Krattigen: Dorf mit Weitblick

Schlussbericht der HAFL-Projektwoche in Krattigen BE

10. - 14. Februar 2020

Zollikofen, 03.03.2020

Berner Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften Länggasse 85, 3052 Zollikofen

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 3 1.1 Ausgangslage und Ziele der Projektwoche 3 1.2 Ablauf der Woche 3 1.3 Aufbau des Berichtes 3 1.4 Dank 4 2 Methode der Projektwoche 5 3 Kurzportrait Gemeinde Krattigen 6 4 Dienstleistungen und Infrastruktur 7 Dienstleistungen des täglichen Bedarfes 8 4.1 Dorfladen 8 4.2 Post 8 4.3 Bank 8 4.4 Restaurants 8 Gesundheitsversorgung 8 4.5 Spitex 9 4.6 Altersheim Oertlimatt 9 4.7 Dorfarzt 9 Verkehr 9 4.8 Autoverkehr 9 4.9 Öffentlicher Verkehr 10 Ökosystemdienstleistungen: Biodiversität, Landwirtschaft, Wald- und Forstwirtschaft, Seebad 10 4.10 Biodiversität 10 4.11 Wald 11 4.12 Seebad 11 5 Zusammenleben 12 Dorfbewohner 12 5.1 Neuzuzüger aus der Sicht der Einheimischen 12 5.2 Einheimische aus der Sicht der Neuzuzüger 13 Landwirtschaft 13 5.3 Landwirte und Einwohner 13 5.4 Jugendliche 14 Ältere Leute 14 5.5 Anmerkungen von älteren Leuten 14 5.6 Sichtweisen der Dorfbewohner gegenüber älteren Leuten im Dorf 14 6 Schule in Krattigen 15 Wünsche der Kinder für in 10 Jahren 16 7 Zusammenarbeit 17 Gemeinde – Bevölkerung 17 7.1 Kommunikation 17 7.2 Engagement der Gemeinde 17 7.3 Politisches Engagement in der Gemeinde 17 Engagement der Bevölkerung 17 Durchmischung 18 7.4 Kinder 18 7.5 Treffpunkte 18 7.6 Events 18 7.7 Kritische Aussagen 18 Ideen und Vorschläge 18 7.8 Mögliche Ansätze 18 7.9 Mögliche Treffpunkte 19 7.10 Ideen der Bevölkerung 19 7.11 Herausforderungen bei der Zusammenarbeit 19

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | University of Applied Sciences 1

8 Wachstum und Entwicklung 20 8.1 Blick in die Vergangenheit 20 8.2 Bevölkerungswachstum 20 8.3 Vereine/Kultur 20 8.4 Tourismus 21 8.5 Schule 21 8.6 Jugend 21 8.7 Rigips 21 10 Krattigen und seine Umgebung 23 11 Anhang 25

Kontaktadressen: Dr. Christine Jurt Stefanie Graf Hochschule für Agrar-, Forst- und Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL Lebensmittelwissenschaften HAFL Länggasse 85 Länggasse 85 3052 Zollikofen 3052 Zollikofen Tel: 031 910 22 03 Tel: 031 910 29 58 E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected]

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 2

1 Einleitung

1.1 Ausgangslage und Ziele der Projektwoche Der vorliegende Bericht wurde von Studierenden der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebens- mittelwissenschaften (HAFL) im Rahmen einer Projektwoche in der Gemeinde Krattigen erarbei- tet. Die HAFL-Projektwoche stand unter dem Titel „Krattigen in 10 Jahren!“ und hatte zum Ziel, die in Krattigen vorhandenen Ideen und Ansichten zur Zukunft des Dorfes zusammenzutragen. Gleichzeitig war die Projektwoche ein Ausbildungsmodul für Bachelor-Studierende der HAFL. Sie lernten während dieser Woche, ein aktuelles Thema mittels der so genannten PLA-Methode (Participatory Learning and Action) zu bearbeiten.

1.2 Ablauf der Woche Nach einer Einführung in die Methode führte der Gemeindepräsident Stefan Luginbühl die Stu- dierenden in einer sogenannten Querschnittswanderung durch das Dorf. Er sprach über die Geschichte, die Verwaltung, die Struktur sowie aktuelle Debatten innerhalb der Gemeinde. Die Studierenden hatten dabei die Möglichkeit erste Fragen zur Gemeinde zu stellen. Am Dienstag und Mittwoch führten die Studierenden insgesamt 37 Küchentischgespräche mit Einwohnerin- nen und Einwohnern von Krattigen durch. Zwei Studierende besuchten zudem die 3. und 4. Klasse der Primarschule Krattigen, um auch die jüngste Generation zu ihren Ansichten und Wünschen für die Zukunft zu befragen. Die Studierenden analysierten die vielfältigen Informationen und erarbeiteten eine Präsentation für die Abschlussveranstaltung am Freitagabend, sowie kurze schriftliche Berichte zu den fol- genden Themen:

• Vorhandene und zukünftige Dienstleistungen und Infrastruktur (Kapitel 4) • Gestaltung des Zusammenlebens in der Gemeinde sowie gegenseitige Wahrneh- mungen der Dorfbewohner/innen (Kapitel 5) • Vision der Kinder (Schulbesuch, Kapitel 6) • Zusammenarbeit in der Gemeinde (Kapitel 7) • Wachstum und Entwicklung (Kapitel 8) • Krattigen und seine Umgebung (Kapitel 9)

Die Ergebnisse der Woche wurden allen Interessierten am Freitagabend in der Turnhalle Kratti- gen vorgestellt.

1.3 Aufbau des Berichtes Auf den folgenden Seiten sind die von den Studierenden verfassten Berichte zu finden, wo je- weils die Meinung der Befragten wiedergegeben wird. Die Analyse der Studierenden wird durch ausgewählte Zitate aus den Gesprächen mit den Gemeindemitgliedern illustriert. Des Weiteren sind im Anhang die Ideen und Wünsche zusammengefasst, welche während der Woche von den befragten Personen formuliert wurden.

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 3

1.4 Dank An dieser Stelle möchten wir uns nochmals herzlich bei Phillip Schopfer und Stefan Luginbühl für die grossartige Unterstützung im Vorfeld und während der ganzen Woche bedanken. Der Gemeinde Krattigen danken wir für den Apéro vom Freitagabend und den Wirtsleuten des Res- taurants Kreuz für das leckere Essen während der Woche. Urs Steiner danken wir für die wert- volle Unterstützung während der Woche und beim Einrichten der Turnhalle für die Abschluss- veranstaltung. Julia Chappatte danken wir für die kulinarische Begleitung an der Abendveran- staltung. Ein grosser Dank gebührt ausserdem allen Gesprächspartnerinnen und -partnern für ihre Be- reitschaft zur Teilnahme und ihre Gastfreundschaft sowie allen Interessierten, welche die Ab- schlussveranstaltung am Freitagabend besucht haben. Auch danken wir den Kindern der 3. und 4.Klasse der Primarschule Krattigen und Karin Zaugg für ihre Teilnahme und ihr Engage- ment. Zu guter Letzt möchten wir uns auch bei den Studierenden bedanken, die mit viel Inte- resse und hohem Einsatz ein äusserst erfreuliches Ergebnis erarbeitet haben.

