VGH München, Beschluss v. 08.03.2016 – 6 ZB 15.1581

Titel: Keine Beförderung zum Stabsfeldwebel unter rückwirkender Anwendung neuer Einstellungsbestimmungen

Normenketten: GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2 SG § 3 Zentrale Dienstvorschrift - ZDv - 20/7 Nr. 128 Zentrale Dienstvorschrift - ZDv A-1340/49 - Nr. 236 SLV § 5, § 18

Leitsätze: 1. Es besteht kein Anspruch auf Beförderung zum Stabsfeldwebel, wenn die für Unteroffiziere in der Feldwebellaufbahn hierfür erforderliche Dienstzeitvoraussetzung von 16 Jahren seit Ernennung zum (§ 18 SLV iVm Nr. 128 ZDv 20/7) nicht erfüllt ist. (redaktioneller Leitsatz) 2. Die rückwirkende Nichtanwendung der neu geltenden Einstellungsregeln für "Seiteneinsteiger" auf die Beförderung von Soldaten in aktiven Dienstverhältnissen verstößt weder gegen das Prinzip der Bestenauslese noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte: Stabsfeldwebel, Einstellungsbestimmungen, Feldwebellaufbahn, Beförderung, Gleichbehandlungsgrundsatz

Vorinstanz: VG Regensburg, Urteil vom 24.06.2015 – RN 1 K 14.670

Fundstelle: BeckRS 2016, 44409

Tenor

I.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 24. Juni 2015 - RN 1 K 14.670 - wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 8.965,06 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Antrag des Klägers‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe‚ auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist‚ liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

2 1. An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

3 Dieser Zulassungsgrund wäre begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 - NVwZ 2000, 1163/1164; B. v. 23.3.2007 - 1 BvR 2228/02 - BayVBl 2007, 624). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - NVwZ- RR 2004, 542 f.; BayVGH, B. v. 13.7.2015 - 6 ZB 15.585 - juris Rn. 3). Das ist nicht der Fall.

4 a) Der Kläger begehrt seine Beförderung zum Stabsfeldwebel. Am 18. Oktober 2002 hatte er die Meisterprüfung im Elektrotechniker-Handwerk abgelegt und die Prüfung zum Technischen Fachwirt (HWK) bestanden. Am 3. Januar 2005 trat der Kläger als Eignungsübender im Dienstgrad Feldwebel in die ein und wurde am 3. Mai 2005 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Am 20. Februar 2007 wurde der Kläger zum und am 1. Juli 2011 zum (Besoldungsgruppe A 8 Z) ernannt. Die Dienstzeit des Klägers wurde auf 12 Jahre festgesetzt und endet voraussichtlich mit Ablauf des 2. Januar 2017.

5 Am 5. April 2013 beantragte der Kläger seine Beförderung zum Stabsfeldwebel. Mit Bescheid vom 22. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die vom Kläger erhobene Beschwerde wies die Beklagte mit Beschwerdebescheid vom 17. März 2014 zurück. Der Kläger erfülle gemäß der ZDv 20/7 Nr. 128 frühestens 16 Jahre seit seiner Ernennung zum Feldwebel und damit frühestens zum 3. Januar 2021 die zeitlichen Mindestvoraussetzungen für eine Beförderung zum Stabsfeldwebel.

6 Der Kläger erhob Klage zum Verwaltungsgericht mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 22. April 2013 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 17. März 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag auf Beförderung zum Stabsfeldwebel unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

7 Mit Urteil vom 24. Juni 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage für unbegründet erachtet und abgewiesen. Zu dem Zeitpunkt, zu dem sich der Kläger als Zeitsoldat verpflichtet habe, sei nach § 17 Abs. 2 SLV (i. d. F. vom 1.4.2005) nur eine Einstellung des Klägers als Feldwebel möglich gewesen. Die spätere Änderung dieser Vorschrift (ab 2.7.2011) komme dem Kläger nicht zugute, weil eine rückwirkende Besserstellung von bereits eingestellten Zeitsoldaten weder bezweckt gewesen noch erforderlich sei. Der Kläger habe nach § 18 SLV und Nr. 128 ZDv 20/7 keinen Anspruch auf Neuverbescheidung seines Beförderungsbegehrens zum Stabsfeldwebel, weil er die zeitlichen Mindestvoraussetzungen nicht erfülle.

