisationen, von Ge- licht, und im Februar 2016 hat der Ältestenrat des Deut- werkschaften, von Forschungseinrichtungen, von Bür- schen Bundestages beschlossen, dass Unternehmensver- gerinitiativen oder eben auch von Bundesländern; das ist treter zukünftig keine Hausausweise mehr bekommen . doch völlig klar . So einfach durch die Hintertür sind die Dinge heute nicht mehr . Das bedeutet, dass die Ausgabe von Dauerauswei- (Dr .Volker Ullrich [CDU/CSU]: Der Bundes- sen, mit denen man sich früher im Bundestag frei bewe- rat arbeitet mit! Der ist Verfassungsorgan! Le- gen konnte, inzwischen sehr stark eingeschränkt worden sen Sie das Grundgesetz!) ist. Man muss sich in ein offizielles Lobbyistenregister Politik muss sich aber am Gemeinwohl orientieren, und eintragen lassen, und man muss einem Verband angehö- in diesem Sinne ist es notwendig und sinnvoll, wenn wir ren . (B) in der Gesetzgebung oder in der Antragsberatung die ver- Ich zitiere jetzt mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, (D) schiedenen Perspektiven aufnehmen . Herrn Hackmack, den Geschäftsführer von abgeordne- (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- tenwatch .de . Er ist nicht unbedingt immer ein Befürwor- NIS 90/DIE GRÜNEN) ter der Arbeit des Deutschen Bundestages und schaut sehr kritisch auf die Dinge . Er sagt zu dieser Entschei- Entscheidungen sind seit 1972 ein wenig komplexer dung des Ältestenrates: geworden, Herr Kaster . Der Beratungsbedarf ist gewach- sen . Schließlich entstehen die meisten Gesetze nicht hier Dass die Lobbyisten von Rüstungs- und Autokon- im Haus, sondern zu 75 Prozent bei der Bundesregierung . zernen zukünftig nicht mehr nach Belieben im Bun- Wir als Abgeordnete müssen uns oftmals, so wie Sie es destag ein und aus gehen können, ist ein wichtiger beschrieben haben, selbstständig mit einer Materie be- Schritt auf dem Weg zu einer transparenten und sau- schäftigen . Dazu gehören nicht nur öffentliche Anhörun- beren Politik . gen, dazu gehören eben auch vielfältige Einzelgespräche . Die SPD-Fraktion begrüßt diesen Beschluss des Ältes- Das ist völlig legitim . Wir verurteilen das auch gar nicht . tenrates daher ausdrücklich . Wir wollen nur, dass solche Vorgänge nachvollziehbar und transparent sind . Deshalb haben wir mit unserer Of- (Beifall bei der SPD) fensive auch in der Verwaltung angesetzt . Damit ist jedoch der Forderung der Fraktion Die Lin- Nach einer Studie von Transparency International ist ke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen noch nicht Deutschland in Sachen Korruption auf Platz 16 gelan- entsprochen . Wir diskutieren ja heute über Anträge zur det – es wurden 19 Länder und 3 Einrichtungen der EU Einführung eines verbindlichen Lobbyistenregisters, und untersucht . Auf EU-Ebene haben alle Einrichtungen ein hierbei geht es eben nicht nur um Dauerausweise; denn Lobbyistenregister . Mit den von uns vorgeschlagenen egal ob mit oder ohne Hausausweis, es wird immer Lob- Maßnahmen können wir nicht nur unsere Platzierung bygespräche geben . Sie sind uns übrigens – das haben aufhübschen, sondern wir können vor allem ein gutes Herr Kaster und übrigens auch Frau Sitte schon gesagt – demokratisches Werk tun . Herr Kaster, solange Sie Ihre sehr wichtig, und sie sind im Übrigen für alle Abgeordne- modrige Meinung nicht verändern, werden wir solche ten wichtig . Das Grundgesetz erlaubt jedem, seine Inte- Anträge stellen . ressen zu vertreten . Kein Interesse wird ausgeklammert . Ob es um die Position der Umweltorganisationen geht, (Beifall bei der LINKEN – Dr .Johann um wirtschaftliche Standpunkte von Unternehmen oder Wadephul [CDU/CSU]: Unglaublich! Was um Auffassungen von Sozialträgern, spielt aus verfas- soll denn das?) sungsrechtlicher Sicht keine Rolle . Unsere Demokratie Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17505

