2 0 0 JAHRE hessische Verfassungsgeschichte © 2020 Amt für Kultur, Bildung und Soziales Stadt Viernheim Kreuzstraße 2-4, 68519 Viernheim www.viernheim.de STADT VIERNHEIM 200 Jahre hessische Verfassungsgeschichte

Eine Ausstellung des Amtes für Kultur, Bildung und Soziales

KulturScheune Viernheim, Dezember 2020

Begleitkatalog herausgegeben von Stadt Viernheim

Inhalt: Herbert Kempf Gestaltung: Rúnar Emilsson

Mit freundlicher Unterstützung des Lionsclub Viernheim Volker Bouffier Ministerpräsident Hessen Doch bereits wenig später wurden mit der nationalso- zialistischen Diktatur die Länder aufgelöst und ihre Landtage entmachtet und alle demokratischen Errun- genschaften in ganz Deutschland zerstört. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es die amerikanische Militärregierung vor genau 75 Jahren, die das Land Hessen in seiner heutigen Gestalt gründete. Am 1. Dezember 1946 stimmten die Bürgerinnen und Bürger dann in einer Volksabstimmung für die Annahme der neuen, demokratischen Landesverfassung. Die ersten Landtagswahlen fanden statt – das moderne Hessen war geboren. Dass die politische Entwicklung dieser Jahre so verlief, ist ein großes Glück und ein Ge- schenk. Die drei Westmächte hatten diese Entwick- lung durch ihr Vertrauen ermöglicht. Und wir verdanken diesen Neubeginn den Männern und Frauen, die als Demokraten für das Land und seine Bürgerinnen und Bürger politisch wirkten.

Seit über sieben Jahrzehnten bilden das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Verfas- sung des Landes Hessen die Grundlage für unser Ge- meinwesen und das staatliche Handeln. Sie garantieren die Würde des Menschen, seine Grund- rechte und die Souveränität des Volkes. Sie sind das feste Fundament, auf dem unsere Gesellschaft ruht. Diese Werte zu verteidigen, die die Menschen in den vergangenen Jahrhunderten in Deutschland und in Vor 200 Jahren erhielt das Großherzogtum Hessen weiteren europäischen Ländern wie in anderen Teilen erstmals ein Parlament und seine gewählten Abgeord- der Welt erkämpft haben, oft unter großen Opfern und neten traten in zusammen. Am 17. De- Rückschlägen, bleibt ein immerwährender Auftrag. zember des Jahres 1820 wurde die Verfassung von Gerade heute gilt es wieder, couragiert, mit Mut und Ludwig I. erlassen, die das staatsrechtliche Funda- Zuversicht für unsere demokratischen Grundwerte ment für die konstitutionelle Monarchie bildete. Das einzutreten und gegen Hass, Hetze und Ausgrenzung Jubiläum ist ein Anlass, auf 200 Jahre Geschichte und Stellung zu beziehen. Das gilt besonders dann, wenn auf die Entwicklung Hessens zu einem modernen de- wir Rassismus, Antisemitismus und Gewalt entgegen- mokratischen Rechtstaat zurückzublicken. Ein Weg, treten müssen. der nicht geradlinig verlief, und der lang und oftmals schwierig war. Ich bin zuversichtlich, dass diese Ausstellung interes- sante historische Einblicke vermitteln wird, und danke Fast ein Jahrhundert behielt die Verfassung von 1820 allen, die daran mitgewirkt haben. ihre Gültigkeit. Erst nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich mit dem Volksstaat Hessen eine demokratische Staatsform durch. Matthias Baaß Bürgermeister Stadt Viernheim Vor fast genau 200 Jahren entschloss man sich dazu, landständische Verfassungen einzuführen. Bereits der 13. Artikel der Bundesakte des Deutschen Bundes sah dies vor. Nachdem auch die Forderungen des Volkes nach einer Verfassung und echten Volksvertretung stetig wuchsen, wurde am 18.03.1820 der erste Ver- fassungsentwurf vorgelegt. Nachdem die ersten Entwürfe der Verfassung keine Zustimmung fanden, kam es am 21.12.1820 zur end- gültigen „Verfassungs-Urkunde des Großherzogtums Hessen“. Eine für uns bedeutsame, mitwirkende Per- son an dieser ersten Verfassung ist der ehemalige Viernheimer Bürgermeister Edmund Bläß (1816- 1822), welcher Mitglied der zweiten Kammer des Landtages des Großherzogtums Hessen war. Das Amt für Kultur, Bildung und Soziales, unter der Leitung von Horst Stephan, und Fachbereichsleiter für Musik, Kunst und Kultur, Rúnar Emilsson thematisiert diese Entstehungsgeschichte gemeinsam mit dem Viernheimer Historiker und Geschichtsforscher Her- bert Kempf in einer sehr spannenden und informati- ven Ausstellung. Ich bin stolz, dass wir engagierte Mitarbeitende im Amt für Kultur, Bildung und Soziales haben, die ihren Beitrag in dieser Form leisten und auch dafür, dass wir Dank Herrn Kempf eine solche Ausstellung hier in Viernheim präsentieren können. Herbert Kempf gilt meine große Anerkennung für die Zusammentragung dieser Ausstellung, die uns sehr beeindruckende und spannende Einblicke in die Ver- gangenheit und Entwicklung der politischen Auseinan- dersetzungen in Deutschland und Europa gewährt. Eine funktionierende, lebendige Demokratie und ein freier Meinungsaustausch sind keine Selbstverständ- lichkeit. Umso wichtiger ist es, sich dies immer vor Augen zu halten, wozu diese Ausstellung auch beitra- gen soll. Norbert Schmitt Jurist und Mitglied der Enquetekommissin „Verfassungskonvent zur Änderung der Verfassung des Landes Hessen“ 2018

Kleinstaaterei in Deutschland kam der Ruf nach Verrechtlichung politischer Herrschaft und nach einer Verfassung als Grundlage aller staatlichen Macht auf. Die gekrönten Häupter versuchten aber weiterhin ihre angebliche göttliche Einsetzung und ihre Machtbefugnisse zu verteidigen. Im Vergleich der Verfassung des Großherzogtums Hessen vor 200 Jahren und der heute geltenden Hessischen Verfassung werden die unterschiedli- chen Machtverhältnisse deutlich. Nicht mehr der angeblich von Gottes Gnaden eingesetzte Großher- zog (Art. 4 Abs.2 „Seine Person ist heilig und un- verletzlich“) bestimmt im Staate, sondern „die Staatsgewalt liegt unveräußerlich beim Volke“ (Art. 70 der heutigen Verfassung). Der Landtag wird nicht nur durch den Adel und von Großherzog be- stimmten Personen sowie nur den allerreichsten Bürgern gewählt, sondern setzt sich aus Bürgerin- nen und Bürgern zusammen, die in freier, allge- Es ist der Initiative des Viernheimer Geschichtsfor- meiner, gleicher und geheimer Wahl gewählt schers Herbert Kempf zu verdanken, dass an ein wurden. wichtiges Ereignis vor 200 Jahren in Hessen erin- Heute ist in der Verfassung auch der Rechtstaat nert und es in historische Entwicklungen eingeord- verankert. So ist die Gewaltenteilung vorgeschrie- net wird, nämlich die im Dezember 1820 erlassene ben; sind individuelle Rechte und Freiheiten, wie Verfassung des Großherzogtums Hessen. die Meinungs- und Pressefreiheit, Versammlungs- Eine Verfassung ist das zentrale Rechtsdokument freiheit, Glaubensfreiheit garantiert. eines Staates, das die Rechte und das Verhältnis Als höchster Rechtswert bildet heute die Men- der einzelnen Staatsorgane zueinander aufzeigt, schenwürde die Fundamentalnorm der Verfas- die staatlichen Aufgaben definiert, den Aufbau des sung.Moderne Verfassungen – wie die hessische – Staates regelt und die Rechte des Bürgers gegen enthalten zudem Staatsziele, wie z.B. den Schutz den Staat verankert. der natürlichen Lebensgrundlagen, das Prinzip der Damit wird klar, dass eine Verfassung immer Aus- Nachhaltigkeit, Schutz und Förderung von Kultur, druck von gesellschaftlichen Machtverhältnissen Sport, dem Ehrenamt, aber auch die Aufgabe des ist. Und so war vor 200 Jahren die Verfassung des Staates für die Einrichtung der technischen, digi- Großherzogtums Hessen ein Kampf um politische talen und sozialen Infrastruktur des Landes zu sor- Herrschaft (von Großherzog, Adel und hochgestell- gen und angemessenen Wohnraum zu schaffen. ten Bürgertum), eine Auseinandersetzung um die Diese Artikel wurden mit ganz großer Mehrheit bei Höhe und Verwendung von Steuern, um Rechte der Volksabstimmung vor genau 2 Jahren der Hes- und Pflichten. Mit der Aufklärung, den revolutionä- sischen Verfassung hinzugefügt. Ich durfte als da- ren Umbauten des Staates in Frankreich und Ame- maliger Landtagsabgeordneter an den Vorschlägen rika und dem Wunsch nach der Überwindung der mitarbeiten. So können wir heute stolz auf unsere Hessische Ver- fassung sein, die älteste, aber meines Erachtens auch modernste Verfassung der Bundesrepublik Deutsch- land. Eine Verfassung, die die Lehren aus zwei Welt- kriegen gezogen hat und mit ihrem freiheitlichen und sozialen Anspruch wegweisend war und ist. Aber immer wieder steht unsere Demokratie vor He- rausforderungen. Verfassungsrechte müssen immer wieder verteidigt werden, die Erfüllung von Staatszie- len muss immer wieder eingefordert werden. 200 Jahre hessische (Verfassungs)Geschichte sind Mahnung und Ansporn zugleich für die Werte unserer Demokratie, für Frieden, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, für Solidarität, soziale Gerechtigkeit und Solidarität einzutreten. Deshalb wünsche ich mir, dass die Aus- stellung – trotz Corona-Pandemie – viele Interessen- ten findet. Sie, ihr Initiator und alle Unterstützer hätten es verdient. Herbert Kempf Historiker

