GEROLD HUBER

9. JANUAR 2020 LAEISZHALLE GROSSER SAAL THE 7

BMW IST LANGJÄHRIGER PARTNER DER ELBPHILHARMONIE

Abbildung zeigt Sonderausstattungen.

8145 BMW 7er_G11_G12 AZ HH Elbphil Front 148x210 Abendprogramm 201908.indd 1 20.08.19 10:25 Donnerstag, 9. Januar 2020 | 20 Uhr | Laeiszhalle Großer Saal Liederabende | 2. Konzert

19 Uhr | Einführung mit Meike Pfister im Kleinen Saal

CHRISTIAN GERHAHER BARITON GEROLD HUBER KLAVIER

Gustav Mahler (1860–1911) Der Einsame im Herbst / aus: Das von der Erde (1907/08)

Fünf Lieder nach Gedichten von Friedrich Rückert (1901/02) Blicke mir nicht in die Lieder Ich atmet einen linden Duft Um Mitternacht Liebst du um Schönheit Ich bin der Welt abhanden gekommen

Lieder aus »Des Knaben Wunderhorn« Revelge (1899) Der Tamboursg’sell (1901)

– Pause –

Wo die schönen Trompeten blasen (1898)

Der Abschied / aus:

Pause gegen 20:45 Uhr / Ende gegen 22 Uhr ELBPHILHARMONIE HAMBURG PRESENTS

21. 26.1.2020 RISING STARS DIE STARS VON MORGEN SCHON HEUTE ERLEBEN

21.01. SIMON HÖFELE TROMPETE 22.01. JOÃO BARRADAS AKKORDEON 23.01. MAGNUS HOLMANDER KLARINETTE 24.01. GOLDMUND QUARTETT STREICHQUARTETT 25.01. NOA WILDSCHUT VIOLINE 26.01. PABLO FERRÁNDEZ VIOLONCELLO

19:30 UHR ELBPHILHARMONIE KLEINER SAAL TICKETS 040 357 666 66

WWW.ELBPHILHARMONIE.DE © Alatur

In Kooperation mit Projektpartner ELBPHILHARMONIE HAMBURG PRESENTS WILLKOMMEN

21. 26.1.2020

»Blicke mir nicht in die Lieder!« In seinem RISING STARS gleichnamigen Lied verbittet sich Gustav DIE STARS VON MORGEN Mahler allzu neugierige Schulter­blicke in sein Skizzenbuch. Der grandiose Mahler-­ SCHON HEUTE ERLEBEN Sänger Christian Gerhaher und sein lang- jähriger Klavierpartner Gerold Huber sind da zum Glück weniger geheimniskräme- 21.01. SIMON HÖFELE TROMPETE 22.01. JOÃO BARRADAS AKKORDEON risch und lassen ihre Fans gern an der 23.01. MAGNUS HOLMANDER KLARINETTE Kunst des Wiener Komponisten teilhaben,­ 24.01. GOLDMUND QUARTETT STREICHQUARTETT für den die oft unterschätzte Gattung Lied 25.01. NOA WILDSCHUT VIOLINE 26.01. PABLO FERRÁNDEZ VIOLONCELLO eine so wichtige Rolle spielte. Aus seinem weit gespannten Schaffen haben sie ein 19:30 UHR Programm zusammengestellt, das um Ab­- ELBPHILHARMONIE schied und Verklärung kreist. KLEINER SAAL TICKETS 040 357 666 66

