Plenarprotokoll 15/187

Deutscher

Stenografischer Bericht

187. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005

Inhalt:

Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- 1444 (2002) vom 27. November 2002, neten Jürgen Koppelin ...... 17571 B 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004 und 1623 (2005) vom 13. September 2005 Tagesordnungspunkt 1: des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung (Drucksachen 15/5996, 15/6001) ...... 17573 B der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Interna- b) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß tionalen Sicherheitsunterstützungstruppe in § 96 der Geschäftsordnung Afghanistan unter Führung der NATO auf (Drucksache 15/6002) ...... 17573 C Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) Dr. Peter Struck, Bundesminister vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom BMVg ...... 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. Novem- 17573 D ber 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU) ...... 17575 A 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004 und 1623 (2005) vom 13. September 2005 Joseph Fischer, Bundesminister AA ...... 17576 A des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Günther Friedrich Nolting (FDP) ...... 17577 C (Drucksache 15/5996) ...... 17571 B (SPD) ...... 17579 C (fraktionslos) (zur Geschäftsordnung) ...... 17571 D Helmut Rauber (CDU/CSU) ...... 17581 B Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD) Martin Hohmann (fraktionslos) ...... 17582 C (zur Geschäftsordnung) ...... 17572 C Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) ...... 17582 D Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) ...... 17583 D Tagesordnungspunkt 2: (CDU/CSU) ...... 17584 D a) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag Namentliche Abstimmung ...... 17585 D der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Inter- Ergebnis ...... 17585 D nationalen Sicherheitsunterstützungs- truppe in Afghanistan unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolu- Anlage 1 tionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 17589 A II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005

Anlage 2 Anlage 3

Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten über den Antrag: Fortsetzung der Beteiligung Hans-Christian Ströbele und bewaffneter deutscher treitkräfte S an dem (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Ab- Einsatz einer Internationalen Sicherheitsun- stimmung über den Antrag: Fortsetzung der terstützungstruppe in Afghanistan unter Füh- Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte rung der NATO auf Grundlage der Resolutio- an dem Einsatz einer Internationalen Sicher- nen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) heitsunterstützungstruppe in Afghanistan unter vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom Führung der NATO auf Grundlage der Reso- 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. Sep- lutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, tember 2004 und 1623 (2005) vom 13. Sep- 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) tember 2005 des Sicherheitsrates der Verein- vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom ten Nationen (Tagesordnungspunkt 2 a) 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. Sep- tember 2004 und 1623 (2005) vom 13. Sep- Wolfgang Börnsen (Bönstrup) tember 2005 des Sicherheitsrates der Ver- (CDU/CSU) ...... 17589 D einten Nationen (Tagesordnungspunkt 2 a) 17591 A Birgit Homburger (FDP) ...... 17589 D Jürgen Koppelin (FDP) ...... 17590 B Anlage 4 Dr. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 17590 C Amtliche Mitteilung ...... 17591 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005 17571

(A) (C) Redetext

187. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005

Beginn: 10.00 Uhr

Präsident : Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Sitzung ist eröffnet. Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO (Dr. [FDP]: Ohne Eine Aussprache ist jetzt nicht vorgesehen. Die Kolle- Regierung?) ginnen Petra Pau und Gesine Lötzsch haben jedoch be- Die heutige Sitzung habe ich gemäß Art. 39 Abs. 3 antragt, vor der Ausschussüberweisung eine Aussprache Satz 3 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 21 Abs. 2 von zwei Stunden durchzuführen. Zu diesem Antrag er- der Geschäftsordnung auf Verlangen der Fraktionen ein- teile ich Kollegin Pau das Wort. berufen. (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Es geht um Deutsch- (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Gibt es denn land und die Regierung ist nicht da!) noch eine Regierung?) (B) Petra Pau (fraktionslos): (D) Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Wo ist denn Debatte und Entscheidung steht heute die Fortsetzung die Regierung?) der Beteiligung bewaffneter deutscher treitkräfte S an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstüt- möchte ich dem KollegenJürgen Koppelin, der am zungstruppe in Afghanistan. Wir schlagen vor, dazu 14. September seinen 60. Geburtstag gefeiert hat, nach- nach § 80 Abs. 4 der Geschäftsordnung eine erste Le- träglich im Namen des ganzen Hauses herzlich gratulie- sung durchzuführen. Sie haben sich allerdings auf ein ren. verkürztes Verfahren geeinigt. Das heißt, Sie wollen die- sen Antrag ohne Debatte an die Ausschüsse überweisen. (Beifall) Ich begründe unseren Antrag in sechs Punkten: Ers- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: tens verlangen wir eine Aussprache, weil nach uns die Beratung des Antrags der Bundesregierung zuständigen Ausschüsse über den vorliegenden Antrag beraten werden und in Kenntnis der Argumente aus den Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut- Fraktionen eine Beschlussempfehlung vorbereiten soll- scher Streitkräfte an dem Einsatz einer Inter- ten. nationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan unter Führung der NATO auf (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak- tionslos]) Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai Das ist im Übrigen das übliche Verfahren. 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) Sinnvoll wäre es außerdem, die Meinungen der Frak- vom 17. September 2004 und 1623 (2005) vom tionen und der einzelnen gewählten Abgeordneten 13. September 2005 des Sicherheitsrates der kennen zu lernen, da ich aus den unterschiedlichen Frak- Vereinten Nationen tionen – die einen befinden sich heute noch in Regie- rungsverantwortung, die anderen noch in der Opposi- – Drucksache 15/5996 – tion – andere Töne als bei vorherigen Abstimmungen Überweisungsvorschlag: gehört habe. Auswärtiger Ausschuss (f) Rechtsausschuss Der zweite Grund für eine Debatte: Im Antrag der Bun- Verteidigungsausschuss desregierung wird von der Fortsetzung eines bestehenden 17572 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005

Petra Pau (A) Mandats der Bundeswehr gesprochen. Das ist extremgen Antworten zu allen Mandaten in Afghanistan und(C) tief gestapelt; denn tatsächlich soll nicht nur das Mandat zur Bilanz und zum Zusammenwirken der unterschiedli- verlängert, sondern auch das Personal aufgestockt und chen eingesetzten Kräfte. Sie würden sich damit selbst das Einsatzgebiet ausgeweitet werden. Es handelt sich ernst nehmen, aber auch den Deutschen Bundestag und also um eine neue Qualität. die parlamentarische Demokratie – und vor allem die Bürgerinnen und Bürger. Drittens beantragen Gesine Lötzsch und ich eine De- batte, weil die Bundesregierung bisher jeglicheBilanz (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak- der Afghanistaneinsätze der Bundeswehr vermissen tionslos] – [BÜNDNIS 90/ lässt. Es gibt nicht einmalof fizielle Zahlen, zum Bei- DIE GRÜNEN], ein Schriftstück hochhaltend: spiel zu verwundeten und getöteten Soldaten des KSK. Frau Pau, hier ist eine Bilanz!) In der vergangenen Woche hat sich die Bundesregierung mir gegenüber geweigert, hierzu eine Bilanz vorzulegen. Präsident Wolfgang Thierse: Der vierte Grund: Liest man im Antrag der Bundes- Ich erteile das Wort Kollegen Wilhelm Schmidt. regierung das Großgedruckte, dann stellt man fest, dass es dort vor allem um ein erweitertes Einsatzgebiet geht. Liest man aber das kleiner Gedruckte, das im Antrag Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): charmant Versteckte, dann wird sehr schnell klar: Die Guten Morgen, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Bundeswehr kann und soll künftig in ganz Afghanistan Kollegen! Im Namen aller Fraktionen des Hauses ant- unter NATO-Befehl agieren. Auch darüber sollten wir worte ich auf diesen Geschäftsordnungsantrag der Kolle- hier reden, bevor die Ausschüsse tagen und wir hier zur ginnen Pau und Lötzsch und stelle fest, dass wir in die- Abstimmung kommen. sem Falle überhaupt kein besonderes Verfahren gewählt Der fünfte Grund für eine Debatte: Sie alle wissen, haben; wir haben vielmehr schon dreimal an einem ein- dass wir in einer prekären Situation sind.zigen Der Tag entschieden: im Zusammenhang mit dem 15. Deutsche Bundestag hat eigentlich keine Legitima- Kosovo, mit Mazedonien und auch mit Somalia. Von da- tion mehr, weit reichende Beschlüsse zu fassen. her Er ist das jetzige Verfahren nichts Ungewöhnliches. wurde auf Wunsch des Bundeskanzlers aufgelöst. Ein Zweites ist: Die Kolleginnen Pau und Lötzsch (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak- müssen sich schon klar werden, was sie denn eigentlich tionslos]) wollen. Auf der einen Seite sagen sie, was wir heute hier machen, ist – wenn ich es richtig verstanden habe – am Der neue, 16. Deutsche Bundestag ist so gut wie ge-Rande der Verfassungsmäßigkeit; auf der anderen Seite (B) wählt, also legitimiert, weit reichende Entscheidungen haben sie doch nur eine zweistündige Debatte beantragt. (D) zu treffen. Nun gibt es Fristen; aber wir sollten zumin- Damit akzeptieren sie doch eigentlich den Ablauf dieses dest nicht so tun, als würden wir uns mit diesem Thema Verfahrens. Ich kann also nur sagen: Auch hier an dieser nicht auseinander setzen. Ich finde, umso mehr sollten Stelle völlig danebengegriffen! Wir werden auch deswe- wir ein transparentes Verfahren für diese weit reichende gen den Ablauf so gestalten, wie wir es miteinander ver- Entscheidung wählen. einbart haben. Sechster Grund für eine Debatte: Wer die Bundes- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ wehr ins Ausland schickt, begibt sich in eine permanente DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Erklärungspflicht gegenüber den Soldatinnen und Solda- CDU/CSU und der FDP) ten, noch mehr aber gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern – die übrigens auch für die Kosten dieses Ein- Dass der Deutsche Bundestag hier verfassungsge- satzes aufkommen müssen: Wir entscheiden heutemäß handelt, liegt auf der Hand, weil wir, der Deutsche Nachmittag über 318 Millionen Euro. Bundestag der 15. Wahlperiode, noch im Amt sind, und Und: Die selten gefragten Bürgerinnen und Bürger zwar so lange, bis der neue Deutsche Bundestag – jener haben Fragen, zum Beispiel die ganz simple nach dem der 16. Wahlperiode – zusammengetreten ist. Von da- Grund des Einsatzes. Wir erinnern uns: Die Soldatinnen her hat dieser Bundestag alle Entscheidungsbefugnisse und Soldaten wurden damals mit dem Auftrag, Binund -rechte, auch in zusätzlichen Sondersitzungen wie Laden zu fassen, losgeschickt. dieser heute. (Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE Das Informationsbedürfnis der Kolleginnen und Kol- GRÜNEN]: Nicht bei ISAF! timmt S nicht! legen aus dem Bundestag wird in den jetzt folgenden Nicht bei ISAF!) Ausschusssitzungen zunächst unter den Fachleuten ge- klärt und befriedigt. Natürlich werden dort Ihre Rechte, Nun fragen die Bürgerinnen und Bürger: Was ist daraus teilzunehmen, nicht beschnitten. Im Übrigen ist es so, geworden? Welche Bilanz legt uns die Bundesregierung dass natürlich auch die Bürgerinnen und Bürger dieses hier vor? Landes bei der zweiten Debatte, heute Nachmittag ab (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak- 14 Uhr, in vollem Umfange informiert werden. Also gibt tionslos]) es auch dort kein Defizit. Also meine Bitte: Folgen Sie unserem Antrag! Geben (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Sie in einer zweistündigen Plenardebatte die notwendi- DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005 17573

Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (A) Über die inhaltliche Seite – das ist ja der etwas ver- Berichterstattung: (C) korkste Versuch von Ihnen, bei dieser Gelegenheit noch Abgeordnete (Wiesloch) einmal darüber zu reden – wird dann heute Nachmittag Bernd Schmidbauer zu sprechen sein; darauf gehe ich jetzt nicht ein. Marianne Tritz Dr. Ich nutze allerdings die Gelegenheit, bei meinem nun wirklich endgültig letzten Auftritt hier im Deutschen b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) Bundestag Ihnen allen zu danken, vor allem aber denen, gemäß § 96 der Geschäftsordnung die mit mir aus dem Deutschen Bundestag ausscheiden. Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit! Dem – Drucksache 15/6002 – neuen Deutschen Bundestag alles Gute für die künftige Berichterstattung: Arbeit! Abgeordnete (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Lothar Mark GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP) Jürgen Koppelin Präsident Wolfgang Thierse: Interfraktionell ist vereinbart worden, dass von der Ihnen persönlich, Kollege Schmidt, auch unsererseits Frist für den Beginn der Beratung abgewichen werden alles Gute für Ihre Zukunft! soll. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP) Ich weise darauf hin, dass wir nach der Aussprache über die Beschlussempfehlung über den Antrag der Bun- Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf desregierung namentlich abstimmen werden. Aussprache. Wer stimmt dafür? – er W stimmt dage- gen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die des ganzen Hauses gegen die Stimmen der beiden Kolle- Aussprache eine t Sunde vorgesehen, wobei die FDP ginnen Pau und Lötzsch abgelehnt. zehn Minuten Redezeit erhalten soll. – Ich höre keinen Wir kommen damit zur Überweisung. Interfraktionell Widerspruch. Dann ist so beschlossen. wird Überweisung des Antrags der Bundesregierung auf Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundes- Drucksache 15/5996 an die in der Tagesordnung aufge- minister der Verteidigung, Peter Struck, das Wort. führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (B) so beschlossen. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (D) Zu den Ausschussberatungen unterbreche ich jetzt die Bundesminister der Verteidigung: Sitzung bis voraussichtlich 14Uhr. Der Wiederbeginn Dr. Peter Struck, der Sitzung wird rechtzeitig durch Klingelsignal ange- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und kündigt. Herren! 6 000 Kilometer von Deutschland entfernt leis- ten zurzeit 2 208 Soldatinnen und Soldaten in Kabul, Die Sitzung ist unterbrochen. Kunduz und Faizabad ihren Dienst im Rahmen der inter- (Unterbrechung von 10.09 bis 14.01 Uhr) nationalen Sicherheits- und Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für Afghanistan. Die Temperatur- schwankungen in Afghanistan betragen im Laufe des Präsident Wolfgang Thierse: Jahres bis zu 60 Grad. Die Soldatinnen und Soldaten Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene schlafen in Zelten oder Containern. Für eine Fahrstrecke Sitzung ist wieder eröffnet. von 200 Kilometern werden in der Regel mindestens Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: 14 Stunden gebraucht. Das sind nur einige der Um- stände, die den Dienst bestimmen. a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus- Wichtiger ist, dass unsere Soldatinnen und Soldaten schuss) zu dem Antrag der Bundesregierung bei ihrem Einsatz Gefahren für Leib und Leben ausge- setzt sind. Wir haben seit Beginn des Einsatzes ab De- Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut- zember 2001 17 Soldaten verloren. 22 Soldaten wurden scher Streitkräfte an dem Einsatz einer Inter- bei einem Selbstmordattentat teilweise schwer verletzt nationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in und leiden noch heute unter den Auswirkungen dieses Afghanistan unter Führung der NATO aufAnschlags. Allen Soldatinnen und Soldaten, die gerade Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom jetzt in Afghanistan sind oder in den vergangenen fast 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai vier Jahren dort waren, gebührt hoher Respekt für ihre 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002,Arbeit und unser aller Dank. 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004 und 1623 (2005) vom (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE 13. September 2005 des Sicherheitsrates der GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP) Vereinten Nationen Der Einsatz in Afghanistan birgt ein hohes Risiko, – Drucksachen 15/5996, 15/6001 – aber er ist von uns allen zu verantworten. Wir handeln 17574 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005