Die Ausstellung versucht, 200 Jahre hessische Verfas- sungsgeschichte aufzuzeigen. Am Beginn und am Ende dieses Zeitraumes lag Europa in Trümmern: An- fang des 19. Jahrhunderts nach den napoleonischen Kriegen und am Ende, 1945, nach der nationalsozia- listischen Willkürherrschaft. Beide Male ging es darum, eine neue, tragfähige politische Ordnung zu schaffen. Dazwischen lagen das Abenteuer der Pauls- kirchenverfassung, die Reichsgründung nach dem deutsch-französischen Krieg und 1918 mit dem Ab- schied von der Monarchie und dem Übergang zur re- publikanischen Staatsform. Der Kampf um die Grundrechte, das allgemeine und gleiche Wahlrecht und die Beteiligung der Bürger am politischen Prozess bestimmten diese Entwicklung. Aus den einzelnen Teilen Hessens, die zum Teil auf ganz unterschiedliche politische Traditionen zurück- blickten, wurde eine neue Einheit, das Land Hessen. Vorbild waren Frankreich und die Verfassung der Ver- einigten Staaten von Amerika von 1787. So zeigt diese Ausstellung ein Stück Demokratiegeschichte, die zum Teil vergessene Spuren des politischen Fort- schritts in unserem Bundesland Hessen wieder deut- lich werden lässt. An dieser Stelle will ich mich ganz besonders herzlich bei Rúnar Emilsson bedanken für die Initiative und die tolle kreative und vertrauensvolle Zusammenarbeit bei Vorbereitung und Realisierung dieser Ausstellung. Ein ganz besonderer Dank gilt auch unserem Bürger- meister Matthias Baaß, der die Ausstellung in vielfäl- tiger Weise unterstützt hat. Danke, dass wir die Ausstellung in der Kulturscheune zeigen dürfen. Allen Besuchern wünsche ich von Herzen interessante Einblicke, um Vieles zu unserer hessischen Verfas- sungsgeschichte wieder oder neu zu entdecken. Rúnar Emilsson Fachbereichsleiter Musik, Kunst und Kultur Stadt Viernheim

Herbert Kempf, Viernheimer Historiker, der sich mit dem Thema sehr intensiv auseinandergesetzt hat, ist es gelun- gen auf hervorragende Art eine Sammlung zusammenzu- stellen, die wir Ihnen nun vorstellen. Kartenmaterial, Urkunden und Schriftstücke sind Exponate aus seiner Privatsammlung und Ergebnisse seiner For- schungen. In diesem Zusammenhang wurde beschlossen, Ihnen die vorliegende Dokumentation zur Ausstellung zu erstellen und Sie Ihnen zu präsentieren. Ich hoffe, dass Sie nicht nur heute beim Besuch dieser Ausstellung etwas Neues er- fahren, sondern auch in Zukunft mit der Hilfe dieser Lek- türe Informationen über die Geschichte und die Entwicklung der vergangenen 200 Jahre unserer Verfas- sung gewinnen.

Wo die Vielstimmigkeit einer Gesellschaft eingeschränkt und schließlich zum Erstummen gebracht wird, kann die Demokratie nicht überleben. Die Verfassungsurkunde un- seres Landes und das Grundgesetz sind Errungenschaften, die wir zu verteidigen haben. Deshalb ist eine Ausstellung wie diese genau das richtige Zeichen zur richtigen Zeit. Die vergangenen 200 Jahre, die diese Ausstellung zu zei- gen versucht, hat in unserer heutigen Zeit nicht an Bedeu- Liebes Publikum, tung verloren. Alle, die sich mit unserer Geschichte

auseinandergesetzt haben, wissen wie lang und schwierig „Miteinander leben“ – der Leitgedanke des Amtes für dieser Weg war. Zuletzt wurde die neue Hessische Verfas- Kultur, Bildung und Soziales für das Jahr 2020 soll im sung vor zwei Jahren zur Abstimmung bzw. Zustimmung Vordergrund dieser Ausstellung stehen. Mit einer Aus- der Bevölkerung vorgelegt. stellung zu „200 Jahre Hessische Verfassung“ wollen Es würde mich freuen, wenn viele Bürgerinnen und Bürger wir auf die traditionellen demokratischen Werte auf- die Gelegenheit nutzen und die Ausstellung besuchen. Für merksam machen und diese gleichzeitig verteidigen. die Unterstützung in der Umsetzung der Ausstellung gilt Das ist der Gedanke, den diese Ausstellung zum Aus- mein herzlicher Dank Bürgermeister Matthias Baaß sowie druck bringen will. Es geht darum demokratische Herbert Kempf für die gute Zusammenarbeit. Ebenso gilt Werte weiter hochzuhalten und jeden Tag aufs Neue mein Dank meinen Kolleginnen und Kollegen der Stadtver- zu vermitteln. Dazu ist ein Blick in die Vergangenheit waltung Viernheim. von großem Interesse. 10 Exponat 1

Die Goldene Bulle, König Wenzels Handschrift, Codex Vindobonensis 338 der Österreichischen Nationalbibliothek wurde 1356 von Kaiser Karl IV. erlassen. Es ist ein Im Jahre 1400 gab König Wenzel den Auftrag für eine Reichsgesetz, das ein goldenes Siegel, eine Bulle (von Abschrift der Goldenen Bulle, es sollte eine Pracht- lat. Bulla, Metallsiegel) trug und damit namensgebend handschrift werden. Diese liegt hier als Faksimile vor. für dieses Gesetzeswerk wurde. Kaiser Karl IV. schuf Aufgeschlagen: Beginn von Kapitel III von der Sitz- damit ein Grundgesetz des Heiligen Römischen Reiches ordnung der Erzbischöfe von Trier, Köln und Mainz. deutscher Nation, das bis 1806 galt. Die Goldene Bulle Als 1806 aufgrund der napoleonischen Aktivitäten der mit ihren 31 Kapiteln regelte u.a. die Wahl des deut- letzte Nachfolger Karls des Großen die deutsche Kai- schen Königs durch die sieben Kurfürsten nach dem serkrone niederlegte und das Heilige Römische Reich Mehrheitsprinzip. Sie wurde in lateinischer Sprache er- aufhörte zu existieren, endete auch die Wirksamkeit stellt. Es sind sieben Originalfassungen bekannt. der Goldenen Bulle.

Faksimile Akademische Druck-. und Verlagsanstalt, Graz, 2002 Exponat 2 11

Goldene Bulla, Des Römischen Kaisers Caroli Des Vierten / welche zu Nürnberg / und Metz in Dem Jahre Christi 1356 gemachet worden, Wien / gedruckt bey Johann Peter v. Ghelen / Ihrer königlichen Majestät Hof- Buchdruckern, 1741

Entsprechend der politischen Bedeutung dieses Gesetzeswerkes wurden in den Jahrhunderten zwischen 1356 und 1806 immer wieder neue (deutsche) Drucke herausgegeben, z.B. auch die vorliegende Ausgabe von 1741.

Kapitel II, von der Wahl eines Römischen Königs. 12 Exponat 3 Hauptschluss der außerordentlichen Reichsdeputation 1803

Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 brachte Diese Ansprüche konnten nur aus einer Manövrier- eine völlige Umgestaltung des Heiligen Römischen masse aus geistlichen und reichsstädtischen Territo- Reichs Deutscher Nation. Auslösendes Moment für rien befriedigt werden. Somit verschwanden durch diese territoriale und verfassungsrechtliche Umgestal- diese Flurbereinigung durch Säkularisation die meis- tung war primär der mit Waffengewalt erhobene An- ten geistlichen Fürstentürmer, Abteien etc. und durch spruch der revolutionären französischen Republik seit Mediatisierung die meisten Reichsstädte. 1793 auf Annexion aller linksrheinischen Reichsterri- Der Reichsdeputationshauptschluss wurde am 25. torien, die im Frieden von Lunéville (9. Februar 1801) Februar 1803 in Regensburg abgeschlossen. In § 7 nicht nur vom österreichischen Reichsoberhaupt, son- dieses Gesetzeswerkes wurden u.a. die Entschädigun- dern auch vom Reichstag anerkannt werden musste. gen für die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt gere- Daraus wiederum leiteten sich die Entschädigungsan- gelt. Demzufolge übernahm, diese Landgrafschaft u.a. sprüche der mehr oder weniger betroffenen, aber ein- die Mainzer Ämter Gernsheim, , Heppen- flussreichen oder mit Frankreich verbündeten heim, , Fürth, und den Rest des Bis- Reichsstände im rechtsrheinischen Deutschland ab. tums Worms.