WWW.ELBPHILHARMONIE.DE © Alatur

In Kooperation mit Projektpartner DIE KÜNSTLER

CHRISTIAN GERHAHER BARITON Christian Gerhaher studierte zunächst Medizin, bevor er sich ganz dem Gesang zuwandte. Bereits an der Münchner Musikhochschule lernte er seinen festen Klavierpartner Gerold Huber kennen. Seine Ausbildung vervollständigte er in Meisterkursen bei Dietrich Fischer-Dieskau und Elisabeth Schwarzkopf. Inzwi- schen unterrichtet er gelegentlich selbst an der Münchner Musikhochschule und der Royal Academy of Music in London. Gemeinsam mit Gerold Huber widmet sich Christian Gerhaher seit nunmehr 30 Jahren der Liedinterpretation – in Konzerten, im Unterricht und in Projekten wie der aktuellen Schumann-Gesamtaufnahme. Viele Alben sind preisgekrönt: 2010 gab es für ein Mahler-Album den Jahres- und Ehrenpreis der Deutschen Schallplattenkritik; für das aktuelle Album Frage sowohl den Grammophone Award als auch den Opus Klassik als Sänger des Jahres. Das Duo ­ist regelmäßig in den internationalen Liedzentren­ zu erleben: in der Kölner und Berliner Phil- harmonie, im Wiener Konzerthaus und Musikverein,­ in der New Yorker Carnegie Hall, der Londoner Wigmore Hall und im Concertgebouw Amsterdam. Zum Auftakt der aktuellen Saison kuratierte Christian Gerhaher erstmals eine Liedwoche auf Schloss Elmau. Kurz vor Weihnachten kehrte er für Mahlers Wunderhorn-Lieder einmal mehr zu den Berliner Philharmonikern zurück. Nach einer erfolgreichen Tournee im letzten Jahr mit Benjamin Brittens War Requiem tritt er im Frühjahr 2020 in der Titelpartie von Mendelssohns Elias wieder mit dem Orchestre de Paris auf. Weitere Höhepunkte sind Konzerte mit dem Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam (Schumanns Faust-Szenen) und beim Danish National Symphony Orchestra in Kopenhagen (Berlioz’ Nuits d’été). Nicht nur im Lied- und Konzertbereich, sondern auch auf der Opernbühne ist Christian Gerhaher ein gefragter Künstler, ausgezeichnet unter anderem mit dem Laurence Olivier Award und dem Theaterpreis Der Faust. Regelmäßig ist er an Häusern wie der Mailänder Scala, der Wiener Staatsoper, dem Royal Opera House Covent Garden in London und beim Lucerne Festival und den Salzburger Festspielen zu erleben. Zu seinen Rollen zählen die Titelpartien in Hans Werner Henzes Der Prinz von Homburg, Claude Debussys Pelléas et Mélisande und Mozarts Don Giovanni sowie Wolfram in Richard Wagners Tannhäuser. Ein Mei- lenstein war sein Debüt als Wozzeck 2015 in Andreas Homokis gefeierter Insze- nierung am Opernhaus Zürich, die 2020 wieder aufgenommen wird. In dieser Partie wird er auch an der Bayerische Staatsoper sowie im Sommer 2020 unter Sir Simon Rattle beim Festival in Aix-en-Provence zu Gast sein. In der Saison 2013/14 war mit Christian Gerhaher zum ersten Mal ein Sänger CHRISTIAN GERHAHER BARITON Artist in Residence der Berliner Philharmoniker. Ebenfalls als Residenzkünstler wurde er vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und der Lon- doner Wigmore Hall eingeladen. Christian Gerhaher und seine Frau leben mit ihren drei Kindern in München. GEROLD HUBER KLAVIER DIE KÜNSTLER

Der gebürtige Straubinger Gerold Huber studierte als Stipen- GEROLD HUBER KLAVIER diat an der Musikhochschule München Klavier bei Friedemann Berger und besuchte die Liedklasse von Dietrich Fischer-Dies- kau in Berlin. 1998 erhielt er gemeinsam mit Christian Gerhaher, mit dem er ein festes Lied-Duo bildet, den Prix International Pro Musicis in Paris/New York. Mit seinem Duo-Partner ist er regelmäßig zu Gast bei Fes- tivals wie der Schubertiade Schwarzenberg, den Salzburger Festspielen, den Schwetzinger Festspielen und dem sowie den wichtigsten Konzertsälen wie der Köl- ner Philharmonie, dem Wiener Konzerthaus und Musikverein, dem Concertgebouw Amsterdam, der Londoner Wigmore Hall und den New Yorker Häusern. Gerold Huber ist ein gefragter Klavierbegleiter und arbeitet mit einer Vielzahl international renommierter Sänger zusam- men, darunter Christiane Karg, , Anna Lucia Richter, , Rolando Villazón und Franz-Josef Selig. Als Kammermusikpartner konzertierte er unter ande- rem mit dem Artemis Quartett, zudem arbeitet er regelmäßig mit dem Henschel Quartett, dem Trompeter Reinhold Friedrich und dem Cellisten Maximilian Hornung. Im vergangenen Som- mer war Gerold Huber Artist in Residence auf Schloss Brühl. Solistisch widmet er sich vornehmlich den Werken von Johann Sebastian Bach, , und . Konzerte führten ihn unter ande- rem in die Münchner Residenz, in das Théâtre municipal de Romains nach Frankreich, zum Kultursommer Kassel und zum New Zealand Festival in Wellington. Seit 2013 hat Gerold Huber eine Professur für Liedbegleitung an der Hochschule für Musik in Würzburg inne. Zudem gibt er ausgewählte Meisterklassen, so an der University of Yale, dem Aldeburgh Festival sowie bei den Schwetzinger Festspielen. DIE MUSIK

