Plenarprotokoll 18/140

Deutscher

Stenografischer Bericht

140. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 26. November 2015

Inhalt:

Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- (Peine) (SPD) ...... 13718 C neten Heinz-Joachim Barchmann und Alois Michael Schlecht (DIE LINKE)...... Karl...... 13711 A 13720 A Wahl von Herrn Michael Reiffenstuel und Dr . Michael Fuchs (CDU/CSU)...... 13721 C Herrn Ansgar Hollah als Mitglieder des Stif- (BÜNDNIS 90/ tungsrates der „Stiftung Flucht, Vertrei- DIE GRÜNEN)...... 13723 D bung, Versöhnung“...... 13711 A , Bundesminister BMWi. . . . . 13725 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung ...... 13711 B (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 13727 B Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 13711 D (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 13728 A Tagesordnungspunkt I: (Fortsetzung) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE)...... 13731 A a) Zweite Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Barbara Lanzinger (CDU/CSU)...... 13732 B Gesetzes über die Feststellung des (BÜNDNIS 90/ Bundeshaushaltsplans für das Haus- DIE GRÜNEN)...... 13734 A haltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016) Drucksachen 18/5500, 18/5502...... 13712 A (CDU/CSU) ...... 13734 D b) Beratung der Beschlussempfehlung des (SPD)...... 13736 B Haushaltsausschusses zu der Unterrich- (CDU/CSU)...... 13736 D tung durch die Bundesregierung: Fi- nanzplan des Bundes 2015 bis 2019 (CDU/CSU)...... 13738 C Drucksachen 18/5501, 18/5502, 18/6127 ...... 13712 B I .14 Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit I .13 Einzelplan 09 Drucksachen 18/6114, 18/6124...... 13740 B Bundesministerium für Wirtschaft Dr . Gesine Lötzsch (DIE LINKE) ...... 13740 B und Energie Drucksachen 18/6109, 18/6124...... 13712 B Hermann Gröhe, Bundesminister BMG. . . . . 13741 C Dr . (DIE LINKE) ...... 13712 B Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 13743 D (SPD)...... 13713 B (Essen) (SPD)...... 13745 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 13714 D Dr . Georg Nüßlein (CDU/CSU)...... 13747 A (CDU/CSU) ...... 13716 A Harald Weinberg (DIE LINKE)...... 13748 D II Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Burkhard Blienert (SPD)...... 13750 B Tagesordnungspunkt I: (Fortsetzung) a) Zweite Beratung des von der Bundes- Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ regierung eingebrachten Entwurfs eines DIE GRÜNEN)...... 13752 A Gesetzes über die Feststellung des (CDU/CSU)...... 13753 B Bundeshaushaltsplans für das Haus- haltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016) Dr . (SPD)...... 13755 B Drucksachen 18/5500, 18/5502...... 13712 A (CDU/CSU) ...... 13757 A b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung: Fi- Tagesordnungspunkt III: nanzplan des Bundes 2015 bis 2019 a) Unterrichtung durch die Bundesregie- Drucksachen 18/5501, 18/5502, rung: Bericht der Bundesregierung 18/6127 ...... 13712 B über den Stand von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit und über das Unfall- und Berufskrankheiten- I .15 Einzelplan 11 geschehen in der Bundesrepublik Bundesministerium für Arbeit und So- Deutschland im Jahre 2013 ziales Drucksache 18/3474 ...... 13758 D Drucksachen 18/6111, 18/6124...... 13760 A b) Unterrichtung durch die Bundesregie- Dr . Gesine Lötzsch (DIE LINKE) ...... 13760 B rung: Sechster Erfahrungsbericht der Bundesregierung über die Durchfüh- , Bundesministerin BMAS . . . . 13761 B rung des Stammzellgesetzes Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ Drucksache 18/4900 ...... 13759 A DIE GRÜNEN)...... 13763 B c) Bericht des Ausschusses für Bildung, Axel E . Fischer (Karlsruhe-Land) Forschung und Technikfolgenabschät- (CDU/CSU)...... 13764 D zung gemäß § 56a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung (TA): Mo- (SPD)...... 13766 D derne Stromnetze als Schlüsselelement (DIE LINKE) ...... 13768 A einer nachhaltigen Stromversorgung Drucksache 18/5948 ...... 13759 A Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU). . . . . 13769 C Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 13771 D Zusatztagesordnungspunkt 1: a) Antrag der Abgeordneten Dr .Frith - (SPD)...... 13772 D jof Schmidt, (Augsburg), (CDU/CSU)...... 13774 A , weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE (SPD) ...... 13775 C GRÜNEN: Interministerielle Zusam- Mark Helfrich (CDU/CSU)...... 13776 B menarbeit bei der Bewältigung der Fluchtkrise in Drittstaaten verbessern Dr . (SPD)...... 13778 B Drucksache 18/6772 ...... 13759 B b) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kot- I .16 Einzelplan 17 ting-Uhl, , Bärbel Bundesministerium für Familie, Seni- Höhn, weiterer Abgeordneter und der oren, Frauen und Jugend Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Drucksachen 18/6124, 18/6125...... 13779 B Sicherheit hat Vorrang – Ohne Stand von Wissenschaft und Technik keine (DIE LINKE)...... 13779 B Inbetriebnahme von Schacht Konrad Manuela Schwesig, Bundesministerin Drucksache 18/6773 ...... 13759 B BMFSFJ ...... 13780 D (BÜNDNIS 90/ Tagesordnungspunkt IV: DIE GRÜNEN)...... 13782 C a)–f) Alois Rainer (CDU/CSU)...... 13783 D Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelüber- Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ sichten 249, 250, 251, 252, 253 und 254 DIE GRÜNEN)...... 13785 A zu Petitionen Michael Leutert (DIE LINKE)...... 13785 C Drucksachen 18/6656, 18/6657, 18/6658, 18/6659, 18/6660, 18/6661 ...... 13759 C Alois Rainer (CDU/CSU)...... 13785 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 III