§ 7 des Reichsdeputationshauptschlusses. Faksimile Exponat 4 13

Conföderations-Acte der Rheinischen Bundes-Staaten 1806

1805 schloss Napoleon mit Bayern, Baden Sie wurden jeweils Großherzöge. Die Rheinbund-Mit- und Württemberg Militärallianzen. glieder ließen sich durch Mediatisierungen (Beseiti- gung der Reichsunmittelbarkeit eines Reichsstandes) Dies erweiterte Napoleon 1806, in dem er am ihre Territorien vergrößern. So wurde z.B. die Graf- 12.7.1806 in Paris mit 16 Reichsständen eine Konfö- schaft Erbach im von der Landgrafschaft deration schloss, die mit Napoleon, deren Protektor, (nunmehr Großherzogtum) Hessen-Darmstadt über- ein Offensiv- und Defensivbündnis unterhielt. Zu den nommen. Teilnehmern gehörten u.a. Bayern, Württemberg, Die Rheinbundmitglieder waren durch diesen Bund zu Baden, Hessen-Darmstadt und der Kurerzkanzler Dal- militärischen Bündnisleistungen gegenüber Frankreich berg. Rangerhöhungen erfuhren z.B. der Kurerzkanz- verpflichtet. So musste z.B. Bayern 30000, Baden ler, er nahm den Titel Fürstprimas an, der Kurfürst von 8000 und Hessen-Darmstadt 4000 Soldaten zur Ver- Baden und die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. fügung stellen.

Paragraphen 1-14 dieses Vertragswerkes 14 Exponat 4a Französische Rheinbundkarte 1812

In dieser französischen Karte sind die Mitglieder des Rheinbundes eingezeichnet. Zu Beginn 1806 waren es 16 Mitglieder, später kamen weitere hinzu, so dass es dann (1808) 39 Einzelstaaten waren. Damit hatte der Rheinbund eine Fläche von ca. 325.000 qkm mit 14,61 Mio. Einwohnern. Nach der Völkerschlacht von Leipzig 1813 und den Befreiungskriegen brach der Rheinbund auseinander. Exponat 5 15

Erklärung der im Rheinbund vereinigten Fürsten an den immerwährenden Reichstag in Regensburg vom 1. August 1806 Am 1. August 1806 haben die im Rheinbund zusammengeschlossenen Reichsfürsten ihren Austritt aus dem Reichsverband erklärt.

Faksimile Seite 15 und 16 16 Exponat 6 17

Abdankung Kaiser Franz II. 6. August 1806

Nach der schweren Niederlage gegen Frankreich im Dritten Koalitionskrieg und dem demütigenden Frieden von Preßburg vom 26. Dezember 1805 musste Kaiser Franz II. unter schwersten außenpoliti- schem Druck Frankreichs am 6. August 1806 auf die Römische Kaiserwürde ver- zichten. Damit war das Heilige Römische Reich am Ende. Fortan war er als Franz nur noch Kaiser von Österreich.

Links die erste Seite dieser Urkunde, Faksimile 18 Exponat 7

DEUTSCHER BUND

Im Rahmen der deutschen Befreiungskriege (u.a. Völ- nischen Kriegen versammelten sich gemäß Artikel 22 kerschlacht bei Leipzig 1813) wurde Napoleon in der des 1. Friedens von Paris Delegierte aller europäi- Schlacht von Waterloo in Belgien von einem englisch- schen Mächte vom 18.9.1814-9.6.1815 in Wien. Im preußischen Heer unter Führung der Generäle Wel- Rahmen dieses Kongresses wurde am 8.6.1815 der lington und Blücher endgültig besiegt. Mit dem 2. Deutsche Bund gegründet. Er ist ein Zusammen- Frieden von Paris und der Verbannung Napoleons auf schluss der souveränen deutschen Fürsten und freien die Insel St. Helena waren die Voraussetzungen für Städte zu einem „unauflöslichen“ Staatenbund zur Er- eine politische Neuordnung Deutschlands und Europas haltung der inneren und äußeren Sicherheit. Die Bun- geschaffen. Zur Neuordnung und Wiederherstellung desakte war Teil der Wiener Kongreßakte vom des europäischen Staatensystems nach den napoleo- 9.6.1815.

Artikel 2-5 der Bundesakte. Faksimile Exponat 7a 19

Bundesakte des Deutschen Bundes vom 8. Juni 1815 ARTIKEL 13

Der Artikel 13 sollte eine besondere Bedeutung erlan- gen. Er besagte einerseits knapp und ausdrücklich, daß alle Bundesstaaten eine landständische Verfassung erhal- ten sollten, vermied es aber, einen bestimmten Termin festzusetzen. Daran und an den Inhalten der Verfas- sungen entzündeten sich in den nächsten Jahrzehnten erhebliche Konflikte, die vor allem die liberalen politi- schen Kräfte enttäuschten.

II. Besondere Bestimmungen mit dem Artikel 13, Faksimile 20 Exponat 7b

Landkarte Deutscher Bund 1815

Bei der Gründung 1815 umfasste der Deutsche Bund 41 und im Jahr 1866 34 Mitglieder. 1818/1819 lebten im Bundes- gebiet etwa 30. Mio Einwohner.

Der Deutsche Bund zerbrach, als Österreich am 14.6.1866 wegen des Konflikts in Schleswig-Holstein die Bundesexe- kution unter Mobilmachung des Bundesheeres gegen Preu- ßen durchsetzte. Preußen erklärte daraufhin den Bundesvertrag für gebrochen und erloschen. Im Frieden von Prag vom 23.8.1866 musste Österreich die Auflösung des Deutschen Bundes anerkennen.

Karte Rechts, Bibliographisches Institut in Leipzig ca. 1880

22 Exponat 8

Verfassungs-Urkunde des Großherzogthums Hessen

Der Artikel 13 der Bundesakte des Deutschen Bundes Der von Staatsrat Karl Jaup überarbeitete Entwurf von 1815 sah die Einführung landständischer Verfas- führte zur Einigung. Am 21. Dezember 1820 wird die sungen in den deutschen Einzelstaaten vor. Groß- endgültige „Verfassungs-Urkunde des Großherzog- herzog Ludwig I hatte zwar 1814 bei den Verhandlun- thums Hessen“ verkündet. gen des Wiener Kongresses seine grundsätzliche Be- Das Königreich Baíern und das Großherzogtum Baden reitschaft zur Einführung einer Landesverfassung mit hatten bereits 1818 und das Königreich Württemberg umfassendem Budget- und Gesetzgebungsrecht der 1819 eine Verfassung erhalten. Stände bekundet, betrieb das Projekt in den Folgejah- In 10 Abschnitten und 110 Artikeln orientierte sich die ren aber nicht weiter. hessische Verfassung an der Bayerischen Verfassung Im Volk wird jedoch die Forderung nach einer Verfas- von 1818. Der Landtag bestand aus zwei Kammern. sung und einer echten Volksvertretung immer stärker. Sitz und Stimme in der ersten Kammer besaßen die Am 14. Februar 1819 trafen sich im Gasthof „Zum Prinzen des großherzoglichen Hauses, die Häupter der Löwen“ in Zwingenberg an der Bergstraße 160 Volks- Standesherrlichen Familien, der katholische Bischof deputierte aus 45 Städten und Ämtern der Provinz von Mainz, der Sprecher der evangelischen Geistlich- Starkenburg. Am 20. Februar wird in Darmstadt eine keit sowie zehn vom Großherzog auf Lebenszeit beru- entsprechende Bittschrift an Großherzog Ludwig I. fene Staatsbürger. In das 50-köpfige überreicht. Auf Druck der Volksbewegung sagte er im Abgeordnetenhaus (=2. Kammer) wählte der Darm- Frühjahr 1819 die Einberufung der Stände zu. Ein ers- städter Adel 6, die größeren Städte 10 und die übrigen ter Verfassungsentwurf des Staatsrechtsprofessors Orte 34 Vertreter. Karl von Grolmann, Gießen, vom 18. März 1820 findet Der Landtag wurde für 6 Jahre gewählt und wurde keine Zustimmung, da dieser verordnet und nicht ver- vom Großherzog mindestens alle 3 Jahre einberufen. einbart worden sei und den Ständen zu geringe Kom- Der Landtag besaß zwar Mitwirkungsrechte bei der petenzen einräumte. Im Oktober 1820 stimmte der Gesetzgebung und der Budgetverabschiedung, aber Großherzog Verfassungsverhandlungen mit dem keine Gesetzesinitiativrechte. Landtag zu.