KLEINE FORM, GROSSE WELT

Die Lieder von

»Der Kern von Johann Sebastian Bachs Musik ist der Choral«, erklärte der hol- ländische Dirigent Willem Mengelberg 1923, »und der Kern von Gustav Mahlers Musik ist das Volkslied.« Tatsächlich findet sich dieses vermeintlich schlichte Genre wie ein Nukleus in fast allen seinen Werken wieder; nicht nur in kleinen Vokalstücken, sondern auch in riesigen Sinfonien. Und während Lied und Sinfo- nie bei Komponisten wie Johannes Brahms und zwei entfernte Gegenpole bilden – intime Volksliedhaftigkeit hier, große Kunst dort –, blenden sie bei Mahler förmlich ineinander über: Etwa die Hälfte seiner Sinfonien setzt Lieder und Vokalsolisten ein. Wie kein Komponist zuvor geht er dabei ins Detail der Gedichtvorlagen und zeichnet sie nicht nur mit differenzierten musikalischen Mitteln nach, sondern schafft neue Bedeutungsebenen. »Mit Musik«, so Mahler, kann man schließlich »viel mehr ausdrücken, als die Worte unmittelbar sagen«. Selbst in Miniaturen entdeckt er den Stoff für emotional-sinfonische Epen. Min- destens ebenso oft dekonstruiert er den Text, zeigt Brüche auf, übersteigert Sprachbilder zu kuriosen, teils ätzend ironischen Szenerien – ein typischer Zug des Fin de Siècle um die Jahrhundertwende 1900, als die Biedermeier-Roman- tik im Licht der Moderne zusammenbricht. Von vielen Mahler’schen Liedern existieren sowohl Klavier- wie Orchester­ fassungen. Mal diente die eine als Vorstudie zur anderen, mal erwuchs sie als aufführungspraktische Alternative, mal entstanden beide Varianten parallel. Christian Gerhaher und Gerold Hubert konnten daher für den heutigen Abend aus einem gewaltigen Repertoirefundus schöpfen, aus dem sie ein sowohl intel- lektuell wie sinnlich ansprechendes Programm zusammengestellt­ haben, das um Abschied und Verklärung kreist.

Der Einsame im Herbst / aus: Das Lied von der Erde Den Rahmen des Abends bilden zwei Sätze aus dem Lied von der Erde. In diesem sechsteiligen Zyklus mit einer Gesamtspielzeit von gut einer Stunde ist die Syn- these von Lied und Sinfonie auf die Spitze getrieben. Wie Alma Mahler berichtet, Gustav Mahler (1909)

vertonte ihr Mann zunächst einzelne Lieder (was es umso plausibler macht, sie einzeln aufzuführen). Doch »die Arbeit vergrößerte sich unter seinen Händen, er verband die Texte, machte Zwischenspiele. Es zog ihn immer mehr zu seiner Urform – der Sinfonie.« Eigentlich hätte Mahler das opulente Werk auch mit Fug und Recht so betiteln können. Allein, der Aberglaube hielt ihn davon ab. Denn nach seiner Sinfonie der Tausend wäre es seine Neunte Sinfonie gewesen – und bekanntlich waren Beet- hoven, Schubert, Dvořák und Bruckner nach ihrer jeweiligen Neunten verstor- ben. Und nun war bei Mahler zudem noch eine schwere Herzkrankheit diagnos- tiziert worden. Sollte auch sein tragisch frühes Ende unmittelbar bevorstehen? Der findige Komponist beschloss, dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen, und verweigerte dem nächsten Projekt einfach die Bezeichnung »Sinfonie«. Das Lied von der Erde fußt auf chinesischen Gedichten aus dem 8. Jahrhundert, die der Schriftsteller Hans Bethge (1876–1946) recht frei ins Deutsche übertrug und als Sammelband unter dem Titel Die chinesische Flöte publizierte. Entspre- chend hat Mahler auch einige musikalische Verweise auf fernöstliche Kultur ein- komponiert – ganz im Einklang mit der Jugendstil-Mode und ihrer Vorliebe für asiatische Stilelemente. Gleichzeitig verströmen die Gesänge kunstvoll eine mor- bide Atmosphäre. Spürbar ist das schon im ersten Lied, Der Einsame im Herbst; am Ende wird sie in Der Abschied voll ausgekostet. Parallel zur Orchester­fassung erstellte er eine Klavierversion, die er allerdings nicht veröffentlichte. Übrigens: Nach dem Lied von der Erde legte Mahler 1910 sogar eine weitere Sinfonie nach, die er nun wirklich seine »Neunte« nannte. Die Ausarbeitung sei- ner Zehnten Sinfonie gelang ihm allerdings nicht mehr. 1911 starb Mahler, der dem Schicksal so zwar eine »zusätzliche« Sinfonie abringen, ihm aber letztlich nicht entkommen konnte.

