HOTELLERIE HÖRNER HERBST BAGGER RÄTSEL TALZUSCHUB Jahrbuch 2017

Uferschutzverband Thuner- und Brienzersee Uferschutzverband Thuner- und Brienzersee Uferschutzverband Thuner- und Brienzersee Jahrbuch 2017

«Malerei – eine stumme Poesie, Poesie – eine redende Malerei» Soll nach Plutarch der griechische Dichter Simonides gesagt haben, 557/556 – 468 /467 v. Chr.

Jahrbuch 2017 Uferschutzverband Thuner- und Brienzersee

Herausgegeben vom Uferschutzverband Thuner- und Brienzersee UTB

Selbstverlag des UTB

Verantwortlich für die Redaktion: Gisela Straub und Sibylle Hunziker

Layout, Satz & Druck: Thomann Druck AG Grundschrift: Frutiger light Umschlag: Christoph Flück, Thunersee

Alle Rechte vorbehalten Copyright © 2017 by UTB Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des UTB ist unzulässig. Organisation 2017

Vorstand Andreas Fuchs, Präsident Peter Zingg, Vizepräsident Ulrich Blunier, Gunten Fachinstanz Finanzen Andreas Huggler, Brienz Fachinstanz Landschaft /Kulturlandschaft Anita Knecht, Gwatt Fachinstanz Kommunikation/Landschaft Hansjürg Wüthrich, Thun Fachinstanz Kommunikation

Beirat Christoph Diez, Grosshöchstetten Hans von Allmen, Marianne Hassenstein, Steffsburg Rudolf von Gunten, Emil Huggler, Niederried bei Interlaken Marco Wälti, Därligen Jakob Ruch, Forst Peter Santschi, Brienz Christian Siegenthaler,

Rechnungsrevision Rudolf Bachmann, Christian Ott, Unterseen

Bauberatung Andreas Fuchs, Interlaken Gemeinden Thun, Hilterfngen, Oberhofen, Sigriswil, Interlaken, Seen im Thuner Westamt, Därligen, , Spiez, Krattigen, Beatenberg (Sundlauenen), Unterseen Christina Thöni-Kaufmann, Brienz Gemeinden am Brienzersee

Jahrbuch 2017 Gisela Straub, Sibylle Hunziker,

Geschäftsstelle des Uferschutzverbandes Thuner- und Brienzersee Monika Schaffner, Dr. phil.-nat., Geschäftsstellenleiterin Seestrasse 2, 3600 Thun Tel. 033 222 87 15, Fax 033 222 60 11 [email protected], www.u-t-b.ch Inhalt

Geschäftsteil

Einleitung...... 9

Jahresbericht des Präsidenten...... 11

Nachruf Hans Fritschi...... 17

Protokoll der Generalversammlung 2017 �����������������������������������������������������18

Neue Mitglieder 2017...... 28

Sponsoren 2017...... 29

Sanierung der Trockensteinmauern Hohlweg Ringgenberg...... 33

Natur

Peter E. Zingg Naturschutzgebiet Weissenau-Neuhaus...... 49

Hans Fritschi Die Wasservogelzählungen am Thuner- und Brienzersee...... 55

Hans Fritschi Goldey – weder golden noch goldig...... 58

Jan Mathys Der Talzuschub an der First – eine Spurensuche...... 59

7 Geschichte

Zurbuchen Transkript der Topographischen Beschreibung Nöthigers von Beatenberg...... 89

Carla Maeder 125 Jahre «Interlaken» – Die Entwicklung von Hotellerie und Tourismus in sechs Momentaufnahmen...... 101

Marlene Oster-Rosenthal Der Souvenir-Laden...... 139

Ueli Bettschen Gewerbsmässige Gewinnung von Kies und Sand aus dem Lütschinendelta in Bönigen...... 147

Werner Gartenmann Dorfbrunnen – Botschafter des Wassers...... 179

Kultur

Till Aerni Das Waldhorn und das Alphorn – eine Gegenüberstellung...... 185

Silvio Keller Der Oberländer Kunstmaler Christoph Flück...... 213

Anhang

Verfasser der Beiträge...... 222

Redaktionsteam...... 224

8 Einleitung

Schon früher hat der Uferschutzverband Thuner- und Brienzersee in seinem Jahrbuch die eine oder andere Maturarbeit veröffentlicht. Damals war es allerdings eher Zufall, wenn die Redaktion von einer Arbeit hörte, die auf inte- ressante Weise aus Natur oder Geschichte der Oberländer Seenlandschaft erzählte. In diesem Jahr sind es aber gleich drei Arbeiten, und auch in den kommenden Jahrbüchern dürften Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Interlaken häufger im UTB-Jahrbuch publizieren. Den Anstoss dazu gab der Preis, den der UTB seit 2017 für Arbeiten verleiht, die Themen aus seinem Arbeitsgebiet besonders schön behandeln. Für diese Auswahl lesen Vor- standsmitglieder und Jahrbuchredaktorinnen die Maturarbeiten, die in Frage kommen könnten, und hören sich die Präsentationen an. Und wenn wir die schönen Arbeiten schon sehen, möchten wir sie auch einem breiteren Publi- kum vorstellen. Aus Platzgründen, aber auch, weil für die Preisverleihung auch die mündliche Präsentation eine wichtige Rolle spielt und sich deshalb nicht alle ausgezeichneten Arbeiten gleich gut für eine Publikation eignen, sind Preis und Publikation grundsätzlich unabhängig voneinander.

Den Anfang der neuen Reihe machen Carla Maeders Geschichte der Hotellerie in Interlaken – auch ein Beitrag zum vergangenen Jubiläumsjahr 125 Jahre «Interlaken»; Till Aernis Vergleich von Waldhorn und Alphorn, die in einem Unspunnenfest-Jahr einen besonderen regionalen Bezug hat; und Jan Mathys’ «Talzuschub an der First» – ein eigentlicher «Wanderführer», mit dessen Hilfe sich Spuren physikalischer Prozesse in der Landschaft um lesen lassen.

Eine Spurensuche beschreibt auch Marlene Oster, deren neugierige Frage nach einem Interlakner Haus auf einer alten Fotografe sich zu einer richtigen Detek- tivgeschichte entwickelte.

Die Geschichte «Kiesgewinnung am Lütschinendelta in Bönigen» hat Alt Kan- tonsstrassen- und schwellenmeister Ueli Bettschen in Archiven recherchiert.

Und in der Sprachgeschichte hat Hans Fritschi nach dem Ursprung des Flur- namens «Goldey» gesucht.

9 Auf einen Spaziergang durch Matten nimmt Werner Gartenmann das Publikum mit dem «Brunnenweg» und seiner Geschichte mit.

Die Schönheit und Wildheit der Oberländer Landschaft feiert Christoph Flück in seinen Bildern, die durchs Buch begleiten und es mit dem Umschlagbild auch ganz umfassen.

Ganz ohne Bilder kommt Andreas Zurbuchens Transkript von Pfarrer Nöthigers handschriftlicher Beschreibung Beatenbergs aus. Das ist kein Zufall, hat doch Ringgenberger Pfarrer das Leben auf dem kargen Berg vor zweieinhalb Jahr- hunderten so lebendig beschrieben, das es nicht viel Phantasie braucht, sich die Szenen aus den kurzen Sommern und den langen Wintern der «Kleinen Eiszeit» vorzustellen.

Dazu kommt wie üblich der geschäftliche Teil mit den Berichten über das Naturschutzgebiet Weissenau, die Wasservögel an den Seen und die Verbands- tätigkeit.

Wir wünschen uns neugierige Leserinnen und Leser – und Ihnen viel Vergnügen beim Lesen.

10 Jahresbericht des Präsidenten 2017

Ein arbeitsintensives, aber durchaus erfreuliches Jahr liegt hinter uns. Mit dem Engagement unserer neuen Geschäftsstellenleiterin entwickelte sich eine Dynamik, welche den Vorstand forderte, aber auch dazu animierte, neue Pro- jekte anzupacken.

Projekte

Treffpunkt Pilgerweg: Hohlweg Ringgenberg Unser bisher grösstes Projekt am Pilgerweg zeigte mit dem Abschluss der Arbeiten am Teil Ost mehrfache Wirkung: gegen aussen durch das positive Echo aus der Bevölkerung und bereits während der Bauzeit von vorbeizie- henden Pilgern; unter den Beteiligten durch die beispielhafte Zusammenarbeit mit Gemeinde, Fachstellen und Unternehmern, und UTB intern, indem es uns aufzeigte, welchen Herausforderungen wir uns zu stellen haben als Projektbe- gleiter und Teil der Bauherrschaft. Über das erfreuliche Werk wird an anderer Stelle im vorliegenden Jahrbuch ausführlich berichtet.

Tag der offenen Baustelle am Pilgerweg in Ringgenberg

11 Kulturweg Ringgenberg Der geplanten Beschilderung von kulturellen Ob- jekten auf einem Dorfrundgang haben wir aus ver- schiedenen Gründen Unterstützung zugesichert: Die einheitliche Gestaltung der Stelen verbindet Kultur- Burgseeli güter, historische Verkehrswege und Landschafts- schutzobjekte. Uns ist der Einbezug des Pilgerwegs ein Anliegen wie auch die Beschilderung «unseres» Naturschutzge- biets am Burgseeli. Nebst einem fnanziellen Beitrag Aquatinta von Arter Paul Julius um 1800 (ZVG Christoph Studer) Geschichte

In einem Brief an die Gemeinde Ringgenberg forderte der Uferschutzverband Thuner- und Brienzersee UTB im Jahr 1937, dass das „Faulenseeli“ unter Schutz gestellt wird. 20 Jahre später wurde der See vom Kanton zum Naturschutzgebiet erklärt. In den kommenden Jahren erwarben die Gemeinde leisten wir auch Unterstützung zu Inhalt und Gestal- und der UTB Grundstücke um den See und erliessen darauf ein Bauverbot.

Schneidebinse Cladium mariscus tung der Stelen. Auch wenn die Schneidebinse eine Seltenheit ist, muss man vorsichtig sein. Die bis zu 2 Meter langen Blätter der Schneidebinse sind messer- scharf. Die Blätter sind an beiden Seiten und auf dem Kiel mit kleinen scharfen Zähnchen verse- hen. Sie wächst nur auf sehr nassen Standorten.

Blüte Zeichnung: Jean-Claude Gerber

Gelbe Schwertlilie Iris pseudacorus

Die Blüten der Gelben Schwertlilie leuchten in- Blattquerschnitt tensiv. Sie blüht von Mai bis Juni. Nach der Blüte bildet sie grosse grüne Kapselfrüchte. Die Lilie hat gerne nasse Füsse und wird deswegen auch Sumpfschwertlilie genannt. Ein riesiger Wurzel- stock hilft ihr den Winter zu überdauern. Sie ist

Zeichnung Stefan Eggenberg in der Schweiz geschützt.

Hybrid-Seerose Nymphaea x Hybrid

Der lateinische Name stammt von anmutigen weiblichen Naturgeistern, den Nymphen. See- rosen sind am Gewässergrund verankert. Das Burgseeli ist sehr tief und somit für Seerosen bloss in Ufernähe geeignet. Leider sind die See- rosen im Burgseeli keine einheimischen Pfan- zen. Sie sind entweder Gartenfüchtlinge oder wurden vor langer Zeit sogar angepfanzt.

Foto: Yvonne Stampfi, ANF

Kontakt: Amt für Landwirtschaft und Natur Abteilung Naturförderung, Schwand, Münsigen

Marchgräbli Ringgenberg-Interlaken Im Spätherbst wurden anlässlich einer Begehung mit Vertretern der Gemeinde Ringgenberg und der Vertreterin der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz KARCH die Pfegemassnahmen diskutiert und festgelegt. Der erste Pfegeschnitt wurde kurz darauf durch die Gemeinde ausgeführt.

Englischer Garten Interlaken Begehungen und Besprechungen mit potenziellen Geldgebern, unter anderem auch mit der Kantonalen Denkmalpfege, trugen Früchte und wir konnten der Gemeinde Finanzierungszusicherungen von rund Fr. 300’000.– präsentieren. Im Projekt sollen noch kleine Anpassungen zur Attraktivitätssteigerung ge- macht werden wie ein Wasserspiel für Kleinkinder oder ein Aufenthaltsbereich für Familien. Wir hoffen, dass die Gemeinde 2018 den erforderlichen Ausfüh- rungskredit sprechen kann.

12 Uferweg Interlaken-Därligen Nach diversen Besprechungen mit Gemeindevertretern, den beauftragten Planern und der Abteilung Langsamverkehr vom Kantonalen Tiefbauamt liegt die Anpassung der Uferschutz-planung bereit für das Mitwirkungsverfahren.

Hangfussgerinne Gwatt Anfang Sommer fand als Dank an die Geldgeber ein kleiner Anlass mit allen Beteiligten statt, darunter auch Aqua Viva, welche vor Ort Umweltbildungsein- sätze mit Jugendlichen durchführt hat und sehr zufrieden ist mit den Möglich- keiten zum Erforschen der Wassertiere.

Gwattlischenmoos: Schilfschutz und Aufwertung Im Frühjahr wurde das Baugesuch eingereicht. Aufgrund von Hinweisen aus Fachberichten fanden Projektbereinigungen statt, u.a. hatte der Archäolo- gische Dienst des Kantons mittels Probebohrungen festgestellt, dass in gerin- ger Tiefe unter dem Seegrund mit historischen Funden zu rechnen ist. Das Gwattlischenmoos galt zwar seit längerem als Verdachtsfäche, wurde jedoch bislang nicht untersucht, da nicht mit Eingriffen im Seegrund gerechnet wurde. Die erfolgten Projektanpassungen wurden im Herbst von allen betroffenen Fachstellen gutgeheissen, so dass der Baubewilligung nun nur noch die Berei- nigung von zwei Einsprachen im Wege steht. Die Finanzierung konnte in der Zwischenzeit vollständig sichergestellt werden.

Bodenwald Amsoldingen Mittels Waldstandortkartierung und hydrologischer Untersuchung soll die Eig- nung eines Waldstücks für die Vernässung festgestellt werden. Die Vorunter- suchungen werden durch das Kantonale Amt für Wald KAWA und den Oeko- fonds Energie Thun fnanziert.

Herzogenacker Gunten Die Arbeiten für den Trockenstandort sind abgeschlossen, die begleitende Nutzung am steilen Hang wird durch den Bewirtschafter sichergestellt. Das Projekt wurde abgerechnet, der Erfolg wird sich in den kommenden Jahren zeigen und mit Interesse verfolgt werden.

13 Gunten Parzelle 3548 Die verbandseigene Parzelle am kleinen Rüedisberg ob Gunten wurde während Jahren als Schafweide genutzt. Mit dem Einstellen der Beweidung durch den Pächter droht die Vergandung. Eine Lebensraumkartierung hat ergeben, dass Potenzial für einen Trockenstandort vorhanden ist, jedoch würde dadurch eine weitere Beweidung praktisch verunmöglicht. In Gesprächen mit der Nachbar- schaft und einer interessierten Züchterin wird nun eine temporäre Beweidung mit Zwergziegen angestrebt. Vorgängig soll eine Gehölzpfege durchgeführt werden und ein Aussichtsplatz über dem Wanderweg wiederhergerichtet werden.

Rastplatz Merligen / Parzelle 3287 Der Rudolf Walther Platz am See mit Einwasserungsrampe und Treppe zum Wasser ist ebenfalls ein Grundstück des Uferschutzverbands. Vor einigen Jah- ren fel eine Birke dem Sturm zum Opfer, nun wurde der Gemeinde, die für den Unterhalt besorgt ist, angetragen, den Platz aufzuwerten. Gemeinsam soll nun ein Aufwertungsprojekt ausgearbeitet werden, um die Freifäche am See für die Öffentlichkeit attraktiver zu gestalten.

Louberli Der UTB wurde angefragt um Unterstützung bei der Ausarbeitung eines Tro- ckenmauerprojekts. Die heutigen Mauern, die einen historischen Verkehrsweg von lokaler Bedeutung begleiten, bestehen aus Eisenbahnschwellen und Ze- mentsteinen. Die Besitzerfamilie hat vor kurzer Zeit einen Landschaftspreis der Region erhalten für die landschaftsschonende Bewirtschaftung ihres Betriebes. Der UTB hat seine Mitwirkung bei der Erarbeitung des landschaftsaufwer- tenden Projektes zugesagt.

Exkursionen

Tag der offenen Baustelle am Hohlweg Ringgenberg Der gemeinsam mit der Gemeinde Ringgenberg organisierte Tag der offenen Baustelle am Pilgerweg war ein voller Erfolg. An beiden Führungen durch den Trockenmauerspezialisten Thomas Murkowsky nahmen gegen 40 Personen teil. Die Baustelle war mit drei Trockenmauerbauern in Betrieb und die Besu- cher nutzten die Gelegenheit, selber Hand anzulegen. Der UTB war ganztägig mit vier Vertreterinen und Vertretern anwesend.

14 Im Spiezer Rebberg

Rebbau Spiez im Wandel Das Thema hätte nach den verheerenden Frostschäden vom Frühjahr nicht treffender gewählt werden können. Fachkundig führte uns die Rebmeisterin Ursula Irion durch den Rebberg, zeigte uns die Auswirkungen und erläuterte uns ihre daraus abgeleiteten Schlüsse und die Massnahmen, die sie getroffen hatte.

Beiträge

Rebhäuschen Spiez Der Rebbaugenossenschaft Spiez wurde ein fnanzieller Beitrag an die Sanie- rung des Rebhäuschens von zehn Prozent der Kosten gesprochen. Im Herbst konnte sich der Vorstand anlässlich einer Vorstandssitzung von der gelun- genen Sanierung überzeugen.

Ländte Leissigen Der neu gegründete Verein Ländte Leissigen hat sich zum Ziel gesetzt, die fehlenden Mittel für die Ländtesanierung von rund Fr. 100‘000.- zu beschaf- fen, damit Leissigen wieder einen festen Platz im Schifffahrtsfahrplan erhält. Der Vorstand anerkennt die Bemühungen des Vereins und spricht einen Bei-

15 trag von Fr. 5‘000.-. Vor einem Jahr haben wir den Verein Ländte Einigen als Vorzeigebeispiel erwähnt, nun ist Leissigen diesem Beispiel in verdankens- werter Weise gefolgt.

Verschiedenes

Geotop Faulensee Über das einzigartige Klima-Archiv Faulenseemoos wurde im letzten Jahrbuch ausführlich berichtet. Nun ist der UTB durch Schenkung Mitbesitzer gewor- den. Ein grosser Dank geht an den Vizepräsidenten Peter Zingg und an die Vorbesitzer, den Tierschutzverein Nieder-simmental und den Ornithologischen Verein Spiez und Umgebung!

Wettbewerb Maturaarbeiten Ein Beurteilungsteam hat wiederum zahlreiche Präsentationen am Gymnasium Interlaken angehört, Arbeiten bewertet und Preise gesprochen. Eine defnitive Auswahl an Beiträgen fürs Jahrbuch ist per Ende des Berichtsjahres noch nicht erfolgt.

Dank

Alle Vorstandsmitglieder waren gefordert durch die Mitarbeit an den zahl- reichen Projekten, durch kritisches Hinterfragen, Einbringen von Ideen und dem nicht immer einfachen Umgang mit Zahlen. Die Geschäftsstellenleiterin hat viel dazu beigetragen, unser Netzwerk und die Kontakte zu unseren Pro- jektpartnern auszubauen und die Projektabläufe zu straffen. Ihr gebührt eben- so Dank wie Christina Thöni für die engagierte Mitarbeit in der Bauberatung und dem Redaktionsteam für das wiederum spannende vorliegende Jahrbuch!

Interlaken, im Dezember 2017 Andreas Fuchs, Präsident

16 Hans Fritschi

Schweren Herzens haben wir Abschied genommen von Hans Fritschi, der kurz vor Weihnachten in seinem 62. Jahr gestorben ist.

Hans Fritschi kannte und liebte die Natur, und er setzte sich auf allen Ebenen für ihren Schutz ein. Mit seinem grossen Wissen, seiner Kenntnis regionaler Gegebenheiten und seiner Gradlinigkeit war er ein glaubwürdiger Anwalt der Natur, der konsequent und unerschrocken für die Umsetzung geltenden Naturschutzrechts kämpfte. Für den UTB war er ein zuverlässiger Partner, wenn es um Vernehmlassungen zu geplanten Eingriffen in Natur und Land- schaft ging – zuletzt etwa bei Themen wie dem Hartsteinabbau im Rugen, der Hängebrücke am Rugen, oder der Seeregulierung.

Ganz besonders lag dem passionierten Lehrer die Umweltbildung am Herzen. An Exkursionen und Pfegeeinsätzen begeisterte er Jung und Alt für die Schön- heit und Vielfalt der Oberländer Fauna und Flora. Zu seinen Lieblingsgebieten gehörte dabei die Weissenau, in der er selber immer wieder ins Staunen kam. Über seine Beobachtungen berichtete er auch im Jahrbuch vom Thuner- und Brienzersee. Regelmässig erschienen im Jahrbuch die Resultate der Wasser- vogelzählungen; 2002 hat Hans Fritschi die Koordination für den Brienzersee übernommen, nach dem Tod von Rolf Hauri 2008 die Gesamtverantwortung für die Zählungen zwischen Thuner- und Brienzersee.

Wir erinnern uns dankbar an Hans Fritschis Engagement und sind traurig, dass wir einen guten und warmherzigen Freund verloren haben.

Andreas Fuchs, Peter Zingg, Redaktionsteam

17 Protokoll 85. Generalversammlung UTB 2017

Ort Hotel Interlaken, Interlaken Datum 17. Februar 2017 Zeit 15.30 –17.00 Uhr

Anwesend 45 Personen und UTB Vorstand (Anita Knecht, Ulrich Blunier, Andreas Huggler, Hansjürg Wüthrich, Peter Zingg,) Leitung Andreas Fuchs, Präsident Protokoll Monika Schaffner, Geschäftsstelle

Traktanden 1. Protokoll der 84. GV vom 12. Februar 2016 2. Jahresbericht 3. Jahresrechnung 2016 4. Budget 2017 5. Wahlen 6. Verschiedenes

Der Präsident Andreas Fuchs begrüsst die Mitglieder, Gemeindepräsidenten und -vertreter, das Ehrenmitglied Katharina Berger, Vertreter aus befreundeten Verbänden und Vereinen (u.a. der Regionalgruppe Interlaken-Oberhasli des Berner Heimatschutzes, vertreten durch die Obfrau Silvia Kappeler, und Ruedi Kern als Präsident der Freunde des Schlosses Hünegg), die Pressevertreterin Sibylle Hunziker vom Berner Oberländer, Carmen Hess vom Radio BeO, sowie alle Gäste zur 85. Generalversammlung des UTB.

Andreas Fuchs würdigt Markus Niklaus, ehemaliges Mitglied und Beirat, der letztes Jahr unerwartet verstorben ist. Markus Niklaus hat sich über 40 Jahre für den Uferschutzverband engagiert, 1986 – 2002 im Vorstand. Mit der Neu- organisation ab 2003 wurde er in den Beirat gewählt, wo er bis zu seinem Tod gewirkt hat. Er war sehr aktiv bei der Bearbeitung von Anliegen im Gebiet des UTB und hat sich dabei jeweils sehr fundiert mit Themen auseinandergesetzt, die zu Beiträgen im UTB Jahrbuch geführt haben: Vom Artikel zu den Wildbä- chen am rechten Brienzerseeufer bis zu seinem letztem Beitrag 2009 gemein- sam mit Ueli Blunier: «Wem gehören die Ufer?». Er war auch feissig an Anläs- sen dabei, als interessierter Zuhörer und interessanter Diskussionspartner, und

18 hat aus seinem Erfahrungsschatz viele Beiträge zur Diskussion geliefert. Wir werden Markus Niklaus in guter Erinnerung behalten.

Andreas Fuchs stellt die neue Geschäftsstellenleiterin Monika Schaffner vor, welche die Nachfolge von Daniela Flück per 1. Januar 2017 übernommen hat.

Zur Generalversammlung wurde zusammen mit dem Jahrbuch die Traktan- denliste versandt und statutenkonform eingeladen. Die Versammlung ist somit beschlussfähig. Der Präsident nimmt die eingegangenen Entschuldigungen zur Kenntnis, verzichtet jedoch auf deren Verlesung. Stimmberechtigt sind alle Mitglieder sowie die Gemeindevertreter der Mitgliedergemeinden.

Anschliessend an die Generalversammlung folgen zwei Kurzreferate aus dem Wettbewerb zur Auszeichnung von Maturaarbeiten am Gymnasium Interlaken 2016. Zwei der vier prämierten Arbeiten werden vorgestellt, beide zu musika- lischen Themen: «Das Waldhorn und das Alphorn. Eine Gegenüberstellung.» von Till Aerni und «Wie wird ein Jodelllied instrumental begleitet?» von Ines Wittwer. Die anderen zwei prämierten Arbeiten, «Dynamik der Hotellerie- entwicklung in der Gemeinde Interlaken in den letzten 125 Jahren» von Carla Maeder und «Der Talzuschub an der First. Eine Spurensuche.» von Jan Mathys, können wegen Terminkonfikten (Studienwoche, Sportanlass) der beiden Autoren leider nicht präsentiert werden.

1. Protokoll der 84. GV vom 12. Februar 2016 Das Protokoll ist im Jahrbuch 2016 abgedruckt (Seiten 15 – 22). Auf das Verle- sen wird verzichtet, eine Diskussion wird nicht verlangt. Das Protokoll wird einstimmig genehmigt. Danke an die Verfasserin des Protokolls, Daniela Flück.

2. Jahresbericht Der Präsident Andreas Fuchs informiert die Versammlung über die Arbeit des Vorstandes im vergangenen Jahr. Diese Informationen sind auch im Jahresbe- richt 2016 auf den Seiten 7 bis 14 nachzulesen.

In den letzten Jahren wurde beim UTB viel von Projekten geredet und viel geplant. Deshalb ist es besonders erfreulich, dass nun viele dieser Projekte realisiert werden konnten, darunter auch positive Beispiele, die aufgrund eines Anstosses oder einer aktiven Rolle des UTB umgesetzt worden sind.

19 Noch in Planung steht das Projekt Uferweg Interlaken – Därligen, das den UTB bereits seit einigen Jahren beschäftigt. Hier begegnen sich auf engstem Raum verschiedenste Interessen und Nutzergruppen: Das Naturschutzgebiet Weisse- nau, der Vogelschutz, eine Nationale Wanderweg- und Veloroute, der Ufer- weg, der Panorama Rundweg Thunersee sowie die Nationalstrasse und die Eisenbahn (BLS). Die fehlende ufernahe Verbindung für den Langsamverkehr ist dabei ein roter Punkt auf der Karte. Von Interlaken her landet man zurzeit in einer Sackgasse; auf dem Fahrrad muss man auf die Hauptstrasse auswei- chen, zu Fuss den Umweg hoch am Hang in Kauf nehmen. Der UTB strebt eine Lösung an, die unabhängig von der Entwicklung bei BLS und Nationalstrasse umsetzbar ist. Sehr erfreulich ist dabei, dass zusammen mit der Gemeinde Därligen ein Konsens besteht, und dass die Gemeinde bereit ist, als planerische Grundlage für die Anliegen des Langsamverkehrs ihre Uferschutzplanung an- zupassen. Diese Woche hat die Startsitzung für die neue Uferschutzplanung stattgefunden. Damit soll der nötige Spielraum geschaffen werden, um auf verschiedene, aktuell teilweise noch nicht planbare Einfüsse zu reagieren. Der kürzlich kommunizierte Beschluss, dass die Zurückstufung der Nationalstrasse nicht realisiert werden wird, gibt dem UTB Vorhaben zusätzlich Aufwind.

Aus dem Massnahmenpaket «Aarebödeli» zur Aufwertung des Aare-Raums zwischen Brienzer- und Thunersee konnte das Teilprojekt am Marchgräbli (Gemeinde Ringgenberg) fertiggestellt werden: Der Wasserlauf wurde frei ge- schaffen und Amphibienteiche neu gestaltet. Letztere sind nicht direkt mit der Aare verbunden, sodass die Amphibien sicher sind vor Raubfschen. Bei diesem Projekt hat die Gemeinde Ringgenberg in verdankenswerter Weise die Initiati- ve übernommen; fnanziert wurde das Projekt durch den Renaturierungsfonds.

Mit dem Teilprojekt «Englischer Garten» – ebenfalls auf dem Aarebödeli – konn- te leider nicht so rasch vorangegangen werden wie gewünscht. Die Gemeinde Interlaken hat den Projektierungskredit gesprochen, das baubewilligte Projekt wäre bereit für die Umsetzung, das Projekt wurde durch den Gemeinderat Inter- laken jedoch vorerst zeitlich nach hinten geschoben. Geplant ist unter anderem, historische Elemente zu sanieren, den Zugang zum Wasser zu verbessern und den Baumbestand aufzuwerten. Das Ziel des UTB ist, mit Fundraising die nötige Finanzierung zusammenzubringen, damit das Projekt beim Gemeinderat wieder auf die Traktandenliste gesetzt werden kann. Bisher sind CHF 200’000.– zu- gesprochen worden, es werden noch weitere Sponsoren gesucht.

20 Das Hangfussgerinne am Gwattstutz war ein kleiner überwachsener Entwäs- serungsgraben am Fuss des Hangs bei Einigen gegen den Deltapark zu. Dieses Gräbli wurde nun freigelegt, ausgeholzt und zu einem offenen Gewässer ge- macht. Das schön aufgewertete Gerinne ist einen Besuch wert, der ideal mit einem Abstecher zur Neubebauung der ehemaligen Heimstätte Gwatt im Deltapark kombiniert werden kann.

Im Gwattlischenmoos soll der Schilfschutz erhalten bleiben, um das Schwemm- holz, das bei Gewittern von der Kander oft in grossen Mengen herangeführt wird, aus dem Schilf fernzuhalten. Der alte, defekte Schutzzaun muss neu er- stellt werden. Für eine solche Instandstellung ist es schwierig, fnanzielle Mittel zu beschaffen. Deshalb wird die Massnahme mit einem beitragsfähigen Auf- wertungsprojekt ergänzt. Der UTB ist Bauträger für das Projekt, in enger Zu- sammenarbeit mit dem kantonalen Renaturierungsfonds. Letztes Jahr hat eine Ämterkonsultation stattgefunden, ein Ingenieurbüro ist für die Projektleitung und -umsetzung angestellt worden, und die Koordination mit der Stadt Thun betreffend des benachbarten Bonstettenparks ist in Bearbeitung. Der Bon- stettenpark soll ebenfalls aufgewertet und die barocke Gartenanlage, mit dem künstlich angelegtem Teich in der Achse des Bonstettengutes wieder herge- stellt werden. Dafür sollen im vorderen Teil Ersatzmassnahmen getroffen und ein besserer Übergang vom Schutzgebiet Gwattlischen Moos zum Bonstetten Park geschaffen werden. Der Uferbereich mit seinen vorgelagerten Inseli ist als Standort von europäischer Bedeutung für Zugvögel ein wichtiges Vogelschutz- gebiet. Diese Woche hat eine Begehung zur Koordination der beiden Projekte stattgefunden. Diese werden aufeinander abgestimmt, aber unabhängig von einander durchgeführt.

Das Massnahmenpaket «Treffpunkt Pilgerweg» wurde vom damals nicht mehr weitergeführten Naturpark Thunersee-Hohgant durch den UTB übernommen und zum Brienzersee hin erweitert. Im Bereich der Beatushöhlen werden nun stückweise, als Teilprojekte, zerfallene Mauern saniert. An diesem Abschnitt des Pilgerwegs sind keine Freiwilligenarbeitseinsätze möglich, da die Mauerar- beiten im steilen Gelände spezialisiertes Arbeiten erfordern. Profs mit viel Erfahrung im Bau von Trockenmauern haben im Herbst vier Mauerabschnitte saniert und kurz vor Weihnachten fertiggestellt.

21 Ebenfalls am Pilgerweg, in Ringgenberg, wird zusammen mit der Einwohner- gemeinde ein grösseres Projekt umgesetzt. Die Gemeinde hatte Bedarf, den historischen Hohlweg zu sanieren und teilweise etwas zu verbreitern, um den Zugang zum Geschiebesammler zu verbessern. Hier muss bei starken Gewit- tern in kurzer Zeit viel Geschiebe wegtransportiert werden können. Eine Weg- verbreiterung birgt aber das Risiko, dass der historische, schön geschwungene Weg seinen Charakter verliert. Der UTB hat es sich deshalb zur Aufgabe ge- macht, die beiden Ansprüche zusammenzubringen und die Bundesfachstelle für historische Wege ins Projekt einzubeziehen. Auf der Baustelle wurde der Rohbau des sanierten Weges bereits gemacht, die Leitungen eingelegt und das Trassee abgesenkt, in dem früher alles im Geschiebesammler angehäufte Material möglichst ortsnah deponiert worden ist. Demnächst wird mit dem Aufbau der Trockenmauern begonnen. Am 29. April 2017 fndet ein Tag der offenen Baustelle mit Führung durch den Trockenmauerspezialisten statt, zu der Alle herzlich eingeladen sind. Die Einladung wurde dem Jahrbuchversand beigelegt und ist auch auf der UTB Homepage zu fnden.

Nebst aktiv bearbeiteten Projekten hat der UTB auch einige Förderbeiträge gesprochen: In Einigen hat ein privater Verein die Ländte sanieren wollen, so dass die BLS diese Ländte wieder anfährt. Auf Saisonbeginn 2016 hat der Verein sein Ziel erreicht. Der UTB hat mit einem Zustupf von einigen tausend CHF die Finan- zierung sichergestellt. Dies ist ein Beispiel mit Vorzeigecharakter: Es gäbe wei- tere, ähnliche Ländten am Thunersee, die sich davon ermuntern lassen könnten (Därligen, Leissigen), um dadurch den Seeverkehr auf dem Thunersee attrak- tiver zu machen und mehr Möglichkeiten zu schaffen, sich im Umfeld des Sees zu bewegen. Ein Projekt des Kunstmuseums Thun wird ebenfalls mit einem Förderbeitrag unterstützt: Die Ausstellung «Grüne Oase im Wandel – Der Thuner Schadau- park» wird Anfangs März 2017 eröffnet. Der Schadaupark mit seinem Schloss ist in Wandel begriffen; die Ausstellung will die Aufmerksamkeit darauf lenken und die Bauten und den Park zum Diskussionsthema machen. Unter anderem sind Führungen und Workshops mit Schulen geplant, als Grundlage für Themenarbeiten.

Letztes Jahr konnten zwei erfolgreiche Exkursionen durchgeführt werden. Eine grosse Teilnehmerschaft besuchte die Hünegg-Kurve, kombiniert mit

22 einer Besichtigung der Tuffsteingrotte im Schlosspark. Hier ist ein sehr attrak- tiver öffentlicher Badeplatz entstanden, mit einem Flachwasserbereich, Bade- infrastruktur und Grillstellen. Bei der Freilegung der Grotte wurde entdeckt, dass die Grotte unterirdisch bis weit ins Gelände des Hüneggparks hineinreicht und damit eine der grössten noch erhaltenen Tuffsteingrotten in Europa ist. Das Gesamtausmass ist um vieles grösser als angenommen, und die Freilegung wird deshalb noch eine Weile dauern. Die zweite Exkursion führte zur renaturierten Brunnenquelle am oberen Ende des Brienzersees unter der Leitung von Andreas Huggler, zusammen mit Martin Flück, dem zuständigen Fischereiaufseher. Dieser präsentierte mit einer Ausfschung eindrücklich, was in der Flachwasserzone dieses Quelleneinlasses alles an Fischarten vorkommt. Beim anschliessenden Besuch der Aarekies Brienz AG wurde klar, warum sich das Kieswerk gerade dort befndet. Ohne die Kiesgewinnung befände sich an der Mündung der Aare ein Delta von der Grösse des Kanderdeltas. Die Kiesgewinnung ist also eine win-win Situation, bei der einerseits der wertvolle Rohstoff Kies gewonnen und andererseits das Delta bewirtschaftet wird, um den Geschiebehaushalt im Gleichgewicht zu halten.

Im Naturschutzgebiet Weissenau fand wie jedes Jahr die traditionelle Uferput- zete statt, zudem mehrere Pfegeeinsätze und eine Sicherheitsholzerei, alle begleitet von Ruedi Wyss, dem Gebietsbetreuer der kantonalen Abteilung für Naturförderung. Die jährliche Absprache mit allen Playern um die Weissenau stellt in Form der sog. Weissenaubegehung die Koordination von Arbeiten und Ansprüchen sicher. Peter Zingg weist in seinem Jahrbuchbericht zur Weissenau auf die Arbeiten zum Monitoring des Schilfschutzes hin und auf die Problema- tik von Schwemmholz und Plastikabfällen. Auch letztes Jahr wurden Wasser- vogelzählungen durchgeführt. Dieser Einsatz von Hans Fritschi und seinen Helfern trägt zu einer wertvollen Langzeit-Statistik bei.

Das diesjährige Jahrbuch beinhaltet nebst der Verbandstätigkeit spannende Beiträge u.a. über General Guisan in Interlaken, die mittelalterliche Kirchenru- ine in Goldswil, das Klima-Archiv im Faulenseemoos, botanische Besonder- heiten im städtischen Raum oder den Uferschutz am Bielersee. Andreas Fuchs bedankt sich beim Redaktionsteam um Gisela Straub und Sibylle Hunziker für das gelungene Jahrbuch, als wertvolles und sichtbares Produkt der UTB-Arbeit. Herzlichen Dank auch allen Sponsoren, die mithelfen, dass das Jahrbuch in dieser Qualität zustande kommen kann!

23 Vizepräsident Peter Zingg bedankt sich bei Andreas Fuchs für den reich bebil- derten Jahresbericht und stellt diesen zur Diskussion. Der Jahresbericht wird mit Applaus genehmigt.

3. Jahresrechnung 2016 Für die Präsentation der Jahresrechnung 2016 übergibt der Präsident das Wort dem Vorstandsmitglied Ulrich Blunier. Die Jahresrechnung schliesst mit einem Aufwand von Fr. 109’793.17 gegenüber Einnahmen von Fr. 41’550.78 ab. Daraus resultiert ein Ausgabenüberschuss von Fr. 68’242.39. Budgetiert war ein Ausgabenüberschuss von Fr. 85’300.–.

Ueli Blunier weist darauf hin, dass der UTB zurzeit vom «Eingemachten» lebt. Wenn der Verband seine Aktivitäten längerfristig so aufrechterhalten will, muss er auf der Einnahmenseite mehr bewegen. Es bräuchte erheblichen zu- sätzlichen Aufwand um neben den laufenden Projekten noch nach neuen Geldmitteln Ausschau zu halten. Im vergangenen Jahr war der Verband aber mit den laufenden Projekten voll ausgelastet.

Der Kontrollstellenbericht der Revisoren R. Bachmann und Ch. Ott weist ein Verbandsvermögen von Fr. 1’157’863.57 per 31.12.2016 aus. Die Revisoren haben den Jahresbericht kontrolliert und empfehlen der Versammlung, diesen zu genehmigen. Die Jahresrechnung wird zur Diskussion gestellt, unter Anwe- senheit des Revisors R. Bachmann. Die Rechnung wird einstimmig genehmigt und die verantwortlichen Organe damit entlastet.

4. Budget 2017 Ulrich Blunier erläutert der Versammlung das Budget für das Jahr 2017 mit einem Ausgabenüberschuss von Fr. 88’300.00. Das Budget 2017 ist vergleichbar mit demjenigen des Jahres 2016. Andreas Fuchs erläutert dazu, dass die Vielzahl von Projekten ein professionelleres Pro- jektmanagement erfordern und einen erhöhten Arbeitsaufwand bedeuten. Die fnanziellen Mittel, die der UTB einsetzt, ergeben dann aber auch für Alle sichtbare Resultate. Der Vorstand empfehlt der Versammlung, das vorgelegte Budget zu geneh- migen. Die Versammlung stimmt dem Budget 2017 einstimmig zu.

24 5. Wahlen Dieses Jahr fnden keine Wahlen statt. Hingegen hat eine personelle Änderung bei der Geschäftsstellenleitung stattgefunden. Die bisherige Geschäftsstellen- leiterin Daniela Flück hat sich aufgrund familiärer und beruficher Verände- rungen entschieden, das Amt abzugeben. Monika Schaffner hat die Leitung der Geschäftsstelle auf den 1. Januar 2017 übernommen. Andreas Fuchs verabschiedet Daniela Flück und bedankt sich im Namen des Verbandes für ihre Arbeit in den beiden vergangenen Jahren.

6. Verschiedenes Herbert Seiler, Gemeindepräsident in Bönigen, dankt dem UTB im Namen der Anliegergemeinden für das Engagement zum Schutz und zur Verschönerung der Ufer der beiden Seen und wünscht viel Erfolg für die kommende Zeit.

Kaspar Boss, Gemeindevertreter Interlaken, bedankt sich beim UTB für dessen Einsatz zugunsten der Allgemeinheit. Der eindrückliche Jahresbericht zeigt, wie breitgefächert das Engagement des Verbandes ist für die Region, Natur, Umwelt und das Landschaftsbild.

Peter Fiechter, Präsident Fischereipachtvereinigung Interlaken, richtet Grüsse von der Fischereipachtvereinigung aus und dankt für die Einladung. Er orien- tiert die Anwesenden über laufende Projekte im Kanton und die Tätigkeiten des Pachtvereins. Um den abnehmenden Fischbestand und den Rückgangs der Artenvielfalt in den Fliessgewässern aufzuhalten, ist im Kanton Bern ein Pfan- zenschutzprojekt in Planung. Dessen Ziel sei es, die Landwirte auf freiwilliger Basis und mit Entschädigungen dazu zu motivieren, weniger Pfanzenschutz- mittel (Insektizide, Herbizide, Fungizide) zu verwenden und damit die Um- weltbelastung zu verringern. Innerhalb der nächsten 10 Jahre soll auf diese Weise der Einsatz von Pfanzenschutzmitteln um 50 % reduziert werden. In der Schweiz werden pro Hektar dreimal mehr derartige Stoffe verwendet als in Deutschland oder Österreich. Der Bernische Fischereiverband möchte – wie bei der Jagd – den Hegebeitrag einführen und in Zusammenarbeit mit dem Fischereiinspektorat die Fischereiaufsicht verbessern. Zwecks Diskussion und Planung von konkreten Massnahmen sind ein Workshop und eine Umfrage geplant. Mit der Fischereibiologin Karin Scheurer hat der Kantonalverband eine neue Geschäftsführerin. Im Bereich Wasserkraft sucht die Pachtvereini- gung (PV) Interlaken mit den Kraftwerken gemeinsam nach Lösungen, damit

25 Kleinwasserkraftwerke verhindert werden können. Neben erheblichen Beein- trächtigungen der Natur, würden diese nur einen bescheiden kleinen Anteil an die Energiewende beitragen. So engagieren sich die Fischer in einer Begleit- gruppe zum Trift-Projekt, aber auch mittels Einsprachen z.B. gegen das Projekt am Sousbach. Am Thunersee erhebt die PV Einsprache gegen die Wasserski- Slalom Anlage in der Nähe der Weissenau. In Interlaken West ist eine Fisch- heberinne im Bau, Fertigstellung voraussichtlich im April. Ab Mai /Juni sind Erfolgskontrollen vorgesehen. Die Videoanlagen in der Mühle (Unterseen) zeigen sehr positive Befunde bei der bereits erstellten Anlage. Peter Fiechter dankt dem UTB für die Zusammenarbeit bei der Renaturierung der Gewässer und beim Schaffen neuer Lebensräume und wünscht viel Erfolg bei den weiteren und gemeinsamen Tätigkeiten.

Andreas Fuchs bedankt sich bei Peter Fiechter und würdigt auch die Arbeit der Fischereipachtvereinigung.

Ernst Schneiter weist auf die Veränderungen im Fischereiwesen und der Ge- wässerqualität in den letzten Jahrzehnten bei Faulensee hin. Wo früher vier Berufsfscher täglich einen Camion mit gefangenen Fischen füllten, sind heute noch zwei Berufsfscher zu sehen; und das früher weit verbreitete Eglikraut sei verschwunden.

Samuel Zurbuchen, Gemeindepräsident Ringgenberg, bedankt sich im Namen der Einwohnergemeinde Ringgenberg für die gute Zusammenarbeit. Insbe- sondere wirbt er für die renovierte Kirchenruine Goldswil, in deren Turm eine vom UTB mitfnanzierte neue Glocke hängt. Die Arbeiten seien praktisch fertig und das Resultat äusserst sehenswert. Die Einweihung, zu der alle herzlich eingeladen sind, fndet statt am 1./ 2. Juli 2017.

In einer kurzen Vorschau auf das Jahr 2017 weist Andreas Fuchs auf die fol- genden Anlässe hin:

– Uferputzete am 25. Februar 2017, ab 8.30 Uhr in der Weissenau In diesem Zusammenhang bedankt sich Andreas Fuchs bei Astrid Oehl, die mit regelmässigen, vielfältigen Fotografen aus der Weissenau unsere Homepage bereichert.

26 – Exkursion mit Tag der offenen Baustelle am Hohlweg Ringgenberg am 29. April 2017

– Exkursion am Rebberg Spiez, inkl. Weindegustation am 17. Juni 2017

Die nächste GV fndet am Freitag 16. Februar 2018 statt.

Mit einem herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit der Anwesenden schliesst der offzielle Teil der Generalversammlung um 17.00 Uhr.

Es folgen zwei spannende Kurzreferate der prämierten Maturaarbeiten mit musikalischer Umrahmung: «Das Waldhorn und das Alphorn – Eine Gegenü- berstellung» von Till Aerni und «Wie wird ein Jodelllied instrumental beglei- tet?» von Ines Wittwer.

Für das Protokoll:

Monika Schaffner 17. Februar 2017

27 Neue Mitglieder 2017

– Frey Annie, Haldenweg 15e, 3626 Hünibach – Hufschmid Jürg, Kirchgasse 64, 3812 Wilderswil – Knittel Raoul, Winterfeldweg 111, 3018 Bern – Merlo Roland, Mätteli 288 c, 6085 Goldern – Meyer Adolf, Dorfstrasse 45, 3707 Därligen – Moeri & Partner AG, Mühlenplatz 3, 3000 Bern 13 – Rieben Urs, Helvetiastrasse 53, 3800 Unterseen – Schaffner Monika, Tannenbühlweg 2, 3652 Hilterfngen – Schluchter Olivia, Wartbodenstrasse 1d, 3626 Hünibach – Steiner Salome, Rufeliweg 3, 3626 Hünibach – Zurbuchen-Dauwalder Andreas, beim Kreuz 480, 3804

Mitgliederbestand 2016 2017

Gemeinden 20 20 Korporationen & Gesellschaften 75 73 Einzel- und Paarmitglieder mit Jahresbeitrag 342 338 Ehrenmitglieder 1 1

Total 438 432

Thun, 1. Dezember 2017/as

28 Der UTB dankt den Sponsoren der Produktionskosten für das Jahrbuch 2017

Bank EKI, Rosenstrasse 1, 3800 Interlaken; www.bankeki.ch

Berner Kantonalbank, Höheweg 35, 3800 Interlaken; www.bekb.ch

Die Mobiliar, Generalagentur Interlaken-Oberhasli, Spielhölzli 1, 3800 Unterseen; www.mobi.ch

Gemeinnütziger Frauenverein Interlaken, 3800 Interlaken; www.frauenverein-interlaken.ch

Golfclub Interlaken-Unterseen, Postfach 110, 3800 Interlaken; www.interlakengolf.ch

Interlaken Tourismus, Höheweg 37, 3800 Interlaken; www.interlaken.ch

Mätzener & Wyss Bauingenieure AG, Hauptstrasse 21, 3800 Unterseen; www.mw-ing.ch

Raiffeisenbank Jungfrau, Beim Ostbahnhof, 3800 Interlaken; www.raiffeisen.ch/jungfrau

Thomann Druck AG, Museumsstrasse 23, 3855 Brienz; www.thomanndruck.ch

29 Christoph Flück, Frühling, 105 x 80 cm

30 Dank für Honorarverzicht

Auf ihre Autorenhonorare verzichtet und Reproduktionsgenehmigungen geschenkt haben:

Werner Gartenmann Silvio Keller Andreas Zurbuchen

Anne-Marie Günter Christoph Flück Christoph Wyss Beat Wirth Geotest AG Interlaken Tourismus

Kantonales Amt für Wald, Abteilung Naturgefahren

Swisstopo (Kartenmaterial für die Publikation der Maturarbeiten)

31 32 Sanierung der Trockensteinmauern Hohlweg Ringgenberg

Das bisher grösste Projekt des UTB und einer Standortgemeinde am Pilger- weg ist dank der guten Zusammenarbeit von Bauherrschaft, Unternehmen und Fachstellen gut gelungen. Die folgenden Texte stammen aus einer von der Gemeinde Ringgenberg und UTB gemeinsam herausgegebenen Broschüre, in der Beteiligte aus ihrer jeweiligen Perspektive über Herausforderungen, Sinn und Zweck des Projekts berichten.