Rechts: Titelblatt der VerfassUrkunde des Großherzogthums Hessen, Giessen, bei Georg Friedrich Heyer, 1822 23 24

Seiten16 und 17 der Verfassungsurkunde von 21. Dezember 1820 Exponat 8a 25 Mitglied der Zweiten Kammer EIN VIERNHEIMER Der Verfassungsurkunde beigefügt ist eine Liste der 250 und 500 Einwohnern wählte einen Bevollmächtig- „Mitglieder der Ständeversammlung in den Jahren ten. Für jede 500 weitere Einwohner wurde ein weite- 1820 und 1821“. In der Liste der Mitglieder der Zwei- rer Bevollmächtigter gewählt. Wählbar war jeder in ten Kammer ist ein Viernheimer aufgeführt: der Gemeinde wohnende Staatsbürger, der wenigs- Bläßs, aus Viernheim, Schultheißs. tens 25 Jahre alt war und wenigstens 25 Gulden di- Es handelt sich um Edmund Bläß, am 7. September rekte Steuer für sein Vermögen entrichtete. 1769 in Edingen geboren und am 15. Dezember 1844 Die zweite Wahl ernannte die Wahlmänner. Die Bevoll- in Viernheim gestorben. Er heiratete am 7.6.1795 Cä- mächtigten eines Wahlbezirkes wählten zehn Wahl- cilia Winkler aus Viernheim, Tochter des Adlerwirtes männer. Wählbar waren die 60 in dem Wahlbezirk Franz Winkler. Edmund Bläß war von 1816-1822 wohnenden und höchstbesteuerten Staatsbürger, die Schultheiß in Viernheim. Das war die Bezeichnung für wenigstens 30 Jahre alt waren. den Ortsvorsteher. Sein Nachfolger führte bereits die Die dritte Wahl ernannte die Abgeordneten. Die Wahl- Amtsbezeichnung „Bürgermeister“. Auf dem alten männer eines jeden Wahlbezirkes wählten einen Ab- Viernheimer Friedhof befindet sich noch ein Gedenk- geordneten zur Zweiten Kammer. Wählbar war, wer in stein für Edmund Bläß. Von 1820-1824 war Bläß Mit- dem Großherzogtum entweder 100 Gulden direkte glied der Zweiten Kammer des Landtages des Steuern jährlich entrichtete oder als Staatsdiener Großherzogtums Hessen. einen ständigen Gehalt von wenigstens 1000 Gulden Die Wahl zum Abgeordneten des hessischen Landta- jährlich bezieht. Daraus läßt sich ableiten, dass es sich ges bestand aus einem dreistufigen Verfahren. Die bei unserem Abgeordneten Edmund Bläß um einen erste Wahl bestimmte die Bevollmächtigten zur Er- vermögenden Mann gehandelt haben muss. nennung der Wahlmänner. Jede Gemeinde zwischen

Liste der Mitglieder der Zweiten Kammer1820, Edmund Bläß und der Gedenksteines auf dem alten Viernheimer Friedhof. 26 Exponat 8b

Geographisch-statistische und historische Charte des Großherzogthums Hessen Das Territorium des Großherzogthums bestand im Wesentlichen aus den drei Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen.

1823 war die Einwohnerzahl 687.800

Weimar im Verlage des Geographischen Instituts 1824 Exponat 9 27

HESSISCHES STAATSWAPPEN

Die gußeiserne Platte zeigt das Herzschild des Wappens des Großherzogtums Hessen mit dem hessischen Löwen. 28 Exponat 10

Kurhessische Verfassungs-Urkunde vom 5ten Januar 1831

Nach der Vertreibung Napoleons kehrte im November 1813 Kurfürst Wilhelm I. aus seinem Prager Exil nach Kassel in sein Land zurück. Im Oktober 1815 setzte der Landesherr eine Verfassungskommission ein, die im Dezember des gleichen Jahres einen Konstitutions- entwurf vorlegten, durch den der Übergang zu einem monarchisch-konstitutionellem System erreicht wer- den sollte. Nach überaus kontroversen Diskussionen wurde der Entwurf im Sommer des folgenden Jahres vom Kurfürst zurückgezogen.

Ausgelöst durch die französische Julirevolution (1830) erreichte die Unmuts- und Protestwelle im September 1830 Kassel. Der Druck auf Kurfürst Wilhelm II. (seit 1821) wurde so groß, dass er im Oktober 1830 einen Verfassungsausschuss der Ständeversammlung ein- setzte. Unter Führung des Marburger Staatsrechtsleh- rers Sylvester Jordan wurde eine Konstitution erarbeitet, die nach nur zweieinhalbmonatiger Bera- tunsdauer am 5. Januar 1831 in Kraft gesetzt wurde. Es wurde ein Einkammer-Parlament installiert mit um- fangreichen Partizipationsrechten der Ständever- sammlung und einem ständischen Gesetzesinitiativrecht. Dies machte die Kasseler Ver- fassung zum modernsten Staatsgrundgesetz ihrer Zeit.

Cassel, gedruckt und zu haben in der Hof- und Waisenhaus-Buchdruckerei Exponat 10a 29

Die Landkarte zeigt das Territorium des Churfürsten- Landkarte Churfürstentum Hessen tums Hessen in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es er- Hand-Atlas der neueren Erdbeschreibung, streckt sich von Oberhessen bis fast vor die Stadt Herausgegeben von Dr. K Sohr, Frankfurt. Es ist in 4 Provinzen gegliedert und hat Glogau und Leipzig, 1844 748.000 Einwohner. 30 Exponat 11 Verfassungsurkunde Herzogtum Nassau von 1814

Bereits am 1. und 2. September 1814 unterzeichneten Herzog Friedrich August und Fürst Friedrich Wilhelm von Nassau das Verfassungsedikt. Dass die Verfas- sungsidee hier früher realisiert wurde als in den an- deren deutschen Staaten ist dem Einfluss des Reichsfreiherrn Karl vom Stein zuzuschreiben. Er stammte aus Nassau und hatte im März 1814 in einer Denkschrift über die Verfassung des Deutschen Bun- des die Schaffung ständischer Verfassungen für die Einzelstaaten vorgeschlagen. Die nassauische Verfas- sung regelt im Wesentlichen die Zusammensetzung und Rechte der neu eingeführten landständischen Be- teiligung. Sie enthält zwar abweichend von den meis- ten anderen zeitgenössischen Verfassungen keine ausführliche Erklärung der bürgerlichen Rechte, er- wähnt aber in § 2 der Verfassung eine Reihe von Frei- heiten, die bereits durch standesherrliche Edikte gewährt wurden (z.B. Abschaffung der Leibeigen- schaft, Vorbereitung der Gewerbefreiheit und Unab- hängigkeit der Rechtspflege).

Links: Beginn der Verfassungsurkunde.

Deutschlands Constitutionen, über landständische Verfassung, Rinteln 1833, Albrecht Osterwald Exponat 11a 31 Landkarte des Herzogthums Nassau 1849

Der letzte Fürst von Nassau-Usin- gen und sein Vetter in Weilburg vereinigten ihre Länder beim Ein- tritt in den Rheinbund und schufen das neue Herzogtum Nassau mit der Hauptstadt Wiesbaden. Die Landkarte zeigt das Territorium des Herzogtums. Das neue Her- zogtum hatte laut Angabe auf der Landkarte 1849, 358.456 Einwoh- ner.

Bibliographisches Institut zu Hilburg- hausen, Amsterdam und Philadelphia 32 Exponat 12 Verfassungsurkunde des Fürstentums Waldeck

Die Verfassung für das Fürstentum Waldeck wurde mit einem Landesvertrag vom 19. April 1816, den der Fürst mit den Landständen ab- schloss, eingeführt. Es werden darin die „her- gebrachten landesständischen Rechte“ bestätigt. Justiz und Verwaltung wurden ge- trennt. Neu war die Besetzung des waldecki- schen Landtages. Bisher bestand die Landesvertretung nur aus geborenen Repräsen- tanten und städtischen Amtsträgern. Nun zogen auch auf Lebenszeit gewählte Abgeordnete des Bauernstandes in den Landtag ein. Ein Grund- rechtskatalog enthält die Verfassung noch nicht, das sollte der Verfassungsreform in 1849 vorbehalten sein.

Links: Beginn der Verfassungsurkunde

Deutschlands Constitutionen, über landständische Verfassung, Rinteln 1833, Albrecht Osterwald, Nachdruck Exponat 12a 33 Landkarte Fürstenthum Waldeck

Das Fürstenthum Waldeck war ein Kleinstaat. Laut Angaben der Landkarte hatte es 1818, 51877 Einwohner. Die Karte zeigt das Staatsgebiet mit den umgebenden Territorien.

Weimar, im Verlag des Geographischen Instituts 1824, Nachdruck 34 Exponat 13 Verfassungsurkunde der Freien Stadt Frankfurt

Gesetz- und Statuten-Sammlung der freien Stadt Frankfurt, Erster Band, Jahrgang 1816-1817, bei Johann Friedrich Wenner 35

Die freie Reichsstadt Frankfurt verlor mit der Auf- Die Konstitutionsergänzungsakte vom 18. Oktober lösung des alten Reiches seine Eigenständigkeit. 1816 schuf das verfassungsrechtliche Fundament der Im Zuge der Bildung des Rheinbundes wurde Stadt. Sie restituierte im Wesentlichen die altherge- Frankfurt dem Rheinbundstaat des Fürstprimas brachten Zustände. Die Einwohner blieben weiterhin Karl Theodor von Dalberg einverleibt. Als Ergebnis von jeglicher politischen Beteiligung am Gemeinwesen der Verhandlungen auf dem Wiener Kongress ausgeschlossen. wurde Frankfurt mit der Kongressakte vom 9. Juni 1815 zur Freien Stadt und zum souveränen Mit- glied des deutschen Bundes erhoben.