Rückert-Lieder Bereits zehn Jahre zuvor hatte sich Gustav Mahler dem spätromantischen Dich- ter Friedrich Rückert zugewandt: »Das ist Lyrik aus erster Hand, alles andere ist Lyrik aus zweiter Hand.« Dabei dürfte ihn vor allem der innige Tonfall der Gedichte angezogen haben, die Sehnsucht nach Verinnerlichung und nach dem Rückzug aus dem hektischen Alltag in eine Welt der Ruhe und des Friedens. Diese Vision stand in deutlichem Kontrast zu Mahlers oft zermürbenden All- tag als Direktor der Wiener Hofoper. Besonders explizit gilt dies für das Gedicht Ich bin der Welt abhanden gekommen, eine von Mahlers persönlichsten Liedkom- positionen, von der er nach Überlieferung seiner besten Freundin Natalie Bauer- Lechner sagte: »Das bin ich selbst!« Eröffnet wird die Sammlung mit Blicke mir nicht in die Lieder, das, wie Bauer- Lechner bemerkte, »textlich für Mahler so charakteristisch ist, als hätte er es selbst gedichtet.« Das zweite Gedicht Ich atmet’ einen linden Duft liefert ein cha- rakteristisches Beispiele für die geradezu artistischen Sprachspiele von Rück- erts Lyrik: »Wie lieblich ist der Lindenduft, / das Lindenreis brachst du gelinde! / Ich atme leis im Duft der Linde / der Liebe linden Duft.« Die Beschäftigung mit der verschlungenen Klangästhetik orientalischer Poesie­ zeichnet sich in die- sen Versen deutlich ab. Und dass sie Mahlers musikalische Fantasie beflügeln musste, liegt auf der Hand. Er selbst sagte über das Lied, es enthalte »die ver- haltene, glückliche Empfindung, wie wenn man in der Gegenwart eines lieben DIE MUSIK

Menschen weilt, dessen man sich ganz sicher ist, ohne dass es auch nur eines Wortes bedarf.« Dass der Komponist die lyrische Vorlage noch steigerte, indem er die etwas biedere Original-Schluss- zeile des Gedichts »der Herzensfreund- schaft linden Duft« durch die Wendung »der Liebe linden Duft« ersetzte, passt ins Bild. Um Mitternacht entspricht nicht ganz dem Duktus der anderen Lieder. Es beginnt zwar im Charakter eines verin- nerlichten Bekenntnisgesanges, endet aber als weit ausladender Hymnus. Ganz im Gegensatz dazu steht Liebst Friedrich Rückert Du um Schönheit, das eine komponierte Liebeserklärung an Mahlers Frau Alma darstellt – wohl der Grund dafür, dass er es als einziges nicht in eine Orchester- version überführte, sondern in der intimen Klavierfassung beließ.

