CSU-LG – 7. WP Landesgruppensitzung: 24. 11. 1975

24. November 1975: Sitzung der Landesgruppe

ACSP, LG 1975: 28. Überschrift: »Protokoll über die 78. Sitzung der CSU-Landesgruppe am 24. November 1975«. Zeit: 20.05–22.15 Uhr. Vorsitz: Stücklen.

Anwesend: Althammer, Becher, Biehle, Engelsberger, Fuchs, Gerlach, Jobst, Kreile, Kunz, Lemmrich, Memmel, Niegel, Röhner, Roser, Schneider, Spilker, Spranger, Stücklen, Warn- ke, Wittmann, Ziegler, Zimmermann, Zoglmann.

Sitzungsverlauf: A. Bericht des Landesgruppenvorsitzenden über ein Gespräch zwischen Kohl, Strauß, Carstens und Stücklen sowie über die Mitbestimmungsvereinbarung zwischen SPD/FDP mit anschließender Aussprache. B. Berichte der Vorsitzenden der Arbeitsgruppen zum Plenum der Woche. C. Erläuterungen zur Novelle des Bundesbaugesetzes und der von der Arbeitsgruppe vor- geschlagenen Alternative zu dessen abgaberechtlichem Teil. D. Bericht über die Beratungen des Rechtsausschusses zur Eherechtsreform.

[A.] TOP 1: Bericht des Landesgruppenvorsitzenden Der Landesgruppenvorsitzende weist auf eine Reihe von Entschuldigungen durch Mitglieder der CSU-Landesgruppe hin. Er habe dafür Verständnis, denn die heutige Abendsitzung sei kurzfristig anberaumt worden, um mehr Zeit für die Aussprache zu haben.

Gespräch Kohl1, Strauß, Carstens2, Stücklen Der Landesgruppenvorsitzende berichtet über das Einigungs-Gespräch zwischen Kohl, Strauß, Carstens und Stücklen am Montag, den 17. November 1975. Zunächst sei es die Vorstellung der CSU gewesen, nur eine Kernmannschaft, bestehend aus Kohl, Strauß, Carstens, Katzer3 und Stoltenberg4 und Dregger5, herauszustellen. Das jetzt vorliegen- de Ergebnis ziele aber auf eine Führungsmannschaft der Unionsparteien ab. Der Landesgruppenvorsitzende gibt den Wortlaut der Erklärung bekannt, die der Vor- sitzende der CDU, Dr. , am 17. 11. 1975 der Presse gegenüber abgegeben hat: »Die CSU hat nicht die Absicht, sich bundesweit auszudehnen. Dabei vertreten die beiden Parteivorsitzenden nachdrücklich ihre gemeinsame Meinung, daß es für eine weitere politische Partei in der politischen Landschaft der Bundesrepublik keinen sinn- vollen Platz gibt, wenn die beiden Unionsparteien in allen entscheidenden politischen

1 Helmut Kohl, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Bundesvorsitzender der CDU, Kanz- lerkandidat der Union für die Bundestagswahl 1976. 2 , Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. 3 Hans Katzer, MdB (CDU), Vorsitzender der CDA. 4 , Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein (CDU). 5 , MdB (CDU).