Sonja Steffen (A) lebt vom freien Austausch der Gedanken und vom Inte- Selbstbestimmung eingreift . Dass das freie Mandat an (C) ressenausgleich, und das gilt für diesen Bundestag erst dieser Stelle betroffen sein soll, sehe ich wirklich nicht . recht . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD sowie des Abg . Bernhard der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Kaster [CDU/CSU]) GRÜNEN) Mir ging es in den letzten Tagen genauso wie Ihnen Aber die kritischen Argumente gegen ein verbindli- allen: Ich habe verschiedene Gespräche geführt; ich lege ches Lobbyistenregister dominieren derzeit – derzeit; sie hier gerne offen . Meine Gesprächspartner kamen von man weiß ja nie – noch bei den Koalitionskollegen der der IHK Mecklenburg-Vorpommern, von Verdi, von der CDU/CSU und hindern uns von der SPD-Fraktion, Ihrem Impfallianz Gavi . Glauben Sie mir, diese Gespräche und Antrag zuzustimmen . der Austausch, den sie ermöglichen, sind extrem wichtig, sowohl für diejenigen, die etwas von uns erwarten bzw . (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) ihre Anliegen vorbringen wollen, als auch umgekehrt für Das ist schade, aber es gibt eine Koalitionstreue, und an uns . Wir informieren uns in dieser Hinsicht gerne . Daher die halten wir uns . wird sich über Sinn und Zweck dieser Gespräche nie- mand große Sorgen machen müssen . (Dr .Volker Ullrich [CDU/CSU]: Eine ganz arme Argumentation ist das! – Weitere Zuru- Im Übrigen finde ich es ganz schade, dass der Begriff fe von der CDU/CSU – Dr .André Hahn [DIE des Lobbyisten und des Lobbyismus so sehr verbrannt LINKE]: Freies Mandat!) ist . Das meinen übrigens auch die sogenannten Lobbyis- ten selber . Auch ich war in der Anhörung am 11 .Mai, Ich möchte an dieser Stelle aber noch einmal aus- und wir haben alle gehört, dass auch die Lobbyverbände drücklich erwähnen, dass sich die Bilanz der Erfolge dort gesagt haben, sie wünschen sich ein verbindliches der Koalition – jetzt lobe ich uns – doch sehen lassen Lobbyistenregister . kann . Es ist zwar schon gesagt worden, aber vielleicht noch nicht so deutlich: Wir haben in dieser Legislatur die (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung neu eingeführt . NEN]: Ja!) Wir haben eingeführt, dass es eine gesetzliche Karenzzeit Denn mit einem verbindlichen Lobbyistenregister, für den Wechsel von Regierungsmitgliedern in die Wirt- Herr Kaster, wäre unserer Meinung nach viel getan . schaft gibt . Ich habe eingangs schon gesagt, dass wir die Dann käme nämlich endlich der Lobbyismus aus seiner Erteilung von Hausausweisen sehr reglementiert und ihre Schmuddelecke heraus . Zahl sehr stark verringert haben . Ich will an dieser Stelle (B) noch ausdrücklich betonen: Wir von der SPD-Fraktion (D) (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem werden unser Ziel eines verbindlichen Lobbyistenregis- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ters nicht aus den Augen verlieren . Es geht nun einmal um nichts Geringeres als das Vertrau- (Dr .Volker Ullrich [CDU/CSU]: Wie lange en der Bürgerinnen und Bürger in das staatliche Handeln wollen Sie sich eigentlich noch von der Links- und um Transparenz als wichtiges Argument dazu . partei binden lassen?) Ich meine, das tut uns im Übrigen überhaupt nicht Vielen Dank . weh . Im Gegensatz zu dem, was unsere Koalitionskolle- gen äußern, geht es nicht darum, dass wir sozusagen die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Hosen runterlassen, dass wir uns für alle Gespräche, die des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der wir führen, öffentlich rechtfertigen müssen, Abg . Dr . Petra Sitte [DIE LINKE])