Lieder aus »Des Knaben Wunderhorn« Vertonungen von Gedichten aus der Volksliedsammlung Des Knaben Wunderhorn nehmen in Mahlers gesamten Schaffen den größten Raum ein. Vor allem in den 1880er und 1890er Jahren beschäftigte er sich mit diesen Liedern und Gedich- ten, die Achim von Arnim und Clemens Brentano zusammengetragen und Anfang des Jahrhunderts veröffentlicht hatten. Bevölkert werden sie von einer kruden Mischung märchenhafter Charaktere: Tiere treten zum Sängerduell an oder zur Predigt, Liebespaare reden mit Verve aneinander vorbei, im Himmel backen die Engelein göttliches Brot, während auf Erden ein verzweifeltes Kind verhungert. Auch Soldaten trifft man immer wieder an, meist von Heimweh und Liebeskum- mer geplagte Gestalten, die am Ende erschossen werden. Mit seiner Textwahl stand Mahler denn auch in deutlichem Gegensatz zu Geschmack und Mode seiner Zeit. In einem Brief an den befreundeten Musik­ journalisten Ludwig Karpath schrieb er, er habe sich »mit vollem Bewusstsein und mit Haut und Haaren dieser Poesie verschrieben, die sich von jeder anderen Literaturpoesie wesentlich unterscheidet und beinahe mehr Natur und Leben als Kunst genannt werden könnte« – auch wenn ihn seine Zeit- genossen hierfür lange »verhöhnt« hätten. Seine Faszination erklärte der Dirigent Bruno Walter so: »In Des Knaben Wunder- horn fand Mahler alles, was seine Seele bewegte: Natur, Fröm- migkeit, Sehnsucht, Liebe, Abschied, Nacht, Tod, Geisterwesen, Landsknechtart, Kinderscherz, krauser Humor.« Ein erster Band mit Wunderhorn-Liedern mit Klavierbeglei- tung erschien 1892 im Druck. Schon hier macht sich im Klavier- satz eine geradezu sinfonische Klangsprache bemerkbar. Im Jahr 1899 lässt Mahler einen zweiten Band folgen, sowohl als Orchester- wie als Klavierlieder. Die Lieder sind nicht als Zyklus angelegt, sondern stehen jeweils als eigenständige Einzelwerke für sich (was man auch daran erkennt, dass Mahler je ein Lied daraus in seine ersten vier Sinfonien einbaute). Es bleibt den Interpreten überlassen, aus dieser losen Sammlung eine Aus- wahl zu treffen. Christian Gerhaher und Gerold Huber haben sich für den heutigen Abend drei Lieder herausgesucht, die von Krieg und Soldatenleben handeln. Von glorreichen Heldentaten ist aller- dings nicht die Rede – ganz im Gegenteil: Aus den Texten spricht nichts als Desillusion. Revelge führt den Hörer mitten hinein ins Grauen des Schlachtfelds, inmitten sterbender Menschen, unbarmherzig vorangetrieben von der Trommel. Ein gewaltiger Trauermarsch, der unüberhörbar auf den Eröffnungssatz der Sechsten Sinfonie verweist. Kaum besser ergeht es dem zum Tode am Galgen verurteil- ten Tamboursg’sell, der verzweifelt versucht, sich wenigstens geistig über seine Umstände zu erheben. Über die Entstehung Gustav Mahler als Kapellmeister berichtet Nathalie Bauer-Lechner, Mahler sei die Melodie des am Theater Kassel (1883/84) Liedes quasi zwischen Tür und Angel beim Verlassen des Ess- zimmers eingefallen: »Er skizzierte es gleich im dunklen Vor- raum. Dann aber sah er: Das ist kein Sinfonie-Thema – auf das er aus gewesen war –, sondern ein Lied! Und es fiel ihm das Gedicht Der Tamboursg’sell ein. Und als er oben im Häuschen Gesang und Text verglich, fehlte auch nicht ein Wort, nicht eine Note zur völligen Übereinstimmung!« DIE MUSIK

Nach der Pause erklingt das dritte Lied aus die- sem Kontext, das mit der Unterhaltung eines jungen Paares vor Augen führt, wie hoffnungs- los Liebe in Kriegszeiten ist. Denn wer in den Krieg zieht, Wo die schönen Trompeten blasen, landet ohnehin unter dem »grünen Rasen«.

Der Abschied / aus: Das Lied von der Erde Zurück zum Lied von der Erde, jenem schwer- mütigen letzten Liederzyklus. Als Mahler 1907 mit der Komposition begann, war seine eigene Verfassung desaströs. Seine Tochter Maria war im Alter von nur vier Jahren völlig unerwartet an Diphterie gestorben, bei Mahler selbst wurde ein Herzklappenfehler diagnostiziert, der sei- nen Arbeitseifer und seine geliebten Hobbys Schwimmen und Wandern empfindlich ein- »Des Knaben Wunderhorn« von Achim von Arnim schränkte. Zudem sah er sich nach einer anti- und Clemens Brentano (Erstausgabe von 1806) semitischen Pressekampagne genötigt, als Lei- ter der Hofoper zurückzutreten. Prägend für den Zyklus ist der Gestus des letzten Gesangs Der Abschied, der etwa die Hälfte der Spielzeit ausmacht. Sein Tonfall ist melancholisch, gar todes- sehnsüchtig; selbst das zarte Dur, das sich am Ende durchsetzt – als das Gedicht den ewigen Kreislauf der »lieben Erde« beschwört – strahlt nicht hell, sondern findet Trost nur in der Erinnerung an längst Vergangenes. Ganz geheuer war Mahler die Sache selbst nicht. An Bruno Walter, den Diri- genten der Uraufführung 1911 (die Mahler schon nicht mehr selbst miterleben konnte), schrieb er »Was glauben Sie? Ist das überhaupt zum Aushalten? Wer- den sich die Menschen danach nicht umbringen?« Kein Wunder, dass Das Lied von der Erde auf die Komponisten der folgenden, vom Weltgeschehen gebeutel- ten Generation eine fast magische Anziehungskraft ausübte. So schrieb Anton Webern an Alban Berg: »Es ist unglaublich schön – wie das Vorbeiziehen des Lebens, besser des Gelebten, an der Seele des Sterbenden.« Und Arnold Schön- berg ergänzte: »Ich glaube fest und unerschütterlich daran, dass Gustav Mahler einer der größten Menschen und Künstler war.« CLEMENS MATUSCHEK GESANGSTEXTE

DAS LIED VON DER ERDE RÜCKERT-LIEDER Text: Friedrich Rückert (1788–1866) Der Einsame im Herbst Text: nach Qian Qi (710–782) Blicke mir nicht in die Lieder