Artikel 4, bürgerliche Rechte 36 Exponat 13a Freie Stadt Frankfurt, 1838

Die Landkarte zeigt das Territorium der Freien Stadt Frankfurt mit den dazugehörigen acht Dörfern. Die Bevölkerungszahl lag 1815 bei ca. 47.000 Einwohnern. Exponat 14a 37 Verfassungs-Urkunde für das Königreich Württemberg vom 25. September 1819 1806 war aus dem bisherigen Kurfürtentum ein Kö- In der ersten Kammer waren die Prinzen des königli- nigreich Württemberg geworden. Das Königreich chen Hauses mit den Standesherren und den vom hatte 1810 ca. 1,34 Mio. Einwohner. Nach der Leipzi- König ernannten Mitgliedern. In der zweiten Kammer ger Völkerschlacht trat König Friedrich zu den Alliier- saßen 70 gewählte Abgeordnete sowie 23 sogenannte ten über und verließ den Rheinbund. Als letzter Staat Privilegierte. Das aktive Wahlrecht war ein Zensus- trat Württemberg am 1. September 1815 dem Deut- und Klassenwahlrecht, das passive Wahlrecht erhielt schen Bund bei. Es folgte ein über vier Jahre währen- jeder Staatsbürger christlichen Glaubens. Das Beson- der Streit um eine Verfassung. Nachdem König dere an der Verfassung war, dass sie der erste Verfas- Friedrich 1816 gestorben war, legte sein Nachfolger, sungsvertrag war. In dem III. Kapitel werden die König Wilhelm I. 1819 einen Verfassungsentwurf vor. „allgemeinen Rechts-Verhältnisse der Staatsbürger“ Die Ludwigsburger Ständeversammlung beschloss die behandelt (Freiheit, Gewissens- und Denkfreiheit, Verfassung am 25. September 1819. Das Parlament Freiheit des Eigentums, Auswanderungsfreiheit, Ab- bestand aus zwei Kammern. schaffung der Leibeigenschaft).

Stuttgart, zu haben bei Gottlieb Ludwig Friz, 1843 Beginn der Verfassung (S. 12 und 13) 38 Exponat 14b

Verfassungs-Urkunde des Königreich Baiern vom 26.5.1818

München 1818, in der Expedition des Gesetz-und All- Die zweite Kammer wurde nach einem indirekten gemeinen Intelligenzblattes Klassenwahlrecht besetzt (Vertreter der Städte und Am 26.5.1818 erließ König Maximilian I. von Bayern der Grundbesitzer). Ohne Zustimmung der Stände- diese neue Verfassung. Vorausgegangen waren Aus- versammlung konnte kein Gesetz erlassen und keine einandersetzungen über das auf heftige Kritik sto- Steuer erhoben werden. Bemerkenswert ist der in ßende Konkordat vom 1817, das nach Meinung von Titel IV enthaltene Grundrechtskatalog. Er war für Kritikern der katholischen Kirche zu viele Rechte ein- diese Zeit vergleichsweise fortschrittlich. Bemerkens- räumen würde. Auch die problematische Finanzlage wert ist noch, dass zum Staatsgebiet des Königreiches legte eine aktualisierte Verfassung nahe. Die Stände- Bayern auch der Rheinkreis in unserer Nachbarschaft versammlung war in zwei Kammern geteilt. In der gehörte. ersten Kammer saßen Vertreter des Hochadels und der Geistlichkeit.

Aufgeschlagen aus Teil IV S. 26 und 27 Exponat 14c 39

Verfassungs-Urkunde für das Großherzogtum Baden vom 22. August 1818 Nach mehreren Verfassungsversprechen des Großher- ener in der Ständeversammlung mit. Sie gliederte sich zogs trat im April 1818 eine Kommission unter Vorsitz in zwei Kammern. Die erste Kammer war ein Gremium von Sigismund von Reitzenstein zusammen, um eine der Standesvertreter. Die zweite Kammer bestand aus neue Verfassung zu erarbeiten. Hauptmotivation für 63 Delegierten der Städte und Ämter. Das aktive den Großherzog waren die u.a. durch die langjährigen Wahlrecht ausüben konnten nur christliche Männer Kriege angewachsenen Staatsschulden. Um die zer- (ab 25 Jahren). Das passive Wahlrecht besaß, wer rütteten Finanzen wieder in Ordnung zu bringen, soll- mindestens 30 Jahre alt war und männlich, einer der ten die Bürger das Recht erhalten, bei der drei christlichen Konfessionen angehörte und ein dau- Verwendung ihrer Steuergelder mitbestimmen zu dür- erhaft hohes Einkommen von 1500 Gulden jährlich fen. oder Vermögen von 10.000 Gulden nachweisen Die Verfassung wurde am 22. August 1818 vom Groß- konnte. Damit galt nur ein knappes Prozent der Bür- herzog unterzeichnet und am 29. August in Kraft ge- ger als wählbar. setzt. Die Verfassung sicherte den badischen Aufgeschlagen: Beginn der Verfassungsurkunde und Untertanen einen Katalog individueller Freiheitsrechte Katalog der staatsbürgerlichen und politischen Rechte zu. An der politischen Willensbildung wirkten die Bad- der Badener (S. 2 und 3)

Karlsruhe, Druck und Verlag von Malsch & Vogel, 1897 40 Exponat 15

Nationalversammlung Frankfurter Pauluskirche 1848/49

Im Februar 1848 kam es in Paris zu Massendemons- Unterdessen war in Frankfurt – ohne Auftrag eines trationen. Dieser Funke sprang auf das Gebiet des Bundesstaates – ein sogenanntes „Vorparlament“ zu- Deutschen Bundes über. Im März 1848 kam es im sammengetreten, um die Wahl der Nationalversamm- Süden Deutschlands, danach auch im Norden zu Mas- lung vorzubereiten. Dieses erste nationale deutsche sendemonstrationen. Hanau, Frankfurt, Wiesbaden Parlament trat am 18. Mai 1848 in Frankfurt in der und der Odenwald waren im damaligen Hessen Paulskirche zusammen. Es bestand aus 585 Mitglie- Schwerpunkte des Protestes. Zu den später als dern. Die Wahl erfolgte nach den Beschlüssen des „Märzforderungen“ bezeichneten Forderungen ge- Deutschen Bundes und nach einem allgemeinen, glei- hörten u.a. die Pressefreiheit, Religions- und Lehrfrei- chen Wahlrecht. heit, Schwurgerichte und bei den Bauern die Die Nationalversammlung hatte eine doppelte Auf- Befreiung von feudalen Lasten. Ganz allgemein erhob gabe: Den nationalen Staat schaffen und ihm eine li- sich der Ruf nach einem gesamtdeutschen Parlament. berale Verfassung zu geben.

Zeichnung von Bantadour Exponat 15a 41

Wilhelm Heinrich August von Gagern, Portrait, L’Illustration, Journal Universal, Paris, 30. Septembre 1848 Wilhelm Heinrich August von Gagern (1799-1880) war kurzzeitig (1832-33) Mitglied des Landtages von Hes- sen-Darmstadt. Er nahm 1847 an der Heppenheimer Tagung (Forderung nach deutschem Parlament und gemeinsame Regierung für Deutschland) teil und war 1848 an den Vorbereitungen zur Berufung des Vorpar- laments in Frankfurt beteiligt. Gagern war Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, deren erster Präsi- dent er am 19.5.1848 wurde. Am 24./29. 6.1848 ge- lang ihm die Bildung einer provisorischen Zentralgewalt (Reichsverweser Erzherzog Johann von Österreich).

Exponat 15b

Aufruf an das deutsche Volk durch Reichsverweser Erzherzog Johann, Frankfurt 15. Juni 1848

Durch eine geschickte Verhandlungsführung gelang es v. Gagern, den österreichischen Erzherzog Johann (1782-1859) als Reichsverweser zu berufen. Aufgabe des Reichsverwesers war es, das sogenannte Reichs- ministerium als provisorische Zentralgewalt zu bestel- len. Bei den verschiedenen politischen Gruppen war die Wahl jedoch umstritten: Ein Teil sah die Wahl des Reichsverwesers als Votum für die Monarchie und gegen die Republik. Von den Gegnern der demokrati- schen Weiterführung der Revolution wurde die Wahl als Sieg der „Ordnung“ gefeiert.