Bundesminister Dr. Peter Struck (A) nicht leichtfertig. Wir müssen und wollen den Afghanen Drogenhandel bleibt ein Riesenproblem und die Armut (C) weiterhin zur Seite stehenund zur Sicherheit im Land wird nur durch eine entsprechende wirtschaftliche Ent- beitragen. Indem wir dabei helfen, denWiederaufbau wicklung in diesem Land verringert werden können. voranzubringen, machen wir die Abkehr Afghanistans Das Erreichte bedarf daher weiterhin dermilitäri- von einer Brutstätte internationalen Terrorismus un- schen Absicherung durch ISAF. Die Bundeswehr stellt umkehrbar. Damit trägt der Einsatz unserer Soldatinnen künftig mit bis zu 3 000 Soldaten das größte ISAF-Kon- und Soldaten auch zur Sicherheit in Deutschland und tingent. Die deutschen Streitkräfte werden in den ISAF- Europa bei. Regionen Kabul und Nord eingesetzt. Vor zehn Tagen, am 18. September, mündete der auf Im Norden übernimmt Deutschland dieFührungs- der Afghanistan-Konferenz 2001 begonnene Prozess des verantwortung. Der deutsche Regionalkoordinator wird Wiederaufbaus und der Demokratisierung in einen he- seine Aufgaben von Mazar-e Scharif aus wahrnehmen. rausragenden politischen Erfolg. Millionen Männer und Der in der Nord- und Westregion bewährte zivil-militäri- vor allem auch Frauen haben mutig die Chance ergriffen, sche Ansatz der regionalen Wiederaufbauteams soll auf selbst in freier Wahl über ihre politischen Führer zu be- andere Provinzen ausgedehnt werden. Auch dies ist ein stimmen. Das ist auch dem Einsatz der internationalen Erfolgsmodell. Die Zusammenarbeit zwischen den Friedenstruppe zu verdanken. Nichtregierungsorganisationen und der Bundeswehr in (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ diesem Bereich klappt hervorragend. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der ISAF und OEF – darauf lege ich großen Wert – blei- CDU/CSU) ben weiterhin getrennte Missionen. Daran wird sich Mehr als 50 000 afghanische Sicherheitskräfte, unter- auch nichts ändern. stützt von rund 000 12 ISAF-Kräften und rund (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten 18 000 Soldaten der Antiterrorkoalition, haben für einen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) nahezu ungestörten Ablauf der Wahlen gesorgt. Der Lei- ter der Wahlbehörde in Afghanistan hat die Sicherheits- Im Zuge der weiteren Ausdehnung von ISAF sollen lage bei der Wahl als „generell sehr gut“ bezeichnet. Die deutsche Soldaten aber auch in anderen Regionen zeit- erste Parlamentswahl seit gut 35 Jahren war ein Meilen- lich und im Umfang begrenzt zur Unterstützung einge- stein auf dem Weg in eine bessere Zukunft. Sie folgte setzt werden können, wenn dies der ISAF-Gesamtauf- der Verabschiedung der Verfassung im Januar 2004 und trag unabweisbar erfordert. Das betrifft vornehmlich der Präsidentschaftswahl im Oktober 2004. Aufgaben in den Bereichen Aufklärung, Führung, Trans- port oder Logistik. Wenn das geschieht, werden wir das (B) Mit der Konstituierung des neuen afghanischen Parla- Parlament selbstverständlich darüber informieren. (D) ments ist der so genannteBonn-Pr ozess beendet. Es kommt jetzt darauf an, dass die internationale Gemein- In dem Mandat ist einePersonalobergr enze von schaft den weiteren Aufbau des Landes mit allen Kräften 3 000 Soldaten vorgesehen. Die bisherige regionale unterstützt. Ich habe dazu auf der Konferenz der NATO- Obergrenze für Kunduz entfällt. Dadurch gewinnen wir Verteidigungsminister vor zwei Wochen hier in Berlin die Flexibilität, die wir für den Einsatz der deutschen eine weitere Afghanistan-Konferenz unter Beteiligung Soldatinnen und Soldaten benötigen. der NATO und anderer Geberstaaten in Kabul vorge- Ich will herausheben, dass die Verlängerung und Mo- schlagen. Im Kern muss es darum gehen, dass die Af- difizierung des Mandats für den Einsatz der Bundeswehr ghanen nach und nach mehr Verantwortung für ihr Land keine Veränderung in der Frage derDrogenbekämp- übernehmen. Darin wollen wir sie weiterhin unterstüt- fung mit sich bringt. Der Gouverneur von Kunduz sagte zen – auch durch die ISAF-Schutztruppe. anlässlich der Parlamentswahlen in einem Zeitungsinter- Ohne die ISAF-Kräfte hätte Afghanistan die erfolg- view: reiche politische Entwicklung der g verangenen vier Ohne sie Jahre nicht vollziehen können. Wir führen keinen Kriegseinsatz, sondern eine Friedensmission durch. – die deutschen und anderen ISAF-Truppen – (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ würde hier das reine Chaos herrschen – wie in alten DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Zeiten. Im Moment kann man Afghanistan nicht al- FDP) lein lassen. Wir sind den militärischen und den zivi- len Helfern dankbar, Ohne ISAF würde das Land in den kommenden Jahren – so der Gouverneur – ohne jeden Zweifel Gefahr laufen, in einen Zustand der Instabilität und des Zerfalls zurückzufallen. Neue Gefah- daß sie die Polizei, die Armee und die Infrastruktur ren, auch durch wieder erstarkende Terroristen im des Landes reparieren. Lande, wären die Folge. Er sagte auch: Afghanistan steht noch immer am Beginn des Weges Wir brauchen die Deutschen. Ihre Arbeit ist sehr zu einem stabilen demokratischen taat. S Die neu ge- wichtig. schaffenen Institutionen sind noch nicht belastbar. Es gibt eine geschwächte, aber immer noch handlungs- Der Gouverneur hat Recht. Deshalb bin ich mir si- fähige militante Opposition, wie wir sie nennen. Dercher, dass dieses Haus das Mandat für die Bundeswehr Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005 17575

Bundesminister Dr. Peter Struck (A) heute mit großer Mehrheit verlängern wird. Dies wäre Herr Verteidigungsminister Struck hat auf die großen (C) im Interesse der Soldatinnen und Soldaten, deren unbe- Gefahren hingewiesen. Auch ich möchte für meine Frak- schadete Rückkehr wir uns alle, denke ich, wünschen. tion allen Soldaten, aber auch den zivilen Aufbau- und Entwicklungshelfern für ihre großartige und gefährliche Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Arbeit fernab der Heimat herzlich danken. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜND- CDU/CSU und der FDP) NIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP) Viel internationales Geld wurde bisher in den Auf- Präsident Wolfgang Thierse: bauprozess Afghanistans gesteckt. Doch am Ende des so Ich erteile das Wort Kollegen Friedbert Pflüger, CDU/ genannten Bonn-Prozesses ist die Dividende sehr ambi- CSU-Fraktion. valent. Für viele Afghanen haben sich die Lebensver- hältnisse bisher eben nicht verbessert. Nur 6 Prozent der Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU): Menschen haben Strom. Das Straßennetz ist noch immer Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undschlecht. Der Wiederaufbauprozess ist hinter den Pla- Herren! In den Terrorcamps der Talibanregierung in Af- nungen zurückgeblieben. Für Schönfärberei gibt es kei- ghanistan wurden nach Angaben des Bundesnachrich- nen Anlass. Trotz einiger Teilerfolge lastet die Drogen- tendienstes bis 2001 etwa 20 000 Terroristen ausgebildet problematik nach wie vor auf der Zukunft Afghanistans. und in alle Welt geschickt. Sie waren für die Anschläge Hier wird der Kollege Schmidbauer gleich das eine oder von al-Qaida überall auf der Welt mitverantwortlich. Es andere hinzufügen. ist gut und richtig gewesen, dass die Weltgemeinschaft Erlauben Sie mir eine grundsätzliche Bemerkung. In 2001 unter Führung der UN dem terroristischen Treiben den sieben Jahren der rot-grünen Bundesregierung zwi- der Taliban und der al-Qaida ein Ende gesetzt hat. Es ist schen 1998 und heute hat es 36Anträge der Bundes- richtig, dass die Staatengemeinschaft dann das geschun- regierung gegeben, deutsche Soldaten ins Ausland zu dene Afghanistan nicht alleine gelassen hat, sondern den senden. 36 Mal wurden wir als Opposition aufgefordert, Wiederaufbau- und Entwicklungsprozess Afghanistans Soldaten in Krisen-, Konflikt- oder gar Kriegsregionen bis heute fördert. zu schicken: Afghanistan, Kosovo, Bosnien, Mazedo- CDU und CSU stimmen dem Antrag der Bundes-nien, aber auch Osttimor, Kongo, Sudan und Eritrea. In regierung zu, weil wir verhindern müssen, dass die Ter- manchen Fällen hatten wir große Bedenken, zum Bei- roristen und Taliban zurückkehren und uns erneut be- spiel wegen der allgemeinen Finanzlage des Bundes und der Bundeswehr. Wir hatten Bedenken wegen mangeln- (B) drohen. Wir stimmen zu, weil der Prozess der (D) Stabilisierung, des Wiederaufbaus und der Errichtung der Ausrüstung und Erfahrung der Bundeswehr in demokratischer Institutionen noch nicht abgeschlossen bestimmten Regionen. Wir hatten Bedenken wegen aus- ist. Wir stimmen zu, weil wir die Drogenproduktion in bleibender Erfolge bei einem Friedensprozess. Wir Afghanistan zum Wohle unserer Kinder eindämmenhaben trotzdem in allen 36 Fällen zugestimmt. Wir ha- müssen. Wir stimmen zu, weil wir im multilateralenben oft durch unsere Arbeit Protokollnotizen erreicht, Rahmen ein verlässlicher Partner der Vereinten Nationen die dann das Mandat mit gebunden haben, um mehr Si- und der NATO sind. Die Verlängerung des Mandats in cherheit für unsere Soldaten zu ermöglichen. Afghanistan ist im deutschen Interesse. Deshalb wer- Es ist ein großer und wichtiger Schritt, wenn man Sol- den CDU und CSU dem Antrag der Bundesregierungdaten ins Ausland schickt. Jeder Einzelne von uns trägt heute ihre Zustimmung geben. nach unserer Verfassung dafür eine große erantwor- V (Beifall bei der CDU/CSU) tung. Wir haben in allen Fällen zugestimmt, weil wir letztlich von der sicherheitspolitischen Bedeutung über- Wenn wir nach Afghanistan schauen, dann stellen wir zeugt waren, wir haben aber vor allen Dingen zuge- fest, dass es dort Licht und Schatten gibt.stimmt, Am weil wir es unseren Soldaten schuldig sind, dass 18. September dieses Jahres haben in AfghanistanKonflikte und Interessenunterschiede hier im Deutschen Parlamentswahlen stattgefunden. Sie sind im Großen Bundestag nicht auf ihrem Rücken ausgetragen werden. und Ganzen erfolgreich durchgeführt worden. Aber wir Sie haben das Recht darauf, vom ganzen Deutschen alle wissen: Die neu geschaffenen Institutionen in Af- Bundestag in ihre gefährlichen Einsätze geschickt zu ghanistan sind nach wie vor wenig belastbar. werden. Deshalb hat sich die CDU/CSU in keinem einzi- Mehr als 60 000 Kämpfer der registriertenMilizen gen Fall in den letzten sieben Jahren ihrer Verantwortung wurden entwaffnet. Aber noch immer soll es nach Anga- entzogen. ben der UNAMA in Afghanistan rund 680illegale Mili- (Beifall bei der CDU/CSU) zen mit 80 000 Bewaffneten geben. Teile des Landes sind weder unter Kontrolle der afghanischen noch der in- Ich hoffe sehr, dass die zukünftige Opposition in die- ternationalen Sicherheitskräfte. Zudem gelangen immer sem Haus ein ähnlich hohes erantwortungsgefühl V ha- wieder Terroristen, insbesondere aus Pakistan, in dasben wird, dass das ganze Haus den Soldaten das Mandat Land. Angriffe und Anschläge auf Soldaten, Mitarbeiter für Auslandseinsätze erteilen wird und dass wir nicht von Hilfsorganisationen und die Zivilbevölkerung ma- noch einmal den Fehler machen – auch nicht in ahl-W chen deutlich, dass noch größere Anstrengungen not-kämpfen –, den Eindruck zu vermitteln, als seien die wendig sind, um die Sicherheitslage zu verbessern. einen Deutschen in diesem Haus verlässlichere 17576 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005