Herbstnebel wallen bläulich überm See; Blicke mir nicht in die Lieder! Vom Reif bezogen stehen alle Gräser; Meine Augen schlag’ ich nieder, Man meint, ein Künstler habe Staub von Jade Wie ertappt auf böser Tat. Über die feinen Blüten ausgestreut. Selber darf ich nicht getrauen, Ihrem Wachsen zuzuschauen. Der süße Duft der Blumen ist verflogen; Deine Neugier ist Verrat! Ein kalter Wind beugt ihre Stengel nieder. Bald werden die verwelkten, gold’nen Blätter Bienen, wenn sie Zellen bauen, Der Lotosblüten auf dem Wasser zieh’n. Lassen auch nicht zu sich schauen, Schauen selbst auch nicht zu. Mein Herz ist müde. Meine kleine Lampe Wenn die reichen Honigwaben Erlosch mit Knistern, Sie zu Tag gefördert haben, Es gemahnt mich an den Schlaf. Dann vor allen nasche du! Ich komm’ zu dir, traute Ruhestätte! Ja, gib mir Ruh’, ich hab’ Erquickung Not! Ich atmet’ einen linden Duft! Ich weine viel in meinen Einsamkeiten. Der Herbst in meinem Herzen währt zu lange. Ich atmet’ einen linden Duft! Sonne der Liebe willst du nie mehr scheinen, Im Zimmer stand Um meine bittern Tränen Ein Zweig der Linde, Mild aufzutrocknen? Ein Angebinde Von lieber Hand. Wie lieblich war der Lindenduft!

Wie lieblich ist der Lindenduft! Das Lindenreis Brachst du gelinde! Ich atme leis Im Duft der Linde Der Liebe linden Duft. Um Mitternacht Liebst Du um Schönheit

Um Mitternacht Liebst Du um Schönheit, Hab’ ich gewacht O nicht mich liebe! Und aufgeblickt zum Himmel; Liebe die Sonne, Kein Stern vom Sterngewimmel Sie trägt ein gold‘nes Haar! Hat mir gelacht Um Mitternacht. Liebst Du um Jugend, O nicht mich liebe! Um Mitternacht Liebe den Frühling, Hab’ ich gedacht Der jung ist jedes Jahr! Hinaus in dunkle Schranken. Um Mitternacht. Liebst Du um Schätze, Es hat kein Lichtgedanken O nicht mich liebe. Mir Trost gebracht Liebe die Meerfrau, Um Mitternacht. Sie hat viel Perlen klar.

Um Mitternacht Liebst Du um Liebe, Nahm ich in acht O ja, mich liebe! Die Schläge meines Herzens; Liebe mich immer, Ein einz’ger Puls des Schmerzens Dich lieb’ ich immerdar. War angefacht Um Mitternacht. Ich bin der Welt abhanden gekommen Um Mitternacht Kämpft’ ich die Schlacht, Ich bin der Welt abhanden gekommen, O Menschheit, deiner Leiden; Mit der ich sonst viele Zeit verdorben, Nicht konnt’ ich sie entscheiden Sie hat so lange nichts von mir vernommen, Mit meiner Macht Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben! Um Mitternacht. Es ist mir auch gar nichts daran gelegen, Um Mitternacht Ob sie mich für gestorben hält, Hab’ ich die Macht Ich kann auch gar nichts sagen dagegen, In deine Hand gegeben! Denn wirklich bin ich gestorben der Welt. Herr! Herr über Tod und Leben Du hältst die Wacht Ich bin gestorben dem Weltgetümmel, Um Mitternacht! Und ruh’ in einem stillen Gebiet! Ich leb’ allein in meinem Himmel, In meinem Lieben, in meinem Lied! LIEDER AUS Er schlägt die Trommel auf und nieder, »DES KNABEN WUNDERHORN« Da sind sie vor dem Nachtquartier schon wieder, Text: Achim von Arnim und Clemens Brentano Ins Gässlein hell hinaus, Sie zieh’n vor Schätzleins Haus, Revelge Trallali, trallaley, trallalera.

Des Morgens zwischen drei’n und vieren, Des Morgens stehen da die Gebeine Da müssen wir Soldaten marschieren, In Reih’ und Glied sie steh’n wie Leichensteine, Das Gässlein auf und ab; Die Trommel steht voran, Trallali, trallaley, trallalera, Dass sie ihn sehen kann. Mein Schätzel sieht herab. Trallali, trallaley, trallalera.