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Problembereichen die gleiche Auffassung geschlossen vertreten. Ich werde meine volle Autorität als Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat in diesem Sinne einsetzen. Die Führungsmannschaft der Unionsparteien besteht aus dem Vorsitzenden der CDU und Kanzlerkandidaten Helmut Kohl, dem Vorsitzenden der CSU Franz Josef Strauß, dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Karl Carstens, dem Vorsitzen- den der CSU-Landesgruppe Richard Stücklen, Hans Katzer, Gerhard Stoltenberg, Alfred Dregger, Rainer Barzel6. Zu diesem Kreis gehören auch die beiden Generalsekretäre Kurt Biedenkopf und Ge- rold Tandler, die mit der Durchführung des Wahlkampfes beauftragt sind.« Der Landesgruppenvorsitzende berichtet dann von einem Gespräch, das das Präsidium der CSU mit dem Landeskirchenrat in München geführt habe. In der Wahlkreisarbeit der vergangenen zwei Wochen habe er erfahren, daß unsere Parteimitglieder nunmehr heilfroh seien, daß sich eine Einigung zwischen CDU und CSU erreichen ließ. Von dieser Einheit ausgenommen sei natürlich das Polen- Abkommen. Mit Nachdruck weist er darauf hin, daß es die Stärke der CSU- Landesgruppe bisher gewesen sei, nach außen eine einheitliche Meinung zu vertreten. Anschließend apostrophierte er die Brandtsche Äußerung, die CDU/CSU bedeute ein »Sicherheitsrisiko«. Dieser Satz falle in vieler Weise wie ein Bumerang auf Brandt und die SPD zurück. Der Vorsitzende der CDU, Dr. Helmut Kohl, der am kommenden Mittwoch für die CDU/CSU den Polen-Vertrag ablehnen werde, wird auch zur Brandtschen Äußerung ein eindeutiges Wort sprechen. Der Landesgruppenvorsitzende stellt an die Mitglieder der CSU-Landesgruppe die Frage, ob sich heute ein Mitglied der Landesgruppe zum Polen-Abkommen anders verhalten wolle, wie durch den Beschluß am 14. Oktober 1975 dokumentiert. Nachdem zu dieser Fragestellung keine Wortmeldung erfolgt stellt der Landesgruppenvorsitzen- de fest, daß kein Mitglied der CSU-Landesgruppe eine andere Haltung zur Polen-

Vereinbarung einnehme als bei der Abstimmung am 14. 10. 1975. SPD und FDP weigerten sich im Ältestenrat, unseren Gesetzentwurf betreffend Di- rektwahl zum Europäischen Parlament auf die Tagesordnung des Plenums setzen zu lassen. In dieser Frage müsse daher evtl. mit einer Geschäftsordnungsdebatte gerechnet werden. Weiter macht der Landesgruppenvorsitzende darauf aufmerksam, daß die Bundesregie- rung demnächst 60 000 Landkarten an die Auslandsvertretungen versenden wolle, aus denen ersichtlich sei, daß die Gebiete östlich der Oder-Neiße zum Staatsgebiet Polens gehörten. Hingegen sei die Demarkationslinie zwischen der Bundesrepublik Deutsch- land und der DDR farblich abgesetzt. Man müsse sich noch überlegen, wie gegen dieses Unterfangen der Bundesregierung vorgegangen werden könne. Mitbestimmungsvereinbarung zwischen SPD und FDP Schließlich weist der Landesgruppenvorsitzende auf die demnächst zu erwartende Mit- bestimmungsvereinbarung zwischen SPD und FDP hin. Die Arbeitsgruppe IV der CSU-Landesgruppe müsse für eine entsprechende Erwiderung präpariert sein.

6 , MdB (CDU), 1964–1973 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 1971– 1973 Bundesvorsitzender der CDU.