Dr. Friedbert Pflüger (A) Bündnispartner als die anderen oder wollten gar denkommunistischen Putsch und ohne den Einmarsch der(C) Frieden mehr als die anderen. Roten Armee in dieser Form nicht gegeben. Ich denke, dass man sich von dieser historischen Verantwortung (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ nicht freisprechen kann. DIE GRÜNEN: Oh!) Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU) Dieser Einsatz war und ist – ich denke, hierin sind sich alle Fraktionen im Hause, die diesen Einsatz unter- Präsident Wolfgang Thierse: stützt haben, einig – niemals Teil einer militärisch ge- Ich erteile Bundesminister Joseph Fischer das Wort. stützten Außenpolitik, die auf nationalen Interessen be- gründet war. Das Ganze war vielmehr eine Anstrengung Joseph Fischer, Bundesminister des Auswärtigen: der Staatengemeinschaft nach jenem furchtbaren Verbre- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! chen des 11. September, bei dem klar war, dass es von (Zuruf von der CDU/CSU: Letzte Rede!) einer Terrorgruppe organisiert und ins Werk gesetzt wurde, die die Unterstützung der Taliban in Afghanistan Am 18. September haben in Afghanistan die erstengefunden hat, und dass dieseGefahr für den Welt- freien Parlamentswahlen seit In-Kraft-Treten der neuen frieden nicht mehr hingenommen werden durfte und Verfassung stattgefunden. Ich denke, das ist ein wichti- konnte. Deswegen hat der Sicherheitsrat der Vereinten ges Datum, das es hier in der Debatte festzuhalten gilt. Nationen die notwendigen Entscheidungen getroffen. Damit wird der so genannte Bonn-Prozess, der vor eini- Auf dieser Grundlage hat Deutschland seinen Anteil ge- gen Jahren auf dem Petersberg in Bonn begonnen hat, leistet. formal abgeschlossen; formal deswegen, weil damit der letzte Schritt nach den freien Präsidentschaftswahlen, Wir hatten in diesem Hause durchaus Skepsis zu nach den Erfolgen beim Wiederaufbau und der Stabili- überwinden, etwa den Einsatz des Instruments der so ge- sierung der Sicherheit getan wurde. Selbstverständlich nannten Provincial Reconstruction Teams betreffend. Ich wird Afghanistan auch in Zukunft unserer Unterstützung verstehe zwar diese Einwände; sie haben sich aber bedürfen, und zwar in allen Bereichen, damit dieser Pro- – Gott sei Dank, füge ich hinzu – im Lichte der Realität zess weiter vorangehen kann. als nicht belastbar erwiesen.Insofern können wir fest- stellen, dass sich gerade die deutsche Herangehensweise, Es hat Wahlen zur Präsidentschaft und zum Parlament nicht nur militärische Teams in die Region zu entsenden, gegeben. Diese Wahlen wurden insgesamt positiv be- sondern einen breiteren Ansatz des Wiederaufbaus (B) wertet. An der Stabilisierung der Sicherheit wird weiter – das heißt die Koordination von Militär, ziviler Wieder- (D) gearbeitet werden müssen. Diese Aufgabe wird aberaufbauhilfe und allen anderen Bereichen, ob Erziehung, gleichzeitig mehr und mehr auf afghanische Schultern Polizei oder was auch immer – zu wählen, letztendlich übertragen werden. Deutschland war und ist bei der Poli- doch bewährt hat. zeiausbildung führend. Es zeigt sich, dass der Beitrag der afghanischen Polizei und auch des afghanischen (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Militärs gemeinsam mit internationalen Einsatzkräften SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) ein wesentlicher Beitrag zur Sicherheitsstabilisierung Heute können wir feststellen, dass das neue Mandat war. All das zeigt: Es hat sich wirklich rentiert, unterauf diese Grundtatsache eingeht, nämlich erstens, dass dem Dach der Vereinten Nationen zum Wiederaufbau der Bonn-Prozess zum Ende gekommen ist. Zweitens beizutragen. Es hat sich moralisch rentiert, es hat sich – diese Debatte hat gerade in unserer Fraktion eine Rolle aber auch politisch, ökonomisch und humanitär rentiert. gespielt; insofern möchte ich das hier noch einmal auf- Insofern möchte ich mich dem Dank des Verteidigungs- greifen – sind die Ausdehnung des Mandats und die Auf- ministers an alle eingesetzten Kräfte anschließen. Ob es stokkung der Truppen nicht Ausdruck einer Krise, son- zivile oder militärische Kräfte waren: Sie haben viel ris- dern des genauen Gegenteils. Dass in Afghanistan so kiert. Sie haben es in unserem Namen getan. Dafürgenannte Regionalkommandos unter Führung jeweils möchte ich mich herzlich bedanken. einer Nation gebildet werden, wobei Deutschland den (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Norden Afghanistans übernimmt, ist darin begründet, und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der dass Großbritannien sein bisheriges Team in den Süden CDU/CSU und der FDP) entsendet und dort Verantwortung übernimmt, sodass es im Raum Kandahar mehr Stabilität gibt. Italien wird die Ich habe gesagt, dass noch viel zu tun ist, aber einVerantwortung im Westen – im Raum Herat – und kurzer Blick zurück macht klar, was schon erreicht Deutschland diese im Norden übernehmen. Der Osten wurde. Eine Beendigung des Mandats zum jetzigen Zeit- gibt nach wie vor Anlass zur Besorgnis. Darum möchte punkt würde bedeuten, dass wieder dasselbe politische ich nicht herumreden. Er wird deswegen aus guten Umfeld entstehen würde, das den Bürgerkrieg hervorge- Gründen von den USA übernommen werden. bracht hat. Ich möchte auchdenjenigen, die bisher ihre Zustimmung versagt haben und die in dieses Haus wie- Mehr regionale Flexibilität ist notwendig – auch das der in Fraktionsstärke einziehen werden, die historische ist eine Erfahrung aus dem Kosovo–, um mit den vor- Verantwortung klar machen: Die afghanische Tragödie handenen Kräften unmittelbar auf eine Krise reagieren über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg hätte es ohne den zu können. Ein solcher Einsatz kann schlicht und einfach Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005 17577

Bundesminister Joseph Fischer (A) nur ohne nationale Vorbehalte mit der nötigen Flexibili- Opposition haben. Aber nun brauchen wir zuerst eine(C) tät durchgeführt werden. neue Regierung. Das wird noch viel Arbeit. Ich hoffe, dass das, was wir in den vergangenen Jah- Vielen Dank. ren gezeigt haben, auch für die kommenden Jahre stilbil- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dend bleibt, nämlich dassder Bundesverteidigungsmi- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der nister wie auch die Bundesregierung insgesamt weder CDU/CSU) mit Obergrenzen noch mit Einsatzkompetenzen, die das Mandat umfasste, jemals extensiv umgegangen sind, sondern immer auf der Grundlage der zeitnahen Infor- Präsident Wolfgang Thierse: mation des Parlaments undmit der gebotenen Zurück- Ich erteile das Wort Kollegen Günther Nolting, FDP- haltung; übrigens auch im Interesse der Zusammenarbeit Fraktion. dieser beiden Verfassungsinstitutionen und der notwen- digen Unterstützung der Soldatinnen und Soldaten, die Günther Friedrich Nolting (FDP): schließlich im Einsatz viel riskieren. Die Bundesregie- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP- rung hat bereits eine entsprechende Zusage gegeben. Bundestagsfraktion hat in den Jahren 2001 und 2002 den jeweiligen Mandaten zugestimmt. Anders war die Situa- Das sind die wesentlichen Punkte, auf die es von poli- tion vor zwei Jahren, als die Bundesregierung eine tischer Seite ankommt. Der Sicherheitsrat der Verein- weder in der NATO noch in der EU abgestimmte Einzel- ten Nationen hat am 13. September eine entsprechende entscheidung traf, den Aufbau eines PRT in Kunduz Verlängerung des Mandats beschlossen; das heißt, wir beschloss und dies in das ISAF-Mandat vom 13. Okto- werden es jetzt – im Übrigen auf Bitte der afghanischen ber 2003 integrierte. Die FDP hatte eindringlich vor ei- Regierung – um weitere zwölf Monate verlängern. Die nem derartigen Alleingang gewarnt, der offensichtlich Stärkung der demokratischen Institutionen, die Verbes- nur auf eine Wiedergutmachung gegenüber den USA serung des Schutzes der Menschenrechte, die Armutsbe- zielte und zu diesem Zeitpunkt keinerlei internationale kämpfung, die Modernisierung der Verwaltung, die Be- Unterstützung fand. Deshalb lehnte die FDP die Man- kämpfung der Korruption und der Kampf gegen dendatsausweitung ab, ich betone ausdrücklich: nur die Drogenanbau und den Drogenhandel werden – selbstver- Ausweitung. ständlich gemeinsam mit der Stärkung der regionalen Die Bundesregierung war mit ihrer Politik nicht nur Zusammenarbeit, damit auch die regionalen Kriegs-lange Zeit isoliert. Sie hat darüber hinaus in Kauf ge- gründe beseitigt werden können – den jetzt beginnenden nommen, dass unsere Soldatinnen und Soldaten einem Post-Bonn-Prozess bestimmen. nur schwer kalkulierbaren Risiko ausgesetzt waren. Herr (B) Drogenanbau und Drogenhandel spielen dabei eine Kollege Pflüger, wenn wir abgelehnt haben, dann waren (D) große Rolle. Hierbei gibt es aber keine kurzfristigen Lö- wir uns als FDP-Bundestagsfraktion sehr wohl unserer sungen. Man sollte sich nichts vormachen: Überall dort, Verantwortung vor allem gegenüber den Soldatinnen wo es gelang, dies erfolgreich zurückzudrängen, gelang und Soldaten bewusst. dies nur mit langem Atem und vor allen Dingen durch (Beifall bei der FDP) den Einsatz und den Aufbau ökonomischer Alternativen für die Landbevölkerung. Das ist von entscheidender Bei der letzten Mandatsverlängerung musste die FDP Bedeutung. Hinzu kommt ne ei wirksame Antikorrup- erneut ablehnen, da die Bundesregierung zwischenzeit- lich zwar alle möglichen ersprechungen V abgegeben tionsstrategie, das heißt wirksame Polizeiarbeit und der hatte, Verbesserungen aber nicht erkennbar waren. Mein notwendige politische Druck, damit eventuelle politi- Kollege Dr. Werner Hoyer führte in der Debatte hierzu sche Verflechtungen aufgedeckt und entsprechende Kon- am 30. September 2004 aus: sequenzen gezogen werden können. Das alles ist in das Mandat eingeflossen. Gleichzeitig haben wir auf Bitte Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ist ein der Fraktionen die Protokollerklärung in das Mandat langfristiger Einsatz. Wir reden dabei über sehr aufgenommen. viele Jahre. Das sollte die Bundesregierung den Bürgerinnen und Bürgern klar sagen. Wenn man Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Ich denke, das tut, braucht man ein umfassendes und überzeu- dass wir hier ein Mandat haben, das den Herausforde- gendes Konzept. Hierfür fehlen drei essenzielle rungen des Post-Bonn-Prozesses gerecht wird, dass Af- Elemente: ghanistan weiterhin unsere Unterstützung braucht und dass gleichzeitig die eingesetzten Soldatinnen und Sol- Erstens fehlen das internationale und insbesondere daten, aber auch die zivilen Kräfte, die Polizisten, die das westliche Einvernehmen über das Engagement hervorragende Arbeit leisten, und die Diplomaten An- einer sehr viel größeren Anzahl von Partnern bei spruch auf breite Unterstützung und Anerkennung für den PRTs in einer wirklichen Netzwerkstruktur. ihre gefährliche Arbeit haben. Deswegen bitte ich Sie im Zweitens fehlt das abgestimmte Zusammenwirken Namen der Bundesregierung um breite Unterstützung. der Bundeswehr mit den zivilen Hilfsorganisatio- nen. Weil Sie, Herr Kollege Pflüger, es angesprochen ha- ben, möchte ich mich ausdrücklich für die 36 Entschei- Drittens fehlt eine überzeugende Vorstellung der in- dungen der CDU/CSU-Fraktion in den vergangenen Jah- ternationalen Partner und der afghanischen Autori- ren recht herzlich bedanken. Sie können davontäten davon, wie man mit dem Drogenthema umge- ausgehen: Sie werden immer eine verantwortungsvolle hen will. 17578 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005