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 4

2 Methode der Projektwoche

Währen der Projektwoche lernten die Stu- Bevölkerungsgruppen über- (Ortsbürger/in- dierenden, die PLA Methode (Participatory nen, Pensionierte) oder untervertreten (Be- Learning and Action) anzuwenden. Kern rufstätige, Jugendliche). der Methode ist die Überzeugung, dass die Die Gespräche wurden aufgrund eines von Bewohner/innen vor Ort die Expertinnen der Gemeinde und der HAFL gemeinsam und Experten sind. Die Rolle von extern zu- entwickelten Leitfadens geführt. Obwohl gezogenen Personen liegt vor allem darin, die Gespräche möglichst offen geführt wur- verschiedene Sichtweisen der Expert/innen den – also dementsprechend den Ge- zu spiegeln. Indem Sichtweisen aufgezeigt, sprächsteilnehmenden die Kontrolle gege- analysiert und reflektiert werden, können ben wurde, worüber gesprochen wurde – aktuelle Situation von einer anderen Per- sind einige Anliegen spezifisch angespro- spektive beleuchtet und überdacht werden. chen worden. Dazu gehörten die Bedeu- Dadurch entstehen neue Ideen und Ansätze tung der Land- und Forstwirtschaft, das für die Zukunft. Dienstleistungs- und Naherholungsange- Die Methode wurde durch Gespräche mit bot, die Infrastruktur und Verwaltung sowie einer möglichst breiten Auswahl an Einwoh- Herausforderungen und Chancen. nerinnen und Einwohnern Krattigens umge- Die Gesprächsinhalte wurden daraufhin von setzt. Dieser Bericht basiert auf den Sicht- den Studierenden analysiert, indem die ver- weisen von 37 Personen. Ein Teil der Be- schiedenen Wahrnehmungen der Bevölke- fragten hat sich einem Ausschreiben im Ge- rungen identifiziert wurden. Sie wurden in meindeblatt folgend freiwillig gemeldet, Selbst- und Fremdwahrnehmung1 kategori- andere wurden in einem zweiten Schritt ge- siert, wo möglich. Aufgrund der kurzen zielt angefragt. Es wurde angestrebt, eine Zeit für die Analyse wurden die wichtigsten möglichst ausgewogene Partizipation von Themen (im Hinblick auf ihre Häufigkeit, unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu aber auch auf ihre Wichtigkeit im jeweiligen erreichen, um möglichst viele Sichtweisen Interview) Themen hervorgehoben, der Gemeinde einzubeziehen. Nichtsdestot- wodurch Einzelaussagen - ebenfalls interes- rotz sind einige sant! – z.T. nicht nachgegangen werden konnte.

1 Fremdwahrnehmungen sind Aussagen, die von die Gruppe ab. Eigenwahrnehmungen sind die Personen über eine Gruppe gemacht wurden, zu Sichtweisen einer Person über die eigene Gruppe, der sie sich nicht selbst zählen. Zum Beispiel ältere zum Beispiel wie Jugendliche sich und andere Ju- Personen die über Jugendliche sprechen oder um- gendliche sehen. gekehrt. Durch Aussagen über «andere» grenzt sich

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 5

3 Kurzportrait Gemeinde Krattigen

Durch die Querschnittswanderung mit Krattigen zum attraktiven Wohnort oder Herrn Luginbühl konnten die Studierenden Wochenendziel. am ersten Tag einen Eindruck der Ge- In Krattigen wurden Acker- und Obstbau, meinde gewinnen. Vieh- und Alpwirtschaft betrieben, ab dem Krattigen ist eine Gemeinde im Kanton Bern 18. Jh. auch Gips abgebaut. Im 20. Jh. sie- und liegt 750 m ü. M. auf einer einzigarti- delten sich Kleingewerbe und Tourismus an gen Sonnen- und Aussichtsterrasse über (Hotellerie, Ferienchalets, Campingplatz). dem Thunersee ca.5 km von entfernt. Die Gemeinde besitzt keinen direkten An- schluss an das SBB-Netz, ist aber durch das «Bei uns lässt sich angenehm wohnen. Postauto erschlossen. Drei Viertel der Er- Eine zeitgemässe Infrastruktur und werbstätigen sind Wegpendler. das in unmittelbarer Nähe liegende Er- In den letzten Jahrzehnten ist die Ge- holungsgebiet erfreuen unsere Bürge- meinde um ca. 300 Personen gewachsen rinnen und Bürger.» und zählt aktuell 1’121 Einwohner. Quelle: Webseite Gemeinde Krattigen Die Gemeinde hat ein sehr aktives Vereins- leben mit 13 registrierten Vereinen. Zudem Krattigen ist gut angeschlossen an die sind 67 kleine und mittlere Unternehmen Städte Thun und Bern, bewahrt jedoch sei- registriert. Jedoch arbeiten viele Berufstäti- nen ländlichen Charakter. Ländliche Naher- gen im Raum Thun oder Bern. holungsgebiete, wie zum Beispiel der Thunersee oder der Wald, machen

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 6

4 Dienstleistungen und Infrastruktur

Beim Ansprechen von Dienstleistungen in der Gemeinde wurde oft erwähnt, dass in Dienstleistungsangebot den letzten Jahren einige Dienstleistungen 15 verloren gegangen sind. Verschiedene Per- 10 sonen sind durch den Verlust dieser Struk- 5 turen der Meinung, dass das Dorf auszu- 0 sterben drohe. Auf der anderen Seite wurde Sehr Eher Eher Unzufreiden betont, dass man in Krattigen nicht alles zufrieden zufrieden unzufrieden brauche. „Das Einkaufen in anderen Dör- Heute in 10 Jahren fern kann auch eine Stärke sein. Man muss nicht alles im Dorf haben.“ In den Inter- Abbildung 1: Wichtigkeit der Dienstleistungen views wurde erhoben wie zufrieden die Betrachtet man die Wichtigkeit der Dienst- Leute mit den Dienstleistungen insgesamt leistungen etwas genauer (Abb. 1), dann sind, dabei kam am häufigsten die Antwort stellt man fest, dass für die Befragten der «eher zufrieden» (Auf einer Skala von 1 Dorfladen am öftesten als «sehr wichtig» «sehr zufrieden» bis 4 «unzufrieden»). eingestuft worden ist. An zweiter Stelle steht die Gemeindeverwaltung und an drit- ter Stelle die Spitex.

Abbildung 2: Nennungen von Dienstleistungen unter "sehr wichtig"

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 7

Dienstleistungen des täglichen Bedarfes

Unsere Interviewpartner wurden dazu be- fragt, welche Dienstleistungen des tägli- 4.3 Bank chen Bedarfs sie in Krattigen wichtig fän- In den Interviews wurde oft erwähnt, dass den. Dazu kategorisierten sie auf Kärtchen in Krattigen ein Bancomat vermisst werde. aufgeführte Dienstleistungen im Hinblick Besonders ein 24h-Bankomat wurde als auf deren Wichtigkeit. wichtig erachtet für die Gemeinde.

4.1 Dorfladen «Dass die Bank nicht mal mehr einen Die Mehrheit der Befragten haben uns mitt- Bancomaten zur Verfügung stellt, macht geteilt, dass sie es sehr schätzten, dass es mich schon ein wenig wütend.» im Dorf den Volg gäbe. Vor allem für die äl- tere Generation, welche nicht mehr so mo- bil ist, sei es wichtig ein Lebensmittelge- 4.4 Restaurants schäft im Dorf zu haben. Dabei war es den Anhand der Aussagen der Befragten war es Befragten oft ein Anliegen, dass der Dorfla- teilweise nicht klar, wie viele Restaurants den auch in Zukunft weiterhin bestünde. In es tatsächlich in Krattigen gibt. Einig waren den Interviews wurde erwähnt, dass der Er- sich die Befragten aber, dass diese sehr halt einerseits durch die Eigenverantwor- wichtig für das Dorf seien. Dies zeigt auch tung der Bevölkerung und andererseits folgendes Zitat aus den Interviews: durch die Unterstützung der Gemeinde ge- währleistet werden sollte. «Ein Dorf ohne Beiz ist wie eine Suppe ohne Salz.» 4.2 Post

Die Poststelle im Volg war bei einigen Be- Einige meinten auch, dass eine „Beiz“ wich- fragungen ein Thema. Dabei wurde uns tig als Treffpunkt im Dorf sei. Ein paar Be- mitgeteilt, dass es schade ist, dass es keine fragte äusserten den Wunsch nach einem „richtige“ Poststelle mehr gibt. Die Post im Bistro oder Café, vor allem für die jüngeren Volg wurde auch einmal als mangelhaft be- Leute des Dorfes. Einmal wurde auch ein zeichnet. Es wurde auch erwähnt, dass Restaurant in einem höheren Segment ge- heute alles rentieren müsste, vor allem bei wünscht. den grossen Firmen, was schade sei. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Be- Gesundheitsversorgung fragte, die die Alternative als ausreichend Die medizinische Versorgung im Dorf oder sogar als Chance empfanden. wurde von manchen Befragten als wichtig «Dass die Post geschlossen wurde, fand eingestuft, ganz besonders im Hinblick auf ich zuerst schlimm. Aber jetzt ist das die die ältere Generation. Dies gäbe Sicherheit optimale Lösung.»