Dr . Carola Reimann (SPD)...... 13786 A Christian Schmidt, Bundesminister BMEL. . . 13805 D Jörn Wunderlich (DIE LINKE)...... 13787 A (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 13807 D Nadine Schön (St . Wendel) (CDU/CSU). . . . 13788 C Dr . (DIE LINKE)...... 13808 C Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 13790 C Dr .Wilhelm Priesmeier (SPD)...... 13809 D (SPD)...... 13791 D Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 13811 B Jörn Wunderlich (DIE LINKE)...... 13792 D (CDU/CSU)...... 13812 D (Hamburg) (CDU/CSU) . . . 13793 D Dr . Karin Thissen (SPD)...... 13814 C Sönke Rix (SPD)...... 13796 B (CDU/CSU)...... 13815 D (CDU/CSU) ...... 13797 B (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 13817 B I .17 Einzelplan 10 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ Bundesministerium für Ernährung DIE GRÜNEN)...... 13818 B und Landwirtschaft (SPD)...... 13819 A Drucksachen 18/6110, 18/6124...... 13799 C Rita Hagl-Kehl (SPD)...... 13820 A (DIE LINKE) ...... 13799 D Cajus Caesar (CDU/CSU)...... 13801 B Nächste Sitzung ...... 13821 B Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 13803 B Anlage 1 (SPD)...... 13804 D Liste der entschuldigten Abgeordneten. . . . . 13823 A

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13711

(A) (C)

140. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 26. November 2015

Beginn: 9 .01 Uhr

Präsident Dr. : Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und ­Entwicklung Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet . Haushaltsausschuss Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia begrüße Sie alle herzlich und teile zu Beginn unserer Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, heutigen Sitzung mit, dass die Kollegen Heinz-Joachim weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Barchmann und jeweils ihren 65 . Geburts- NIS 90/DIE GRÜNEN tag gefeiert haben . Dazu möchte ich noch einmal im Na- men des gesamten Hauses herzlich gratulieren . Sicherheit hat Vorrang – Ohne Stand von Wis- senschaft und Technik keine Inbetriebnahme (Beifall) von Schacht Konrad Dann müssen wir noch eine Wahl von zwei Mitgliedern Drucksache 18/6773 des Stiftungsrates der Stiftung Flucht, Vertreibung, Überweisungsvorschlag: (B) Versöhnung durchführen . Auf Vorschlag der Beauftragten Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor­ (D) der Bundesregierung für Kultur und Medien sollen als Ver- sicherheit treter des Auswärtigen Amtes Herr Michael Reiffenstuel als Nachfolger für den ausgeschiedenen Herrn Andreas Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, so- ­Meitzner und als Vertreter der Beauftragten der Bundesre- weit erforderlich, abgewichen werden . gierung für Kultur und Medien Herr Ansgar Hollah für Schließlich mache ich noch auf zwei nachträgliche den ausgeschiedenen Herrn Dr . Michael Roik als stellver- Ausschussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunkt- tretende Mitglieder des Stiftungsrates gewählt werden . liste aufmerksam: Können Sie dem zustimmen? – Das sieht so aus . Dann ha- ben wir das damit so beschlossen und die beiden Herren Der am 16 . Oktober 2015 (131 . Sitzung) überwiesene als stellvertretende Mitglieder des Stiftungsrates gewählt . nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Aus- schuss für Gesundheit (14 .Ausschuss) zur Mitberatung Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, die Ta- überwiesen werden: gesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- Punkte zu erweitern: gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Moder- ZP 1 Weitere Überweisungen im vereinfachten Ver- nisierung des Vergaberechts (Vergaberechts- fahren modernisierungsgesetz – VergRModG) (Ergänzung zu TOP III) Drucksache 18/6281 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Dr ., Claudia Roth (Augsburg), Innenausschuss Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Gesundheit Interministerielle Zusammenarbeit bei der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Bewältigung der Fluchtkrise in Drittstaaten Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor­ verbessern sicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen­ Drucksache 18/6772 abschätzung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Überweisungsvorschlag: ­Entwicklung Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (f) Ausschuss für Tourismus Auswärtiger Ausschuss Haushaltsausschuss gemäß § 96 der GO 13712 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) Der am 12 .November 2015 (136 .Sitzung) überwiese- schüsse als besonderen Ausdruck deutscher Tüchtigkeit . (C) ne nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Haushalts- Sicher, wir haben tolle Erfinder, sieht man einmal von ausschuss (8 . Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen der Diesel-Gate-Software ab . Näheres dazu lässt sich werden: im Dieter-Hallervorden-Song „Oh je, Vau Weh“ finden. Aber verdammt noch mal, wenn unsere Arbeiter so tüch- Beratung des Antrags der Abgeordneten tig sind, dann müssen wir doch mit den Gewerkschaften Dr .André Hahn, Frank Tempel, , wei- für viel höhere Löhne kämpfen! Das predigte Helmut terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Schmidt zeitlebens . Wo sich Produktivität verzehnfacht, Parlamentarische Kontrolle der nachrichten- muss die Kaufkraft nachziehen . Sonst gerät die Volks- dienstlichen Tätigkeit des Bundes verbessern wirtschaft in Rezession und Deflation. Das betrifft heute den gesamten Euro-Raum . Drucksache 18/6645 Überweisungsvorschlag: In Wahrheit stagnierten in den letzten 15 Jahren die Innenausschuss (f) Pro-Kopf-Reallöhne bei uns, während die Profite