Günther Friedrich Nolting (A) Ich bin erfreut, dass diese Mahnungen berücksichtigt ausschuss. Minister Struck ist übrigens der sechste Ver- (C) wurden. Das heutige Bild stellt sich für uns, die FDP, an- teidigungsminister, ders, besser dar: (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Der Erstens. Es engagieren sich jetzt 35 Nationen im Rah- unter Ihnen gedient hat!) men von ISAF, davon 26 in zwischenzeitlich neun PRTs dessen Ausführungen ich im Ausschuss und auch hier im im Norden und Westen Afghanistans. Plenum – so denn notwendig – ab und zu kritisieren durfte. Zweitens. Die Zusammenarbeit zwischen der Bundes- wehr und den zivilen Hilfsorganisationen hat sich positiv Ich will an dieser Stelle aber auch festhalten, dass wir entwickelt. im Verteidigungsausschuss kollegial, fast freundschaft- lich über die Fraktionsgrenzen hinweg zusammengear- Drittens. Die Bundesregierung hat am 22. April die- beitet haben. Dafür will ich mich ausdrücklich bedan- ses Jahres ein Konzept zur Drogenbekämpfung in Af- ken. Zu dieser Kollegialität hat auch der jetzige ghanistan vorgelegt. Verteidigungsminister Struck beigetragen. Auch das will ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen. Herr Minister Fischer, wir begrüßen ausdrücklich, dass die Protokollnotiz Gegenstand des Mandates ge- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten worden ist. der SPD und der CDU/CSU) Herr Minister, ich hoffe, dass Ihnen dieses Lob nicht (Beifall bei der FDP) schaden wird. Darüber hinaus hat die FDP-Bundestagsfraktion zur (Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP und der Kenntnis genommen, dass die Bundesregierung ihre ur- CDU/CSU) sprüngliche Absicht aufgegeben hat, das Mandatsgebiet der Bundeswehr auf ganz Afghanistan auszudehnen. Die Zu Beginn meiner parlamentarischen Arbeit 1987 in jetzige Formulierung entspricht den orschlägen V der Bonn war Deutschland noch geteilt. Eine unmenschliche FDP. Ich bedanke mich an dieser Stelle ausdrücklich bei Mauer stand mitten in Berlin, nur wenige Meter von hier Außenminister Fischer, der auf die Frage des Kollegen entfernt. Kalter Krieg herrschte. Bundeswehr und Natio- Dr. Hoyer heute im Auswärtigen Ausschuss für die Bun- nale Volksarmee standen sich ebenso gegenüber wie desregierung klipp und klar erklärt hat, dass der Bundes- NATO auf der einen Seite und Warschauer Pakt auf der tag mit einem neuen Mandat befasst wird, wennanderen Seite. Deutschland glich einem Heerlager. Deutschland ist jetzt seit 15 Jahren vereint. Der Kalte RECCE-Tornados zur Aufklärung in Afghanistan ein- (B) Krieg ist beendet. Der Deutsche Bundestag tagt seit(D) gesetzt werden sollten; die Hinweise unter Ziffer 5 des sechs Jahren hier in Berlin. Wir haben hier in Europa in Antrags der Bundesregierung deckten den Einsatz nicht den letzten Jahren und Jahrzehnten eine Friedenszone ab. Ich denke, der Deutsche Bundestag wird, wenn es bekommen, wie wir sie noch nie hatten. dazu kommen sollte, auf diese Aussage zurückkommen. Ich füge hinzu: Unsere Soldatinnen und Soldaten und (Beifall bei der FDP sowie des Abg. die zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr haben Großarti- Dr. [SPD]) ges geleistet, gerade alsArmee der Einheit. Ihnen ist viel abverlangt worden, damals wie heute. Deshalb will Die FDP wird dem vorliegenden Antrag der Bundes- auch ich für die FDP-Bundestagsfraktion den Dank an regierung mehrheitlich zustimmen. Aber die FDP wird die Angehörigen der Bundeswehr hier und heute weiter- immer wieder die Frage nach Sicherheit und Schutz für geben. Ich denke, dieser Dank kann nicht oft genug aus- unsere Soldatinnen und Soldaten stellen. Wir stehen hier gesprochen werden. fürwahr in der Verantwortung und in der Fürsorge. Die FDP wird immer wieder eine politische Perspektive an- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie mahnen. Die Soldatinnen und Soldaten setzen sich tag- bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- täglich vor Ort auch unter Gefährdung ihres Lebens NISSES 90/DIE GRÜNEN) – Bundesminister Struck hat es hier erwähnt – für ein Die größte Veränderung für die deutschen Streitkräfte friedliches Afghanistan ein. Die Bundesregierung und vollzog sich zweifelsfrei mit dem Urteil des Bundesver- vor allem der Außenminister wären gut beraten, diesen fassungsgerichts vom 12.Juli 1994, das den außen- und Einsatz politisch stärker zu unterstützen und voranzutrei- sicherheitspolitischen Handlungsrahmen Deutschlands ben. signifikant erweiterte. Vorbehaltlich der jeweiligen Zu- stimmung des Deutschen Bundestages ist die Bundes- (Beifall bei der FDP) wehr zu einem uneingeschränkt einsetzbaren Instrument Meine Damen und Herren, ich werde der Außenpolitik dem im Rahmen internationaler Friedensbe- 16. Deutschen Bundestag nicht mehr angehören; ich wahrung geworden. Ich betone ausdrücklich: im Rah- habe mich nicht mehr zur Wahl gestellt. Ich war in den men internationaler Friedensbewahrung. vergangenen fast 19 Jahren durchgehend Mitglied im Die Reichweite des militärischen Engagements Verteidigungsausschuss, mehr als zehn Jahre verteidi- Deutschlands hat sich schrittweise entwickelt. Ich erin- gungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. nere zum Beispiel an Kambodscha, an Somalia, an IFOR Mehr als zehn Jahre war ich auch Mitglied im Petitions- und an SFOR. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005 17579

Günther Friedrich Nolting (A) Im Rahmen der Luftangriffe der NATO zur Beendi- Hauses für Ihre persönliche Zukunft alles Gute wün-(C) gung des Genozids im Kosovo beteiligte sich die Bun- schen. deswehr 1999 erstmalig an einer Frieden schaffenden (Beifall – Günther Friedrich Nolting [FDP]: Operation. Schon wenig später übernahm sie die Füh- Danke schön!) rung einer multinationalen Brigade im Kosovo und zeit- weilig sogar die Gesamtführung bei KFOR. In Mazedo- Ich erteile nun Kollegen Gernot Erler, SPD-Fraktion, nien haben wir Gesamtverantwortung übernommen. Wir das Wort. haben Führungsverantwortung bei ISAF in Afghanistan und auch bei der maritimen Taskforce übernommen. Gernot Erler (SPD): Hier zeigen unsere Partner auch Vertrauen in die Füh- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! rungs- und Leistungsfähigkeit der deutschen Streit- Nach der soeben gehörten Abschiedsrede von Herrn kräfte. Nolting möchte ich eine orbemerkung V machen. Im Bei jedem Beschluss über einen AuslandseinsatzNamen meiner Fraktion, aber auch, so denke ich, im Na- müssen wir uns aber immer wieder fragen: Können wir men der anderen Fraktionen möchte ich Ihnen, Herr den Einsatz verantworten? Ist dieser Einsatz sinnvoll? Ist Nolting, für Ihr langjähriges Engagement für die Sicher- dieser Einsatz notwendig? Mit der Entsendung von An- heitspolitik Deutschlands – die meiste Zeit als Sprecher gehörigen der Bundeswehr zu Auslandsmissionen muss Ihrer Fraktion und immer als ein sachkundiger und fairer äußerst verantwortungsvoll umgegangen werden.Kollege auftretend – herzlich danken und Ihnen alles Grundsätzlich sollte eine Kultur der Zurückhaltung ge- Gute wünschen. pflegt werden, und zwar nicht nur, um eine Überlastung (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜND- der Soldatinnen und Soldaten sowie eine Überdehnung NIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP) des Auslandsengagements der deutschen Streitkräfte zu vermeiden, sondern auch, um deutlich zu machen, dass Vor zehn Tagen haben in Afghanistan erst die dritten der Einsatz von Militär weder Allheilmittel ist, noch un- Parlamentswahlen in der Geschichte dieses Landes serer Interessenwahrung immer gerecht wird. stattgefunden, übrigens die ersten mit mehr als 20Pro- zent Beteiligung. In Deutschland war dieses Ereignis (Beifall bei der FDP) durch unsere eigenen Parlamentswahlen ein bisschen Bei der heutigen Entscheidung sind dieForderun- überdeckt. Aber es lohnt sich, noch einmal auf das zu gen, die ich jetzt noch einmal nennen möchte, weitge- schauen, was da eigentlich passiert ist und geleistet wor- hend erfüllt worden, nämlich: Vorlage eines Mandats des den ist; denn mit dieser Wahl war eine ganze Reihe von UN-Sicherheitsrats, Einbindung in eine Gemeinschaft Schwierigkeiten verbunden. (B) (D) sich engagierender Staaten, unmissverständliche Be- 1,7 Millionen Menschen mussten als Wähler nach- schreibung des politischen Ziels inklusive der angestreb- registriert werden. Es war eigentlich eine dreifache ten Nachkonfliktordnung, Wahrung bzw. Wahrnehmung Wahl: Das Unterhaus, die Wolesi Jirga, mit 249 Mitglie- deutscher Interessen und klar umrissener Auftrag für die dern und ein Teil des Oberhauses, der Meschrano Jirga, Streitkräfte sowie Bereitstellung der von ihnen benötig- mussten gewählt werden und gleichzeitig fanden auch ten Mittel, auch der Finanzmittel. Dies wird noch einnoch Wahlen zu den Provinzräten statt. 5 732 Kandida- Punkt der Haushaltsplanberatungen 2006 sein. ten hat es gegeben, davon etwa 10 Prozent Frauen. 6 267 Bei jeder Entscheidung über einen Einsatz der Bun- Wahlbüros waren zu betreuen. 160 000 Wahlhelfer ka- deswehr im Ausland muss die Beurteilung des Risikos men zum Einsatz. 200 000 Wahlbeobachter haben dafür für Leib und Leben der Soldatinnen und Soldaten eine gesorgt, dass diese Wahlen korrekt ablaufen. Das Ganze herausragende Bedeutung haben. Der Mensch muss im- geschah immer noch unter der Bedrohung von bewaffne- mer im Mittelpunkt stehen. Wir tragen hier als Abgeord- ten Kräften, die versucht haben, diese Wahlen zu stören, nete für unsere Parlamentsarmee eine besondere Verant- was ihnen aber nicht gelungen ist. Ich finde, das ist eine wortung. Ich habe eine Bitte, meine Damen und Herren: große Leistung. Deshalb halte ich es für angemessen, Sorgen Sie dafür, dass wir auch weiterhin eine Parla-dem afghanischen Volk und der afghanischen Regierung mentsarmee haben! von diesem Hohen Hause aus unsere Gratulation zu den erfolgreichen Wahlen auszusprechen. Ich bedanke mich bei all denjenigen, mit denen ich den letzten 19 Jahren zusammenarbeiten durfte. Mir hat (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE die Arbeit Spaß gemacht. Mir macht die Arbeit immer GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordne- noch Spaß. Deshalb höre ich jetzt auch auf. Herr Präsi- ten der CDU/CSU) dent, ich melde mich ab. Wir stehen jetzt im Prozess der Auszählung. Auch diese ist sehr kompliziert. Es hat 69 verschiedene Wahl- Vielen Dank. zettel gegeben. Es gab Zettel, die man schon Hefte nen- (Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU nen musste, mit – so in Kabul – bis zu etwa und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 400 Kandidaten. Entsprechend erwarten wir erst am 22. Oktober das amtliche Endergebnis. Präsident Wolfgang Thierse: Die Eröffnungssitzung des Parlamentes ist für den Lieber Kollege Nolting, nach Ihrer letzten Rede und 19. Dezember vorgesehen. Die Situation dieses Parla- Ihrem Abschied darf ich Ihnen im Namen des ganzenmentes wird schwierig sein. Es ist ein Parlament, in dem 17580 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005

Gernot Erler (A) es keine Organisation durch Parteien geben wird, eindes Landes gegen die Restbestände der Taliban und von (C) Parlament, in dem auch eine ganze Menge Warlords und al-Qaida und gegen die Gruppen des Warlords Hekmatyar Drogenbarone sitzen werden. Aber trotzdem ist dieser gekämpft. Anschläge gibt es weiterhin im ganzen Land. Akt ein Erfolg der internationalen Gemeinschaft, der Abschluss des so genannten Bonn-Prozesses. Ich denke, Vieles ist erreicht worden: der Aufbau einer nationa- es war gut, dass dieser politische Prozess unter maßgeb- len Armee sowie – unter der Führerschaft von Deutsch- licher Beteiligung von Deutschland unmittelbar nach der land – der Aufbau einer nationalen Polizei einschließlich Intervention in Afghanistan auf den Weg gebracht wor- einer Grenzpolizei und einer Drogenpolizei. Der Kampf den ist. gegen den Drogenanbau hat erste positive, wenn auch noch völlig unzureichende gebnisse Er gezeigt. Ich Erinnern wir uns daran, wie die Situation nach den glaube, wir können froh darüber sein, dass Peter truckS Anschlägen vom 11. September 2001 war. Erinnern wir als zuständiger Minister deutlich gesagt hat, es werde uns daran, dass das Talibanregime den Schutz der al-dabei bleiben, dass die Verantwortung für denKampf Qaida-Organisationen vor Ort nicht aufgegeben hat. Er- gegen den Drogenanbau auf afghanischer Seite liegt, innern wir uns, dass erst die Militärintervention das Tali- auch wenn wir diesen Kampf logistisch unterstützen banregime beseitigt und die Basen von al-Qaida zerstört werden. hat. Aber eines ist klar: Ein Abbruch der internationalen Danach wurden uns zwei Dinge sehr schnell klar: Ein Bemühungen und der internationalen Hilfe für Afghanis- schneller Abschluss des Prozesses war nicht möglich, tan kann im Augenblick nicht infrage kommen. Er wäre schon wegen der Situation, dass sich bewaffnete Trup- unverantwortlich. pen im Land zurückziehen können, die noch heute hof- fen, dass sie ihre Basen für den internationalen Terroris- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten mus wieder aufbauen können. Ganz besonders wichtig des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) war für uns damals aber die Vorgeschichte des Konflik- tes: 20 Jahre Bürgerkrieg und das Talibanregime waren Wir brauchen im Gegenteil eine weitere Phase, die man auch die Folge einer Politik von militärischen Interven- etwas technisch Post-Bonn-Prozess nennt. Präsident tionen, etwa der Sowjetunion, sowie von indirekten In- Karzai hat am 5.September dieses Jahres schriftlich um terventionen anderer Länder, auch der Vereinigten Staa- die Verlängerung des Mandats gebeten. Der Weltsicher- ten, bei denen hinterher keine Verantwortung für dieheitsrat hat diese am 13. September beschlossen. Wir weitere Entwicklung übernommen wurde. Deswegenwissen, dass eine weitere internationale Afghanistan- war der ganze Petersberg-Prozess eigentlich eine Lehre, Konferenz – möglicherweise in der zweiten Januarhälfte nächsten Jahres in London – in Vorbereitung ist. (B) die daraus gezogen wurde: Nie wieder ein Handeln, das (D) zu einem solchen Ergebnis führt; stattdessen muss Ver- Die Mandatsverlängerung, die wir heute beschließen, antwortung übernommen werden, bis eine stabile Ord- führt in eine neue Phase der Sicherheitsarbeit in Afgha- nung existiert! An diesem Punkt stehen wir heute. nistan. Aus den Inseln der Provincial Reconstruction (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Teams werden jetzt Regionen. Die Verantwortung unter DIE GRÜNEN) den einzelnen Ländern ist bekanntlich aufgeteilt: Deutschland im Norden, Italien im Westen, Großbritan- Es war ein sehr ambitioniertes Programm, das da- nien im Süden, die Vereinigten Staaten im Osten und mals auf den Weg gebracht wurde. Ich weiß noch, wie Frankreich in Kabul und Umgebung. wir hier im Bundestag, als wir zum ersten Mal über den Petersberg-Prozess debattiert haben, Zweifel hatten, ob Ich möchte Peter Struckausdrücklich dafür danken, diese ambitionierte Abfolge – Loya Jirga, Verfassungs- dass er sich mit der wichtigen Trennung von ISAF auf prozess, Präsidentschaftswahlen, endgültige Verfas-der einen Seite und OEF, also Operation Enduring Free- sung, Parlamentswahlen – wirklich in der angedachten dom, auf der anderen Seite durchgesetzt hat. Dies ist Zeit zu schaffen sei. Da gab es große Zweifel und auch wichtig, weil es eine unterschiedliche Wahrnehmung viele Rückschläge. Die Bedingungen im Lande selbst dieser beiden Missionen im Lande gibt. Dies ist auch waren außerordentlich schwierig – zudem die Mittel der wichtig für die Sicherheit der von uns dort eingesetzten internationalen Gemeinschaft immer begrenzt –, sodass Soldaten der Bundeswehr. man längst nicht das an Sicherheit schaffen konnte, was (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. eigentlich notwendig gewesen wäre. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Auch zwischendurch gab es Zweifel; denn zunächst NEN]) einmal konnte die internationale Gemeinschaft Sicher- heit nur um Kabul herum schaffen. Dann wurde das Jetzt passiert genau das, was wir immer wollten, näm- Konzept mit den regionalen Wiederaufbauteams umge- lich dass aus diesen Inseln der Sicherheit Regionen von setzt. Dadurch entstanden aber nur Sicherheitsinseln.flächendeckender Stabilität erwachsen können. Da es Viele hatten Zweifel – auch Herr Nolting ist ja eben da- jetzt darum geht, die gesamte Nordregion und nicht nur rauf eingegangen –, ob dieses Konzept das richtige auf wie bisher die beiden Inseln Kunduz und Faizabad zu dem Weg zu allgemeiner Sicherheit in Afghanistan ist. betreuen, werden mehr Kräfte benötigt. Deswegen ist es sachlich geboten, die Obergrenze – dabei handelt es sich Es gab immer auch Unterschiede in den verschiede- nicht um eine dauerhafte Stationierung – auf 3 000 Mann nen Regionen. Noch heute wird im Süden und im Osten zu erhöhen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005 17581