»Ach Bruder jetzt bin ich geschossen, Die Kugel hat mich schwer getroffen, Der Tamboursg’sell Trag mich in mein Quartier. Trallali, trallaley, trallalera, Ich armer Tamboursg’sell! Es ist nicht weit von hier.« Man führt mich aus dem G’wölb, Wär’ ich ein Tambour blieben, »Ach Bruder, ich kann dich nicht tragen, Dürft’ ich nicht gefangen liegen. Die Feinde haben uns geschlagen, Helf’ dir der liebe Gott; O Galgen, du hohes Haus, Trallali, trallaley, trallalera, Du siehst so furchtbar aus, Ich muss marschieren bis in Tod.« Ich schau’ dich nicht mehr an, Weil i weiß, dass i g’hör d’ran. »Ach, Brüder, ihr geht ja mir vorüber, Als wär’s mit mir vorbei, Wenn Soldaten vorbeimarschier’n, Trallali, trallaley, trallalera, Bei mir nit einquartier’n. Ihr tretet mir zu nah. Wenn sie fragen, wer i g’wesen bin: Tambour von der Leibkompanie! Ich muss wohl meine Trommel rühren, Trallali, trallaley, trallali, trallaley, Gute Nacht, ihr Marmelstein’, Sonst werde ich mich verlieren; Ihr Berg und Hügelein. Trallali, trallaley, trallala. Gute Nacht, ihr Offizier’, Die Brüder, dick gesät, Korporal und Musketier’. Sie liegen wie gemäht.« Gute Nacht, ihr Offizier’, Er schlägt die Trommel auf und nieder, Korporal’ und Grenadier’! Er wecket seine stillen Brüder, Ich schrei’ mit heller Stimm’, Trallali, trallaley, trallali, trallaley, Von euch ich Urlaub nimm! Sie schlagen ihren Feind, Gute Nacht! Gute Nacht! Trallali, trallaley, trallalera, Ein Schrecken schlägt den Feind. ― Pause ― GESANGSTEXTE

Wo die schönen Trompeten blasen O sieh! Wie eine Silberbarke schwebt Der Mond am blauen Himmelssee herauf. »Wer ist denn draußen und wer klopfet an, Ich spüre eines feinen Windes Weh’n Der mich so leise wecken kann?« Hinter den dunklen Fichten! Der Bach singt voller Wohllaut durch das Dunkel. »Das ist der Herzallerliebste dein, Die Blumen blassen im Dämmerschein. Steh auf und lass mich zu dir ein! Die Erde atmet voll von Ruh’ und Schlaf. Was soll ich hier nun länger steh’n? Alle Sehnsucht will nun träumen, Ich seh’ die Morgenröt’ aufgeh’n, Die müden Menschen geh’n heimwärts, Die Morgenröt’, zwei helle Stern’, Um im Schlaf vergess’nes Glück Bei meinem Schatz, da wär’ ich gern! Und Jugend neu zu lernen! bei meinem Herzallerlieble!« Die Vögel hocken still in ihren Zweigen. Die Welt schläft ein! Das Mädchen stand auf und ließ ihn ein, Sie heißt ihn auch willkommen sein. Es wehet kühl im Schatten meiner Fichten. Ich stehe hier und harre meines Freundes; »Willkommen, lieber Knabe mein! Ich harre sein zum letzten Lebewohl. So lang hast du gestanden!« Ich sehne mich, o Freund, an deiner Seite Sie reicht’ ihm auch die schneeweiße Hand. Die Schönheit dieses Abends zu genießen. Von ferne sang die Nachtigall, Wo bleibst du? Du lässt mich lang allein! Das Mädchen fing zu weinen an. Ich wandle auf und nieder mit meiner Laute »Ach, weine nicht, du Liebste mein! Auf Wegen, die von weichem Grase schwellen. Aufs Jahr sollst du mein eigen sein. O Schönheit, Mein Eigen sollst du werden gewiss, O ewigen Liebens, Lebens trunk’ne Welt! Wie’s keine sonst auf Erden ist! O Lieb’ auf grüner Erden. Er stieg vom Pferd und reichte ihm den Trunk Des Abschieds dar. Er fragte ihn, wohin Ich zieh’ in Krieg auf grüne Heid’; Er führe und auch warum es müsste sein. Die grüne Heide, die ist so weit. Er sprach, seine Stimme war umflort: Allwo dort die schönen Trompeten blasen, Da ist mein Haus, von grünem Rasen.« Du, mein Freund, mir war auf dieser Welt das Glück nicht hold! Wohin ich geh’? Ich geh’, ich wand’re in die Berge. Ich suche Ruhe für mein einsam Herz! DAS LIED VON DER ERDE Ich wandle nach der Heimat, meiner Stätte! Ich werde niemals in die Ferne schweifen. Der Abschied Still ist mein Herz und harret seiner Stunde! nach: Meng Haoran (ca. 689–740) und Wang Wei (699–759) Die liebe Erde allüberall Blüht auf im Lenz und grünt aufs neu! Die Sonne scheidet hinter dem Gebirge. Allüberall und ewig blauen licht die Fernen In alle Täler steigt der Abend nieder Ewig … ewig … Mit seinen Schatten, die voll Kühlung sind. ELBPHILHARMONIE HAMBURG PRESENTS

28.2. 1.3.2020 GANZ WIEN 8 KONZERTE ÜBER LIEBE, WEIN UND TOD MIT ERNST MOLDEN, WILLI RESETARITS, SIGRID HORN, DER NINO AUS WIEN, DIE STROTTERN U.V.A.