Vorwort des Gemeindepräsidenten Samuel Zurbuchen Der Hohlweg, oder historische Pilgerweg Gstyg-Rosswald, wie er heute be- nannt wird, war jahrhundertelang ein Teilstück der wichtigen Wegverbindung zwischen Interlaken und Brienz. Sowohl als Handelsweg wie auch als Pilger- weg war er von grosser Wichtigkeit. Heute ist der Weg im Bundesinventar historischer Verkehrswege von Nationaler Bedeutung. Der Erhalt und die Sanierung der wunderschönen geschützten Trockenmauern sowie eine minimale Wegverbreiterung war schon längere Zeit ein Anliegen der Dorfbewohner. Im Jahr 2015 konnte die Einwohnergemeinde Ringgenberg als Grundeigentü- merin mit dem Uferschutzverband Thuner- und Brienzersee UTB eine Arbeits- gruppe für die Planung, Finanzierung und Ausführung der vorgesehenen Arbeiten gründen. Dank der guten Zusammenarbeit mit den Fachstellen und den Grundeigentü- mern sowie den Unternehmungen konnte 2017 in kurzer Zeit das erste und wichtige Teilstück Tägerlouena-Rosswald fertig erstellt werden. Wir sind verschiedenen Personen und Institutionen zu grossem Dank verpfichtet, dass wir nun einen solch wunderschön sanierten Hohlweg haben: Ingenieur Peter Michel für die Planung und Bauleitung, dem Uferschutzver- band Thuner- und Brienzersee mit dem Präsidenten Andreas Fuchs sowie Anita Knecht vom Büro Impuls AG für die fachliche Beratung. Ein grosser Dank geht aber auch an die am Bau beteiligten Firmen Murkowsky Trockenmauern Bern sowie Nufer Anderegg Bau AG Ringgenberg. Bedanken möchten wir uns auch bei allen Fachstellen für die kompetente Un- terstützung und all denen, die mit einem fnanziellen Beitrag diese Sanierungs- arbeiten überhaupt möglich gemacht haben.

33 Dieser nun fertig erstellte Pilgerweg ist eine weitere kulturelle Sehenswürdig- keit in Ringgenberg. Pilgern und Wandern ist heute im Trend. Unser Dorf mit den verschiedenen historischen Baudenkmälern bietet den Besuchern interes- sante Möglichkeiten, um hier zu verweilen. Für den nun fertig sanierten Pilgerweg wünsche ich mir, dass viele Gäste und Dorfbewohner den Weg begehen und die wunderschöne intakte Natur und Landschaft geniessen können.

Auszug Totenrodel von Ringgenberg Brachmonat 13. 1800 «Würde dem Josepf Lunthi Bärtsinger von St. Gallen, einen durchreisenden Armen, ein Kind allzufrüh und tot geboren, den 15ten in der Stille begraben.» (geboren in einer Scheune an der alten Landstrasse, in der Nähe von der Bruders- matte.) Ort erzählt von Vater Fritz Imboden.

Beschrieb aus dem Steuerrodel Die Tegerlouwena ist die Weid biss zu Mittenbracher. Stosst obhin an die Land- strasse oben an die Almend, Inne an Christen Michel sind alle beschriebene Stückig Ku Winterung. Die Bruder matten stosst ims an die Almend, oben an die Landstras niden an Heini Kienholz.

Bericht des Ingenieurs Peter Michel, Michel + Gerber Ingenieurbüro GmbH, Ringgenberg

Einleitung Für die Erarbeitung des Projektes «Ausbau und Erhaltung des historischen Pilgerweges» in Ringgenberg war es eine Herausforderung, die historischen Werte zu erhalten, den Anliegen von Naturschutz und Umweltschutz Rech- nung zu tragen, aber auch die Interessen der Einwohnergemeinde Ringgen- berg und der Anstösser zu berücksichtigen. Insbesondere wurde auch ver- sucht, den ökonomischen Interessen der Landwirtschaft Rechnung zu tragen. Wegen dieser sensiblen Ausgangslage sind schon früh in der Projektphase die zuständigen Fachstellen in die Planungsarbeiten einbezogen worden. Dass der Uferschutzverband Thuner- und Brienzersee UTB als Mitbauherrschaft ins

34 Der Pilgerweg Gstyg – Rosswald (Foto: Sibylle Hunziker)

Projekt involviert werden konnte, war ein massgeblicher und bedeutender Schritt für eine fachlich kompetente Realisierung des Bauvorhabens. In der Ausführungsphase hat eine ständige, gute und fachkompetente Zusam- menarbeit zwischen Bauherrschaft, Bauleitung, Bauunternehmern und den einzelnen Fachstellen stattgefunden. Ein grosser Dank geht an alle am Projekt beteiligten Fachleute und Mitarbeiter für die stets sehr angenehme und kons- truktive Zusammenarbeit, aber auch an alle Mitarbeiter auf der Baustelle für die sorgfältige und fachlich kompetente Ausführung aller Arbeiten.

Ausgangslage Der Weg vom Gstyg zum Rosswald ist Teil des Pilgerweges und ein relativ gut erhaltenes IVS-Schutzobjekt von nationaler Bedeutung mit viel Substanz. Er dient heute als Fuss- und Wanderweg, ist Teil einer Bikeroute und wird auch recht intensiv für landwirtschaftliche Belange benutzt. Der westliche Bereich des Weges, vom Gstyg bis zur Tägerlouena, weist für alle Belange eine genü- gende Wegbreite auf, und auch qualitativ genügt dieser Teil mehrheitlich allen Ansprüchen. Im östlichen Teil von der Tägerlouena bis zum Rosswald war je- doch ein Durchkommen mit grösseren, respektive breiteren Fahrzeugen nicht möglich. Die bestehenden Natursteinmauern waren teilweise in einem desola- ten Zustand und drohten zu verfallen. Im fachen Wegstück, im Bereich des Tränketroges, war die Wegoberfäche gegenüber dem ursprünglichen Zustand bis 50 cm zu hoch, da dort überführtes Geschiebematerial vom Rütigraben abgelagert und nicht entfernt wurde. Deshalb waren auch die Natursteinmau- ern in diesem Bereich teilweise kaum mehr sichtbar.

35 Wegverbreiterung Seit dem Jahre 2007 ist die Verbreiterung des Weges auf allen Ebenen und unter Einbezug der zuständigen Behörden und Ämtern intensiv diskutiert wor- den. Ausschlaggebend für die notwendige Verbreiterung des Weges auf eine minimale lichte Breite von 3,00 m ist die Entleerung des Geschiebesammlers in der Tägerlouena. Vor- und Nachteile einer Zufahrt von Westen oder von Osten wurden einander gegenübergestellt. Da die Zufahrtsstrasse auf der Westseite, die sogenannte Gstygstrasse, mit einer Gewichtsbeschränkung belegt ist, kann diese nicht mit genügend grossen Lastwagen für eine Entleerung des Geschiebesammlers befahren werden. Der Geschiebesammler in der Täger- louena hat eine Kapazität von 1600 m³. Ein Abtransport des Materials mit Kleingeräten wäre nicht zumutbar. Der Abtransport von Geschiebematerial muss deshalb nach Osten hin erfolgen. Um die Wegbreite vor allem in den Kurven auf die effektiv notwendige Breite zu bringen und somit den berechtigten Anliegen der Fachstellen entgegen zu kommen, wurde die Strecke vor der defnitiven Erstellung der Trocken- mauern mit einem LKW abgefahren und die Fahrbahnbreite festgelegt und markiert.

Wegaufbau/Wegoberfäche Die oberste Schicht des bestehenden Weges wurde abgetragen und durch eine 15 bis 30 cm starke Fundationsschicht aus Kiessand ersetzt. Dem gebro- chenen Planiermaterial ist in der obersten Schicht rundes Kieselmaterial beige- streut worden. Auf eine künstliche Begrünung der Wegoberfäche ist bewusst verzichtet worden, diese soll natürlich erfolgen. Ziel ist es, dass der Weg eine naturnahe Erscheinung erhält, das heisst, die Fahrspuren sind sichtbar, Bankette und Mittelstreifen sollen aber natürlich begrünt erscheinen.

Bericht des Uferschutzverbandes Thuner- und Brienzersee UTB

Treffpunkt Pilgerweg Mit dem Projekt «Treffpunkt Pilgerweg» setzt sich der Uferschutzverband Thuner- und Brienzersee UTB längerfristig für den historischen Pilgerweg ent- lang der Thuner- und Brienzerseeufer ein. Das Projekt «Treffpunkt Pilgerweg» wurde 2006 durch den Verein «Naturpark Thunersee-Hohgant» ins Leben gerufen und nach dessen Aufösung im Jahr 2012 vom UTB übernommen.

36 Mit ökologischen Aufwertungs- und Pfegemassnahmen und mit dem Sanieren von Trockenmauern will der Verband die für die Region typischen Kultur- und Naturwerte zusammen mit Partnern pfegen und unterhalten. Mit den landschaftspfegerischen Einsätzen werden folgende Ziele angestrebt: – Der Treffpunkt Pilgerweg ist ein Pilotprojekt zur gezielten Gestaltung und Pfege von Wald und Kulturlandschaft entlang des Jakobsweges im Hinblick auf ihre Erholungswirkung. – Die ökologisch wertvolle Natur- und Kulturlandschaft entlang dem Pilgerweg wird gepfegt, weiterentwickelt und aufgewertet. – Am Pilgerweg arbeiten die Menschen aktiv an einer gemeinnützigen, Länder und Zeiten überschreitenden Idee und gestalten sie mit. Sie lernen, erleben und begegnen sich. – Der Pilgerweg ist mit seinem landschaftspfegerischen Angebot und seinem kulturgeschichtlichen Hintergrund bei Schulen, Firmen und Organisationen bekannt. – Der Pilgerweg im Gebiet Thunersee führt nicht «nur» durch die Land- schaft, sondern er führt die Menschen durch das Erlebnis zu sich selber. – Informationen und Lenkung entlang des Pilgerweges vertiefen das Wissen und geben Einblicke in besondere Werte.

Aufwertung des Pilgerwegs am Thuner- und Brienzersee Die bisherigen Arbeiten entlang des Thunerseeufers haben gezeigt, wie wertvoll und geschätzt dieser Einsatz ist. So konnten viele wertvolle Trocken- mauern, die am Zerfallen waren, wieder aufgebaut werden, die Budelbach- brücke erhielt ein neues Schindeldach, die historische Lucktreppe wurde saniert und ökologische Massnahmen konnten umgesetzt werden. Im Herbst 2016 wurden vier Trockenmauerabschnitte bei den Beatushöhlen saniert. Die neu aufgebauten Mauern sind sehenswert, und sie bieten ökologische Nischen für Tiere und Pfanzen und stabilisieren das steile Gelände. Mit der Sanierung der Trockenmauern am historischen Pilgerweg in Ringgen- berg wurde nun ein erstes Projekt am Brienzersee realisiert. Der Pilgerweg- Abschnitt in Ringgenberg ist Bestandteil des Bundesinventars der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS) und zeichnet sich durch die geschwungene und mit Trockenmauern umrahmte Wegführung aus. Die meisten Mauern waren bereits stark eingewachsen oder teilweise eingestürzt. Der UTB hat dieses Projekt in gemeinsamer Bauherrschaft mit der Gemeinde umgesetzt.

37 Ziel dabei war es, den Hohlweg trotz der notwendigen punktuellen Verbreite- rung in seinem geschwungenen Charakter zu erhalten und den Eingriff auf das nötigste zu beschränken. Der UTB diente dabei als Bindeglied zwischen den Anliegen der Gemeinde und den Anforderungen der Fachstellen an den histo- rischen Verkehrsweg.

Pilgern am Thuner- und Brienzersee Pilgern ist nach wie vor stark im Trend, mit steigender Tendenz. Begonnen hat diese Entwicklung im Jahr 1987, als der Europarat die Pilgerwege ans Grab des heiligen Jakobus in Santiago de Compostela (E) zur ersten europäischen Kul- turstrasse erklärte. Ein Abschnitt dieses als «Jakobsweg» bekannten histo- rischen Pilgerweges führt als Kulturweg der Schweiz Nr. 4 «Via Jacobi» von Konstanz her kommend über die Zentralschweiz entlang der Ufer von Brienzer- und Thunersee in Richtung Genf. Der Pilgerweg entlang des Thuner- und Brienzersees ist abwechslungsreich und landschaftlich sehr reizvoll. Da südexponiert und sonnig, wachsen hier verschiedene Waldgesellschaften, artenreiche Blumenwiesen, es gibt ein- drückliche Felspartien und Schluchten. Unterwegs werden auch immer wieder Blicke frei auf das atemberaubende Panorama der Schneeberge. Der Weg ist zum grossen Teil gut unterhalten. Trotzdem ist ein grosses Aufwertungspoten- zial vorhanden: Viele Begleitmauern zerfallen und werden z.T. behelfsmässig mit Mörtel gefickt. Standortfremde Pfanzen verdrängen zunehmend die ein- heimische Flora, Rastplätze sind wenig einladend, zerfallende Umzäunungen aufgegebener Weiden werden zu Wildfallen, Aussichtsbänke bieten keine Aussicht mehr, da das aufkommende Gehölz die Sicht versperrt. Rund 10’000 Personen sind jährlich auf dem Pilgerweg am Thuner- und Brienzersee unterwegs, davon 3000 Personen auf mehrtägiger Wanderreise. Es ist zu erwarten, dass die Zahlen weiter ansteigen. Unterstützend dazu wer- den laufend neue Broschüren, Bücher und Filme zum Thema Pilgern publiziert. Der Pilgerweg wird zu einem Magneten des sanften Tourismus und damit zu einem Aushängeschild der Wanderregion Berner Oberland. Der Hohlweg in Ringgenberg stellt das Kernstück des Pilgerwegs am Brienzersee dar, mit dem grössten zusammenhängenden Verlauf an Trockenmauern.

38 Trockenmauern? Trocken mauern! Thomas Murkowsky

Aller Anfang ist schwer Ich kann mich noch gut an meine erste Woche Zivildienst im Trockenmauer- projekt der Stiftung Umwelt-Einsatz Schweiz erinnern: In Amden oberhalb des Walensees, erste Instruktionen der Bauregeln, Steinbearbeitung und dann gleich los. In der ersten Woche aber vor allem blutige Finger vom Daneben- schlagen mit dem Fäustel, Muskelkater überall und zum Schluss auch noch Regen. Von wegen «trocken» mauern! Und doch ging ich nach der ersten Woche mit einem guten Gefühl nach Hause. Die Mauer ist Dank der anderen, erfahreneren Zivis beträchtlich gewachsen und wir waren mächtig stolz auf unser Wochenwerk, das uns alle überdauern soll. Seither kann ich nirgends mehr vorbeigehen, ohne die vielen Trockenmauern, egal ob in der Schweiz oder im Ausland, zu betrachten und zu staunen.

Thomas Murkowsky (bei der Schubkarre) stiess mit seinen Erläuterungen am «Tag der offenen Baustelle» auf grosses Interesse.

39 Staunen ob der schieren Menge an Arbeit, die geleistet wurde, ob der Qualität, der Vielfältigkeit und Originalität der Mauern und vor allem, wie stimmig diese inmmer in der Landschaft stehen, sie sogar noch besser zur Geltung bringen, quasi wie ein Unterstreichen der jeweiligen ortstypischen Charakteristik. Die vielen Bauprojekte, die realisiert werden, die Freiwilligen, die sich melden, um an Trockenmauern mitarbeiten zu dürfen, die Rückmeldungen von Pas- santen: All das zeigt mir, dass das Interesse für Trockenmauern (wieder) da ist. Immer mehr Menschen sehen den Wert dieser Baukunst und anerkennen de- ren Platz in der Landschaft. Aber was genau macht den die Faszination für diese Mauern aus? Warum fügt sich eine Trockenmauer so gut in das Land- schaftsbild? An drei Stichworten möchte ich meine Überlegungen aufzeigen:

Handwerk Die Arbeitsweise an der Trockenmauer hat sich über all die Jahrhunderte kaum verändert. Klar kommen heute auf grösseren Baustellen Baumaschinen zum Einsatz, die Steine werden mit Lastwagen aus Steinbrüchen angeliefert, die Handwerkzeuge sind von besserer Qualität. Das Trockenmauern (als Tätigkeit!) an sich blieb quasi unverändert. Jeder einzelne Stein in der Mauer wird, ausge- wählt durch das geübte Auge des Maurers, an die passenden Stelle gesetzt. Je nach Anforderung wird der Stein zuvor noch mit Spitzwerkzeugen von Hand bearbeitet, bis der Stein «sitzt». Die Erfahrung und die Kreativität des Maurers, sowie die Grundform der Steine ergeben immer wieder ein anderes, individu- elles Mauerbild, eine Art Handschrift.

Langsamkeit Trockenmauern sind das pure Gegenteil der heutigen schnelllebigen Zeit. Wo andernorts drei Dinge gleichzeitig passieren (Multitasking), alles in immer kürzerer Zeit erledigt sein soll, ein Update drängt, bleibt Trockenmauern eine Tätigkeit, die viel Geduld mit sich, den Steinen und dem Baufortschritt erfor- dert. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Rund einen Quadratmeter Mauer baut ein erfahrener Trockenmaurer durchschnittlich pro Tag. Jeder Maurer arbeitet in seinem Rhythmus, in seinem «Flow», wie man heute sagt. Idealerweise fndet man die innere Ruhe, hängt allenfalls seinen Gedanken nach, kennt die Steine um sich, arbeitet mit ihnen (und nicht gegen sie). An solchen optimalen Tagen mauert es sich fast von alleine, und man geht zufrie- den in den Feierabend. Grosse Hektik und Zeitdruck sind fehl am Platz, sie lassen nur Finger einklemmen, Rücken schmerzen oder Steine zerbrechen.

40 Besucher beteiligen sich am Trockenmauerbau.

Regionalität Korrekterweise werden Trockenmauern mit lokal gewonnenem Stein gebaut, früher als Lesesteine auf Feldern zusammengetragen und /oder an lokalem Fels abgebaut. Dadurch passen bei Trockenmauern Farben, Formen und Pro- portionen immer in die entsprechende Landschaft. Bei Renovationen von be- stehenden Mauern wird deshalb das vorhandene Steinmaterial immer wieder- verwendet und durch Stein aus lokalen Steinbrüchen ergänzt. So kann der ursprüngliche Charakter der Mauer weitgehend erhalten werden, die Mauer bleibt ein Stück Heimat. Leider wird heute immer öfter, meist des Preises wegen, Steinmaterial aus dem (fernen) Ausland und normalerweise auch in grossen Blöcken verarbeitet; die Mauern wirken daher wie Fremdkörper, egal ob entlang der Autobahn, in der Einfamilienhaussiedlung oder in der Landschaft.

Trockenmauern Ringgenberg Seit meinen Anfängen als Trockenmaurer ist mir Ringgenberg ein Begriff. Hier habe ich für meinen ersten Auftrag in Bern die Mauersteine bezogen, damals noch bei der Hartstein AG. Der Steinbruch Ringgenberg ist heute der letzte und einzige Steinbruch im Berner Oberland, der Mauersteine für Trocken-

41 mauern in ausreichender Qualität abbaut. Seither sind dutzende weitere «Ringgenberger»-Mauern dazugekommen, die grösste Mauer 2014 im Reb- berg Oberhofen, die von weitum zu erkennen ist. Die Trockenmauern entlang dem Pilgerweg Rosswald – Gstyg sanieren zu dür- fen, direkt neben dem Steinbruch, war deshalb eine grosse Freude. Wir haben versucht, all die oben erwähnten Vorzüge des Trockenmauerns in die Arbeit einfiessen zu lassen. Dank der geduldigen Bauherrschaft konnten die Arbeiten ohne Hetze und unfallfrei ausgeführt werden. Das aus den abgebrochenen Mauern gewonnene Steinmaterial, das erstaunlich viele Findlinge enthielt, konnten wir fast vollumfänglich wieder verwenden, die zugeführten Steine wurden im Ringgenberger Steinbruch bezogen. Insgesamt haben sechs Maurer in knapp 1800 Arbeitsstunden die Trockenmauern wieder aufgebaut. Die vielen Rückmeldungen der vorbeigezogenen Pilger und Spaziergänger lassen darauf schliessen, dass uns die Arbeit gelungen ist und ein wertvoller Ab- schnitt des Pilgerweges in seinem ursprünglichen Charakter für weitere Gene- rationen erhalten werden konnte.

Der Pilgerweg in Ringgenberg Fredi Bieri, Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz (ASTRA)

Die Weglandschaft am Brienzersee bei Ringgenberg Der historische Weg «im Moos» verbindet Ringgenberg mit Niederried. Seine wichtigste Bedeutung ist es, den hier wohnenden Leuten einen Zugang zu ihren Gebäuden sowie zu den Feldern und Wäldern zu ermöglichen. Er wird auch zur Naherholung zum Spazieren, Wandern oder Rennen genutzt. Die Weglandschaft am linken Brienzerseeufer umfasst zudem eine Reihe weiterer Wege und Transportanlagen: Neben der näher am See verlaufenden Brienzerseestrasse aus dem Jahre 1865 und der Bahnlinie (1916) möchte ich die Autobahn am gegenüberliegenden Seeufer erwähnen, die seit Mai 1988 den überregionalen bzw. nationalen Verkehr aufnimmt. Der See als ehemals tragendes Element im Verkehrsnetz gehört ebenso zur Verkehrslandschaft wie die lokalen Waldwege, Fusswege und sogar die «Heuseile», welche erlauben, die an den steilen Flanken oberhalb des Waldes geernteten Wildheuballen hi- nab zu den Ställen sausen zu lassen. Viele von ihnen sind allerdings nicht mehr in Betrieb.

42 Rund einen Quadratmeter Mauer baut ein erfahrener Trockenmaurer pro Tag.

43 Geschichte der Wegverbindung Bis zur Industrialisierung spielte der See im Verkehrsnetz der Region eine tragende Rolle. Was an Gewichtigem zu transportieren war, wurde zum See gebracht und gelangte mit Schiffen an die Anbindungspunkte der überregio- nalen Verkehrsträger. Diese lagen in Brienz und beim Zollhaus Interlaken oder in Unterseen. Der Landweg, der dem rechten Brienzerseeufer entlang führte, war mit Sicher- heit nur im engeren Bereich der Dörfer eine Strasse von einiger Breite. Nur hier war – in beschränktem Masse – ein Bedarf an einem Strassenraum von einer gewissen Breite gegeben. Zwischen den Dörfern fehlte die Notwendigkeit einer leistungsfähigen Stras- senverbindung, da der Gütertransport auf dem See abgewickelt wurde. Die Wegverbindung musste den Anforderungen der Landwirtschaft (Heu, Holz, Viehtrieb) entsprechen, und auch die landwirtschaftlichen Transportbedürf- nisse waren eher vertikal ausgerichtet: hinunter zum See. Bestimmt war der Weg nicht immer im besten Zustand anzutreffen; das illus- triert etwa die Aussage Johann Rudolf Nöthigers, der 1780 die Zustände bei Goldswil beschrieben hat: «Bei anhaltend Regenwetter ergießen sich zwei Bergbäche durch das Dorf in die Aar hinunter, die aber weiter keinen Schaden tun, als die Dorfgaßen mit Steinen anzufüllen». 1 Nöthiger schrieb zum Weg «im Moos» östlich des Dorfes Ringgenberg: «Hier geht der Weg mit einer Breite von 6 Schuh in einer schönen Allee von Kirsch- und Nussbäumen durch den sogenannten Heggenwald nach Brienz.» 2 Trotzdem ist zweifelhaft, ob der Weg für kleinere, einfachere Karren von Interlaken durchgehend bis Brienz befahrbar war. Wenn man dem Reiseautor Johann Georg Kohl folgen will, dann handelte es sich zur Zeit, als eben der Bau der Fahrstrasse 1846 begon- nen wurde, bloss um einen «schmalen Fusspfad». 3

1 zitiert nach BURI ERNST (Hg.) 1929: Am Brienzersee vor 150 Jahren. Teil 1 (einzig erschienener Teil). Reihe: Bilder aus der Geschichte des Berner Oberlandes 4: Seite 51. Interlaken (= stark bearbeiteter Text von NÖTHIGER 1779 –1780). Seite 51.

2 zitiert nach BURI ERNST (Hg.) 1929: Am Brienzersee vor 150 Jahren. Teil 1 (einzig erschienener Teil). Reihe: Bilder aus der Geschichte des Berner Oberlandes 4: Seite 51. Interlaken (= stark bearbeiteter Text von NÖTHIGER 1779 –1780). Seite 51

3 zitiert nach VOLMAR FRIEDRICH A.1965: . Touristisches und Verkehrsgeschichtliches. In: JTB 1965: 3 –35. Wiederabdruck in Beiträge zur Kultur- geschichte von Brienz, herausgegeben von der Kulturfondskommission der Gemeinde Brienz, Band 2, 1981: 7–39. Brienz.).

44 Ein historischer Verkehrsweg von nationaler Bedeutung

Der Weg, um den es hier geht, ist im Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz IVS eingetragen und zwar wie folgt: Strecke BE 12: Unterseen – Brienz Linienführung 2: Fussweg rechtes Brienzerseeufer Abschnitt 3: Moosrain

Grund für die Einstufung als nationales Objekt ist einerseits der überregionale Verkehrsbezug der Strecke Unterseen – Brienz, die Bern mit den Alpenpässen Grimsel, Brünig und Susten verbindet oder das Oberland mit der Innerschweiz, andererseits die vielfältige, gut erhaltene Bausubstanz und ursprünglich vor- handene Wegbreite. Der Weg ist hier so attraktiv erhalten wie nirgendwo sonst. Der hier beschriebene Weg, der heute als Pilgerweg bekannt ist, wird von ganz unterschiedlichen Personengruppen benützt. Landwirte, Wanderer, Spazier- gänger benützen ihn, um lokale Ziele zu erreichen, die andern streben ein weit entferntes Ziel an, für das sie Tage oder Wochen unterwegs sind und das sie durch die Schweiz und Frankreich nach Spanien führt. Leute aus verschiedenen Ländern pilgern nach Santiago de Compostela im Nordwesten Spaniens zur Kathedrale des beliebten Heiligen Jakobus. Sie erfahren dabei mehr über die lokalen Eigenarten und Landschaften als die Benutzer der Auto- oder der Eisenbahn. Der Pilgerweg ist ein internationaler Fussweg. Die Pilger spielen dabei kaum eine Rolle, wenn es um die Anlage oder den Ausbau von Wegen geht. Sie benutzen seit Jahrhunderten einfach das vorhandene Wegnetz, so, wie es sich ihnen anbietet.

Der Weg zum Projekt Der historische Weg zeichnet sich durch seine trocken gefügten Mauern, seine gewundene Linienführung und begleitende Kleinelemente aus. Die Mauern sind teilweise als in die Böschungen integrierte Stützmauern, teilweise als frei- stehende Mauern gebaut worden, die das Vieh zusammenhalten sollen. Eine Vielzahl weiterer baulicher Elemente wie Eingänge in die landwirtschaftlichen Flächen, ein Brunnen, steil gestellte grössere Steine am Wegrand, Alleebäume und Heckenreste sind vorhanden. Das Steinmaterial wurde einerseits vom Gletscher liegen gelassen, anderes stammt von den Felswänden über dem Weg oder wurde in nahen Steinbrüchen geerntet. Der Weg ist Teil der Land- schaft und erzählt ihre Geschichte.

45 Im Wissen um die Bedeutung des Pilgerweges hat der Uferschutzverband sei- ne Instandstellung an die Hand genommen. Der Eintrag im Inventar und das Vorhandensein von zerfallender Bausubstanz waren der Grund, beim Kanton Bern zuhanden des ASTRA ein Gesuch für eine Finanzhilfe zur Instandstellung des Wegabschnittes einzureichen. Da in der Nähe des Weges ein Kiessammler errichtet wurde, dessen Leerung bei Bedarf über den Weg erfolgen muss, war die Lastwagentauglichkeit und damit die künftige Breite des Weges ein Thema. Historische Merkmale, wie die geringe Breite und die Erhaltung der historischen Substanz, standen modernen Ansprüchen gegenüber. Der Ingenieur war gefordert, gegensätzliche Interessen in ein Projekt zu packen: Den historischen Verlauf und bauliche Substanz ungeschmälert zu erhalten bzw. ein Befahren mit schweren Lastwagen zu ermöglichen. Es war ein Ringen und Diskutieren, ein Verhandeln und Feilen an der optimalen Lösung.

Fazit Das Projekt war das Resultat der Zusammenarbeit von Behörden, Planern, Geldgebern und Nutzern. Das waren insbesondere der Uferschutzverband Thuner- und Brienzersee, die Gemeinde Ringgenberg, das ASTRA, der Fonds Landschaft Schweiz und der Ingenieur. Es wurden Anforderungen und Lösungsansätze diskutiert, Begehungen gemacht und das Projekt verfeinert. Die gefundene Lösung, das Ergebnis der Instandsetzung zeigt einen «neu gebauten, historischen Weg», der seine Linienführung behalten hat und von wunderbar gebauten, stabilen Trockenmauern begleitet ist, die nach bester Handwerkskunst gefertigt sind. Die Mauern werden bald wieder von allerhand Tieren und Pfanzen bewohnt werden und die Funktionen und den Charme ihrer Vorgängerinnen voll und ganz übernehmen. Kurz: Ein in die Landschaft integrierter attraktiver Weg für die Leute im Dorf, das wandernde und pilgernde Volk, sowie die Erholungssuchenden, aber auch für Tiere und Pfanzen, die hier ihre Lebensräume haben.

Das Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz IVS stützt sich auf das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz NHG vom 1. Juli 1966. Zuständig für das Inventar ist das Bundesamt für Strassen, Bereich Langsam- verkehr. Für die Instandstellung historischer Verkehrswege können bei den kantonalen IVS-Fachstellen Finanzhilfen des Bundes beantragt werden.

46 Ökologie am Pilgerweg in Ringgenberg Anita Knecht, Impuls AG Thun

Der historische Pilgerweg, der über das Gemeindegebiet von Ringgenberg führt, ist nicht nur landschaftsästhetisch wertvoll, sondern erfüllt auch ökologische Aufgaben. Kulturelemente wie Trockensteinmauern und Hecken, die den Pilgerweg säumen, bieten vielseitige Strukturen für Tiere und Pfanzen. Gestützt auf eine entsprechende Aufage des Kantons in der Baubewilligung hat die Trägerschaft des Projektes «Ausbau und Erhaltung des historischen Pilgerweges» eine ökologische Baubegleitung einsetzt. IMPULS AG Wald Landschaft Naturgefahren aus Thun nahm diese Aufgabe in der Folge unter Einbezug der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz (KARCH) wahr.

Trockensteinmauern – wertvolle Biotope Die wegbegleitenden Trockensteinmauern stellen einen ganz speziellen Lebensraum für Insekten, Spinnen, Schnecken, Reptilien und Amphibien dar. Sie sind als Lebensraum vergleichbar mit Felswänden, die Spalten und Risse aufweisen. Je nach Ausrichtung der Mauren herrscht ein unterschiedliches Klima. Süd- und westexponierte Mauern weisen an der Maueroberfäche grosse Temperaturschwankungen auf. Die Südseite freistehender Mauern trocknet an der Oberfäche rasch ab, während die Nordseite feucht bleibt. Dementsprechend siedeln sich auch unterschiedliche Pfanzen an. Farne sind eher schattenliebend, der Mauerpfeffer und der Hauswurz lieben sonnige Standorte. Ihre feischigen Blätter speichern Wasser und helfen so, Hitze- und Trockenperioden zu überbrücken. Nachtaktive Amphibien ziehen sich tagsüber gerne in dunkle und feuchte Mauerspalten zurück. Auch zum Überwintern sind Hohlräume in den Mauern wichtig; Amphibien und Reptilien benutzen sie, um sich in den dahinterlie- genden, frostfreien Bereichen zu vergraben. Dies ist vor allem bei Stützmauern möglich, welche mit dem Erdreich verbunden sind. Auch Hummelköniginnen und Schmetterlingsraupen und -puppen überwin- tern in frostfreien Spalten der Trockensteinmauern.

47 Abbau und Wiederaufbau der bestehenden Mauern Da gemäss Bauprogramm mit dem Abbau der alten Mauern ab Mitte Nov- ember begonnen werden musste, wurde von der Koordinationsstelle für Reptilien- und Amphibienschutz (KARCH) ein Notfallblatt erarbeitet. Es war nicht auszuschliessen, dass sich in den Mauern bereits Reptilien im Winter- quartier aufhielten. Die Arbeiter wurden über die Massnahmen bei allfälligen Funden instruiert. Zum Glück wurden aber keine Reptilien oder Amphibien im Winterquartier überrascht. Beim Wiederaufbau der Mauern wurden einerseits die alten, zum Teil sehr grossen Steine kombiniert mit neuen Steinen aus dem Steinbruch verwendet. So entstanden kleinere und grössere Hohlräume, die als Unterschlüpfe für die oben erwähnten Tiere dienen. Nicht zuletzt wegen der guten Besonnung kommen in Ringgenberg folgende Reptilien vor: Schlingnatter, Ringelnatter, Aspisviper, Zauneidechse, Mauer- eidechse und Blindschleiche.

Steinhaufen Am besonnten Waldrand wurde im Absprache mit der KARCH zusätzlich ein grosser Steinhaufen mit einer frostsicheren Zone im Untergrund errichtet. Zum Überwintern und zur Eiablage werden von fast allen Reptilienarten gerne Steinhaufen aufgesucht, die bis in die frostfreie Zone von 80 cm ins Erdreich reichen. Sie dienen auch vielen anderen Kleintieren als Versteckmöglichkeiten.

Hecken Ein weiteres wegbegleitendes Element am Pilgerweg sind Hecken. Diese sind gemäss Natur- und Heimatschutzgesetz geschützt. Für die gerodeten Hecken- abschnitte muss demnach Ersatz geleistet werden. Artenreiche Hecken sind insbesondere für Vögel, Schmetterlinge und andere Insekten wertvoll als Nahrungsquelle, Nistplatz und Versteck. Fledermäusen dienen sie zudem als Orientierungshilfe und als Jagdlebensraum. Auch Säuge- tiere wie Igel und Spitzmaus fnden hier Unterschlupf. Für die Heckenabschnitte, die beim Bau der neuen Trockensteinmauern weichen mussten, wird im Herbst 2017 auf der entsprechenden Parzelle im gleichen Umfang eine artenreiche Hecke gepfanzt.

48 Peter E. Zingg

Naturschutzgebiet Weissenau-Neuhaus

Informationsaustausch Die alljährliche Weissenaubegehung fand am 16.11.2017 statt mit: Ruedi Wyss (Gebietsbetreuer der kantonalen Abteilung Naturförderung, ANF), Willy Müller vom Renaturierungsfonds (Fischereiinspektorat); Markus Steiner und Tom Hellickson (als Vertreter des Golfclub Interlaken-Unterseen); Hans Gysi (Präsi- dent Feldkommission Burgergemeinde Unterseen), Erich Zurbuchen (Leiter Werkhof der Gemeinde Unterseen) und Peter Zingg (UTB). Den kleinen Teichen im Grenzgebiet zwischen Golfplatz und Naturschutzgebiet wird im Winter 2017/18 wiederum Material entnommen werden, damit sie nicht komplett verlanden; denn sonst würden sie ihren Zweck für die Amphibien (Laichablage, Lebensraum für die Larven) nicht mehr erfüllen. Auf dem langen, gekrümmten Holzsteg im Nordwesten müssen die Holzlatten ersetzt werden. Der Werkhof Unterseen hat erste Offerten dazu eingeholt. Der Finanzierungsschlüssel wird mit dem Kanton auszuhandeln sein. Die Wegränder des Uferweges werden ab 2018 versuchsweise nur noch Anfang September durch den Werkhof ge- mäht, damit die Orchideen (Abb. 1) nicht schon vor oder während des Blühens weggeschnitten werden. Die durch das hohe Schilf beeinträchtigte Sicht vom

Abb. 1. Rotes Waldvögelein (Cephalanthera rubra); Weissenau, Uferweg, 13.6.2017. Diese Orchidee hat ihren Verbreitungs- schwerpunkt in Orchideen-Buchenwäldern. Man fndet sie generell in lichten Wäldern auf kalkhaltigen Böden und an sonniger Lage, z.B. am Rand von Waldwegen wie in der Weissenau. Das Rote Waldvögelein blüht in den Monaten Juni und Juli.

49 Hide auf die Wasserfäche des alten Aareeinlaufes wird von Passanten immer wieder bemängelt. Der Einbau eines zweiten, höheren Bodens auf der einen Hälfte des Hide wäre eine mögliche Lösung. Für die Planung und Realisierung müssten Sponsoren gesucht werden.

Pfegeeinsätze Alle im Jahr 2017 durchgeführten Pfegeeinsätze, soweit bekannt, sind in nachstehender Tabelle zusammengefasst.

Zeitpunkt ausgeführte Zweck, Ziel Leitung Mitbeteiligte Arbeiten 25. Februar Jährliche Schilfrückgang Ruedi Wyss Ca. 25 Personen «Uferputzete»: eindämmen bzw. (UTB-Mitglieder, 14 m3 Schwemmholz verhindern freiwillige Natur- und rund 1 m3 Keh- schutzaufseher, richt wurden aus dem Kehricht beseitigen, Fischer, Jäger, Jung- Schilfgürtel und Weg- insbesondere die nur jäger vom Seeland rand am Ufer zusam- über grosse Zeiträume und weitere mengetragen und verrottenden freiwillige Helfer) weggeräumt. Kunststoffe

1. März Abfallbeseitigung in Beseitigung von Glas Peter Zingg gemähter Schilffäche und Kunststoffen, so und entlang dem Ufer: weit überhaupt noch 3 Säcke à 60 Liter möglich (vgl. Abb 2)

Juli Goldruten gemäht Ausbreitung der Ruedi Wyss Zivilschutz- Neophyten verhindern Dienstleistende

August 8 m3 Schwemmholz Schilfschutz Andreas Odd Fellows und Kehricht Fuchs aus dem Schilfgürtel Kehricht beseitigen weggeräumt

August 400 kg Goldruten Neophytenfäche Ruedi Wyss Zivilschutz- ausgerissen verkleinern Dienstleistende

Ausgeführte Pfegearbeiten im Naturschutzgebiet Weissenau-Neuhaus im Jahr 2017

Neues Informationskonzept mit sogenannten Stelen (freistehende Informationstafeln) Das Informationsangebot in der Weissenau entspricht nicht mehr den Anfor- derungen einer zeitgemässen Besucher-Information. Anfang März fand auf Einladung der kantonalen Abteilung Naturförderung (ANF) eine Besprechung am runden Tisch statt. Vertreten waren neben dem UTB Pro Natura, die Ko- ordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz (karch), die Ornithologie, die Fischerei und der kantonale Renaturierungsfonds.

50 Abb. 2. Das oft als Verpackungs- und Isoliermaterial verwendete Polystyrol gelangt, verweht oder achtlos weggeworfen, mit den Westwinden als Treibgut in die Schilfbestände der Weissenau. Hier liegt es unbemerkt und wird im Boden vom Schilf überwachsen. Alle, die im Jahr 2018 diesen Text lesen, werden es nicht mehr erleben (ungeachtet ihres Alters), bis dieser Kunststoff nach mehreren hundert Jahren in biologisch unproblematische Bestandteile «zerlegt» worden ist.

Alle Seiten brachten ihre Anregungen ein, und die ANF arbeitete diese in das neue Stelenkonzept ein. Auf je einer Stele bei den Eingängen Neuhaus und Parkplatz Weissenaustrasse sowie beim Übergang von der Aare ins Schutzge- biet sind die wichtigsten Bestimmungen auch in englischer Sprache abgefasst. Die Montage der Stelen wird 2018 erfolgen.

Verlassen der Wege im Schutzgebiet, trotz Verbot An verschiedenen Stellen gibt es Trampelpfade, auf denen Besucher zum See- ufer vordringen, obschon ein Verlassen des Weges im Naturschutzgebiet untersagt ist. Die Abt. Naturförderung startete im Frühling 2017 einen Ver- such, dieses Verhalten zu begrenzen. Dazu wurden bei den jeweiligen «Über- gängen» (vom offziellen Uferweg zu den Trampelpfaden) mit Holzpfählen und -latten verschiedene Arten der Absperrung installiert. Ein zusätzlich ange- brachtes rotes Schild mit der Aufschrift «Durchgang verboten» bzw. «Natur- schutzgebiet – Kein Durchgang» in deutscher, französischer, italienischer und englischer Sprache sollte das Verbot allen Lesekundigen verständlich machen (vgl Abb. 3).

51 Abb. 3. Mit einem Holzlattenzaun und einem Hinweisschild «Naturschutzgebiet – kein Durchgang» wird versucht, Besucher vom Verlassen des Weges abzuhalten.

An wenigen Stellen wurden die Absperrungen zwar durch neue Pfade um- gangen; insgesamt dürften doch wesentlich weniger Personen als bisher den Wanderweg verlassen haben. Der Schreibende hat jedenfalls bei seinen Besuchen in der Weissenau keine Personen hinter den Abschrankungen ange- troffen.

Neuer Pavillon bei der Aare Der sogenannte Pavillon beim Aare-Steg wies schon länger Löcher im Dach und morsches Holz auf (Abb. 4). Lernende der Werkhöfe Unterseen, Interlaken und Matten sowie der Firma Wenger Holzbau (mit Unterstützung erfahrener Berufsleute aus diesen Betrieben) begannen ab Frühjahr 2015 mit der Planung eines Neubaus. Nach erfolgreicher Geldmittelbeschaffung und Vorliegen aller notwendigen Bewilligungen konnte der Aufbau eines neuen Pavillons im

52 Frühjahr 2017 am selben Standort in Angriff genommen werden (Abb. 5). Alle Arbeiten von der Planung bis zur Fertigstellung umfassten 530 Arbeitsstun- den. Holz und Steine wurden aus der Region beschafft. Die Gesamtkosten beliefen sich auf rund Fr. 24’000.–. Die Einwohnergemeinde Unterseen über- nahm mehr als die Hälfte der Kosten. Nebst der Tourismusorganisation Inter- laken stifteten die Burgergemeinde Unterseen und der Heimatschutz einen Beitrag an die Baukosten.

Abb. 4. Der alte, von Zerfalls- Abb. 5. Der neu erbaute, achteckige Pavillon erscheinungen gekennzeichnete kurz vor der Fertigstellung Anfang April 2017. Pavillon beim Aareübergang Die Konstruktion ist identisch mit dem alten Pavillon, inklusive der Holzschindeln auf dem Dach.

53 54 Hans Fritschi

Die Wasservogelzählungen

Wie in den Vorjahren waren die Zählteams an zwei Samstagen für die Schwei- zerische Vogelwarte Sempach unterwegs. Allen grossen und kleinen Zähler- innen und Zählern sei für ihren Einsatz herzlich gedankt.

Die Ergebnisse

1. Thunersee 12. November 2016 14. Januar 2017 Haubentaucher 116 79 Schwarzhalstaucher 11 13 Zwergtaucher 41 40 Kormoran 29 17 Graureiher 12 4 Silberreiher 1 3 Höckerschwan 94 80 Stockente 496 590 Krickente 11 20 Schnatterente 3 0 Kolbenente 1 23 Tafelente 96 103 Reiherente 299 324 Schellente 6 41 Pfeifente 0 1 Gänsesäger 27 42 Teichhuhn 39 25 Blässhuhn 512 668 Bekassine 0 1 Lachmöwe 913 1334 Sturmmöwe 1 23 Mittelmeermöwe 63 81 Schwarzkopfmöwe 1 0 Eisvogel 9 3

55 1. Thunersee 12. November 2016 14. Januar 2017 Bergstelze 21 15 Wasseramsel 32 38

Gefangenschaftsfüchtlinge und Fremdlinge Mandarinente 0 1 Brautente 2 0 Hausgans 2 2 Hausente 4 3

2. Brienzersee 12. November 2016 14. Januar 2017 Haubentaucher 48 26 Zwergtaucher 7 19 Kormoran 0 2 Graureiher 0 1 Höckerschwan 19 15 Stockente 65 212 Kolbenente 2 1 Tafelente 2 12 Reiherente 14 31 Gänsesäger 0 10 Teichhuhn 1 1 Blässhuhn 127 164 Lachmöwe 217 264 Mittelmeermöwe 9 14 Bergstelze 0 1 Wasseramsel 2 3

Gefangenschaftsfüchtlinge und Fremdlinge Mandarinente 0 1 Hausente 3 3

56 Hans Fritschi

50 Jahre Wasservogelzählungen

Im letzten Winter zählten Ornithologinnen und Ornithologen in der Schweiz zum fünfzigsten Mal in Folge die Vögel auf und an den Gewässern. Der Blick auf die Datenbank der Schweizerischen Vogelwarte zeigt, dass aus dem Berner Oberland seit 1967 Bestandesaufnahmen von Aare, Thuner- und Brienzersee nach Sempach gemeldet werden. Die Schweizerische Vogelwarte übermittelt die Zahlen an die Organisation Wetlands International in Wageningen (NL), wo die Fäden aus ganz Europa zusammenlaufen. Damit sind die winterlichen Wasservogelzählungen das weltweit älteste und grossräumigste Monitoring- programm für Wildtiere.

Die Zahlen liefern grundlegende Informationen für den Schutz der Wasser- vögel, neben den Bestandesentwicklungen der einzelnen Arten zeigen sie Rast- und Überwinterungsgebiete. Damit sind sie auch Teil des Frühwarn- systems für den Klimawandel, der die Wanderung der Zugvögel zum Teil stark beeinfusst. Seit 1978 werden die Resultate aus dem Berner Oberland im Jahr- buch des UTB veröffentlicht.