Gernot Erler (A) Angesichts der neuen Verantwortung ist eine wech- Unsere Soldatinnen und Soldaten sind Teil einer Mis- (C) selseitige Unterstützung im Einzelfall notwendig. Ichsion, die 37Staaten mit 8 000 Soldaten umfasst. Allein bin dankbar dafür, dass klar angekündigt wurde: Derdiese hohe Zahl der beteiligten Staaten unterstreicht den Bundestag wird jederzeit zeitnah unterrichtet, sodass wir hohen internationalen politischen Stellenwert der ISAF- immer auf dem Laufenden bleiben werden. Mission. Ich möchte deutlich machen, dass der Bundestag Wie die Bundesregierung in ihrer jüngsten Unterrich- heute mit großer Mehrheit der Kampagne „Raus aus Af- tung des Parlaments schreibt, ist die Lage in Afghanistan ghanistan!“ eine Absage erteilen muss. nicht ruhig und auch nicht stabil. Bis heute haben 17 deutsche Soldaten in Afghanistan ihr Leben verloren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Die gewaltsamen Zwischenfälle in diesem Land zeigen, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der wie gefährlich der Einsatz unserer dortigen Kräfte ist. FDP) Minister Struck hat in seiner Rede auch auf die tägliche Diese Kampagne wird als Friedenspolitik verkauft. Sie Mühsal hingewiesen, unter der unsere Frauen und Män- ist aber das Gegenteil. Wer heute „Raus aus Afghanis- ner zu arbeiten haben. Deshalb sage auch ich an dieser tan!“ fordert, der bereitet den Weg für die Rückkehr von Stelle für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion allen Bun- Krieg und Bürgerkrieg in diesem Land, der gefährdet die deswehrangehörigen einschließlich der zivilen Kräfte für Sicherheit in Afghanistan, aber auch die Sicherheit der ihren Einsatz und ihr Engagement nicht nur in Afghanis- Weltgemeinschaft, weil dies letzten Endes der Rückkehr tan ein aufrichtiges Dankeschön. der Organisationsstrukturen von al-Qaida den Weg be- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- reiten würde. neten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE Vom Bundestag wird heute eine klare Botschaft aus- GRÜNEN und der FDP) gesandt: Wir stehen zu unserer Verantwortung, die mit Zu danken reicht aber nicht aus. Es gab und es gibt dem Petersberg-Prozess begonnen hat und die sicheine Vielzahl von Vorbehalten gegen unser Engagement. hauptsächlich auf politische, aber eben auch, sicherheits- Unsere Bevölkerung hat ein Anrecht darauf, schlüssige politisch flankiert, auf gesellschaftliche Entwicklungs- und auch überzeugende Antworten zu bekommen. Es ist prozesse stützt. Die Mission ist erst beendet, wenn wir oft die Frage zu hören, was wir in einer Region zu su- von Präsident Karzai die Nachricht bekommen, dass un- chen haben, die Tausende Kilometer von Deutschland sere Hilfe nicht mehr benötigt wird und dass die afghani- entfernt liegt, die keine Rohstoffe besitzt und unserer schen Kräfte selber für Sicherheit vor Ort sorgen kön- Wirtschaft allein wegen der fehlenden Kaufkraft keine nen. Vorher ist eine Beendigung dieser Mission nicht zu besonderen Absatzmärkte eröffnet. verantworten. Das muss die Botschaft unseres gemeinsa- (B) 37 Staaten und auch wir erbringen in Afghanistan(D) men Beschlusses sein. einen Beitrag zur Bekämpfung des internationalen Abschließend möchte ich sagen: Wir sind sehr dank- Terrorismus. Afghanistan war Ausbildungslager und bar dafür, dass die Bundeswehr ihre Aufgabe vor Ort zu- Rückzugsraum für terroristische Aktivitäten, die auch sammen mit den vielen zivilen Organisationen undunser Leben und unseren materiellen Wohlstand bedro- NGOs aus aller Welt wahrnimmt, damit wir diese Mis- hen. Würde sich die NATO heute aus Afghanistan zu- sion erfolgreich zu Ende führen können. Mit diesemrückziehen, dann wäre sofort wieder mit dem Auffla- Dank, den ich im Namen meiner Fraktion, aber auch,ckern dieser terroristischen Gefahr zu rechnen. Wir wie ich denke, im Namen aller anderen Fraktionen aus- stehen weiter in Afghanistan, um einem über Jahrzehnte spreche, möchte ich meinen Beitrag beenden. gequälten Land zu helfen, den Frieden zu sichern und sich materiellen Wohlstand selbst erarbeiten zu können. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Afghanistan ist zweimal so groß wie die Bundesrepublik (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Deutschland, hat aber mit 28 Millionen Einwohnern ge- DIE GRÜNEN) rade einmal etwas mehr als ein Drittel unserer Bevölke- rungszahl. Präsident Wolfgang Thierse: Sich allein auf Kabul zu beschränken war sicherlich Ich erteile das Wort Kollegen Helmut Rauber, CDU/ ein richtiger Anfang, aber bei weitem nicht ausreichend. CSU-Fraktion. Von daher gesehen sind die heutigen Entscheidungen ein konsequenter Weg nach vorne. (Beifall bei der CDU/CSU) Am 18. September fanden – das ist schon erwähnt worden – erstmals seit knapp vier JahrzehntenParla- Helmut Rauber (CDU/CSU): mentswahlen statt, die von den internationalen Wahlbe- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und obachtern als mehrheitlich fair und frei beurteilt wurden. Herren! Seit fast vier Jahren stehen Angehörige der Bun- Im Vorfeld dieser Wahl hat es Morddrohungen und mas- deswehr in Afghanistan, seit zwei Jahren unter dem sive Einschüchterungen seitens der Taliban gegeben. Kommando der NATO. Am heutigen Tag treffen wir die Am Wahltag selbst sind 14 Menschen umgebracht wor- Entscheidung, das deutsche Kontingent, das derzeit den. 2 200 militärische Kräfte zählt, auf bis zu 3 000 auszu- weiten. Dies ist eine Mandatsverlängerung über ein Jahr, Wenn trotz dieser schwierigen Lage um die 50 Pro- die zusätzliche Kosten – vermutlich um die 318 Millio- zent der 12,5Millionen Wahlberechtigten zur Urne ge- nen Euro – verursachen wird. gangen sind, dann unterstreicht dies den Willen der 17582 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005

Helmut Rauber (A) afghanischen Bevölkerung, den eingeschlagenen Weg in Martin Hohmann (fraktionslos): (C) Richtung Demokratie und Frieden fortzusetzen. Die Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Umstände der Wahlen in Pakistan waren übrigens viel Die Fortsetzung des Afghanistaneinsatzes der Bundes- blutiger und chaotischer als die in Afghanistan. Afgha- wehr lehne ich mit folgender Begründung ab: nistan kann ein Beispiel dafür werden, dass Stabilität, von innen betrieben und mit Unterstützung von außen, Erstens. Es fehlt ein echtes Sicherheitskonzept. Der möglich ist. Verteidigungsminister spricht zwar von hohem Risiko, verfährt aber nach der Parole: Es wird schon gut gehen. Lassen Sie mich zum Schluss eine Bemerkung zurHerr Verteidigungsminister, geben Sie ein ungeschmink- Drogenbekämpfung machen. Es ist richtig, dasstes Bild der Gefahrenlage, in die Sie die Soldatinnen und 90 Prozent des Rohopiums, das weltweit in unseren Ge- Soldaten weiterhin schicken! In Wirklichkeit sitzen un- sellschaften sehr viel Elend und Leid verursacht und vor sere Soldaten potenziell in der Falle. Ob sie zuschnappt, allem junge Menschen zu menschlichen Wracks macht, entscheiden Drogenbosse, Warlords, nämlich dann, aus Afghanistan kommen. Richtig ist auch, dass ein Opi- wenn die Bundeswehr ihre lukrativen Geschäfte ernst- umbauer in Afghanistan das Sechsfache eines Polizisten haft stören sollte. in Kabul verdient, was deutlich macht, wie schwierig es ist, überzeugende wirtschaftliche Alternativen zu finden. Islamistische Heißsporne könnten ebenfalls ein Blut- bad unter unseren Soldaten auslösen. Aus Sicht von Isla- Die Drogenbekämpfung ist nicht Auftrag der Bundes- misten sind unsere Soldaten ungläubige Kreuzritter, die wehr. Was wir aber tun, ist, ein Klima der Sicherheit zu von geheiligtem islamischen Boden vertrieben werden schaffen, in dem afghanische Kräfte zur Drogenbekämp- fung ausgebildet und mit unserer Unterstützung auchmüssen. Ein Anlass kann leicht gefunden werden, wie dazu befähigt werden. Wir helfen übrigens auch mitdie Vorgänge um einen angeblich geschändeten Koran in Aufklärungskapazitäten. Würden wir uns aus Afghanis- Guantanamo bewiesen haben. Es ist unerträglich, unsere tan zurückziehen, dann wäre der Kampf gegen die Dro- Soldaten weitgehend schutzlos und abhängig von dem gen absolut verloren. So jedenfalls besteht die Hoffnung, Wohlwollen krimineller Geschäftemacher zu sehen. dass dieses Problem zumindest mittel- bzw. langfristig in Zweitens. Nach Art. 87 a des Grundgesetzes stellt der den Griff zu bekommen ist. Bund Streitkräfte zur Verteidigung auf. Es ist nicht er- Dazu noch einige Hinweise: Wir legen Wert darauf, kennbar, dass die deutschen Soldaten in Afghanistan un- dass der Deutsche Bundestag nach wie vor regelmäßig sere Heimat verteidigen oder vitale nationale Interessen über die Lageentwicklung in Afghanistan unterrichtet den Einsatz zwingend erfordern. Wolkige Formulierun- und zeitgerecht mit weiterführenden Planungen befasst gen wie „friedliches Zusammenleben der Völker“ oder wird. Dies gilt insbesondere für etwaige Alternativpla- „Verteidigung der westlichen Wertegemeinschaft“ erfül- (B) nungen für den Luftumschlagplatz Termez, für den Aus- len das Erfordernis der lebenswichtigen nationalen Inte- (D) bau der Evakuierungsfähigkeit und für zusätzlich benö- ressen bei weitem nicht. tigte Ausrüstung für den erweiterten Einsatz. Wir warten Nein gesagt werden muss auch, weil diese Einsätze weiter auf ein schlüssiges Afghanistankonzept, in dem den schleichenden Übergang von einer Verteidigungs- die zivilen Sicherheits- und Wiederaufbaukräfte wie Polizei, Justiz und Zoll ihren angemessenen Platz erhal- armee zu einer Interventionsarmee und tendenziell zu ei- ten. Die zivile Implementierung hat nach unserer Auf- ner Söldnertruppe markieren. Das Ende des Staatsbür- fassung die erste Priorität bei der Etablierung einer staat- gers in Uniform zieht herauf. lichen Ordnung in Afghanistan. Drittens. Angesichts der desaströsen Finanzlage unse- In Afghanistan geht es um deutsche Interessen. Esres Staates muss jeder Auslandseinsatz dem Diktat der geht aber auch darum, Beispiele zu schaffen, wie durch fast leeren Kassen standhalten. Wie vertragen sich Kür- internationale Zusammenarbeit Frieden und Wohlstand zungen bei unseren Rentnern, Arbeitslosen und sozialen entstehen können. Dies sind einige überzeugendeEinrichtungen mit den jährlich rund 2 Milliarden Euro Gründe, warum wir diesem Mandat zustimmen. für Auslandseinsätze? Als Politiker eines fast bankrotten Landes sollten wir äußerste finanzielle Zurückhaltung Noch eine abschließende persönliche Bemerkung:üben. Dies war auch für mich die letzte Rede im Deutschen Bundestag. Ich bedanke mich für die vielen Freund- Abschließend wünsche ich unseren Soldatinnen und schaften, die ich in allen Lagern gefunden habe. IchSoldaten und unserem ganzen Vaterland Gottes Schutz wünsche Ihnen, Ihren Familien und unserem Land ein und Segen. herzliches Glückauf. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜND- Präsident Wolfgang Thierse: NIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP) Ich erteile das Wort Kollegen Christian Ruck, CDU/ CSU-Fraktion. Präsident Wolfgang Thierse: Lieber Kollege Rauber, auch ich möchte Ihnen im Dr. Christian Ruck (CDU/CSU): Namen des ganzen Hauses für Ihre Zukunft alles, alles Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle- Gute wünschen. gen! Mit dem Engagement in Afghanistan hat die deut- sche Politik eine neue Dimension betreten. Noch nie (Beifall) waren Außenpolitik, Verteidigungspolitik und Entwick- Ich erteile nun das Wort Kollegen Martin Hohmann. lungspolitik so voneinander abhängig. Dabei müssen un- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005 17583