( [CDU/CSU]: Natürlich!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: sondern es geht genau um die andere Seite: Es geht nur Vielen Dank . – Britta Haßelmann ist jetzt die nächste darum, dass die Lobbyverbände ihre Anliegen und ihre Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen . Hintergründe offenlegen müssen . Das hat also mit einem Nackigmachen des Parlamentariers wirklich nichts zu Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): tun . Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Meine Damen und Aber ich gebe zu, es gab auch kritische Stimmen in Herren! Kolleginnen und Kollegen! Der Austausch von der Anhörung . Ich habe die Wucht nicht so empfunden Politik und Interessenvertreterinnen und Interessenver- wie Sie; Sie hatten vorhin gesagt, das war verheerend tretern ist für eine funktionierende Demokratie wichtig . für das Team, das für ein verbindliches Lobbyistenregis- Lobbyistinnen und Lobbyisten bringen wichtige Erfah- ter ist . Ich habe es anders vernommen, aber wir haben rungen aus ihrer Praxis in den Prozess der politischen auch die kritischen Stimmen gehört, und ich kann mir Meinungsbildung ein; so ist es . Gleichwohl hat aber der vorstellen, dass meine Kollegin gleich auch auf einen Einfluss von organisierten Vertreterinnen und Vertre- solchen Punkt eingehen wird . Das betrifft beispielsweise tern auf Entstehungs- oder Entscheidungsprozesse von die Offenlegung von finanziellen Dingen. Da, denke ich, Gesetzen in den letzten Jahren erheblich zugenommen . müsste man wirklich noch einmal schauen, ob das mög- Daher muss Lobbytätigkeit im Bereich der politischen licherweise zu sehr in das Recht der informationellen Entscheidung für die Öffentlichkeit transparent sein . Das 17506 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Britta Haßelmann (A) sollte uns allen doch eine Selbstverständlichkeit sein, ten und 3 EU-Institutionen untersucht wurden . Wissen (C) meine Damen und Herren . Sie, auf welchem Platz Deutschland darin gelandet ist? Auf Platz 16 . Das heißt, wir haben hier erheblichen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Nachholbedarf . Inzwischen haben acht europäische Län- sowie bei Abgeordneten der SPD und der der und europäische Institutionen ein solches Lobbyre- LINKEN) gister . In Kanada und den USA gibt es seit Jahrzehnten Wir als deutsches Parlament sind in diesem Selbst- verpflichtende Lobby- und Transparenzregister. Was also verständnis eben nicht ganz weit vorn, liebe Kollegin- veranlasst Sie, bei diesem alten Hut zu bleiben und ge- nen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion . Ich frage betsmühlenartig davon abzulenken, dass mehr Transpa- mich nach der Rede von Herrn Kaster wirklich: Was bau- renz in unser aller Interesse ist, nicht nur im Interesse des en Sie hier in der Abwehr gegen ein solches Transparenz- Parlaments, meine Damen und Herren? und Lobbyistenregister eigentlich für einen Popanz auf? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich will zum Schluss noch ein Beispiel nennen, den Wissen Sie eigentlich nicht, dass nicht nur wir im Par- legislativen Fußabdruck . Schon einmal etwas davon ge- lament dafür streiten, sondern dass längst viele Verbän- hört, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union? de, viele Unternehmen und Institutionen, deren Vertreter Wäre es nicht für uns Parlamentarier, aber auch für die nicht nur hier im Bundestag, sondern auch im Europapar- Öffentlichkeit wichtig, ganz deutlich und unmissver- lament und in der Kommission ein und aus gehen, sich ständlich dargelegt zu bekommen, und zwar ohne ent- dort den Regeln eines Transparenz- und Lobbyistenregis- sprechende Fragen an die Bundesregierung, wie viele ters selbstverständlich unterziehen? Sie empfinden das Großkanzleien, wie viele Interessenverbände, wie viele nämlich als hilfreich; denn dann steht man nicht mehr in Unternehmen möglicherweise auf einen Gesetzentwurf, einer Ecke nach dem Motto: Gibt es da einen Einfluss, der dem Parlament vorliegt und hier beraten wird, Ein- den keiner kennt und den keiner beurteilen kann? Wann fluss genommen haben? Das wäre doch für uns alle wich- kommen Sie endlich zu dieser Einsicht? Reden Sie doch tig zu wissen, einmal mit den Unternehmen und den Verbänden, die nicht nur im deutschen Parlament und bei der Regierung (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ein und aus gehen, sondern auch auf europäischer Ebene . NEN]: Das wird man doch mal wissen dür- Deren Vertreter unterziehen sich alle einer solchen Re- fen!) gistrierung, wie wir Grüne oder auch die Linken das in für uns Abgeordnete und für die Öffentlichkeit . Warum (B) den entsprechenden Anträgen fordern . sträuben Sie sich dagegen? (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) und bei der LINKEN) Da sollten Sie doch ein bisschen auf der Höhe der Zeit Durch die von uns vorgeschlagene Registrierung würde sein und nicht immer auf die Verbändeliste von 1972 auch der legislative Fußabdruck ganz deutlich gemacht verweisen . Seitdem haben wir doch ganz andere Trans- werden . Von daher, meine Damen und Herren, führen parenzanforderungen, sowohl an die deutsche Gesetzge- Sie doch nicht diese Old-fashion-Debatten in Abwehr- bung als auch an das Parlament und an die Bundesregie- schlachten, sondern nähern Sie sich einmal sachlichen rung . Denken Sie nur an das Informationsfreiheitsgesetz . Argumenten an! Warum bauen Sie hier einen solchen Popanz auch im Hinblick auf das freie Mandat auf? Herr Uhl, ich bin gespannt, ob Sie gleich über die An- hörung reden werden, bei der Sie bei der Beantwortung (Dr .Volker Ullrich [CDU/CSU]: Der Vor- Ihrer Frage noch nicht einmal mehr da waren . schlag der Linken zum Informationsfreiheits- gesetz war einfach schlecht!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Niemand stellt das freie Mandat infrage,