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 8

bei Notfällen. Diesbezüglich wurde die Ge- 4.7 Dorfarzt meinde in der Verantwortung gesehen: Bei den Befragungen wurde der Arzt für das Dorf als wichtig beurteilt. Dabei wurde «Eine gute Gesundheitsversorgung ist vor allem angesprochen, dass durch den sehr wichtig für die Bevölkerung und Arzt die Gesundheitsversorgung des Dorfes sollte durch die Gemeinde gefördert gewährleistet werden könne. Viele spra- werden.» chen an, dass sie nach der Pensionierung

des jetzigen Dorfarztes einen Nachfolger 4.5 Spitex wünschten und dass die Gemeinde sich da- für einsetzen sollte. Nicht alle fanden, dass Die Spitex werde zunehmend wichtiger, der Arzt in Krattigen selbst seine Praxis ha- wurde erwähnt, da die Bevölkerung immer ben müsste, aber dennoch vorzugsweise in älter werde. Zudem wurde auch betont, der Nähe: dass sie besonders wichtig sei, weil es im

Dorf kein öffentliches Altersheim gäbe. «Mir spielt es keine Rolle ob der Arzt in Krattigen ist oder im Nachbardorf.» «Für mich ist die Spitex nicht wichtig,

ich brauche sie ja jetzt auch noch nicht. Die zunehmende Vernetzung mit den Nach- Ich denke aber für die ältere Generation bardörfern im Hinblick auf Dienstleistun- könnte es schon noch wichtig sein.» gen wurde in die Überlegungen einbezo-

Das Altersheim Oertlimatt sei nicht für alle gen. Viele Befragte fürchteten ausserdem, eine Option wie im nächsten Unterkapitel dass es «so einen Landarzt» wie Krattigen aufgezeigt wird. jetzt besitzt, in Zukunft nicht mehr geben werde. Der Arzt wurde in dem Sinne als 4.6 Altersheim Oertlimatt «Auslaufmodell» bezeichnet.

Das Altersheim Oertlimatt wurde im Inter- view immer wieder angesprochen. Viele Be- Verkehr fragte betrachten es jedoch nicht als wich- tig, da das Heim privat organisiert ist. Im 4.8 Autoverkehr Gegensatz dazu wurde jedoch betont, dass Für einige Bewohnerinnen und Bewohner es von Vorteil wäre, das Pflegeheim besser waren die Dorfgarage und die Tankstelle dem Dorf anzuschliessen und zwar aus vor Ort praktisch. Andere Befragte hinge- zwei Gründen: Einerseits könnte die Mobili- gen teilten uns mit, dass sie gut darauf ver- tät der Bewohnerinnen und Bewohner ver- zichten könnten. bessert werden, und andererseits wäre es als grösster Arbeitgeber im Dorf auch bes- «Obwohl man ab vom Schuss ist, liegt ser erreichbar für die Angestellten. Als Krattigen zentral.» Ideen wurde eine bessere Busverbindung Die Befragten waren sich mehrheitlich ei- bis zur Oertlimatt oder ein Ruftaxi für die nig, dass Krattigen verkehrstechnisch an ei- Bewohnerinnen und Bewohner vorgeschla- ner guten Lage sei und sie erwähnten, dass gen. man schnell in Thun, Spiez und Interlaken

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 9

sei. Im Moment bedeute dies jedoch auch, Abend geäussert. Ein Shuttlebus zur Badi dass Krattigen sich zunehmend zu einem wurde ebenfalls als praktisch gesehen. Schlafdorf entwickle. Ein Interviewpartner Geschätzt wird, dass die Gemeinde den wies auf die zunehmende Möglichkeit hin, Schülerinnen und Schülern im Winterse- von zu Hause aus zu arbeiten, um dieser mester ein Busabonnement zur Verfügung Entwicklung entgegenzuhalten. Von eini- stellt. Ein weiterer Wunsch im Sinne der gen wurde gewünscht, dass der Verkehr besseren Erschliessung bezog sich auf die langsamer durchs Dorf und auch Richtung Oertlimatt, wobei der ganze Ort erwähnt Aeschi fahre. Ausserdem wurde der wurde, nicht ausschliesslich das Alters- Wunsch eines Trottoirs in Richtung Aeschi heim. Mehrfach wurde eine direkte Verbin- erwähnt. Der Veloweg, welcher an der Badi dung nach Interlaken gewünscht: Vielleicht vorbeiführt, bedarf gemäss einigen Befrag- – so einige Befragte - würde sich die Mög- ten ebenfalls einer Verbesserung für mehr lichkeit bieten, die Ersatzbusse nach Leissi- Sicherheit. gen auch nach Krattigen zu führen. Oder es könnte gemeinsam mit zusam-

4.9 Öffentlicher Verkehr men ein gutes Busnetz aufgebaut werden. Mehrheitlich waren sich die Interviewpart- Bezüglich des öffentlichen Verkehrs zeigte nerinnen und -partner einig, dass sich die sich, dass sich die Einwohnerinnen und Ein- Gemeinde für den Erhalt und die Erweite- wohner nicht einig sind. Einige waren mit rung des ÖV-Netzes einsetzen sollte. Eben- dem jetzigen Angebot durchaus zufrieden, falls wurden von einigen überdachte Bus- viele waren aber der Meinung, dass das An- haltestellen gewünscht. gebot ausgebaut werden sollte. Einige wünschten sich eine höhere Frequenz zu den Stosszeiten. Andere wünschten sich re- «ÖV ist der Schlüssel zum Erfolg. Damit gelmässige Verbindungen im 30-Minuten- ist gemeint, dass so Arbeitsplätze und Takt. Auch wurde der Wunsch eines Moon- der Wohnraum attraktiver werden» liners oder von Verbindungen am späteren

Ökosystemdienstleistungen: Biodiversität, Landwirtschaft, Wald- und Forstwirtschaft, Seebad

Doch gäbe es hinsichtlich der Biodiversität 4.10 Biodiversität auch Herausforderungen. Oft wurde vom Ein Thema, das viele Einwohnerinnen und Verlust der Naturflächen durch Neubauten Einwohner zu beschäftigen scheint, ist die gesprochen, wie auch vom Verlust der Biodiversität. Es herrschte weitgehend Ei- Bäume auf den Wiesen. Im Wald wurde die nigkeit, dass Gemeinde, Land-, Forst- und Forstarbeit mit schweren Maschinen von auch Alpwirtschaft heute gut zusammenar- manchen kritisch gesehen. Viele scheinen beiten. sich kleinräumigere Strukturen zu wün- schen. Generell wurde der Strukturwandel