Dr. Christian Ruck (A) sere Soldaten kurz- und mittelfristig die Sicherheit für ist es uns noch nicht gelungen, geberweit und internatio- (C) den Aufbau herstellen. Ein erfolgreicher Aufbau wie- nal Antworten auf die drängenden Probleme zu geben. derum ist die Voraussetzung für die langfristige Sicher- Wenn Afghanistan ein Drogenstaat wird, sind alle Opfer heit. Ohne Fortschritte bei der Entwicklung Afghanis- sowohl der internationalen Gebergemeinschaft als auch tans wird es keine Sicherheit geben und ohne dieseder Bundeswehr umsonst gewesen. Fortschritte wird auch der Bundeswehreinsatz gefährdet Es muss klar sein, dass das Einsatzmandat und seine sein. Verlängerung nur Sinn machen, wenn es auch zu einer Knapp vier Jahre nach der Befreiung Afghanistans politischen und ökonomischen Entwicklung kommt, die vom Joch der aliban T sind die Afghanen, auch unter- Afghanistan langfristig Stabilität einbringt. Dies ist ein stützt von der internationalen Staatengemeinschaft, auf langer und steiniger Weg, den vor allem die Menschen in einem guten Weg. Es gibt bemerkenswert gute Fort-Afghanistan selbst gehen müssen. Wir, die Unterstützer- schritte beim Wiederaufbau und der Festigung des Ge- nationen und die internationale Gebergemeinschaft, meinwesens, zum Beispiel im Bereich der Bildungspoli- müssen unseren Beitrag zur Hilfe verbessern. Das heißt: tik. Kinder und insbesondere auch Mädchen haben in Wir müssen erstens die Effizienz der Arbeit internationa- Afghanistan wieder eine Chance auf Bildung. Mit der Fi- ler Organisationen erhöhen. Wir müssen zweitens die nanzierung einer Schule in Herat über Rupert Neudecks Koordination unter den Gebern auf allen Ebenen verbes- Grünhelme leistet auch die CDU/CSU-Fraktion auf Ini- sern; das gilt auch für die Drogenpolitik. Wir brauchen tiative von Frau Dr. Merkel einen ganz persönlichen Bei- drittens eine stärkere Zusammenarbeit und Einbeziehung trag zum weiteren Ausbau der Bildungsinfrastruktur. Ich der Nachbarländer Afghanistans; ohne die Mithilfe hoffe, dass andere Fraktionen diesem Beispiel folgenRusslands oder des Iran etwa ist das Drogenproblem werden. ebenso wenig zu lösen, wie eine Stabilisierung Afgha- nistans ohne mehr Stabilität in Pakistan denkbar ist. Eine demokratisch entstandene Verfassung, freie und Schließlich brauchen wir auch im eigenen Land eine Af- demokratische Präsidentschafts- und Parlamentswahlen ghanistanpolitik aus einem Guss; die Reibereien unter wären ohne den Schutz und die Opfer der ISAF-Truppen den betroffenen Ressorts müssen endgültig der Vergan- nicht möglich gewesen, aber auch nicht ohne die Opfer genheit angehören. und das Engagement vieler Entwicklungshelfer. Aus der Sicht der Entwicklungspolitik gebührt den Soldaten und Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Deut- Aufbauhelfern dafür unser aller Dank. sche haben offiziell Verantwortung für die weitere Ent- wicklung Afghanistans übernommen. Vieles ist geleistet (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- worden, das Land ist beachtenswert vorangekommen. wie des Abg. Gert eisskirchen W [Wiesloch] Dennoch dürfen wir die Augen nicht vor den großen (B) [SPD]) Problemen verschließen; das gilt gerade auch für die(D) Insgesamt sind die bisherigen Fortschritte anerkennens- Entwicklungspolitik im weitesten Sinne. Sie muss den wert und geben Anlass zu der Zuversicht, dass Afghanis- langfristigen Erfolg des Einsatzes unserer Soldaten absi- tan eine gute Chance hat, sich positiv zu entwickeln. chern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- Deswegen sind wir nicht nur für den Antrag der Bun- wie des Abg. Gert eisskirchen W [Wiesloch] desregierung zur Verlängerung des ISAF-Mandats, son- [SPD]) dern auch für eine neue Afghanistankonferenz und für einen neuen Anfang in Afghanistan. Es wurde schon angedeutet: Der Erfolg Afghanistans steht auf Messers Schneide. Afghanistan ist zwar vom Vielen Dank. Krieg befreit, es hat aber den Frieden noch nicht gewon- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. nen. Die bisher für die Jahre 2004 bis 2006 zugesagten Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- 8,2 Milliarden US-Dollar stellen eine tragfähige Grund- NEN]) lage für den weiteren Aufbau dar. Aber auch hier gilt: Geld ist notwendig, aber Geld ist nicht alles. So gibt es viele Klagen aus der afghanischen Regierung, aber auch Präsident Wolfgang Thierse: aus der Zivilgesellschaft, zuletzt von Minister Farhang Ich erteile das Wort der Kollegin Gesine Lötzsch. in der „FAZ“ vom 9. September, über die mangelnde Schnelligkeit, Verlässlichkeit und Effizienz der interna- Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): tionalen Hilfe. Es wird vielfach kritisiert, dass es seitens Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- der internationalen Organisationen und Geber kein abge- ren! Die Verlängerung und Ausweitung des Einsatzes stimmtes Konzept gibt und eine ungesunde Gehaltspoli- der Bundeswehr in Afghanistan ist aus Sicht der Links- tik die Glaubwürdigkeit unterminiert. Es gibt Klagen partei.PDS nicht zu rechtfertigen. Wir lehnen das Man- darüber, dass Projekte zwar in der Planung sind, dass sie dat ab. aber nie verwirklicht wurden, obwohl das Geld ausgege- (Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos]) ben wurde. Auf der anderen Seite gibt es aber keine Al- ternative. Wir müssen den Menschen in Afghanistan hel- Ich möchte Ihnen dafür nur drei Gründe nennen: fen, damit sie eine wirtschaftliche Perspektive haben. Erstens. Der Krieg gegen den Terror hat nicht zur Be- Auch wir müssen zugeben, dass es eine große offene endigung des Terrors geführt, sondern den Terror noch Flanke gibt: die Dr ogenökonomie. Auf diesem Gebiet verstärkt. 17584 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005

Dr. Gesine Lötzsch (A) Zweitens. Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanis- Wir fordern den Rückzug der Bundeswehr aus Afgha- (C) tan hält der US-Regierung den Rücken frei für den völ- nistan. Der Kampf gegen den error T kann gewonnen kerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak. Die Bundesre- werden, ein Krieg gegen den Terror niemals. gierung unterstützt und verlängert damit indirekt den (Markus Löning [FDP]: Die Linkspartei Krieg im Irak. möchte wohl die aliban T wieder zurück ha- Drittens. Der Einsatz der Bundeswehr ist durch das ben!) Parlament nicht mehr kontrollierbar. – Das stimmt nicht. Aber wir sind der festen Überzeu- (Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos]) gung – Herr Kollege Löning von der FDP, wenn Sie sich mit Zwischenrufen hervortun, kann ich darauf Die KSK, eine Antiterroreinheit der Bundeswehr, ope- reagieren –, dass eine friedliche Lösung in Afghanistan riert in Afghanistan ohne ein Mandat des Bundestages. nur durch friedliche Mittel möglich ist und gerade der Kein Abgeordneter kann mit gutem Gewissen sagen,Einsatz der Bundeswehr die Anwendung vieler dieser dass er wirklich weiß, was die Bundeswehr im Augen- friedlichen Mittel behindert. blick in Afghanistan tut. ( [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE Der grüne Außenminister erklärte am 8. November GRÜNEN]: Das ist doch alles falsch, was Sie 2001 die Notwendigkeit eines militärischen Eingreifens da gerade erzählt haben!) in Afghanistan wie folgt: Dazu haben sich deutsche und auch internationale Hilfsorganisationen eindeutig geäußert. Die entscheidende Frage … ist …: Können wir in dieser Situation, in der die Bevölkerung und die Re- (Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos] – gierung der Vereinigten Staaten angegriffen wur- Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE den, unseren wichtigsten Bündnispartner … allein GRÜNEN]: Fahren Sie doch da mal hin!) lassen ...? Wer von Ihnen, meine Damen und Herren, heute der Die Bundesregierung hat die US-Regierung nicht al- Mandatsverlängerung zustimmt, der stimmt also auch lein gelassen und sich am unheilvollen Krieg gegen den für eine Fortsetzung des Krieges gegen den errorT . Ich Terror beteiligt. Die Bundesregierung glaubte – in völli- appelliere an alle Abgeordneten, diese lebensgefährliche ger Selbstüberschätzung –, dass sie auf diese Weise die Strategie nicht weiter zu verfolgen. Sie tragen Mitver- US-Regierung in eine multilaterale Verantwortungspoli- antwortung, tik einbinden könne. Dieser Ansatz ist gründlich ge- (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE (B) scheitert. GRÜNEN]: Nein, wir tragen erantwortung! V (D) Das ist Verantwortung!) (Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos] – Günther Friedrich Nolting [FDP]: Wer hat das wenn Deutschland Ziel von Terroristen werden sollte. aufgeschrieben?) (Markus Löning [FDP]: Das ist infam, was Sie Die US-Regierung ließ sich nicht durch die Bundesre- da machen! Das ist wirklich infam!) gierung einbinden. Im Gegenteil: Sie begann einen Stimmen Sie deshalb mit uns gegen die Verlängerung neuen Krieg, diesmal gegenden Irak. Syrien und der des Bundeswehrmandates. Iran stehen noch auf der Kriegsliste der US-Regierung. Vielen Dank. Auch wenn Deutschland nur indirekt am Krieg gegen den Irak beteiligt ist, gehört es doch zu einer Krieg füh- (Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos]) renden Allianz. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE Präsident Wolfgang Thierse: GRÜNEN]: Das ist doch alles Unsinn! Das Ich erteile das Wort Kollegen Bernd Schmidbauer, wissen Sie doch selbst!) CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Bundesregierung hat unser Land in diesen unüber- schaubaren Krieg gegen den error T geführt und damit leichtfertig Opfer in Kauf genommen. Bernd Schmidbauer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE und Kollegen! Ursprünglich hatte ich vor, meine Rede GRÜNEN]: Populismus ist das! Sonst nichts!) anders zu beginnen, aber die letzte Rednerin war ein Vorgeschmack auf die Debatten in den nächsten Mona- Wir als Linkspartei.PDS haben in unserem Wahlpro- ten. gramm die Verlängerung des Afghanistanmandates ab- gelehnt. Dazu stehen wir auch nach der Wahl. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh ja!) (Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos] – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das war Das macht uns alle aufmerksam auf das, was inzwischen schon vor der Wahl falsch und nach der Wahl erreicht wurde, und das sollte uns auch zusammen- ist es immer noch falsch!) schmieden, wenn wir unseren Weg in Afghanistan fort- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005 17585