Die Zählung vom 14. Januar 2017 war etwas Besonderes: Auf der Strecke vom Englischen Garten in Interlaken Ost bis Bönigen Hafen begleiteten uns die Mitglieder der Pro Natura-Jugendgruppe «Alpendohle» aus Thun und Tele- bärn. Die Video-Journalistin Eva Grätzer drehte einen erfrischenden Beitrag, der auf der Internetseite der Schweizerischen Vogelwarte, www.vogelwarte.ch, zu sehen ist.

Allen, die Wind und Wetter getrotzt und die Wasservogelzählungen unter- stützt haben, sei herzlich gedankt. Interessierte können gerne auf der Strecke Haberdarre, Unterseen bis Bönigen Hafen einen Schnupperkurs absolvieren, Abmarsch ist jeweils 12.30 Uhr auf der Haberdarre bzw. 13.00 Uhr im Eng- lischen Garten, so am 17. November 2018 und am 12. Januar 2019.

57 Hans Fritschi

Goldey – weder golden noch goldig

Wir stehen in der Goldey, an der Aare, mein Fischerkollege und ich, da nähert sich eine geführte Gruppe von Touristen und was hören wir? Dieser Ort heisse wegen James Bond so: Goldeneye. Aber die Goldey hiess doch schon vor 1995, dem Jahr, in dem dieser 007-Film erstmals in den Kinos gezeigt wurde, so und mit Pierce Brosnan ist hier keine einzige Szene gedreht worden.

Auch schön wäre der Zusammenhang mit dem Vogel Goldeneye, der Schell- ente, die tatsächlich goldgelbe Augen mit einer schwarzen Iris hat, englische Gäste könnten diese Entenart hier beobachtet haben...

Der Harderkalk ist weder gold- noch katzengoldhaltig, die Bödeliaare ist zum Goldwaschen kaum geeignet, die Lärchen leuchten im Spätherbst auch auf dieser Seite des Harders wie Gold, sind aber nicht dominant.

Das Ortsnamenbuch des Kantons Bern gibt Auskunft, zuerst zum einfachen Wortteil «Ey»: Dieser sei gleichbedeutend wie «Au» und heisse «Land am Wasser, Halbinsel», er sei verwandt mit dem lateinischen Wort «aqua» – Wasser. Das leuchtet ein: Tschingelei, Herrenei, Weissenau usw. – alle auf dem Bödeli, alle am Wasser.

1345 erscheint der Name «Goldoeya», 1361 als «Goldeya» und 1364 «Golteya». Das Ortsnamenbuch des Kantons Bern bezieht sich auf Johann Ulrich Hubschmied, den Pionier der schweizerischen Ortsnamenforschung, der «Gol» als Namen für «groben Steinschutt» deutet. Es handle sich um ein vor- deutsch-vorromanisches Etymon, das noch kaum geklärt sei, es sei als Flur- name auf die westliche Deutschschweiz beschränkt. Schon 1936 hat Helen Probst an der Universität Freiburg, CH, ihre Dissertation über die Namen «Gold, Gol und Goleten» verfasst und diese Namen so gedeutet.

Goldey – der Landstrich zwischen Aare und Harder – geprägt von der Nähe des Wassers und dem Steinschlag vom Harder, das wird wohl des Rätsels Lösung sein.

58 Jan Mathys

Der Talzuschub an der First – eine Spurensuche

Die Rutschung «Chratzera» ist auf geologischen Karten gut dokumentiert. Doch auch im Gelände kann ein Wanderer die Bewegung der Rutschung an der First ablesen. Der folgende Beitrag ist eine leicht abgeänderte Fassung einer Maturaarbeit am Gymnasium Interlaken, in der es darum ging, die Rutschphänomene der «Chratzera» zu dokumentieren.

«Der Talzuschub ist defniert als grossräumige, langsame, unmittelbar nicht wahrnehmbare, tiefgreifende Bewegung von Felsgestein, wobei die oberfä- chennahen Lockermaterialien und die Vegetationsdecke mit bewegt wer- den.» 1 Der Talzuschub bezeichnet ein langzeitiges Fliessen (Kriechen) einer zusammenhängenden Masse, die den gesamten Hang in Falllinie zum Fliessen bringt. 2 «Ein Talzuschub ist das langsame oder auch episodische Zuschieben eines al- pinen Tales durch oberhalb stattfndende Hangbewegungen.» 3 Die ganze Masse rutscht wie ein kompaktes Paket auf einer oder mehreren Gleitschich- ten talwärts. Die drei Begriffe «Rutschung», «Sackung» und «Hangkriechen» beschreiben alle ähnliche Vorgänge. Der Übergang zwischen den Begriffen ist manchmal unscharf und unklar. Um die Ähnlichkeit dieser Phänomene mit einem Talzu- schub zu zeigen, sind die Gemeinsamkeiten fett hervorgehoben. Die Rut- schung beschreibt eine hangabwärts gleitende Bewegung von Hangtei- len. Sie besteht aus Fels- und/oder Lockergesteinsmassen. Das Hangkriechen ist eine langsame und meist unstetige Bewegung im Locker- oder Felsge- stein, die über einen langen Zeitraum anhält. Die Sackung hingegen ist wie der Talzuschub eine gravitative Bewegung im Festgestein, aber mit einer ausgeprägten vertikalen Bewegungskomponente längs einer Trennfäche.

1 Bayrisches Landesamt für Umwelt, 2010; S. 1 2 KRAUTER, 2001 3 Wikipedia, Talzuschub

59 Abbildung 1: Skizze

Abbildung 2: Skizze, Talzuschub mit konkaver bzw. konvexer Geländeform

60 Merkmale eines Talzuschubes sind Bergzerreissen c, Nackentälchen a und Dop- pelgrate b. Ein anderes morphologisches Merkmal ist das unruhige Relief. Es ist durch steile Böschungen abwechselnd mit vernässten ebenen Flächen gekenn- zeichnet. Sekundäre Rutschungen sind bei einem Talzuschub keine Seltenheit. Weitere Phänomene sind verschiedene Baumwuchsarten, Gespannte Wur- zeln, Quellen und die Geländeform. (S. 70) Im oberen Teil weist er meistens eine konkave Form (gegen innen gewölbt) mit vielen Zugrissen auf, während der Talzuschub im unteren Hangteil meist eine konvexe Form (nach aussen gewölbt) aufweist. Die konkave Form kommt durch das ins Tal gleitende Ma- terial zustande und die konvexe Form stammt vom unten anstauenden Material.

Defnitionen Der Begriff «Massenbewegung» bezeichnet einen geomorphologischen Prozess, der Formen wie Bergstürze, Rutschungen oder einen Talzuschub einschliesst. Die auslösende und treibende Kraft einer Massenbewegung ist die Gravitationskraft. Der Talzuschub ist genauer beschrieben ein Massentransport, das heisst, das Ma- terial bewegt sich mit Hilfe der Schwerkraft und eines Transportmediums (in der Regel Wasser) fort. Eine Form von Massenbewegungen ist das Fallen bzw. der Sturzprozess. Charak- teristisch für diese Bewegung ist, dass das abgelöste Gestein vorwiegend in einem freien Fall und später springend und rollend sich fortbewegt. (z.B. Felssturz am Eiger im Jahre 2006). Eine weitere Form ist das Gleiten bzw. der Rutschprozess. Ein Rutschprozess ist ein Prozess, der eine hangabwärts gerichtete Bewegung von Locker- und Festgestein enthält. Die Masse gleitet entlang einer Gleitfäche. Aufgrund der Merkmale einer Gleitfäche wird zwischen Translations- und Rotationsrutschung unterschieden. Die Translationsrutschung gehört zu den häufgsten Rutschtypen weltweit. Trans- lationsbewegungen bewegen sich entlang einer relativ ebenen Gleitfäche, wäh- rend sich die Rotationsrutschung auf einer kreis- oder löffelförmigen Gleitfäche bewegt. Die Rotationsrutschung kann sehr tiefgründig sein. Die dritte wichtige Form ist das Fliessen. Ein Fliessprozess ist eine kontinuierliche Bewegung, die hangabwärts fiesst. Er tritt auf, wenn feinkörniger Boden oder grober Schutt verfüssigt wird. Fliessprozesse sind aufgrund ihres grossen Ge- schwindigkeitspektrums sehr vielfältig. Sie reichen von Sturzströmen über Hang- muren bis zu langsamen Bewegungen wie dem Kriechen. Unter den Kriechbewe- gungen wird auch der Talzuschub aufgeführt.

a,b,c Glossar, S. 84

61 Auslösende Faktoren einer Rutschung Die auslösenden Faktoren für eine Rutschung sind etwa die gleichen wie für einen Talzuschub. Sie haben somit weitgehend die gleiche Gültigkeit.4 Aus diesem Grund werden hier die auslösenden Faktoren einer Rutschung be- schrieben:

Hangneigung: Je steiler die Hangneigung, desto grösser ist die Chance, dass es eine Rutschung gibt. Die Rutschung ist eine Massenbewegung (S. 61), die von der Gravitation eine treibende Kraft erfährt. Ist nun die Hangneigung grösser, hat die Gravitation mehr Wirkung auf die Rutschung und so steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Rutschung. Die Veränderung der Hangneigung ist ein Faktor, der zum Beispiel durch künstliches oder natürliches Anschneiden des Hanges oder durch einen tektonischen Vorgang, im Zusammenhang mit Wasser, hervorgerufen wird.

Überlastung: Die Last kann auf einer bestimmten Fläche zu gross werden. Es kann sein, dass das Gewicht auf dieser Fläche so gross wird, dass diese Fläche ins Rutschen kommt. Die Faktoren, die die Rutschung einleiten, sind die Zunah- me des Porenwasserdrucks i und der Scherspannung k.

Stösse und Erschütterung: Bei einer Erschütterung oder einem Stoss kann sich die Scherfestigkeit und Scherspannung ändern. Dies kann Störungen des Gefüges und der Struktur des Hanges hervorrufen und führt zu einer Abnah- me der Kohäsion (Haftfestigkeit vom Boden) und der inneren Reibung.

Durchfeuchtung: Eine starke Zunahme des Wassergehaltes kann durch lange und starke Niederschläge oder durch Schneeschmelze verursacht werden. Durch den hohen Wassergehalt im Boden nimmt auch der Porenwasserdruck zu. Dieser verändert die Konsistenz des Materials und bewirkt eine Abnahme der Kohäsion und der inneren Reibung.

Einfuss des Grundwassers: Grundwasser kann undurchlässigere Schichten anheben und diese brechen.

4 KIENHOLZ H. 1977 i,k Glossar, S. 84

62 Frosteffekt: Gefrorenes Wasser bildet und weitet Risse, die den Scherwider- stand vermindern.

Verwitterung: Die Hangfestigkeit wird durch chemische und mechanische Verwitterung gestört.

Vegetationsdecke: Je nach Vegetation ist der Hang besser oder schlechter gegen eine Rutschung geschützt. Der Bodenwasserhaushalt und die Wurzeln sind nicht bei jedem Vegetationstyp gleich. Tiefgreifende Wurzeln und ein ausgewogener Wasserhaushalt haben im Allgemeinen eine stabilisierende Wirkung auf den Boden.5

Gletscher: Durch die zurückgehenden Gletscher fehlt der Eisdruck in man- chen Hängen, dies kann zu Instabilität und zu einer Massenbewegung führen. Gleich verhält es sich mit dem auftauenden Permafrost.

Ein weiterer Punkt für einen auslösenden Faktor für eine Rutschung ist ein Talzuschub, da dieser zu einer Veränderung der Hangneigung sowie des Was- serhaushaltes führt und zu weiteren oben beschriebenen Punkten. Auf einer Fläche, die von einem Talzuschub betroffen ist, sind häufg sekundäre Rut- schungen die Folge.

«Der Ursprung der Talzuschübe ist wahrscheinlich bereits in den Eiszeiten angelegt worden, als Permafrost bis weit über 100 m tief in die Gebirge der Alpen eingedrungen war und zu Aufockerung geführt hat.» 6

Eine entscheidende Rolle für eine Rutschung bzw. einen Talzuschub spielt das Gefüge. Bei der Bewegung eines Talzuschubes bleibt der ganze Gesteinsver- band zusammen und gleitet auf einer Schicht. Besonders anfällig für die Ent- stehung von Talzuschüben ist eine in Hangrichtung einfallende Schichtung oder Schieferung. Diese Schieferungen sind potentielle Gleitbahnen. Als Schmiermittel agieren meist dünne, tonartige Gesteinsschichten oder Wasser. Die tiefgründige Bewegung eines Talzuschubes kann durch das Abschmelzen

5 Rutschauslösende Faktoren vgl. KIENHOLZ H. 1977, S. 56, 57 6 Bayrisches Landesamt für Umwelt, 2010, S. 2

63 der Gletscher oder durch Materialabtragung im unteren Bereich durch den dadurch fehlenden Druck ausgelöst werden. Diese Vorgänge nehmen dem Hang in seinem unteren Teil die Stabilität und wirken so bewegungsauslösend.

Tektonische Voraussetzungen in Grindelwald Das Gletschertal wird im Südosten durch steile Bergwände abgegrenzt, diese sind der Eiger, der Mettenberg und das Wetterhorn. Sie bestehen vorwiegend aus mesozoischen und teilweise tertiären Gesteinen, die zum alpin aufge- bauten kristallinen Aaremassiv gehören. Das Gebiet rund um den Terrassen- weg bzw. der Rutschung Chratzera besteht laut der Karte aus Aalénienschiefer. Auf der südlichen Talseite liegt vorwiegend eine Moräneschicht. Auch der Blockschutt ist in Grindelwald weit verbreitet. Für eine genauere Unterteilung der tektonischen Voraussetzungen in Grindel- wald ist die Geologische Karte geeignet:

Braun: Aalénienschiefer Rot: Gneis

Grün: Moräne Dunkelgrün: Oehrlikkalk

Blau: Bergsturz, Blockschutt Umrandet: Rutschgebiet Chratzera

Abbildung 3: Geologische Karte von Grindelwald, rot eingezeichnet das Untersuchungsgebiet (map.geo.admin.ch) plus vereinfachter Farblegende. Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA 17067)

64 Gebietsumschreibung Die Rutschung Chratzera ist ein sehr aktives Rutschgebiet. Sie erstreckt sich über eine Länge von 1.5 km und einer Breite von 200 – 300 m und ist eine fach- bis mittelgründige Rutschung. Die Chratzera ist eine zungenförmige Rutschung. Das Anrissgebiet liegt im «Bim oberen Hüs» und endet unterhalb

Abbildung 4: Ereigniskataster mit der Rutschung Chratzera (1980-R-0021) Bild: Reproduziert mit freundlicher Genehmigung der Abteilung Naturgefahren

65 vom «Chilchbiel». Ihre östliche Begrenzung folgt einer Nord-Süd gerichteten Geländerippe und die westliche Begrenzung reicht über «Bruniweid/Gorni» über «Schoneggrain/Fülesee» bis zum «Gydisdorf». Wasser hat einen grossen Einfuss auf die Chratzera. Die Rutschung beschleunigt sich bei längeren starken Niederschlägen. Dies ergibt aber noch keine schwer wiegenden Pro- bleme. Ernsthafte Probleme kommen erst nach schneereichen Wintermonaten vor, wenn die Schneeschmelze beginnt. Somit gibt es bei der Chratzera saiso- nale Unterschiede. Im Frühling bewegt sich die Rutschung wegen der Schnee- schmelze am Schnellsten, während sie im Winter praktisch still steht. 7 Bei der Rutschung Chratzera hat Geotest durch ihre Messung zum ersten Mal nachgewiesen, dass sich die Rutschkompartimente unabhängig voneinander beschleunigen und/oder verlangsamen. Die Mitarbeiter konnten in den Gebie- ten «Schoneggrain» und «Gydisdorf» seit 2005 eine Verlangsamung und im Gebiet «Chilchbiel» seit 2012 eine Beschleunigung messen. 8

Tektonik im Untersuchungsgebiet Im Untergrund der Rutschung sind die fach gegen Süden einfallende Schich- ten des Doggers anstehend. Wie im vorherigen Kapitel Tektonische Vorausset- zungen in Grindelwald erläutert, besteht die Rutschung Chratzera aus Aalénien- schiefer. Dies sieht man im Querschnitt der Rutschung (vgl. nächste Seite). Er bildet die Gleitschicht, auf der die Rutschung sich fortbewegt. Auf der Gleit- fäche liegt ein verwitterter und verrutschter Schiefer e. Durch die Verwitterung und die Verschiebung ist es dem Wasser möglich, bis auf den wasserundurch- lässigen Aalénienschiefer zu gelangen. Dort wird das Wasser gestaut. Mit ei- ner Piezometermessung g wurden mindestens zwei Grundwasserstockwerke festgestellt. 9 Eines oberhalb der gesunden Aalénienschiefer, das Zweite ober- halb der verwitterten Schiefer (vgl. nächste Seite). Zuoberst gibt es eine Schicht aus Gehängeschutt, zum Teil vermischt mit Moränen d. Auf dieser Schicht be- fndet sich die Vegetation, die sich zusammen mit dem Gehängeschutt und dem Schiefer talabwärts bewegt. Bei der Abrisskante gibt es einen Übergang zwischen dem Schiefer und verkarsteten Eisensandsteinen f. Er ist, wie auf dem schematischen Profl von Geotest ersichtlich, durch Kanäle und Rinnen wasser- durchlässig.

7,8,9 GEOTEST AG d,e,f,g Glossar, S.84

66 Abbildung 5: Schematisches Profl Chratzera (mit freundlicher Genehmigung der Firma Geotest)

67 Abbildung 6: Abbildung 7: Rutschgefahrenkarte 2004 Rutschgefahrenkarte 2007

Um dies etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, werden in dieser Arbeit die Rutschgefahrenkarten j der letzten Jahre analysiert und verglichen, d.h. die aktuelle Gefahrenkarte mit denen von 2004 bzw. 2007. Auf der Rutschgefahrenkarte ist nur der Fussbereich der Rutschung zu erken- nen. Auf der Karte von 2004 sieht man im oberen Teil, mittlerer bis unterer Bereich der Rutschung, eine erhebliche Gefährdung. Diese erhebliche Gefähr- dung oberhalb des bewohnten Gebietes ist auf jeder Rutschgefahrenkarte zu sehen. Das heisst, die Gefährdung wird dort seit einem längeren Zeitraum als erheblich eingestuft. Jedoch ist die Scherzone k nicht auf jeder Karte gleich eingezeichnet. In der Karte von 2004 ist nur die östliche Scherzone und ein Teil der westlichen ein- getragen, hingegen sind 2007 beide Scherzonen eingetragen. Die aktuelle Karte ist ähnlich wie 2007, zusätzlich ist noch der Fuss der Rutschung rot eingefärbt. Die grösste Gefahr bei einer Rutschung mit unterschiedlichen Geschwindig- keiten besteht darin, dass zum Beispiel ein Gebäude verzogen wird. Dies be- deutet, je grösser der Unterschied in der Rutschgeschwindigkeit ist, desto j,k Glossar, S. 84

68 Abbildung 8: Aktuelle Gefahrenkarte (Abteilung Naturgefahren)

grösser ist die potentielle Zerstörungskraft. Bei einem Übergang zwischen rut- schendem Gebiet und nicht rutschendem Gebiet ist die Geschwindigkeitsdif- ferenz meistens höher als zwischen zwei Gebieten auf der Rutschung mit einer unterschiedlichen Geschwindigkeit. Diese Annahme bedeutet, dass die Geschwindigkeitsunterschiede sich mit den Jahren verändert haben oder man das Risiko durch weitere Faktoren anders beurteilt hat.

Einen weiteren Beleg für die aktive Rutschung fndet man im oberen Teil. Dort kommt die Chratzera der Firstbahn in die Quere. Die Firstbahn musste auf- grund der Rutschung ihre Masten verstellbar bauen, damit die Masten leicht verschoben werden können. Die Firstmasten Nr. 8, 9, 11 und 12 wurden ver- stellbar gebaut. Ebenfalls ist die Zwischenstation auf der Höhe «Dirrslichren» verstellbar. Vor zwei Jahren musste die Firstbahn aufgrund der starken Ver- schiebung die Schienen von Masten 12 verlängern.

69 Abbildung 9: Verstellbarer Mast Nr. 12 der Firstbahn

Spurensuche im Gelände

Welche Phänomene können auftreten? Ein Hangrutsch bringt viele Phänomene mit sich, die man sonst nicht beobach- ten kann. Beim Talzuschub sieht man dies deutlich, da er langsam verläuft und nicht wie eine spontane Rutschung innert kurzer Zeit alles mitreisst. Die Vege- tation kann sich dadurch anpassen. Bei einem Talzuschub treten die folgenden Phänomene auf:

Sekundäre Rutschung: Wie eine Rutschung entstehen kann, wurde in dieser Arbeit bereits oben auf S. 62 beschrieben. Durch einen dieser Gründe kann sich eine isolierte Rutschung auf dem Talzuschub selber lösen. Weil sie nur eine Nebenerscheinung ist, wird sie als sekundäre Rutschung bezeichnet.

Säbelwuchs: Verläuft eine Bodenbewegung – wie bei einem Talzuschub – sehr langsam ab, haben die Bäume Gelegenheit, stets in Richtung Licht zu wachsen. Sie streben danach, senkrecht zu wachsen. Mit der Zeit entsteht ein gegen die Hangneigung gekrümmter Stamm, der Säbelwuchs.

70 Aber nicht nur Bodenbewegungen führen zu Säbelwuchs, sondern auch Schnee oder eine Beschädigung im Jungstadium. Eine mächtige und langan- haltende Schneedecke im Gebirge führt zu einem Umbiegen der jungen Bäu- me und somit zum Säbelwuchs.

Rückbiegung: Manchmal wird die Rückkrümmung von einem Säbelwuchs in die vertikale Lage überkompensiert. Eine erneute Richtungsänderung des Baumes ist die Folge.

Bogenwuchs: Damit ein Bogenwuchs entsteht, braucht es eine langsame und über Jahre dauernde Rutschung. Der Stamm wird durch die Bodenbewegung immer schiefer gestellt. Die Krone wächst jedoch vertikal weiter, was die ge- bogene Form ergibt. Die Krümmung des Stammes ist gleich der Intensität der Bodenbewegung.

Knickwuchs: Dieser entsteht nach einer einmaligen Schiefstellung eines Baumes. Die Höhe des Knicks zeigt an, in welchem Zeitraum die Schiefstellung passiert ist. Der schiefgestellte Stamm kann sich nicht aufrichten, während die Krone senkrecht weiter wächst. Aus diesem Grund gibt es die Knickform.

Gespannte Wurzeln: Eine gespannte Wurzel tritt auf, wenn sich der dem Baum nähere Teil in «gesundem» Boden befndet und der äussere Teil in einer Rutschung. Gespannt wird die Wurzel nun durch die gravitative Bewegung des rutschenden Bodens.

Quellen: Gleitet ein Talzuschub auf einer wasserundurchlässigen Schicht, kann es zu Stauungen des Wassers kommen. Gibt es Risse und Spalten in den oberen Schichten, sprudelt das Wasser als Quelle aus dem Boden hervor.

Moore/Sümpfe: Moore bzw. Sümpfe sind horizontal vernässte Stellen, die bei einem Talzuschub häufg zu beobachten sind. Bei diesen Stellen herrscht ständiger Wasserüberschuss. Sie können durch gestautes Wasser oder durch einen hohen Grundwasserspiegel entstehen.

Geländeform: Wechsel zwischen steilen Hängen mit – meist nassen – ebenen Flächen. Die terrassen-ähnliche Hangmorphologie ist typisch.

71 Geländestruktur (Abbildung 11) Rückbiegung Baum (Abbildung 12) Säbelwuchs Baum (Abbildung 13) Eingesackter Schuppen (Abbildung 14) Sekundäre Rutschung nahe der Sägerei (Abbildung 15) Sekundäre Rutschung im mittleren Teil (Abbildung 16) Gespannte Wurzeln (Abbildung 17) Quelle (Abbildung 18) Moor (Abbildung 19) Unruhiges Relief (Abbildung 20) Östliches und westliches Relief (Abbildungen 21 und 22) Rutschscholle (Abbildung 23) Verrutschte Strasse (Abbildung 24) Firstbahn Masten (Abbildung 9)

Abbildung 10: Ereigniskataster (Abteilung Naturgefahren), bearbeitet

Foto-Dokumentation Die westliche Scherzone ist dank der Geländestruktur sehr gut zu erkennen. Dort, wo die Rutschung beginnt, geht es steil hangabwärts. Die Geländerippe verläuft vom obersten Punkt der westlichen Scherzone bis oberhalb des Ter- rassenweges. Im obersten Teil ist sie sehr steil und wird gegen unten facher, bis die Geländerippe mit dem Hang verschmilzt. Der steile Teil der Geländerip- pe ist mehrheitlich bewaldet. Dies ist womöglich der Grund, weshalb der Hang noch nicht allzu sehr nachgegeben hat. Im Hang lassen sich Phänomene wie Säbelwuchs, Knickwuchs, Rückbiegung und Bogenwuchs beobachten. Ein

72 Beispiel (Abbildung 12), das ich in dieser Geländestruktur gefunden habe, ist die Rückbiegung. Diese Rückbiegung ist wohl die Folge einer kleinräumigen sekundären Rutschung, da kein nebenstehender Baum eine ähnliche Aus- prägung hat. Dennoch kann man die Rückbiegung auf der Abbildung gut er- kennen. Ich konnte in bewaldeten Gebieten bei vielen Bäumen freigelegte Wurzeln feststellen. Es gibt zwei Möglichkeiten, die dieses Phänomen erklären können. Zum einen war die Hangneigung an diesen Stellen sehr gross, zum anderen kann es eine Folge von Erosion sein.

Abbildung 11: Abbildung 12: Beginn der Rutschung mit steilem Rückbiegung Abhang (rot eingezeichnet)

73 Abbildung 13: Säbelwuchs

Ein weiteres Phänomen, das ich in diesem Hang gefunden habe, ist ein Säbel- wuchs eines Baumes. (vgl. Defnition Säbelwuchs, Seite 70)

74 «Bim oberen Hus» bis «Dirrslichren» machen kleinräumige Sackungen den vom Mensch gemachten Objekten das Leben schwer, weil dieser Teil uneben ist. Es stehen in dieser Region mehrere Viehställe, die nicht mehr gerade ste- hen. Auf der Abbildung 14 sieht man einen solchen Stall mit einer horizontalen Linie zum Vergleich. Dank der roten Linie erkennt man sehr schön, wie die Scheune auf der einen Seite abgesackt ist.

Abbildung 14: Schiefgestellter Schuppen bei Dirrslichren

Eine weiter oben gelegene Scheune wird vermutlich auch nicht mehr lange stehen. Sie steht auf einer Erhebung, die auf der südwestlichen Seite langsam wegbröckelt. Auf dieser Seite der Scheune geht es ca. 2 m abwärts. Die Seite ist mit kleinen Bäumen und Pfanzen bewachsen, was der Scheune noch etwas Stabilität gibt.

Die alte Sägerei auf der Höhe «Bim oberen Hus» zeigt mehrere schiefstehende Wände. Auf einer Seite sind die Wände gegen innen geneigt und das Dach hängt etwas durch. In der Nähe der Sägerei kam es zu einer sekundären Rut- schung. Auf der Abbildung 15 (nächste Seite) erkennt man die sekundäre Rut- schung mit einem im Bogenwuchs gekrümmten Baum.

75 Abbildung 15: Sekundäre Rutschung mit Bogenwuchs

Dies war nicht die einzige Stelle, an der ich eine sekundäre Rutschung feststel- len konnte. Ich stellte die sekundären Rutschungen vor allem im oberen und mittleren Teil der Rutschung fest, was auf die auslösenden Faktoren einer Rut- schung zurückzuführen ist. In der terrassenartigen Form im mittleren Teil sind viele kleine, steile Hänge entstanden, die durch ihre Hangneigung anfällig für sekundäre Rutschungen sind. Der untere Teil des Talzuschubes ist facher und somit auch weniger anfällig für sekundäre Rutschungen.

Abbildung 16: Sekundäre Rutschung im mittleren Teil

76 Der obere Teil ist auffallend durch seine Geländeform. Auch die Strassen wei- sen im oberen Bereich vereinzelt Risse im Belag auf. Diese Region erscheint mir als sehr aktiv aufgrund ihrer gestuften Form und den schiefgestellten Bauwerken. Ein weiterer Beleg für meine Vermutung ist, dass junge Bäume von den Rutschphänomenen betroffen sind. Bei zwei Jung- tannen konnte ich einen Bogenwuchs (S.71) feststellen. Da es sich um Jung- tannen handelt, muss die Ursache für den Bogenwuchs in der letzten Zeit stattgefunden haben. Um zur Sonne zu fnden, wuchs eine weitere Tanne unter einem darüber ge- schobenen Block aus Erde hervor. Das heisst, die Tanne wuchs zuerst normal, danach schob sich der Block aus Erde über die Jungtanne und sie wuchs als Reaktion darunter hervor. Leider konnte ich beide Situationen nicht wunsch- gemäss fotograferen und kann sie hier nur schriftlich erwähnen.

Oberhalb des Schuppens von Abbildung 14 fand ich gespannte Wurzeln. An dieser Stelle waren die gespannten Wurzeln besonders gut zu sehen, da der vorderste Teil der Wurzel im Rutschkörper steckte und der Rest der Wurzel in der Luft hing. Die Fundstelle war eben, während sich das Gelände oberhalb und unterhalb talwärts neigte. Man konnte gut sehen, wie der untere Teil sich vom oberen gelöst hatte und talabwärts glitt (Abbildung 17, nächste Seite).

Mit dem ständig rutschenden Gebiet hat auch die Firstbahn zu kämpfen. Sie musste, wie man auf der Abbildung 9 (auf Seite 70) sieht, die Schienen von Masten Nr. 12 verlängern. Zudem stehen auch die Masten Nr. 8, 9 und 11 auf Schienen, um die Rutschung auszugleichen.

Neben der Station «Dirrslichren» fand ich im Strassenbelag Risse. Nach einem verregneten Vortag sprudelte aus diesen Rissen wie aus einer Quelle Wasser (siehe Abbildung 18, nächste Seite). Zudem foss das Wasser mit Druck aus dem Boden hervor. Die Austrittslöcher waren allesamt auf einer Linie verteilt. Rund um diese Stelle waren keine weiteren Risse mit Wasseraustritten zu er- kennen. Ich war mehrmals bei dieser Stelle und nicht jedes Mal sprudelte Was- ser. Ich vermute, es sprudelt nur, wenn ein erhöhter Wasserdruck im Boden herrscht. Das Wasser trat zweimal aus dem Boden hervor, beide Male hatte es am Vortag geregnet. Als ich das erste Mal an dieser Stelle war, hatte es in den vergangenen Tagen nicht geregnet und es sprudelte kein Wasser. Es kann also keine normale Quelle sein, die bei einer Rutschung vorkommen kann, da sie

77 Abbildung 17: Abbildung 18: Gespannte Wurzeln Quelle bei «Dirrslichren» aus dem Belag (eingezeichnet) nicht immer Wasser führt. Vermutlich sprudelt sie nur, wenn mehr Wasser als «normal» ins Tal fiesst. Dies kann nach einem regnerischen Tag oder bei der Schneeschmelze der Fall sein. Es erstaunt mich nicht, dass an diesem Ort Was- ser austritt, da es in diesem Gebiet mehrere vernässte Stellen gibt, die durch erhöhten Wasserdruck und/oder erhöhtem Grundwasserspiegel entstehen.

Auf der Abbildung 19 ist blau eine vernässte Fläche – ein Moor – eingezeich- net. Man bemerkt das Moor schon von weitem, da sich die Vegetation von der Umgebung abgrenzt. Läuft man in die Fläche hinein, wird der Unterschied ebenfalls klar. Der Boden dort ist uneben und nass.

Folgt man der Rutschung talwärts, wird die Geländestruktur noch extremer. Es wird unebener und unruhiger (Abbildung 20).

78 Abbildung 19: Moor

Abbildung 20: Unruhiges Relief

79 Abbildung 21: Westliche Seite

Zwischen «Dirrslichren» und dem «Terrassenweg» würde ich das Gebiet in Ost und West unterteilen. Auf der westlichen Seite ist das Gebiet mit grossen Hügeln und tiefen Tälern gespickt. Es ist trockener als auf der östlichen Seite, zudem gibt es nur einen kleinen Teich.

80 Abbildung 22: Östliche Seite

Das westliche Gebiet sieht meistenteils gleich aus, während es auf der öst- lichen Seite nicht so homogen ist. Der Boden des östlichen Gebietes ist feuch- ter. Es hat kleine Wasserläufe und mehrere Teiche. Ein Weg, der vom Bysiweg wegführt, ist sehr coupiert. Der östliche Teil erscheint mir sehr aktiv. Es hat ein grosses Wasservorkommen, welches den Talzuschub in diesem Gebiet vermut- lich beschleunigt. Der Boden ist da und dort etwas sumpfg.

In der vorhin beschriebenen östlichen Seite gibt es oberhalb vom Terrassenweg eine Schollenbildung. Von meinem Standpunkt aus kann ich nicht genau sa- gen, ob dies ein eigenständiger Rutschkörper oder nur ein tiefer Graben ist. Ich würde aber durch meine Beobachtungen auf eine Scholle tippen, die sich einfach schneller talwärts bewegt als ihre Umgebung. In der Nähe erkennt man aber deutlich, wie sich ein Teil langsam abwärts be- wegt. In diesem Fall ist es ein Teil der Strasse, die durch einen Riss gespalten ist und langsam abwärts rutscht.

81 Abbildung 23: Abbildung 24: Schollenbildung Abriss im Belag

Im Fussbereich der Chratzera ist es schwieriger, die Merkmale eines Talzu- schubes zu erkennen und zu fnden. Im Wiesenland unterhalb des Terrassen- wegs habe ich keine Schäden gefunden. Dort wurden künstlich Abfussmög- lichkeiten für das Wasser gelegt. So wird der Rutschung das Wasser entnom- men und somit fehlt ihr das Gleitmittel im unteren Teil. Beim «Terrassenweg» steht ein Haus, das leichte Risse auf der Treppe aufweist. Dieses steht genau auf einer Scherzone. Am Haus und an der Strasse kann man neuere Sanierungsarbeiten erkennen.

82 Weiter unten beim «Chilchbiel» sind Risse im Parkplatzbelag festzustellen. Die Risse sind nicht besonders gross, ziehen sich aber über den ganzen Parkplatz. Der untere Teil der Rutschung ist Wohngebiet, aus diesem Grund fndet man dort weniger Spuren resp. Schäden, da diese rechtzeitig behoben werden, um schlimmeres zu vermeiden.

Schlusswort Mein Ziel, die Phänomene eines Talzuschubes zu fnden, habe ich erreicht. Mit den verschiedenen Baumwuchsarten, den abgesackten Gebäuden und den sekundären Rutschungen habe ich diese Phänomene gefunden und dokumen- tieren können. Schon bei meiner ersten Spurensuche, als ich noch wenig Wissen über Rut- schungen hatte, wurde ich fündig. Ich suchte am Anfang die Spuren auf «gut Glück». Später, mit mehr Wissen, merkte ich, dass ich andere und spannendere Phänomene einfach übersehen hatte. Im Laufe der Arbeit und mit zuneh- mendem Wissensstand zum Thema konnte ich viel gezielter auf Spurensuche gehen. Zugleich nahm ich die verschiedenen Zeichen anders wahr. Im Gegen- satz zum Beginn der Arbeit machte ich nicht nur ein Foto und ging weiter, sondern schaute mich auf Grund der Spur noch etwas genauer um. Ich ver- suchte auch sofort, das Phänomen zu erklären und überlegte mir, wo es sonst noch auftreten könnte. Mit meiner Maturaarbeit konnte ich zum ersten Mal eine wissenschaftliche Arbeit schreiben. Ich merkte schnell, dass bei einem solchen Projekt nicht im- mer alles wie geplant funktioniert. Die Arbeit war eine Herausforderung für mich, da ich bisher nichts Ähnliches gemacht hatte und alles neu für mich war. Ich hatte Spass daran, bewusster auf die Umgebung zu achten als sonst. Ich werde zukünftig bewusster auf meine Umgebung achten. Ich lernte das Un- tersuchungsgebiet Chratzera und somit auch Grindelwald von einer anderen Seite kennen.

83 Glossar

Nackentälchen: Bei einem Hangrutsch sind Nackentälchen ein sehr häufges Phänomen. Sie entstehen, indem eine Fläche absackt. (Skizze zur Veranschau- lichung: Seite 60, Abbildung 1). Dadurch entsteht eine kleines Tal oder wie es im Namen steht Tälchen. Ein solches wird dann Nackentälchen genannt. Je nach Ausrichtung des Schiefers nimmt das Nackentälchen unterschiedliche Formen an. Bei facher Schieferung wird eine fachere Gegensteigung verur- sacht und bei steil stehender Schieferung entstehen steile Tälchen.

Doppelgrat: Doppelgrate sind wie die Nackentälchen ein typisches Phäno- men. Sie hängen mit den Nackentälchen zusammen. Bei der Bildung eines Nackentälchens (siehe oben) bildet sich nicht nur ein Tal, sondern auch eine Erhebung. Zwei Erhebungen zusammen bilden einen Doppelgrat.

Bergzerreissung: «Als Bergzerreissung oder Absackung bezeichnet man eine langsame und großräumige Bewegung von Festgesteinen unter dem Einfuss der Schwerkraft. Ein Effekt von Bergzerreissung ist der Talzuschub.» 10

Moräne: ist das vom Gletscher mittransportierte Material, welches beim Schmelzen an einem Ort liegen bleibt.

Schiefer: besteht aus verschiedenen aufeinanderliegenden Platten und struk- turierten Plättchen. Verschiedene Mineralien bilden zusammen Schiefer. Es sind dies Tonmineralien (Schichtsilikate), Quarze und Feldspäne. Dies allein gibt aber noch nicht so viele verschiedene Arten von Schiefer, es ist immer ein weiteres Mineral, welches ihm den Namen gibt. So zum Beispiel hat der Granatschiefer als weiteres Mineral Granat in sich.

Sandstein: «Sandstein ist ein klastisches Sedimentgestein mit einem Anteil von mindestens 50 % Sandkörnern.» 11 Er besteht je nach dem aus grösseren oder kleineren Sandkörnern. Zum Sand kommen andere Mineralien wie Quarz hinzu. Beim Eisensandstein ist im Sandstein noch Eisen enthalten.

10 Wikipedia, Bergzerreissung 11 Wikipedia, Sandstein

84 Piezometer: «Der Piezometer ist ein Messgeräte zur Bestimmung hoher me- chanischer, in diesem Fall hydrostatischer, Drücke.» 12

Murgang: «Ein Murgang (auch Mure oder Rüfe genannt) ist ein schnell talwärts fießender Strom aus Schlamm und gröberem Gesteinsmaterial im Gebirge.» 13

Porenwasserdruck: «Als Porenwasser wird in den Geowissenschaften jener Wasseranteil bezeichnet, der in feinen Hohlräumen des Bodens und des ober- fächennahen Gesteins enthalten ist.» 14 Der Porenwasserdruck beschreibt nun, wie viel Wasser sich im Verhältnis zum vorhanden Volumen in den Hohl- räumen befnden.

Gefahrenkarte: Eine Gefahrenkarte zeigt, wo sich Naturgefahren wie Hoch- wasser, Rutschungen, Sturzprozesse und Lawinen ereignen können. Zudem zeigen Gefahrenkarten die Intensität und die Wahrscheinlichkeit der Gefahren, mit den verschiedenen Farben auf.

Rot = erhebliche Gefährdung Blau = mittlere Gefährdung Gelb = geringe Gefährdung

Die in dieser Arbeit benutzten Gefahrenkarten sind Rutschgefahrenkarten. Das heisst, sie zeigen nur Rutschgefahren und keine anderen Naturgefahren auf.

Rutschbegriffe:

Gleithorizont: Der Gleithorizont ist die Gleitfäche im Querschnitt abgebildet.

Scherung: «eine Deformation, bei welcher benachbarte Teile eines Körpers parallel zur Kontaktfäche aneinander vorbeigleiten.» 15

12 Wikipedia, Piezometer 14 Wikipedia, Porenwasser 13 Wikipedia, Murgang 15 Lexikon der Geowissenschaften

85 Eine Scherung kann passieren, indem ein Hangteil langsamer bzw. schneller ist als der andere Teil oder wenn sich ein Teil bewegt und der andere nicht. Scherungen treten meisten am Rand einer Rutschung auf, da sich dort ein Hangteil bewegt, der andere Teil jedoch stehen bleibt. Somit kommt es zu einer Scherung.

Scherzone: Eine Zone, bei welcher eine Scherung passiert.

Scherspannung: Eine Art Kraft, welche das Material abschert (ins Rutschen bringt)

Literaturverzeichnis

BAUMHAUER, R. (2006): Geomorphologie, WBG (Wissenschaftliche Buchgestellschaft), Darmstadt, 2006

GEOTEST AG, Monitoring Rutschung Grindelwald; Bericht 1413080.1.

HIGHLAND, L.M. & BOBROWSKY, P. (2008): The landslide handbook – A guide to understanding landslides – Reston, Virginia, U.S. Geological Survey Circular 1325, 129 S.

KRAUTER, E. (2001). Phänomenologie natürlicher Böschungen (Hänge) und ihrer Massenbewegung. In Grundbau-Taschenbuch Teil: Geotechnische Grundlagen (6. Auf.)., Kapitel 1.13 S. 613 – 662. Ulrich Smoltczyk.

LEWIN, J. (1998). Geomorphologie. Ein Methodenhandbuch für Studien und Praxis. Hrsg: Andrew Goudie., Kapitel 4, S. 223 – 446. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg.

ZANGERL, C., PRAGER, C., BRANDNER, R., BRÜCKL, E., EDER, S., FELLIN, W., TENTSCHERT, E., POSCHER, G. & SCHÖNLAUB, H. (2008): Methodischer Leitfaden zur prozessorientierten Bearbeitung von Massenbewegungen – Geo.Alp, Volume 5, 1 – 51.

86 Internetquellen

BERGHAUS BÄREGG (1.10.2016) www.baeregg.com/209/Geschichte/Deutsch/Stieregg.html

FREIE UNIVERSITÄT BERLIN (1.10.2016) www.geo.fu-berlin.de/v/pg-net/geomorphologie/massenbewegungen/ typen_massenbewegungen/rutschungen/slumps/index.html

GLETSCHERSEE GRINDELWALD (3.10.2016) www.gletschersee.ch/index.cfm/treeID/21

LEXIKON FÜR GEOWISSENSCHAFTEN (18.08.2016) www.spektrum.de/lexikon/geowissenschaften/scherung/14179

LOTTER UND HABERLER, Geogene Naturgefahren – gravitative Massenbewegungen und ihre Ursachen (5.10.2016) opac.geologie.ac.at/wwwopacx/wwwopac.ashx?command=getcontent&ser ver=images&value=BR0100_005_A.pdf

PLANAT (12.08.2016) www.planat.ch/de/bilder-detailansicht/datum/2011/03/16/murgaenge- brienz-2005/

WIKIPEDIA, Murgang (18.08.2016) de.wikipedia.org/wiki/Murgang

WIKIPEDIA, Piezometer (20.08.2016) de.wikipedia.org/wiki/Piezometer

WIKIPEDIA, Porenwasser (20.08.2016) de.wikipedia.org/wiki/Porenwasser

WIKIPEDIA, Talzuschub (17.08.2016) de.wikipedia.org/wiki/Talzuschub

87 Christoph Flück, Justistal, 140 x 90 cm

88 Andreas Zurbuchen

Pfarrer Nöthigers Beschreibung des Beatenbergs um 1780

Aus Joh. Rud. Nöthigers Phisisch-topographischer Beschreibung des Amtes Unterseen, in sich fassend die drei Kirchgemeinden Unterseen, Habkern, und Battenberg.

Vorbemerkungen: Das Amt Unterseen bestand bis zum Untergang des alten Staates Bern (1798) und umfasste die Kirchgemeinden Unterseen, Habkern und Beatenberg. Rudolf Gallati veröffentlichte im Jahrbuch 1972 des UTB die Beschreibung des Amtes und der Kirchgemeinde Unterseen, das heisst die Blätter 1 bis 26 der in der Burgerbibliothek Bern liegenden Handschrift, 1 sowie im Jahrbuch 1977 die Blätter 26 bis 41 der Kirchgemeinde Habkern. Zur Vervollständigung dieser Reihe folgen hier nun die letzten Blätter 41 bis 54, Beatenberg betreffend. Es ist folgendes zu wiederholen:

Den Anstoss zur Schaffung von «phisisch-topographischen Beschreibungen» bernischer Ämter und Gemeinden hat die Ökonomische Gesellschaft mit ihrem Programm von 1759 /1761 gegeben. Die Arbeiten sollten unter anderem als Grundlage zur Lösung sozialer Probleme dienen. Sie gingen recht zahlreich ein, wurden zum Teil prämiert und geben uns heute – wie das vorliegende Beispiel zeigt – interessante Momentaufnahmen zur Natur- und Kulturge- schichte einzelner Gemeinden. Die vorliegende Beschreibung dürfte zwischen 1780 und 1783 entstanden sein. An der handschriftlichen Arbeit Johann Rudolf Nöthigers (Pfarrer in Ringgenberg von 1770 –1783) wurden wiederum absichtlich keine orthographischen Änderungen vorgenommen.

Kirchgemeind Battenberg Diese bewohnte Bergstätte hat ihren Namen dem berühmten Eremiten St. Beat zu verdanken, der hierorts seinen Aufenthalt gehabt, zu welchem grosse Wallfarten angestelt worden, der hier als ein grosser Heiliger gelebt und

1 Burgerbibliothek Bern, GA Oek.Ges.123 (11)

89 gestorben, von welchem der Aberglaube viele Wunderdinge erzälet; von dessen Geschichte wir hierorts nur vorzüglich einrüken folgende Verse die in dortiger Kirche stehen.

Distichon 2. An dieses Berges festem Fuss, sieht man noch eine Höl und Claus, an welchem Ort vor Zeiten hat, gewohnt der selig Mann Beat, seiner Geburt hochadelich, aus Engeland dem Königreich, in seinem jungen zarten Leben, ward ihm der Nam Suetonius geben, da er hernach Christum erkant, für sein Erlöser und Heiland, wurd ihm im Tauff und nüwen Läben, der sälig Nam Beat gegeben, und wie er zunam in der Lehr, so hat ihne auch Gott der Herr, als ein Apostel ausgesandt, dem hoch befreiten Schweizerland, da er täglich mit bät- ten und lehren viel Volk zu Christo thät bekehren, und prediget das göttlich Wort, ein lange Zyt an diesem Ort; den Armen theilt er reichlich aus, was er mit sich gebracht von Haus, endlich starb dieser sälig Beat, in hohem Alter lebenssat, im Jahr da auch verschieden ist, Johannes der Evangelist, im Jahr des Herren welches war, das hundert und zehende Jahr, O Herr dein Volk und Kirch bewar.

Lage. Der Battenberg ligt auf der mittägigen Seite obenher der Sundglauinen am Thunsee, von daher man eine steile Anhöhe von einer starken Stunde bis zur Kirche hinauf zu steigen hat.

Gränzen. Gränzt gegen Aufgang an Habkeren und Unterseen – Mittags an die Sundglau und den Thunsee – Abends an Meerligen – und Mitternachts an das Üesten- oder Wüstenthal, Sigrissweil Rechtsame 3.