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 10

in der Landwirtschaft sehr kritisch gese- hingegen seltener angesprochen. Im Allge- hen. Die Sicherstellung der Existenz der meinen wurde die Zusammenarbeit mit den landwirtschaftlichen Bevölkerung lag vielen benachbarten Gemeinden im Forst als posi- Bewohnerinnen und Bewohnern am Herzen. tiv empfunden. Auch der Verlust der Biodiversität der Alp- Herausforderungen gab es aber auch im weiden wird befürchtet, da diese zuneh- Themenbereich Wald in den Augen der Be- mend verwaldeten, falls sie nicht mehr mit wohnerinnen und Bewohner. So wurde oft Tieren bestossen würde. die mangelnde Wirtschaftlichkeit der Forst- Es gab aber auch viele Ideen und Lösungs- wirtschaft genannt und die Bedrohung ansätze in den Köpfen der Bevölkerung. durch billiges Importholz. Viele Bewohner Viele wünschten sich beim Steinbruch in wünschten sich eine vermehrte Nutzung der Zukunft eine Renaturierung, welche für des lokalen Holzes, sowohl in der Verarbei- grosse Biodiversität sorgen könnte. Grosse tung wie auch als Brennholz. Einigkeit herrschte dabei, dass die Alpen Zudem wurde die Möglichkeit gesehen, die weiterhin bestossen werden sollten. die Nutzung von Brennholz auszuweiten, indem in eine Fernheizung mit Holzschnit- Das Wachstum, ein allgegenwärtiges zel investiert würde. Thema, soll eher gedrosselt, und Neubau- Für den Wald als Naherholungsgebiet gab ten eher verdichtet gebaut werden, um da- es sehr viele Ideen. Einige wünschten sich mit die natürlichen Lebensräume nicht zum mehr Wanderwege und besonders für Kin- Verschwinden zu bringen. Eine Extensivie- der und Schulklassen mehr Erlebnis- und rung der Landwirtschaft sowie die Vielfalt Lehrpfade. Der Schneesport hingegen in den Gärten der Krattiger zu fördern wa- wurde als bedroht durch den Klimawandel ren genannte Ansätze, um die Biodiversität thematisiert, was am Beispiel des jetzigen zu fördern. Winters aufgezeigt wurde. Es existierten viele Ideen, was man alternativ machen

4.11 Wald könnte. Ein Bike-Trail, Offroad-Gokarts oder ein Seilpark wurden genannt. Es Der Wald spiele eine grosse Rolle im Leben wurde betont, dass diese Alternativen auch der Krattiger, wurde betont. Er sei Naher- Chancen für den Tourismus böten. holungsraum, Lebensraum, Quelle des Roh- stoffs Holz und «grüne Lunge». Der Zu- 4.12 Seebad stand des Waldes wurde als sehr positiv wahrgenommen, die Arbeit von Forst und Betreffend der Seebadi scheint es zwei Gemeinde wurde im Allgemeinen gelobt. – eher gegensätzliche - vorherrschende So wurden die diversen Möglichkeiten wie Meinungen zu geben. Viele sahen, die Badi Spazieren, Vita Parcours und Spielmöglich- und das Lido als zufriedenstellend in ihrer keiten für Kinder allseits geschätzt. Für jetzigen Form an und betonten, dass es viele Bewohnerinnen und Bewohner war keine zusätzliche Infrastruktur brauche. ausserdem das Brennholz aus dem Kratti- Wiederum andere meinten, dass es unbe- ger Wald eine wichtige Dienstleistung. Die dingt eine Vergrösserung des Parkplatzes Funktion des Schutzwaldes wurde brauche. Hier kam aber oft der Einwand

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 11

auf, dass es keinen Platz für solche Pro- nach Spiez oder anderswo baden, wurde jekte gäbe. erzählt. Insgesamt gab es auch viele kritische Stim- Um das Parkplatzproblem zu lösen, kamen men bezüglich der Seebadi. So fielen die viele Ideen auf: ein Sessellift, der Krattigen Worte «unattraktiv», «eingeklemmt», «unru- mit der Badi verbinden könnte, ein Shuttle- hig», «gefährlich», «überlaufen», «voll», Bus oder Taxi, eine Rutschbahn zum See «laut». Viele Krattiger nutzten das Angebot hinunter oder auch ein Tunnel für die Auto- der Seebadi nicht, sondern gingen lieber strasse damit das Seeufer wieder attrakti- ver würde.

5 Zusammenleben 5.2 Fremdbilder: Neuzuzüger und -zuzügerin- nen aus der Sicht von Einheimischen

Dorfbewohnerinnen und -be- Die Alteingesessen bedauerten, dass das Dorf wohner zu einem Schlafdorf geworden sei. Zudem äus- serten sie Besorgnis darüber, dass sich Ge- In den Wahrnehmungen der Bewohnerinnen und bäude wie das Bellevue nicht mehr in den Hän- Bewohner zeigte sich ein Spannungsfeld zwi- den der langjährigen Bewohner von Krattigen schen den alteingesessenen und den neu zuge- befinden. Sie beklagten auch die Tatsache, dass zogenen Bewohnern. Dieses Spannungsfeld war die neu zugezogenen Bewohner und Bewohne- von positiven aber auch negativen Aspekten ge- rinnen nicht in den Dorfläden einkauften. prägt. Laut den alteingesessenen Bewohnern suchten

5.1 Selbstbilder: Einheimische aus der Sicht die neuen Bewohner keinen Kontakt, was darin von Einheimischen sichtbar werde, dass sie nicht zu Treffpunkten gingen und/oder sich aktiv im Dorf einbrächten Die einheimischen Bewohner betrachten sich z.B. im Rahmen von Vereinen. Von den Burgern selbst als mit dem Dorf sehr verbunden. Die wurde stark betont, dass sie durchaus bereit Burger unter den Einwohnern sahen sich als seien, die Neuankömmlinge willkommen zu hei- Träger der Kultur des Dorfes. Sie sind stolz da- ßen, aber nicht die Absicht hätten, aktiv auf sie rauf, das Recht auf den Besitz von Wäldern zu zuzugehen. Ihrer Ansicht nach müssten die genießen. Es ist ihnen wichtig, dass auch ihre Neuen die Initiative ergreifen und sollten nicht Kinder dies weiterhin schätzen. auf eine Einladung von Alteingesessenen war- Einige finden, dass das Wachstum des Dorfes ten. Sie hätten viele Möglichkeiten zur Integra- zu schnell sei. Sie zeigten sich besorgt über das tion, wenn sie es wünschten, wurde von den Alt- Dorfleben von Krattigen und haben das Gefühl, eingesessenen betont. Die Alteingesessenen dass die allgemeine Bevölkerung nicht sehr würden es also begrüssen, dass die neuen Be- stark in das Dorfleben eingebunden sei. Die wohner sich stärker in das Leben des Dorfes Mehrheit der Personen, die nicht als aktiv im und in die Organisation der Vereine einbringen Dorfleben angesehen wurden, sind Pendler, da- würden, zum Beispiel durch die Organisation runter viele Neuzugüger (siehe 5.2). von Partys. Dadurch, so wurde erwähnt, würde das Dorf lebendiger werden.

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 12

Ein Teil der Alteingesessenen wollte, dass sich macht, wurde unterschiedlich bewertet, aber vor allem neue Familien und junge Menschen in kaum hinterfragt. Während einige – vor allem Krattigen niederlassen, um das Leben des Dor- sogenannte Neuzuzüger - dies bedauerten, fan- fes wiederzubeleben. Einige stellten fest, dass den andere - darunter Burger und Neuzuzüger - Ausländer und Ausländerinnen sich nicht so in- das durchaus logisch und eine weit verbreitete tegrierten, wie sie es sich wünschten. Sie fan- Tatsache, besonders auch in anderen Dörfern den, dass ausländische Kinder, die kein Deutsch des Berner Oberlandes. Auch nach zwei Jahr- sprechen, andere Kinder in der Schule bremsen zehnten kein Krattiger zu sein hiesse nicht un- würden. Andere unterstrichen die Tatsache, bedingt, ausgeschlossen zu sein. Man könne dass das Dorf von der Ankunft neuer Einwohner auch so gute Freundschaften haben, auch mit abhängig sei, damit das Dorf nicht aussterbe. Alteingesessenen und eine wichtige Rolle in der Gemeinde spielen.