Bernd Schmidbauer (A) setzen. Denn ich will Ihnen sagen: Es gibt zu dieser Ent- Ich weiß, welche Verpflichtung der letzte Redner ei- (C) scheidung keine Alternative. ner Legislaturperiode hat, nämlich den Kollegen zu hel- fen, dass sie ihre Zeitpläne einhalten. Deshalb herzlichen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Dank, alles Gute! SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- Meine Damen und Herren, als Berichterstatter will NISSES 90/DIE GRÜNEN) ich allen für die Beratungen im Ausschuss danken. Es gab diese Töne, von denen die Rede war, nicht, sondern wir hatten gemeinsam das Bestreben, die Dinge voran- Präsident Wolfgang Thierse: zubringen. Keiner konnte, als derBonner Prozess be- Ich schließe die Aussprache. gann, erahnen, dass es vier Jahre später durch die Wahl Da einige Kollegen in dieser Debatte ihre Verabschie- am 18. September zu diesem Resultat kommen wird. Es dung mitgeteilt haben, möchte ich die Gelegenheit nut- ist viel erreicht worden. Wir haben einen hohen Maßstab zen, all den Kolleginnen und Kollegen, die dem neuen angelegt. Afghanistan ist Schritt für Schritt vorangekom- Bundestag nicht angehören werden, ein herzliches Wort men. Jetzt haben wir die Pflicht, den Post-Bonn-Prozess des Dankes für ihre engagierte Arbeit in den letzten Jah- voranzubringen. Dies bedeutet, dass wir auch einigeren zu sagen. Ich wünsche Ihnen allen persönlich viel neue Dinge auf den Weg bringen müssen. Gutes in Ihrem weiteren Leben! Weil mich der Kollege Pflüger aufgefordert hat, etwas (Beifall) zur Drogenproblematik zu sagen, will ich – nachdem viele Redner das bereits ausführlich getan haben – da- Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- rauf hinweisen, dass wir in der Tat, wie viele sagen,empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Druck- nicht wegschauen dürfen und dass wir feststellen müs- sache 15/6001 zu dem Antrag der Bundesregierung zur sen, dass 90 Prozent der Drogen aus Afghanistan stam- Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher men. Wenn wir in den nächsten Jahren eine Lösung die- Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicher- ses Problems anstreben, dann bedeutet das, dass wirheitsunterstützungstruppe in Afghanistan unter Führung diese Situation beenden müssen. der NATO. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/5996 anzunehmen. Es ist namentliche (Zuruf) Abstimmung verlangt. Zur Abstimmung liegen mir Er- – Das war Rohopium – der Zwischenruf ist völlig rich- klärungen von sechs Kolleginnen und Kollegen vor. Bei tig –, das später auch auf unseren Märkten zu finden ist. der Stimmabgabe bitte ich alle Kolleginnen und Kolle- gen, darauf zu achten, dass die Stimmkarten, die sie ver- (B) Ferner müssen wir sehen – das möchte ich zumwenden, ihren Namen tragen. Ich bitte die Schriftführe- (D) Schluss sagen –, dass wir zu einer weit besseren Koope- rinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze ration und Koordination als in der Vergangenheit kom- einzunehmen. Ist das erfolgt? – Das ist der Fall. Ich er- men. Ich habe sehr wohl bemerkt, dass die SPD begeis- öffne die Abstimmung. tert zugestimmt hat, als der Verteidigungsminister davon gesprochen hat, dass wir für Enduring Freedom und Haben alle Abgeordneten ihre Stimme abgege- ISAF kein einheitliches Oberkommando in Afghanistan ben? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann schließe ich brauchen; das ist völlig richtig. Das heißt aber nicht, dass die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und wir uns lossagen können von einer besseren Koordina- Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Er- tion und Kooperation aller Kräfte und aller Helfer in die- gebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gege- sem Land. ben. Bis dahin ist die Sitzung unterbrochen. Auch möchte ich feststellen: Wir haben den Soldatin- (Unterbrechung von 15.20 bis 15.26 Uhr) nen und Soldaten und den zivilen Helferinnen und Hel- fern für ihr Riesenengagement Dank zu sagen, das sie, Präsident Wolfgang Thierse: wie wir immer wieder feststellen, in einem Risikobe- Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene reich zeigen. Herzlichen Dank all denen, die uns durch Sitzung ist wieder eröffnet. ihr Engagement helfen! Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim- SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN mung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen und der FDP) Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Zum Schluss will ich sagen – das meine ich im nega- Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicher- tiven Sinne –: „Patchwork“ mag ein Vorteil im textilen heitsunterstützungstruppe in Afghanistan unter Führung Bereich sein, hat aber in der Politik nichts verloren, der NATO – Drucksachen 15/5996 und 15/6001 – be- wenn Flickschusterei angestrebt wird. Ich möchte darauf kannt. Abgegebene Stimmen 553. Mit Ja haben ge- hinweisen, dass wir alles tun müssen, um beim nächsten stimmt 535, mit Nein haben gestimmt 14, Enthaltungen wichtigen Schritt der nächsten Jahre nichts zu „zerfled- vier. Die Beschlussempfehlung – und somit der Antrag dern“, und möchte alle bitten, in der konstruktiven Art der Bundesregierung – ist angenommen. und Weise, die wir im Ausschuss geübt haben, fortzufah- ren. Auch den Ministerien herzlichen Dank für ihre (Beifall des Abg. Josef Philip Winkler Hilfe, für ihre Information! [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) 17586 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005

Präsident Wolfgang Thierse (A) Endgültiges Ergebnis Tobias Marhold Dr. Cornelie Sonntag- (C) Abgegebene Stimmen: 553; Lothar Mark Wolgast davon Gabriele Groneberg Wolfgang Spanier Achim Großmann Dr. Margrit Spielmann ja: 535 Wolfgang Grotthaus Jörg-Otto Spiller nein: 14 Hans-Joachim Hacker Ulrike Mehl Dr. Ditmar Staffelt enthalten: 4 Petra-Evelyne Merkel Klaus Hagemann Ulrike Merten Rolf Stöckel Ja Alfred Hartenbach Christoph Strässer Michael Hartmann Ursula Mogg Rita Streb- SPD (Wackernheim) Michael Müller (Düsseldorf) Dr. Peter Struck Nina Hauer Christian Müller (Zittau) Joachim Stünker Dr. Lale Akgün Franz Müntefering Jörg Tauss Reinhold Hemker Dr. Rolf Mützenich Ingrid Arndt-Brauer Jella Teuchner Rolf Hempelmann Volker Neumann (Bramsche) Dr. Gerald Thalheim Dr. Barbara Hendricks Hermann Bachmaier Wolfgang Thierse (Neuruppin) Dr. Erika Ober Franz Thönnes Petra Heß Holger Ortel Hans-Jürgen Uhl Dr. Hans-Peter Bartels Monika Heubaum Heinz Paula Rüdiger Veit Eckhardt Barthel (Berlin) Gisela Hilbrecht Johannes Pflug Simone Violka (Starnberg) Gabriele Hiller-Ohm Joachim Poß Jörg Vogelsänger Sören Bartol Stephan Hilsberg Dr. Wilhelm Priesmeier (Pforzheim) Sabine Bätzing Gerd Höfer Hans Georg Wagner Jelena Hoffmann (Chemnitz) Dr. Hedi Wegener (Wismar) Karin Rehbock-Zureich Andreas Weigel Frank Hofmann (Volkach) Gerold Reichenbach Petra Weis Hans-Werner Bertl Eike Hovermann Dr. Carola Reimann Reinhard Weis (Stendal) Klaas Hübner Christel Riemann- Gunter Weißgerber Christel Humme Hanewinckel Gert Weisskirchen (Heidelberg) Lothar Ibrügger (Wiesloch) Barbara Imhof René Röspel Dr. Gerd Friedrich Bollmann Brunhilde Irber Dr. Hildegard Wester Klaus Brandner Renate Jäger Karin Roth (Esslingen) Lydia Westrich Klaus-Werner Jonas Michael Roth (Heringen) Inge Wettig-Danielmeier (D) (B) Johannes Kahrs Gerhard Rübenkönig Dr. (Hildesheim) Ulrich Kasparick Andrea Wicklein Hans-Günter Bruckmann Dr. h.c. Susanne Kastner Marlene Rupprecht Jürgen Wieczorek (Böhlen) (Tuchenbach) Heidemarie Wieczorek-Zeul Hans-Peter Kemper Anton Schaaf Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Hans Martin Bury Klaus Kirschner Axel Schäfer (Bochum) Engelbert Wistuba Marion Caspers-Merk Gudrun Schaich-Walch Barbara Wittig Dr. Hans-Ulrich Klose Bernd Scheelen Dr. Wolfgang Wodarg Dr. Herta Däubler-Gmelin Astrid Klug Dr. Verena Wohlleben Dr. Bärbel Kofler Horst Schild Waltraud Wolff Elvira Drobinski-Weiß Dr. Heinz Köhler Horst Schmidbauer (Wolmirstedt) Detlef Dzembritzki (Nürnberg) Heidi Wright Fritz Rudolf Körper (Aachen) Siegmund Ehrmann Karin Kortmann Silvia Schmidt (Eisleben) Manfred Helmut Zöllmer Rolf Kramer (Meschede) Dr. Christoph Zöpel Martina Eickhoff Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Ernst Kranz Heinz Schmitt (Landau) Marga Elser CDU/CSU Gernot Erler Nicolette Kressl Petra Ernstberger Volker Kröning Walter Schöler Karin Evers-Meyer Dr. Hans-Ulrich Krüger Annette Faße Angelika Krüger-Leißner Karsten Schönfeld Horst Kubatschka Fritz Schösser Rainer Fornahl Helga Kühn-Mengel Wilfried Schreck Hans Forster Ute Kumpf Günter Baumann Gabriele Frechen Dr. Uwe Küster Gerhard Schröder Ernst-Reinhard Beck Brigitte Schulte (Hameln) (Reutlingen) Lilo Friedrich (Mettmann) Christian Lange (Backnang) Reinhard Schultz Iris Gleicke Dr. Elke Leonhard (Everswinkel) Dr. Günter Gloser Eckhart Lewering (Spandau) Uwe Göllner Götz-Peter Lohmann Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Renate Gradistanac Gabriele Lösekrug-Möller Angelika Graf (Rosenheim) Erika Lotz Erika Simm Carl-Eduard von Bismarck Dieter Grasedieck Dirk Manzewski Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005 17587

Präsident Wolfgang Thierse (A) Henry Nitzsche Volkmar Uwe Vogel (C) Dr. Maria Böhmer Jürgen Herrmann Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Ernst Hinsken Günter Nooke Peter Weiß (Emmendingen) Klaus Brähmig Dr. Georg Nüßlein Gerald Weiß (Groß-Gerau) Robert Hochbaum Dr. Klaus Hofbauer Melanie Oßwald Annette Widmann-Mauz Joachim Hörster Rita Pawelski Klaus-Peter Willsch Monika Brüning Hubert Hüppe Dr. Peter Paziorek Verena Butalikakis Susanne Jaffke Ulrich Petzold Werner Wittlich Hartmut Büttner Dr. Dr. Dagmar Wöhrl (Schönebeck) Bartholomäus Kalb Sibylle Pfeiffer Elke Wülfing Cajus Julius Caesar Steffen Kampeter Dr. Friedbert Pflüger Wolfgang Zeitlmann Irmgard Karwatzki Wolfgang Zöller Bernhard Kaster Willi Zylajew Siegfried Kauder (Villingen- Daniela Raab Roland Dieckmann Schwenningen) BÜNDNIS 90/DIE Hans Raidel GRÜNEN Vera Dominke Gerlinde Kaupa Dr. Thomas Dörflinger Helmut Rauber Marie-Luise Dött Jürgen Klimke Peter Rauen (Bremen) Maria Eichhorn Julia Klöckner Christa Reichard (Dresden) (Köln) Manfred Kolbe (Lübeck) Norbert Königshofen Hans-Peter Repnik Hartmut Koschyk Klaus Riegert Thomas Kossendey Dr. Grietje Bettin Dr. Hans Georg Faust Rudolf Kraus Alexander Bonde Albrecht Feibel Dr. Klaus Rose Ekin Deligöz Günther Krichbaum Kurt J. Rossmanith Dr. Thea Dückert Ingrid Fischbach Günter Krings Dr. Norbert Röttgen Franziska Eichstädt-Bohlig Hartwig Fischer (Göttingen) Dr. Martina Krogmann Dr. Christian Ruck Dr. Uschi Eid Dirk Fischer (Hamburg) Dr. Hermann Kues Volker Rühe Hans-Josef Fell Dr. (Zingst) (Weiden) Joseph Fischer (Frankfurt) (B) Klaus-Peter Flosbach Dr. Karl A. Lamers Peter Rzepka Katrin Göring-Eckardt (D) Dr. Hans-Peter Friedrich (Heidelberg) Anita Schäfer (Saalstadt) (Hof) Dr. Dr. Wolfgang Schäuble Peter Hettlich Erich G. Fritz Hartmut Schauerte Ulrike Höfken Jochen-Konrad Fromme Barbara Lanzinger Georg Schirmbeck Thilo Hoppe Dr. Michael Fuchs Angela Schmid Michaele Hustedt Hans-Joachim Fuchtel Werner Lensing Bernd Schmidbauer Jutta Krüger-Jacob Dr. Jürgen Gehb Peter Letzgus Christian Schmidt (Fürth) Ursula Lietz Andreas Schmidt (Mülheim) Renate Künast Walter Link (Diepholz) Dr. Markus Kurth Bernhard Schulte-Drüggelte Undine Kurth (Quedlinburg) Georg Girisch Dr. Klaus W. Lippold Wilhelm Josef Sebastian (Offenbach) Kurt Segner Dr. Reinhard Loske Ralf Göbel Matthias Sehling Anna Lührmann Dr. Reinhard Göhner Dr. Michael Luther Marion Seib Josef Göppel Dorothee Mantel Bernd Siebert Kerstin Müller (Köln) Peter Götz Winfried Nachtwei Dr. Wolfgang Götzer () (Altötting) Simone Probst Kurt-Dieter Grill Dr. Martin Mayer Claudia Roth (Augsburg) (Siegertsbrunn) Hermann Gröhe Wolfgang Meckelburg Christine Scheel Michael Grosse-Brömer Dr. Andreas Storm Irmingard Schewe-Gerigk Markus Grübel Dorothea Störr-Ritter Albert Schmidt (Ingolstadt) (Hamm) (Berlin) Karl-Theodor Freiherr von Doris Meyer (Tapfheim) Matthäus Strebl Petra Selg und zu Guttenberg (Heilbronn) Rainder Steenblock Lena Strothmann Holger-Heinrich Haibach Klaus Minkel Michael Stübgen Jürgen Trittin Stefan Müller (Erlangen) Marianne Tritz Bernward Müller (Gera) Edeltraut Töpfer Dr. Antje Vollmer Ursula Heinen Hildegard Müller Dr. Hans-Peter Uhl Josef Philip Winkler Siegfried Helias (Bremen) Margareta Wolf (Frankfurt) 17588 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005

Präsident Wolfgang Thierse (A) FDP Sabine Leutheusser- Nein Gudrun Kopp (C) Schnarrenberger Jürgen Koppelin Dr. Markus Löning SPD (Münster) Fraktionslose Abgeordnete Rainer Brüderle Peter Dreßen Günther Friedrich Nolting Martin Hohmann Hans-Joachim Otto CDU/CSU Dr. Gesine Lötzsch (Frankfurt) Petra Pau Helga Daub Dr. Jörg van Essen Eberhard Otto (Godern) Detlef Parr Wolfgang Börnsen Enthalten (Bönstrup) (Bayreuth) Norbert Schindler Dr. Gisela Piltz SPD Dr. Hans-Michael Goldmann BÜNDNIS 90/DIE Dr. Dr. Dr. GRÜNEN Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Rainer Stinner Winfried Hermann BÜNDNIS 90/DIE Ulrich Heinrich Dr. Michael Terwiesche GRÜNEN Birgit Homburger Carl-Ludwig Thiele Hans-Christian Ströbele Dr. Werner Hoyer Dr. Dieter Thomae Ursula Sowa FDP Hellmut Königshaus Jürgen Türk Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Guido Westerwelle FDP Harald Leibrecht Dr. Claudia Winterstein Joachim Günther (Plauen) Ina Lenke Dr. Dr. Heinrich L. Kolb