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TOP 1 In der Diskussion zu TOP 1 berichtet der Abg. Niegel von einer durch den früheren SPD-Staatssekretär Rosenthal gegebenen Polit-Party, bei der Generalsekretär Bie- denkopf als Hauptredner aufgetreten sei. Der Abg. Dr. Warnke, der selbst Gast bei dieser Veranstaltung war, ergänzt die Mittei- lung des Abg. Niegel. Der Landesgruppenvorsitzende erbittet vom Abg. Niegel eine schriftliche Darstellung dieses Vorfalls. Der Abg. Dr. Kreile erläutert Einzelheiten der zu erwartenden Mitbestimmungsverein- barungen zwischen SPD und FDP. Demnach soll der Stichentscheid beim Aufsichts- ratsvorsitzenden liegen, der ausschließlich von der Arbeitgeberseite bestimmt werde. Diese Tatsache werde von der Wirtschaft vermutlich freundlicher als die Hamburger Beschlüsse der CDU aufgefaßt werden. Er warnt daher zur Vorsicht bei Abgabe einer Presseerklärung. Auf Frage gibt er weiter bekannt, daß drei leitende Angestellte, die von diesen selbst zu benennen sind, auf die Wahlliste gesetzt werden. Von der Gesamt- heit der Belegschaft könne dann ein leitender Angestellter in den Aufsichtsrat gewählt werden. Der Abg. Dr. Becher gibt seiner Überzeugung Ausdruck, daß die Zusammensetzung der Führungsmannschaft unglaubwürdig sei. So jedenfalls seien seine Erfahrungen bei Gesprächen im landmannschaftlichen Bereich. Er bedauert nachhaltig die ungleichmä- ßige Gewichtung in der Zusammensetzung durch »Symbole des Umfallens«. Die Ein- heit könne dadurch nicht dokumentiert werden. Er melde diese Bedenken heute deshalb an, damit ihm später nicht der Vorwurf gemacht werden könne, er hätte zu dieser Frage geschwiegen. Der Abg. Dr. Kunz gibt eine Erklärung zur Einladung des Generalsekretärs Bie- denkopf nach Weiden ab. Die Einladung an Biedenkopf sei durch den Fraktionsvorsit- zenden der CSU im Bayerischen Landtag, Herrn Gustl Lang MdL, erfolgt. Nachdem zwischenzeitlich das Einigungsgespräch stattgefunden hat, sah man in Weiden keine Veranlassung, von der Einladung Abstand zu nehmen. Der Abg. Biehle bestätigt das Bedürfnis nach Einheit, das sowohl in der Partei als auch bei den Wählern zu spüren sei. Unter Hinweis auf einen Beschluß der Bundesregierung aus dem Jahre 1971 gibt er eine Definition zum »Sicherheitsrisiko«. Dieser Kabinetts- beschluß wurde als Erlaß an die Bundeswehr herausgegeben. Der Landesgruppenvorsitzende regt an, diese Definition an alle Mitglieder der CSU- Landesgruppe zu verteilen. Der Abg. Biehle regt gegenüber dem Abg. Dr. Zimmermann an, die CSU solle ähnlich der Bundestagsfraktion die Schülerredakteure zu einem Gespräch einladen. Der Abg. Lemmrich spricht zu dem Problem der »4. Partei«. Er sei froh, daß diese Frage nunmehr erledigt ist. Auch der Abg. Engelsberger geht auf den »Zwist« zwischen CDU und CSU ein. Dar- über hinaus meint er, daß das eben vorgelegte Jahresgutachten 1975/’76 der »Fünf Wei- sen« negative Auswirkungen auf den Vorwahlkampf haben könne. Mit Nachdruck betont er, daß die Einheit von CDU und CSU durchgehalten werden müsse, andern- falls die Forderung nach der 4. Partei wieder hochkommen könne. Der Abg. Spranger stellt an die Landesgruppenführung die Frage, ob der CDU- Abgeordnete Dr. Barzel von dem rechtsstehenden CSU-Kreisverband Ansbach-Stadt eingeladen werden könne.

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Der Landesgruppenvorsitzende erwidert, wenn der Abg. Dr. Barzel schon – ohne Rücksprache mit dem Vorstand – eingeladen und ihm zugesagt worden sei, müsse die Veranstaltung durchgeführt werden. Der Abg. Zoglmann weist auf den Fernsehbericht über den CDU-Parteitag Rheinland und die darin dargestellten Äußerungen des Generalsekretärs Biedenkopf, die wenig von der Einigkeit hätten spüren lassen, hin. Dieser Bericht sei am 15. 11. 1975, also zwei Tage vor dem Einigungs-Gespräch, gesendet worden und habe die ganze Arroganz und Selbstüberschätzung des Herrn Biedenkopf gezeigt. Der Abg. Zoglmann empfiehlt, diese Sendung sich nochmals vorführen zu lassen. Der Abg. Ziegler bestätigt die Ausführungen des Abg. Zoglmann. Der Landesgruppenvorsitzende spricht sich entschieden gegen ein »Wiederaufwär- 7 8 men« von Zwistigkeiten [aus] . Mit dem Montag, 17. 11. 197[5] , habe eine neue Zeit- rechnung begonnen. [B.] TOP 2: Berichte der Vorsitzenden der Arbeitsgruppen 1 bis VI zum Plenum der Wo- che

Arbeitsgruppe 1 Der Abg. Gerlach erklärt, daß für seinen Bereich in dieser Woche nur das Verfahrens- recht zur Abgabenordnung relevant sei. Dazu gebe es aber keine Probleme.