Umfang. Hat in der Länge eine Quadrat Meile, und in der Breite zu Oberst vom Graat bis an den See anderthalbe; also ein umfang etwas mehr als vier Stunden.

Klima. Das Klima ist sehr gesund und troken, aber kalt, im Winter zwar Son- nenschein ob dem Nebel im Boden, im Sommer aber viele Nebel auf dem Berg; der Schnee komt oft schon im September, und bleibt meist bis im April; die

2 Distichon = in der Verslehre allgemein ein Verspaar bzw. eine zweizeilige Strophenform 3 Rechtsame = Berechtigung, Nutzungsrecht

90 Reiffen sind im Früling und Herbst sehr frühe und stark, daher auch keine Blust an Obstbäumen durch kommen kann; auch weht hier stets, besonders am Morgen und Abend auch bei der grössten Sommerhize eine küle Bergluft, obgleich der zugang auf den Berg höchst beschwerlich ist, so ist dann droben eine schöne Aussicht auf den See hinunter, auch nach Leensingen und Äschi hinüber, und nach G’steig und Lütschenthal hinein.

Eintheilung in Bäürdten. Bevölkerung, Handwerker. Die ganze Gemeinde wird in drei verschiedene Bäürdten eingetheilt; die Mitlere, innere, und äussere, halten zusammen an Häüser 98, Haushaltungen 121 und Einwohner 445. Da- runter keine Handwerker als 4 Schneider und 2 Schuster, samt einer Säge sich befnden, wie auch vier Schulen. Auch hier wachsen die Einwohner stark an.

Einwohner, Zustand. Die Einwohner sind von Art klein, arm und mager, wie ihr Land selbst, das ihnen wenig abträgt, darzu weder arbeitsam noch anschlä- gig 4, doch gibt es auch hier einiche mittelmässig begüterte, die sich gut fort- helfen; so sehr sie in Ansehen der Vermögensumstände der Gegensaz sind, von ihren Nachbaren im Habkerthal, so ähnlich sind sie ihnen in ihrem Karak- ter, Sitten, Lebensart, Handel und Wandel, so dass deshalb Battenberg das Pendant zu Habkern ausmacht.

Gemeingut. Übertreffen aber jene in Betreff des Gemeind Guts, indeme selbi- ges in Spend-, Kirchen-, Schul- und Bäürdtsekel, sich auf 20’000 Pfund 5 be- lauft; auch verzinsen sie der Obrigkeit zur Verbesserung ihrer Pfarrei eine un- ablässliche Summe von 12’000 Pfund à 3 pro cto.

Ehrbarkeit 6. Auch diese Kirchgemeinde gehört zu dem Landgericht Unter- seen; dahin es vier Beisizer sendet; sonst besteth die Ehrbarkeit nebst dem Obmann und Weibel aus 8 Gliedern.

4 anschlägig = schlau, geschickt 5 1 Taler = 4 Pfund = 30 Batzen = 4.44 n.SFr (neue Schweizer Franken; Geldwert erste Hälfte des 19. Jahrhunderts) 6 Ehrbarkeit = Gemeinde-, Gerichtsbehörde

91 1. die vordere Bäürdt Die erste der dreien Bäürdten dieser Kirchgemeind ist die vordere gegen Meer- lingen und den Thunsee, ist zwar die grösste im Umfang und an Einwohnern; hält an Häüser 53, Haushaltungen 65, und Einwohner 228, ist aber die schlech- teste in der Ertragenheit, weil das Land hier ein purer Steinfelsen ist.

Beaten Höle. Unter dieser gegen den See steil abgeschnitten hohen Felswand sith man die so genannte Beatenhöle, die ehemalige Wohnung jenes Einsied- lers, und ersten schweizerischen Apostels St. Beath. Vor dieser Höle steht eine – wie es scheint – durch Natur und Kunst durchbrochene Gallerie oder Vorhof. Die Höle selbst ligt tief im Felsen, ist gross und geräümig, in welche man in etwas hinabsteigen muss, ist aber gegenwertig ganz mit Steinen und Schutt angefüllt, und gewaret man darinnen nichts mehr als die Überbleibsel von einem Feürherd, und einer steinern Lagerstelle.

Beatenbach. Merkwürdiger aber ist die darneben stehende Wasserhöle, oder von Natur gewölbter geräümiger hoher Keller, aus deme ein hellklarer kalter Bach stromsweise hervor läüft, und in verschiedenen kleinen Kaskaden über Felsenstüke, durch einen erbauten steinernen Bogen, über den Weg hinab nach Meerlingen geth, hinunter in den See stürzt. Die Höle aus welcher der Bach heraus fiesst, geth über hundert Schritte geraden Weges in den Fels hinein, wegen dem hervorströmenden Wasser aber kan man sich nicht weit hinein wagen, welches Schade ist wegen den Petrifkationen 7, davon sich hier Spuren äüssern. Der Grund und Boden dieses Wassergehälts ist Topf- oder Tropfsteinartig, und aus sehr artigen wellenförmigen Lagen zusammen ge- sezt, auf welchem das schönste Miesch wachst; der Felsen aber, oder das Gewölb ist Kalch- und Duffstein, auch mit Röhren- und Traubenartigen Tropf- steinen geziert; auch sind hier Spuren von Versteinerungen vorhanden. Neben dieser Höle steth noch ein anderer kleiner Wasserkeller von gleicher Art, des- sen Wasser sich mit jenem grösseren vereiniget.

Es ist ganz warscheinlich, dass dieser schöne Bach, zu dessen Ursprung man nicht kommen kan, keine eigentliche Quelle habe, sondern ein Zusammenfuss von dem im ganzen darobliegenden Berg befndlichen Wasser seye, das sich in dem Berg fltriert, durch die verschiedenen Hölungen und Ritzen des Duff-

7 Petrifkation = Vorgang des Versteinerns

92 und Kalchsteins durchtringt, und sich hier in einen Bach konzentriert, um so damehr, weil aus dem ganzen Felsengewölb durch die Rizen Wasser heraus schweiset, und herabträüfelt, es geth auch ein Weg vom See hinauf zu dieser Höle. Neben derselben steth auch ein schöner Eschenbaum, dessen diker Stamme sich in seinen weiten Ästen hoch an den Felsen hinauf verbreitet, und denselben gleichsam unterstüzt: Schade, dass eine boshafte Hand ohnlängst diesen Baum zerhauen.

2. Mitlere Bäürdt Die Mitlere Bäürdt ist diejenige, in welcher Kirche und Pfarrhaus stehen, wie auch das Pfrundgut, ist zwar die kleinste aber auch die Nuzbarste unter allen dreien, weil hier noch gutes Land ist, von schwarzer Erde, die stark gebauet drei bis vier Räübe 8 liefert. Hier steth auch die Säge, die nur der Kirchgemeind dienlich ist; diese Bäürdt besteth aus 13 Häüsern, 17 Haushaltungen, und 74 Einwohnern.

Kirche. Die Kirche ist klein, doch geräümig genug, hat einen kleinen saubern Thurn, mit zwey kleinen Gloken, ohne Schlaguhr noch Zeittafel.

Pfarrhaus. Das Pfarrhaus ist vor 30 Jahren neü, aber ganz hölzig erbauen wor- den, ist gross, heiter, und warm, hat auch gut Logement, und schöne Aussicht hinab auf den See.

3. die innere Bäürdt Die dritte Bäürdt heisst die Innere oder Speirenwaldbäürdt, ligt gegen Hab- kern, hat meist moosigten Lischgrund, der den Schafen sehr nachtheilig ist, wegen dem vielen Ägelkraut 9, sobald aber ein Reif darüber gegangen, so schadt es nicht mehr, indeme der reif die Ägeln tödet. Diese Bäürdt ist auch besonders mit vielen Ahornbäümen versehen, die den Einwonern sowol zum Brennholz, als auch zur Streüe und zum Futer für Schaf und Geissen dienen. Diese Bäüerdt besteth aus 32 Häüsern 39 Haushaltungen, und 143 Einwonern.

Land. Beschaffenheit. Was dann das Land selbst betrifft, so ist solches hier durchaus bergigt und trocken, auch steinigt, so dass öfters kaum ein schuh-

8 Raub = Ernte 9 Ägelkraut = gelbliches bzw. braunes Cypergras

93 hoch magere Erde darauf ruht; daher es auch zu den Pfanzungen sehr untüch- tig ist, auch alles, was darauf wachst, klein und mager bleibt; der ganze Berg hält bey 300 Kühwinterungen 10 Bauland 11, das mehr oder weniger zinspfich- tig ist von 9 Kreuzer bis 4 Bazen per Kühwinterung.

Obst. Obst giebt es hier keines, als einwenig schlechten Kirschwachs, Stil- oder Grünbiren und Holzapfel, aus denen sonst ein guter Cydertrank 12 gepresst wird, welcher aber hielands unbekant ist.

Erdapfel. Aber hingegen gute trokene schmakhafte Erdäpfel, die in dem leich- ten steinigten Grund wohl fort kommen, klein bleiben, aber stark anhenken.

Getreide. Auch Getreide in Dinkel, Gärsten und Ärbs, das aber auch sehr leicht ist.

Hanf und Flachs. Hanf und Flachs, doch das letstern mehr als des erstern, beides aber blos etwelche Schuh 13 hoch; der Flachs bleibt hier ungerieben, wird aber schön gehechelt, giebt freilich mehr Gespünst 14, bleibt aber rauhe und spröde, und lasst sich nicht gut bearbeiten.

Zehnden 15. Aller Zehnden gehört dem Pfarrer; beträgt an Erdapfeln bei 300 dreimässigen 16 Hutten, davon der Pfarrer aus freier Willkür nur den dritten Theil bezieht, das überige seinen Armen Pfarrkindern nach lässt, an Getreide bei 13 Müt 17, und an Hanf und Flachs 30 à 40 Pfund.

10 Kühwinterung = ein Stück Land, welches so viel Futter einträgt, wie zur Winterung einer Kuh benötigt wird 11 Bauland = gedüngtes, landwirtschaftlich genutztes Land 12 Cydertrank = Apfelschaumwein 13 1 Schuh (Berner Schuh) = 29.326 cm 14 Gespünst = was gesponnen wird; Spinnstoff, besonders Flachs oder Hanf 15 Zehnden = ursprünglich die Abgabe des zehnten Teils wirtschaftlicher Erträge und Einkünfte 16 Mass = Hohlmass (für trockene Gegenstände). Dreimässig = 3 Mass fassend. 1 Mass = 30 Pfund 17 1 Mütt = etwa 168 Liter

94 Allment. Jede Bäürdt hat auch ihre eigene besondere Allment darauf jeder Bäürdtmann im Früling all sein Vieh treiben, und im Sommer anderthalbe bis zwey Kühe sömmern kan, sind aber meist troken und steinigt und waldigt, für ein Allmentrecht wird 30 à 40 Bazen bezahlt. Der ganze Berg ist auch mehr oder weniger reich an guten Wasserquellen, davon aber die meisten im Sommer vertroknen.

Zerstreüte Häüser. Zu der Kirchgemeind Battenberg gehören dann auch noch aussert jenen Bäürdten verschiedene zerstreüte Häüser, die meist ob der Sund- glauinen ligen, und keine Bäürdtleüte sind; als Rauchenbühl, Wilderigen, Haselek, Schwendi, Holen und Farneren, die zusammen eine eigene Schule halten.

Vieh. Der ganze Battenberg hält an Vieh: Kühe 250, Schafe 50, Geissen 160 und Schweine 170.

Bäche. Bäche die in dieser Kirchgemeind entspringen sind folgende:

Suldbach. Der Suldbach, entspringt zu oberst auf der Gemmen Alp, läüft bei der innern Bäürdt vorbei.

Fizlibach. Der Fizlibach entsteth in einer Weid ob dem Pfrundhaus, und verur- sachet bei starker Schneeschmelze und Regengüssen öfters grossen Schaden, wie er denn erst noch vor fünf Jahren das beste Stük Land an der Sundglauinen verheeret hat, vereinigt sich an der Sundglauinen mit obigem Suldbach, und fiessen daselbst in See.

Birenbach. Der Birenbach im Spyrenwald, entspringt auf der Birenfuh, deren Form einer Birne ähnlich, und läüft zwischen der mitleren und innern Bäürdt, deren March er ausmacht, hinunter in See.

Kühlauinenbach. Der Kühlauinen Bach, entsteth in der vordern Bäürdt, und lauft von da hinab gegen Meerlingen, wo selbst er in See fällt.

95 Gräben. Alle diese vier Bäche formieren dann auch scheüssliche Gräben, die sich immer mehr verweitern, weil sie von Zeit zu Zeit ganze Jucharten 18 Landes fortreissen, und mit sich hinunter stürtzen; daher die schmalen Wege, die man bei diesen Gräben passieren muss, höchst gefährlich werden; man erinnert sich noch gar wol, dass man auf schmalen Stegen hinüber gehen konnte, da, wo man jezt mit blossem Auge kaum mehr hinüber sehen kan.

Waldung. Die Waldungen auf Beatenberg sind alle obrigkeitlich, und befnden sich auf denen Allmenten, davon sie auch den Namen haben, etwas weniges eigenes auf partikular Gütern ausgenommen; aber alles nur Tannwald; sind sehr harzreich, und auch so gross, dass ich dereren hin und wieder gesehen, die 4 à 5 Schu im Diameter 19, und also 16 à 20 in der Circonferenz 20 gemes- sen, aus dem Wald oben auf dem Felsen gegen den See werden viel tausend Klafter 21 in die Ziegelhütte nach Thun geholzet, zum grossen Nachtheil der Kirchgemeinde.

Alpen. Alpen befnden sich auf dem Battenberg dreie, die Gemmen Alp, die Seefeld- und Burgfeld Alp.

1. Gemmenalp Umfang. March. Seiung. Die Gemmenalp ist die Grösste und Höchste, von vier Stunden im Umfang. Stosst an der Sigrisweiler Üestenthal, an die Habker Al- pen, und an Battenberg Rechtsame; hat 126 Kühe Seiung 22, per 40 Bazen die Kuh Sömmerung, wird aber nicht ganz mit eigenen, sondern meist mit frömdem Vieh besezt; weil die Battenberger viele ihrer Kühen den Sommer auf den Erizberg im Tschangnau und auf Ällgeu, um einen Sommerzins von 10 à 12 Taler hinleichen.

18 Die Jucharte wurde 1838 in der Deutschschweiz auf 36 Aren (= 3600 m²) vereinheitlicht. 19 Diameter = Durchmesser 20 Circonferenz = Umfang 21 ein Klafter Scheitholz entspricht seit der Einführung des metrischen Systems 3 m³ (Raummeter oder Ster) aufgeschichteten Brennholzes; üblicherweise sind die Scheite 1 m lang. 1 Klafter entspricht damit etwa 2,2 Festmetern. 22 Seiung, geseiet = in Weiderechte eingeteilt

96 Stäfel. Die Alp wird in 4 Theil oder Stäfel getheilt; zu Anfang und Ende der Alpzeit, die bei 16 Wochen währt, fahren samtliche Antheilhaber des Bergs zusamen in das Bigelti; der übrige Rest des Sommers werden die drei übrigen Stäfel durch das Loos vertheilt. Das Bigelti Läger hat 4, Kühmatt 2, d’Stapf 1 und die Barenei 1 Hütten.

Beschaffenheit. Die Alp selbst ist troken, steinigt, und waldigt. Hat aber gut Wasser und Kraut; ganze Streken Adelgras 23, aber auch viel Germeren.

Bergspize. Güggishorn. Die Höchste Spize dieser Alp ist der Güggisgrat, hier ergözte sich mein Auge bey schönem heiteren Himmel an der prachtvollen weiten Aussicht, durch das Fernrohr erblikte ich den obern Theil meiner lieben Vatterstatt; wie auch das ganze Entlibuch, mit seinen Dörfern und Kirchen, auf der andern Seite aber stunden die Grindelwald- und Gletscher, samt der ganzen Reihe von Schneegebirg vor mir; ich konte mich an diesem majestätischen Anblik der nicht beschrieben werden kan, sonder selbst genos- sen werden muss, kaum sättigen, oben auf dieser Bergspize steth eine hohe Pyramide von schimmernden und gekörnten Kalchstein Stüken, die die jungen Älper daselbst aufgehürmt. Die ganze Oberfäche dieses Güggishorns ist mit den schönsten Flühblumen, Bergrosen, und Wachholder Stauden besezt. So wie ich auf Händ und Füssen diesen steilen Felsen hinauf geklettert, so rutsch- te ich nun denselben wieder hinunter, hätte hier aber bald das Ziel meiner Bergreisen und zugleich meines Lebens gefunden, denn ich glitschte aus, und mein Führer rettete mich noch beim Zipfel meines Roks.

Suldbach. Hier am Oberberg entspringt dann der Suldbach aus einer klaren Quelle, nimmt unterwegs mehrere Brünnen mit sich, und ergiesst sich unten bei der Sundglau in See.

Seelin. Auch ist hier ein kleines Seelin, das nie vertroknet.

Steinkohl Grube. Zu hinterst auf dieser Gemmenalp befndet sich denn auch eine Steinkohlgrube, die Herr Thommet, Hufschmied in Bern nebst noch einer andern auf der Alp Seefeld durch zwey Bergleüte bearbeiten lässt. Diese Grube hier ist ehemals geöffnet, aber ohne Kentniss und schlecht behandelt

23 Adelgras = Alpenwegerich (Plantago alpina)

97 worden. Jezt ist schon eine Schicht oder Wexel ausgesprengt und ausgearbei- tet, und wie es scheint, so führt der Berg Steinkohl genug mit sich; der würk- lich ausgegraben Gang oder Stollen geth bei 100 Schuh in den Berg hinein, von der Höhe eines Mannes. Gerade vor der Öfnung der Grube quilt ein klares eiskaltes Wasser heraus. Das Steinkol ist ansich von sehr guter Art, hart, pechicht, und leicht, und dienet trefich den Feürarbeitern, die Ader aber hielt nur 7 bis 8 Zoll in der Höhe, und doch können durch diese zwei Bergmänner nebst einem hiesigen Gehilfen, täglich 12 à 13 Zentner heraus gegraben wer- den. Der Zentner durch das Üestenthal hinunter auf dem Wasser nach Bern geliefert, kostet 16 Bazen, Fuhr- und Arbeitskösten nemmen 10 Bazen davon wegg, das überige ist Proft. Bis dahin ist nur den Sommer hindurch darinn gearbeitet worden, auf das künftige Frühjahr aber soll hier eine Wohnung er- baut werden, um das ganze Jahr hindurch zur Arbeit sich darinnen aufhalten zu können.

Nuze. Der jährliche Nuz von dieser Alp im Molken 24 auf 10 Taler per Kühsöm- merung nach ihrer Seiung berechnet, betragt also eine Summe von 1260 Taler.

2. Seefeldalp March. Umfang. Seiung. Stafel. Neben der Gemmen Alp steth dann die Alp Seefeld, die auch an das Üestenthal, und Battenberg Allment stosst, und ohn- gefehr bey zwey Stunden im Umfang hält. Hat 75 Kühe Seiung in drei verschie- denen Abtheilungen, in jeder eine Hütte, davon zwey Drittel nach Battenberg, und ein Drittel nach Sigrisweil gehört; die Kühsömmerung wird mit 35 Bazen bezahlt.

Beschaffenheit. Diese Alp ist durchaus steinigt, von lauter Kalchsteinen, zwi- schen denen aber das beste und zarteste Gras, deme ohne Zweifel die Kalch- erde zum Dünger dienet, hervorwächst, wenn man von dem Güggishorn auf Gemmenalp auf diese Alp hinunter schaut, so presentiert sich ein ebenes weites Feld, das mit lauter weisser Kalcherde als mit Schnee oder Wasser be- dekt ist, daher diese Alp auch den Namen Seefeld mag bekommen haben.

24 Molken = Gesamtertrag an Milch bzw. den daraus bereiteten Produkten

98 Steinkolgrube. Auf dieser Alp ist diesen Sommer von obigen Bergleüten eine neüe Steinkolgrube eröfnet worden, die jezt bearbeitet wird; der Eingang dazu ist noch sehr niedrig, so dass man hinein schlupfen muss, lasst sich aber für die Zukunft auch sehr gut an.

Nuze. Der Sommernuz von dieser Alp betragt eine Summe von 750 Taler.

3. Burgfeld Alp March. Umfang. Die dritte und letste den Battenbergern zugehörige Alp heisst Burgfeld, und stosst an Gemmenalp, an Battenberg Allment, und an das Üestenthal. Hat einen Umfang von drei Stunden, und in der Seiung 70 Kühe Sömmerung per 40 Bazen.

Beschaffenheit. Denn die Alp ist vortrefich, mit ganzen Streken von Mut- neren 25 und Adelgras angefüllt, auch Holz- und Wasserreich; wird in zwey Stäfel den Ober- und Unterberg jedes von zwey Hütten, eingetheilt. Gehört fast ganz nur den Bewoneren der aussern Bäürdt zu.

Thier und Vögel. Auf diesen Battenberg Alpen erblikt man bisweilen einiche Gemse, und Haasen, auch Ur- und Spielhanen und Hüner.

Nuze. Der Nuze von dieser Alp betragt jährlich 700 Taler und die samtlichen Battenberg Alpen eine Summe von 2710 Taler.

Mineralien. Auf diesen Battenberg Alpen zeigen sich denn auch hin und wie- der Spuren von Mineralien, als schwarzer Tafel- und Dachschiefer, darinnen man auch Schraubschnekenstein «Turbinites» und Tellmuschelsteinen – «Telle- nites» bemerkt: Gelbes Kupfererzt; wie auch Mondschnekenstein «Cochlites lunaris» im Steinkol; auch Kieswälle, Bergeier «Sulphur mineralisatas», wie nicht weniger auf den hohen Felsengebirg Geissbergerstein 26 mit durchsich- tigen Quarzkörnern, auch grüne glasartige Steine «lapides vitrescentes».

25 Mutnere = Alpen-Liebstock (Ligusticum mutellina) 26 Geissbergerstein = Findlinge aus Granit oder Gneis werden in der Volkssprache gelegentlich auch heute noch als «Geißberger» oder «Geißbergersteine» bezeichnet

99 100 Carla Maeder

125 Jahre «Interlaken» Die Entwicklung von Hotellerie und Tourismus in sechs Momentaufnahmen

Dieser Beitrag ist die leicht gekürzte Fassung einer Maturaarbeit zur Entwicklung der Hotellerie in Interlaken in den letzten 125 Jahren. Er erzählt, wie aus den kleinen Pensionen und Hotels grosse und weit entwickelte Betriebe wurden, die sich in all den Jahren ständig den Bedürfnissen angepasst haben. Auch aus Interlaken wurde eine grosse und bekannte Destination. Dies alles konnte jedoch nur geschehen durch harte Arbeit und die Zusammenarbeit zwischen allen, die sich für den Tourismus engagierten.

Im Jahre 2016 feiert die Gemeinde Interlaken ihr 125-jähriges Bestehen unter dem Namen Interlaken. Am 24. Dezember 1891 wurde nach vielen überwun- denen Hürden aus dem damaligen «Aarmühle» das heutige Interlaken.

101 Der Name Interlaken, der «zwischen den Seen» bedeutet, war schon seit mehreren Jahrhunderten auf dem Bödeli bekannt, jedoch unter verschie- denen Schreibweisen und Bezeichnungen. Begonnen hatte es 1130 mit der Gründung eines Augustinerklosters, das «monasterio interlacensis» genannt wurde. Auch ein Teil des heutigen Unterseen hatte den Namen «Inderlap- pen», welcher ebenso «zwischen den Seen» bedeutet. Aarmühle gehörte lange Zeit zur Gemeinde Matten, bis sich der Ort 1838 aus Gründen unterschiedlicher Bedürfnisse und Interessen von Matten abspaltete und eine eigenständige Gemeinde wurde. Aarmühle hatte einen grossen wirt- schaftlichen, insbesondere touristischen Aufschwung durchgemacht, was einen entsprechenden Veränderungsbedarf auslöste. Zu dieser Zeit war der Name Interlaken in der Gemeinde Aarmühle schon weit verbreitet, bei Reisen- den wie auch in Reisebüchern und auf Poststempeln war der Name Interlaken Usanz. Der Präsident der Einwohnergemeinde führte dies als Grund für den Namenswechsel an. Anfang 1891 beschloss Aarmühle, seinen Namen zu wechseln, und reichte beim Regierungsrat des Kantons Bern das Gesuch zur Namensänderung ein. Dieser liess sich viel Zeit mit der Bearbeitung des Gesuches, aber nach zehneinhalb Monaten wurde das Gesuch bewilligt und Aarmühle durfte sich offziell Interlaken nennen (Berner Zeitung, 06.01.2016: «Als Interlaken noch Aarmühle hiess»).

Reise mit fünf Stationen Das Ziel dieser Arbeit ist, die Entwicklung der Hotellerie in Interlaken in den letzten 125 Jahren, seit dem Namenswechsel der Gemeinde Interlaken, aufzu- zeigen. Anhand verschiedener Faktoren, die einen Einfuss auf die Hotellerie- entwicklung hatten, soll diese erklärt werden und somit zu einer Reise durch die Vergangenheit bis heute in die Gegenwart einladen. Dazu wurden sechs Karten in 25 Jahresabständen ausgewählt, auf denen die vorhandenen Hotels gezeigt werden und sechs Fragen aufgestellt, die in der Arbeit untersucht worden sind. – Welche Hotels hat es in den entsprechenden Jahren gegeben und wie haben sich diese entwickelt? – Wie kamen die Reisenden nach Interlaken? – Welche Gäste aus welchen Destinationen haben Interlakens Hotels frequentiert? – Was wurde den Reisenden angeboten, welche Aktivitäten unternahmen sie?

102 – Welche wichtigen Ereignisse prägten den Tourismus und die Hotellerie in Interlaken? – Wie war das Marketing ausgelegt und weshalb kamen die Gäste nach Interlaken?

Die Hotels auf den Karten werden nach ihrem erstmaligen Auftauchen mit dreistelligen Zahlen nummeriert. Die Hunderterzahl bezieht sich darauf, auf welcher Karte das Hotel erstmals auftaucht (100 – 600); für die Reihenfolge der Hotelgründungen in diesen Epochen werden die Zahlen 0 – 99 verwendet.

Periode 1891 bis 1916

Hotels in Interlaken um 1891. Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA17067)

Momentaufnahme 1891 Die ersten modernen Touristen («Fremde») besuchen Interlaken schon seit 1750, wobei der Aufschwung des frühen Fremdenverkehrs durch die Unspun- nenfeste Anfang des 19. Jahrhunderts und durch die Einführung der Molken- kuren begann. Viele Hotels sind deshalb im Verlaufe des 19. Jahrhunderts entstanden. Das Hotel Interlaken ist das Einzige, das schon seit dem Mittelalter besteht. Somit ist es das älteste Hotel in der Gemeinde Interlaken.

103 Hotels 1891 101 Grand Hotel des Alpes 110 Hotel Harder Minerva 119 Hotel Rugenpark 102 Hotel Bären 111 Hotel Hirschen 120 Hotel Schwanen 103 Hotel Bavaria 112 Hotel Horn 121 Hotel Schweizerhof 104 Hotel Beau Rivage 113 Hotel Interlaken 122 Hotel St. Gotthard 105 Hotel Belvédère 114 Hotel Jungfrau 123 Hotel Stella 106 Hotel Bernerhof 115 Hotel Jura 124 Hotel Weisses Kreuz 107 Hotel du Lac 116 Hotel Krebs 125 Pension Victoria 108 Hotel du Nord 117 Hotel Metropole 109 Hotel Eden 118 Hotel Oberland

Hotelbestand 25 Einwohner/innen ca. 2200 – 2400

Aarmühle befndet sich im Jahr der grossen Veränderung. Die Gemeinde wird sich im Dezember in «Interlaken» umtaufen. Dieser Name ist bei den Besu- chern bekannter, und es besteht die Hoffnung, dass er der Gemeinde touris- tisch helfen möge. Die kleine Gemeinde ist nicht stark bebaut, viele Häuser stehen an den Hauptverkehrsachsen. Die Gemeinde hat zwischen 2200 und 2400 Einwohner (Wikipedia, Interlaken: Bevölkerung, 23.07.16).

Hotels 25 Hotels gab es bereits in Interlaken/Aarmühle, wobei viele im 19. Jahrhun- dert entstanden sind. Das älteste ist das Hotel Interlaken, das aus der Kloster- herberge entstanden ist. Die Hotels stehen entlang der Hauptverkehrsachse zwischen Interlaken Westbahnhof und Interlaken Ostbahnhof. Den West- bahnhof gibt es seit 1872, den Ostbahnhof seit 1874. Zwei Hotels sind ein bisschen weiter weg gelegen, im Süden des Westbahn- hofes, Richtung Rugen. Die kleinen Hotels, zu dieser Zeit auch Pensionen genannt, waren nur im Sommer zwischen April und Oktober geöffnet und verfügten deshalb über keine Heizungen. Geführt wurden die kleinen Unter- nehmungen durch Familien, und viele Hotels sind schon seit Generationen in Familienbesitz und werden wieder weiter an die nächste Generation übergeben. Neue Hotels wurden im Jugendstil oder im klassischen Stil erbaut. Es sind grosse und mächtige Bauten, welche die kleinen privaten Häuser und die Ge- schäfte überragen. Im Innern waren sie sehr einfach ausgestattet, pro Etage

104 gab es oft nur ein Badezimmer. Die Zimmer waren jedoch unterschiedlich gross, da vor allem reiche Familien mit ihren Angestellten kamen. Für die Familien gab es grosse Räume und für die Angestellten nur kleine Zimmer.

Anreise und Verkehrsinfrastruktur Für die Anreise der Fremden sind schon seit 1835 die Dampfschiffe auf dem Thuner- und Brienzersee in Betrieb, die zwischen Thun und dem Neuhaus so- wie Interlaken und Brienz verkehren. Seit Anfang der 1870er Jahre gab es die Bödelibahn, die von Därligen bis Bönigen führte. Diese überquerte auf ihrem Weg durch Interlaken zweimal die Aare, um so einen konkurrierenden Schiffsbetrieb zwischen dem Thuner- und Brienzersee zu verhindern. (Prellbock.ch, Bödelibahn, 26.09.16) Im Jahre 1893 kam die Thunerseebahn dazu, welche die Verbindung zwischen Thun und Därligen herstellte und in welche die Bödelibahn integriert wurde, was die Anreise für die Fremden noch einfacher und schneller machte. Die Fahrt mit dem Schiff von Thun bis ins Neuhaus dauerte so noch 1.5 Stunden. Von der anderen Seite, von Brienz her, war die Anfahrt noch zu kompliziert und zu lange. Obwohl es schon seit 1888 Züge gab, die nach Brienz fuhren, war die Weiterreise nach Interlaken nur mit dem Dampfschiff möglich, und die Reise auf dieser Route dauerte immer noch über 6 Stunden.

Reisende Die Fremden, die sich auf den Weg machten und Interlaken besuchten, waren Reiche mit ihren Bediensteten. Mittelständische und Arme konnten sich eine solche Reise nicht leisten. Die Einführung einer Zählung der Reisenden begann erst im Jahre 1913, wobei nur gezählt wurde, wie viele Reisende Interlaken besuchten. Die Logiernächte wurden dabei noch nicht beachtet. Die Zahlen der Logiernächte und die spä- tere Unterscheidung nach Herkunft sind der Autorin dieser Arbeit erst ab dem Jahre 1941 bekannt (Verweis Kapitel 1941: Reisende). Aufgrund des Beginns des 1. Weltkrieges am 1. August 1914 reisten alle Frem- den ab. Viele Hotels mussten schon Anfang August schliessen, weil sich die längere Inbetriebhaltung nicht mehr lohnte. Im ersten Jahr ging die Besucherzahl um 50 % zurück. Im nächsten Jahr waren es, im Vergleich zum Jahr 1913, nur noch 10 % der ursprünglichen Besucher- zahl. Bis die Besucherzahl wieder die Höhe von 1913 erreichte, dauerte es 14 Jahre.

105 120 000

100 000

80 000

60 000

40 000

20 000

0 1913 1914 1915 1916

Besucherstatistik 1913 – 1916

Von den 9139 Besuchern im Jahre 1915 waren ca. 6500 Schweizer Gäste. Auch sonst kamen fast nur noch Schweizer sowie Ausländer, die schon eine Zeitlang in der Schweiz wohnten, und Familienangehörige der Internierten nach Interlaken. (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 29).

Freizeit und Angebote Neben der Landschaft waren die Molkenkuren und die Unspunnenfeste grosse touristische Attraktionen in Interlaken. Eigens für die Molkenkuren wurde 1859 der Kursaal gebaut. Die Kuranstalt war 39 Jahre lang ein grosser Frem- denmagnet, bis 1898 die Molkenkuren durch die medizinischen Neuerungen ausser Mode gerieten (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Inter- laken, S. 9 –10). 1903 wurde an der oberen Bönigstrasse beim heutigen Gymnasium ein Golf- platz eröffnet. Vor allem englische und die amerikanische Gäste kamen teil- weise nur wegen des Golfplatzes nach Interlaken. Da der Golfplatz alleine nicht rentierte, wurde er mit dem Tennisplatz auf der Höhenmatte, den es schon länger gab, zusammengeschlossen. Mit dieser Verbindung konnten die Einnahmen zwischen dem Golfplatz und dem Tennisplatz umverteilt werden. Die Lage des Tennisplatzes ist sehr erstaunlich, da die Höhematte gemäss einem Servitut unbebaut bleiben sollte. Mit dem ersten Weltkrieg blieben die Gäste aus, und der Golfplatz wurde geschlossen. (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 22–23)

106 Erst 100 Jahre nach dem ersten Unspunnenfest fand im Jahre 1905 das 3. Unspunnenfest statt. Eine weitere Veranstaltung, welche sich nach der ersten Aufführung als Publi- kumsmagnet entpuppte und so auch Fremde nach Interlaken holte, waren die Tellspiele in Matten. Diese fanden erstmals 1912 als Freilichtaufführungen statt. Obwohl viele Interlaken nur wegen der Tellspiele besuchten, mussten diese nach der zweiten Saison wieder eingestellt werden, da es zu viel regnete in der Sommerzeit. (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 26) Im gleichen Jahr fuhr die Jungfraubahn, mit deren Bau 1896 begonnen worden war, das erste Mal bis auf das Jungfraujoch.

Wichtige Ereignisse Durch die steigenden Gästezahlen wurde 1897, auf Initiative des Präsidenten der Kursaal-Gesellschaft, der Oberländer Verkehrsverein (OVV) gegründet. Dieser hatte die Aufgabe, sich um den Fremdenverkehr im ganzen Berner Oberland zu kümmern. Zu seiner Aufgabe gehörte bei der Gründung nur die Propaganda. Da dies den Hotels in Interlaken nicht genug war, wurde 1904 der Hotelierverein Interlaken gegründet. Dieser sollte die Interessen und Be- dürfnisse der lokalen Hotels noch gezielter vertreten. Sechs Jahre später zeigte sich, dass die Hoteliers noch mehr brauchten und wollten, um den Interlakner Tourismus und die Interlakner Hotellerie zu unterstützen. Denn für sie waren die Aktivitäten des Oberländer Verkehrsvereins zu wenig spezifsch. Daraus entstand 1910 ein eigener Verein, der Verkehrsverein Interlaken. Wobei sich dieser, im Unterschied zum OVV, nicht nur um das Marketing kümmerte, son- dern auch um die Verkehrsangelegenheiten, die Finanzen und den Tourismus (Angebote, Reisende etc.). Viele Hoteliers fanden die Idee eines eigenen Ver- kehrsvereines so gut, dass etliche den Verein mit fnanziellen Mitteln unter- stützten (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 11–14). Je weiter der Tourismus fortschritt, desto komplexer wurde die ganze Thema- tik. Der Hotelierverein entschied sich, eine Kurtaxe einzuführen. Damit musste jeder Hotelier pro Gast einen gewissen Beitrag abgeben, um so auch etwas zur Erhaltung und fortlaufenden Verbesserung der touristischen Infrastruktur bei- zusteuern. Damit die Reisenden von der Kurtaxe proftieren konnten, wurde eine Karte abgegeben, die verschiedene Vergünstigungen beinhaltete. Im Jahre 1914 wurde die Kurtaxe mit Erfolg eingeführt (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 21–22).

107 Der erste Weltkrieg war besuchermässig und damit fnanziell ein harter Rück- schlag für Interlaken (Verweis Kapitel 1891: Reisende). Da der erste Weltkrieg die Hotellerie schwer belastete, erliess der Bundesrat am 2. November 1915 die «Verordnung betreffend Schutz der Hotelindustrie gegen Folgen des Krieges». Zu dieser Verordnung gehörte ein Bauverbot für Hotels, aber auch die Auf- schiebung von Zinsen.

Marketing Es gab schon vor der Jahrhundertwende Plakate, auf denen die Jungfrau und der Name Interlaken abgebildet wurden, jedoch nicht als eigenständige Wer- bung für die Region, respektive Interlaken, sondern für das Getränk «Dennler- Bitter». Bereits auf diesem Plakat war zu sehen, womit Interlaken verbunden wurde: mit der Jungfrau. Lange Zeit wollte Interlaken ein eigenes Werbepla- kat. Aufgrund von Geldmangel war es jedoch nicht möglich, ein eigenes Plakat herzustellen. Man hatte sich nämlich an der Landesaustellung mit einem Ge- mälde der Jungfrau beteiligt. Nach dieser Ausstellung erreichte Interlaken im Gespräch mit dem Maler des Gemäldes aber, dass das Bild der Jungfrau für eigene Plakate und Prospekte verwendet werden konnte (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismusorganisation Interlaken, S. 25 –26).

Bitter Dennler Werbeplakat 1. Plakat für Interlaken, Plinio Colombi, 1896 1914

108 Was ist Hotellerie? Das Wort Hotellerie kommt aus dem französischen «hôtellerie», Gasthaus. Daraus entstand unsere Defnition der Hotellerie: die Beherbergung und Verpfegung von Reisenden. Historisch entwickelte sich die Hotellerie aus der Aufnahme von Durch- reisenden in Pfarrhäusern und Klöstern. Als das bestehende Angebot für Bildungs- und Vergnügungsreisende nicht mehr ausreichte, entstanden Pensionen, Tavernen und später auch Hotels. Zuerst waren es nur einfache Zimmer, die angeboten wur- den. Mit den zunehmenden Bedürfnissen der Reisenden wurden das Angebot entsprechend angepasst. In der Schweiz wurde die Hotellerie rasch zu einem wich- tigen Wirtschaftszweig, und sie setzte bald auch Massstäbe für die internationale Entwicklung.

Periode 1916 bis 1941

Hotels in Interlaken um 1916. Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA17067)

Momentaufnahme 1916 Seit 25 Jahren heisst Interlaken nun Interlaken und nicht mehr Aarmühle. Im baulichen Bereich ist viel geschehen, vor allem in der Region des Westbahn- hofes wurden viele neue Häuser gebaut. Dazu kam ein verbessertes Strassen- netz, das schon fast dem heutigen entspricht. Auch die beiden Bahnhöfe Interlaken West und Interlaken Ost wurden vergrössert. Anderweitig änderte

109 Hotels 1916 101 Grand Hotel des Alpes 109 Hotel Eden 119 Hotel Rugenpark 201 Hotel Bahnhof 206 Hotel Europe 210 Hotel Savoy 102 Hotel Bären 110 Hotel Harder Minerva 120 Hotel Schwanen 103 Hotel Bavaria 111 Hotel Hirschen 121 Hotel Schweizerhof 104 Hotel Beau Rivage 112 Hotel Horn 211 Hotel Simplon 202 Hotel Bellevue 113 Hotel Interlaken 212 Hotel Splendid 105 Hotel Belvédère 115 Hotel Jura 213 Hotel St. Georges 106 Hotel Bernerhof 116 Hotel Krebs 122 Hotel St. Gotthard 203 Hotel Carlton 207 Hotel Lötschberg 123 Hotel Stella 204 Hotel de la Paix 208 Hotel Merkur 124 Hotel Weisses Kreuz 205 Hotel Deutscher Hof 117 Hotel Metropole 214 Victoria Jungfrau 107 Hotel du Lac 209 Hotel National 108 Hotel du Nord 118 Hotel Oberland

Hotelbestand 37 Einwohner/innen ca. 3700

sich nicht viel in der Region um den Ostbahnhof. Zwei Hotels kamen dazu, die Harderbahn wurde 1908 gebaut und vereinzelt wurden Strassen hinzugefügt und andere entfernt. Beim Westbahnhof erkennt man den neu gebauten Schiffskanal und dass der linke Arm der Aare begradigt wurde, um Platz für den Kanal zu schaffen. Interlaken zählt etwa 3700 Einwohner, dabei ist zu beachten, dass die Zahl seit 1910 gesunken ist – dies wohl aufgrund des Ersten Weltkrieges (Einwohner- gemeinde Interlaken). Die Besucherzahl ist wieder ein bisschen gestiegen und erreichte in diesem Jahr ca. 14 000. Verglichen mit 103 000 im Rekordjahr 1913 war dies jedoch immer noch sehr wenig.

Hotels Die Anzahl der Hotels ist stark angestiegen, um ganze 48 %, von 25 auf 37 Hotels. Diese verteilen sich weiterhin entlang der Strasse vom Westbahnhof zum Ostbahnhof Interlaken. Auch an der Strasse parallel zum Westbahnhof und an der Achse, die von Unterseen über die Aare nach Matten führt, wurden neue Hotels gebaut. Die Hotels Victoria und Jungfrau haben sich

110 zusammengeschlossen. Weil die Gäste längere Zeit im Hotel wohnten, veran- stalteten die Hoteliers Spiele, Bälle, Konzerte und was sonst noch zum gesell- schaftlichen Leben gehörte, und stellten auch die Räume zur Verfügung, die es dafür brauchte. Und weil es nicht üblich war, sich ausserhalb des Hotels zu verpfegen, wurde Vollpension angeboten.

Anreise und Verkehrsinfrastruktur Um die Anreise auch von der Brienzersee-Seite her schneller zu machen, wur- de von der SBB 1916 eine Bahnstrecke eröffnet, die von Brienz nach Interlaken führt. (50 Jahre Verkehrsverein Interlaken, S. 13) Im Jahre 1919 kam die Idee auf, einen Flugplatz zu bauen. Die Reisenden sollten Interlaken noch schneller und bequemer erreichen können. Als Stand- ort für den Flugplatz wurde ein Feld beim Neuhaus neben der Badeanstalt ausgewählt. Dazu wollte man einen Vertrag mit der englischen Firma Airco schliessen. Diese Idee scheiterte jedoch, da die Firma verkauft wurde und kein Interesse mehr bestand, ihre Flugzeuge nach Interlaken zu senden. Zwei Jahre später wurde mit einer anderen Firma beschlossen, dass in der Hauptsaison zwei Flugzeuge in Interlaken stationiert würden, um von dort aus Rundfüge anzubieten. 1927 war aber die letzte Saison der Fliegerei, es lohnte sich nicht mehr, den Betrieb aufrecht zu erhalten, da die Schulden, die über die Jahre entstanden sind, zu gross waren. (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisa- tion Interlaken, S. 35 – 40)

120 000

100 000

80 000

60 000

40 000

20 000

0 1917 1919 1921 1931 1927 1937 1933 1925 1941 1935 1929 1939 1923

Besucherstatistik 1916 – 1941

111 350 000

300 000

250 000

200 000

150 000

100 000

50 000

0 1936 1937 1938 1939 1940 1941

Logiernächtestatistik 1936 – 1941

Reisende Nach dem ersten Weltkrieg nahm die Besucherzahl wieder langsam zu. An- hand der Besucherzahlen lässt sich klar herauslesen, dass der Sommer immer noch die Hauptsaison blieb, und die meisten Reisenden in der Zeit von Mai bis September ihren Weg nach Interlaken fanden. Im Jahre 1927 hat Interlaken zahlenmässig das Rekordjahr 1913 übertroffen und wieder über 100 000 Besucher gezählt. Als Folge des Schwarzen Freitags 1929 und der Weltwirtschaftskrise brachen die Besucherzahlen 1931 wieder um etwa 30 % ein. Bis ins Jahr 1937 stiegen die Zahlen wieder bis an die 100 000-Grenze, doch mit Beginn des Zweiten Weltkrieges sank die Besucher- zahl rasant. Während in den Jahren 1924 – 1932 durchschnittlich 296 000 Logiernächte verzeichnet wurden, gingen diese in der Saison 1933 auf nur 126 000 zurück, was einem Ausfall von 53 % entsprach (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 43).

Freizeit und Angebote Ein Bad bestand schon auf dem Bödeli, das Seebad im Neuhaus. Doch genügte dies nicht mehr, da andere Orte im Berner Oberland modernere Badeanstalten besassen. Deshalb musste Interlaken nachziehen. Die Hotellerie wünschte sich eine Badeanstalt in Interlaken selber nur für die Fremden und dass die Bäder an den beiden Seen ausgebaut wurden. Im Juli des Jahres 1930 wurde die Badeanstalt in der Goldey, auf Unterseener Boden, eröffnet. (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 52–53)

112 Die Tellspiele wurden nach der zweiten Saison wieder abgeschafft. Interlaken startete aber einen neuen Versuch, 1931 die Spiele wieder aufzuführen. Dieses Vorhaben klappte, und die Spiele waren wieder ein Publikumsmagnet, schon wie zu Beginn, auch für Tagesgäste. Mit dem Ausbleiben von Gästen und Tagesbesuchern gegen Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden die Spiele wieder eingestellt. Interlaken wollte den Reisenden mehr bieten als nur das Bödeli. Es kam die Idee eines 8-Tage-Ferienabonnements auf, das verschiedene Ausfugsredukti- onen in die umliegenden Orte beinhaltete. (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus- Organisation Interlaken, S. 54 –55) Im Jahre 1934 kamen durch Hotelplan das erste Mal Pauschalreisende nach Interlaken. Dank dieser Aktion wurden im darauffolgenden Jahr über 40 000 Übernachtungen generiert und besonders in der Ostschweiz wurde Interlaken wieder bekannter. Jedoch wollten diese Reisenden nur mit preisgünstigen Reisemöglichkeiten und Billigstangeboten Urlaub machen, so dass die Hotels ihre Preise stark senken mussten. (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisa- tion Interlaken, S. 44 – 45) Da man mit dem Segment des Kongressgeschäftes eine weitere Einnahme- quelle sah, die auch Publizität für Interlaken schaffte, plante man Mitte der 1930er Jahre, verschiedene Kongresse nach Interlaken zu holen.

Wichtige Ereignisse Die beiden Ereignisse, welche die Gemeinde Interlaken und deren Hotellerie mit Sicherheit am meisten beeinfussten, waren der erste und zweite Welt- krieg, deren Auswirkungen omnipräsent waren.

Marketing Die Propaganda war weiterhin ein sehr wichtiges Thema, und ihr wurde grosse Aufmerksamkeit geschenkt. Es wurde sehr genau und sparsam geplant, und nach jeder Saison wurde die Effzienz überprüft und wenn nötig angepasst. In der Saison 1922 wurde ein «Prachtsalbum» mit Bildern von Interlaken und Umgebung zusammengestellt. Darauf sah man die Jungfrau, aber auch die Fremden, die durch die Strassen fanierten. Alle diese Bilder wurden als Tief- druck herausgegeben. Ein Jahr später kam die Idee einer englischsprachigen Broschüre auf. Es gelang, den englischen Schriftsteller William Le Queux nach Interlaken zu holen, so dass er seine Eindrücke in einer kleinen Broschüre schil- dern konnte (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 50).