5.3 Fremdbilder: Einheimische aus der Sicht der Neuzuzügern und -zuzügerinnen Landwirtschaft Neuzuzüger und -zuzügerinnen schätzen die Wohnqualität und die gute Lage Krattigens sehr. 5.5 Landwirte und Einwohner Sie bemühten sich, ein positives Bild zu zeich- Die Landwirte sahen ihre Stärke in ihren Fähig- nen. Gleichzeitig wurde aber deutlich, dass viele keiten zur Zusammenarbeit bei Projekten mit der Neuzuzüger und -zuzügerinnen das Gefühl der Bevölkerung. Dies sei auf ihre umfangrei- haben, dass die alteingesessenen Bewohnerin- chen Netzwerke zurückzuführen. Sie möchten, nen und Bewohner kein Interesse an ihnen ha- dass die nicht landwirtschaftliche Bevölkerung ben. Einige möchten sich gerne vermehrt ein- zur lokalen Wirtschaft beitrage, zum Beispiel bringen, fürchten aber, dass ihre Teilnahme von durch Einkäufe im Dorf, damit der Konsum den Einheimischen nicht erwünscht sei, beson- möglichst regional bleibe. Ihrer Ansicht nach ders wenn sie neue Ideen einbringen würden. Es trägt sowohl die Land- als auch die Forstwirt- sei wichtig zu warten, bis sie aufgefordert wür- schaft zur Erhaltung der alpinen Landschaft bei. den mitzumachen, betonten viele. Die Landwirtinnen und Landwirte könnten ver- mehrt Nahrungsmittel wie Milch, Käse und 5.4 Selbstbilder von Neuzuzügerinnen und - Fleisch liefern. zuzügern Ausserdem dachten sie, dass das Dorf zu schnell wachse. Weiter hatten sie das Gefühl, Selbst die Initiative zu ergreifen, aktiv mitzuma- dass der Tourismus ihnen nicht zugutekomme. chen, sei es in einem Verein oder in der Politik, Sie wollten, dass ihr Land erhalten bleibe. sei für sie undenkbar, erklärten viele Neuzuzü- Die Landwirte wurden von der Bevölkerung ger und -zuzügerinnen. Einige unter den Jünge- mehrheitlich positiv angesehen. Die Einwohne- ren möchten erst vermehrt am Leben des Dor- rinnen und Einwohner betrachteten die Land- fes teilnehmen, wenn sie in den Ruhestand gin- wirtschaft als Grundpfeiler der Landschaft. Sie gen, weil ihre Arbeit noch zu anspruchsvoll und würden die die Region „schön machen“. zu zeitaufwändig sei. Auffallend war, dass ei- Einige Einwohner kannten die Landwirtschaft nige Leute sich nach zwei Jahrzehnten oder nicht sehr gut. Es war ihnen nicht bewusst, dass mehr nach ihrem Umzug nach Krattigen immer es Direktverkäufe gibt. noch nicht als Krattiger fühlten.

Diese Tatsache, dass jahrelanges Wohnen in Krattigen noch keine Krattiger aus Neuzuzügern

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 13

Manche der neuen Einwohnerinnen und Einwoh- 5.8 Sichtweisen der Dorfbewohner gegenüber ner glaubten, dass die Landwirtschaft einen Teil älteren Leuten im Dorf der Identität des Dorfes ausmache. Sie wollten, Mehrere Leute aus dem Dorf erzählten uns von dass Kleinbauern unterstützt würden. Sie woll- ihren Sorgen um den Dorfarzt und die Spitex. ten zudem, dass die Produkte der lokalen Bau- Sie stellten fest, dass diese Dienste für die älte- ern im Dorfladen oder besser noch im Direkt- ren Menschen wichtig seien. Das Altersheim verkauf erhältlich seien. Oertlimatt wurde aufgrund der religiösen Aus- richtung von vielen nicht als Option für sie 5.6 Jugendliche selbst angesehen. Die Jugendlichen wünschten sich, dass sich das

Dorf um die Aufnahme von Menschen, die neu ins Dorf ziehen, bemühen würde. Das Dorf sei stark von jungen Menschen abhän- gig, um die Erneuerung und das Leben im Dorf zu gewährleisten. Mehrere Personen erzählten von ihrer Angst, dass die jungen Menschen nicht in das Dorf zurückkehrten und sich nicht mehr aktiv in den verschiedenen Vereinen enga- gieren würden.

Ältere Leute

5.7 Anmerkungen von älteren Leuten

Mehrere ältere Menschen stellten fest, dass der öffentliche Verkehr für sie wichtig sei, da das Dorf sehr langgestreckt sei. Einige dieser Leute sagten, dass das Trottoirnetz nicht optimal aus- gebaut sei und verbessert werden könnte. Die meisten dieser älteren Menschen hingegen fan- den, dass das derzeitige öffentliche Verkehrs- system ausreichend und gut für sie geeignet sei. Die Kirche war als wichtiger Treffpunkt für einige ältere Menschen genannt worden. Der Gemeinderat und seine Arbeit wurde von den meisten der befragten älteren Menschen geschätzt. Andere wiederum hinterfragen die politischen Anlässe:

«Die Gemeindeversammlung ist nicht re- präsentativ.»

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 14

6 Schule in Krattigen Weniger gut gefiel ihnen der grosse Verkehr und die intensive Bautätigkeit. Am Dienstagnachmittag wurde die 3. und 4. Die Kinder wurden auch gefragt, was sie am Klasse in Krattigen besucht. Die Lehrperson Ka- liebsten in Krattigen machten: rin Zaugg begrüsste uns herzlich. Das schöne Klassenzimmer war beeindruckend. Die Schüle- «Hier kann man gut biken, klettern, rinnen und Schüler kamen alle pünktlich. 13 Snowboard fahren, in den Wald gehen, in Kinder waren anwesend zwei Kinder waren lei- die Kinderriege und ‘Fangis’ spielen.» der krank. Wir, Marian Scheidegger und Bettina Müller stellten uns der Klasse vor und erklärten Sie waren der Meinung, dass es praktisch wäre, den Grund unseres Besuches. Wir erzählten in Krattigen einen grösseren Dorfladen zu ha- ihnen, dass wir nichts über Krattigen wüssten ben. Auch das Bauen von neuen Häuern war ein und sie uns doch erzählen mögen, was man Thema für die Kinder. Sie hofften dabei, dass über Krattigen wissen sollte. die Häuser nicht zu gross und trotzdem zur Na- Viele wiesen uns darauf hin, dass Krattigen eine tur geschaut werden würde. Des Weiteren wur- schöne Aussicht auf den Thunersee und auf den den sie gefragt, was sie sich für Krattigen Niesen habe. Die Kinder erzählten ausserdem wünschten. Hier waren sie sehr fantasievoll. Es vom Skulpturenweg oben am Dorf sowie dem wurde eine Trampolinhalle, eine Migros, ein Schiessstand. Ein Schüler erzählte, dass er es Hallenbad, eine Rutschbahn direkt in den See hier cool fände, weil fast nichts verboten sei. und ein Kino gewünscht. Anschliessend zeichneten die Kinder, wie sie Ein grosser Teil dieser Ideen für die Zukunft sich Krattigen in 10 Jahren wünschten. Marian wurden gleichzeitig auch bei Marian gezeichnet. schaute, dass die Kinder sich nicht zu stark ge- Die Zeichnungen konnten anschliessend im genseitig beeinflussten. Bettina war in einem Kreis den Mitschülern vorgestellt werden. In der anderen Zimmer. Dort stellte sie jeweils zwei Vorstellungsrunde wurde auch das Thema Um- Schülern einige Fragen zu Krattigen. Das Ganze welt angesprochen. Ein Kind wünschte sich da- wurde per Video festgehalten. Die Schüler wur- bei, dass weniger Gas verbraucht werde, weil es den befragt, was ihnen in Krattigen gefalle und nicht gut für die Umwelt und die Tiere sei. Zu- was eher nicht. Ihnen gefielen folgende Dinge: dem wurde auch gewünscht, dass es weniger Autos gäbe. Ein Kind wünschte sich einen Tier- arzt, da man so mit den Tieren nicht so lange «Das Dorf ist nicht allzu gross, es bis nach Spiez fahren müsste. Weitere Ideen wa- gibt Frieden im Dorf, es hat eine ren, dass man mit Tieren schwimmen könnte, schöne Aussicht, man ist schnell in es eine Achterbahn und einen MC Donalds gäbe Spiez, es hat nicht viel angefangene oder einen Strand. Nach der Vorstellungsrunde Baustellen, es hat viel Wiesen, der sassen alle im Klassenzimmer im Kreis. Danach Swimmingpool auf dem Camping- hatten die Kinder die Möglichkeit uns Fragen zu platz ist super und der Reiterhof un- stellen. Nach einer fünfminütigen Fragerunde ten ist schön.» war der Nachmittag für die Kinder auch schon

vorbei und wir verabschiedeten uns von den

Schülerinnen und Schülern.