Arbeitsgruppe II Der Abg. Lemmrich berichtet zu dem Gesetz über den Bau und den Betrieb von Ver- suchsanlagen zur Erprobung von Techniken für den spurgeführten Verkehr, das ein- stimmig im Ausschuß verabschiedet worden sei. Hinsichtlich unseres Antrages betr. Deutsche Bundesbahn werde es zu einer Debatte kommen, für die der Abg. Dr. Jobst vorbereitet ist. Der Landesgruppenvorsitzende fragt nach der Entwicklung einer automatischen Kupplung für Eisenbahnwagen, wofür bisher 1,2 Milliarden DM ausgegeben worden seien. Der Abg. Lemmrich antwortet darauf, daß die brauchbaren Eisenbahnwagen auf diese automatische Kupplung vorbereitet seien, die weitere Entwicklung jedoch gestoppt wurde. Der Einbau werde die Summe von 1,2 Milliarden DM verschlingen. Der Abg. Dr. Jobst erläutert den voraussichtlichen Ablauf der Debatte über unseren Antrag zur Deutschen Bundesbahn.

Arbeitsgruppe III Der Abg. Dr. Kreile führt aus, daß es hinsichtlich der in dieser Woche zu beratenden Abgabenordnung keine Probleme gebe. Der Abg. Dr. Althammer bittet die Mitglieder der CSU-Landesgruppe, jetzt noch keine Erklärungen zu den möglichen Ergebnissen des Vermittlungsausschusses hin- sichtlich des Haushaltsstrukturgesetzes abzugeben. Ob wir dem Gesetz letztlich zu-

7 Vom Bearbeiter eingefügt. Dafür gestrichen: »hin«. 8 Korrigiert aus »4«.

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stimmen könnten oder es ablehnten, könne erst nach Vorliegen der Vorschläge des Vermittlungsausschusses beurteilt werden. Der Landesgruppenvorsitzende wendet ein, daß er, angesichts der von der Bundesre- gierung verschuldeten wirtschaftlichen Lage, dem Gesetz dann auf keinen Fall zustim- men könne, wenn unsere Anträge abgelehnt würden.

Arbeitsgruppe IV Der Abg. Ziegler weist auf die erste Beratung des von CDU/CSU-Abgeordneten ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz der Jugend vor Mediengefahren hin, das der Abg. Rollmann9 begründe. Zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Rauschmittel- und Drogenmißbrauch werde es eine Debatte geben. Er werde die dafür zuständige, heute nicht anwesende Abg. Frau Schleicher veranlassen, für einen evtl. zweiten Durchgang zur Verfügung zu stehen. Weiter berichtet der Abg. Ziegler, daß in dieser Woche im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung hinsichtlich der Novellierung des Kassenarztrechtes (Verbesserung der ärztlichen Versorgung auf dem Lande) eine Anhörung von Sachverständigen stattfinden wird.

Arbeitsgruppe V Der Landesgruppenvorsitzende erläutert nochmals, daß bei der Beratung des Polen- Vertrages für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zunächst Ministerpräsident Dr. Kohl und im zweiten Durchgang der Fraktionsvorsitzende Prof. Carstens sprechen werden. Für die Schlußberatung des Abkommens habe er sich einen Beitrag ausdrücklich vor- behalten. Der Abg. Dr. Becher gibt einen weiteren Bericht aus der Arbeitsgruppe V und macht auf die in dieser Woche neu zu gründenden 6 Parlamentariergruppen aufmerksam. Der Landesgruppenvorsitzende bittet die Mitglieder der Landesgruppe, sich an diesen Neugründungen intensiv zu beteiligen. Der Abg. Roser spricht die für Freitag vorgesehene Debatte zur Großen Anfrage der CDU/CSU betr. Grundsätze der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in der Entwick- lungspolitik der Bundesregierung und damit verbunden die Beratung des zweiten Be- richts der Bundesregierung zur Entwicklungshilfepolitik und der zweiten Fortschrei- bung der entwicklungspolitischen Konzeption an. Er gibt einen kurzen Sachstandsbe- richt und teilt mit, daß er als zweiter Redner für die Fraktion sprechen werde. Der Abg. Lemmrich erwähnt die nächste Versammlung der WEU in Paris. In der Rüstungszusammenarbeit gebe es nach wie vor sehr unterschiedliche Auffassun- gen, im besonderen zwischen Frankreich und England.