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Doch!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: auch in meiner Fraktion nicht . Das ist ganz bedeutend . Vielen Dank . – Dazu hätte der Kollege Dr .Hans-Peter Das wissen wir gerade in diesen Tagen, in denen wir die- Uhl jetzt Gelegenheit; denn er ist der nächste Redner für se massiven Auseinandersetzungen mit Herrn Erdogan die CDU/CSU-Fraktion . Bitte schön . haben . (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]) Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Daher wissen wir das freie Mandat zu schätzen und wis- Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und sen es auch zu verteidigen . Also, kommen Sie mir nicht Kollegen! Frau Haßelmann, nach Ihrer aufgeregten Spra- mit solchen Sachen . che Im Jahr 2015 hat Transparency International die Studie (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ge- „Lobbying in Europe“ veröffentlicht, in der 19 EU-Staa- nau!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17507

Dr. Hans-Peter Uhl (A) und der Art und Weise, mit diesem Thema umzugehen, Sinne des Grundgesetzes, das ihm Vorgetragene nicht (C) dass Sie vom legislativen Fußabdruck sprechen, also selber einordnen und beurteilen kann . Ich verstehe mein in der Sprache der Kriminalpolizei, als müssten Sie auf Amt so, dass man mir das Vertrauen gegeben hat, aus den Spurensuche gehen, wo hier im Haus zwischen den Ab- vielfältigen Meinungen, die mir vorgetragen werden – geordneten Straftaten begangen worden sind, frage ich immer aus Partikularinteresse heraus –, das Gemeinwohl mich schon: Was sind das für verwirrte Geister, die hier herauszuarbeiten und dieses abstrakt in Regelungen und am Rednerpult stehen? Gesetzen zu formulieren . Das ist unsere Aufgabe, und dafür werden wir bezahlt . (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜND- (Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke NISSES 90/DIE GRÜNEN) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU Es sind undurchdachte Anträge, die Sie hier vorgelegt wurde auch für anderes bezahlt!) haben . Es ist immer ärgerlich, wenn man sich mit solchen Die Menschen haben Vertrauen darin . Das sollte nicht Anträgen herumschlagen muss, vor allem dann, wenn sie kriminalisiert werden . Deswegen müssen wir die Parti- von den Linken und den Grünen in bürgernaher Attitüde kularinteressen aufnehmen, anhören und etwas Vernünf- vorgetragen worden sind . tiges daraus machen . Nach den Vorschlägen der Antragsteller ist Lobbyis- Wenn Sie diese Gespräche, dieses Vortragen von Par- mus offensichtlich etwas ganz Schlimmes . tikularinteressen durch Interessenvertreter, kriminalisie- (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ren, NEN]: Nein! – Dr .Petra Sitte [DIE LINKE]: (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das will Nein!) doch niemand!) – Doch . – Lobby, das war und ist teilweise noch die mit Misstrauen überziehen und „Fußabdrücke“ entde- Wandelhalle im englischen und im amerikanischen Par- cken wollen, dann wollen Sie Misstrauen säen . lament, in der den Abgeordneten Meinungen