der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Großkapitalisten um 70 Prozent explodiert sind . Deut- Verteidigungsausschuss sches Lohndumping, Steuerdumping und Kaputtsparen Haushaltsausschuss des Sozialstaats haben Exportprodukte und Arbeit so Ich frage Sie, ob es dazu Einwände gibt . – Das ist billig gemacht, dass Südeuropa nur noch mit Krediten nicht erkennbar . Dann sind diese Ergänzungen und Än- überleben kann . Nur noch 50 Prozent der Beschäftigten derungen so beschlossen . arbeiten hierzulande unter Bedingungen eines Flächen- tarifvertrages . Die andere Hälfte der Beschäftigten hat Wir setzen nun die Haushaltsberatungen – Tagesord- heute ein Einkommen, das 17 Prozent unter dem des Jah- nungspunkt I – fort: res 2000 liegt . 8,6 Prozent der Erwerbstätigen leben un- a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung terhalb der Armutsgrenze . Unter den Erwerbslosen sind eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die es sogar 69,3 Prozent, wesentlich mehr als in jedem an- Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das deren EU-Staat . Wohlgemerkt: Wir sind hier schlechter Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016) als Griechenland, Spanien und Bulgarien . Drucksachen 18/5500, 18/5502 Die KfW bilanziert: Bei den Realinvestitionen kürzen b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus- Bundesregierung und Monopolkapitalisten gleicherma- haltsausschusses (8 . Ausschuss) zu der Unter- ßen . Sie investieren mindestens 25 Prozent zu wenig in richtung durch die Bundesregierung die Straßenerhaltung und die Infrastruktur . Die Kommu- (B) nen können dank Schuldenbremse nicht einmal die Hälfte (D) Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019 ihrer Hausaufgaben lösen . Laut DIW weist Deutschland Drucksachen 18/5501, 18/5502, 18/6127 seit 1999 eine addierte Investitionslücke von 1 Billion Euro auf . Der Trend der letzten 25 Jahre führt stracks in Ich rufe zunächst Tagesordnungspunkt I .13 auf: die Finanzspekulation. Noch 1991 flossen 40 Prozent des Einzelplan 09 Kapitals in Maschinen und andere Güter der Realwirt- schaft . Heute liegt der Wert bei unter 10 Prozent . Herr Bundesministerium für Wirtschaft und Ener- Gabriel, haben Sie nicht einmal das Wort „Finanzhaie“ gie plakatiert, und wollten Sie diese nicht ausrotten? Heute Drucksachen 18/6109, 18/6124 betreiben Sie eine ganze Finanzhaiaufzucht . Berichterstatter sind die Abgeordneten Thomas Jurk, (Beifall bei der LINKEN) Andreas Mattfeldt, und Anja Hajduk . Am 22 . Januar in Davos erlaubten Sie sich, Herr Zum Einzelplan 09 liegen zwei Änderungsanträge der ­Gabriel, TTIP-Kritiker als hysterisch zu beschimpfen . Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor . Sie verzauberten die skeptische SPD-Basis mit dem Satz, alles habe Recht und Ordnung . Dazu nur zwei Urteile: Des Weiteren liegt ein Entschließungsantrag der Erstens . Am 17 .November entschied der Europäische Fraktion Die Linke vor, über den wir morgen nach der Gerichtshof, dass die öffentliche Hand die Vergabe von Schlussabstimmung abstimmen werden . Aufträgen von der Zahlung eines Mindestlohns abhän- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für gig machen darf . CETA jedoch, das Gesellenstück für die Aussprache 125 Minuten vorgesehen .– Ich höre kei- TTIP, würde das alles außer Kraft setzen, schützt also nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen . nicht einmal europäisches Recht . Es ist ein Leichtes für US-Konzerne, in Kanada einen Briefkasten anzumelden Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem und dann in Europa Armutslöhne zu zahlen . Kollegen Diether Dehm für die Fraktion Die Linke . Zweitens . Anfang November wurde Ecuador vom (Beifall bei der LINKEN) Schiedsgericht der Weltbank zur Zahlung von 1,1 Milli- arden Dollar an den US-amerikanischen Ölkonzern Oxy Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): verurteilt . Zwar erkannte das Gericht an, Oxy habe ge- Guten Morgen, Herr Präsident! Sehr verehrte Damen gen ecuadorianisches Recht verstoßen, ging aber davon und Herren! Auch dieser Wirtschaftsminister offeriert – aus, dass die Firma durch den Staat benachteiligt wurde . genauso wie schon Brüderle und Rösler – Exportüber- Schöne neue Welt für Finanzhaie! Es ist diskriminierend, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13713