Das Plakat zeigt den Aufruf des Reichsverwesers Jo- hann an das Deutsche Volk. 42 Exponat 15c Die Grundrechte des deutschen Volkes vom 27. Dezember 1848

Als erstes begann die Nationalversammlung mit der Beratung eines Kataloges der „Grundrechte des deutschen Volkes“. Er enthielt einen Verfas- sungsauftrag gegen den deutschen Partikularis- mus, gegen fürstlichen Absolutismus, gegen feudale Lasten und Einschränkungen der Frei- heit. Nach eingehenden Beratungen wurde die- ser Katalog am 27. Dezember 1848 verabschiedet. Der Text orientiert sich an den Menschenrechten, wie sie im 18. Jahrhundert in Amerika und in Frankreich verkündet wurden. Die Lithografie zeigt auf zwei den mosaischen Gesetzen nach empfundenen Tafeln den Katalog der Grundrechte. Sie enthalten die Garantien der bürgerlichen Freiheiten, aber noch keine so- zialen Verpflichtungen. Exponat 16 43 Verfassung des deutschen Reiches vom 27./28.3.1849

Die eigentlichen Verfassungsberatungen waren lang- Mit 290 Stimmen bei 248 Enthaltungen wurde Fried- wierig. Sie waren geprägt von den Gegensätzen zwi- rich Wilhelm IV. von Preußen zum erblichen Kaiser ge- schen den Großdeutschen und den Kleindeutschen wählt. Als er das von der Kaiserdeputation sowie der Erbkaiserlichen gegenüber den Demokraten überbrachte Angebot ablehnte, war das Werk der und der extremen Linken. Frankfurter Nationalversammlung gescheitert. Am Die Verfassung, die am 27./28. März 1849 verabschie- 17.7.1851 hat der wiederhergestellte Bundestag die det wurde, sah einen Bundesstaat mit relativ starker Grundrechte formell wieder aufgehoben. Zentralgewalt vor. Es sollte ein parlamentarisches Re- Verfassung und Katalog der Menschenrechte wurden gierungssystem geben, d.h. das Ministerium ist dem nie verbindliches Recht. Trotz des Scheiterns wirkte Parlament verantwortlich. Der Reichstag sollte als der hier gefundene Kompromiß auf die Reichsverfas- Volkshaus vom Volk gewählt werden. Dazu gehörte als sungen von 1871 und 1919 sowie auf das Grundge- föderalistisches Element ein Staatenhaus dazu, ähn- setz von 1949 nach. lich wie heute Bundestag und Bundesrat. 44 Exponat 17a Karte Deutsches Kaiserreich 1871

Die Landkarte zeigt das deutsche Kaiserreich im Jahre deutschen Verbündeten mit Sachsen und den nördlich 1871 mit seinen einzelnen Territorien. Nach dem ge- des Mains gelegenen Teilen des Großherzogtums He- scheiterten Einheitsversuch in 1848/49 kam es zu ssen den Norddeutschen Bund. Dem Norddeutschen einem Kampf um die Vormachtstellung im Deutschen Bund standen die süddeutschen Staaten Bayern, Reich zwischen Österreich und Preußen. Im Krieg Württemberg, Baden und Hessen gegenüber. Die Ver- 1866 erkämpfte sich Preußen diese Vormacht. Im fassung des Norddeutschen Bundes war so konzipiert, Frieden von Prag wurden die Annexionen Preußens dass sie 1871 als Grundlage der neuen Reichsverfas- bestätigt, das Hannover, Kurhessen, Nassau und sung dienen konnte. Am 18. Januar 1871 fand im Frankfurt a. M. im Laufe des Krieges seinem Staats- Spiegelsaal des Schlosses Versailles die Proklamation gebiet zugefügt hatte. Das damit gestärkte Königreich des preußischen Königs Wilhelm I. zum deutschen Preußen gründete 1866 zusammen mit seinen nord- Kaiser statt. Verfassungen deutscher Länder und Staaten, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin, 1989 Exponat 17b 45

Extrablatt des Naumburger Kreisblatts vom 1.8.1870

Auslöser des Deutsch-Französi- schen Krieges 1870/71 war der Streit zwischen Frankreich und Preußen wegen der spanischen Thronkandidatur des preußischen Prinzen Leopold von Hohenzollern- Sigmaringen. Im Verlauf dieses Streits erklärte der französische Kaiser Napoleon III. am 19. Juli 1870 Preußen den Krieg.

Das Extrablatt enthält den Aufruf des preußischen Königs Wilhelm „An Mein Volk“. 46 Exponat 17c

Sämtliche offiziellen Depeschen vom Schauplatz des deutsch-französischen Krieges 1870/71

Das kleine Büchlein enthält 191 offizielle Depeschen vom Kriegsschau- platz. Die 1. Depesche schildert den Kriegsschauplatz in Trier am 30. Juli 1870. Die 185. Depesche vom 26. Februar 1871 meldet die Unterzeichnung der Friedens-Präliminarien in Versailles. Preußen erfuhr Unterstützung durch die vier süddeutschen Staaten (Großherzogtum Hessen, Großherzogtum Baden, Königreich Württem- berg, Königreich Bayern), die in den Krieg mit eintraten. Innerhalb we- niger Wochen wurden im Spätsommer 1870 große Teile der französischen Truppen besiegt. Am 2. September 1870 wurde Kaiser Napoleon III. gefangen genommen. Erst im Februar 1871 war die fran- zösische Regierung zum Vorfrieden von Versailles bereit. Offiziell endete der Krieg am 10. Mai 1871 mit dem Frieden von Frankfurt.

-Abbildung Einband -Abbildung An die Armee / 1. Depesche -Abbildung 185. Depesche (Baden), Verlag von Fr. Ackermann, 1895 Exponat 17d 47 Flugblatt 28. September 1870 Gesetz betreffend Straßburg hat sich ergeben die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871

1867 wurde die Verfassung für den Norddeutschen Bund beschlossen. Am 15. November 1870 schlossen der Norddeutsche Bund, das Großherzogtum Hessen und das Großherzogtum Baden einen Vertrag zur Gründung des Deutschen Bundes und die Feststellung der Bundesverfassung. Am 23. November 1870 trat das Königreich Bayern, am 25. November 1870 das Königreich Württemberg dem Deutschen Bund bei. Am 10. Dezember 1870 nahm der Reichstag den Vor- schlag an, dass der Deutsche Bund den Namen Deut- sches Reich und die Präsidialmacht den Kaisertitel erhalten sollte. All diese Veränderungen wurden in einen Verfassungs- text verarbeitet. Diese Verfassung trat am 1. Januar 1871 in Kraft. Auf Grundlage dieser Verfassung wurde am 3. März 1871 ein neuer Reichstag gewählt, der am 14. April 1871 einem revidierten Verfassungstext zustimmte. Das „Gesetz betreffend die Verfassung des Deutschen Reiches“ vom 16. April 1871 fasste alle Gründungs- und Beitrittsverträge zusammen. Die Verfassung trat am 4. Mai 1871 in Kraft. 48 Exponat 17e

Die handschriftliche und die gedruckte Version des Gesetzes vom 16. April 1871 Exponat 17f 49

Kaiserproklamation am 18. Januar 1871

Am 18. Januar 1871 erfolgte im Spiegel- saal des Versailler Schlosses die Kaiser- proklamation.

Das Bild zeigt den Reichskanzler Bismarck bei der Verlesung der Proklamation. 50 Exponat 17g

Reichsverfassung vom 16. April 1871

Das Deutsche Reich war ein Bundesstaat, die Einen Grundrechtskatalog gibt es nicht in dieser Gliedstaaten hießen ebenfalls Bundesstaaten. Die Verfassung. Dieser ist in den Verfassungen der ein- Verfassung gliedert sich in 14 Abschnitte. Der zelnen Bundesstaaten enthalten. größte Mitgliedsstaat war Preußen mit etwa zwei Drittel der Gesamtbevölkerung. Die Verfassung re- Am 1. August 1919 wurde die Reichsverfassung gelt die staatlichen Zuständigkeiten und Organe, durch Artikel 178 der Weimarer Verfassung auf- sowie die Gesetzgebung und Verwaltung. Im Ab- gehoben. schnitt 2 wird die Zuständigkeit von Reich und Bundesstaaten abgegrenzt.

Beginn der Verfassung,Faksimile Exponat 18a 51 1. Weltkrieg Erlass zur Bekanntgabe an die Truppen vom 31.7.1915 durch Kaiser Wilhelm

Unmittelbarer Anlaß für den 1. Weltkrieg war die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Gemahlin in Serajewo am 28.6.1914. Am 1.8.1914 erklärte Deutschland Rußland und am 3.8.1914 Frankreich den Krieg. Im Verlauf des Kriegsgeschehens wurde der Bewegungskrieg zunehmend zu einem ver- lustreichen Stellungs- und Zermürbungs- krieg. Der Kriegsverlauf wurde von einer starken Propagandaarbeit aller Kriegsteilnehmer begleitet. Hier ein Beispiel: Kaiser Wilhelm „Ich habe den Krieg nicht gewollt“. Am 11.11.1918 kapitulierte Deutschland. Etwa 10 Millionen Soldaten waren gefallen. Der 1. Weltkrieg veränderte das europäische Staatengefüge und die europäischen Gren- zen in erheblichem Maße. 52 Exponat 18b

Volks-Bote, Stettin, Sonnabend, 9. November 1918

Am 9. November 1918 erfolgte die Abdankung des deutschen Kaisers Wilhelm, die Republik wurde aus- gerufen. Vorausgegangen waren Unruhen in Nord- deutschland mit der Forderung nach dem Ende der Monarchie und der Ausrufung der Republik.

Am 11. November 1918 werden in einem Eisen- bahnwagen im Wald von Compiègne bei Paris der deutschen Waffenstillstandsdelegation die alliierten Waffenstillstandsbedingungen diktiert. Neben Gebiets- verlusten und dem Rückzug vom linken Rheinufer durch Deutschland besetzten die Alliierten die Brü- ckenköpfe in Mainz, Koblenz und Köln. Außerdem hat Deutschland kurzfristig erhebliche materielle Leistun- gen zu erbringen, z.B. Lieferung innerhalb eines Mo- nats von 5000 Lokomotiven, 150.000 Eisenbahnwagen und 5000 Lastkraftwagen.