und Ansich- ten von Bürgern vorgetragen worden sind . Daher kom- (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- men die Wörter „Lobby“ und „Lobbyisten“ . NEN]: Absurd!) (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sie wollen, dass die Gesprächspartner online an den NEN]: Ja, das ist so!) Pranger gestellt werden . Das ist Ihre Absicht . Schon im Altertum kam in der Politik vor dem „parla- (Dr .Petra Sitte [DIE LINKE]: Ist das Old (B) re“, dem Reden, Frau Haßelmann, School! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/ (D) (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- DIE GRÜNEN]: Absurd!) NEN]: Ja, man kann auch engagiert reden!) Das Wesensmerkmal der Demokratie heißt Interessen- das „audire“, das Hören . Von „audio“ kommt übrigens vertretung . Das Wesensmerkmal der Demokratie ist der das Wort „Audienz“ . Der Gedanke „erst hören, dann re- Wettbewerb der Meinungen . Möglichst viele Interessen den“ gilt auch für die heutige Demokratie . und Stimmungen der Gesellschaft sollen aufgenommen werden, und zwar von uns, von niemand anderem, weil (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: wir daraus Gesetze machen sollen . Jetzt lassen Sie doch mal Ihre Arroganz!) (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Das freie Mandat – das haben wir in der Anhörung NEN]: Wollen Sie die Spenderliste nicht end- gelernt; Sie hätten da zuhören sollen – hat grundrechts- lich offenlegen?) gleichen Charakter, Artikel 38 Grundgesetz, und ist der Mittelpunkt der gelebten parlamentarischen Demokratie . Das nennt man responsive Demokratie . Haben Sie davon (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schon gehört, Frau Sitte? NEN]: Im Gegensatz zu Ihnen war ich die (Dr .Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja! Aber Sie ha- ganze Zeit bei der Anhörung anwesend!) ben noch nichts vom legislativen Fußabdruck Wir Abgeordnete, vom Volk gewählt, genießen das Ver- gehört!) trauen der Mehrheit des Volkes . Diesem Vertrauen sollten Wer den Prozess der responsiven Demokratie bürokra- wir gerecht werden; wir sollten uns nicht kleiner machen, tisch reglementieren will, der sorgt nicht für mehr, son- als wir sind . Das Volk hat Vertrauen in uns . dern für weniger Demokratie . (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . (Beifall bei der CDU/CSU) Dagmar Ziegler [SPD]) Neben so anmaßenden Einrichtungen wie Abgeord- Wir sollten uns auch nicht ohne Not „kriminell“ machen, netenwatch soll es jetzt also eine Informations- und Ge- indem wir vom Fußabdruck reden, den wir oder andere sprächswatch geben . Das ist Ihre Absicht . Der Fähigkeit eventuell in den Zimmern hinterlassen haben . Das ist al- des Abgeordneten zur Einordnung und Abwägung wird les dummes Zeug . nicht vertraut . „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ – Die Linken und die Grünen meinen, dass der Abge- dieses Schlagwort, das Lenin zugeschrieben wird, wird ordnete, der von uns wohlverstandene Abgeordnete im heute eher scherzhaft benutzt . Es hat aber im Lauf der 17508 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