Dr. Diether Dehm (A) wenn mit TTIP und CETA Konzerne Staaten verklagen des Bundeshaushaltes hatte ich bereits angesprochen, (C) dürfen, aber demokratisch gewählte Regierungen nie- wo wir als Koalition aus meiner Sicht noch nachsteuern mals einen Konzern . müssen . Das haben wir tatsächlich auch getan . (Beifall bei der LINKEN) So wurden die Mittelansätze für das Zentrale In- novationsprogramm Mittelstand sowie bei der Indus- Wenn Profitsicherung demokratische Entscheidungen triellen Gemeinschaftsforschung und im Programm aushebelt, lieber Sigmar Gabriel, dann nannten wir das ­INNO-KOM-Ost um rund 7 Millionen Euro angehoben . doch gemeinsam in unserer „Sozialistischen Jugend Damit kann die Förderung auf dem bisherigen bereits Deutschlands – Die Falken“ staatsmonopolistische Plan- hohen Niveau weiter fortgesetzt werden . Wir haben die wirtschaft, du in Goslar, ich in Hessen . Waren wir alle Mittel für den innovativen Schiffbau um 10 Millionen damals hysterisch? Euro erhöht und gleichzeitig den Kofinanzierungsanteil In Hamburg hat der Senat die Umweltauflagen für das der Länder in diesem Programm von 50 Prozent auf ein Kohlekraftwerk Moorburg aufgeweicht aus Angst vor Drittel abgesenkt . einem Schiedsgericht . Die von der EU unterdrückte Bür- (Beifall bei der SPD sowie des Abg . Andreas gerinitiative gegen TTIP hat mittlerweile 3,4 Millionen Mattfeldt [CDU/CSU]) Unterstützer – alle Hysteriker? –, davon 1 900 deutsche Mittelständler und Handwerker . Wer wie ich als Unter- – Der Beifall kommt völlig zu Recht; nehmer im Internet unterzeichnen möchte: www kmu-. (Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Aber gegen-ttip .de . schwach! – Dr . [DIE LIN- Aber was der Konzernminister Gabriel heute vom KE]: Der hätte stärker sein können!) Mittelstand hält, zeigen folgende Zahlen: Sein Gesamt­ denn damit stärken wir auch die maritime Wirtschaft in etat umfasst 7,5 Milliarden Euro; davon gehen 1,6 Mil- Deutschland . liarden Euro an Konzerne, die Luft- und Raumfahrt betreiben und nebenbei auch ein bisschen Rüstung, der (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Mittelstand hingegen bekommt im Rahmen des Zentra- len Innovationsprogramms Mittelstand, ZIM, gerade ein- – Jetzt ist es auch dort angekommen, schön . mal läppische 538,5 Millionen Euro . Die Digitalisierung der Wirtschaft ist die zentrale wirt- Abschließend noch ein Wort zum Umgang mit uns schaftspolitische Herausforderung für Deutschland . Des- TTIP-Hysterikern . Sollten die Regierungschefs TTIP halb erhält die Förderinitiative des Bundeswirtschaftsmi- doch noch nicht als gemischtes Abkommen verabschie- nisteriums „Mittelstand 4 0. – Digitale Produktions- und (B) den, sodass nationale Parlamente nicht darüber abstim- Arbeitsprozesse“ 11 Millionen Euro mehr als im Haus- (D) men dürfen, werden wir Linke klagen . Den 250 000, die haltsentwurf vorgesehen . Damit sollen im Jahr 2016 fünf am 10 .Oktober mit uns in Berlin demonstriert haben, zusätzliche Kompetenzzentren für den Mittelstand einge- sage ich: Wir werden immer mehr, und wir werden wei- richtet werden . Darüber hinaus werden die Mittel für die ter kämpfen für fairen Handel . Um den Entwicklungshil- Initiative „Industrie 4 0“. um 1 Million Euro aufgestockt, feminister Gerd Müller zu zitieren, der sagte: für fairen um die Entwicklung international anerkannter Normen Handel statt Freihandel . und Standards stärker fördern zu können . Ich danke für die Aufmerksamkeit . Insgesamt stehen damit im kommenden Jahr für die Digitalisierung der Wirtschaft im Einzelplan 09 knapp (Beifall bei der LINKEN) 100 Millionen Euro zur Verfügung, über 20 Millionen Euro mehr als im Jahre 2015. Ich finde, das kann sich Präsident Dr. Norbert Lammert: durchaus sehen lassen . Das Wort erhält der Kollege Thomas Jurk für die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten SPD-Fraktion . der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Zentral ist ebenso die Förderung junger innovativer Unternehmen . Deshalb heben wir 2016 das Zuschussvo- Thomas Jurk (SPD): lumen für Wagniskapitalinvestitionen im INVEST-Pro- gramm um 10 Millionen Euro auf 30 Millionen Euro an . Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Das ist eine Anhebung von immerhin 50 Prozent . Auch Damen und Herren! Wir haben den Etat des Bundes- mit diesem Ergebnis brauchen wir uns wahrlich nicht zu ministeriums für Wirtschaft und Energie bei den Haus- verstecken . haltsberatungen an mehr als 70 Stellen verändert . Sie haben das Glück, dass mir meine begrenzte Redezeit (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nicht erlaubt, auf alle diese Änderungen einzugehen . Ich der CDU/CSU) beschränke mich auf einige wesentliche Ergebnisse der Beratungen . Über das Auslaufen des erfolgreichen Batteriespei- cherprogramms für Photovoltaikanlagen gab es einige Für das kommende Jahr sind im Einzelplan 09 jetzt Diskussionen . Das Programm ist bis zum 31 . Dezember Ausgaben von 7,622 Milliarden Euro vorgesehen, 2015 befristet . Die ursprünglichen Ziele des Programms 94,8 Millionen Euro mehr als ursprünglich im Haus- sind erreicht, so sagt es die Evaluierung . Wir stehen vor haltsentwurf geplant . Bei meiner Rede zur ersten Lesung Änderungen im Strommarktdesign, in welchem auf die 13714 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Thomas Jurk (A) verschiedenen Flexibilisierungsoptionen ein stärkeres welche von diesen wissenschaftlich-technischen Infra- (C) Augenmerk gelegt werden wird . Dies spricht dafür, dass strukturen profitiert. das Programm wie geplant ausläuft . (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Es gibt aber auch andere Argumente . Erstens indus­ CDU/CSU) triepolitisch . Es handelt sich bei der PV-Branche um eine Branche, die sich gerade wieder erholt . Da sind Markt- Abschließend – das ist man von Haushältern schon anreize wichtig . Zweitens energiepolitisch . Im neuen fast gewohnt – möchte ich mich an dieser Stelle bei Strommarkt brauchen wir einen fairen Wettbewerb aller allen Mitberichterstattern sowie den Mitarbeiterinnen Flexibilisierungsoptionen . Das schließt aber eine gezielte und Mitarbeitern des Bundeswirtschaftsministeriums, systemdienliche Förderung von Batteriespeichern nicht insbesondere des Haushaltsreferats, und natürlich auch aus . Sie muss jedoch der Systemintegration der erneuer- unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Abge- baren Energien dienen . ordnetenbüros ganz herzlich für die erneut gute und ver- Vor diesem Hintergrund habe ich mit dem Wirtschafts- trauensvolle Zusammenarbeit bedanken . ministerium über eine mögliche Förderung von Batterie- speichern intensiv diskutiert . Als Ergebnis wird es vo­ Ein Wort zum Schluss sei mir noch gestattet, damit raussichtlich ein neues, an die derzeitigen Anforderungen wir uns nicht nur selbst beweihräuchern . Ich danke allen für den Strommarkt angepasstes Programm geben . am Wirtschaftsprozess Beteiligten in Deutschland, Un- ternehmerinnen und Unternehmern, Arbeitnehmerinnen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten und Arbeitnehmern für ihre fleißige Arbeit, die uns die der CDU/CSU) Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zur Verfügung