Arbeitsgruppe VI Der Abg. Dr. Fuchs erklärt, daß es aus dem Bereich Bildung, Forschung und Techno- logie nichts zu berichten gäbe. [C.] TOP 4: Bundesbaugesetz – Alternative zum abgabenrechtlichen Teil der Novelle zum Bundesbaugesetz

9 Dietrich Rollmann, MdB (CDU).

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Der Abg. Dr. Schneider berichtet, daß der Fraktionsvorstand im Oktober eine Ad- hoc-Arbeitsgruppe Planungswertausgleich, bestehend aus je 3 Mitgliedern des Bau- rechts- und des Finanzausschusses, eingesetzt habe. Das Ergebnis dieser Arbeitsgruppe liege nunmehr vor. Die CDU/CSU lehne den Planungswertausgleich des Regierungs- entwurfs eines Bundesbaugesetzes ab. Der Planungswertausgleich bringe unüberwind- liche Schwierigkeiten bei der Wertermittlung mit sich. Er führe zu einem nicht vertret- baren Verwaltungsaufwand mit Personalvermehrung. Außerdem treffe er den Falschen, nämlich den Bauwilligen. Die CDU/CSU beantrage hingegen die Versteuerung von Veräußerungsgewinnen durch Verlängerung der sog. Spekulationsfrist bei privaten Veräußerungen von Grund- stücken von 2 auf 10 Jahre, degressiv ab dem 5. Jahr. Hinsichtlich der Erfassung planungsbedingter Wertsteigerungen gebe es drei Modelle: 1. Änderung des Grundsteuergesetzes, wonach der Eigentümer eines unbebauten Grundstücks, das in den Geltungsbereich eines Bebauungsplanes kommt, eine aufge- stockte Grundsteuer zu bezahlen hat. Bemessungsgrundlage ist der Einheitswert 1964 zuzüglich des halben Unterschieds der Wertsteigerung, die sich aus dem Vergleich des Einheitswertes 1964 und des Einheitswertes 1977 ergibt. Es dürfen nur solche Grund- stücke belastet werden, welche nach Inkrafttreten der Novelle zum Bundesbaugesetz in einen Bebauungsplan einbezogen werden.

2. Infrastrukturbeitrag, den die Gemeinde in Höhe von bis zu 50 % des 100 %igen Erschließungsbeitrages pauschaliert beschließen kann. 3. Kompromißvorschlag zu 1. und 2. dahingehend, daß angesichts der tiefgreifenden Fehlentwicklung der Wirtschaft und des Bausektors jede neue Abgabenbelastung des Grund und Bodens falsch ist und erst nach Wiederherstellung von gesunden wirtschaft- lichen Verhältnissen zusätzliche Abgabenbelastungen möglich sind. Der Abg. Dr. Schneider betont, daß die CDU/CSU den abgabenrechtlichen Teil der Novelle zum Bundesbaugesetz mit der Maßgabe ablehne, daß in Zukunft die Einheits- werte zeitnah festgestellt werden, die Grundsteuer allgemein aktualisiert und die Grunderwerbsteuer abgeschafft wird. Im Ergebnis bedeute diese Beschlußvorlage der Arbeitsgruppe Planungswertausgleich eine Revision der Parteitagsbeschlüsse von Hamburg und München. Der Landesgruppenvorsitzende dankt dem Abg. Dr. Schneider für die undankbare Aufgabe, der er sich unterzogen habe. Er hält den Beschlußvorschlag im Ergebnis für den richtigen Weg und empfiehlt den Mitgliedern der CSU-Landesgruppe, sich den Vorschlägen des Fraktionsvorstandes anzuschließen. [D.] TOP 3: Eherechtsreform Der Abg. Dr. Wittmann berichtet, daß am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche der Rechtsausschuß über die Eherechtsreform abschließend beraten werde. Die zweite und dritte Lesung im Plenum des Deutschen Bundestages werde noch in der letzten Sitzungswoche vor Weihnachten stattfinden. Bei unseren Beratungen im Unterausschuß »Eherechtsreform« und im Rechtsausschuß hätten wir uns von den 14 Thesen zur Reform des Rechts der Ehescheidung und der Scheidungsfolgen leiten lassen, die von der Fraktion 1971 bereits beschlossen wurden. Nach unserer Überzeugung müßte die unumstößliche Ausgangsposition für die Neu- ordnung des Rechts der Ehescheidung das gesellschaftliche Leitbild einer grundsätzlich auf Lebenszeit geschlossenen Ehe sein. Um dies eindeutig und nachdrücklich zum