Dr. Hans-Peter Uhl (A) Geschichte der Unfreiheit, Regulierung und Bevormun- Eine Registrierungsbürokratie führt aber keinen (C) dung Tür und Tor geöffnet . Das wollen wir nicht . Schritt weiter . Sie ist ein Bürokratiemonster und zwingt die Parlamentsverwaltung, die typischerweise eine Ser- Meine Fraktion und ich haben Vertrauen in die Ur- viceverwaltung für uns Abgeordnete ist, zu einer Be- teilskraft der Abgeordneten und Ministerialbeamten . hörde zur Kontrolle von Abgeordneten zu werden . Das Wir sind auch nicht bereit, an einer Diskriminierung und wollen wir nicht, und die Parlamentsverwaltung will es Stigmatisierung der Menschen mitzuwirken, die für sich, auch nicht . ihre Unternehmen, ihre privaten Interessen oder für ihre NGOs Gedanken, Konzepte und Anliegen vortragen . Das (Beifall bei der CDU/CSU – Dr .Volker Ullrich darf nicht diskreditiert werden . [CDU/CSU]: Das ist auch verfassungswid- rig! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE Interessant war in der Anhörung die Antwort auf un- GRÜNEN]: Zu welchem Antrag sprechen Sie sere Frage gerade?) (Dagmar Ziegler [SPD]: Auf meine! Das war Das alles ist leerer Aktionismus . Was soll geschehen, meine Frage!) wenn sich ein Abgeordneter mit einem Lobbyisten statt im Abgeordnetenbüro in einem Café auf der anderen – Ihre Frage; das gebe ich gerne zu –, wer von den An- Straßenseite trifft? Das ist nicht geregelt und auch nicht hörpersonen bei den Anträgen der Grünen und der Lin- regelbar . An diesem kleinen Beispiel sehen Sie schon die ken mitgewirkt haben . Unsinnigkeit eines solchen Lobbyistenregisters . Nein, es (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- handelt sich um ein Bürokratiemonster und ist nichts an- NEN]: Was haben Sie denn da enttarnt, Herr deres als Aktionismus . Ein solches Register schadet der Staatsanwalt?) Demokratie und nutzt ihr nicht . Deswegen lehnen wir die beiden vorliegenden Anträge strikt ab . Die angehörten Personen von Transparency Interna- tional haben gesagt: Ja, wir haben die Anträge mitge- Frau Steffen, Sie haben allen Ernstes gesagt – das hat schrieben .– Dann habe ich gefragt: Halten Sie sich denn mich verwundert –, dass Sie den Anträgen gerne zustim- für Interessenvertreter, für Lobbyisten? Da mussten sie men, aber vom Koalitionspartner CDU/CSU daran ge- kleinlaut zugeben: Ja, wir sind insoweit auch Lobbyis- hindert würden . Eine Sozialdemokratin, die so spricht, ten .– Ich wollte schon sagen: Wenn Sie das jetzt nicht wird bei ihren Wählern Stirnrunzeln verursachen . Die zugeben, dann müssten Sie eigentlich zum Psychiater ge- Wähler werden sagen: Dann wählen wir doch gleich lie- hen . – Denn ein Mensch, der keine Interessen hat, sollte ber die Linke – das ist das Original – statt die SPD .– sich in Behandlung begeben . Jeder Mensch hat Interes- Lassen Sie in Zukunft solche Anmerkungen . Sie schaden (B) sen und sollte sie auch offen vortragen können . Ihnen mehr, als dass sie nutzen . (D) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – (Beifall bei der CDU/CSU) Dr .André Hahn [DIE LINKE]: Unterste Schublade!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Die Antragsteller wollen sich die volksnahe Deutung Vielen Dank .– Letzte Rednerin zu diesem Tages- von Lobbyisten als Negativurteil zunutze machen . ordnungspunkt ist jetzt die Kollegin Dagmar Ziegler, SPD-Fraktion . (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der SPD) NEN]: Irgendwie wirkt das alles ziemlich hilf- los!) Dagmar Ziegler (SPD): Das Wort „Lobbyist“ hat schon einen schmutzigen Vielen Dank, Frau Präsidentin .– Liebe Kolleginnen Beiklang und kommt fast einer Beleidigung gleich . Auf und Kollegen! dieser Klaviatur spielen Sie mit diesen beiden Anträgen . (Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Machen Sie Natürlich kann die Grenze zwischen legitimer de- etwas daraus!) mokratischer Interessenvertretung und illegitimer Ein- flussnahme überschritten werden; das ist völlig un- – Genau, daraus mache ich jetzt etwas .– Bestimmte Lob- bestritten . Missbrauch gibt es überall, wo Menschen byisten wollen, dass wir ein Lobbyistenregister einfüh- unterwegs sind . Solche Missstände – zum Beispiel gab ren . Das haben wir heute gelernt . Ja, die SPD-Fraktion es in der Europäischen Kommission Zeiten, wo Vertre- steht dem offen gegenüber . Auch wir wollen ein solches ter des Bankenverbandes Berater der Kommission waren Register . und ihre Bankenrichtlinie gleich selbst geschrieben ha- (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem ben – muss man offen ansprechen und abstellen; das ist BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) selbstverständlich . Missstände muss man erkennen, und man muss ihnen entgegentreten . Dafür haben wir aber Es ist gut, wenn Bürgerinnen und Bürger – genauso wie schon Gesetze und Regelungen . Ich nenne stellvertretend in den Gelben Seiten – nachlesen können, welche Inte­ § 108e Strafgesetzbuch, in dem wir geregelt haben, dass ressenvertreter Kontakte zu den Parlamentariern und der der Stimmenkauf und -verkauf bei Wahlen und Abstim- Verwaltung pflegen. Es ist auch gut, wenn Parlamentarier mungen strafbar ist . Das ist doch selbstverständlich, und und Verwaltung wissen, wen sie zur Bereicherung ihres dies sollten wir auch offen ansprechen . Wissens und für die Abwägung bei ihrer Meinungsbil- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17509