Vor dem Hintergrund der Diskussion zur CO2-Minde- stellen, die es ermöglichen, dass Deutschland auch in an- rung im Stromsektor – dort insbesondere bei der Braun- gespannten Zeiten gut durch die Zeit kommt . kohle – mag man mir unterstellen, ich sei als Lausitzer Bundestagsabgeordneter parteiisch . Vielleicht bin ich als Herzlichen Dank . Lausitzer, Sachse und Ostdeutscher auch nur besonders sensibel; denn aufgrund der wirtschafts- und arbeits- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) marktpolitischen Bedeutung der Braunkohle für die be- troffenen Regionen wird es in ihnen zu einem weiteren Präsident Dr. Norbert Lammert: Strukturwandel kommen . Das Wort erhält nun die Kollegin Anja Hajduk für die Ich möchte darauf hinweisen, dass wir in meiner Re- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen . (B) gion seit 1990 nichts anderes als permanenten Struktur- (D) wandel betreiben . Um diesen Wandel abzufedern und ein deutliches Signal an die betroffenen Regionen zu senden, Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): unterstützt der Bund ab 2016 jährlich den Strukturwandel mit mindestens 4 Millionen Euro aus Mitteln des Ener- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- gie- und Klimafonds . Ziel ist es, abrupte Strukturbrüche ren! Mir bleiben nach den intensiven Haushaltsberatun- zu verhindern, industrielle Kerne zu sichern und die regi- gen mehr Fragen, als dass wir vom Wirtschaftsminister onale Wirtschaftsstruktur weiterzuentwickeln . Ich freue eine klare Orientierung bekommen hätten, wo es denn mich, dass wir dieses Zeichen in dieser Zeit setzen kön- mit der Wirtschafts- und Energiepolitik unseres Landes nen . hingehen soll . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Erster Punkt: Investitionsoffensive . Herr Minister, der CDU/CSU) Herr Gabriel, Sie haben Anfang November am Tag der Deutschen Industrie bemängelt: Schon seit zehn Jahren Zum Ende meiner Rede möchte ich kurz noch auf ei- ist die Investitionsquote viel zu niedrig . nen Beschluss eingehen, der vordergründig nichts mit Geld zu tun hat, aber umso wichtiger ist . Die Physika- Sie haben mit Herrn Fratzscher und anderen eine lisch-Technische Bundesanstalt und die Bundesanstalt Kommission eingesetzt, die für eine Investitionsoffensi- für Materialforschung und ‑prüfung unterhalten teilweise ve Vorschläge erarbeiten soll . Und wo stehen wir im No- weltweit einmalige wissenschaftlich-technische Infra- vember 2015, Mitte der Legislaturperiode? Keine Um- strukturen wie Laboratorien und Reinräume . Um inter- setzung . Sie haben versprochen: Diese Vorschläge aus national konkurrenzfähig zu bleiben sowie mit aktuellen der Kommission wird die Politik nicht in die Schublade technologischen Entwicklungen mitzuhalten, müssen stecken, sondern sie wird sie wirklich umsetzen . Aber diese Infrastrukturen kontinuierlich und vor allem in wir können davon nichts erkennen . Dabei wird dort zum kürzester Zeit weiterentwickelt werden . Leider war dies in der Vergangenheit aufgrund der komplizierten Bau- Beispiel eine Investitionsregel vorgeschlagen, die den planungs- und Genehmigungsverfahren nicht immer der Werteverzehr des öffentlichen Vermögens schützt . Wir Fall . schlagen das in diesen Haushaltsberatungen vor . Wir haben deshalb neue Haushaltsvermerke für die Ansonsten bleiben nur Fragen: Was ist mit der Stär- entsprechenden Bautitel eingefügt . Damit soll sich die kung von kommunalen Infrastrukturprojekten? Was sind Dauer von Bauvorhaben deutlich verkürzen . Dies liegt die Instrumente, Herr Gabriel, mit denen man es wirklich nicht zuletzt auch im Interesse der deutschen Wirtschaft, schafft, eine Strategie zu entwickeln, durch die wir bei Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13715