113 Oben links: Broschüre von Le Queux

Oben rechts: Plakat 1926 (Foto: Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, ZHdK)

Links: Plakat 1935

114 In all den Jahren zwischen 1916 und 1941 wurden immer wieder neue Plakate und Broschüren angefertigt, die Interlaken in ganz verschiedenen Varianten darstellten. Auch Filmpropaganda wurde eingesetzt. So wurden im Jahre 1932 und 1934 zwei Stummflme gedreht. Diese Filme wurden in Tonflmtheatern gezeigt und ins Ausland verkauft.

Periode 1941 bis 1966

Hotels in Interlaken um 1941. Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA17067)

Momentaufnahme 1941 Vereinzelt sind neue Häuser und Strassen erkennbar, jedoch sind nur wenige zusätzliche Gebäude ersichtlich, wie beispielsweise das Strandbad in der Goldey oder ein Bahnhofgebäude beim Ostbahnhof. Die Bevölkerungszahl ist jedoch, erstaunlicherweise, auf etwa 4000 Einwohner gestiegen (Einwohner- gemeinde Interlaken).

Hotels Das Hotel Schwanen und das Grand Hotel des Alpes wurden geschlossen, dafür ist das Hotel Artos entstanden und somit waren es nun 36 Hotels in Interlaken. Standortmässig hat sich nicht viel verändert: die meisten Hotels

115 Hotels 1941 301 Hotel Artos 108 Hotel du Nord 209 Hotel National 201 Hotel Bahnhof 109 Hotel Eden 118 Hotel Oberland 102 Hotel Bären 206 Hotel Europe 119 Hotel Rugenpark 103 Hotel Bavaria 110 Hotel Harder Minerva 210 Hotel Savoy 104 Hotel Beau Rivage 111 Hotel Hirschen 121 Hotel Schweizerhof 202 Hotel Bellevue 112 Hotel Horn 211 Hotel Simplon 105 Hotel Belvédère 113 Hotel Interlaken 212 Hotel Splendid 106 Hotel Bernerhof 115 Hotel Jura 213 Hotel St. Georges 203 Hotel Carlton 116 Hotel Krebs 122 Hotel St. Gotthard 204 Hotel de la Paix 207 Hotel Lötschberg 123 Hotel Stella 205 Hotel Deutscher Hof 208 Hotel Merkur 124 Hotel Weisses Kreuz 107 Hotel du Lac 117 Hotel Metropole 214 Victoria Jungfrau

Hotelbestand 36 Einwohner/innen ca. 4000

stehen an den Hauptachsen, jedoch ist das neue Hotel Artos in der Region Ost im Vergleich zu allen anderen sehr abgelegen. Die Hotels öffneten nun ihre Türen auch vermehrt im Frühling und im Herbst. Obschon die Hauptsaison immer noch von April bis Oktober dauerte, ver- suchte man, die Region auch in der Nebensaison attraktiver zu gestalten. In den nächsten Jahren bekam die Hotellerie Konkurrenz durch den Camping- Tourismus. Dieser konnte mit billigeren Preisen punkten. Der Camping-Touris- mus konnte überhaupt entstehen, da sich die soziale Herkunft der Reisenden verändert hatte. Neben den vermögenden Leuten hatten nun auch breitere Schichten die Möglichkeit zu reisen, konnten sich aber die hohen Preise der Hotels nicht leisten. Mit den sich verändernden Bedürfnissen kam der Anspruch auf eigene Bade- zimmer in den Hotels.

Anreise und Verkehrsinfrastruktur Während und vor allem nach dem Krieg wurden die Promenaden und Strassen nur beschränkt unterhalten, da nur wenige Mittel vorhanden waren und diese für die Propaganda eingesetzt wurden (Verweis Kapitel 1941: Propaganda).

116 Wegen des Krieges wurde für das Militär ein Flugplatz auf den Grenzen von Matten, Wilderswil und Bönigen gebaut. Da die Hotellerie und Touristiker for- derten, dass es für einen Ort wie Interlaken von Nöten sei, einen Flugplatz zu haben, wurde mit dem Militärdepartement ein Vertrag für die Nutzung des Flugplatzes abgeschlossen. Der Platz wurde stark befogen und genutzt für Anfüge und Rundfüge, jedoch blieb der gewünschte Linienverkehr aus. Aus diesem Grund wollten sich die Gemeinden fnanziell nicht mehr daran beteili- gen. (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 67) Der Wunsch der Hotellerie nach Charterfügen war noch nicht verstummt. Im Jahre 1963 wurden die ersten Probefüge durch eine Firma aus Basel durchge- führt. Anfangs war man mit der Auslastung nicht zufrieden, jedoch gab die Firma noch nicht auf und führte weitere Flüge durch. Ab Frühling 1965 gab es jede Woche einen Charterfug von London nach Interlaken. (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 82– 83)

Reisende Wie auf der unteren Grafk ersichtlich ist, verbrachten hauptsächlich Schweizer Bürger ihre Ferien in Interlaken und die ausländischen Gäste bleiben aus.

40 000

35 000

30 000

25 000

20 000

15 000

10 000

5000 Schweiz Niederlande Deutschland Grossbritannien übriges Europa Frankreich USA Italien

0

Logiernächte nach Herkunft des Jahres 1941 (Datenmaterial: TOI, Martin Bloch)

117 600 000

500 000

400 000

300 000

200 000

100 000

0 1952 1956 1950 1958 1942 1962 1954 1966 1960 1946 1964 1948 1944

Logiernächtestatistik 1941 – 1966

Die Zahl der Logiernächte sank weiterhin drastisch. Im Jahre 1941 verzeichne- te Interlaken im Vergleich zu 1937 einen Rückgang von 88 %. Die Hotellerie spürte nicht viel davon, da Truppen in den Hotels einquartiert wurden und so den Ausgleich schufen. Nach dem Krieg brachte man Interlaken ins Ferienprogramm der amerika- nischen Armee. Amerikanische Armeeangehörige kamen bereits im ersten Jahr der Aufnahme ins Programm, 1945, zahlreich. Danach sanken die Be- suche und die Anzahl Logiernächte von amerikanischen Soldaten wieder, da sie entweder nur einen Tagesbesuch machten oder nur eine Nacht verweilten (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 65). Trotz des Rückganges machten die Amerikaner gute Propaganda (Verweis Kapitel 1941: Propaganda). Dann stieg die Zahl der Logiernächte dank den Engländern. Der Einbruch der Logiernächte im Jahre 1950 wurde durch den Koreakrieg und die Abwertung des englischen Pfundes ausgelöst.

Freizeit und Angebote Der Kursaal blieb von 1940 bis 1945 geschlossen, da die Besucher ausblieben und das Geld aufgrund des Rückzugs der Gönnerin fehlte (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 59). Am 21. und 22. September 1946 fand das 4. Unspunnenfest statt, und infolge der vielen Besucher wurde das nächste Fest schon für 1955 angesagt.

118 Nachdem schon in den 1920er Jahren Pferderennen auf der Höhematte ver- anstaltet worden waren, fand 1951 erstmals ein Springconcours statt, der Concours Hippique, der für die folgenden Jahrzehnte zur festen Institution wurde. Der Verkehrsverein und der Hotelierverein Interlaken merkten, dass das Seg- ment der Kongresse und Tagungen, das stark zunahm, immer wichtiger für sie werden könnte. Deshalb wurden die Räumlichkeiten im Kursaal verbessert, um dort Tagungen und Kongresse durchführen zu können, und der Hotelierverein liess spezielle Prospekte drucken mit den nötigen Informationen für Interes- sierte (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 74). Der Golfplatz, ein lang gehegter Wunsch, der seinen Standort in Unterseen fand, wurde im Jahre 1965 eröffnet. Bis alle 18 Löcher zum Bespielen bereit waren, dauerte es noch eine weitere Saison (Wyss, 2009: 100 Jahre Touris- mus-Organisation Interlaken, S. 79).

Wichtige Ereignisse Ein bedeutendes Ereignis war der zweite Weltkrieg und dessen Ende im Jahre 1945. Mit der Erkenntnis in der Schweiz, dass der Tourismus eine immer wich- tigere wirtschaftliche Rolle spielt, beschlossen die Bundesbehörden Hilfs- und Schutzmassnahmen für Hotels und andere touristische Infrastrukturen. Der Bund stellte zusammen mit den Kantonen Kredite und Subventionen zur Ver- fügung, um die Tourismusregionen aufzurüsten (Wyss, 2009: 100 Jahre Tou- rismus-Organisation Interlaken, S. 60).

Marketing Während der Kriegsjahre wurde die Propaganda mehrheitlich auf den Schwei- zer Markt ausgerichtet. Hier war die Hoffnung am grössten, Gäste nach Inter- laken holen zu können. Durch die amerikanischen Truppen, die nach den Kriegsjahren kamen, gab es «Gratispropaganda», weil die amerikanischen Besucher durch Mund zu Mund-Propaganda Interlaken in den heimischen Me- dien berühmt machten und verbreiteten (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus- Organisation Interlaken, S. 59/65). Weitere Filme über Interlaken kamen im Herbst 1945 heraus, jedoch fehlten verschiedene wichtige Institutionen, welche Interlaken repräsentieren. Dass nur der Herbst aufgenommen wurde, Frühling und Sommer fehlten, wurde als Mangel angesehen (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Inter- laken, S. 67).

119 Oben links: Plakat 1946

Oben rechts: Plakat 1951

Links: Führer Interlaken 1955

Auf diesen drei Bildern ist gut ersichtlich, wie für Interlaken geworben wurde in diesen Jahren, vor allem mit der Jungfrau, der Natur und auf dem Plakat oben rechts mit der Attraktion des Strandbades.

120 Periode 1966 bis 1991

Hotels in Interlaken um 1966. Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA17067)

Hotels 1966 401 Hotel Alphorn 108 Hotel du Nord 118 Hotel Oberland 301 Hotel Artos 109 Hotel Eden 119 Hotel Rugenpark 201 Hotel Bahnhof 206 Hotel Europe 210 Hotel Savoy 102 Hotel Bären 110 Hotel Harder Minerva 121 Hotel Schweizerhof 104 Hotel Beau Rivage 111 Hotel Hirschen 211 Hotel Simplon 202 Hotel Bellevue 112 Hotel Horn 212 Hotel Splendid 105 Hotel Belvédère 113 Hotel Interlaken 213 Hotel St. Georges 106 Hotel Bernerhof 115 Hotel Jura 122 Hotel St. Gotthard 203 Hotel Carlton 116 Hotel Krebs 123 Hotel Stella 402 Hotel City 207 Hotel Lötschberg 124 Hotel Weisses Kreuz 204 Hotel de la Paix 208 Hotel Merkur 214 Victoria Jungfrau 403 Hotel Derby 117 Hotel Metropole 107 Hotel du Lac 209 Hotel National

Hotelbestand 37 Einwohner/innen ca. 4700

121 Momentaufnahme 1966 Auch in diesen 25 Jahren änderte sich in Interlaken nicht viel. Die Strassen sind gleich wie 1941 und haben sich nicht verändert. Die Region um den Ostbahn- hof ist immer noch ziemlich leer und unbebaut, bis auf drei Hotels und die Bahnhofgebäude. Die Bevölkerungszahl ist nicht stark gestiegen und beträgt in diesem Jahr etwa 4700 Einwohner (Einwohnergemeinde Interlaken).

Hotels Die Anzahl der Hotels erhöhte sich wieder auf 37. Einzelne Häuser schlossen, andere entstanden neu und öffneten ihre Türen für die Reisenden. Geöffnet hatten die Hotels immer noch vom Frühling bis in den Herbst. Erst ab Ende der 1960er Jahre wurden die Hotels wintertauglich gemacht, wobei das neu ge- baute Metropole eines der ersten war mit einer Heizung. Die Hotels wurden nun nicht mehr im klassischen Stil oder im Jugendstil erbaut, sondern waren Betonkonstruktionen. Diese waren billiger und einfacher zu bauen. So sieht man am Beispiel des Metropoles und des Bernerhofes die neuen Bauarten. 1990 wurde das Victoria Jungfrau mit einer Glas- und Stahl-Konstruktion er- weitert. Es kamen eine Empfangshalle, welche die beiden Hotels verbindet, und ein Spa dazu. An diesem Beispiel wird ersichtlich, wie sich zum einen der Baustil veränderte und zum andern auch die Bedürfnisse der Gäste. Diese wollten nicht nach draussen, um vom einen Hotelteil in den anderen zu gelan- gen, und ein Spa wurde gewünscht. In den Hotels gab es noch bis in die 70er Jahre Vollpension. Danach änderte sich dies und es gab auch die Möglichkeit, Halbpension oder nur Frühstück im Hotel zu sich zu nehmen. Die Zimmer waren nun alle so umgebaut, dass sie relativ gross waren. Die inneren Strukturen der Hotels waren auch im Wandel. Wo früher die Hotels noch Familienbetriebe waren, kamen immer mehr Hotelketten wie Lindner oder Best Western nach Interlaken. Unter ihrem Namen übernahmen sie gewisse Hotels.

Anreise und Verkehrsinfrastruktur Die Charterfüge, die nun zur Verfügung standen, wurden in den Folgejahren weitergeführt. Ab 1967 wurden drei Flüge pro Woche von London nach Inter- laken angeboten. Nachdem die Flugfrma aus Basel in fnanzielle Schwierig- keiten geriet, musste eine neue Fluggesellschaft gefunden werden, die Inter-

122 laken anfiegen wollte. Jedoch waren die Vorschriften des Militärdepartements so streng, dass vorerst keine neue Fluggesellschaft gefunden werden konnte (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 82/83). Die in Konkurs geratene Firma bot Interlaken zwei Flugzeuge zum Verkauf an, und es kam so die Frage auf, ob eine eigene Fluggesellschaft gegründet werden solle. Zusammen mit der Kantonalbank, einer britischen Fluggesellschaft, der Gemeinde Interlaken und dem Verkehrsverein wurde im Jahre 1968 die Tellair ins Handelsregister eingetragen. Wegen verschiedenen Schwierigkeiten wurde der Tellair die Betriebsbewilligung entzogen und sie ging bereits 1969 ins Nach- lassverfahren (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 84). Im Jahre 1979 wurde der Rugentunnel eröffnet, und somit entstand eine Umfahrung mit der N8 (Nationalstrasse 8) für Interlaken, da schon lange der Wunsch bestanden hatte, dass der Höheweg vom Verkehr befreit würde (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 102).

Reisende Im Jahre 1966 schreibt Interlaken eine Logiernächtezahl von 530 763. Diese hohe Zahl ist den Engländern, die in grosser Zahl nach Interlaken kamen, den Kongressen und vor allem vielen Gruppenreisenden zu verdanken. Obwohl die

250 000

200 000

150 000

100 000 Grossbritannien/Irland USA Deutschland Schweiz/Liechtenstein Frankreich Italien Belgien Asien Niederlande übriges Europa Süd-/Zentralamerika Afrika Kanada Australien

50 000

0

Logiernächte nach Herkunft des Jahres 1966 (Datenmaterial: TOI, Martin Bloch)

123 800 000

700 000

600 000

500 000

400 000 1971 1975 1979 1973 1991 1977 1981 1987 1969 1985 1967 1983 1989

Logiernächtestatistik 1966 – 1991

Engländer und die Amerikaner personenmässig fast in gleicher Anzahl kamen, generierten die Engländer mehr als das Dreifache an Logiernächten. Dieser Unterschied entstand aus der unterschiedlichen Aufenthaltsdauer. Die Englän- der blieben etwa dreimal so lange vor Ort wie die Amerikaner. Als 1978 die japanische Stadt Otsu die Schwesterstadt von Interlaken wurde, löste dies einen Boom aus und viele Japaner kamen nach Interlaken. Wegen den neuen Gästen aus Japan ist auch der japanische Garten neben dem Hotel Interlaken entstanden, und neue Uhrengeschäfte wurden eröffnet.

Freizeit und Angebote Mit dem Beginn des Wintertourismus wurden zusätzliche neue Einrichtungen für die Gäste benötigt. Zum Strandbad Interlaken kam 1975 das Hallenbad, ebenso entstand im Jahre 1979 eine Eisbahn in Matten. Der Verkehrsverein bemühte sich zusammen mit dem Hotelierverein Inter- laken, immer mehr Kongresse nach Interlaken zu holen. Dies in der Haupt- aber auch in der Nebensaison. Allerdings waren die Hoteliers in der Hauptsai- son nicht so glücklich damit, da sie die Hotels auch ohne Kongresse gut füllen konnten. Der Kongresstourismus etablierte sich, und so wurde 1980 speziell für die Kongressgäste ein Kongresshaus auf dem Terrain des Kurhauses gebaut (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 80/95).

124 Man versuchte, mit verschiedenen Veranstaltungen Gäste nach Interlaken zu locken, unter anderem mit dem 6. Unspunnenfest 1968 und dem 7. Unspun- nenfest 1981.

Wichtige Ereignisse Es gab viele Bemühungen, den Wintertourismus in Interlaken zu starten und somit das ganze Jahr hindurch viele Gäste zu betreuen. Im Winter 1970 gab es schon diverse Zusagen aus verschiedenen Ländern, die Gruppen nach Inter- laken senden wollten, um dort ihre Winterferien zu verbringen (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 90). Um den Wintertourismus richtig zum Laufen zu bringen, brauchte es natürlich die entsprechende Infrastruktur (Verweis Kapitel 1966: Freizeit und Angebot). Mit dem Tourismus im Winter wurde ab 1976 neu eine Winterkurtaxe einge- führt, damit auch durch die Hotelgäste im Winter Geld für die Infrastruktur generiert wurde.

Marketing Das Werbebudget nahm in diesen Jahren nicht stark zu wie in anderen Desti- nationen. Durch viele Erneuerungen in der Werbetechnik wie Fernsehen wur- den Anpassungen erforderlich. Da Fernsehwerbung sehr teuer ist, versuchte man, auswärtige Filmemacher und Fernsehshows nach Interlaken zu holen, um so indirekte Werbung zu machen. Dies gelang mit der deutschen Sendung «Musik im Schnee». Sehr attraktiv waren zudem Fernsehanlässe und Sport- übertragungen von den Unspunnenspielen (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus- Organisation Interlaken, S. 92). Ein Ziel Anfang 80er Jahre war, das Marketing auch nach innen auszurichten, und den Bewohnern des Bödelis den Tourismus näher zu bringen. So wurde ein Podiumsgespräch veranstaltet mit dem Thema «Auf dem Bödeli – was meinen Sie dazu?» (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 105) Auf den folgenden zwei Plakaten ist wieder ersichtlich, wie Interlaken für sich wirbt: Die Jungfrau ist nicht mehr wegzudenken und gehört auf jedes Plakat.

125 Plakat 1970er Jahre (100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken)

Sales Manual 1986 (100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken)

126 Periode 1991 bis 2016

Hotels in Interlaken um 1991. Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA17067)

Hotels 1991 401 Hotel Alphorn 204 Hotel de la Paix 117 Hotel Metropole 301 Hotel Artos 403 Hotel Derby 209 Hotel National 201 Hotel Bahnhof 107 Hotel du Lac 118 Hotel Oberland 102 Hotel Bären 108 Hotel du Nord 119 Hotel Rugenpark 104 Hotel Beau Rivage 502 Hotel Eden-Nova 210 Hotel Savoy 202 Hotel Bellevue 206 Hotel Europe 212 Hotel Splendid 105 Hotel Belvédère 110 Hotel Harder Minerva 213 Hotel St. Georges 106 Hotel Bernerhof 113 Hotel Interlaken 123 Hotel Stella 203 Hotel Carlton 116 Hotel Krebs 503 Hotel Toscana 402 Hotel City 207 Hotel Lötschberg 124 Hotel Weisses Kreuz 501 Hotel Crystal 208 Hotel Merkur 214 Victoria Jungfrau

Hotelbestand 34 Einwohner/innen ca. 5200

127 Momentaufnahme 1991 Die Jahre zwischen 1966 und 1991 veränderten das Ortsbild von Interlaken stark. Das sieht man vor allem im Bereich Interlaken Ost: Viele Häuser wurden gebaut und daraus entstanden neue Quartiere mit kleinen Strässchen. Flächen, die noch leer waren, wurden bebaut. Die Höhematte, die 1864 von privaten Geschäftsleuten vom Staat Bern gekauft und zur Erhaltung des parkähnlichen Zentrums samt Flaniermeile und freiem Blick auf die Jungfrau mit einem Servi- tut (konkret: einem Bau-, Zerstückelungs- und Baumfällverbot) belegt worden war, bleibt unbebaut. Im östlichen Teil ist die neue Autobahn A8 ersichtlich, die Interlaken umfährt. Weitere Veränderungen, die anhand der Karte erkennbar sind, sind die beiden Bahnhöfe, die modernisiert wurden sowie die Schulhausanlage des Gymnasi- ums und der Primarschule, die entstanden sind. Die Bevölkerung in Interlaken ist auf 5200 Einwohner angewachsen, was einen Zuwachs von etwa 21 % bedeutet (Einwohnergemeinde Interlaken). Im Zusam- menhang mit den vielen zusätzlichen Bauten kann man auf eine Veränderung der Gesellschaft schliessen – etwa, dass die Familien immer kleiner wurden.

Hotels Der Hotelbestand nahm in den letzten sechs Jahren vor 1991 um 8 % ab, von 37 auf 34 Hotels. Die Abnahme des Hotelbestandes bedeutet gleichzeitig auch den Verlust von Betten insgesamt. Vereinzelte Hotels vergrösserten sich auch, in markanter Weise zum Beispiel das Hotel Metropole und das Victoria- Jungfrau. Trotz des Wintertourismus sind gewisse Hotels im Winter immer noch ge- schlossen, da sich der Aufwand für den Betrieb nicht lohnt. Jedoch dadurch, dass es vereinzelte Hotels gab, welche ganzjährig geöffnet hatten, wurde der Tourismus auf das ganze Jahr ausgerichtet. Zu den Hotelketten kamen nun auch Einzelunternehmer dazu, welche die Strukturen der typischen Familienführung der Hotels aufösten.

Anreise und Verkehrsinfrastruktur Um nach Interlaken zu kommen, waren Mittel wie das Auto, der Zug oder der Car für Gruppenreisende angesagt. Viele Gruppenreisende, die von weiter her kamen, nahmen das Flugzeug bis in eine grössere Stadt in der Schweiz, oder auch ausserhalb. Von dort aus wurden sie durch regionale Carunternehmen in ganz Europa herumgefahren, so auch nach Interlaken.

128 150 000

120 000

90 000

60 000 Grossbritannien /Irland Schweiz/Liechtenstein Deutschland Japan USA übriges Europa Italien Frankreich Spanien übriges Asien übriges Amerika Israel Australien Afrika 30 000

0

Logiernächte nach Herkunft des Jahres 1991 (Datenmaterial: TOI, Martin Bloch)

Reisende Im Jahre 1991 lagen die Logiernächte bei 589 000 und die Besucherstatistik bei 229 500. Daraus kann man schliessen, dass der Aufenthalt der Gäste im- mer kürzer geworden ist. Die meisten Gäste kamen immer noch aus England und den USA. Mit der Zeit wurde die Schweiz Spitzenreiter in der Länder- rangliste vor England, und die USA rutschten zurück. Innert 5 Jahren, seit 2010, «eroberten» die asiatischen Länder Interlaken, obwohl noch die Schweiz an der Spitze der Rangliste der Länder war, standen nun direkt dahinter China und Hongkong, die Golfstaaten und Korea. Das Jahr 2015 war bisher das beste touristische Jahr aller Zeiten mit 908 564 Logiernächten.

Freizeit und Angebot Je mehr Anforderungen und Erwartungen von den Gästen an die Ferienregi- onen gestellt wurden, desto grösser wurde der Konkurrenzkampf unter den Destinationen. Interlaken musste immer wieder Innovationen fnden, um die Gäste anzulocken und die Hotels zu füllen.

129 In den 90er Jahren entstand der Adventure-Tourismus in der Region Interlaken. Dazu gehören zum Beispiel River Rafting, Paragliding, Biken und Skydiving. Auf einem Teil des stillgelegten Flugplatzes wurde der Mysterypark gebaut, dieser ging aber Konkurs und wurde 2010 als Jungfraupark wiedereröffnet. Auf dem anderen Teil des Flugplatzgeländes, das noch als Flughafen genutzt wird, fndet seit 2005 einmal im Jahr das Greenfeld Festival statt, das tau- sende von Musikbegeisterten anlockt. Auch das Trucker- und Country- Festival fndet einmal im Jahr auf dem Gelände des Flugplatzes statt. Die grösste Attraktion ist aber nach wie vor das Jungfraujoch, das vor allem von den asiatischen Touristen in grosser Zahl besucht wird. Die Unspunnenfeste werden weiterhin durchgeführt, aber auch die Tellspiele sind im Sommer gute Publikumsmagnete. Zusätzlich probiert Interlaken, di- verse Eidgenössische Feste nach Interlaken zu holen und sogar eigene Veran- staltungen durchzuführen. Dazu gehören zum Beispiel der Jungfraumarathon, der seit 1993 jedes Jahr stattfndet sowie in den Wintermonaten das Touch the Mountains, immer Anfang des Jahres, und das neue Ice Magic, das seit 2014 seinen Platz auf der Höhematte fndet. Zusammen mit den örtlichen Hotels wurden für verschiedene Veranstaltungen Pakete zusammengestellt, um die Veranstaltungen mit einem längeren Aufenthalt zu verbinden. Kongresse sind ebenfalls wichtige Komponenten für die Destination. Da dieses Segment immer mehr zunahm, entstand 2010 ein Neubau beim Kursaal, um grössere Veranstaltungen wie das schweizweit bekannte SEF nach Interlaken zu holen. Auch die Hotels selber nehmen gerne Kongressveranstaltungen und Seminare bei sich auf, um diese in ihren Räumlichkeiten durchzuführen.

Wichtige Ereignisse Der ehemalige Kursaal, der noch zum Kuren da war, wurde 1993 durch die Aufhebung des Spielbankenverbotes zu einem richtigen Casino (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 113). Mit der Überarbeitung der internen Strukturen des Verkehrsvereines wurde im Jahre 1994 beschlossen, aus dem Verkehrsverein Interlaken die TOI zu ma- chen, die Tourismus-Organisation Interlaken. Im Zusammenhang mit dieser Änderung wurden neue Schwerpunkte gesetzt: Partnerschaften zum Beispiel mit Schweiz Tourismus oder anderen Partnern wurden eingegangen und ver- stärkt. Zu den neuen Schwerpunkten gehören aber auch die Organisation von herausragenden Anlässen sowie Interlaken als starke Destination zu positio- nieren (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 109/111).

130 Marketing Mit den neuen Schwerpunkten musste auch ein Logo her, das für Interlaken stehen soll. Dieses Logo wurde in verschiedenen Farben herausgegeben. Die drei Zacken stellen die Berge dar und damit, dass diese oberhalb und unterhalb des Schriftzuges stehen, soll symbolisiert werden, dass Interlaken zwischen zwei Seen liegt.

Logo Interlaken Tourismus

Mit neuen Werbeplattformen wurde auch die Technik mittels Radio genutzt und beispielsweise Wettbewerbe mit Werbung verbunden (Wyss, 2009: 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken, S. 112). Auf den Werbemitteln wird nun auch mehr Richtung Adventureangebote hin- gewiesen, die versuchen, die Touristen mit Outdoor-Aktivitäten für Sommer und Winter nach Interlaken zu holen. Seit der Mehrnutzung von Internet und der Entstehung verschiedener Social Media Plattformen, versuchen die Hotels nun auch, Interlaken über Platt- formen wie Facebook, Twitter oder Instagram zu bewerben.

Momentaufnahme 2016 Neu gebaut wurde das Berufszentrum Interlaken mit dessen Rundbahn sowie der Jungfraupark. Interlaken blieb somit auf der Karte seit 25 Jahren ziemlich gleich. Stand 2015: Interlaken hat 5895 Einwohner, wovon etwa 30 % Auslän- der (Einwohnergemeinde Interlaken).

Hotels Der Hotelbestand ging von 34 auf 26 zurück, unter anderem wegen Fusionen. Zusammengeschlossen haben sich die Hotels City und Oberland zum City Hotel Oberland und die Hotels Carlton und Europe zu Carlton Europe Hotel. Mit der weiteren Abnahme des Hotelbestands gingen auch weitere Betten verloren. Zu dieser Abnahme kamen Vergrösserungen dazu, jedoch nicht in dem Masse, dass die Zahl der Hotelbetten erhalten werden konnte. In den Hotels hat es viele Veränderungen gegeben. Von den Gästen werden in den Sommermonaten

131 Jahr 2016

Hotels in Interlaken 2016. Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA17067)

Hotels 2016 601 Carlton Europe Hotel 501 Hotel Crystal 208 Hotel Merkur 602 City Hotel Oberland 204 Hotel de la Paix 117 Hotel Metropole 401 Hotel Alphorn 403 Hotel Derby 213 Hotel St. Georges 301 Hotel Artos 107 Hotel du Lac 123 Hotel Stella 201 Hotel Bahnhof 108 Hotel du Nord 503 Hotel Toscana 104 Hotel Beau Rivage 110 Hotel Harder Minerva 124 Hotel Weisses Kreuz 202 Hotel Bellevue 113 Hotel Interlaken 214 Victoria Jungfrau 105 Hotel Belvédère 116 Hotel Krebs 106 Hotel Bernerhof 207 Hotel Lötschberg

Hotelbestand 26 Einwohner/innen ca. 5800

132 Klimaanlagen gefordert, obwohl es in Interlaken niemals so heiss wird, dass man ohne nicht sein kann. Auch die Essgewohnheiten änderten sich, viele Gäste buchen nur ein Zimmer und dazu Frühstück. Da viele Tagesausfüge gemacht werden, wird das Mittagessen in den Hotels sowieso nicht nachge- fragt. Zum Abendessen wird im Hotel gegessen, ein Restaurant gesucht oder auch immer häufger in einem Supermarkt eingekauft zur Selbstverpfegung.

Reisende Die asiatischen Touristen wie Chinesen und jene der Golfstaaten haben zuge- legt und die langjährigen Spitzenreiter vertrieben. Jedoch kommen die meis- ten Gäste immer noch aus der Schweiz nach Interlaken.

200 000

150 000

100 000 Deutschland Grossbritannien USA übriges Europa

50 000 Japan Thailand Taiwan Schweiz China + Hongkong Golfstaaten Arabische + Emirate Korea Indien Australien + Neuseeland + Australien Singapur Brasilien Kanada Malaysia Indonesien Skandinavien übriges Asien Israel Russland

0

Logiernächte nach Herkunft des Jahres 2015 (Datenmaterial: TOI, Martin Bloch)

133 Klassifkation Obwohl es die Gästebeherbergung schon seit Jahrhunderten gibt, wurde eine ein- heitliche, standardisierte Klassifkation erst sehr spät, im Jahre 1979, durch den Schweizer Hotelier-Verein SHV, den Branchenverband der Schweizer Hotellerie, entwickelt und eingeführt.

Wer ist die hotelleriesuisse? Die 1882 gegründete hotelleriesuisse ist die Dachorganisation der Schweizer Hotellerie und vertritt diese national und international. Ihre Aufgaben sind die Folgenden: – Die Hotels zu fördern und sich deren Bildung zu widmen – Die Interessenvertretung gegenüber verschiedenen Partnern – Schweizer Hotelklassifkation (Daniel Beerli, Die Schweizer Hotelklassifkation)

Warum gibt es eine Klassifkation? Für den Gast ist die Klassifkation der Hotels eine Gewähr, «... eine bestimmte Servicequalität, Infrastruktur und Ausstattung vorzufnden...» (Website hotellerie- suisse: Welchen Nutzen hat der Gast). Dadurch erhält der Gast die Sicherheit, die den Sternen entsprechenden Leistungen überall gleich zu erhalten. Dies gilt schweizweit; eine länderübergreifende Klassifkation wird angestrebt und funkti- oniert auch schon in gewissen Ländern. Für den Hotelier kann die Klassifkation einen Wettbewerbsvorteil bedeuten, und er kann von Marketingaktivitäten ver- schiedener touristischer und hotelbezogener Gesellschaften proftieren. (Website hotelleriesuisse, Sterne & Suisse Lodge)

Entwicklung Vor 1979 gab es keine Sterne und auch kein internationales Reglement, das be- sagte, wie Hotels kategorisiert werden. Die Hotels wurden nach Grösse und Preis geordnet, im Sinne von «je grösser und teurer, desto besser». Die bereits vorhan- denen Klassifkationsbestimmungen unterschieden sich von Destination zu Desti- nation. Ab 1979 entstand das erste schweizweite Klassifkationssystem, das jedoch noch nicht sehr weit entwickelt war. Die Kriterien waren nur auf die «Hardware» bezo- gen, das heisst, es wurde ausschliesslich die Ausstattung bewertet. Die Hotels wurden nach vorbestimmten Kriterien von Hoteliers geprüft. Es ergaben sich viele Rekurse, da die Hotelbesitzer nicht einverstanden waren. Die Hotels wurden erst wieder neu geprüft, als neue Kriterien in Kraft traten; somit konnte es sein, dass ein Hotel so nicht mehr den einstmaligen Kriterien entsprach. Die Kriterien wurden durch die Erfahrungswerte der Hoteliers weiterentwickelt und deckten infolgedes- sen in erster Linie eine Innensicht ab. Die Perspektive der Kunden blieb weitgehend unberücksichtigt. (Fortsetzung nächste Seite)

134 30 Jahre lang wurde dies so gehandhabt, bis sich hotelleriesuisse ab 2009 für ein europaweit harmonisiertes Klassifkationssystem einsetzte. Dies mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und eine grössere Transparenz für den Gast zu schaffen. In der Schweiz neu eingeführt wurden professionelle Auditoren-Teams, welche die Hotels prüfen. Die Gültigkeit einer Klassifkation galt nur noch 3 Jahre, unabhängig davon, ob neue Kriterien eingeführt wurden oder nicht. Auch neu war, dass die Kriterien europaweit harmonisiert wurden und dass man diese auf- grund von Marktforschungsstudien weiterentwickelte. Zu den «Hardware»-Krite- rien kamen jetzt auch «Software»-Kriterien und die Integration von Gästebewer- tungen hinzu. (Daniel Beerli, hotelleriesuisse: Die Schweizer Hotelklassifkation)

Heutige Klassifkation Zu den Basis-Kategorien gehören die weltweit bekannten Ein- bis Fünf-Sterne- Kategorien. In der Schweiz gibt es jedoch noch eine weitere länderspezifsche Basis-Kategorie, die «Swiss Lodge». Die Kategorien können durch Zusätze wie «Superior» oder «Garni» erweitert werden. Dazu kommen bewertbare Spezialisierungskategorien wie zum Beispiel «Bike- hotel», «Familienfreundlich» oder «Seminarhotel». Bewertet wird nach einem Punktesystem, wobei pro Kategorie eine gewisse Anzahl an Mindestkriterien erfüllt sein müssen. (Daniel Beerli, hotelleriesuisse: Die Schweizer Hotelklassifkation)

Zusammenfassung Interlaken hat sich seit 1891 aus einem kleinen Kurort, der schon damals bei den Reisenden bekannt war, zu einem grossen, vielfältigen und beliebten Tou- rismusort entwickelt. Die Hotellerie und der Tourismus machten einen grossen Teil dieser Entwicklung aus. Ohne Hotellerie gäbe es keinen Tourismus, wie auch umgekehrt. Hätte es diese zwei Komponenten nicht gegeben, wäre In- terlaken vielleicht ein kleines, ruhiges Dörfchen geblieben. Die Hotellerie selber entwickelte sich aus kleinen Pensionen und Hotels, die nur das Nötigste anboten, zu grossen, gut ausgestatteten Beherbergungshäusern. Der grösste Hotel-Boom kam Anfang 20. Jahrhundert, danach blieb die Zahl der Hotels ziemlich konstant. In den letzten Jahren bis heute gab es jedoch eine grosse Abnahme des Hotelbestandes. Auch wenn die Hotels immer grös- ser wurden, gingen in den letzten 125 Jahren um die 400 Betten verloren. Interlaken, der Tourismus, aber auch die Hotellerie wurden stark durch die Reisenden beeinfusst. Vieles dreht sich darum, den Reisenden gerecht zu wer- den und diese nach Interlaken zu holen, und so waren und sind immer noch die Infrastruktur und die Propaganda von oberster Wichtigkeit.

135 40

35

30

25

20 1916 2016 1941 1991 1891 1966

Entwicklung des Hotelbestandes seit 1891

Zuerst kamen nur reiche Familien mit ihren Bediensteten nach Interlaken. Erst später konnte es sich auch der Mittelstand leisten, zu reisen. So kamen über die Jahre in grossen Zahlen die Engländer und Amerikaner, später die Asiaten und neu dazu die Gäste aus dem arabischen Raum, die heute zahlreich den Weg nach Interlaken fnden.

Die Marke Interlaken hat sich etabliert.

Quellenverzeichnis

Titelbild Wyss Christoph, 100 Jahre Tourismus-Organisation Interlaken

Kartenverzeichnis 1891, Eigenbearbeitung. www.geo.admin.ch, 26.06.16. Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA17067) 1916, Eigenbearbeitung. www.geo.admin.ch, 26.06.16. Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA17067) 1941, Eigenbearbeitung. www.geo.admin.ch, 26.06.16. Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA17067)

136 1966, Eigenbearbeitung. www.geo.admin.ch, 26.06.16. Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA17067) 1991, Eigenbearbeitung. www.geo.admin.ch, 26.06.16. Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA17067) 2016, Eigenbearbeitung und Erweiterung. 2013, www.geo.admin.ch, 26.06.16. Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA17067)

Abbildungen Wo nichts anderes vermerkt: Sammlung Christoph Wyss.

Literatur

Galatti, Rudolf. 1977: Interlaken – Vom Kloster zum Fremdenkurort. Verlag Schlaefi AG, Interlaken

Wyss, Christoph. 2009: 100 Jahre Tourismusorganisation. Schlaefi & Maurer AG, Interlaken

Archiv TOI: 50 Jahre Verkehrsverein Interlaken

Zeitungen

Staeger, Andreas. 06.01.2016: Als Interlaken noch Aarmühle hiess. Bernerzeitung

TOI, 2015: 105. Jahresbericht 2015

TOI, 2010: Happy Birthday TOI, 100. Jahresbericht 2010

137 138 Marlene Oster-Rosenthal

Der Souvenir-Laden

Die Geschichte der Suche nach «Holzschnitzereien und Olivenwaren-Fabrik, Interlaken, Bahnhofstrasse»

Im November 2015 sah ich eine bezaubernde alte Fotographie mit dem Titel «Souvenir-Laden, Interlaken», die auf eBay angeboten wurde. Die 12 auf 18 Zentimeter grosse Sepia-Fotographie zeigte erstaunliche Details. Ein Schild über dem Schaufenster trug den Schriftzug: «Holzschnitzerei und Olivenwaren- Fabrik, G. Invernizzi-Fuchs, Brienz, Verk-Magaz., Interlaken, Bahnhofstr.» Vor dem Gebäude waren Postkarten-Ständer, Holztische und ein Spazierstock- Ständer in Form eines geschnitzten Bären aufgestellt. Im Schaufenster konnte ich Thuner Majolika mit Vedutenplatten der Lauterbrunner Wasserfälle und der Jungfrau erkennen. Das Gebäude sah nach einer Holzkonstruktion aus.

Das alte Foto eines Souvenirgeschäfts gab der Autorin ein Rätsel auf.

139 Das Bild faszinierte mich, und ich wollte mehr darüber wissen. Existiert dieses Gebäude heute noch? Wo steht es? Wie sieht es heute aus? Die Fragen stellten sich als viel schwieriger als erwartet heraus. Diese Geschichte folgt meiner Suche nach dem Standort des «Verk-Magazins» der Firma Invernizzi-Fuchs.

Zunächst wandte ich mich an den Kreisgeometer Christoph Wyss in Unter- seen, der sich auch mit historischen Bildern und anderen Quellen zur Geschich- te des Bödeli gut auskennt. Ich dachte, er würde das Gebäude auf dem Foto sicher erkennen. Aber diesmal stand auch Christoph Wyss vor einem Rätsel. Er scannte und vergrösserte das Bild. Auf der Aufnahme felen mir Details auf, die ich vorher übersehen hatte. Am linken Bildrand war im Hintergrund ein verputztes, mas- sives Gebäude mit einem markanten Giebel zu erkennen. Sogar, wenn das Holzhäuschen auf meinem Foto verschwunden wäre, würde das massive Ge- bäude wahrscheinlich immer noch existieren. Wenn ich nur dieses Gebäude fnden könnte, wäre es möglich, das Häuschen auf dem Bild zu identifzieren. Bücher und Internetseiten halfen nicht weiter. Ich sah alte Reiseführer durch, weil ich hoffte, Inserate des Geschäfts zu fnden, aber auch das war eine Sack- gasse, die nirgendwohin führte.

Also schaute ich das Foto selber genauer an und suchte nach Hinweisen zum Entstehungszeitraum. Zunächst dachte ich an eine Albumin-Fotografe aus dem späten 19. Jahrhundert. Doch das passte nicht zu dem, was ich in den nächsten Schritten herausfand. Einen Hinweis lieferten die Postkarten, die in den Ständern vor dem Laden ausgestellt waren. Es handelt sich nicht um die ganz frühen «Gruss vom ...»-Karten, sondern um Ansichtskarten mit Bergpa- noramen, die erst nach 1900 in grösseren Mengen verwendet wurden. Auch Details einiger Waren im Schaufenster halfen weiter, darunter die Thuner Majolika-Platten, die ich auf die Jahre zwischen 1890 und 1910 datieren konnte. Und schliesslich waren da die Spazierstöcke, die der geschnitzte Bär hielt: Sie sahen genau so aus wie die Stöcke, die kurz nach 1900 in Brienz geschnitzt wurden.

In den nächsten Monaten weiteten wir die Suche aus. Wir schauten das Bild noch einmal ganz genau an. Rechts von meinem Holzhaus gab es ein weiteres Detail, eine Stange mit einem Schild, auf dem stand: Hydrant Nr. 76.

140 Ich unternahm zahlreiche erfolglose Expeditionen durch Interlaken und nahm jeden Ort unter die Lupe, der auch nur die entfernteste Ähnlichkeit mit dem Bild hatte. Ich konsultierte die Schweizer Nationalbibliothek mit ihrer gra- fschen Sammlung, den Berner Heimatschutz, die Interlakner Bauverwaltung, die Feuerwehr, die Industriellen Betriebe Interlaken IBI, Holzschnitzer, Orts- historiker, Architekten und den Gemeindepräsidenten. Ich besuchte lokale Veranstaltungen, die mir Gelegenheit gaben, mit Leuten zu sprechen, die sich in Interlaken auskannten und mir vielleicht etwas über die Geschichte dieses Gebäudes erzählen konnten. Irgend jemand von hier, dachte ich, müsse doch erkennen, wo das Foto aufgenommen worden war.

Doch weder Dr. Martin Fröhlich, der für den Berner Heimatschutz zum Jubilä- um «125 Jahre Interlaken» durch die Baugeschichte des Interlakner Kursaals führte, noch der Architekt Heinrich Sauter von der örtlichen Heimatschutz- gruppe kannten das Gebäude auf meinem Bild. Peter Boss, der das Publikum auf einem historischen Rundgang durch Inter- laken führte, hatte zwar einen alten Ortsplan, auf dem die Hydranten markiert waren; aber die Position von Hydrant Nr. 76 war nicht klar auszumachen. Ein Architekt, der denkmalgeschützte Gebäude restauriert und den ich an einem Vortrag von Christoph Wyss über die historische Entwicklung Inter- lakens traf, ging mit mir durch Interlaken. Immer wieder blieben wir stehen und schauten uns Orte an, an denen das Haus gestanden haben könnte. Aber wir fanden die Stelle nicht.

Im Archiv der Interlakner Bauverwaltung schaute ich die vergilbenden Ortspläne von 1899 an, die ältesten der Gemeindeverwaltung. Ich fand heraus, dass sich an den Namen der grösseren Strassen Interlakens nichts geändert hat; so stand das Hotel Victoria Jungfrau schon damals am «Höheweg». Von den Industriellen Betrieben Interlaken bekam ich die Auskunft, der Hydrant Nr. 76 stehe seit jeher unverändert vor dem Hotel Beau Rivage – also am Höheweg. Doch auf dem Schild an «meinem» Gebäude stand «Bahnhofstrasse», nicht «Höheweg». Das ergab keinen Sinn, und von den Plänen der Bauverwaltung wusste ich, dass sich diese Strassenbezeichnungen nicht verändert hatten.

Ich fragte die frühere Besitzerin der Fotographie in Australien, von der ich das Bild gekauft hatte, ob sie Genaueres dazu wisse; aber das tat sie nicht.

141 Das Geschäft der Holzschnitzerei und Olivenwaren-Fabrik Invernizzi-Fuchs an der Interlakner Bahnhofstrasse (Sammlung Beat Wirth)

Von der Grafschen Sammlung der Schweizer Nationalbibliothek erhielt ich die Reproduktion einer alten Postkarte (siehe oben) mit einem «Invernizzi-Fuchs»- Schild, das dem auf meinem Foto ähnelte. Das Geschäft auf der Postkarte stand allerdings an der Bahnhofstrasse 19, dem heutigen Standort der Albert Schild AG, Holzschnitzereien. Um mehr über die Firma Invernizzi-Fuchs zu erfahren, wandte ich mich an Kaspar Fuchs, dem das Geschäft an der Bahnhofstrasse in vierter Generation gehört. Er schaute sich mein Foto an und erkannte einige der Schnitzereien vor dem Gebäude (und die gestreiften Sonnenstoren). Er erzählte mir, das Geschäft sei um 1898 eröffnet worden, kannte aber keine weiteren Details. Er zeigte mir Baupläne für das Gebäude Bahnhofstrasse 19 aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. Das Haus wurde als Dependence des gegenüberliegenden Hotels Krebs genutzt. Aber das war nicht das Gebäude auf meinem Foto.

142 Das Geschäft am Höheweg auf einer Postkarte aus dem frühen 20. Jahrhundert als damals übliche Fotomontage (Sammlung Beat Wirth)

Ich fragte die Feuerwehr, ob sie mir helfen könnten, den Standort des Hydranten Nr. 76 genau zu bestimmen. Als ich drei Wochen später aus den Ferien zurück kam, fand ich eine E-Mail von Siegfried Burkhalter, Adjutant der Feuerwehr Bödeli, die mir erlaubte, den Standort des Gebäudes auf meinem Foto zu bestimmen. Herr Burkhalter schrieb, dass es sich beim gesuchten Gebäude vermutlich um die Adresse Höheweg 86 handle. Denn der Hydrant Nr. 76 habe damals vor dem Hotel Beau Rivage am Höheweg gestanden, wo er auch heute noch stehe. Zudem wies er darauf hin, dass die Westfassade des Hotels Carlton gegen die Freiestrasse hin am linken Rand meines Bildes zu erkennen sei. Und schliesslich seien die Westecke des gesuchten Gebäudes, die ursprün- glichen Erkerfenster im ersten Stock und die Nordfassade noch heute erkennbar.