Dagmar Ziegler (A) dung hinzuziehen können . Wir alle sind uns einig – weil mehr Selbstbewusstsein dem Generalverdacht ent- (C) durch Osmose nicht möglich –, dass Kontaktpflege und gegenzutreten, wonach Intransparenz das neue Böse Inanspruchnahme des Fachwissens anderer notwendig schlechthin sein soll . sind, um als Verwaltung gute Gesetzentwürfe erarbei- ten und als Abgeordnete gute Entscheidungen treffen zu Dem ist, glaube ich, nichts hinzuzufügen . können; das ist unbestritten . Aber das war es dann auch Danke und ein schönes Wochenende . schon . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Gemeinsam vermeiden sollten wir solche Unterstel- lungen wie die im Antrag der Linken formulierten, dass Lobbyarbeit auch illegale Einflussnahme bis hin zu Kor- Vizepräsidentin Ulla Schmidt: ruption sein kann . Natürlich ist im Leben alles möglich . Vielen Dank . – Die Aussprache ist damit beendet . Wenn das aber immer als Erklärungsgrund dient, warum Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- es ein Lobbyistenregister geben muss, dann hat Herr Uhl empfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immuni- zu Recht gesagt, dass man das auch im Café nebenan er- tät und Geschäftsordnung auf Drucksache 18/8742 . Der ledigen kann . Um das zu vermeiden, bedarf es eines sol- Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschluss- chen Registers nicht . Sie sollten diesen Zusammenhang empfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die so nicht herstellen . Linke auf Drucksache 18/3842 mit dem Titel „Trans- (Beifall bei der SPD) parenz herstellen – Einführung eines verpflichtenden Lobbyistenregisters“ . Wer stimmt für diese Beschluss- Denn damit machen Sie das Parlament und die Parlamen- empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält tarier klein . Nach Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grund- sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen gesetzes gibt es nun einmal das Recht auf vertrauliche der CDU/CSU- und SPD-Fraktion gegen die Stimmen Kommunikation mit Interessenvertretern zur Entwick- der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion lung und gegebenenfalls zur Verwerfung neuer Ideen . Bündnis 90/Die Grünen angenommen . Die Verhaltensregeln des Deutschen Bundestages und das Strafgesetzbuch legen hier die Grenzen eindeutig Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung emp- fest . Ziehen Sie das also bitte nicht als Begründung eines fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Frak- Lobbyistenregisters heran! tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/3920 mit dem Titel „Transparenz schaffen – Verbindliches Regis- Wir sagen Ja zu einem Lobbyistenregister, wenn ein ter für Lobbyistinnen und Lobbyisten einführen“ . Wer Koalitionsvertrag das hergibt, aber ein klares Nein zu ei- stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt (B) ner Strategie der Unterstellungen und Verdächtigungen, dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfeh- (D) die der demokratischen Willensbildung am Ende Scha- lung ist mit den Stimmen der CDU/CSU- und SPD-Frak- den zufügen . Herr Monath vom Tagesspiegel bringt es tion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der auf den Punkt – ich darf zitieren, Frau Präsidentin –: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen . Mehr Transparenz kann sicher Korruption oder Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Menschenrechtsverletzungen erschweren und auch Schluss unserer heutigen Tagesordnung . Teilhabe ermöglichen . Als Allheilmittel, um Ver- trauen in die Politik zurückzugewinnen, taugt sie Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- nicht . Denn Grenzen gegen „Transparenzterror“ tages auf Mittwoch, den 22 . Juni 2016, 13 Uhr, ein . (so der Berliner Philosoph Byung-Chul Han) blei- Die Sitzung ist geschlossen . Ich wünsche Ihnen eine ben weiter notwendig . Viele politische Entschei- gute Heimreise und hoffentlich etwas Zeit am Wochen- dungsprozesse, gerade in Demokratien, brauchen ende . einen geschützten Raum, wenn sie gute Ergebnis- se bringen sollen . Allein das ist Grund genug, mit (Schluss: 12 .16 Uhr)