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Ausdruck zu bringen, hätten wir auch die Übernahme einer entsprechenden Bestim- mung in den Gesetzentwurf gefordert. Aus einer Reihe von Gründen wollten wir ein neues Ehescheidungsrecht auf der Grundlage des Zerrüttungsprinzips ausgestalten. Aber auch ein auf dem Zerrüttungsprinzip beruhendes Scheidungsrecht muß den Le- bensverhältnissen und den Gerechtigkeitserwartungen der Bevölkerung entsprechen und im Einzelfall eine für beide Ehegatten gerechte Lösung ermöglichen. Es darf nicht sein, daß für denjenigen, der mutwillig seine Ehe zerstört, die Scheidung erleichtert wird. Es geht auch nicht an, daß der an der Zerstörung der Ehe schuldige Ehegatte von dem unschuldigen Ehegatten Unterhalt verlangen kann, wenn die Ehe geschieden ist. Nach dem Stand der Beratung und der Beschlußfassung im Rechtsausschuß kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Dabei kommt es nach Meinung der SPD/FDP-Mehrheit nicht darauf an, wer das Scheitern der Ehe verursacht hat. Auch derjenige, der bewußt seine Ehe zerstört hat, hat die Möglichkeit, sich auf das Scheitern der Ehe zu berufen und so die Scheidung zu verlangen. Wenn die Eheleute 3 Jahre getrennt leben und ein Ehegatte die Scheidung beantragt, wird von Gesetzes wegen vermutet, daß die Ehe gescheitert ist. Diese Vermutung kann nicht widerlegt werden. Gegenüber dieser Fristenautomatik hat die CDU/CSU beantragt, die Trennungsfrist auf 5 Jahre heraufzusetzen und eine Widerlegung der Zerrüttungsvermutung zuzulas- sen. Die von der Koalition vorgesehene immaterielle Härteklausel ist unzureichend. Es fehlen drei wesentliche Elemente, nämlich – das Wohl der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder wird nicht be- rücksichtigt, – wirtschaftliche Umstände bleiben außer Betracht, – die Härteklausel findet keine Anwendung im Fall der mehr als dreijährigen Tren- nung. Um Tendenzen, die auf eine Ehe auf Zeit oder auf eine jederzeit kündbare Ehe hinzie- len, entgegenzuwirken, müßte nach Auffassung der CDU/CSU der Grundsatz, daß die Ehe auf Lebenszeit angelegt ist, eindeutiger zum Ausdruck kommen. Wir haben daher beantragt, daß eine Scheidung überhaupt erst möglich sein soll, wenn die Ehe minde- stens ein Jahr bestanden hat. Damit soll vermieden werden, daß überstürzt eine Schei- dung angestrebt wird, obwohl möglicherweise nur anfängliche Gewöhnungsschwierig- keiten bestehen. In bezug auf das Unterhaltsrecht wollten wir das Verursacherprinzip verwirklichen. Der Regierungsentwurf zielt darauf ab, nach einer Scheidung möglichst bald auch zu einer Auflösung der wirtschaftlichen Beziehungen zu kommen. Der von der Koalition vorgeschlagene Versorgungsausgleich ist außerordentlich kompliziert und führt zu unüberschaubaren Regelungen. Das Ehegericht hat von Amts wegen über den Versor- gungsausgleich zu entscheiden. Eine freie Vereinbarung, die wir vorgeschlagen haben, wurde von der Koalition nicht übernommen. Darüber hinaus ist nach Einfügung einer Ergänzungsvorschrift in die Zivilprozeßordnung der Grundsatz der gleichzeitigen Folgeregelung nicht gesichert. Der Abg. Dr. Wittmann empfiehlt eine Ablehnung des Gesetzentwurfs, weil er zur Auflösung der grundgesetzlich gesicherten Institution der Ehe führt. Über den Bundes- rat werde versucht, das Namensrecht wieder in die Eherechtsreform einzubeziehen, um das Gesetz zustimmungsbedürftig zu machen. In der Diskussion zu TOP 3 ersucht der Abg. Dr. Fuchs um entsprechendes Argumen- tationsmaterial.

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Der Abg. Dr. Warnke beschäftigt sich mit einer politischen Wertung des Koalitions- entwurfs. Abschließend betont der Abg. Dr. Wittmann, daß selbst der DGB und die sonstigen Verbände in der Anhörung sich gegen den Versorgungsausgleich ausgesprochen hätten.

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