143 Praktisch zur gleichen Zeit antworteten Beat Wirth und Ernst Lauener auf einen Aufruf in der Jungfrau-Zeitung und zeigten der Redaktion und mir eine alte Postkarte, auf der mein Gebäude mit seiner Umgebung am Höheweg zu sehen waren. Und der Hotelier Stefan Maeder hatte sein Hotel Carlton am linken Bildrand erkannt. Das stellte mich aber wieder vor das gleiche Problem wie schon die Antwort der IBI: Wie konnte das Gebäude auf meinem Foto am Höheweg stehen und mit «Bahnhofstrasse» angeschrieben sein?

Die Antwort lieferte die Grafsche Sammlung der Nationalbibliothek mit einem Auszug aus dem Schweizerischen Handelsblatt vom 27. Mai 1909, dessen Bedeutung mir erst jetzt richtig aufging. Der Eintrag auf S. 938 unter der Überschrift «Bureau Interlaken» lautet: 24. Mai. Inhaber der Firma G. Invernizzi-Fuchs in Interlaken ist Giovanni Inver- nizzi, von Pigra (Como), in Interlaken. Natur des Geschäftes: Fabrikation und Handel von Artikeln in Olivenholz. Geschäftslokale: Bahnhofstrasse und Höheweg.»

Die Lukarne des Hotels Carlton trug zur Lösung des Rätsels bei.

144 Das alte Souvenirgeschäft am Höheweg im neuen Gewand wird heute von einem jungen Team betrieben.

Die Firma hatte also zwei Geschäfte in Interlaken besessen, und eins davon war das Haus Höheweg 86. Ich radelte sofort hin und schaute mir das Gebäude an. Das Ladenlokal im Erdgeschoss stand leer, aber ab und zu gingen Lichter an und aus. Nach einiger Zeit kamen zwei junge Leute heraus. Sie erzählten mir, dass sie in den kommenden Wochen einen Glace- und Souvenir-Laden eröffnen wollten.

Am Eröffnungstag besuchte ich Amina Ali und Ferdi Öztürk, das junge Paar, das den Laden führt. In ihrem Geschäft bieten sie Verpfegung, Getränke, Eiscreme, Souvenirs und Familien-Mobilevelos an – alles, was das Touristen- herz heute begehrt. Später stellten mich Amina und Ferdi den heutigen Eigentümern der Liegen- schaft vor. Von ihnen erfuhr ich, dass das Gebäude 1964 renoviert worden war und dass dabei die Türmchen entfernt worden waren. Doch der Souvenir-Laden von damals steht noch immer am Höheweg 86. Und eine neue Generation junger Geschäftsleute führt die Tradition weiter und versorgt eine neue Touristengeneration auf ihrer Reise durchs Berner Oberland mit Souvenirs.

145 Epilog Das Rätsel um den Standort des Hauses auf dem Foto war gelöst. Anfang Dezember 2017 nahm ich die Frage, mit welchem Verfahren das Foto herge- stellt worden war, nochmals auf. Da ich nun wusste, dass das Foto nach 1909 entstanden sein musste, tippte ich auf einen Silbergelatineabzug. Ich durfte das Foto Nadine Reding (fokore) in Bern zeigen, einer Fotorestauratorin und Expertin für historische fotografsche Prozesse. Mit einer Untersuchung des Fotos unter einem Mikroskop und einem chemischen Test bestätigte sie meine Vermutung: Es war tatsächlich ein Silbergelatineabzug. So hat sich zum Schluss auch dieses Puzzleteil gut ins Gesamtbild eingefügt, das im Laufe der langen Suche entstanden ist.

Dank Ich möchte allen Personen und Institutionen danken, die mir bei meiner Suche nach der Lösung des Rätsels vom Standort des alten Souvenir-Ladens geholfen haben. Es war eine Freude, so viele hilfsbereite und interessierte Nachbarn auf dem Bödeli und darüber hinaus kennenzulernen. Besonders danken möchte ich Christoph Wyss, Brigitte Rieder (IBI), Dorothee Scholian (Schweizerische Nationalbibliothek), Nadine Reding (fokore, Bern), Silvia Kappeler und Heinrich Sauter (Berner Heimatschutz), Kaspar Fuchs (Albert Schild AG, Holzschnitze- reien), Kaspar Boss (fotugra), Stefan Maeder sowie Siegfried Burkhalter von der Feuerwehr Bödeli und Beat Wirth, der auch mein Manuskript gegengelesen hat.

Fotos: Marlene Oster-Rosenthal

Übersetzung aus dem Englischen: Sibylle Hunziker

146 Ueli Bettschen

Gewerbsmässige Gewinnung von Kies und Sand aus dem Lütschinendelta in Bönigen

1. Vorgeschichte Dem Regierungsratsbeschluss RRB Nr. 3037 vom 7. Juli 1933 kann entnommen werden, dass Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts auf dem rechten Lütschinenufer in Bönigen vom Brienzersee aufwärts eine Böschungs- mauer erstellt wurde. Das erste Protokollbuch der Schwellenkorporation der Vereinigten Lütschinen schildert die leidige, über zehn Jahre dauernde Vorgeschichte zu diesem Bauvorhaben, stritten sich doch ab 1874 die Schwellenkorporation, die Bödeli- bahn-Gesellschaft und die Gemeinde Bönigen über Katastergrenzen, Schwel- lenpfichten, Kostenbeteiligungen und so weiter, bevor die Arbeiten schluss- endlich doch ausgeführt und am 5. Mai 1883 abgenommen werden konnten. Das damals erstellte Trockenmauerwerk mit unterschiedlicher Neigung und Höhe bestand aus plattigen «Ringgenberg-Kalksteinen» und wies nun nach 50 Jahren Schäden in Form von Deformationen und Senkungen auf.

Das Trockenmauerwerk aus dem 19. Jahrhundert, das mit Holz unterlegt war, hielt über 100 Jahre.

147 Am 18. Januar 1933 hatten die Wasserbauingenieure von Bund und Kanton diese Schäden festgestellt und die Schwellenkorporation der Vereinigten Lütschinen am 23. Januar 1933 schriftlich darauf aufmerksam gemacht. Gestützt auf diese Orientierung, beauftragte die Schwellenkommission ihr Mitglied Fritz Dauwalder, Bauinspektor in Interlaken, am 6. Mai 1933 mit der Ausarbeitung eines Projektes. Dieses sah zuerst den Abbruch der teilweise deformierten Böschungsmauer und ihren Ersatz durch eine Betonmauer vor. Damit waren sowohl das eidge- nössische Oberbauinspektorat und der Oberingenieur-Kreis 1 Berner Oberland nicht einverstanden, so dass schliesslich die Böschungsmauer belassen und mit einem neuen Steinwurf (lose verlegte Steinblöcke) auf 265 m gesichert werden sollte. Die Kosten dieses Projektes VIII /1933 veranschlagte Dauwalder auf Fr. 7800.–. Der Bund subventionierte diesen Betrag mit 30 Prozent und der Kanton mit 25 Prozent. Im Winter 1933/34 wurden die Arbeiten von der Arbeitsgemeinschaft Trauffer/Michel, Bönigen, ausgeführt. Aus der Schlussabrechnung vom 8. Mai 1934 ist ersichtlich, dass die Böschungsmauer schliesslich auf eine totale Länge von 483 m mit ¾ m3 Steinblöcken pro Laufmeter gesichert wurde, was Gesamtkosten von Fr. 7423.10 verursachte. Diese Verbauungsarbeiten vom Brienzersee aufwärts dürften der Grund ge- wesen sein, dass die Schwellenkommission am 9. November 1934 ihre Gewäs- serinspektion der Vereinigten Lütschinen bis an den Brienzersee ausdehnte. Es ging doch darum festzustellen, wie sich der neue Steinwurf bewährte, mit dem sie ja ursprünglich nicht einverstanden gewesen war. Offenbar hat sich dieser Steinwurf aber bewährt, denn nachteilige Angaben sind nicht bekannt. Andererseits felen aber den Inspizienten die «ungeordneten Zustände auf dem Lütschinendelta» auf, die dort schon seit längerer Zeit geherrscht haben mussten.

2. Regulativ für die Kiesausbeutung aus dem Lütschinendelta in Bönigen Es waren offenbar diese «ungeordneten Zustände», die Fritz Dauwalder als Mitglied der Schwellenkommission veranlassten, darüber nachzudenken, wie man hier Abhilfe schaffen könnte. Am 24. November 1934 stellte er Leitsätze auf, wie die Kiesausbeutung auf dem Lütschinendelta in Bönigen zukünftig geregelt werden könnte.

148 Situationsplan von F. Dauwalder mit alter Zuteilung der Kiesgewinnungs-Plätze vor 1936. Archiv des Oberingenieurkreises 1 in Thun.

149 An der Sitzung nach der Gewässerinspektion der Vereinigten Lütschinen vom 27. April 1935 wurde festgestellt, dass «die Kiesrüster stets Händel miteinan- der bekommen. Es liegt nun eine Ordnung im Wurfe, wonach 2 Mitglieder der Schwellenkommission mit dem Gemeindepräsidenten von Bönigen die Strei- tigkeiten entscheiden. Die Kiesausbeutung soll an eine Konzession gebunden werden.» Drei Tage später, am 30. April 1935, schrieb die Schwellenkommission der Vereinigten Lütschinen an den Kreis 1 in Thun und gab ihrem Wunsch Aus- druck, dass die Kiesausbeutung möglichst bald nach den von ihr aufgestellten Grundsätzen erfolgen sollte. Zusätzlich zu den Leitsätzen schlug sie noch eine Ergänzung vor: «Das Ab- raummaterial (Kieselbollen und Schlammsand) darf nicht liegen gelassen oder seeseits abgelagert werden, sondern ist vom Ausbeutenden jeweils an das Ufer der Lütschine zu befördern.» Am 4. Juni 1935 wurde das Schreiben mit einer Skizze ergänzt, woraus ersichtlich war, wie die Kiesausbeutungsplätze bisher eingeteilt waren.

Das Anliegen fand beim Kreis 1 offenbar Anklang, denn bereits am 11. Juni 1935 wurde das Tiefbauamt des Kantons Bern über die Vorgeschichte orien- tiert. Erwähnt wurde, dass die Gemeinde Bönigen bereits in ihrem Schreiben vom 17. Oktober 1934 das Begehren gestellt hatte, es möge das Ausbeutungs- recht an der Mündung der Lütschine in den Brienzersee behördlicherseits ge- regelt werden, um die seit Jahren bestehenden Missstände zu beseitigen. Es wurde auf die langwierigen Erhebungen verwiesen und unter anderem festgehalten: – Bisher ist kein eigentlicher Schaden entstanden. – Die Versandung führt zu einem Problem für die Dampfschifffahrt. – Die Oberaufsicht über den Seegrund liegt beim Staat (Art. 77 folgende des Einführungsgesetzes zum ZGB). – Als erstes ist ein Verbot für die Materialausbeutung zu erlassen, um zukünftig eine Bewilligung einzuverlangen. – Eine Abtretung der Kompetenz an die Gemeinde kommt nicht in Frage. – Mit einem Reglement würde die ganze Ausbeutung geordnet und überwacht.

Der Kreis I ersuchte um nachfolgende Ermächtigungen: – Ein Verbot zu erlassen, das zu publizieren wäre.

150 – Gemeinsam mit der Schwellenkommission und der Gemeinde ein Regulativ aufzustellen. – Nach Anhörung des Ausschusses nachgesuchte Bewilligungen zu erledigen.

Schliesslich verwies der Kreis I auf die beigelegten Entwürfe für ein Verbot und ein Regulativ sowie einen Situationsplan mit der ungefähren Hochwassergrenze. Das führte schliesslich zum RRB Nr. 1936 vom 29. April 1936: Auf Antrag der Baudirektion wird dem von der Einwohnergemeinde Bönigen unterm 12. Februar 1936 einstimmig angenommenen Regulativ für die Kies- ausbeutung auf dem Lütschinendelta in Bönigen, gestützt auf § 9 des Wasser- baupolizeigesetzes vom 3. April 1857 und Art. 3 des Gemeindegesetzes vom 9. Dezember 1917, die Genehmigung erteilt.

Die gesetzliche Regelung der Materialausbeutung muss sich bewährt haben, denn aus den vorhandenen Akten sind für die nachfolgenden Jahre keine Probleme bekannt.

3. Erstes Gesuch für eine gewerbsmässige Gewinnung von Material aus dem Lütschinendelta in Bönigen Mit Schreiben vom 21. Oktober 1940, stellte Christian Michel, Unternehmer in Bönigen,1 das Gesuch an den Gemeinderat zu Handen des Kreisoberingeni- eurs 1 in Thun, es möchte ihm die Bewilligung zur Ausbeutung von Material auf dem Lütschinendelta erteilt werden: 1. Zweck: Deckung des eigenen Bedarfes von ca. 450 m3 jährlich sowie Verkauf an auswärtige Unternehmer 2. Dauer: Ausbeutung während mindestens 5 –10 Jahren 3. Umfang: a) Gewinnung von durchschnittlich mindestens 3 – 5000 m3 Sand und Kies per Jahr b) Gestattung der Inbetriebsetzung einer Sortiermaschine, die für die Belieferung mit Material von vorgeschriebener Korngrösse unerlässlich ist c) Benützung eines vorhandenen Ablagerungsplatzes zur Anlage von Vorräten während der fauen Zeit d) Ausbeutungsrecht, wenn möglich an beiden Ufern

1 Christian Michel war schon 1938 von der Gemeinde Bönigen als ihr Vertreter in die Schwellenkommission der Vereinigten Lütschinen delegiert worden, ein Amt, das er während rund 46 Jahren mit viel Engagement bis zu seinem Tod 1984 ausübte, die letzten 9 Jahre sogar als Präsident.

151 Situationsplan Kreis 1 als Grundlage für die Bewilligung Michel

Sein Gesuch begründete Michel wie folgt: «Die bisherigen Ausbeuter haben ihren Betrieb sozusagen seit längerer Zeit eingestellt, sind anderer Arbeit nachgegangen und haben ihre Rollwagen und Geleise verkauft. Trotz wiederholter Aufforderung wurden der Unterzeich- nende und andere Abnehmer von Grien und Sand nicht mehr beliefert und mussten das Material anderwärts beziehen. Ich wurde von Abnehmern aufge- fordert, die Ausbeutung zu übernehmen und eine sichere Lieferung von

152 Material zu gewährleisten. Der unrationelle Betrieb hat weder für die Gemeinde und den Staat eine Steuereinnahme gezeitigt. Ich hoffe, etwas Steuerbares zu erwirtschaften.» Michel schliesst mit der Bitte, ihm «einen oder mehrere genau abzugrenzende Bezirke zur Ausbeutung gegen festzusetzende Gebühr zuweisen zu wollen.» Dieses erste Gesuch war der Beginn zu der im nächsten Kapitel beschriebenen Geschichte der gewerbsmässigen Gewinnung von Kies und Sand auf dem Lütschinendelta in Bönigen.

4. Die gewerbsmässige Gewinnung von Material aus dem Lütschinendelta in Bönigen

4.1. Periode 1940 bis 1944 Was geschah nun mit dem Gesuch, das Christian Michel am 21. Oktober 1940 bei der Gemeinde Bönigen einreichte? In ihrem Mitbericht vom 22. Oktober 1940 unterstützte die Gemeinde Bönigen das Vorhaben von Christian Michel und begründete dies mit folgenden Hinweisen: – Die bisherigen Ausbeuter gewinnen nur Material, wenn sie keine andere Arbeit haben. – Deren Gewinnung vermag nicht einmal den Bedarf innerhalb der Gemeinde zu decken. – Es sind bereits Klagen eingegangen, warum das anerkannt vorzügliche Material nicht intensiver ausgebeutet werde. – Im Hinblick auf eine drohende Versandung der Hafenanlage ist eine weitmöglichste Wegnahme von Material vorteilhaft. – Während der Sommerzeit muss der Betrieb zeitweise beschränkt werden, falls allzu starker Lärm verursacht wird.

Die Gemeinde beantragt, auf dem linken Ufer der Lütschine eine Bewilligung zu erteilen.

Am 26. Oktober 1940 ergänzte Christian Michel sein Gesuch mit einem Situ- ationsplan, der bereits 1935 aufgenommen worden war, und trug darin seine Vorstellungen über die Einteilung ein. Er hielt fest, dass vorläufg kein Silo aufgestellt werde, da der Aufad auf andere Weise erfolge.

153 Die Baudirektion des Kantons Bern orientierte am 10. Januar 1941 das Regie- rungsstatthalteramt Interlaken, dass die Bewilligung unter folgenden Bedin- gungen erteilt werde: – Ausbeutung von Kies, Sand und Bollensteinen auf dem linken Ufer der Lütschine an dem vom Gemeinderat Bönigen zugewiesenen Platz. – Einrichtung eines Platzes zur Lagerung und zur Aufstellung einer Sortieranlage; vorbehalten bleibt die mögliche zeitliche Einschränkung durch die Gemeinde. – Für das ausgebeutete Material ist dem Staat Bern eine Entschädigung von 10 Rappen pro Kubikmeter zu entrichten. – Die Abrechnung erfolgt jährlich zweimal mit dem Amtsschwellenmeister auf Grund von Lieferscheinen, zu deren Führung Michel verpfichtet wird. – Im Übrigen gilt das Regulativ vom 12.Februar 1936 (Genehmigung durch die Gemeinde).

Die Bewilligung wurde befristet bis zum 31. Dezember 1943.

Diese Bewilligung rief natürlich die bisherigen Ausbeuter auf den Plan, denn sie hatten sicher von Michels Absichten erfahren und wollten sich doch das Recht der Materialentnahme aus dem Lütschinendelta nicht nehmen lassen. Sie besassen offenbar eine Bewilligung gemäss dem in Kapitel 2 erwähnten Regulativ, die vom 23. September 1936 stammte. Mit einem Gesuch vom 4. Januar 1941 ersuchten sie um eine Verlängerung dieser Bewilligung. Am 5. März 1941 verlängerte der Kreis 1 diese Bewilligung an U. Frutiger & Mithafte und H. Wyss & Mithafte in Bönigen unter folgenden Bedingungen: – Die Ausbeutung wird auf das rechte Ufer der Lütschine beschränkt. – Der Gemeinderat wird die Plätze anweisen. – Mechanische Einrichtungen aller Art sind untersagt. – Pro Gruppe ist eine Gebühr von Fr. 10.– an die Amtsschaffnerei zu entrichten.

Die Bewilligung wurde befristet bis zum 31. Dezember 1943.

Es war zu erwarten, dass die erteilten Bewilligungen in der Praxis zu Problemen führen würden. So verwundert es nicht, dass die Gemeinde Bönigen bereits am 11. März 1941 den Kreis 1 orientierte: – Nach der am 10. Januar 1941 an Michel erteilten Bewilligung musste eine Teilung des Ausbeutungsgebietes auf dem rechten Ufer zwischen den beiden Schiffergruppen Frutiger und Wyss vorgenommen werden.

154 – Die Aufteilung wurde durch eine Abordnung des Gemeinderates vorgenommen und schriftlich mitgeteilt. – Gruppe Frutiger ist mit der Teilung einverstanden. – Wyss und Konsorten machen «unbegreifiche Einwände». – Marchlinien wurden durch einen Gemeindefunktionär verzeigt und gelten für 1941. – Gruppe Wyss droht mit Eingabe an Kreis 1; «sofern dies der Fall ist», so der Gemeinderat, «erklären wir schon heute, dass wir auf eine neue Teilung pro 1941 nicht eintreten werden.»

Am 29. November 1941 führte die Schwellenkommission der Vereinigten Lüt- schinen ihre ordentliche Gewässerinspektion durch. Dem Protokollbuch kann entnommen werden: «Sekretär Diesslin erwähnt die auf dem linken Lütschinenufer abgelagerten Steine und Kies beim Lütschinenauslauf. Diese eigentlich unerlaubte Deponie soll vom Unternehmer Michel stammen. Man ist der Auffassung, dass dieses Material durch das steigende Lütschinenwasser weggespült wird.»

Zu Beginn des Jahres 1942 stellte der Amtsschwellenmeister anhand der Lieferscheine die von Michel ausgebeuteten Kubaturen zusammen und mel- dete am 16. Januar 1942 dem Kreis 1 nach Thun:

1. Hälfte 1941: 2614.60 m3 2. Hälfte 1941: 2169.20 m3 Total: 4783.80 m3

Damit schuldet Michel dem Staat Bern die Summe von Fr 478.40. Wegen des recht grossen Zeitaufwandes für die Kontrolle der Lieferscheine stellt der Amtsschwellenmeiter den Antrag, Michel jährlich mit einem Pauschalbeitrag von Fr 450.– zu belasten.

Der Kreis 1 überwies die Abrechnung am 27. Januar 1942 dem Tiefbauamt des Kantons Bern und erwähnte dabei den erheblichen zeitlichen Aufwand für die Kontrolle der Lieferscheine. Es wurde beantragt, mit Michel zukünftig jährlich mit Fr 500.– abzurechnen, sofern die Verhältnisse gleichbleibend sind. Am 10. Februar 1942 stimmte die Baudirektion des Kantons Bern dem Anliegen zu. Der Kreis 1 orientierte Michel am 24. Februar 1942 entsprechend und

155 ergänzte weiter, dass beide Kontrahenten eine Abänderung des Modus verlan- gen können, sofern sich die Voraussetzungen ändern sollten. Als Grundlage für die Abrechnung müssen aber weiterhin Lieferscheine ausgefertigt werden.

Die Schwellenkommission der Vereinigten Lütschinen führte am 27. Mai 1944 ihre ordentliche Frühjahrs-Gewässerinspektion durch. Dem Protokollbuch kann entnommen werden, dass: «Unternehmer Christian Michel mit einem Schreiben an uns gelangte, worin er uns um Bewilligung für das Stellen von 2–3 Leitungsmasten auf dem Gebiet der Schwellenkorporation ersucht. Es handelt sich um eine Leitung zu der Aus- beutungsstelle für Kies beim Lütschinenauslauf. Herr Bettschen, Oberweg- meister, erklärt, dass, gestützt auf das Wasserbaupolizeigesetz, hierfür eine Vorlage einzureichen sei.» Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre, beabsichtigte Christian Michel, seinen Betrieb zu vergrössern und zu mechanisieren. Er reichte bei der Ge- meinde im September 1944 ein Baugesuch ein. Dieses sah die Verwendung eines Baggers, eines Verladekrans und einer Sortierungsanlage mit Kübelauf- zug vor. Weiter war ein Gebäude zum Schutz der Antriebsmaschine geplant. Gegen das Bauvorhaben erhob der Uferschutzverband Thuner- und Brienzer- see (UTB) am 4. Oktober 1944 Einsprache.

4.2. Periode 1945 bis 1949 Am 5. April 1945 stellte der Amtsschwellenmeister fest, dass Michel nun einen Bagger benutzt und einen Kran aufgestellt hat. Er ersuchte Michel, ein ent- sprechendes Gesuch einzureichen und um eine Verlängerung der Bewilligung nachzusuchen. Bereits am 8. April 1945 ersuchte Christian Michel um Verlängerung der Aus- beutungsbewilligung mit Ausdehnung auf das rechte Ufer und um Bewilligung zur Verwendung der vorgesehenen maschinellen Anlagen. Die Gesuchsunterlagen leitete der Amtsschwellenmeister am 11. April 1945 an den Kreis 1 weiter mit dem Antrag, die Bewilligung unter dem Vorbehalt der üblichen Bedingungen zu verlängern. Die Gebrüder Frutiger verzichteten am 25. Juni 1945 auf die Ihnen seinerzeit erteilte Bewilligung, da sie nun im Betrieb des Christian Michel arbeiteten. In einlässlichen Erwägungen kam der Regierungsrat des Kantons Bern, auf Grund der gesetzlichen Grundlagen, am 28. September 1945 in seinem RRB Nr 4752 zu folgendem Schluss:

156 Titelblatt des Regierungsratsbeschlusses Nr. 4752 vom 28.9.1945

157 – Da die Ausbeutung bisher zu keinen Beanstandungen führte, wurde sie nach Jahresende 1943 stillschweigend verlängert. – Dem Christian Michel wird die Bewilligung erteilt, an den vom Kreisober- ingenieur 1 in Thun zugewiesenen Plätzen und unter Vermeidung von schädlichen Einfüssen auf den Lauf der Lütschine bei ihrer Einmündung in den Brienzersee Kies, Sand und Bollensteine auszubeuten. – Den Weisungen der staatlichen Aufsichtsorgane ist Folge zu leisten. – Im übrigen gelten die Bestimmungen des Regulativs vom 12. Februar 1936 – Ferner wird die Bewilligung zur Verwendung eines Baggers erteilt sowie die Aufstellung einer mechanischen Sortieranlage mit Kübelaufzug und zum Aufstellen eines Verladekranes auf dem linken Ufer der Lütschine.

Es folgten verschiedene Bedingungen, unter anderem zur Gestaltung der An- lage. Für das ausgebeutete Material war jährlich eine Pauschalentschädigung von Fr 500.– zu entrichten, zahlbar auf Jahresende an die Amtsschaffnerei Interlaken.

Die Einsprache des UTB wird abgewiesen. Die Bewilligung wurde befristet bis zum 31. Dezember 1949.

Da ein Fritz Trauffer, Maurermeister in Bönigen, auf dem rechten Lütschinen- ufer Sand ausbeutete, und dies ohne Bewilligung, beschwerte sich Christian Michel am 12. November 1945 beim Amtsschwellenmeister. Dieser setzte Trauffer in Kenntnis von einer Meldung und ersuchte ihn, die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten.

Christian Michel bekundete Mühe, die Bedingungen zu erfüllen, weshalb der Kreis 1 ihn am 17. Januar 1947 daran erinnerte, dass die Holzwände braun zu streichen und für das Dach engobierte Ziegel zu verwenden sind. Im Weitern fehlten immer noch die zur Maskierung der Anlage geforderten Bäume.

Michels Betrieb vergrösserte sich stetig. Am 27. Februar 1947 wurde der Amts- schwellenmeister orientiert, dass die Burgerversammlung am 18. Dezember 1946 beschlossen habe, ihm einen Industrieplatz im Halte von 700 m2 zu verkaufen, wobei das Gebiet des Staates nicht betroffen werde.

158 Michel erwirbt 700 Quadratmeter Land von der Burgergemeinde: Plan des Geometers.

159 Am 10. September 1948 orientierte der Kreis 1 das Tiefbauamt des Kantons Bern, dass Michel in letzter Zeit Bedingungen nicht genügend erfülle und ver- schiedene Anlagen ohne Bewilligung neu erstellt habe. «Durch unsere Vorbe- halte veranlasst, hat er nun am 4. August 1948 ein nachträgliches Gesuch mit Planunterlagen eingereicht.» Beantragt wird eine Bewilligung unter Vorbehalt einer raschmöglichsten Erfüllung aller Bedingungen bis Ende Dezember 1949. Das führte am 12. Oktober 1948 zum RRB Nr. 5798, womit der nun in Michel & Cie., Sand- und Kieswerke, Bönigen, umbenannten Unternehmung nach- träglich bewilligt wurde: – Je ein Silo auf dem rechten und linken Ufer – Eine Motorwindenhütte – Eine Kabelbahnanlage mit beidseitigen, betonierten Ankerklötzen – Sieben Ankerpfähle in öffentlichem Seegrund

Mit Umbauten und Anpassungen begründet Michel am 22. November 1948 dem Oberwegmeister, dass die Bedingungen bisher nicht erfüllt werden konn- ten und versichert, Pläne vorzulegen und Vorschriften einzuhalten.

Nachdem Michel mit der Ablagerung von Bollensteinen ohne Bewilligung noch zusätzlich 300 m2 öffentlichen Seegrund beanspruchte, platzte dem Kreisoberingenieur vom Kreis 1 der Kragen. Am 3. Mai 1949 wurde der Michel & Cie. mitgeteilt, dass es als unangenehm empfunden werde, «dass den Auf- forderungen für eine bessere Ordnung bis heute nicht nachgekommen wurde. Wir sehen uns gezwungen, dem Regierungsrat den Rückzug der erteilten Bewilligung zu beantragen.»

4.3. Periode 1950 bis 1954 Mit dem Gesuch vom 4. Januar 1950 für eine Verlängerung der Bewilligung, bot die Michel & Cie. für die nächsten vier Jahre eine Pauschalentschädigung von Fr. 1000.– pro Jahr an. Der Umsatz im Vorjahr betrug 10’623.40 m3.

Das vom Kreis 1 am 20. Januar 1950 befürwortete Gesuch führte am 28. Februar 1950 zum RRB Nr. 1147, worin die Bewilligung verlängert wurde mit dem Hinweis, dass die Anordnungen des Kreisoberingenieurs 1 in Thun ohne weitere Verzögerung zu erfüllen sind. Die jährliche Pauschalabgabe wird von Fr. 500.– vom 1. Januar 1950 an auf Fr. 1000.– erhöht. Die Bewilligung wurde befristet bis zum 31. Dezember 1953.

160 Eine weitere, bis Ende 1956 befristetet Bewilligung erfolgt auf Antrag der Firma Michel im RRB Nr. 1019 vom 16. Februar 1954. Die Pauschalgebühr wird auf Fr 1000.– /Jahr belassen mit dem Vorbehalt einer Erhöhung, wenn ein gesteigerter Umsatz dies rechtfertigen sollte.

Am 25. März 1954 stellt die Firma Michel & Co beim Amtsschwellenmeister das Gesuch, es möchte ihr die Bewilligung erteilt werden, nördlich der Lütschine 1350 m2 Seegrund zu pachten, zwecks Auffüllung mit Abfallmaterial vom Kieswerk. Der Kreis 1 unterstützte das Gesuch, hatte aus wasserbaupolizeilichen Grün- den keine Einwendungen und beantragte einen Pachtzins von 20 Rappen pro Quadratmeter. Mit RRB Nr. 1959 wurde der Regierungsstatthalter am 2. April 1954 ermächtigt, der Firma Michel & Co die Baubewilligung für die Neuerstellung eines Silos und Elevator sowie einer Hütte mit neuer Steinbrecheranlage und Förderband unter Bedingungen zu erteilen. Einmal mehr stellte der Amtschwellenmeister fest, dass Michel die Aufagen nicht einhielt und orientierte am 26. November 1954 den Kreis 1 mit dem Er- suchen, der Firma eine Frist bis zum 31. März 1955 zur Erfüllung einzuräumen. Am 4. Dezember 1954 stellte der Kreis 1 fest, dass die Grenze gemäss Pachtvertrag vom 28. Juni 1954 mit abgelagertem Material um 13 Meter über- schritten wurde und die Aufagen betreffend Ordnung und Sauberkeit sowie der nötigen Abrollierung nicht erfüllt sind. Es wird eine Erfüllung bis zum 31. März 1955 verlangt.

4.4. Periode 1955 bis 1959 Schon früh im neuen Jahr hatte Michel wieder Wünsche. Am 11. Februar 1955 erfolgte sein Gesuch für die Erhöhung der Aufbereitungsanlage um 1.50 m, ein neues Windenhaus, eine neue Baggeranlage sowie einen Siloanbau und ein neues Büro im Gebäude Nr. 616a. Gleichzeitig ersuchte er um Bewilligung für das Erstellen von 2 Ankersockeln in Beton auf angeschwemmtem Seegrund des Lütschinendeltas. Die Baudirek- tion am 5. März 1955 und die Eisenbahndirektion am 15. März 1955 stimmten den geplanten Anlagen unter Bedingungen zu.

Mit Schreiben vom 29. März 1955 ersuchte Michel um eine Fristverlängerung von 3 bis 4 Monaten für die Fertigstellungsarbeiten. In seinem Mitbericht hält

161 Erweiterung der Baggeranlage 1955

162 163 der Amtsschwellenmeister fest, dass Michel versucht, die Angelegenheit hinauszuschieben, denn er wisse genau, dass die Abrollierung beim Hochwas- serstand nicht ausgeführt werden könne. Erst am 22. August 1955 antwortete der Kreis 1 der Michel und Co, verwies auf seine Kontrolle, die er am 5. August 1955 durchgeführt hatte und hielt fest: – Räumung nicht ausgeführt. – Zusätzlich ca. 400 m2 Seegrund beansprucht. – Böschungsrollierung nicht erstellt.

Es wird eine letzte Fristverlängerung bis zum 31. März 1956 gewährt. Auf ein neuerliches Gesuch wird nicht mehr eingetreten.

Am 27. August 1955 meldete der Amtsschwellenmeister die zusätzlich bean- spruchte Fläche von Staatsterrain mit 40.00 m2, was einen Nachtrag zum Pachtvertrag erforderlich machte. Die gepachtete Seegrundfäche betrug nun 1290 m2 mit einem Pachtzins von Fr. 270.–. Ein Jahr später, am 29. Juni 1956, sendet Michel einen von Grundbuchgeome- ter Wyss aufgenommenen Situationsplan, wonach die bestehende Aufschüt- tung und Materialdeponie auf öffentlichem Seegrund total 1470 m2 beträgt. Er weist darauf hin, dass ihm der Platz sehr dient. Dies machte einen zweiten Nachtrag des Pachtvertrages notwendig. Die Gesamtfäche betrug nun neu 1570 m2 und der Pachtzins Fr. 314.– /Jahr.

Zu Ende des Jahres stellte die Firma Michel & Co am 26. Dezember 1956 das Gesuch, ab 1. Januar 1957 weiterhin Sand und Kies ausbeuten zu können. In seinem Mitbericht vom 29. Dezember 1956 hielt der Amtsschwellenmeister fest, dass 1955 erstmals über 20’000 m3 ausgebeutet wurden, und beantragte eine Erhöhung der Pauschalgebühr auf Fr. 2000.– /Jahr.

Im RRB Nr 966 vom 8. Februar 1957 wird die Vorgeschichte rekapituliert, aber die Pauschalentschädigung neu auf Fr. 1500.– /Jahr festgelegt mit dem Vorbe- halt einer Erhöhung bei gesteigertem Umsatz vor Ablauf der Bewilligung. Die Bewilligung wurde befristet bis zum 31. Dezember 1960.

164 4.5. Periode 1960 bis 1964 Bis zum 26. Dezember 1960 sind keine Vorkommnisse zu verzeichnen. An diesem Tag stellte die Firma Michel & Co neuerdings das Gesuch, ab 1. Januar 1961 weiterhin Sand und Kies ausbeuten zu dürfen. Der Amtsschwellenmeister wies in seinem Mitbericht am 10. Februar 1961 auf die von ihm festgestellten Ungleichheiten der Entschädigungen hin, die von den 4 Kiesentnahmestellen im Amtsbezirk Interlaken zu leisten sind, und schlägt eine abgestufte Entschädigung vor.

Mit dem RRB Nr. 4009 vom 27. Juni 1961 wird dieser Vorschlag übernommen. So waren zukünftig zu entrichten: – 1 bis 5000 m3: Fr. –.50/m3 – 5000 m3 bis 10’000 m3: Fr. –.30/m3 – über 10’000 m3: Fr. –.10/m3

Die Bewilligung wurde befristet bis zum 31. Dezember 1965.

Am 10. Mai 1962 orientierte der Kreis 1 die Firma Michel & Co über die Be- sichtigung der Anlagen, die am 27. April 1962 auf Wunsch der Gemeinde Bönigen stattgefunden hatte, und verlangte mit einer Frist bis zum 10. Juni 1962 verschiedene Massnahmen.

Die Firma Michel & Co sendet am 14. Juni 1962 Planunterlagen und ersucht um nachträgliche Bewilligung für eine schwimmende Verankerung. Begründet wird das Begehren damit, dass die beiden 1955 bewilligten Verankerungen in den See absanken; «es blieb nichts anderes übrig, als es mit einer schwim- menden Verankerung zu versuchen.»

Der Kreis 1 gewährte der Firma Michel & Co am 26. Juni 1962 eine letzte Frist bis zum 31. März 1963, um alle Mängel und Versäumnisse zu beheben. Der Amtsschwellenmeister erinnerte die Firma Michel am 18. Januar 1963 an die gesetzte Frist für die Erstellung der verlangten Rollierung und hofft, dass der Niederwasserstand ausgenützt wird.

Die Michel & Co meldet dem Oberwegmeister am 12. März 1963, dass sich die Verankerung mit dem Beton-Caisson nicht bewährt hat und durch einen Tank ersetzt werden muss, der ca. 80 –100 m im See versenkt wird und damit eine

165 sehr gute Verankerung ergibt, und ersucht um Bewilligung. Das Gesuch wird am 15. März 1963 in zustimmendem Sinne an den Kreis 1 weitergeleitet, mit einer Rekapitulierung der Verankerungsgeschichte. Im Weitern wird der dritte Nachtrag des Pachtvertrages vom 16. Oktober 1962 erwähnt, wonach die gepachtete Fläche total 1545 m2 beträgt. Die Firma Michel & Co hat wieder einen Grund gefunden, um die Erstellung der Rollierung hinauszuschieben. Am 22. März 1963 macht sie den langen und strengen Winter dafür verantwortlich und versichert, die Pendenz bis Ende April nachzuholen.

Der Amtsschwellenmeister kann, nach einem gemeinsamen Augenschein mit dem Wasserbauingenieur am 2. Mai 1963, am 7. Mai 1963 dem Kreis 1 den mit etwas Verspätung erfolgten Vollzug der geforderten Arbeiten melden. Offen ist noch die Bepfanzung des Widmer-Dammes nach den Weisungen des UTB. Erwartet wird noch ein genauer Plan des Geometers für den neuen Pachtvertrag.

Am 18. Juni 1963 meldet Michel dass die Anpfanzung gemacht wurde, wobei die Strandbadseite noch offen sei, da er mit der Burgergemeinde gegenwärtig noch über eine Vergrösserung des Deponieplatzes verhandle.

Das Kieswerk am Lütschinen-Delta um 1964

166 4.6. Periode 1965 bis 1969 In ihrem Gesuch vom 5. Januar 1965 rekapituliert die Firma Michel & Co die Geschichte ihres Unternehmens und stellt gleichzeitig das Gesuch um eine weitere Verlängerung ihrer Bewilligung für die Kiesausbeutung. Dem Oberwegmeister wird am 15. Januar 1965 ein von Geometer Wyss auf- genommener Situationsplan zugestellt, woraus ersichtlich ist, dass die total beanspruchte Seegrundfäche 1911 m2 beträgt. Michel ersucht um einen neuen, angepassten Pachtvertrag.

Der von der Liegenschaftsverwaltung des Kantons Bern neu ausgestellte Pachtvertrag umfasst die beanspruchte Seegrundfäche von 1911 m2 und da- tiert vom 17. März 1965. Der Pachtzins betrug Fr. 450.– /Jahr. Er ersetzte den Vertrag vom 28. Juni 1954 mit verschiedenen Nachträgen. Schon war wieder eine Verlängerung der Bewilligung nötig und die Firma Michel & Co ersuchte am 5. Januar 1966 darum. Gestützt auf die zustimmenden Mitberichte des Amtschwellenmeisters und des Kreis 1 wird dem Gesuch mit RRB Nr. 707 am 28. Januar 1966 unter dem Vorbehalt der üblichen Bedingungen und Befristung bis 31. Dezember 1970 entsprochen.

4.7. Periode 1970 bis 1974 Am 8. Januar 1971 erinnert der Amtsschwellenmeister die Firma Michel & Co daran, dass ihre Bewilligung für die Kiesausbeutung per Ende letztes Jahr ab- gelaufen ist. Sofern eine Weiterführung des Betriebes geplant sei, müsse um- gehend ein entsprechendes Gesuch eingereicht werden. Bereits 3 Tage später, am 11. Januar 1971, lag das Gesuch der Firma Michel vor und wurde einen Tag später vom Amtsschwellenmeister mit folgendem An- trag an den Kreis 1 weitergeleitet: – Entschädigung: 1 bis 5000 m3: Fr. 1.– /m3 über 5000 m3: Fr. –.50 /m3 – die Bewilligung ist bis zum 31. Dezember 1975 zu den üblichen Bedingungen zu verlängern.

Die Baudirektion des Kantons Bern ermächtigte das Regierungsstatthalteramt Interlaken am 7. April 1971, die Bewilligung zu den aufgeführten Bedingungen zu erteilen, befristet bis 31. Dezember 1975.

167 Die Firma Michel & Co lässt am 27. Februar 1974 durch die Seepolizei Brienzer- see 6 Seegrundprofle aufnehmen, um damit eine Übersicht über den Umfang der Geschiebeablagerungen zu erhalten. Am 28. März 1974 lädt die Michel & Co zu einem Augenschein auf dem Lüt- schinendelta ein und orientiert den Wasserbauingenieur des Kreis 1 und den Amtsschwellenmeister über ihre Absicht, zukünftig mit einem Schwimm- bagger auszubeuten, und zwar auf Grund der nun vorliegenden Seegrundpro- fle. Der Wasserbauingenieur verlangt eine umfang- und aufschlussreiche Do- kumentation in 5-facher Ausführung und weist darauf hin, dass den einzuho- lenden Mitberichten eine grosse Bedeutung zukomme. Die Firma reichte ihr Gesuch für eine weitere Bewilligung zur Ausbeutung von Kies und Sand am 8. Juli 1974 mit einer umfangreichen Begründung ein. Mi- chel erwähnt insbesondere, dass die private Ausbeutung sehr wichtig ist, da sonst der Staat Bern das Delta unterhalten müsste! Die Schwimmbaggeranlage erwarb das Böniger Unternehmen von der Firma Grossmann AG, Brienz. Nachdem der Amtsschwellenmeister beim Uferschutzverband Thuner und Brienzersee (UTB) und der Seepolizei Mitberichte eingeholt hatte, sandte er die Unterlagen mit einem ausführlichen Mitbericht am 29. August 1974 dem Kreis 1 in Thun zur weiteren Behandlung. Eine Publikation des Vorhabens erachtete er als unbedingt notwendig. Nun dauerte es bis zum 6. Dezember 1974, bis die Vertreter des Staates dem Christian Michel das Ergebnis der eingeholten Mitberichte vortragen konnten. Der Wasserbauingenieur wies dabei darauf hin, dass «heute insbesonders die Belange des Naturschutzes und der Fischerei zu berücksichtigen sind.»

4.8. Periode 1975 bis 1979 Gestützt auf die Mitberichte, war es nun am Gesuchsteller, die erforderlichen Planunterlagen für die Erstellung des Schutzhafens für den Schwimmbagger und das Klappschiff auszuarbeiten.

Der neue Hafen beanspruchte zusätzlich 965 m2 öffentlichen Seegrund, was auch einen neuen Pachtvertrag notwendig machte. Am 1. April 1975 leitete der Amtsschwellenmeister die Unterlagen an den Kreis 1 und beantragte die Bewilligung zu den üblichen Bedingungen. Am 30. Mai 1975 ermächtigt die Baudirektion des Kantons Bern das Regierungs- statthalteramt Interlaken, die Bewilligung zu erteilen für:

168 Aus dem «Oberländischen Volksblatt» vom 18. Februar 1975

– Das Erweitern der bestehenden Kabelbaggeranlage für die Ausbeutung von Kiesmaterial mit einer Schwimmbaggeranlage und Klappschiff im Bereich des Lütschinendeltas. – Erstellen einer Hafenanlage auf öffentlichem Seegrund, angrenzend an das Pachtareal nordöstlich der Parzelle Nr. 965 in Bönigen.

Die Bewilligung wurde befristet bis 31. Dezember 1980.

Nach dem Baubeginn stellte die Firma Michel & Co fest, dass ein Naturstein- mauerwerk sehr grosse Kosten verursache und stellte das Gesuch, anstelle von Natursteinen eine Betonmauer mit «Prewi-Schalung» verwenden zu dürfen. Am 12. Februar 1976 zeigten sich der UTB, die Gemeinde und der Kreis 1 mit dieser Lösung einverstanden.

169 4.9. Periode 1980 bis 2004 Eine weitere Verlängerung der Kiesausbeutungsbewilligung erteilte die Baudirektion des Kantons Bern am 17. August 1981, unter anderem unter folgenden Bedingungen:

Erweiterung der Kabelbaggeranlage mit neuem Hafen 1975. Die verschmierten Farben zeigen, dass der Plan im Gelände gebraucht wurde.

170 – Die Entnahme hat mit der Kabel- und Schwimmbaggeranlage und der Klappschute zu erfolgen. – Die Kiesausbeutung im Deltabereich darf nur zwischen den Proflen Nr. I –VI und in einem Umkreis von maximal 120 m vom Fixpunkt vorgenommen werden. – Die Entnahme wird befristet für die Zeit vom 15. Oktober – 30. April. – Entnahmemenge: max. 50’000 m3/Jahr. – Entschädigung ab 1. Januar 1981 Fr. 2.– /m3.

Inzwischen hatte man auch beim Kanton Bern festgestellt, dass der admini- strative Aufwand für die Erteilung der Bewilligungen stark zugenommen hat- te. Die erste Bewilligung wurde lediglich für eine Dauer von 3 Jahren erteilt. Später wurde die Bewilligungsdauer auf jeweils 5 Jahre erhöht. Nun wurde die neue Bewilligung erstmals für eine Dauer von 10 Jahren erteilt und bis zum 31. Dezember 1990 befristet. Eine weitere Verlängerung bewilligte der Kreis 1 am 31. März 1993 der Sand- und Kieswerk Michel & Co AG, Bönigen, p.A. KIESTAG AG, 3752 Wimmis. Aus der neuen Adresse kann man entnehmen, dass die KIESTAG AG das Kieswerk und damit dessen Führung übernommen hatte. Die Abbaumenge wurde auf durchschnittlich maximal 30’000 m3/Jahr festgelegt, wobei kleinere Abwei- chungen in den folgenden Jahren zu kompensieren waren. Nach 5 Jahren durfte die entnommene Kiesmenge 150’000 m3 nicht übersteigen. Ab 1. Januar 1993 mussten dem Staat Bern Fr 7.50 /m3 bei einer monatlichen Abrechnung entrichtet werden. Die Bewilligung wurde wiederum auf 10 Jahre befristet und dauerte bis zum 31. Dezember 2003.

Nach der Jahrtausendwende wurde festgestellt, dass sich am rechten Ufer des Lütschinendeltas zunehmend eine Sandbank gebildet hatte, die im Sommer als Badeplatz benutzt wurde. Im Wissen, dass sich hier unerwartet Abbrüche ereignen konnten, sah sich der Oberingenieurkreis 1 auf die Sommersaison 2002 hin veranlasst, an den Zugängen zu dieser Sandbank entsprechende Warnschilder in drei Sprachen aufzustellen.

Die neue Führung des Kieswerkes stellte bereits am 19. August 2003 das Gesuch um eine weitere Verlängerung der Kiesentnahmebewilligung. Auf Grund der sieben eingeholten Amtsberichte, und da in der Aufagefrist keine

171 Einsprachen eingegangen waren, erteilte der Oberingenieurkreis 1 am 5. Februar 2004 die Kiesentnahmebewilligung zu den üblichen Aufagen und Bedingungen: – Der Abbauperimeter, eingeteilt in 3 Sektoren, umfasst das Kreissegment von der Mitte zwischen den Proflen I / II bis zum Profl VI und reicht seewärts bis zu einer Distanz von 120 m ab Fixpunkt. – In der Zeit vom 1. November bis 31. Dezember darf kein Materialabbau erfolgen. – Die Abbaumenge ist beschränkt auf durchschnittlich 30’000 m3/Jahr. – Abbautiefe und Neigung sind vorgeschrieben. – Ab 1. Januar 2004 wird die Abgabe auf Fr. 7.– /m3 festgelegt.

Die Bewilligung wurde befristet bis zum 31. Dezember 2013.