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 15

Wünsche der Kinder für in 10 Jahren

Abbildung 4: Man soll fliegen können Abbildung 3: Kino und Eisenbahn im Dorf

Abbildung 5: Eine Achterbahn wie im Europapark Abbildung 6: Sorge tragen zu der Umwelt

Abbildung 7: Einen Reiterhof, Kleiderladen und ein Abbildung 8: Dass man mit Tieren schwimmen Büchergeschäft kann

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 16

7.2 Engagement der Gemeinde 7 Zusammenarbeit Das Engagement der Gemeindeverwaltung Wie schon erwähnt wurde, zeigten sich ver- heute wurde sehr geschätzt. Die Leute erwarte- schiedene Gruppen in der Gemeinde und die ten von der Gemeinde, dass sie allgemein so Zusammenarbeit zwischen ihnen kam in den In- weitermachen sollte. Ein spezielles Engagement terviews oft zur Sprache. erwarteten viele Leute bezüglich des Dorfladens und der Turnhalle. Gemeinde – Bevölkerung Ein politisches Engagement wird auch im Hin- blick auf mehr ÖV-Verbindungen erwartet. Im Allgemeinen ist die Bevölkerung mit der Ge- meindeverwaltung zufrieden. Ihre verschiede- 7.3 Politisches Engagement in der Gemeinde nen Angebote werden heute sehr geschätzt. Engagement wird nicht nur von der Gemeinde

7.1 Kommunikation erwartet, sondern auch von der Bevölkerung. Dort gäbe es eine Lücke, wurde betont. Bezüglich der Kommunikation wird das Gemein- deblatt, welches zwei Mal pro Jahr erscheint, «Es sind immer dieselben. Die Zugezoge- sehr geschätzt. Die Mehrheit findet zwei Ausga- nen sollen sich mehr aktiv beteiligen» ben pro Jahr genügend. Einige Leute wünschten die Form – per Email oder auf Papier - wählen Engagement der Bevölkerung zu können. Ebenfalls positiv erwähnt wurde Mögliche Gründe für fehlendes Engagement auch die Website, um mehr Informationen von wurden erwähnt: darunter, Zeitmangel, wegen der Gemeindeverwaltung zu erhalten. Arbeit oder Familie. Zur Sprache kam auch eine Als Vorschlag kam auch die Idee auf, eine Seite mögliche Angst vor Verantwortung als Grund. auf Facebook für Krattigen zu machen, die man Diese Gründe wurden nicht spezifisch für die als Plattform für den Austausch mit der Ge- Krattiger Bevölkerung gesehen, sondern als ge- meinde oder mit anderen Leuten nutzen sellschaftliche Probleme im weiteren Sinne. könnte. Die verschiedenen Angebote und Events Die Schwierigkeiten, die bezüglich des Engage- könnten dort angezeigt werden und in einer ments der Bevölkerung in der Gemeinde er- Agenda sichtbar sein. wähnt wurden, zeigten sich auch in Bezug auf Dass man mit der Gemeinde auch face-to-face die Vereine als Thema: reden kann, wurde positiv bewertet. Es zeigte sich klar, dass die Leute mehrheitlich «Vereine sind sehr wichtig, obwohl ich in zufrieden sind, allerdings mehr Transparenz er- keinem bin» warten. Diesbezüglich wurde das Beispiel der An diesem Beispiel sieht man das Problem des der Schliessung der Rigips wiederholt ange- fehlenden) Engagements „der Anderen“. Aber führt. Es wurde kritisiert, dass die Leute die Ent- wieso ist das so schwierig? Es hat sich gezeigt, scheidung aus der Zeitung erfuhren und nicht dass diese fehlende Zusammenarbeit in tieferen von der Gemeindeverwaltung. Spanungsfeldern begründet ist. Von den einheimischen Leuten wurde zum Bei- spiel gesagt:

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 17

7.6 Events

«Es sind immer dieselben. Die Zugezoge- Es wurden auch verschiedene Anlässe erwähnt, nen sollen sich mehr aktiv beteiligen.» die zu einem eher neuen Angebot gehören. Die zwei Märkte (Frühling und Winter), Adventsfens-

ter und Drüü-Rad Ess-Tival sind Beispiele, die in Auf der anderen Seite wurde von Neuzuzügern den Interviews oft genannt wurden. folgendes gesagt:

«Wir Zuzüger sind offener. Wir machen 7.7 Kritische Aussagen auch mit in den Vereinen» Gleichzeitig wurden auch negative Seiten der Durchmischung oben genannten Beispiele erwähnt. So hiess es beispielsweise, dass der Kern der Vereine aus Die Durchmischung der verschiedenen Gruppen Ur-Krattigern bestünde, was es für die Neuzuzü- hat sich in den Interviews als eine sehr oft und ger schwierig mache, aktiv teilzunehmen. Eine tiefgehend erwähnte Schwierigkeit im Dorf her- andere Kritik an den neueren gemischten Grup- ausgestellt wie auch das Kapitel zu den Selbst- pen war auch, dass sie sich für etwas Besseres und Fremdbildern gezeigt hat. hielten, da sie mehr Leute (sowohl Alteingeses- Trotzdem gibt es Beispiele, die in den Inter- sene wie auch Neuzuzüger) anziehen könnten. views positiv bewertet wurden.

An diesem Thema der Zusammenarbeit und den 7.4 Kinder Beziehungen zwischen den Gruppen kann man Die Kinder wurden als Schlüsselfaktor gesehen, die eigentlichen wichtigen Fragen erkennen: um die Bevölkerung zusammenzubringen. Die • Kann ein Neuzuzüger Krattiger werden? • Will er das überhaupt? Schule wurde als Treffpunkt beschrieben, wo • Soll er das eigentlich? die Eltern sich regelmäßig sähen und sich auch • Oder bleibt er automatisch ewig ein Neuzuzüger? Falls ja, mit welchen Fol- kennenlernen könnten. Eine ähnliche Rolle gen? nimmt gemäss der Aussagen der Bewohnerin- nen und Bewohner Krattigens auch die Spiel- Ideen und Vorschläge gruppe ein. Andere weitere Vereine oder Grup- pen, wie zum Beispiel die Junior Band, wurden 7.8 Mögliche Ansätze regelmässig erwähnt. Von den Leuten kamen verschieden Ideen, um die Herausforderungen zu überwinden, welche 7.5 Treffpunkte das oben beschriebene Spannungsfeld mit sich Als wichtige Möglichkeiten, Leute vom Dorf zu bringt. Mehrere Befragte betonten, sie würden treffen und auch einen kleinen „Schwatz“ zu hal- durchaus mitmachen, wenn sie gefragt würden. ten, wurden vor allem der Dorfladen, die ver- Wie vorher schon erwähnt wurde, wurde als schiedenen Vereine, wie zum Beispiel die Musik- Grund die Angst vor Verantwortung angespro- gesellschaft Krattigen, der Turnverein, die Kir- chen, die die Leute davon abhielte, sich zu en- che und auch die Apéros nach der Gemeinde- gagieren, sei es in einem Verein, in der Ge- versammlungen von vielen Leuten geschätzt. meinde oder für irgendein Projekt. Um die Leute zuversichtlicher zu machen, wurde von einigen