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 15.27 Uhr)

(B) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005 17589

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Dr. Berg, Axel SPD 28.09.2005 Scharping, Rudolf SPD 28.09.2005

Brunnhuber, Georg CDU/CSU 28.09.2005 Scheffler, Siegfried SPD 28.09.2005

Bülow, Marco SPD 28.09.2005 Dr. Scheuer, Andreas CDU/CSU 28.09.2005

Dr. Bürsch, Michael SPD 28.09.2005 Schily, Otto SPD 28.09.2005

Dörmann, Martin SPD 28.09.2005 Schummer, Uwe CDU/CSU 28.09.2005

Dümpe-Krüger, Jutta BÜNDNIS 90/ 28.09.2005 Dr. Schwanholz, Martin SPD 28.09.2005 DIE GRÜNEN Simm, Erika SPD 28.09.2005 Ferner, Elke SPD 28.09.2005 Wanderwitz, Marko CDU/CSU 28.09.2005 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 28.09.2005 Dr. Wiefelspütz, Dieter SPD 28.09.2005 Haack (Extertal), Karl SPD 28.09.2005 Hermann Anlage 2 Haupt, Klaus FDP 28.09.2005 Erklärung nach § 31 GO (B) Hedrich, Klaus-Jürgen CDU/CSU 28.09.2005 (D) zur Abstimmung über den Antrag: Fortsetzung Heller, Uda CDU/CSU 28.09.2005 der Beteiligung bewaffneter deutscher Streit- kräfte an dem Einsatz einer Internationalen Si- Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 28.09.2005 cherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan unter Führung der NATO auf Grundlage der Köhler (Wiesbaden), CSU/CSU 28.09.2005 Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember Kristina 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) Lehder, Christine SPD 28.09.2005 vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. Sep- tember 2004 und 1623 (2005) vom 13. Septem- Lehn, Waltraud SPD 28.09.2005 ber 2005 des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen (Tagesordnungspunkt 2 a) Dr. Mayer, Conny CDU/CSU 28.09.2005 (Freiburg) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Ich stimme gegen die Fortsetzung der Beteiligung bewaffne- Dr. Meister, Michael CDU/CSU 28.09.2005 ter deutscher Streitkräfte in Afghanistan. Mortler, Marlene CDU/CSU 28.09.2005 In der Konsequenz meines bisherigen Abstimmungs- verhaltens ergibt sich für mich eine klare Weiterführung Dr. Müller, Gerd CDU/CSU 28.09.2005 meiner Argumentation, das heißt, es kann keine Zustim- mung zur Fortsetzung dieses Einsatzes geben. Multhaupt, Gesine SPD 28.09.2005

Nickels, Christa BÜNDNIS 90/ 28.09.2005 Birgit Homburger (FDP): Mit dem Antrag der Bun- DIE GRÜNEN desregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffne- ter deutscher Streitkräfte am ISAF-Einsatz in Afghanis- Obermeier, Franz CDU/CSU 28.09.2005 tan geht es nicht nur um die Verlängerung sondern auch um eine Veränderung des Einsatzes und eine Auswei- Philipp, Beatrix CDU/CSU 28.09.2005 tung der deutschen Beteiligung an der internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe auf bis zu 3 000 Solda- Romer, Franz CDU/CSU 28.09.2005 tinnen und Soldaten. 17590 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005

(A) Die inzwischen in Afghanistan erreichten politischen dat von Verlängerung zu Verlängerung ausgebaut und er- (C) Fortschritte ebenso wie die Fortschritte in der internatio- weitert. nalen Zusammenarbeit, vor allem die Bildung weiterer PRTs anerkenne ich ausdrücklich. Zudem ist die Bundeswehr für solche Einsätze nicht genügend ausgebildet und ausgerüstet. Auch gibt es Dennoch bleiben etliche Fragen unzureichend beant- keine ausreichende Unterstützung der Bundeswehr wortet. Dazu gehört die lapidare Erklärung der Bundes- durch andere europäische Staaten. Der Einsatz der Bun- regierung unter Punkt 10 des Antrags auf Drucksache deswehr ist somit mit erheblichen Risiken behaftet. 15/5996, die einsatzbedingten Zusatzausgaben seien im Diese Risiken liegen unter anderem begründet in der Un- Haushalt veranschlagt; dies ist unzureichend. Es fehlt tätigkeit der deutschen Außenpolitik. eine klare Erklärung von der Bundesregierung, in wel- chem Bereich die Einsparungen getroffen werden sollen, Ich habe daher der Verlängerung des Einsatzes der um die Finanzierung der Ausweitung des ISAF-Einsat- Bundeswehr in Afghanistan nicht zugestimmt. zes in Afghanistan zu finanzieren. Darüber hinaus ist die Problematik des Drogenanbaus Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In in Afghanistan und dessen Bekämpfung nach wie vor der jetzigen Situation würde ein Rückzug der deutschen unzureichend geregelt. Der lapidare Hinweis der Bun- ISAF-Kräfte aus Afghanistan die einmal begonnene Sta- desregierung, dass dies nicht Aufgabe im Rahmen des bilisierung gefährden und das Land in eine noch unüber- ISAF-Mandats sei, ist unzureichend. Hier muss politisch schaubarere Lage als vor dem Einsatz der internationa- an einer Lösung der Probleme gearbeitet werden. len Truppen stürzen. Da es sich bei ISAF um einen Frieden schaffenden Einsatz handelt, der den Aufbau zi- Abschließend ist anzumerken, dass die Bundesregie- viler und politischer Strukturen unterstützt und von der rung bisher ein langfristiges politisches Konzept vermis- afghanischen Bevölkerung begrüßt wird, halte ich unter sen lässt, dem entnehmbar wäre, wie der weitere Verlauf den jetzt gegebenen Umständen die Ausweitung des ein- des Einsatzes sein soll und wie sich die zeitliche - Per mal begonnenen Einsatzes – hinsichtlich Zahl der Solda- spektive für den ISAF-Einsatz in Afghanistan nach An- ten und Einsatzgebiet – für sinnvoll. Da der Einsatz auf sicht der Bundesregierung darstellt. einem Mandat des UN-Sicherheitsrats beruht und mit In der Erwartung, dass diese offenen Fragendem Grundgesetz vereinbar ist, ist er völkerrechtlich le- schnellstmöglich zufriedenstellend geklärt werden, habe gitim und deswegen auch für mich zustimmungsfähig. ich mich entschieden, dem Antrag der Bundesregierung Unabhängig von der aktuell anstehenden Entschei- trotz Bedenken zuzustimmen. (B) dung habe ich den militärischen Einsatz in Afghanistan (D) Ich wünsche mir, dass der Einsatz in Afghanistan den – insbesondere die Strategie „Enduring Freedom“ – aber gewünschten Erfolg bringt und wünsche vor allen Din- von Anfang an kritisch gesehen. Bereits im November gen allen Soldatinnen und Soldaten im Einsatz alles2002 habe ich in einer Erklärung zur Abstimmung da- Gute und eine gesunde Rückkehr. rauf hingewiesen, dass ich eine rein militärische Strate- gie bei der Bekämpfung des Terrorismus nicht für Erfolg versprechend halte. Militärische Aktivitäten müssen in Jürgen Koppelin (FDP): Vier Jahre nach den ter- eine Erfolg versprechende politische Gesamtstrategie roristischen Anschlägen vom 11. September 2001 in den eingebettet sein. Eine solche habe ich bis heute in dem USA und dem in der Folge herbeigeführten Sturz des „war on terror“ nicht erkennen können – so wie auch der Taliban-Regimes in Afghanistan ist die Situation weiter „Krieg gegen Drogen“ nicht zum Erfolg führen kann. geprägt durch Instabilität und Gewalt. Bis heute sind die Auch dies habe ich in früheren Erklärungen deutlich ge- Terrorstrukturen der Taliban und der al-Qaida nicht end- macht. gültig zerschlagen und es gibt beunruhigende Anzeichen für eine Wiederbelebung der terroristischen Aktivitäten. Meine größte Befürchtung ist, dass der ISAF-Einsatz Die Anschläge auf London im Sommer dieses Jahres be- sich zunehmend mit dem „Enduring Freedom“-Einsatz legen dies traurigerweise deutlich. Gleichzeitig kommt vermischt. Diese Gefahr entsteht nicht nur durch Über- die Wirtschaft in Afghanistan nur sehr langsam schneidungen in der Einsatzräume, sondern vor allem we- Schwung im Gegensatz zum Anbau und Vertrieb vongen diffuser oder übergreifender Zuständigkeiten in der Drogen, der wieder zunimmt. Der Einfluss der Zentral- operativen Leitung. Die zweite Kommandoebene von regierung reicht immer noch kaum über die Hauptstadt ISAF ist nun auch zuständig für die Operationen von hinaus, die Provinzen stehen unter Kontrolle unter- „Enduring Freedom“. Welche Auswirkungen diese Ver- schiedlicher, zum Teil verfeindeter Warlords. unklarung der Kompetenzen in Zukunft haben könnte, Nun plant die Bundesregierung mit der erneuten Ver- ist im Moment überhaupt nicht absehbar. Es gibt weiter- längerung des Mandates, die Truppenzahl zu erhöhen. hin Bestrebungen, beide Einsätze komplett unter einen Weiterhin ist zu befürchten, dass die Truppenzahl mit je- Oberbefehl zu stellen. Dadurch würden deutsche Solda- der weiteren Mandatsverlängerung erhöht werden wird, ten womöglich subkutan in „Enduring Freedom“- ohne dass in Afghanistan substanzielle Fortschritte im Kampfeinsätze hineingezogen. Dieser Gefahr muss sich Aufbau des Landes und bei der Sicherheitslage erzielt der Deutsche Bundestag heute und bei zukünftigen Man- wurden. Entsprechend einer Salamitaktik wird das Man- daten bewusst bleiben. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. September 2005 17591

(A) Anlage 3 Drittens. Die wahren Machthaber in Afghanistan, zu- (C) mindest außerhalb Kabuls, sind nach wie vor die ar-W Erklärung nach § 31 GO lords. Sie finanzieren sich weitgehend ungehindert und der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele und ungehemmt aus Drogenanbau und -handel. Afghanistan Winfried Hermann (beide BÜNDNIS 90/deckt derzeit fast 90 Prozent des Opiumnachschubs DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den An- weltweit und liegt damit weit über dem Stand bei Ende trag: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter der Talibanherrschaft. deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer In- ternationalen Sicherheitsunterstützungstruppe Viertens. Eine Ausstiegsstrategie ist nicht in Sicht. in Afghanistan unter Führung der NATO auf Eine weitere Ausdehnung und Eskalation des Bundes- Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom wehreinsatzes in Afghanistan ist eher wahrscheinlich. 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai Die Planung geht inzwischen davon aus, dass dieser Ein- 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 satz noch zehn oder gar 15 Jahre dauern könnte. Damit (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom entfernt sich dieser Bundeswehreinsatz weit von seinem 17. September 2004 und 1623 (2005) vomursprünglichen Umfang und seinen Zielen. 13. September 2005 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 2 a) Eine Änderung der Einsatzpolitik in Afghanistan ist daher dringend erforderlich. Wir haben soeben aus folgenden Gründen gegen den weiteren Bundeswehreinsatz in Afghanistan gestimmt: Erstens. Vor vier Jahren wurde der NATO-Bündnis- Anlage 4 fall ausgerufen, welcher Bundeswehr und NATO Son- derrechte auch in Deutschland einräumt, und der Krieg Amtliche Mitteilungen gegen Afghanistan begonnen. Die damalige Begründung Der Bundesrat hat in seiner 814. Sitzung am 23. Sep- lautete, die dortigen al-Qaida-Strukturen zerschlagen zu tember 2005 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen wollen und die Verantwortlichen der Anschläge vomzuzustimmen, einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des 11. September 2001 zur Rechenschaft zu ziehen. Al-Grundgesetzes nicht zu stellen bzw. einen Einspruch ge- Qaida ist nun aus Afghanistan vertrieben. Doch die Si- mäß Artikel 77 Abs. 3 nicht einzulegen: cherheitslage dort ist gerade in den letzten Monaten eher schlechter als besser geworden. Der Bündnisfall besteht – Gesetz zur Änderung des Abfallverbringungsge- bis heute fort und es gibt keinerlei Aktivität, diesen zu setzes sowie zur Auflösung und Abwicklung der beenden. (B) Anstalt Solidarfonds Abfallrückführung (D) Zweitens. In Nachfolge dieses Kriegseinsatzes „En- – Gesetz zur Änderung des Düngemittelgesetzes und during Freedom“ sollte die Internationale Sicherheitsun- des Saatgutverkehrsgesetzes terstützungstruppe ISAF zunächst dazu dienen, Sicher- heit und Ordnung rund um Kabul zu gewährleisten und – Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte vor allem Wahlen zu ermöglichen. Wahlen haben inzwi- Menschen (Conterganstiftungsgesetz – ContStifG) schen stattgefunden. Der ISAF-Einsatz wird aber lau- fend auf weitere Landesteile ausgeweitet, ebenso nun– Gesetz zu dem Abkommen vom 25. August 2004 derjenige der Bundeswehr. Die Einheiten der Bundes- zwischen der Bundesrepublik Deutschland und wehr in Afghanistan sollen nun nicht verringert werden, der Republik Aserbaidschan zur Vermeidung der wie anfangs in Aussicht gestellt, sondern um 30 Prozent Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern aufgestockt werden (von 2 250 auf 3 000 Soldaten). vom Einkommen und vom Vermögen Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Amsterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Telefax (02 21) 97 66 83 44 ISSN 0722-7980