8 b) Den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts hält der Kläger mit seinem Zulassungsantrag nichts Stichhaltiges entgegen, das weiterer Prüfung oder Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfte.

9 Der vom Kläger verfolgte Anspruch auf Beförderung zum Stabsfeldwebel richtet sich - ausgehend von den Grundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 SG, § 5 SLV - nach § 18 SLV in Verbindung mit Nr. 128 der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) 20/7 (nunmehr Nr. 236 ZDv A-1340/49) und der durch deren Vollzug bewirkten Bindung durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Danach gilt bei den Unteroffizieren in den Feldwebellaufbahnen für die Beförderung zum Stabsfeldwebel eine Dienstzeitvoraussetzung von 16 Jahren seit Ernennung zum Feldwebel, davon mindestens drei Jahre seit Ernennung zum Hauptfeldwebel (vgl. auch Nr. 5 der Richtlinie für die Beförderung von Soldatinnen und Soldaten in den Laufbahnen der Feldwebel vom 20.12.2007 zur ZDv 20/7). Diese Dienstzeitvoraussetzung kann der Kläger nicht erfüllen, weil er am 3. Januar 2005 als Eignungsübender im Dienstgrad Feldwebel in die Bundeswehr eingetreten ist und seine Dienstzeit auf 12 Jahre festgesetzt worden ist. Sie endet somit voraussichtlich mit Ablauf des 2. Januar 2017 und damit vor Erfüllung der Dienstzeitvoraussetzung von 16 Jahren seit Ernennung zum Feldwebel.

10 Der Kläger hält zwar die Festsetzung von Mindestdienstzeiten durch die ZDv 20/7 für grundsätzlich zulässig, ist aber der Auffassung, dass die „unterschiedliche Behandlung“ von Soldaten, die ihre einschlägige Berufserfahrung nach Erwerb des entsprechenden Meistertitels in der Bundeswehr erworben hätten, gegenüber neu eingestellten Soldaten, die diese Berufstätigkeit im Zivilleben zurückgelegt hätten, gegen das Prinzip der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 SG verstoße. Es sei nicht ersichtlich, dass eine außerhalb der Bundeswehr erworbene Berufserfahrung zu einer höheren Eignung führe als eine entsprechende in der Bundeswehr erworbene Berufserfahrung. Er weise mindestens die gleiche Eignung auf wie ein externer Bewerber und es wäre eine Einstellung mit dem Dienstgrad Stabsfeldwebel möglich gewesen, wenn er seine (mindestens neunjährige) Berufserfahrung nach Abschluss der Meisterprüfung hauptberuflich im Zivilleben erworben hätte.

11 Der Kläger bezieht sich dabei offensichtlich auf § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a in Verbindung mit Satz 2, 3, 4 Nr. 3 SLV in der ab 2. Juli 2011 gültigen Fassung vom 19.8.2011. Danach kann in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit mit dem Dienstgrad Feldwebel eingestellt werden im Truppendienst, im Geoinformationsdienst der Bundeswehr und dem allgemeinen Fachdienst, wer in einem für die vorgesehene Verwendung verwertbaren Beruf die Meisterprüfung oder eine dieser nach Art, Inhalt und Zulassungsvoraussetzung vergleichbare Prüfung oder die Abschlussprüfung an einer mindestens zweijährigen Fachschule bestanden hat. Liegen diese Voraussetzungen vor, kann für eine militärfachliche Verwendung mit einem höheren Dienstgrad, höchstens jedoch mit dem Dienstgrad Stabsfeldwebel eingestellt werden, wer die besondere Eignung für den höheren Dienstgrad durch eine hauptberufliche Tätigkeit erworben hat. Die hauptberufliche Tätigkeit muss nach dem Erwerb der in Satz 1 genannten Bildungsvoraussetzungen ausgeübt worden sein und nach Fachrichtung und Schwierigkeit der Tätigkeit der vorgesehenen Verwendung entsprechen. Die Mindestdauer der Tätigkeit beträgt für eine Einstellung als Stabsfeldwebel neun Jahre. Nach Nr. 508 3. Spiegelstrich ZDv 20/7 kann für militärfachliche Verwendungen mit dem Dienstgrad Stabsfeldwebel eingestellt werden, wer u. a. in einem für die vorgesehene Verwendung verwertbaren Beruf die Meisterprüfung erfolgreich abgeschlossen hat und nach Erfüllen dieser Voraussetzungen die besondere Eignung für den höheren Dienstgrad im Rahmen einer mindestens neunjährigen hauptberuflichen Tätigkeit, die nach Fachrichtung und Schwierigkeit der vorgesehenen Verwendung entspricht, erworben hat. Die Vorschriften regeln somit die Einstellungsvoraussetzungen mit einem höheren Dienstgrad von sogenannten „Seiteneinsteigern“ mit im zivilen Leben - außerhalb der Bundeswehr - erworbener Berufserfahrung.