Reichskanzler Ebert erlässt am 30.11.1918 das Wahlgesetz für die verfassungsgebende Deutsche Na- tionalversammlung. Die Reichstagswahlen finden am 19.1.1919 statt. Erstmals in der deutschen Geschichte nehmen Frauen an der Wahl teil. SPD, Zentrum und DDP gewinnen die Wahlen zur Nationalversammlung. Wegen der Unruhen in Berlin beschließt die Reichsre- gierung, die Nationalversammlung in Weimar zu er- öffnen. Exponat 19 53

Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919

Ein erster Verfassungsentwurf wurde am 3.1.1919 Die Reichsverfassung hatte entsprechend dem föde- dem Kabinett vorgelegt. Am 6.2.1919 wurde die Na- rativen Aufbau des Reiches zwei Kammern, den tionalversammlung in Weimar eröffnet. Am 11.2.1919 Reichstag und den Reichsrat. Bemerkenswert ist der erfolgte die Wahl von Friedrich Ebert zum Reichsprä- Katalog von Grundrechten und –pflichten. Gewählt sident. Ein zweiter Verfassungsentwurf wurde am 17. wurde nach dem Verhältniswahlrecht, wobei erstmals Februar vorgelegt und von der Nationalversammlung auch das Frauenwahlrecht in der Verfassung doku- in 42 Sitzungen beraten und am 31.7.1919 beschlos- mentiert wurde. Der Reichspräsident wurde von Volk sen. Der Prozeß wurde begleitet von Streiks und Un- gewählt und hatte als oberstes Reichsorgan den Ober- ruhen im Ruhrgebiet und Mitteldeutschland, am befehl über die Reichswehr, das Ernennungs- und das 7.4.1919 wurde in München die Räterepublik gegrün- Entlassungsrecht der Kabinettsmitglieder und das det. Nach einer Kabinettsumbildung am 21.6.1919 wichtige Recht der Reichstagsauflösung. (Kabinett Bauer anstelle Kabinett Scheidemann) Die Weimarer Verfassung wurde 1933 durch das Er- wurde die Reichsverfassung am 31.7.1919 verab- mächtigungsgesetz faktisch außer Kraft gesetzt, for- schiedet, am 11.8.1919 verkündet und am 14.8.1919 mell aber während der Herrschaft des in Kraft gesetzt. Nationalsozialismus nie aufgehoben.

Bundesarchiv, Faksimile 54 Exponat 20a

Darmstädter Zeitung vom 11. Nov. 1918

Die Unruhen in Norddeutschland griffen auch auf die In Darmstadt wurde der Großherzog Ernst Ludwig ab- hessischen Städte über. In Kassel, Wiesbaden, Hanau, gesetzt, die freie sozialistische Republik ausgerufen Frankfurt und Darmstadt bildeten sich ab dem 8./9. und die Regierung in die Hände des Volkes gelegt. November 1918 von den sozialistischen Parteien ge- tragenen Arbeiter- und Soldatenräte. Exponat 20b 55

Die hessische Verfassung

Zunächst gab es Überlegungen, dem neuen Volksstaat vom 12. Dezember 1919 nach Hessen neben dem ehemaligen Großherzogtum Hes- der amtlichen Handausgabe von 1921 sen die preußischen Provinzen Hessen-Nassau, Kassel und das Rhein-Main-Gebiet zu einem Reichsland Hes- sen zu vereinen. Die Idee fand jedoch weder in Berlin noch in Kassel Unterstützung. So blieb es bei dem Staatsgebiet des bisherigen Großherzogtums Hessen. Aufgrund der französischen Rheinland-Besetzung war jedoch fast ein Drittel des Staatsgebiets des Volks- staates Hessen dem direkten Zugriff der Landesregie- rung entzogen. Die Besatzungszone erstreckte sich über das linksrheinische Rheinhessen bis in die Rand- bezirke der Landeshauptstadt Darmstadt. Am 3. Dezember 1918 erließ die provisorische Regie- rung eine Verordnung über die Wahlen der verfas- sungsgebenden Volkskammer der Republik Hessen. Wahlberechtigt waren alle in Hessen beheimateten Männer und Frauen ab dem 20. Lebensjahr. Die Wah- len fanden am 26. Januar 1919 statt, aus denen die Übergangsregierung als Sieger hervorging. Das Par- lament beschloss am 20. Februar per Gesetz eine „Not-Verfassung“. Am 5. März 1919 setzte die Regie- rung eine Kommission zur Ausarbeitung einer endgül- tigen Verfassung für den Volksstaat Hessen ein. Die Bezeichnung „Volksstaat“ bezog sich auf einen Staat, in dem die Herrschaft direkt oder indirekt vom Volk ausgeübt wird, d.h. eine Demokratie ist. Nach 1918 bezeichneten sich Hessen und Württemberg offizielle als Volksstaat. Nach kontroversen Debatten wurde die hessische Ver- fassung am 9. Dezember 1919 mit großer Mehrheit in der Volkskammer angenommen und am 12. Dezem- ber 1919 in Kraft gesetzt. Bedeutsam war die Einführung eines allgemeinen, gleichen, geheimen und unmittelbaren Stimmrechts und zwar ohne Unterschied des Geschlechts, also für Männer und Frauen. Im Mittelpunkt der Verfassung steht das Parlament (Volkskammer) aus 70 Abgeord- neten. Die Wahlperiode betrug 3 Jahre. 56 Exponat 20c Die Karte zeigt das Staatsgebiet des Volksstaa- tes Hessen mit den Provinzen Starkenburg, Rheinhessen und Oberhessen. Die rote ge- Landkarte des punktete Linie zeigt die Grenze des besetzten Volksstaates Hessen (Auszug) Gebietes, u.a. Brückenkopf rechtsrheinisch bei Mainz bis vor Darmstadt. Exponat 21 57

Versailler Friedensvertrag vom 28. Juni 1919 Teil VIII Wiedergutmachungen, Artikel 231

In knapp vier Monaten, vom 18. Januar bis 7. Mai 1919 wurde von den Siegermächten der Friedens- vertrag ausgearbeitet. Deutschland wurde nicht an den Verhandlungen beteiligt. Am 7. Mai wurde der deutschen Delegation der Vertrag überreicht mit der Auflage, innerhalb von 14 Tagen eine Stellung- nahme abzugeben. In Deutschland erhob sich über die Bedingungen ein Sturm der Entrüstung, die Regierung Scheidemann trat zurück. Daraufhin überreichten die Alliierten am 16. Juni ein Ultima- tum, den Vertrag innerhalb von 5 Tagen anzuneh- men. Bei Ablehnung wurde mit der Wiederaufnahme des Kriegszustandes und der Be- setzung Deutschlands durch alliierte Truppen ge- droht. Die neue deutsche Regierung mußte den Vertrag am 28. Juni 1919 im Spiegelsaal von Ver- sailles unterschreiben. Der Vertrag besteht aus 15 Teilen mit 440 Artikeln. Der Teil I befasste sich mit dem neu zu gründenden Völkerbund, dem Deutschland nicht beitreten durfte. Teil II setzte die neuen Grenzen Deutsch- lands fest . Teil III beschäftigte sich mit den für die Gebietsabtretungen vorgesehenen Volksabstim- mungen. Ohne Abstimmung musste im Westen Elsaß-Lothringen abgetreten werden. Zu den großen Gebietsverlusten kamen noch die Wiedergutmachungsleistungen (Teil VIII). Als Grundlage der Forderungen der Alliierten diente der Artikel 231, der Deutschland die alleinige Schuld an dem Krieg und an allen Folgen zu- schrieb. Der Versailler Friedensvertrag wurde in Deutsch- land überwiegend als ungerecht empfunden. 58 Exponat 22

Die große deutsche Inflation1923

Mit Beginn des ersten Weltkrieges 1914 kam es in Deutschland zu einer schleichenden Inflation, die sich immer mehr steigerte und sich 1923 in der großen In- flation entlud. Große Auswirkungen auf die Stabilität der deutschen Währung hatte das Friedensdiktat von Versailles mit ihren enormen Zahlungsverpflichtungen nach dem im Januar 1921 festgelegten Zahlungsplan. Ein weiterer Faktor war die Besetzung des Ruhrgebietes durch Frankreich und Belgien im Januar 1923. Das führte schließlich zum völligen Zusammenbruch der deutschen Währung und einer Hyperinflation. Die No- tenpressen kamen nicht mehr nach. Städte und Ge- meinden sowie Betriebe gaben eigenes Notgeld und Gutscheine heraus.