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 18

vorgeschlagen, die Verantwortung auf mehrere Künstlern oder Puppenspieltage wurden vorge- Personen zu verteilen. schlagen. Familienfreundliche Aktivitäten wur- Auch eine Entschädigung oder Entlöhnung den generell als wichtig beurteilt, da die Fami- wurde vorgeschlagen, dies nicht unbedingt mit lien als Basis des Dorfs für heute und morgen Geld, sondern z.B. in der Form von Gutscheinen wahrgenommen wurden. der Volgkette. Dadurch könnte gleichzeitig die

Krattiger Wirtschaft unterstützt werden. Viele 7.10 Ideen der Bevölkerung haben finanzielle Gründe als wichtig erachtet Im Bericht sind einige Ideen erwähnt. Es ist je- und betonten, dass eine Entschädigung die doch wichtig zu erwähnen, dass noch weit mehr Leute motivieren könnte. Teilweise wurde be- Ideen aufkamen, welche im Anhang aufgelistet reits versucht, solche Initiativen umzusetzen sind. wie sich mit der Initiative des Turnvereins zeigte, die Instruktoren mit 30.- pro Stunde zu 7.11 Herausforderungen bei der Zusammen- entlöhnen. Trotz des finanziellen Anreizes arbeit konnte jedoch niemand gefunden werden, was klar zeigte, dass es nicht nur ums Geld ging. Alle diese Ideen sind mögliche Beiträge für Unterstützung, sei diese finanziell oder durch diese Zusammenarbeit. Gemäss Website der Ge- jemanden, der bei der Gemeindeverwaltung meinde Krattigen, gibt es jedoch bereits viele Teilzeit angestellt wäre, wurde von einigen Be- Angebote im Dorf. Dennoch scheinen sich im wohnerinnen und Bewohnern gewünscht. Eine Hinblick auf die Zusammenarbeit noch einige solche Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter könnte Fragen zu stellen wie sich in den zwei Visionen eventuelle Projekte begleiten. Dadurch könnte zeigt, die sich in den Interviews gegenüberstan- das Engagement der Leute gefördert werden, den: wurde angeführt.

«Wenn ich gefragt würde, würde ich auf 7.9 Mögliche Treffpunkte jeden Fall mitmachen»

Treffpunkte wurden sehr oft als mögliches Mit- tel zur Förderung der Zusammenarbeit erwähnt, «Wenn jemand fragt, ist er willkommen. da dadurch die Leute in Kontakt kommen. Als Aber wir suchen sie nicht» mögliche zukünftige Treffpunkte wurden zum Beispiel Cafés erwähnt. Diese wurden als beson- ders wichtig für die Jugendlichen angesehen, da Die Hauptvoraussetzung für die Zusammenar- es heute kein Angebot für sie gäbe. Das Gleiche beit besteht also darin, dass die Leute für aktive wurde auch für junge Eltern und die weiteren Mitarbeit gefragt werden möchten, aber gleich- Einwohnerinnen und Einwohner vorgeschlagen. zeitig niemand fragen möchte. Daraus ergibt Nachbarschaftsgruppen, die die gegenseitige sich die grundlegende Frage: Wer macht den Unterstützung verbessern sollten, wurden in ersten Schritt? den Interviews ebenfalls erwähnt. Gegenseitige Unterstützung könnte durch eine Plattform für pensionierte Leute gefördert werden. Kulturelle Angebote wie Ausstellungen mit lokalen

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 19

8 Wachstum und Entwicklung Neigung zu einem «Schlafdorf» hin, zunehmen würde. Ein weiteres Risiko bestünde darin, dass

8.1 Blick in die Vergangenheit man bis anhin das Dorfbild relativ einheitlich gestalten konnte. Durch eine Verdichtung der Während der letzten 30 Jahre ist die Einwohner- Siedlungen wäre dieses gefährdet und das zahl von Krattigen um rund 300 auf 1’121 Ein- Landschaftsbild würde sich verändern. Einige wohner angestiegen. Dadurch und durch die be- Parteien erwähnten, dass durch den Bevölke- ginnende Globalisierung veränderten sich die rungszuwachs die Ruhe im Dorf verloren gehen Bedürfnisse im Dorf. Zusätzliche Häuser und könnte und sie sich vor dem Verlust der Ver- Wohnungen wurden gebaut, Dienstleistungen trautheit, Wohn- und Lebensqualität fürchteten. erschienen, während andere wieder verschwan- den. Diese Entwicklung ist noch nicht an ihrem 8.3 Vereine/Kultur Ende angelangt, sondern wird die Zukunft des Dorfes weiterhin massgebend prägen. In welche Anders sieht die Situation bei den Vereinen aus. Richtung diese Entwicklung geht, ist heute noch Ein Grossteil des Dorfes stimmte überein, dass nicht klar. Im Folgenden wird kurz auf verschie- die Vereine eine zentrale Rolle im Dorfleben dene Bereiche des Dorflebens eingegangen, die spielen könnten. Ob diese Rolle im Hinblick auf von der kommenden Entwicklung betroffen sein die bestehenden oder neugegründeten Vereine könnten. gesehen wurde, war je nach Interessen der In- terviewten unterschiedlich.

8.2 Bevölkerungswachstum Leute aus bereits bestehenden Vereinen klagten oft über das mangelnde Engagement aus der Zum Thema Zuwachs der Bevölkerung scheint Bevölkerung. Von anderen erfuhren wir wiede- Krattigen zwiegespalten. So gaben einige der rum, dass sie sich gerne bereit erklären würden, Befragten an, dass Wachstum im Dorf anzustre- Vereinen beizutreten oder bei Anlässen zu hel- ben sei. Gründe dafür sahen sie beispielsweise fen. Beide Parteien, die Vereine, vertreten durch darin, dass der Dorfgemeinde Überalterung die Ur-Krattiger, wie auch die Neuzuzüger be- drohe und deshalb junge Leute willkommen dauern, von der Gegenpartei nicht um Mitarbeit seien. Mit einem Zuwachs von Leuten aus der oder Mitgliedschaft gebeten worden zu sein. An Stadt erhoffe man sich, dass neues Gedanken- wem es nun liegt, einen Schritt auf den anderen gut in die Region gebracht würde. Dies beträfe zuzumachen, wird sich, wie oben bereits er- sowohl wirtschaftliche Innovation als auch geis- wähnt, zeigen. tiges Gedankengut im Bereich des Zusammenle- Was viele Leute bedauerten ist, dass neben den bens. Ausserdem führe der Zuzug von neuen Vereinen das Angebot an Kultur relativ schmal Steuerzahlern dazu, dass die Steuersätze sän- sei. Mit dem Drüü-Rad Ess-Tival und dem Skulp- ken und die Gemeinde in der Bestrebung der turenweg habe man erste Schritte gemacht, je- Dezentralisierung gestärkt würde. doch sei gerade in der Gastronomie noch Stei- Dem gegenüber stehen die Aussagen der Ein- gerungspotenzial vorhanden. Auch neue Ideen wohner von Krattigen, die einen Zuwachs als wie Puppenspieltage wurden eingebracht. nicht erstrebenswert erachten. Dadurch, dass Krattigen nicht viele Arbeitsplätze biete, sei es klar, dass der Pendlerverkehr, und mit ihm die