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 17511

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ 10 .06 .2016 Scho-Antwerpes, Elfi SPD) 10 .06 .2016 DIE GRÜNEN Schulz-Asche, Kordula BÜNDNIS 90/ 10 .06 .2016 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 10 .06 .2016 DIE GRÜNEN

Bülow, Marco SPD 10 .06 .2016 Spahn, Jens CDU/CSU 10 .06 .2016

Felgentreu, Dr . Fritz SPD 10 .06 .2016 Steinbach, Erika CDU/CSU 10 .06 .2016

Ferner, Elke SPD 10 .06 .2016 Steinbrück, Peer SPD 10 .06 .2016

Flachsbarth, Dr . Maria CDU/CSU 10 .06 .2016 Strothmann, Lena CDU/CSU 10 .06 .2016

Gröhe, Hermann CDU/CSU 10 .06 .2016 Tack, Kerstin SPD 10 .06 .2016 Tressel, Markus BÜNDNIS 90/ 10 .06 .2016 Grötsch, Uli SPD 10 .06 .2016 DIE GRÜNEN

Heck, Dr . Stefan CDU/CSU 10 .06 .2016 Veit, Rüdiger SPD 10 .06 .2016

(B) Lämmel, Andreas G . CDU/CSU 10 .06 .2016 Wagenknecht, Dr . Sahra DIE LINKE 10 .06 .2016 (D)

Lerchenfeld, Philipp CDU/CSU 10 .06 .2016 Weinberg, Harald DIE LINKE 10 .06 .2016 Graf Werner, Katrin DIE LINKE 10 .06 .2016 Leutert, Michael DIE LINKE 10 .06 .2016 Wicklein, Andrea SPD 10 .06 .2016 Leyen, Dr . Ursula von CDU/CSU 10 .06 .2016 der Anlage 2

Liebing, Ingbert CDU/CSU 10 .06 .2016 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ 10 .06 .2016 gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von DIE GRÜNEN einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absehen: Maizière, Dr . Thomas CDU/CSU 10 .06 .2016 Ausschuss für Wirtschaft und Energie de – Unterrichtung durch die Bundesregierung Malecha-Nissen, Dr . SPD 10 .06 .2016 Bundesbericht Energieforschung 2016 Birgit Forschungsförderung für die Energiewende Müller (Chemnitz), SPD 10 .06 .2016 Drucksachen 18/8200, 18/8461 Nr. 1.2 Detlef Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol- Petzold, Ulrich CDU/CSU 10 .06 .2016 genabschätzung

Rawert, Mechthild SPD 10 .06 .2016 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Deutschlandsti- Riesenhuber, Dr . Heinz CDU/CSU 10 .06 .2016 pendium über die Ergebnisse der Evaluation nach 17512 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016

(A) § 15 des Stipendienprogramm-Gesetzes und der Ausschuss für Bildung, Forschung und (C) Begleitforschung Technikfolgenabschätzung Drucksache 18/7890 Drucksache 18/8293 Nr . A .14 Ratsdokument 7571/16 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- Ausschuss für die Angelegenheiten der onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Europäischen Union Beratung abgesehen hat . Drucksache 18/3618 Nr . A .4 Ratsdokument 16115/14 Petitionsausschuss Drucksache 18/3962 Nr . A .1 Drucksache 18/7612 Nr . A .1 Ratsdokument 5112/15 Drucksache 18/6855 Nr . A .17 EP P8_TA-PROV(2016)0021 Ratsdokument 13669/15 Drucksache 18/7286 Nr . A .25 Ratsdokument 14270/15 Innenausschuss Drucksache 18/7286 Nr . A .26 Drucksache 18/6855 Nr . A .1 Ratsdokument 14272/15 EP P8_TA-PROV(2015)0388 Drucksache 18/7422 Nr . A .31 Drucksache 18/7286 Nr . A .3 Ratsdokument 15362/15 Drucksache 18/7934 Nr . A .30 Ratsdokument 13819/15 EP P8_TA-PROV(2016)0050 Drucksache 18/8293 Nr . A .1 Drucksache 18/8140 Nr . A .25 Ratsdokument 6651/16 EP P8_TA-PROV(2016)0058 Drucksache 18/8668 Nr . A .14 Drucksache 18/8470 Nr . A .31 Ratsdokument 8491/16 EP P8_TA-PROV(2016)0133

(B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 177 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 10 . Juni 2016 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333