Die Geldscheine sind Beispiele dieser Entwicklung auch in unserer Region (Hanau, Frankfiurt, Erbach, Lampert- heim). Zur Stabilisierung der Mark wurde am 15. Oktober 1923 die Deutsche Rentenbank gegründet. 1924 erschien dann die neue Währung, die Reichsmark. Exponat 23a 59

Flugblatt Nachrichten für die Truppe vom 26. März 1945

Am 1. September 1939 eröffnete Hitler mit seinem Am 26. März wird das vorliegende Flugblatt abgewor- Einfall in Polen den zweiten Weltkrieg. Nach anfängli- fen mit der Überschrift „Darmstadt gefallen“. Im wei- chen Erfolgen Deutschlands gewinnen die Alliierten teren Text wird der Kriegsverlauf aus amerikanischer die Oberhand. Am 17. März 1945 werfen US-Jagd- Sicht dargestellt. Die Bevölkerung wird zur Flucht aus bomber Flugblätter ab, auf denen der Oberbefehlsha- der Todeszone aufgerufen. Auf Seite 4 dieses Flugblat- ber der alliierten Streitkräfte, General Eisenhower, tes ist eine kleine Skizze, die symbolisch die Bombar- Frankfurt, und Ludwigshafen zu „Kampfzo- dierung Frankfurts und Mannheim/Ludwigshafen nen“ erklärt, die „von jetzt ab einem erbarmungslosen andeutet und Zufluchtszonen aufzeigt. Bombardement ausgesetzt“ werden. 60 Exponat 23b Exponat 23c Tod Hitlers, Daily Mail vom 2. Mai 1945 Kapitulationserklärung Deutschlands am 8. Mai 1945

Am 30. April 1945 begeht Adolf Hitler im Bunker der Reichskanzlei in Berlin Selbstmord. Großadmiral Doenitz wird sein Nachfolger. Am 8. Mai 1945 erklärt das Oberkommando der Deut- schen Wehrmacht die bedingungslose Kapitulation. Ein Viertel des alten Reichsgebietes zugunsten Polens und der Sowjetunion verloren, Elsaß Lothringen an Frankreich abgetreten. Das übrige Territorium wurde in vier Besatzungszonen aufgeteilt, in denen die je- weiligen Siegermächte die vollständige Regierungsge- walt übernahmen. Exponat 24 Exponat 24a 61 Militärregierung Staatsgrundgesetz Deutschland-AmerikanischeZone, Proklamation Nr. 2 vom 19. September 1945

Mit dieser Proklamation wird das Land Groß-Hessen durch Außerdem setzte die amerikanische Militärregierung die die Militärregierung der Amerikanischen Zone unter Ge- erste Regierung des Landes Groß-Hessen ein. Sie ernannte neral Eisenhower gegründet. Zu diesem Land Groß-Hes- am 15. Oktober 1945 Prof. Geiler (Parteilos) zum Minister- sen gehören Teile des vormaligen Volksstaates Hessen präsidenten. Er berief Vertreter aller zugelassenen Parteien und der früheren preußischen Provinzen Kurhessen und in sein Kabinett. Nassau. Nicht mehr zu Hessen gehörten die Gebiete auf Am 31. Dezember 1945 erfolgte ein weiterer wichtiger dem linken Rheinufer, also Rheinhessen. Schritt auf dem Weg zu einer selbständigen deutschen Zi- vilverwaltung für Groß-Hessen: Mit diesem Tag verzichteten die Amerikaner auf ihre Verwaltungsbefugnisse auf Ge- meinde-, Kreis- und Regierungsebene. Am 31.12.1945 wurde daraufhin im Gesetz- und Verordnungsblatt das Staatsgrundgesetz für Groß-Hessen verkündet. 62 Exponat 25

Verfassung des Landes Hessen nach den Beschlüssen der 3. Lesung des Plenums der Verfassungsgebenden Landesversammlung Groß-Hessen vom 29. Oktober 1946

Am 4. Februar 1946 erteilten die Amerikaner den Auftrag an die hessi- sche Landesregierung, Vorbereitungen für Verfassungsberatungen zu treffen. Der daraufhin eingesetzte Ausschuss legte bereits am 31. März 1946 den Ge- setzentwurf für die Wahl der Verfas- sungsberatenden Versammlung vor. Am 18. Juni verabschiedete er einen Verfassungsentwurf. Mit der Wahl der 90 Abgeordneten zur Verfassungsbera- tenden Landesversammlung am 30. Juni 1946 trat die Verfassungsgebung in die parlamentarische Phase ein. Am 30.9.1946 wurde ein Kompromiss erreicht, der am 29. Oktober mit über- wältigender Mehrheit in der Landesver- sammlung verabschiedet wurde. Exponat 26 63

Schreiben der Militärregierung für Deutschland (US) vom 29. Oktober 1946

Mit diesem Schreiben genehmigte General Lucius Clay den Verfassungsentwurf der Verfassungsgebenden Versammlung für Groß-Hessen. Hierüber sollte am 1.12.1946 eine Volksabstimmung stattfinden. 64 Exponat 27 Exponat 28

Volksentscheid am 1. Dezember 1946 Flugblätter zur Hessenwahl am 1.12.1946 über die Verfassung des Landes Hessen

Mit diesem Plakat wurde die Bevölkerung über den Verfassungsentwurf informiert und zur Abstim- Flugblätter von KPD, SPD, mung vorgelegt. Mit 76,8 % stimmte das hessi- CDU und Liberalen sche Volk für die Verfassung. Sie trat damit in Kraft. Gleichzeitig mit der Volksabstimmung fand eine Landtagswahl statt. Als Ergebnis dieser Wahl wurde eine Koalitionsregierung aus SPD und CDU gebildet. Ministerpräsident wurde Christian Stock von der SPD. Exponat 29 65

Hessische Verfassung vom 1.12.1946

Constitutions of Bavaria, and Wuerttem- berg-Baden Office of Military Government for Ger- many (U.S.) Berlin, 15. February 1947 Von hoher Bedeutung in der neuen Verfassung ist der Grundrechtskatalog. Die Grundrechte sind un- abänderlich, d.h. sie dürfen nicht einmal durch ein verfassungsänderndes Gesetz verändert werden. Die sozialen und wirtschaftlichen Rechte und Pflich- ten basieren auf der Anerkennung der Würde und der Persönlichkeit des Menschen. Der Achtstun- dentag wird gesetzlich geregelt. Bedeutsam ist auch im Sinne einer Wirtschaftsdemokratie die Mit- bestimmung in Art. 37. Die Verfassung etabliert die weltanschaulich neutrale Gemeinschaftsschule als Standardtyp staatlicher Schulen. Außerdem enthält die Verfassung die Möglichkeit des Volksbegehrens und der Volksabstimmung.

Exponat 30 Zwei weitere Verfassungsausgaben 66 Exponat 31

Kreiskarte von Großhessen, Ausgabe 9. 1946

Die Karte zeigt das Gebiet des neuen Groß-Hessen, bestehend aus 3 Re- gierungsbezirken (Kassel, Wiesba- den, Darmstadt), 9 Stadtkreisen und 39 Landkreisen. Viernheim gehörte zum Kreis Bergstraße. Landeshaupt- stadt war nun Wiesbaden. Exponat 32 67 Währungsreform

Mit dem „Ersten Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Währungsgesetz) vom 20. Juni 1948 wurde für die drei Besatzungszonen Westdeutschlands eine neue Währung eingeführt. Am 21. Juni 1948 galt nun die Deut- sche Mark als Währung. Als erste Maßnahme erhielt jeder Einwohner der Westzonen einen Kopfbetrag von 60 Mark, die gegen den gleichen Betrag in der alten Währung ausbezahlt wurden.

a) Erstes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Währungsgesetz) v. 20.6.1948 b) Die Neue Zeitung vom Samstag, den 19. Juni 1948 c) Die neuen Geldscheine 68 Exponat 33 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

Am 1. Juli 1948 gaben die drei Militärgouver- neure den westdeutschen Ministerpräsidenten den Auftrag, eine verfassungsgebende Ver- sammlung einzuberufen. Um den Eindruck einer Spaltung Deutschlands (gegenüber Ost- deutschland) zu vermeiden, setzten die Minis- terpräsidenten durch, dass nicht eine Verfassung, sondern ein „Grundgesetz“ als Pro- visorium für eine Übergangszeit erarbeitet wurde. Auf Veranlassung der Ministerpräsiden- ten erstellte ein Gremium von Experten vom 10.-23. August 1948 auf Schloss Herrenchiem- see die Arbeitsgrundlage für die Verfassungs- beratungen des Parlamentarischen Rates. Die 65 Mitglieder des Parlamentarischen Rates wur- den von den Länderparlamenten gewählt. Am 8. Mai 1949 wurde das Grundgesetz vom Par- lamentarischen Rat beschlossen. In der Woche vom 16.-22. Mai 1949 wurde das Grundgesetz durch die Volksvertretungen der beteiligten deutschen Länder angenommen. Am 10. Mai 1949 einigte sich der Parlamentarische Rat auf Bonn als vorläufige Hauptstadt der künftigen Bundesrepublik. Am 23. Mai 1949 unterzeich- nete der Präsident des Parlamentarischen Rates, Dr. Konrad Adenauer, in der Bonner Pä- dagogischen Akademie das Grundgesetz. Anders als bei der Weimarer Verfassung wurden beim Grundgesetz die Grundrechte an den An- fang gesetzt (Artikel 1-19). Artikel 20 definiert die Bundesrepublik Deutschland als demokrati- schen und sozialen Rechtsstaat.

Bundesgesetzblatt vom 23. Mai 1949 Exponat 33 69

Artikel 1 GG und der Beginn der Unterschriften des Parlamentarischen Rates 70 Exponat 34

Volksabstimmung Hessische Verfassung am 28. Oktober 2018 Der Hessische Landtag hat in seiner Sitzung am 24. Mai 2018 15 Gesetze zur Änderung oder Ergänzung der Verfas- sung des Landes Hessen beschlossen. Nach Artikel 123 Abs. 2 der Verfassung kommt eine Verfassungsänderung nur zustande, wenn das Volk diesen Gesetzen mit der Mehrheit der Abstimmenden zustimmt. Das geschah in der Volksabstimmung am 28. Oktober 2018.

a) Stimmzettel für die Volksabstimmung b) Ergebnisse der Volksabstimmung (FAZ 2.11.2018)