Bereits ein Jahr später, auf den 12. Juli 2004, lud die Gemeinde zu einem Augenschein vor Ort ein, um über die Zukunft des Lütschinendeltas zu disku- tieren. Die Gemeinde sorgte sich insbesondere um die zukünftige Bewirtschaf- tung des Deltas, wenn die KIESTAG AG eines Tages das Kieswerk schliessen würde. Die Schwellenkorporation erwähnte dabei, dass sie in Verlängerung der Ufer- mauer am rechten Ufer bereits einen über 30 m langen Blocksatz erstellen liess, um ein Abfiessen des Wassers in diese Richtung zu verhindern. Die KIESTAG AG wies daraufhin, dass man sich in einer Randregion befnde, wo sich eine Stagnation der Bauwirtschaft entsprechend auswirke, wodurch zum Beispiel mit 10’000 m3 nur noch ein Drittel der bewilligten Kubatur aus- gebeutet werde. Ergänzend zu diesem Augenschein, äusserte sich der Oberingenieurkreis 1 in seinem Schreiben vom 15. Juli 2004 an die Gemeinde Bönigen sehr eingehend über den raschen Flächenzuwachs des Lütschinendeltas, die Kiesentnahme, den Hochwasserschutz und die Schifffahrt, um abschliessend die Aufgaben, Zielsetzungen und Zuständigkeiten gemäss dem Wasserbaugesetz zu erläu- tern.

4.10. Periode 2005 bis heute Zusätzlich zu den Kiesentnahmen der KIESTAG AG liess der Kanton im Frühjahr 2005 die Aufandungen in der Verlängerung des Flusslaufes ausbaggern, um einer unerwünschten Ausweitung des Deltas entgegen zu wirken.

172 In seiner Begründung hielt der Wasserbauingenieur des Oberingenieurkreis 1 fest: Eine unkontrollierte Deltaentwicklung führt erfahrungsgemäss zu einem seit- lichen Ausbrechen und einer Strömungsablenkung in Richtung Hafen Bönigen mit negativen Folgen für den Schiffsbetrieb durch Treibholz. Längerfristig kann sich auch eine rückwärtige Aufandungstendenz in die Vereinigten Lütschinen einstellen. Die Entnahme muss in Bereichen erfolgen, die mit den ortsfesten Anlagen des Kieswerkes nicht direkt erreicht werden. Dadurch wird der Einsatz von grossen, mobilen Geräten und ein Abbau in mehreren Arbeitsschritten erforderlich. Das dabei anfallende Material kann nicht durchwegs als Baustoff verwendet werden und muss mit zusätzlichem Kostenaufwand entsorgt werden. Da keine klare Zuweisung der Verantwortung und über die Trägerschaft solcher Massnahmen besteht, muss der Zusatzaufwand vom Kanton Bern/ Tiefbauamt als Aufsichtsbehörde nach Wasserbaugesetz übernommen werden. Die hinsichtlich Hochwasserschutz in den Bereich der Vereinigten Lütschinen hineinreichenden Massnahmen werden jeweils direkt zu Lasten der Schwellen- korporation Bödeli Süd ausgeführt.

Im Anschluss an diese Ausbaggerung beauftragte der Oberingenieurkreis 1 am 20. April 2005 die Bettschen+Blumer, Bauingenieurbüro AG, Unterseen, mit der periodischen Beobachtung des Lütschinendeltas.

In der Zeit bis zum 26. Mai 2009 wurde das Delta 23 Mal kontrolliert, fotogra- fert und die gemachten Beobachtungen in einem Protokoll festgehalten.

Die intensiven Gewitter und Regenfälle führten am 22./ 23. August 2005 zu einer Hochwasserführung in bisher noch nie gesehenem Ausmass (264 m3/ sec). Im Anschluss an diese Hochwasserführung beschäftigte sich Prof. Dr. M. Jäggi im Rahmen seiner fussmorphologischen Studie «Entwicklung der Lüt- schinemündung, der zukünftigen Gestaltung und der Gechiebebewirtschaf- tung» vom Januar 2007 auch mit der Frage, ob eine nicht auszuschliessende Reduktion der Entnahmemengen im Delta durch gezielte Entnahmen bei andern, fussaufwärts liegenden Standorten kompensiert werden könnte. Es zeigte sich, dass dies grundsätzlich möglich wäre.

Offenbar plante die Bewilligungsnehmerin KIESTAG AG mit ihren vier Tochter- gesellschaften im Berner Oberland, wozu auch die Michel & Co AG gehört, zu

173 dieser Zeit bereits ein neues Betriebskonzept, um zukünftig die Kiesproduktion wirtschaftlicher zu gestalten. Im Wissen, dass die Entnahmebewilligung auf Ende 2013 ablief, beauftragte sie ein Planungsteam unter der Führung des Ingenieurbüros Mätzener & Wyss, Unterseen, mit der Erarbeitung der Unterla- gen für eine Verlängerung der Kiesentnahmebewilligung ab 2014. Als Bau- herrschaft orientierte sie am 23. Februar 2010 vorerst die Standortgemeinde Bönigen über die geplanten Änderungen im Zusammenhang mit dem Gesuch für eine Verlängerung der Kiesentnahmebewilligung. Wesentlich dabei war, dass zukünftig im Lütschinendelta in Bönigen nur noch Material entnommen wird, dessen Verarbeitung aber in der zentralen Aufbe- reitungsanlage in Wimmis erfolgt. Weiter wurde bekannt, dass die Abbauart geändert werden soll und die bestehende Seilbaggeranlage durch einen Hy- draulik- oder Schürfkübelbagger ersetzt wird. Alle Gebäude sollen abgebro- chen werden. Das alles bedingte ein Gesuch mit einer umfangreichen Doku- mentation und erforderte entsprechende Abklärungen. Am 17. Mai 2010 konnten die KIESTAG AG und ihr Planungsteam die bisher erarbeiteten Unterlagen den Behörden und den Fachstellen erstmals vorstellen. Nach entsprechenden Abänderungen und Anpassungen konnte die Bauherr- schaft am 30. September 2011 ihr Gesuch für eine Verlängerung der Kiesent- nahmebewilligung einreichen. Dass sich die Verhältnisse gegenüber früher wesentlich geändert und die Bau- herrschaft richtig vorausgesehen hatte, wird erhellt durch die Tatsache, dass der Oberingenieurkreis 1 als Leitbehörde im Rahmen des Baubewilligungsver- fahrens unter anderem bei gesamthaft 10 Amtsstellen Fachberichte einholen musste.

Die neue Kiesentnahmebewilligung erteilte der Oberingenieurkreis 1 am 19. April 2013 unter verschiedenen Bedingungen und Aufagen: – Die Entnahmen haben gemäss Pfichtenheft der Deltakommission zu erfolgen. – Die Deltakommission setzt sich wie folgt zusammen: – Tiefbauamt / Oberingenieurkreis 1 (Vorsitz) – Amt für Landwirtschaft und Natur / Abteilung Naturförderung – Amt für Landwirtschaft und Natur / Fischereiinspektorat – Schwellenkorporation Bödeli Süd / Präsident Bau- und Planungskommission oder Bauverwalter/in – Gemeinde Bönigen – Betreiberin (Sekretariat)

174 – Die Perimetergrenze ist einzuhalten. – Ab 1. Januar 2014 sind folgende Gebühren zu entrichten: – bis 30’000 m3/Jahr Fr. 7.50/m3 – über 30’000 m3/Jahr keine Gebühr, dient dem langfristigen Rückbau des Deltas und damit der Hochwassersicherheit. – Seegrundprofle sind im Gelände kenntlich zu machen.

Die Bewilligung wurde befristet bis zum 31. Dezember 2028.

Zeitung im Mikrokosmos Jungfrau — 12. November 2013 wirtschaft 8 Der Kabelbagger hat ausgedient Per Ende Jahr stellt die Vigier Beton Berner Oberland die Kiesverarbeitung beim Lütschinendelta ein. Arbeitsplätze gehen dabei nicht verloren. Die vier betrofenen Angestellten werden an anderen Standorten weiterbeschäftigt.

Seit rund 70 Jahren wird in Bönigen Kies abgebaut. Am 20. Dezember wird dieses Kapitel geschlossen. Lediglich für den Hochwasserschutz werden dort hin und wieder die Bagger noch im Einsatz sein. Foto: Nora Devenish

von Nora DeveNish Für sie wurden bei der Vigier-Tochter sein wird, kann Christoph Künzi noch AG nach Interlaken führt. «Unsere vier Kies» zusammen. Diese bezweckt Beton AG Interlaken und auch in Wim- nicht genau sagen. «Unsere Einsätze kleineren Werke waren im Vergleich die Wahrung der Interessen von Bönigen Seit den 40er-Jahren wird beim mis neue Arbeitsplätze gefunden. Ab werden in Rücksprache mit Interessen- zum neuen grossen wirtschaftlich nicht Landschaft und Natur beim Abbau Lütschinendelta Kies abgebaut. In den Februar sollen die bestehenden Gebäu- gruppen aus dem Tourismus und der mehr tragbar. Der Nachteil sind die län- von Steinen und Erde. Biotope oder 90er Jahren übernahm die Vigier Be- de auf dem Werkareal beim Lütschi- Fischerei koordiniert.» So dürften die geren Transportdistanzen, die wir in biotopartige Standorte, wie sie etwa in ton Berner Oberland das Werk der Mi- nendelta abgebaut werden. direkt angrenzenden Campinggäste Zukunft auf uns nehmen», sagt Chris- Kiesgruben anzutreffen sind, dienen als chel & Co. AG. Am 20. Dezember wird beim Strandbad Bönigen mit einem ru- toph Künzi. ökologische Ausgleichsflächen. Seltene das Kieswerk nun geschlossen. Grund Aushub zu Blockzeiten higeren Sommer rechnen. Und auch die Pflanzen und Tiere finden gerade in Ab- ist eine Geschäfts-Reorganisation: Die Ganz verschwinden wird die Vigier Anwohner des Böniger Seeblickquar- Neue Lebensräume schaffen baugebieten geeignete Lebensräume, Vigier eröffnet an ihrem Hauptsitz in nicht aus Bönigen. «Wir werden zu ge- tiers müssen laut Christoph Künzi Alle bestehenden Gebäude auf dem die sonst weitgehend verschwunden Wimmis ein neues, grösseres Kies- wissen Blockzeiten zwei- bis dreimal durch die Blockzeiten nicht mit einer Werkareal in Bönigen werden ab Fe- sind. Im Rahmen der Renaturierungs- werk. Damit ist ein weiteres Bestehen im Jahr immer noch mit Baggern vor geballteren Ladung Lärmemissionen bruar verschwinden. Durch Renaturie- massnahmen entsteht auf dem Werk- der vier alten, kleineren Vigier-eigenen Ort sein und beim Delta Kies abbauen. rechnen. Die Vigier Beton Oberland rungsmassnahmen soll das Gelände, areal am Lütschinendelta im nächsten Werke im Berner Oberland nicht mehr Das ist schon rein wegen Hochwasser- baut in Bönigen jährlich bis zu 40'000 das direkt an ein Naturschutzgebiet Jahr unter anderem ein Trockenbiotop. nötig. Neben Bönigen werden auch in schutzmassnahmen unumgänglich», Kubikmeter Kies ab. In Zukunft wird grenzt, für Bevölkerung, Pflanzen und Die bestehende Zufahrt bleibt erhalten. Frutigen, Einigen und das alte Werk in sagt Christoph Künzi, Unternehmens- dieses aber nicht wie bisher vor Ort, Tiere an Attraktivität gewinnen. Um Das Gelände wird gemäss Christoph Wimmis abgestellt. In Bönigen sind vier leiter von Vigier Beton Oberland ge- sondern beim Hauptgeschäftssitz in dieses Ziel zu erreichen, arbeitet die Künzi aber auch in Zukunft nicht öffent- Angestellte von der Reorganisation be- genüber dieser Zeitung. Wann genau Wimmis bearbeitet, bevor sein Weg als Vigier Beton Berner Oberland eng mit lich zugänglich sein. troffen, alle auf dem Bödeli wohnhaft. man jeweils im Lütschinendelta tätig fertige Komponente zurück in die Beton der Rubiger Stiftung «Landschaft und Nr. 123778, online seit: 8. November – 15.28 Uhr Rosita hat das schönste Euter Blüemli, Brütli und Bianca

schaf von Allmen/Frutiger; Hermine, von Ernst von Angelina, von Ernst von Allmen, 43/34/92; Isabelle, land Steiner, Schwendi; Franka 54/54/96, Gottlieb Die Preisträgerin der Allmen, 54/34/93; Andrea, von Arnold von Allmen, von Hans Christen von Allmen, 43/34/92; Edelweiss, Bei der Herbstschau Zurbuchen, Balkenmoos; Filinia 54/45/96, Roland 54/34/93; Askia, von Ernst von Allmen, 44/33/91. von Adolf und Mathias Feuz, 44/93/91; Benasir, von Brunner, Hüttlisegg; Wanda 54/44/95, Christian Herbstschau des Kategorie 5: Giana, von Heinz Abbühl, 54/45/96; Ernst von Allmen, 43/33/91; Sissi, von Fritz Fuchs, des Viehzuchtvereins Brunner, Bohlseite; Dahlie 54/44/95, Werner und Viehzuchtvereins Biskaya, von Ernst von Allmen, 44/45/95; Lolita, von 43/33/91. Kategorie 3: Rosabel, von Adolf und Ma- Habkern stellten sich 125 Franz Zurbuchen, Haag; Kaiser 54/44/95, Peter Zur- Fritz Fuchs, 54/44/95; Lussy, von Adolf und Mathias thias Feuz, 43/43/92; Alaska, von Arnold von Allmen, buchen, Bort; Klasse 5: Janine 54/45/96, Christi- Stechelberg steht im Feuz, 54/44/95; Ronja, von Adolf und Mathias Feuz, 43/33/91; Irma, von Fritz Fuchs, 43/33/90. Kate- Kühe von 16 Züchtern an Brunner, Bohlseite; Helvetia 54/45/96, Gottlieb 54/44/95; Scania, von Heinz Abbühl, 44/44/94; gorie 2: Medina, von Ernst von Allmen, 43/34/89; Zurbuchen, Balkenmoos; Sonja 54/44/95, Roland Stall der Züchter Feuz. Urmel, von Betriebsgemeinschaf von Allmen/Fru- Fiona, von Betriebsgemeinschaf von Allmen/ den Experten. Steiner, Schwendi; Klasse 4: Cabana 44/43/93, Kurt tiger, 54/35/93; Hudi, von Betriebsgemeinschaf Frutiger, 43/34/89; Randi, von Adolf und Mathias und Daniel Zurbuchen, Hauete; Cora 43/44/93, Julia von Allmen/Frutiger, 54/43/93; Vreni, von Arnold Feuz, 43/43/89; Olympia, von Arnold von Allmen, 43/43/92, Werner und Franz Zurbuchen, Haag; Birke StechelBerg Miss Stechelberg: Gi- von Allmen, 54/34/93; Iris, 54/34/93, von Arnold 43/43/89; Nina, von Arnold von Allmen, 43/33/88; 43/34/92, Christian Brunner, Bohlseite; Simplonia Klasse 8: Susi 55/55/98, Roland Steiner, Schwen- 43/34/92, Peter Zurbuchen, Bort; Valerie 43/34/92, ana von Heinz Abbühl; Miss Schön­ von Allmen; Desiree, von Hans Christen von Allmen, Julia, von Ernst von Allmen, 43/33/88; Anita, von di; Janette 55/55/97, Roland Brunner, Hüttlisegg; 54/34/93; Paola, von Heinz Abbühl, 54/43/93; Alma, Adolf und Mathias Feuz, 43/23/87; Iris, von Fritz Werner und Franz Zurbuchen, Haag; Berna 43/34/92, euter: Rosita von Adolf und Mathi- Angelina 55/55/97, Peter Zurbuchen, Bort; Erika Anton und Ueli Zimmermann, Schwendi; Soldanelle von Fritz Fuchs, 53/43/92. Kategorie 4: Rosita, von Fuchs, 42/23/86. Kategorie 1: Robina, von Adolf und 55/45/97, Christian Blatter, Bach; Lolita 55/45/97, as Feuz; Miss Protein: Rosette von Adolf und Mathias Feuz, 44/44/93; Häsi, von Be- Mathias Feuz, 43/33/88; Larissa, von Adolf und Ma- 43/34/92, Nadia 43/34/92, Roland Steiner, Schwen- Adolf und Mathias Feuz; Beste Erst­ Werner und Franz Zurbuchen, Haag; Agnes 55/45/97, di; Forclaz 43/34/92, Hirzel 43/34/92, Peter Zurbu- triebsgemeinschaf von Allmen/Frutiger, 34/43/92; thias Feuz, 33/32/87. (pd) Andreas Zurbuchen, Grueba; Alpenrösli 55/45/97, lingskuh: Rosabel von Adolf und Ma- chen, Bort; Klasse 3: Hilary 44/44/93, Anton und «Jungfrauzeitung» vom 12.11.2013 Christian und Stefan Zurbuchen, Fuhrenschür; Falk Ueli Zimmermann, Schwendi; Belinda 43/44/93, Ro- thias Feuz; Beste Leistungskuh: Les- 54/45/96, Peter Zurbuchen, Bort; Zimba 54/45/96, land Brunner, Hüttlisegg; Baronne 43/44/93, Werner ley von Adolf und Mathias Feuz. Zina 54/54/96, Kurt und Daniel Zurbuchen, Haue- und Franz Zurbuchen, Haag; Janka 44/34/93, Roland te; Mahara 55/44/96, Peter Zurbuchen, Bort; Krona Brunner, Hüttlisegg; Sindi 43/34/92, Roland Steiner, Pressedienst 54/45/96, Ernst und Thomas Zurbuchen, Bohlseite; Nr. 127713, online seit: 5. November – 17.48 Uh Schwendi; Klasse 2: Nelli 43/43/89, Roland Brunner, Carmen 44/55/96, Roland Brunner, Hüttlisegg; Berna Hüttlisegg; Nelly 43/43/89, Christian und Stefan 54/44/95, Christian und Fritz Zurbuchen, Bohlseite; Zurbuchen, Fuhrenschür; Julie 33/34/88, Roland Herbstschau VZV - Kategorie 8: Scarlett, von Klasse 7: Elgina 55/55/98, Dilli 55/55/97, Roland Brunner, Hüttlisegg; Michelle 42/33/88, Gottfried Heinz Abbühl, 54/55/97; Leila, von Adolf und Mathi- Brunner, Hüttlisegg; Bianca 54/45/96, Christian und Bruno Brunner, Bohlseite; Lukmania 42/34/88, as Feuz, 55/45/97; Rosette, von Adolf und Mathias Brunner, Bohlseite; Fink 54/45/96, Christian Blatter, Peter Zurbuchen, Bort; Klasse 1: Brütli 43/43/89, Feuz, 54/54/95; Lisa, von Adolf und Mathias Feuz, Bach; Laura 54/45/96, Christian Brunner, Bohlsei- Roland Steiner, Schwendi; Büemli 43/34/89, Alma 54/45/96; Sindy, von Fritz Fuchs, 55/44/96. Kate- te; Miriam 55/44/96, Gottfried und Bruno Brunner, 42/43/88, Roland Brunner, Hüttlisegg; Larissa gorie 7: Jamaica, von Ernst von Allmen, 55/55/98; Bohlseite; Jacqueline 55/44/96, Ernst und Thomas 33/34/88, Anton und Ueli Zimmermann, Schwendi; Lesley, von Adolf und Mathias Feuz, 55/54/97; Lotti, Zurbuchen, Bohlseite; Tea 54/45/96, Gottlieb Zurbu- Duli 33/34/88, Roland Brunner, Hüttlisegg; Edel- von Arnold von Allmen, 55/45/97; Anja, von Adolf und chen, Balkenmoos; Bianca 54/44/95, Ernst und Tho- weiss 43/33/88, Peter Zurbuchen, Bort;175 Spiegel Mathias Feuz, 54/44/95; Hermine, von Betriebsge- mas Zurbuchen, Bohlseite; Andrea 44/45/95, Werner 43/33/88, Roland Steiner, Schwendi; Eva 43/33/88, meinschaf von Allmen/Frutiger, 44/35/94. Kate- und Franz Zurbuchen, Haag; Julia 54/44/95, Anton Christian und Stefan Zurbuchen, Fuhrenschür; Bambi gorie 6: Sonia, von Arnold von Allmen, 54/45/96; und ueli Zimmermann, Schwendi; Klasse 6: Gunda 43/33/88, Gottlieb Zurbuchen, Balkenmoos; Anita Romi, von Adolf und Mathias Feuz, 54/45/96; Sissi, 55/55/97, Roland Brunner, Hüttlisegg; Samantha 33/33/88, Christian und Fritz Zurbuchen, Bohlseite. von Heinz Abbühl, 54/45/96; Resi, von Adolf und 54/55/97, Peter Zurbuchen, Bort; Amarillis 54/55/97, Mathias Feuz, 54/44/95; Alissa, von Adolf und Ma- Werner und Franz Zurbuchen, Haag; Evita 54/45/96, Pressedienst thias Feuz, 54/44/95; Flora, von Betriebsgemein- Keine Frage, was im Mittelpunkt steht bei der Beurteilung von Milchvieh. Foto: Archiv Christian Brunner, Bohlseite; Hirsch 54/45/96, Ro- Nr. 127829, online seit: 6. November – 14.47 Uhr Das Delta mit Blick Richtung Brienzersee am 4.11.2016. Ein Abtrag ist notwendig.

Materialabbau am Lütschinendelta im Februar 2017 mit Deponie. Fotos: Ueli Bettschen

176 177 Jetzt war es soweit, am 20. Dezember 2013 schloss die KIESTAG AG ihr Kies- werk in Bönigen und begann anschliessend mit dessen Rückbau und der Schaffung neuer Lebensräume. Damit fand auch eine 73 Jahre alte Geschichte ihren Abschluss.

Heute bleibt nur zu hoffen, dass die nun eingesetzte Deltakommission sehr genau darüber wachen wird, wann wieviel Geschiebe im Delta entnommen werden muss, damit die Hochwassersicherheit entlang der Vereinigten Lütschinen auch zukünftig gewährleistet bleibt.

178 Werner Gartenmann

Dorfbrunnen – Botschafter des Wassers

Brunnen in Dörfern und Städten sind in der Schweiz selbstverständliche, oft gar nicht mehr wahrgenommene Bauobjekte. Sie dienen als Photosujets, als Tränke für Tiere und als Durstlöscher, eine lebenswichtige Aufgabe erfüllen sie in unserem Land nicht mehr. In der Gemeinde Matten bei Interlaken stehen neunzehn Dorfbrunnen. Das Projekt «Brunnenweg» wurde von der Kommission für Wirtschaft, Tourismus und Kultur (WTK) der Gemeinde Matten initiiert, geplant und realisiert. Der Brunnenweg erzählt die Geschichte unserer Brunnen und lädt zum Nachdenken über das unverzichtbare Gut Wasser ein. Über viele Jahrhunderte entstand in Matten ein einzigartiges Brunnensystem. Aus 19 Dorfbrunnen fiesst zu jeder Jahres- und Tageszeit Trinkwasser von hoher Qualität.

Foto: Frank Baumann

179 Bewegte Geschichte Die ersten Brunnen in Matten wurden vom Kloster Interlaken angelegt, um die Viehwirtschaftsbetriebe zu versorgen. Nebst der Trinkwasserversorgung diente das Brunnenwasser der Hygiene und der Brandbekämpfung. Bis heute stellen die Brunnen die Notversorgung der Bevölkerung sicher, sollte die öffentliche Wasserversorgung beeinträchtigt sein, denn die Brunnenleitung wird mit Wasser aus eigenen Quellfassungen gespeist. Die Brunnen prägen das Ortsbild. Sie sind beliebte Spielplätze für Kinder und eine Attraktion für Gäste aus dem In- und Ausland. Für den Brun- nenweg wurden neun Brunnen ausgewählt. Die Brunnenkarte begleitet die Besucherinnen und Besucher auf dem Themenweg und vermittelt verschie- dene Aspekte zum Thema Wasser. Auf der Internetseite www.brunnendorf.ch werden die Informationen auf Deutsch und Englisch zugänglich gemacht.

Brunnen «Beundenhaus» Beim Beundenhaus an der Hauptstrasse steht der neuste Brunnen. Er wurde 2016 errichtet und ergänzt mit seinem schlichten, modernen Stil die Würde des historischen Beundenhauses. Hier startet und endet der Brunnenweg.

Brunnen «Mattenkreuz» Der Name bezieht sich auf die Strassenkreuzung oder auf das Wegkreuz (Kruzifx), das zur katholischen Zeit oberhalb der Steingrotte stand. Der spätere Ausbau der Strasse erforderte die Versetzung des Brunnens in den Hang. Das Wasser der Mattner Brunnen stammt aus eigenen Quellfassungen. Das Kloster Interlaken begann im 15. Jahrhundert mit dem Bau der Quellfassungen auf dem Gebiet der Nachbargemeinde Wilderswil. Ein eigenes Leitungssystem ver- sorgt die Brunnen. Um die Mattner Brunnen und die Nutzung der Quellen kam es in früheren Zeiten zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen den Gemeinden Matten und Wilderswil.

Brunnen «Baumgarten» Noch vor 150 Jahren lagen viele Ortsteile von Matten in einem Obstbaum- wald. Der Baumgarten-Brunnen aus Ringgenberger Alpenkalk ist ein Ge- schenk des Baumeisters Fritz Kübli. Seine Baumfrma erhielt von der Gemeinde den Auftrag, die ersten Etappen der modernen Kanalisation zu bauen.

180 Brunnen «Brunngasse» In Matten befanden sich viele Landwirtschaftsbetriebe, die dem Kloster Inter- laken gehörten. Das Vieh musste getränkt werden. Deshalb beschloss das Kloster, Brunnen zu bauen. In der Brunngasse standen in früheren Zeiten meh- rere Brunnen aus Holz. Anfang des 20. Jahrhunderts erlebte der Tourismus eine regelrechte Blütezeit. Dadurch war die Gemeinde fnanziell in der Lage, die Brunnen zu erneuern. Der Brunnen «Brunngasse» wurde zusammen mit sieben anderen im Jahr 1909 erbaut und ist mit Jugendstilmustern verziert.

Brunnen «Dorfstrasse» Der Brunnen in der Dorfstrasse ist der älteste der 19 Mattner Brunnen. Der Doppelbrunnen wurde 1826 von Peter Tschiemer aus Goldswiler Platten gebaut. Er dient bis heute als Vieh- und Pferdetränke.

Brunnen «Hofstatt» Die sogenannte Hofstatt war einst der Besitz des reichsten Mattner Bauern. Zur heute noch vorhandenen Scheune gehörte ein Bauernhaus, das im Frei- lichtmuseum steht.

Foto: Frank Baumann

181 Foto: Frank Baumann

182 Der Besitzer, Hans Sterchi, war im 19. Jahrhundert in der Gemeinde politisch engagiert. Sein Engagement für den Bau eines Schulhauses wurde vom Ge- meinderat abgelehnt. Unbeirrt baute er zusammen mit der Bevölkerung und mit eigenen fnanziellen Mitteln auf seinem Grundstück das erste Schulhaus in Matten. Das ehemalige Schulgebäude steht links vom Brunnen und trägt sin- nigerweise den Namen «Brunnenhaus» (heute Tea-Room Brunne).

Brunnen «Pfandstatt» Mit dem Bau der neuen Alterswohnungen wurde auch der Brunnen in der Pfandstatt errichtet. Der verwendete Stein stammt aus dem Grimselgebiet und wurde von der Steinhauerei von Bergen aus bearbeitet. Der Name Pfandstatt bezeichnete früher ein Gebäude, in welchem verpfändete Gegen- stände oder Vieh sichergestellt wurden. An diesem Platz befand sich das zweite Mattner Schulhaus, das heute einen Kindergarten beherbergt.

Brunnen «Unterdorf» Bis in die Neuzeit diente der Brunnen als Trinkwasserspender. Die Menschen trugen mit Behältern aus Holz und Metall («Bränten») das Wasser nach Hause. An der Stirnseite, gegenüber dem Ausfuss, befand sich ein kleiner Trog. Der grosse Brunnentrog fungierte als Viehtränke und nur das sogenannte «Sudel- trögli» durfte gemäss Gemeindegesetz für die Kleiderwäsche benutzt werden. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde das Wasser in Glasfaschen abgefüllt und an die umliegenden Hotels verkauft. Der Brunnenweg führt nun durch die «alte Unterdorfstrasse», einer typisch engen Dorfgasse. Rechts befndet sich das älteste Mattner Haus, das Kübli-Haus, aus dem 16. Jahrhundert. Anschliessend folgt das Aemmer-Haus aus dem 17. Jahrhundert.

Brunnen «Mattenwirtshaus» Vis-à-vis vom Brunnen befndet sich das Mattenwirtshaus – heute Landgasthof Hirschen genannt – eine der ältesten Gaststätten in der Region. Schon 1242 stand an diesem Ort eine Schmiede mit einem Pintenrecht, das den Ausschank von Wein erlaubte. Der untere Teil des heutigen Gebäudes wurde 1683 ge- baut. In den folgenden Jahrhunderten folgten mehrere neue Aufbauten.

183 Ein Vorfahre der letzten Wirtshausbesitzer, Christian Sterchi, zeichnete sich im Jahr 1712 in der Schlacht von Villmergen durch seine Tapferkeit aus. Als Beloh- nung erlaubte ihm die Berner Regierung, vor seinem Wirtshaus einen Brunnen mit eigener Wasserzufuhr zu bauen. Heute ist der Brunnen an der Brunnen- leitung angeschlossen.

Ausgezeichnet Der Schweizerische Verein des Gas- und Wasserfaches (SVGW) verlieh 2015 dem Brunnenweg den PR-Award «Wasser». Die Laudatio hielt fest: «Matten hat die bestehenden, wohl schönsten und traditionsreichsten Botschafter für einwandfreies Trinkwasser für die Kommunikation genutzt, die altehr- würdigen Dorfbrunnen. Matten zeigt eindrücklich, dass man nicht alles neu erfnden muss, sondern die bestehende Infrastruktur oft einen charmanten Wert für die Wasserversorgung hat.»

184 Till Aerni

Das Waldhorn und das Alphorn – eine Gegenüberstellung

Vorwort Die Suche nach einem geeigneten Thema für meine Maturaarbeit war zu Beginn nicht sehr einfach. Denn ich wollte ein Thema wählen, zu welchem ich einen persönlichen Bezug habe. Als begeisterter Waldhornspieler sprach mich ein musikalisches Thema an. Eines Tages stellte meine Mutter nach einem Kunterbunt Konzert der Musikschule Oberland Ost fest, dass das Waldhorn und das Alphorn aus ihrer Sicht sehr ähnlich tönen. Denn an diesem Konzert war neben dem Waldhorn auch das Alphorn zu hören. Diese Feststellung ver- folgte mich von nun an, und meine Gedanken kreisten um einen Vergleich von Waldhorn und Alphorn. Deshalb ging ich mit meinen ersten Ideen und Gedan- ken zu meinem Musiklehrer, Herrn Matthias Zimmer. Und er fand, dass man in einer Maturaarbeit sehr gut einen Vergleich der beiden Instrumente machen kann, insbesondere auch den Vergleich, wie die beiden klingen. Im Frühling 2016 war ich in einem Musiklager. Neben dem vielen Üben mit dem Waldhorn hatte ich auch Zeit und Gelegenheit, wieder einmal Alphorn zu spielen. Dabei fel mir sehr deutlich auf, wie ähnlich der Klang des Waldhorns und des Alphorns ist. Von nun an war mir klar, dass ich dieser Ähnlichkeit auf den Grund gehen möchte. Ein Vergleich der Klänge ist sehr stark mit physika- lischen Gesetzmässigkeiten verbunden. Somit konnte ich auch ein zweites Fach- und Themengebiet, welches mich sehr anspricht, mit dieser Matura- arbeit verbinden.

185 1. Einleitung

1.1. Ausgangslage und Problemstellung Es gibt sehr viele verschiedene Instrumente auf der ganzen Welt. In dieser Fülle könnte man meinen, jedes töne komplett anders. Es gibt aber trotzdem Instrumente, wie beispielsweise das Waldhorn und das Alphorn, die sehr ähn- lich tönen und für manche Personen vielleicht auch fast gleich. Es sind solche, die sehr nahe miteinander verwandt sind. Ein zweites Beispiel sind die Trom- pete und das Cornet, die auch sehr ähnlich klingen. Auch diese beiden Instru- mente sind sehr nahe miteinander verwandt. Die Frage, warum zwei Instrumente unterschiedlich tönen, ist schnell beant- wortet. Es sind ja logischerweise nicht die gleichen Instrumente und deshalb tönen sie nicht gleich. Dennoch existieren solche, die einen sehr ähnlichen Klang besitzen. Zwei derartige Instrumente sind das Waldhorn und das Alp- horn. Es stellt sich also die Frage, wie man wissenschaftlich beweisen oder feststellen kann, ob zwei Instrumente genau gleich klingen. Denn nur über das Gehör ist es reine Empfndung und Interpretation, ob zwei Instrumente gleich oder ähn- lich tönen. Die wissenschaftliche Arbeit mit der Erstellung von Klangspektren ist eine anerkannte Methode, Töne zweier Instrumente zu vergleichen.

1.2. Ziel der Arbeit Diese Maturaarbeit soll aufzeigen, ob das Waldhorn und das Alphorn gleich, ähnlich oder ganz unterschiedlich klingen. Die Arbeit listet mögliche Gründe auf, wie der Ursprung, die Form und das Material des jeweiligen Instruments den Klang beeinfussen.

1.3. Fragestellungen und Hypothesen In Anlehnung an diese Ziele werden im folgenden Abschnitt konkrete Frage- stellungen und Hypothesen formuliert.

Fragestellungen: – Tönen das Waldhorn und das Alphorn gleich? – Wenn ja, woran kann man das feststellen? – Wenn nein, wo liegen die Gründe für den Unterschied?

186 Hypothesen: – Das Waldhorn und das Alphorn tönen nicht gleich. – Ein Grund ist, dass die beiden Instrumente nicht aus dem gleichen Material hergestellt sind. Sie tönen nur sehr ähnlich, weil sie den gleichen Ursprung haben.

1.4. Methodik Die Grundlagen des geschichtlichen Teils und die Informationen über Herstel- lung und Verwendung des Wald- und Alphorns werden mittels einer Literatur- recherche und eigenem Wissen erarbeitet. Mit den daraus gewonnenen Er- kenntnissen lassen sich vielleicht bereits erste Vermutungen anstellen, ob die beiden Instrumente gleich tönen. Um aber ein aussagekräftiges Resultat zu erhalten, wird eine Klanganalyse durchgeführt. Dazu muss zuerst noch die Theorie zum Thema Schwingungen und Wellen erarbeitet werden. Für die Klanganalyse wird das Computerprogramm Audacity verwendet. Au- dacity ist ein Audioeditor, in dem beliebig viele Tonspuren aufgenommen und bearbeitet werden können. Unter anderem ist ein Tool für die Frequenzanalyse vorhanden. Mit Hilfe dieses Tools und des Wertes der Grundfrequenz vom gemessenen Ton, lassen sich auch die Frequenzen der Obertöne berechnen. Mit den gewonnenen Werten werden in einer Excel-Tabelle Klangspektren für jeden gemessenen Ton erstellt. Dazu werden die Intensitäten des Grundtons und die dazugehörenden Obertöne in einem Diagramm dargestellt. Die Klang- spektren werden auf beiden Instrumenten für die gleichen Töne erstellt und anschliessend verglichen. Allfällige Nichtübereinstimmungen werden disku- tiert und Gründe dafür gesucht. Da meine Kenntnisse beim Alphorn nicht ganz so gross sind wie beim Wald- horn, wird ein Besuch in einer Alphornwerkstatt in Habkern organisiert. Das Ziel ist es, weitere Informationen über die Herstellung eines Alphorns zu gewinnen.

2. Das Waldhorn

2.1. Entstehungsgeschichte Die ersten Hörner gab es bereits bei den Griechen (ca. 2000 bis 1500 v. Chr.). Es ist jedoch falsch, wenn man sich ein Horn in der heutigen kreisrunden Form vorstellt. Viel mehr waren es Tierhörner, die man als Signalhörner verwendete.

187 Aus der Mythologie kennt man das Schneckenhorn, das sogenannte Triton, welches der Sohn des Meeresgottes Poseidon blies. Im Verlaufe der Zeit wurden immer kunstvollere und auch etwas bessere Signalhörner hergestellt. Allen voran gestalteten die Römer kunstvoll verzierte Instrumente. In der Blütezeit des Römischen Reiches wurden sogenannte Cornu als Signalhörner verwendet. Diese Art von Signalhorn hatte bereits eine kreisrunde Form und war aus einem ganz dünnen Bronzerohr hergestellt.

Abbildung 1: Schneckenhorn aus der Höhle von Marsoulas. (Didier Descouens, Wikipedia)

Aus dem 10. Jahrhundert kennt man den Olifanten. Dies ist ein sehr wertvoller und äusserst kunstvoll verzierter Stosszahn eines Elefanten. Die Olifanten dienten als Jagdhörner und waren ausschliesslich dem Adel vorbehalten. Um sie als sichtbares Symbol des Adels zu zeigen, wurden die Olifanten recht häu- fg nur mitgetragen, statt sie wirklich zu gebrauchen. Andere Hörner hingegen wurden mehrmals täglich benutzt, zum Beispiel die Signalhörner der Nacht- wächter auf den Türmen der Stadt oder diejenigen der Feuerwehrmänner.

188 Im 12. Jahrhundert gab es kleine, aus Metall hergestellte Hörner, die zu einem Kreis gewunden waren. Diese Hörner fanden auch in der Jagd eine verbreitete Verwendung. Deshalb wurden sie auch Jägerhörner genannt.

Zusammen mit diesen Jägerhörnern entstanden auch sogenannte Jagdlehrbü- cher. In ihnen wurden die wichtigsten Momente und Situationen der dama- ligen Jagd in Versen und Holzschnitten 1 dargestellt. Zu jeder Situation gab es ganz bestimmte rhythmische Tonfolgen mit der dazugehörigen Tonlänge und Tonhöhe. Man kann diese Tonfolgen mit den heute bekannten Morsezeichen vergleichen. Eines der bekanntesten und deshalb auch bedeutendsten Jagd- büchlein war das «Trésor de Vénerie» von Hardouin de Fontaines-Guérin 2 von 1394.

Es lässt sich sagen, dass überall dort, wo der Mensch lebte, das Horn erfunden worden sein kann. Ausserdem hatten die verschiedenen Kulturen, vermutlich ohne voneinander zu wissen, das Horn neu erfunden, verbessert und weiter- entwickelt. Es ist also so, dass man keiner speziellen Kultur, Person und keinem Ort die Ersterfndung zuschreiben kann. Über die Weiterentwicklung weiss man, dass diese von Ort zu Ort unterschiedlich vonstattenging. Es brauchte Jahrhunderte, um das eintonige und primitive Signalhorn zu verbessern und es auf ein höheres Niveau zu heben, damit schliesslich das mehrtonige Jagd- und Waldhorn entstand. Dies gelang erst durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse und neu erwor- bene Handarbeitstechniken. Zum einen war dies die Entdeckung der Naturton- reihe und zum anderen das neue Verfahren, um lange Metallrohre herzustel- len und in beliebige Formen biegen zu können. Im 17. Jahrhundert waren die sogenannten Parforcehörner weit verbreitet. Dank der neu gefundenen Techniken konnten diese Hörner hergestellt wer- den. Sie bestanden aus einem einmal gewundenen, sehr dünnen Metall- rohr, das sich gegen Ende sehr stark öffnet. Mit ihnen konnte man bereits

1 Ein Holzschnitt ist ein Hochdruckverfahren, bei dem eine reliefartige Holzplatte verwendet wird, um Grafken abzubilden. (Quelle: Wikipedia)

2 Hardouin de Fontaines-Guérin war ein französischer Pferdeknecht, welcher 1399 verstarb. (Quelle: Wikipedia)

189 Oktav- und Quintsprünge machen. Man musste den Grundton überblasen 3, damit man die Oktave und die Quinte erreichte. Das einwindige Parforce- oder Jagdhorn war so weit gewunden, dass es sich ein Jäger bequem über die Schultern streifen konnte. Einen grossen Nachteil hatten diese Parforcehörner allerdings. Im Orchester war dieses Horn viel zu gross und zu unhandlich.

Abbildung 4: Parforcehorn (Foto: Gisela Straub)

Anfangs des 18. Jahrhunderts gelang es den Instrumentenbauern, die Grösse des Parforcehorns deutlich zu reduzieren. Sie bauten die Hörner nun mit zwei- einhalb Windungen, was zur Folge hatte, dass der Durchmesser der Win- dungen halbiert werden konnte. Dies war jedoch nicht die einzige Verände- rung. Auch die Form des Rohrlaufes änderte sich deutlich. Das sehr eng ge- wundene Rohr des Parforcehorns wurde vor allem im Endlauf sehr viel ko- nischer, um so in einen wesentlich grösseren Schallbecher auszulaufen. Mit diesen Veränderungen gelang die Weiterentwicklung vom Jagdhorn zum Waldhorn. Die kreisrunde Form wurde beibehalten.

Man wusste bereits sehr früh, dass ein längeres Rohr das Instrument tiefer klingen lässt und ein kürzeres Rohr höher klingt. Ab 1750 hatte man deshalb die Waldhörner mit sogenannten Aufsatzbögen ausgerüstet, mit denen man die Grundstimmung des Instruments vertiefen oder erhöhen konnte. Zu

3 Beim Überblasen wird entweder die Lippenspannung erhöht, oder es wird mehr Luft ausgestossen. In beiden Fällen wird die Schwingung der Lippen erhöht und es entsteht ein höherer Ton.

190 dieser Zeit war der Klang der Hörner sehr grell und schmetternd. Aber mit dem Ende der Generalbassepoche 4 (1600 n. Chr. bis 1750 n. Chr.) wurde von den Hornisten auch verlangt, dass sie weiche und runde Töne spielen konnten. Die Komponisten strebten immer mehr nach Leichtigkeit in ihren Werken. So war es schliesslich Anton Hampel, der mit dem Einführen der Hand in den Schallbecher des Waldhorns den charakteristischen, warmen und dunklen Klang des Horns erzeugen konnte. Denn durch die Hand im Schallbecher wird der Klang entscheidend gedämpft. Auch der Wechsel des Mundstücks hatte einen grossen Einfuss auf den Klang des Waldhorns. Vor dem Wechsel wur- den zum Spielen Kesselmundstücke verwendet. Diese haben die Form einer Halbkugel. Sie erleichterten die Ansprache in der Höhe und begünstigten das Erzeugen von scharfen und hellen Tönen, weil mehr Obertöne mitschwingen. Mit dem Wechsel auf das Trichtermundstück konnten die Töne viel weicher angestossen werden, und es entstand der weiche und warme Klang des Wald- horns. Trichtermundstücke entwickeln weniger Obertöne, weil sich die Schall- wellen durch die trichterförmige Innenform weniger ausbreiten können. Es war auch Hampel, der zusammen mit einem Dresdner Instrumentenbauer das Waldhorn so veränderte, dass die Aufsatzbögen nicht mehr auf das Mundrohr aufgesetzt wurden, sondern inmitten des Horns eingebaut wurden. Das ganze Instrument wurde dadurch viel ansehnlicher. Damit war zugleich auch der Hauptstimmzug geschaffen worden, der bis heute von grosser Be- deutung ist und dazu dient, kleine Stimmungsunterschiede auszugleichen. Dieser Hauptstimmzug wurde Inventionszug genannt, und deshalb wurden auch die Hörner, die mit einem solchen Zug ausgestattet waren, damals Inven- tionshörner genannt. Mit seinen brillanten Ideen und Erfndungen galt Anton Joseph Hampel fortan als Begründer und Erfnder des Waldhorns. Die letzte und wohl entscheidendste Erfndung in der Geschichte des Horns war diejenige des Ventils. Dem Hornisten und Mechaniker Heinrich Stölzel gelang es mit einem einfachen Mechanismus, fast alle Töne der chromatischen Tonleiter zu erzeugen. Zunächst hatten die Hörner nur zwei Ventile. Der Instru- mentenbauer Christian Friedrich Sattler fügte schliesslich 1819 noch ein drittes Ventil hinzu und konnte so auch die letzten Lücken in der Tonleiter schliessen.

4 Der Generalbass bildet die Struktur in der Musik während der Barockzeit. Aus diesem Grund wird diese Epoche auch Generalbassepoche genannt. Der Generalbass ist ein fortlaufender und ununterbrochener Bass (Basso continuo). Zu diesem Bass werden in den Mittelstimmen Improvisationen gespielt. (vgl. Musik Sekundarstufe 2, 2012, S. 170)

191 Ausserdem verlegte er die Mechanik von der rechten auf die linke Seite. So konnte man gleichzeitig das Horn halten und mit den drei mittleren Fingern der linken Hand die drei Ventile bedienen. Durch diese Veränderung hatte man schliesslich auch die rechte Hand frei, um im Becher wieder zu «stopfen», um kleinere Stimmungskorrekturen vorzunehmen. Das erreicht man, indem man mit der Hand die Öffnung mehr oder weniger verschliesst.

Bis sich diese Ventilhörner aber komplett durchsetzen konnten, dauerte es noch längere Zeit. Denn durch die Ventile verlor man auch ein bisschen vom sehr dunkeln und dumpfen Klang des Naturhorns, der bis anhin vertraut war. Ausserdem hatte das Ventilhorn keine Aufsatzbögen mehr, und die Hornisten waren von nun an zum Transponieren gezwungen. Da die neuen Waldhörner F-Hörner sind, konnten die Hornisten bei einem Stück, das z. B. in der Tonart Es-Dur oder Es-Moll geschrieben war, nicht mehr einfach den Es-Bogen auf- setzen um ein Es-Horn zu erhalten. Sie mussten von nun an die notierten Töne einen Ganzton tiefer spielen als notiert. Dies stiess bei vielen Hornisten zu dieser Zeit auf grossen Widerstand. Denn das Transponieren ist nicht ganz einfach, und man lernte diese Technik nicht einfach über Nacht.

Abbildung 5: Alexander Waldhorn (Foto: Till Aerni)

192 2.2. Herstellung Früher wurden die zu biegenden Rohre für Blechblasinstrumente wie das Waldhorn mit Blei gefüllt, damit sie beim anschliessenden Biegen ihre hohle Form nicht verloren und nicht zerdrückt wurden. Mit geeignetem Werkzeug wie z. B. einem Holzstab wurden sie danach geglättet. Nach diesem Vorgang wurde das Blei restlos entfernt. Grosse Blechstücke und konisch verlaufende Rohre wurden mit entsprechendem Werkzeug in die gewünschte Form ge- bracht. Die fertigen Stücke mussten anschliessend zusammengelötet werden. Die verschiedenen Rohre waren nicht alle genau gleich, da sie alle von Hand hergestellt wurden. Diese Methode mit füssigem Blei wird aber heute nicht mehr verwendet, weil die Bleidämpfe äusserst giftig und für den Menschen sehr schädlich sind. Dank technologischem Fortschritt konnte im Instrumentenbau viel mechani- siert werden. So werden heute einfache Rohrstücke komplett maschinell ge- bogen, und sie sind nahtlos. Das benötigte Blech für die Schallbecher wird ausgestanzt und dann mit einer Presse auf einer harten Stahlform, die Futter genannt wird, in Form gedrückt. Die einzelnen Rohrstücke werden mit Lötzinn zusammengelötet. Sind alle Teile fertig zusammengelötet, wird das ganze Instrument geputzt und poliert. Anschliessend werden die Züge und Ventile eingepasst. Zum Schluss wird das Instrument noch lackiert, versilbert oder vergoldet. Dies dient als Schutz. Als letzter Schritt wird das Instrument probegespielt, bevor es verkauft werden kann. Dabei wird kontrolliert, ob die ganze Mechanik auch funktio- niert. Zu diesem Zeitpunkt könnten noch letzte Einstellungen und Korrekturen vor- genommen werden, falls etwas klemmt. Nach dem Einspielen kommt das fer- tige Instrument in den Verkauf. Die Mechanisierung des Instrumentenbaus hat einen grossen Vorteil. Die ma- schinell angefertigten Stücke sind alle genau gleich. So können kleine Unter- schiede in den Rohren vermieden werden, die früher durch die Handarbeit entstanden waren. Mechanisch hergestellte Teile haben zudem den Vorteil, dass sie beliebig ausgeweitet und verändert werden können.