ELBPHILHARMONIE TICKETS 040 357 666 66 WWW.ELBPHILHARMONIE.DE ©Stefanie Katzinger ©Stefanie

Projektförderer TIPP

DAS ALTE WERK SONGS UND AYRES Kunstlieder gab es schon lange vor Gustav Mahler – und auch schon vor Schubert. Im England der Barockzeit etwa feierte der intime Gesang eine wahre Hochblüte, vorangetrieben von Kom- ponisten wie Henry Purcell und einer Woge der Emotionalität. Der auf historisches Repertoire spezialisierte Sébastien Daucé (Foto) und sein hochgelobtes Ensemble Correspondances brin- gen mit ihrem Programm Perpetual Nights (Ewige Nächte) nun die schönsten Ayres und Songs in die Laeiszhalle. Den Liedern von Liebe, Melancholie und Schmerz leiht die Mezzosopranistin Lucile Richardot ihre unverwechselbare Stimme.

28.1.2020 | 20 Uhr | Ensemble Correspondances / Sébastien Daucé

Es ist nicht gestattet, während des Konzerts zu filmen oder zu fotografieren.

IMPRESSUM Herausgeber: HamburgMusik gGmbH Geschäftsführung: Christoph Lieben-Seutter (Generalintendant), Jochen Margedant Redaktion: Clemens Matuschek, Simon Chlosta, François Kremer, Laura Etspüler Lektorat: Reinhard Helling Gestaltung: breeder typo – alatur, musialczyk, reitemeyer Druck: Flyer-Druck.de Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier

Anzeigen: Antje Sievert, +49 40 450 698 03, [email protected]

BILDNACHWEIS Christian Gerhaher (Gregor Hohenberg / Sony); Gerold Huber (Marion Köll); Gustav Mahler 1909 (A. Dupont); Friedrich Rückert (Lithografie von P. Rohrbach nach einer Zeichnung von S. Amsler, 1819); Gustav Mahler 1883/84 (Gilbert Kaplan: Das Mahler-Album); Sébastien Daucé (Josep Molina) WIR DANKEN UNSEREN PARTNERN

PRINCIPAL SPONSORS PRODUCT SPONSORS FÖRDERSTIFTUNGEN BMW Coca-Cola Kühne-Stiftung Montblanc Hawesko Körber-Stiftung SAP Lavazza Hans-Otto und Julius Bär Meßmer Engelke Schümann Stiftung Deutsche Telekom Ricola Haspa Musik Stiftung Ruinart Hubertus Wald Stiftung Störtebeker G. u. L. Powalla Bunny’s Stiftung Commerzbank-Stiftung Cyril & Jutta A. Palmer Stiftung CLASSIC SPONSORS Mara & Holger Cassens Stiftung Aurubis Programm Kreatives Europa Bankhaus Berenberg der Europäischen Union Commerzbank AG Stiftung Elbphilharmonie DZ HYP Edekabank Freundeskreis Elbphilharmonie GALENpharma + Laeiszhalle e.V. Gossler, Gobert & Wolters Gruppe Hamburg Commercial Bank Hamburger Feuerkasse Hamburger Sparkasse Hamburger Volksbank HanseMerkur Jyske Bank A/S KRAVAG-Versicherungen Wall GmbH M.M.Warburg & CO

ELBPHILHARMONIE CIRCLE Es ist das Besondere, das Wellen schlägt.

Der offizielle Weinpartner der Elbphilharmonie

Mehr Infos unter: hawesko.de/elphi

AZ_A5_Elbphilharmonie_Hawesko_Image_148x210mm_RZ.indd 1 15.05.18 15:57 MODERNE KULTUR IN EINZIGARTIGER GESTALT. WELCHE VISION MÖCHTEN SIE VERWIRKLICHEN?

PRINCIPAL SPONSOR

Julius Bär ist Principal Sponsor der Elbphilharmonie Hamburg.

juliusbaer.com

Elbphilharmonie_DE-ElbphilharmonieAbendprogramme-148x210-13072018.indd 1 12.07.18 14:47