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 20

8.4 Tourismus die Jugend in ihrer Freizeit mehrheitlich in Rich- tung Interlaken, Spiez und Thun orientierten. Nicht nur beim relativ einheitlichen Wunsch nach mehr Gastronomie waren sich die Krattiger 8.7 Rigips einig. Der gesamte Tourismus könnte sich noch steigern. Dabei sahen die Krattiger das Poten- Nach der Stilllegung der Rigips gibt es verschie- zial weniger am Seeufer als im Wald und den dene Ideen der Bevölkerung, wie die freiwerden- höheren Gegenden des Dorfes. Die schöne den Ressourcen zukünftig genutzt werden Landschaft und der Slow-Tourismus sei das, wo- könnten. Diese Ideen sind nachfolgend aufge- rauf das Augenmerk mehrheitlich gelegt werden führt: sollte. Renaturierung 8.5 Schule Gemäss einiger Interviewten sollte das Gebiet der Rigips naturnahe renaturiert werden, um die Unterschiedlicher waren wiederum die Ansich- Biodiversität zu fördern. In dieser Umgebung ten zur Schule in Krattigen. Die Berichte gingen könnte sich eine diverse Flora und Fauna ansie- von kaum ausgelasteten bis zu überfüllten Klas- deln, die viele seltene Arten beinhalte. Die sen. Im Bezug darauf wurde auch eine noch en- Schulklassen könnten dies nutzen, um verschie- gere Zusammenarbeit mit Aeschi in Betracht ge- denen Arten kennenzulernen. Gleichzeitig wür- zogen. den sie sensibilisiert werden im Hinblick auf Was auch für eine engere Zusammenarbeit mit Biodiversität, was ein wichtiger Beitrag für deren Aeschi sprechen würde, sei der Lehrermangel, Schutz sei: der die ganze Schweiz beschäftige. So wurde von Eltern, die sich bei unseren Interviews betei- «Was man nicht kennt, das vermisst man ligt haben, oft erwähnt, dass ihre Kinder häu- nicht!» fige Lehrerwechsel erlebten und sie eine stabile

Lösung sehr begrüssen würden. Diese neu entstandenen renaturierten Flächen Von einigen Interviewpartnern hörten wir auch, könnten mit Wanderwegen erschlossen werden, dass die Schuldbildung im Dorf nicht attraktiv um das Gebiet auch als Naherholungsraum zu sei. Gemäss der Interviewten führten veraltete nutzen. Lehrmittel und Lehrmethoden dazu, dass der

Wunsch nach einem innovativen ausgerichteten Biogasanlage/ Gewerbe Schulsystem aufgekommen sei. Eine Biogasanlage auf dem Gelände zu bauen wurde als weitere Idee erwähnt. Von den Bauern 8.6 Jugend würde über Bodenleitungen die Gülle zu der Bi- Nicht nur die Schule sondern auch die Freizeit ogasanlagen transportiert. Ein Teil des Gases der jungen Leute im Dorf beschäftigt die Be- könnte über Strom für die Gemeinde genutzt wohner von Krattigen. Freizeitaktivitäten aus- werden und das Gas, das nicht gebraucht serhalb der Vereine oder Ausgehmöglichkeiten würde, könnte in die Gasleitung eingespeist seien relativ gering. Dies müsse man entweder werden. Der Vorteil daran wäre, gemäss der In- anpassen oder sich damit abfinden, dass sich terviewten, dass die Gasleitung schon vorhan- den sei, da die Rigips Gas benötigte.

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 21

Weiterer Abbau Bauland Möglichkeiten suchen, um weiter abzubauen. Teile des Gebietes in Bauland umwandeln und diese für Wohngebäude freigeben.

Abbildung 9: Brainstorming zu den einzelnen Themen Wachstum/Entwicklung

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 22

10 Krattigen und seine Umgebung

Wir konnten zwei verschiedene Perspektiven Krattigen wird wegen seiner guten Lage ge- beobachten. Einerseits gab es die eher optimis- schätzt. Es ist ein kleines Dorf, man ist auf dem tische Einstellung gegenüber dieser Fusion. Land und trotzdem sehr nah von Bern, Interla- Diese Leute hatten vor allem wirtschaftliche Ar- ken und Thun, wo ein Teil der Einwohner hin- gumente sowie eine eher rationale Sicht diesbe- pendelt für die Arbeit. Es liegt auch sehr nahe züglich. Allgemein wurde oft gehört, dass die bei Spiez, und Aeschi. Gerade zu Zeit nun einmal so sei und dass man immer Aeschi hat Krattigen eine spezielle Beziehung. mehr regional denken müsse. Den Wechsel müsse man einfach akzeptieren. Weiterhin In Frutigen befinden sich einige Stellen des wurde betont, dass die Eigenständigkeit Kratti- Amtsbezirks wie zum Beispiel der Sozialdienst. gens ein Luxus sei, den man sich nur wegen der Gemäss den Leuten sei Spiez eher ein Ort wo Freiwilligenarbeit leisten könne. man hingehe, um einzukaufen oder auszuge- hen. Dort gäbe es auch einen guten Anschluss Auf der anderen Seite haben wir auch eher kriti- an das öffentliche Verkehrsnetz. sche Einstellungen angetroffen. Manchen Leu- ten war es wichtig, dass «Krattigen Krattigen Die Beziehungen zu Aeschi wurden als wichtig bleiben soll». Sie fanden, eine Fusion wäre das erachtet. Während der Woche haben wir erfah- das Ende von Krattigen, weil Aeschi grösser sei. ren, dass es auch Gemeinsamkeiten zwischen Alle Dienstleistungen, so wurde befürchtet, Aeschi und Krattigen gibt wie zum Beispiel: könnten in der Folge dorthin wechseln und der − Die Kirchgemeinde Preis der Fusion würde unterschätzt. Es wurde − Schule: junge Leute gehen in Aeschi in auch erwähnt, dass Krattigen und Aeschi seit die Sekundarschule langer Zeit in Konkurrenz stünden. Das zeigte − Viele Vereine haben Mitglieder von Aeschi und Krattigen sich auch bei der Frage nach den Namen der − Gemeinsame Feuerwehr Vereine, die sich zusammengetan haben. Es

wurde von manchen Einwohnern als wichtig er- Es wurde gesagt, dass Krattigen sehr geprägt achtet, den Namen «Krattigen» zu behalten und sei von Spiez und Aeschi. vor allem auch, dass dieser vor dem Namen

«Aeschi» stünde. Diese Zusammenarbeit wurde generell gut an- Die Leute haben das Gefühl, dass sie durch eine gesehen von den Einwohnern von Krattigen. eventuelle Fusion mit Aeschi etwas von ihrer Dennoch kamen in diesem Zusammenhang Identität verlieren könnten. Diese Identität ist auch kontroverse Sichtweisen auf, besonders stark mit der Eigenständigkeit verbunden und wenn es um die Frage einer eventuellen Fusion kam oft in den Interviews vor, wenn von Um- ging, die mehrmals erwähnt wurde. bruch gesprochen wurde, Umbruch in Krattigen

wie auch ausserhalb.

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 23

Aber würde man wirklich Eigenständigkeit verlieren? Die Krattiger meinten folgendes: «Das lokale Denken, das hat auch

Vorteile.» «Können wir es uns noch leisten, eigen- «Etwas aufgeben, um etwas zu ge- ständig zu sein?“» winnen.» «Da braucht es ein Umdenken, es dau- «Es geht darum, wie man sich im ert hier etwas lange.» Dorf engagiert und um die Zusam- menarbeit.»

in den Interviews auch Zusammenhänge zwi- Bei Umbruch entsteht oft Angst vor Unbekann- schen den inneren Prozessen des Zusammenle- tem, wie zum Beispiel vor grossem Wachstum, bens und den unterschiedlichen Perspektiven, der schnellen digitalisierten Welt und der Zeit, die es geben kann zwischen Traditionen und in der man lebt im Allgemeinen. Es zeigten sich Moderne.

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 24

11 Anhang

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 25

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 26

Berner Fachhochschule | Haute école spécialisée bernoise | Bern University of Applied Sciences 27