(vgl. Artikel «Blechblasinstrument», Wikipedia)

193 3. Das Alphorn

3.1. Entstehungsgeschichte Die Entstehungsgeschichte des Alphorns ist ganz zu Beginn sehr ähnlich wie diejenige des Waldhorns. Die Menschen entdeckten, dass man mit einfachen Gegenständen wie einem Schneckenhaus oder einem Tierhorn einen Ton er- zeugen kann. Es wurden dann auch ziemlich früh erste Instrumente aus Holz gefertigt, die wie bei den Waldhornvorläufern als einfache Signalhörner dienten. Es gibt zahlreiche Instrumente, die aus heutiger Sicht durchaus als sehr frühe Verwandte des hölzernen Alphorns gesehen werden können. Dies sind zum Beispiel das Terrakottahorn, verschiedene Tierhörner, Luren (meist aus Bronze) und Hifthörner (ursprünglich aus Rinderhorn, später aus Metall).

Abbildung 6: Zwei Luren aus Brudevælte, Dänemark (Foto: Wikipedia)

In ganz Europa gibt es viele Hinweise darauf, wo und wie sich das Alphorn entwickelt haben könnte. Leider ist keiner dieser Hinweise auch ein Beweis, weil vieles nur Vermutungen sind. Fest steht, dass es ziemlich falsch wäre zu behaupten, dass das Alphorn nur in der Schweiz seinen Ursprung hatte. Denn dafür hat man zu viele ähnliche Instrumente in ganz Europa gefunden. Ab dem 17. Jahrhundert wird die Entstehungsgeschichte des Alphorns we- sentlich klarer. Es gibt ab dieser Zeit viele Geschichten und Sagen rund um das Alphorn. Aus diesen Geschichten kann man entnehmen, dass das Instrument meistens aus Holz gefertigt war. Ausserdem wurde es überall als Alp- oder Hirtenhorn bezeichnet. Die Bezeichnung des Alphorns als Hirtenhorn kommt daher, dass es früher die Hirten verwendeten um ihr Vieh zu lenken, anzulo- cken oder zu beruhigen, damit man es gut melken konnte.

194 Das Hirtenhorn wurde ebenfalls als Signalinstrument verwendet. So konnten die Hirten in den Alpentälern mit gegenseitigen Signaltönen z. B. auf dro- hende Gefahren hinweisen. In Bergtälern wie z. B. im Wallis, im Berner Ober- land und in der Innerschweiz wurde diese gegenseitige Verständigung prakti- ziert. Je nach Landschaft kann man ein Alphorn fünf bis zehn Kilometer weit hören. Um 1860 hatten die Alphörner in der Schweiz bloss eine Länge von 1,4 Metern, und sie waren somit ziemlich kurz. Vermutlich war es eher unprak- tisch, mit einem drei Meter langen Alphorn durch die Berge zu wandern. Die kurzen Hörner hatten zudem den Nachteil, dass sie, bedingt durch ihre Kürze, nur wenige Naturtöne spielen konnten. Deshalb konnte man auf ihnen nur einfache Signaltöne spielen und keine komplexen Melodien blasen. Vom Schicksal des Aussterbens war das Alphorn auch in der Schweiz betrof- fen, nämlich zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Von vielen Seiten wurde das Aussterben als Verlust eines charakteristischen Instruments bezeichnet. Erst mit privaten und staatlichen Mitteln konnte das komplette Verschwinden des Alphorns verhindert werden. Von diversen wohlhabenden privaten Personen aus städtischen Regionen wurden Alphörner gratis zur Verfügung gestellt mit der Bedingung, dass die Spieler sie in der Freizeit im Freien viel benutzten. Mit dem Aufkommen der Reiselust in die Schweizer Alpen Mitte des 19. Jahrhun- derts wurde auch das Alphorn europaweit bekannt, und es erhielt den Status eines Symbols der ländlichen Idylle. An den touristisch beliebten und interessanten Stellen wie z. B. im Berner Oberland auf der Kleinen Scheidegg bei Grindelwald BE oder auf der Heim- wehfuh bei Interlaken BE entstanden Blasstationen. Die Funktion des Alp- horns wandelte sich durch das Bekanntwerden in ganz Europa von einem Arbeitsinstrument der Hirten (Hirtenhorn) zu einem Schaustück der Schweiz. In dieser Zeit erlebte das Alphorn eine Blütezeit. Doch diese endete ziemlich abrupt, als sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Klappen und Ventile bei den Blasinstrumenten etablierten. Es setzte eine rasante Entwicklung bei den Blech- und Holzblasinstrumenten ein. Die Naturinstrumente wie das Alphorn blieben jedoch auf ihrem alten Stand der Entwicklung stehen. Beim Alphorn gab und gibt es keine Möglichkeit, das Rohr durch Ventile und Züge fexibel zu verlängern. Es ist somit automatisch an die Töne der Naturtonreihe (vgl. Kap. 3.2) gebunden. Dieser Umstand führte unmittelbar zu einem grossen Rück- gang in der Verbreitung. Das Alphorn drohte nach 1800 zum zweiten Mal in Vergessenheit zu geraten.

195 Doch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entdeckten viele Firmen und vor allem das Tourismusgewerbe das Alphorn als sehr gut geeignetes Werbe- mittel. Und so erlebte das Alphorn einen zweiten Aufschwung. Mit diesem Schritt vollbrachte das Alphorn die Wandlung vom Lockinstrument für Tiere der Hirten zu einem solchen für Touristen endgültig. Es wird aber auch heute noch die traditionelle Seite des Alphorns gepfegt. So auch am Sonntag, 7. August 2016, als auf dem Männlichen BE das 7. Alphorntreffen mit 110 Alphornbläsern stattfand.

Abbildung 7: Alphornspieler beim Alphorntreffen 2016 auf dem Männlichen BE (Foto: Anne-Marie Günter)

3.2. Naturtonreihe Ein Naturton ist ein Ton, der ohne Veränderung des Schallrohres eines Instru- ments anspielbar ist. Das bedeutet, dass beim Spielen kein Ventil gedrückt wird. Auf jedem Blasinstrument gibt es dadurch auch eine Naturtonreihe. Wird also ein Naturton gespielt, so schwingen in ganzen Vielfachen der Frequenz des Naturtons auch seine Obertöne mit. Diese Obertöne bilden dann gleich- zeitig auch die Naturtonreihe.

3.3. Herstellung Wenn man ein Alphorn sieht und hört, kann man sich wahrscheinlich nicht so genau vorstellen, welcher Herstellungsprozess dahintersteckt. Bis ein Stück Holz aber die Form eines gut tönenden Alphorns hat und daraus ein spielbares Instrument geworden ist, braucht es doch ein grosses Wissen, um dies zu realisieren.

196 Früher schnitten Hirten und Alphornbauer eine am Hang krumm gewachsene junge Tanne ab und höhlten diese aus. Der mühsame Vorgang des Aushöhlens wurde aber schon bald einmal vereinfacht. Man schnitt den Baum der Länge nach auf und konnte so die beiden Hälften leichter aushöhlen. Anschliessend wurden die beiden Hälften wieder zusammengeklebt. Für das Umwickeln des Rohres verwendete man früher Wurzeln und kleine Äste. Dies alles sind jedoch vergangene Zeiten. Heute braucht man keine krummen Bäume und keine Wurzeln mehr. Erst mit modernen, computergesteuerten Fräsen konnte man qualitativ gute Alphörner herstellen. Dies ist allerdings nicht der wichtigste Faktor im Alphorn- bau. Der wichtigste und alles entscheidende Faktor ist die Beschaffenheit des Holzes, aus dem das Alphorn gebaut wird. Das Fichtenholz darf nicht an einem zu trockenen Ort wachsen, denn sonst hat die Fichte zu wenig Wasser und kann nicht regelmässig wachsen. Die Unregelmässigkeiten im Wachstum sind später in einer starken Faserabweichung des Holzes sichtbar. Die Maserung des Holzes ist dadurch nicht schön linear, wie es gewünscht ist, sondern äus- serst unregelmässig. Dies könnte dazu führen, dass sich das Holz später spal- tet. Man nennt die Faserabweichung in der Fachsprache Krummschäftigkeit 5, die unter Alphornbauern auch «Buchs» genannt wird. «Buchs» kann nicht nur durch Wassermangel zustande kommen, sondern auch dann, wenn der Hang, an dem die Fichte wuchs, sich stark bewegte, und die Fichte gegen diese Be- wegung ankämpfen musste. Starke Hangbewegung passiert beispielsweise bei Hangrutschen. Auch grosse Schneelast kann die Wachstumsrichtung der Fichte beeinträchtigen. Es sind also Störfaktoren während des Wachstums der Fichte, die zu dieser Krummschäftigkeit führen.

Abbildung 8: Krummschäftigkeit im Holz, auch genannt «Buchs» (Foto: Till Aerni)

5 vgl. Artikel «Holzfehler», Wikipedia

197 Die Fichten werden um den kürzesten Tag des Jahres gefällt, weil sich zu diesem Zeitpunkt der ganze Saft nicht in den Nadeln, sondern im Wurzel- stock befndet. Dadurch ist das Holz sehr trocken und spaltet sich später nicht. Die gefällten Fichten werden anschliessend bis nach Ostern im Wald liegen gelassen, weil mit der nochmals stattfndenden Nadelbildung im Früh- ling noch der restliche Saft aus dem Holz entweicht und sich in den frischen Nadeln ansammelt. Schliesslich werden die Tannen entastet und in die Säge- rei transportiert. Dort werden sie auf die richtige Grösse, Dicke und Länge zugeschnitten und dann als Bretter je nach Dicke zwischen drei und maximal sechs Jahren gelagert. Die gelagerten Bretter werden zur Verarbeitung in die Werkstatt gebracht. Dort wird als erstes die Innenform der drei oder vier Rohrstücke und des Schall- bechers mit Hilfe einer CNC-Maschine aus den Brettern gefräst. Die Innenform muss sehr fein und glatt sein, damit am Schluss der Ton gut anspricht. Man fräst längs an zwei Rohrhälften, die anschliessend zusammengeklebt werden. Eine CNC-Maschine ermöglicht es, sehr präzise zu arbeiten und garantiert, dass jedes Stück genau gleich gefräst wird.

Abbildung 9: Ausfräsen der Innenform eines Alphornschallbechers mit einer CNC-Fräse (Foto: Till Aerni)

198 Sind alle Teilstücke fertig ausgefräst, werden die Hälften zusammengeklebt, und danach wird die Aussenform auf der Drehbank gefräst und gehobelt. Der Schallbecher wird an das letzte Teilstück des Rohres geklebt. Die Form des Schallbechers hat sehr viel Einfuss auf den späteren Klang des Alphorns. Je grösser und weiter der Becher, desto lauter und voller klingt das Alphorn. Die drei oder vier Teilstücke werden alle mit einer Buchse versehen, damit man sie später auseinandernehmen und wieder zusammenstecken kann. Dadurch kann sehr viel Lagerplatz gespart werden, und das Alphorn kann ausserdem viel praktischer transportiert werden. Die Innenseite des Alphorns wird zum Schluss noch mit einem Öl überzogen. Das Öl verschliesst die Poren im Holz und verhindert so, dass beim späteren Spielen das entstehende Kondenswasser ins Holz eindringen kann. Eindrin- gendes Kondenswasser kann dazu führen, dass das Alphorn in wenigen Jah- ren fault und schimmelt. Schliesslich müsste man das Alphorn wegwerfen, weil es nicht mehr spielbar ist. Sind all diese Schritte vollzogen, kann man das Alphorn bereits spielen. Es gibt jedoch noch die Möglichkeit, das Instrument mit Peddigrohr 6 zu umwickeln. Die Wicklung des Alphorns hat einen äusserst entscheidenden Einfuss auf den Klang des Alphorns. Ein ungewickeltes Alp- horn spricht viel leichter an als ein gewickeltes. Ein gewickeltes Alphorn hat jedoch den volleren Klang, weil es durch die Wicklung mehr Stabilität be- kommt.

Abbildung 10: Peddigrohr zum Umwickeln des Alphorns (Foto: Till Aerni)

6 Peddigrohr ist ein Bestandteil des Stammes der Rattanpalme. Als Rattanpalme oder Rotangpalme werden meist kletternd wachsende Vertreter der Gattung der Palmengewächse bezeichnet. (vgl. Artikel «Rattanpalme», Wikipedia)

199 Der letzte Schritt ist die Herstellung eines Holzringes aus Eichenholz, der den Abschluss des Schallbechers bildet. Dieser Ring dient als Schutz, denn Eichenholz ist sehr hart und schützt so das weiche Fichtenholz vor Schäden, falls man irgendwo anstossen sollte. Nun ist das Alphorn endgültig fertig. Obwohl das Alphorn komplett aus Holz gefertigt ist, gehört es in die Familie der Blechblasinstrumente. Der Grund dafür liegt in der Art und Weise, wie der Ton erzeugt wird. Wie bei allen anderen Blechblasinstrumenten wird er näm- lich mit einem Kessel- oder Trichtermundstück erzeugt (vgl. Kapitel 4.1.1).

(Informationen aus einem Gespräch mit Herrn Heinz Tschiemer)

3.4. Verwendung Wie bereits im Kapitel der Entstehungsgeschichte erwähnt, hat sich das ur- sprüngliche Alphorn von einem Lockinstrument für Tiere zu einer Touristenat- traktion gewandelt. Es ist heute nicht erstaunlich, dass man in China Werbung für die Schweiz fndet, auf der das Alphorn abgebildet ist. Sobald die Men- schen in Asien und der ganzen Welt ein Alphorn sehen oder hören, verbinden sie das unmittelbar mit der Schweiz. Somit ist das Alphorn wieder zu einem Lockinstrument geworden. Eines für Touristen. (vgl. Das Alphorn in der Schweiz, 1992, S. 17–27)

4. Klanganalyse

In diesem Kapitel wird der praktische Teil der Maturaarbeit behandelt. Für die Klanganalyse werden die Klangspektren von verschiedenen Tönen untersucht.

4.1. Theorie Bevor die Klanganalyse durchgeführt werden konnte, mussten die Theorie rund um das Thema Klang bekannt sein und einige wichtige Begriffe erklärt werden. Im Schulunterricht wurde im Grundlagenfach Physik das Kapitel «Schwingungen und Wellen» vor den Sommerferien noch behandelt. Dadurch konnten viele Informationen für diese Maturaarbeit verwendet werden und mussten nicht weiter recherchiert werden.

200 4.1.1. Entstehung eines Tons bei Blechblasinstrumenten Zunächst einmal muss man wissen, wie ein Ton entsteht. Die Tonerzeugung beim Wald- und Alphorn entspricht derjenigen aller anderen Blechblasinstru- mente. Beim Ausatmen der Luft werden die gespannten Lippen in Schwin- gung versetzt. Die Lippen schwingen hin und her, auf und ab. Das Mundstück überträgt die Schwingungen der Lippen auf die Luftsäule im Instrument. Durch die Lippenschwingungen wird die Luftsäule periodisch unterbrochen. Es entstehen so Zonen der Luftverdichtung und der Luftverdünnung. Mit dem Verdichten und dem anschliessenden Verdünnen bilden sich sogenannte Longitudinalwellen. Man kann sich diese Wellen wie eine Handorgel vorstel- len, die man aufzieht und wieder zusammendrückt. Beim Aufziehen ist eine Phase der Luftverdünnung und beim Zusammendrücken eine Phase der Luft- verdichtung in der Longitudinalwelle erkennbar (vgl. Abb. 11). Die Schwin- gungsrichtung liegt parallel zur Ausbreitungsrichtung.

Abbildung 11: Visualisierung einer Longitudinalwelle

Diese Longitudinalwellen eines Tons gelangen als Schallwellen zum menschli- chen Ohr. Wenn sie dort ankommen, versetzen sie das Trommelfell in Schwin- gung. Die Frequenz, mit der das Trommelfell schwingt, wird über die drei Knochen Hammer, Ambos und Steigbügel an die Gehörschnecke weitergelei- tet. Dort wird die Schwingung in Nervenimpulse umgewandelt, die an das Hirn weitergeleitet werden. Schliesslich nehmen wir einen bestimmten Klang wahr.

201 4.1.2. Schwingung und Frequenz Bei den Erklärungen im Kapitel 4.1.1 sind mehrere wichtige Begriffe aufge- taucht. Einer dieser Begriffe ist die Schwingung. Die wohl bekannteste Schwin- gung ist diejenige einer Kinderschaukel. Wenn sich ein Körper zwischen zwei Umkehrpunkten hin und her bewegt, dann vollbringt er Schwingungen. Bei einem Blechblasinstrument macht nicht das Instrument die Schwingung, son- dern die sich darin befndende Luftsäule wird in Schwingung versetzt. Das Instrument selber dient lediglich als Resonanzkörper, der die Schwingung der Luftsäule verstärkt. Die Frequenz einer Schwingung beschreibt, wie viele volle Schwingungen ein Körper in einer Minute vollbringt. Im Zusammenhang mit der Frequenz gibt es noch eine wichtige Erscheinung. Wenn die Frequenz verdoppelt wird, so ist der neue hörbare Ton die Oktave zum vorherigen. Das hat wiederum einen Einfuss auf die Wellenlänge 7, die beim Spielen einer Oktave halbiert wird. Bei einem Blechblasinstrument wird für eine Oktave die Wellenlänge durch Über- blasen (vgl. S. 190, Fussnote 3) halbiert. In diesem Fall schwingt die Luftsäule in zwei Wellenlängen, also in doppelt so vielen wie beim Ausgangston. Eine wei- tere Oktave ergibt somit nochmals eine Verdoppelung, also vier Wellenlängen. Die Wellenlänge hängt direkt zusammen mit der Frequenz. Eine Halbierung der Wellenlänge führt zu einer Verdoppelung der Frequenz. Die Frequenz bestimmt also auch automatisch die Tonhöhe.

4.1.3. Fourier-Analyse Für diese Maturaarbeit werden die Klangspektren mit Hilfe der Fourier-Analyse erstellt. Jedes periodische Signal (vgl. Abb. 12) lässt sich als eine Funktion f(t) in Abhängigkeit der Zeit t beschreiben. Dabei wiederholt sich das gleiche Muster der Funktion f(t) immer wieder nach der Periodendauer T. Joseph Fourier 8 postulierte in seiner Arbeit, dass sich f(t) aus periodischen, harmo- nischen Schwingungen 9, also Sinus- oder Kosinus Funktionen, verschiedener

7 Eine Wellenlänge ist der Abstand von einer Phase der Verdichtung in der Luft bis zur nächsten Verdichtungsphase (vgl. Abb. 11). 8 Jean-Baptiste Baron de Fourier war ein französischer Physiker und Mathematiker, der von 1768 bis 1830 lebte (vgl. Physik für Mittelschulen, 2010, S. 313). 9 Eine harmonische Schwingung ist eine regelmässige Schwingung; d.h. der Zeitabstand zwischen zwei Schwingungen ist immer derselbe (vgl. Artikel «Schwingung», Wikipedia).

202 Abbildung 12: Periodisches Signal (x-Achse = Zeit, y-Achse = Auslenkung)

Phase und Amplitude und genau defnierter Frequenz zusammensetzen lässt. Weiter sind laut Fourier die Frequenzen der Obertöne immer ganze Vielfache zu der Frequenz des Grundtons. Kennt man also die Frequenz des Grundtons, lässt sich auf die Frequenzen der Obertöne schliessen.

f0 = a0 · sin (2 · π · f · t) (Grundton) f1 = a1 · sin (2 · π · 2 · f · t) (1. Oberton) f2 = a2 · sin (2 · π · 3 · f · t) (2. Oberton) fn = an · sin (2 · π · n · f · t) (n-ter Oberton) a = Intensität des Tons; f = Frequenz (Hz); t = Zeit; n = Nummer des Obertons

Diese Formeln 10 für die Obertöne können beliebig erweitert werden. Damit man nun aus all den einzelnen Sinusschwingungen wieder das periodische Signal f(t) erhält, werden die einzelnen harmonischen Schwingungen addiert.

f(t) = f0 + f1 + f2 + … + fn

4.1.4. Klangspektrum Wenn die Frequenz eines Klangs gemessen wird, so wird immer die Grundfre- quenz (f0) angegeben. Diese bestimmt die Tonhöhe des Grundtons. Zu diesem Grundton schwingen immer sogenannte Obertöne mit. Die Obertöne sind mitklingende Töne und verleihen dem Instrument die charakteristische Klang- farbe.

10 Formel für harmonische Schwingung (vgl. Fundamentum Mathematik und Physik, 2011, S. 88)

203 Der Klang eines Instruments setzt sich also aus den Grundtönen und deren Obertönen zusammen. Man kann die Intensität jedes einzelnen Obertons dank der Fourier-Analyse (vgl. Kap. 4.1.3) berechnen und in einem sogenann- ten Klangspektrum darstellen. Anhand von diesen Klangspektren kann festge- stellt werden, ob der gleiche Ton auf dem Waldhorn, wie auf dem Alphorn gleich tönt.

4.2. Vorgehen Mit Hilfe des Computerprogramms Audacity konnten nun die Messungen ge- startet werden. Als erstes wurden alle Naturtöne vom Cis bis zum es", die auf dem Alphorn spielbar sind, gemessen. Dies sind insgesamt acht Töne (Cis, Gis, cis', f', gis', b', cis" und es"). Damit die Messwerte vom Wald- und Alphorn vergleichbar sind, mussten auf dem Waldhorn die gleichen Töne gemessen werden. Beim Waldhorn gibt es mit der Ventilkombination zwei und drei die Möglichkeit, alle Alphorntöne ebenfalls spielen zu können. Somit konnte sichergestellt werden, dass bei beiden Instrumenten die gleichen Töne gemes- sen wurden. Es wurden mit einem Mikrofon mehrere Messungen für die einzelnen Töne gemacht. Diese Messungen stellten gewisse Herausforderungen dar. Es musste darauf geachtet werden, dass über eine gewisse Zeitspanne eine konstante Luftmenge foss. Wurde zu viel Luft ausgestossen, war der Ton zu hoch, kam zu wenig Luft, war der Ton zu tief. Da der gleiche Ton mehrmals gemessen wurde, musste während den Messungen mit einem Stimmgerät kontrolliert werden, damit der Ton im «grünen Bereich» lag.

Abbildung 13: Tonaufnahme mit dem Mikrofon (Foto: Till Aerni)

204 Nach Beendigung der Tonaufnahmen mussten die Audiodateien von der Speicherkarte des Mikrofons in das Computerprogramm Audacity importiert werden. Dort wurden die aufgenommenen Töne als Tonspuren dargestellt (vgl. Abb. 14).

Abbildung 14: Bildschirmfoto aus Audacity mit Tonspuren vom Ton f' auf dem Waldhorn

Abbildung 15: Bildschirmfoto eines Spektrums aus Audacity nach der Frequenzanalyse

Es konnte nun ein Bereich auf der Tonspur markiert werden und die Frequenz- analyse durchgeführt werden. Dabei wurden alle Frequenzen angezeigt, die bei diesem Ton mitschwangen (vgl. Abb. 15). Wenn man den Cursor über das Spektrum bewegt, werden die einzelnen Töne angezeigt. Also musste nun der gespielte Ton gesucht werden. Wenn er gefunden wurde, konnte man seine

205 Frequenz ablesen und hatte so die Frequenz des Grundtons f0. Die Frequenzen der Obertöne konnten als ganze Vielfache der Grundfrequenz berechnet wer- den. Mit den Werten der Grundfrequenz und den Obertonfrequenzen konn- ten nun Diagramme erstellt werden.

4.3. Vergleich Mit den gesammelten Messdaten wurden die Klangspektren von sechs Tönen bei beiden Instrumenten verglichen. Es wurden diejenigen Töne ausgewählt, die beim Waldhorn und beim Alphorn von der Intonation her gut überein- stimmten. Die Intensität des Grundtons und der Obertöne ist in einem Balken- diagramm dargestellt.

Ton Cis 100

80

60

40 Intensität 20

0 f0 f1 f2 f3 f4 f5 Frequenz Waldhorn Alphorn

Grafk 1: Klangspektren vom Ton Cis auf dem Wald- und Alphorn

In der Grafk 1 ist der Vergleich des Tons Cis zu sehen. Es ist ganz deutlich er- kennbar, dass sowohl beim Waldhorn als auch beim Alphorn die Grundschwin- gung (f0) sowie der erste Oberton (f1) sehr stark ausgeprägt sind. Bei den restlichen Obertönen ist bei beiden Instrumenten ein deutlicher Rückgang in der Intensität sichtbar. Bei diesem Ton ist in beiden Klangspektren (blau und orange) eine Ähnlichkeit sichtbar. Die Intensität der Obertöne nimmt bei bei- den Instrumenten beim zweiten Oberton (f2) deutlich ab. Ausserdem ist der Verlauf der Intensitätsabnahme bei beiden Klangspektren sehr ähnlich.

206 Ton Gis 100

80

60

40 Intensität 20

0 f0 f1 f2 f3 f4 Frequenz Waldhorn Alphorn

Grafk 2: Klangspektren vom Ton Gis auf dem Wald- und Alphorn

Der Vergleich des Tons Gis zwischen Waldhorn und Alphorn ist in der Grafk 2 ersichtlich. Man sieht einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Klangspektren. Beim Waldhorn ist die Grundschwingung (f0) sehr intensiv. Die Obertöne sind jedoch nicht mehr so stark in ihrer Intensität. Das gleiche kann man auch beim Alphorn beobachten. Jedoch ist dort der Unterschied zwi- schen dem Grundton und den Obertönen nicht so extrem wie beim Waldhorn. Auch die Obertöne f3 und f4 sind beim Alphorn deutlich schwächer. Bei die- sem Ton sind also die Grundschwingung sowie der dritte und vierte Oberton für die Unterschiede im Klang verantwortlich.

In der Grafk 3 lässt sich wieder eine gewisse Ähnlichkeit erahnen. Die Intensi- tät ist bei allen Tönen sehr ähnlich. Es ist erkennbar, dass bei beiden Instru- menten beim ersten Oberton (f1) und beim dritten Oberton (f3) die Intensität deutlich zurückgeht. Bei den Klangspektren des Tons f' in der Grafk 4 ist die Abnahme der Intensi- tät beim Wald- und Alphorn sehr ähnlich. Es fällt hier speziell auf, dass die Intensität des Grundtons (f0) beim Alphorn höher ist als beim Waldhorn. Hin- gegen die Obertöne sind in der Intensität wieder schwächer. Es ist also auch hier ein Unterschied im Klang auszumachen.

207 Ton Cis ' 100

80

60

40 Intensität 20

0 f0 f1 f2 f3 f4 f5 Frequenz Waldhorn Alphorn

Grafk 3: Klangspektren vom Ton cis' auf dem Wald- und Alphorn

Ton f ' 80 70 60 50 40 30 Intensität 20 10 0 f0 f1 f2 f3 Frequenz Waldhorn Alphorn

Grafk 4: Klangspektren vom Ton f' auf dem Wald- und Alphorn

Auch bei diesen Klangspektren in der Grafk 5 ist eine Ähnlichkeit zu erkennen. Diese liegt in der Art und Weise, wie die Intensität der Obertöne bei beiden Instrumenten abnimmt. Der erste Oberton (f1) ist bereits deutlich weniger in- tensiv vorhanden als der Grundton (f0). Ausserdem sind der zweite und dritte Oberton (f2 und f3) bei beiden Instrumenten praktisch nicht mehr vorhanden. Es ist aber auch ein deutlicher Unterschied beim ersten Oberton (f1) sichtbar. Dieser ist beim Alphorn deutlich schwächer im Verhältnis zum Waldhorn, wenn man ihn mit den anderen Tönen vergleicht.

208 Ton Cis "

70 60 50 40 30

Intensität 20 10 0 f0 f1 f2 f3 Frequenz Waldhorn Alphorn

Grafk 5: Klangspektren vom Ton cis" auf dem Wald- und Alphorn

Ton es "

70 60 50 40 30

Intensität 20 10 0 f0 f1 f2 f3 Frequenz Waldhorn Alphorn

Grafk 6: Klangspektren vom Ton es" auf dem Wald- und Alphorn

Auch der letzte Vergleich in der Grafk 6 liefert keine neuen Erkenntnisse. Es ist auch bei diesem Ton ersichtlich, dass die Intensität der Obertöne beim Wald- und Alphorn etwa im gleichen Verhältnis abnimmt. Etwas Auffälliges gibt es dennoch zu sehen. Die Obertöne f2 und f3 sind beim Alphorn ausge- prägter als beim Waldhorn. Diesen Unterschied hört man auch im Klang.

209 5. Diskussion der Resultate

5.1. Folgerung aus den Resultaten Aus den im Kapitel 4 hervorgehenden Resultaten lässt sich sagen, dass es zwischen dem Waldhorn und dem Alphorn eine sehr grosse Ähnlichkeit gibt. Es ist nicht eine totale Übereinstimmung, aber es ist dennoch ersichtlich, dass die beiden Instrumente miteinander sehr nahe verwandt sind. Es lässt sich also daraus schliessen, dass die beiden Instrumente trotz ihrer sehr unterschiedlichen Weiterentwicklung immer noch sehr ähnlich klingen. In den einzelnen Klangspektren liegt eine grosse Ähnlichkeit vor und das praktisch bei jedem Ton. Es gibt aber dennoch zwei, drei Unterschiede, die deutlich er- kennbar sind. Einer dieser Unterschiede ist in der Grafk 2 ersichtlich. Der Grundton sowie der dritte und vierte Oberton sind beim Alphorn deutlich schwächer, als dies der erste und zweite Oberton sind. Diesen Unterschied stellt man auch im Klang fest. Ein weiterer Unterschied ist in der Grafk 4 auszumachen. Dort ist der Grundton beim Alphorn intensiver als beim Wald- horn. Die Obertöne sind jedoch bei diesem Ton f' beim Alphorn weniger stark vorhanden als beim Waldhorn. Damit dieser Ton auf beiden Instrumenten gleich wäre, müssten auch die Obertöne beim Alphorn stärker vorhanden sein als beim Waldhorn. Der letzte wichtige Unterschied ist in den Grafken 6 und 7 ersichtlich. Dort sind jeweils der zweite und dritte Oberton beim Alphorn stärker vorhanden als beim Waldhorn. Der Grundton und der erste Oberton sind jedoch beim Waldhorn intensiver. Ich bin der Meinung, dass sich die Ähnlichkeit auf ihren gemeinsamen Ursprung als Signalhorn zurückführen lässt. Es ist gar nicht möglich, dass die beiden Instrumente genau gleich tönen. Das Waldhorn hat sich zu einem sehr komplexen Blechblasinstrument mit Ventilen weiterentwickelt. Das Alphorn hingegen ist ein Naturinstrument geblieben. Die unterschiedliche Entwicklung hat nicht einen so grossen Einfuss auf den Klang, denn auf dem Waldhorn sind immer noch die Naturtöne spielbar, wie dies auf dem Naturhorn, das keine Ventile besitzt, möglich ist. Den viel grösseren Einfuss auf den Klang haben jedoch die Form und das verwendete Baumaterial des jeweiligen Instru- ments. Holz und Messing sind zwei völlig unterschiedliche Materialien mit völ- lig verschiedenen Eigenschaften. Bereits ein kleiner Unterschied im Wuchs des Holzes für das Alphorn kann dazu führen, dass zwei ganz genau gleich herge- stellte Alphörner verschieden tönen. Dies ist auch beim Waldhorn der Fall. Es gibt kein Instrument, welches genau gleich wie ein zweites tönt, auch wenn

210 sie genau gleich hergestellt worden sind. Selbst eine Lackschicht kann den Klang des Waldhorns beeinfussen. So ist es auch beim Alphorn, bei dem die Umwicklung mit Peddigrohr den Klang merklich verändern kann. Bereits diese Unterschiede führen dazu, dass das Wald- und Alphorn nicht gleich klingen. Es ist dennoch erstaunlich, dass trotz der Unterschiede zwischen dem Wald- horn und dem Alphorn eine so grosse Ähnlichkeit im Klang besteht. Die Klang- analyse bestätigt also auch meine eigene Wahrnehmung, dass zwischen einem Wald- und Alphorn eine grosse Ähnlichkeit im Klang besteht.

5.2. Genauigkeit der Resultate Damit bei den Tonaufnahmen für die Analyse keine Fehler auftraten, wurden für jeden Ton drei Messungen durgeführt. Bei der anschliessenden Auswer- tung im Klangspektrum gab es bei keinem Ton gravierende Abweichungen. Der Fehlerindex beträgt überall ± 5. Auch die Frequenzen der Obertöne sind sehr genau, denn mit der Kenntnis der Frequenz des Grundtons mussten für die Obertöne nur deren ganze Vielfache berechnet werden und im Spektrum abgelesen werden.

5.3. Klärung der Forschungsfragen Alle Forschungsfragen wurden geklärt: Wie in der anfangs gestellten Hypothese angenommen, klingen das Waldhorn und das Alphorn nicht gleich. Die Vermutung, dass die wichtigsten und einfussreichsten Unterschiede im Klang durch die Form und das verwendete Material des jeweiligen Instruments entstehen, wurde anhand der Klangspektren klar bestätigt. Messing beim Waldhorn und Holz beim Alphorn sind so verschieden, dass sie den grössten Einfuss auf den Klang der beiden Instrumente haben. Verdeutlicht wird dies mit der Aussage von Herrn Heinz Tschiemer, dass bereits kleine Abweichungen in der Holzfaserung dazu führen, dass ein Alphorn anders klingt. Bei meinem Besuch in der Alphornwerkstatt in Habkern BE habe ich dieses beim Spielen auf verschiedenen Alphörnern selber feststellen können. Dass aber trotzdem eine ziemlich grosse Ähnlichkeit im Klang der beiden Instrumente besteht, ist unüberhörbar und auch durch die durchgeführte Klanganalyse bestätigt. Diese Ähnlichkeit kommt vermutlich daher, dass das Waldhorn und das Alphorn einen gemeinsamen Ursprung besitzen und deshalb sehr nahe verwandt sind. Beide hatten als Vorfahren irgendwelche Schnecken- und Muschelhörner. Die Entwicklungsgeschichte hat sich jedoch

211 im Verlauf der Zeit sehr auseinander divergiert. Während das Waldhorn mit der Zeit aus Blech und mit Ventilen angefertigt wurde und sich zu einem Orches- terinstrument gewandelt hat, wird das Alphorn weiterhin aus Holz gefertigt. Es ist ein Natur- und Traditionsinstrument geblieben und wurde zu einem Symbolobjekt der Schweiz.

6. Persönliche Schlussbetrachtung

Das Ziel dieser Maturaarbeit war es, mit Hilfe einer Klanganalyse (vgl. Kapitel 4) zu zeigen, ob das Waldhorn und das Alphorn gleich, ähnlich oder komplett verschieden tönen. Aus den Resultaten der Messungen konnten schliesslich sehr klare Erkenntnisse gezogen werden. Ich bin sehr erfreut über das Resultat, dass es eine Ähnlichkeit im Klang zwi- schen den beiden Instrumenten gibt. Mein persönliches Empfnden, dass die beiden Instrumente ähnlich tönen, wurde hiermit bestätigt. Die Ergebnisse entsprechen genau den Erwartungen, und meine eingangs gestellten Hypo- thesen, dass das Wald- und Alphorn nicht gleich aber sehr ähnlich klingen, wurden belegt. Auch die Vermutung, dass die Form und das Baumaterial, sei es Messing beim Waldhorn oder Fichtenholz beim Alphorn, den grössten Ein- fuss auf den Klang hat, wurde deutlich bestätigt. Beim Besuch der Alphorn- werkstatt in Habkern und im Gespräch mit Herrn Heinz Tschiemer wurde die Bedeutung des Baumaterials sehr weit in den Vordergrund gestellt. Ich habe nicht nur in der praktischen Untersuchung sehr viele neue Erkennt- nisse gewonnen, sondern auch im geschichtlichen Teil und über die Entste- hung der beiden Instrumente viel dazugelernt. Bereits im geschichtlichen Teil der Arbeit konnte ich erste Vermutungen anstellen. So nahm ich an, dass durch die sehr ähnliche Entstehungsgeschichte eine gewisse Ähnlichkeit im Klang bestehen könnte. Diese Vermutung wurde in der folgenden Klangana- lyse (vgl. Kapitel 4) auch bestätigt. Ich konnte sehr viele neue, spannende und interessante Informationen, Tatsachen und Erkenntnisse über die beiden Instrumente gewinnen.

212 Silvio Keller

Der Oberländer Kunstmaler Christoph Flück

Christoph Flück in seinem Atelier, 2014

Ich kenne die Familie Flück seit rund 46 Jahren. Christoph war damals erst siebenjährig. Als wir Ende 1969 von Zürich nach Interlaken kamen, stellten wir mit Erstaunen das Fehlen jeglicher Ausstellungsmöglichkeit oder Galerien fest. Im jugendlichen Übermut ergriffen wir die Initiative und hatten schon bald ein passendes und zahlbares Lokal am Höheweg gefunden. Da wir uns in der Oberländer Kunstszene aber noch überhaupt nicht auskannten, waren wir sehr froh über die guten Dienste von Redaktor Rudolf Wyss als kundiger Berater. So konnten wir nach einigen einfachen Ausbauarbeiten bereits im Frühjahr 1971 mit dem Maler Hans Stähli aus Brienz starten, und im Mai und Juni folgte nach Jürg Maurer Martin Peter Flück, der Vater von Christoph. Hier gab es keine Vernissage, weil Flücks in diesem Sommer in der Heimat der Ehefrau des Künstlers in Norwegen weilten. Rasch durften wir feststellen, dass es im Berner Oberland eine grosse Anzahl an guten Künstlern gab, die zur Einladung für eine Ausstellung verlockten. So waren wir stolz, schon ein Jahr nach Martin Peter auch Werke von dessen verstorbenem Vater Johann Peter Flück präsentieren zu dürfen. Später folgten

213 «Herbst» von Christoph Flück, 90 x 46 cm, 2016

weitere bekannte Namen wie das Ehepaar Surbek aus Iseltwald und Bern, Arnold Brügger aus Meiringen, Werner Fehlmann aus Interlaken, Hannes Schutter und Werner Wild aus Bönigen u.s.w. Es folgten aber auch bald unse- re eigenen Kinder, so dass wir die Galerie am Höheweg in andere Hände ge- ben mussten. Unsere letzte Ausstellung galt Dölf Reist mit seiner Fotoserie «Gesichter der Welt» im September 1975.

214 1. Eine Künsterfamilie über drei Generationen Ich habe Künstlerpaare gekannt wie die Surbeks oder Vater und Sohn Schutters, aber keine Künstlerfamilie über drei Generationen wie die Flücks. Das machte es für den Jüngsten – Christoph – nicht einfach. Wie nahe liegt die Gefahr, ihn mit seinen zwei prominenten Vorfahren zu vergleichen. Aber man kann leicht feststellen, wie sehr Christoph sich zu einem absolut eigenständigen

215 «Februar» von Johann Peter Flück, «Johann Peter Flück und Martin Flück 65 x 90 cm, 1952 im Atelier», 100 x 145 cm, 1947

«Brienzersee» von Martin Peter Flück, 122 x 100 cm, 1982

216 «Night calls» von Christoph Flück, 120 x 90 cm, 2014

Künstler entwickelt hat. Auch wenn ihm das Malen sozusagen in die Wiege gelegt wurde, so hat er doch zuerst einen ganz ordentlichen Berufsweg ein- geschlagen. 1964 mit seinem Bruder Jan im elterlichen Haus als Sohn von Martin und Louise in Schwanden bei Brienz aufgewachsen, machte er eine Lehre als Hochbauzeichner beim bekannten Ernst Anderegg in Meiringen. Dort arbeitete auch Hanspeter Wespi, der später als Künstler ins Tessin zog. So kam Christoph für mehr als drei Jahre als Mitarbeiter ins Büro von dessen Bru- der an den Langensee. Nach seiner Rückkehr in die deutsche Schweiz konzen- trierte er sich dann voll auf seine Berufung als bildender Künstler und besuchte dazu die Schulen für Gestaltung in Bern und Zürich. Seit 1989 – also seit bald 30 Jahren – arbeitet er nun als freischaffender Künstler und wohnt seit 1996 mit seiner Frau Barbara und den zwei inzwischen erwachsenen Kindern in Spiez. Diverse Studienreisen führten ihn nach Frankreich, England, Dänemark, Finnland und immer wieder nach Norwegen in die Heimat seiner Mutter Louise.

2. Würdigung Wenn Sie die Bilder von Christoph Flück betrachten, so fallen ihnen sicher die grossen Unterschiede auf; einmal viel dunkles Blau, dann wieder viele Hell- und Grautöne, lichte Bilder mit viel Gelb und schliesslich die geradezu explo-

217 «Spätherbst» von Christoph Flück, 80 x 50 cm, 2011 siven Farbbilder. Man ist versucht, darin verschiedene Epochen zu sehen wie bei Pablo Picasso mit seinen Bildern aus der Periode rose und der Periode bleu. Wie mir Christoph Flück im Gespräch erläuterte, sind diese Unterschiede aber vor allem im Wandel der Jahreszeiten zu fnden; sie werden die Bilder sicher dem Frühling, dem Sommer, dem Herbst und dem Winter zuordnen können. Es ist die lebendige Natur, die ihn fasziniert. Stilleben à la «nature morte», die man oft bei seinem Grossvater Johann Peter Flück fand, interessieren ihn nach seinen eigenen Aussagen nicht. Es steckt viel Kraft in Christoph Flücks Werken, was unter anderem auch auf die spezielle Maltechnik zurückzuführen ist. Chri- stoph Flück malt nur selten mit dem Pinsel, sondern die Farben werden gross- zügig mit dem Spachtel aufgetragen. Ganz anders dagegen sind die Bilder von Strand und Meer aus Norwegen, bei denen er seine Eindrücke meist in Aqua- rellen festhält.

Ich schliesse mit einem Zitat aus einer Würdigung von Christoph Flück durch den Berner Galeristen Bernhard Bischoff: Christoph Flück lebt mit den um ihn herum stattfndenden Naturprozessen und verdichtet als aufmerksamer Naturbeobachter seine Eindrücke in expressiven Bildern; er nimmt die Jahres- zeiten – Wechsel und Wandel – auf und macht sie für den Betrachtenden bewusst erlebbar, indem er sie als Maler zuerst selber intensiv erlebt, eben ermalt.

218 219 Christoph Flück, Meer, 200 x 80 cm

220 221 Verfasser der Beiträge 2017

Till Aerni Erfolgreiche Maturaprüfung am Gymnasium Interlaken. Im Herbst Beginn des Studiums als Maschineningenieur an der ETH Zürich. Bis zum Bachelorab- schluss dauert dies drei Jahre, gefolgt von zwei weiteren Jahren im Masterstudiengang. Freizeitbeschäftigungen sind u.a. Tennis und Leichtathle- tik, daneben spielt er seit neun Jahren Waldhorn.

Ueli Bettschen Aufgewachsen in Unterseen, dipl. Bauing. HTL. Strasseninspektor und Schwel- lenmeister Oberland Ost, seit Ende 2001 pensioniert; Matten b. Interlaken.

Hans Fritschi Sekundarlehrer, phil. hist., unterrichtet an Universität, Volks- und Berufsschule. Vizepräsident von Pro Natura Berner Oberland; Unterseen.

Werner Gartenmann Geboren 1965; von 2010 bis 2017 Gemeinderat und Präsident der Kommission für Wirtschaft, Tourismus und Kultur WTK. Seine Anliegen waren die Förde- rung einer lebendigen und vielseitigen Gemeinde. Berufich engagiert er sich als Geschäftsführer für die Auns (Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz); Matten b. Interlaken.

Silvio Keller Architekt/Raumplaner, Bauinspektor von Interlaken. Oberstleutnant der Genie- truppen a.D.; Unterseen.

222 Carla Maeder Geboren am 28. Februar 1998, wohnt in Gunten am Thunersee und schreibt in der Einleitung zu ihrer Arbeit über die Entwicklung der Interlakener Hotellerie: «Aufgewachsen in einer Hoteliersfamilie, in der sich schon mein Urgrossvater der Gästebeherbergung widmete und nun auch mein Vater, der das Carlton- Europe Hotel in Interlaken besitzt, liegt mir das Thema der Hotellerie sehr nahe. So war das Thema meiner Maturaarbeit schnell gefunden.»

Jan Mathys Geboren am 31. Mai 1998, wohnt in Grindelwald. In der Einleitung zu seiner Maturaarbeit schreibt er: «Mein Wohnort und mein Interesse an geologischen Prozessen spielten eine wichtige Rolle in der Wahl meines Themas.»

Marlene Oster-Rosenthal Geboren in Massachusetts, USA, hat ihr Biologiestudium am Wellesley College und an der University of Colorado mit einer Arbeit über Verhalten und Kom- munikation von Spechten abgeschlossen. In den letzten 25 Jahren hat sie vor allem in der Region Interlaken gelebt und als Übersetzerin und Englischlehrerin gearbeitet. Zu ihren vielfältigen Interessen gehören Natur, Architekturge- schichte und traditionelles Kunsthandwerk insbesondere im Berner Oberland. Im Moment freut sie sich auf das nächste historische Rätsel.

Andreas Zurbuchen Geboren 1972; dipl. El. Ing. HTL, Dorfchronist und Präsident des Vereins Orts- geschichte Habkern; Habkern.

223 Das Redaktionsteam 2017

Gisela Straub Geboren 1944, aufgewachsen in Hannover, Studien der Rechtswissenschaft und Rhetorik in Göttingen und Bern, Juristin und Essayistin, langjähriges Vor- standsmitglied von Pro Natura Berner Oberland.

Sibylle Hunziker Geboren in Stuttgart 1963, aufgewachsen in Unterseen, Studium der Geschichte und allgemeinen Sprachwissenschaft an der Universität Bern, arbeitet heute als freie Journalistin.

Korrigendum

Im Beitrag über Maria Krebs, «Porzellanmalen war ein Traum», behauptet Sibylle Hunziker kühn, Porzellanfarben werden mit Leinöl angerührt (Jahrbuch 2016, S. 106). Tatsächlich wird das Farbpulver mit Dicköl angerieben und allen- falls mit ein paar Tropfen nicht eingedicktem Terpentin verdünnt. Die Korrektur der Verwechslung, die in der Praxis des Porzellanmalens höchst unerfreuliche Folgen hätte, hat es 2016 zwar bis zur Autorin /Redaktorin geschafft, von dort aber leider nicht ins Buch.

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