12 Der Kläger zielt mit seinen Rügen der Sache nach auf eine rückwirkende Besserstellung seiner eigenen Einstellungsbedingungen ab. Er kann sich jedoch auf diese - erst mehr als sechs Jahre nach seiner eigenen Einstellung in Kraft getretenen - Vorschriften nicht berufen, weil es bei ihm nicht um eine (Neu-)Einstellung geht, sondern er aus einem bereits aktiven Dienstverhältnis heraus seine Beförderung in einen höheren Dienstgrad begehrt. Dieses Begehren richtet sich, wie oben ausgeführt, ausschließlich nach § 18 SLV in Verbindung mit Nr. 128 der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) (nunmehr Nr. 236 ZDv A-1340/49), deren Voraussetzungen der Kläger nicht erfüllt. Die Nichtanwendung der neu geltenden Einstellungsregeln auf die Beförderung von Soldaten in aktiven Dienstverhältnissen verstößt weder gegen das Prinzip der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 SG noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Kläger hat bei der von ihm begehrten Beförderung in einen höheren Dienstgrad lediglich Anspruch auf einen Vergleich mit der Gruppe der Angehörigen seiner Laufbahn, nicht hingegen mit der Gruppe der Neueinzustellenden. Daran ändern weder die letzte dienstliche Beurteilung des Klägers etwas noch sein Vortrag, dass er neben seiner Tätigkeit bei der Bundeswehr als Betriebsleiter seines eigenen Elektrobetriebs tätig sei, die letzten Jahre fast ausschließlich die Tätigkeit als verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK) durchgeführt habe und ihm ein Telearbeitsplatz genehmigt worden sei.

13 2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Der Kläger wirft als grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfrage auf, „ob die Mindestbeförderungszeit gemäß ZDv 20/7 Nr. 128 von 16 Dienstjahren zum Stabsfeldwebel seit Ernennung zum Feldwebel eine vorzeitige Beförderung entsprechend den Einstellungsvoraussetzungen für externe Bewerber gemäß § 17 SLV, ZDv 20/7 Nr. 508 auch dann ausschließt, wenn der betreffende die in Nr. 507 ZDV 20/7 genannten Voraussetzungen erfüllt und nach Erfüllung dieser Voraussetzungen die besondere Eignung für den höheren Dienstgrad im Rahmen einer mindestens neunjährigen entsprechenden Verwendung in der Bundeswehr erworben hat“. Die - nur bedingt nachvollziehbare - Frage ist nicht klärungsbedürftig. Sie zielt der Sache nach darauf ab, ob eine Gleichbehandlung von bereits seit Jahren bei der Bundeswehr eingestellten Zeitsoldaten mit Meisterprüfung und - nach Inkrafttreten neuer Einstellungsbestimmungen - neu eingestellten Soldaten mit Meisterprüfung und mindestens neunjähriger hauptberuflicher (ziviler) Tätigkeit erfolgen muss. Diese Frage lässt sich anhand der Ausführungen unter 1. ohne weiteres verneinen.

14 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 6 Satz 4, § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG.

15 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).