Anja Hajduk (A) den öffentlichen Investitionen „Sanierung und Erhalt vor Präsident Dr. Norbert Lammert: (C) Neubau“ zustande bringen? Ich werde den Kollegen in der Nationalversammlung unterrichten, sodass keine Missverständnisse entstehen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Frau Hajduk . NEN – [Erfurt] [SPD]: Ver- kehrshaushalt!) (Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)

Studien belegen, dass gerade in einer entwickelten Volks- Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): wirtschaft die bestehende Infrastruktur eine ausschlagge- Herr Präsident, vielen Dank . bende Wachstumsdeterminante ist . Sie kommen nicht zu Der Pariser Gipfel – das hat gestern auch die Kanzle- Potte, Herr Gabriel . Dabei sollte das im Zentrum Ihrer rin betont – kann ein starkes Symbol sein und ein wich- Aufmerksamkeit stehen . tiges Signal setzen . Wenn wir aber schauen: „Wo stehen wir selber, Deutschland, mit dem Erreichen unserer Kli- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN maschutzziele?“, dann kann ich Ihnen nur sagen, Herr sowie des Abg . Dr . Dietmar Bartsch [DIE Gabriel: Sie schaffen es, eine Energiepolitik zu betreiben, LINKE]) durch die wir die Klimaschutzziele gar nicht mehr errei- chen können, und gleichzeitig fehlt eine soziale Ausrich- Ich muss noch etwas ergänzen zum Thema Investiti- tung Ihrer Energiepolitik . Wir haben es mit dem Faktum onen in Ihrem Verantwortungsbereich, dem Wirtschafts- zu tun, dass die mit der Energiewende verbundenen Ziele ministerium, was den sogenannten EKF, den Energie- nicht erreicht werden, und gleichzeitig wurde noch nie und Klimafonds, angeht . Ich weiß gar nicht, ob Ihnen so vielen Verbrauchern Strom und Gas abgedreht wie in das bewusst ist: In der Nacht der Bereinigungssitzung im 2015 . Das ist die traurige Bilanz . Das hat auch damit zu Rahmen der Haushaltsberatungen, morgens gegen 3 Uhr, tun, dass wir beim Netzausbau nicht vorankommen, dass hat die Große Koalition beschlossen, die Verpflichtungs- der Umfang der Abregelung der Einspeisung von Strom ermächtigungen in der gesamten Finanzplanperiode um aus Erneuerbaren so groß ist wie noch nie . Da müssten 7 Prozent zu kürzen . Wissen Sie, was das für Ihren Haus- Sie eigentlich viel stärker gegensteuern . halt bedeutet? 380 Millionen Euro weniger für Investiti- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) onen in dieser Periode . Was Sie in diesem Jahr zu verantworten haben, ist, Nehmen wir einmal ein markantes Beispiel: Das dass Sie eine Kohleabgabe nicht durchsetzen konnten, CO2-Gebäudesanierungsprogramm ist großartig auf- sich aber eine Kohlereserve in einer Größenordnung von (B) gestockt worden, um 200 Millionen Euro . Darüber 1,6 Milliarden Euro eingefangen haben . Dabei ist der (D) haben wir uns sehr gefreut . Wenn wir auf das 1,9-Mil- Ausstieg aus der Kohleverstromung der Trend, den wir liarden-Euro-Gebäudesanierungsprogramm diese 7-Pro- international beobachten können . Ich kann Ihnen nur zu- zent-Regel anwenden, dann stellen wir fest: Wir kürzen rufen: im selben Atemzug um 135 Millionen Euro . Das ist eine ( [CDU/CSU]: Dann ruf mal!) inkonsistente Politik . Die Kanzlerin hat uns gestern in einer sehr eindringli- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) chen Rede zu neuem Denken aufgefordert . (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sie können sich mit gehaltvollen Investitionen nicht NEN]: Da haben wir geklatscht!) durchsetzen . Das ist ein Armutszeugnis . Hinzu kommen fehlende steuerliche Maßnahmen für die Förderung von Ich sage Ihnen: Kohleverstromung, das ist altes Denken . Privatinvestitionen bei kleinen und mittleren Unterneh- Gerade in dem Zusammenhang von Klimaschutz und men; da sind Sie seit zwei Jahren völlig blank . Stattdes- Flüchtlingsbewegungen kann ich Ihnen nur sagen: Mehr sen sollten Sie hier endlich einmal eine sehr überzeu- Mut auch in der Industriepolitik zu neuem Denken . Nur gende Maßnahme wie steuerliche Anreize durchsetzen . dann entsteht eine insgesamt glaubwürdige Strategie für die Industrienation Deutschland daraus . Doch auch das packen Sie nicht an . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Insofern bleibt eine zweite große Frage: Wo ist eigent- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) lich der Industrieminister, der Sie, glaube ich, sein woll- Letzter Punkt . Herr Gabriel, noch eine Frage . Sie ha- ten, der beherzt eine ökologische Orientierung unserer ben jetzt einen Vorschlag gemacht – in einem Brief . Das Industrie voranbringt? Wir stehen jetzt vor Paris . ist auch witzig: Der Vizekanzler schreibt zusammen mit dem französischen Kollegen Macron einen Brief an die (Lachen bei der CDU/CSU) Kanzlerin und den französischen Präsidenten: Wir schla- – Wir stehen jetzt vor dem Pariser Gipfel, Entschuldi- gen vor einen gemeinsamen Fonds von 10 Milliarden Euro zur Bewältigung der Flüchtlingskrise . gung . Was ich gesagt habe, löst komische Assoziationen aus . Ich möchte das korrigieren . Das Thema ist wichtig . Ich denke da auch an die Anrainerstaaten rund um den regional so schrecklichen (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Bei mir Konflikt in Syrien. Da muss reagiert werden. Aber be- nicht!) antworten Sie mir bitte mal die Frage: Soll das jetzt hier 13716 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Anja Hajduk (A) unsere Haushaltsberatungen noch berühren? 10 Milliar- ten Haushaltsberatungen . Die Flüchtlingsbewegung wird (C) den Euro sind kein Pappenstiel . Ist es nicht besser, die ganz sicher unser politisches Handeln auch in den kom- etablierten Ebenen der EU mit ihren Mitteln und Wegen menden Jahren noch bestimmen . Dabei mag ich mir gar zu nutzen? nicht vorstellen, wie die Situation in Deutschland ausse- hen würde, wenn wir die derzeitigen Flüchtlingszahlen Herr Minister, Sie sind Vizekanzler dieses Landes . Sie bei wirtschaftlicher Rezession, bei Haushaltsdefiziten, können solche richtigen Fragen nicht mal so locker wie bei hoher Arbeitslosigkeit bewältigen müssten . Schon mit einem offenen Ideenwettbewerb über die Medien be- hieran sehen Sie, dass die Bewältigung des Flüchtlings- dienen . Das kann man nicht ernst nehmen . Sorgen Sie stroms – neben allen sozialen Problemen – vor allem dafür, dass Sie das hier heute in Ihrer Rede klären! auch ein großes Wirtschaftsthema ist . Schönen Dank . Ja, Herr Vizekanzler, dieses Land ist stark . Bei unse- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rer demografischen Entwicklung kann dieses Land si- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) cherlich auch Zuwanderung verkraften; nein, ich bin mir sicher: Diese Zuwanderung ist sogar notwendig, um un- Präsident Dr. Norbert Lammert: sere großen sozialen Aufgaben auch in den kommenden Andreas Mattfeldt ist der nächste Redner für die CDU/ Jahrzehnten bewältigen zu können . CSU-Fraktion . (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- NEN]: Das ist ja mal eine Ansage!) ordneten der SPD) Was wir aber nicht bewältigen können, das ist die Ge- schwindigkeit, und das ist die Anzahl der zu uns kom- Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): menden Menschen . Bei dieser Geschwindigkeit und bei Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und dieser Anzahl ist eine Integration in unser gesellschaftli- Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mei- ches System und in den Arbeitsmarkt nach meiner festen ne vergangenen Reden zum Abschluss der Haushaltsbe- Überzeugung nahezu unmöglich . ratungen zum Wirtschaftsministerium waren immer von Herr Vizekanzler, ich bin seit über 25 Jahren an vor- den wirtschaftlichen Rahmendaten geprägt . Fast schon derster Front in der Politik aktiv, sowohl im kommunalen erfolgsverwöhnt konnten wir uns über eine langanhalten- Bereich wie auch auf bundespolitischer Ebene, 15 Jahre de, aber vor allen Dingen auch anständige wirtschaftliche davon hauptberuflich. Jede politische Herausforderung, Entwicklung freuen, von der vor allem der Arbeitsmarkt jedes Gesetz habe ich, ob es mir nun passte oder nicht, und infolgedessen auch die Haushalte von Bund, Län- (B) vor allem auch als Bürgermeister, umgesetzt – ganz nach (D) dern, aber auch Kommunen durch sprudelnde Steuerein- dem Motto: Man jammert nicht; man löst das Problem . nahmen profitierten. Dies gilt auch für das Haushalts- jahr 2016 . (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Man ist demo- kratisch!) Meine Damen und Herren, diesem Land geht es nun- mehr seit einigen Jahren sehr gut . Durch unsere wirt- Das erste Mal habe ich als politischer Entscheidungsträ- schaftliche Stärke haben wir uns große Aufgaben zu- ger in diesen Monaten den Eindruck, dass wir als Staats- getraut . So haben wir beschlossen, eine Energiewende gewalt die Kontrolle in der Flüchtlingskrise verloren ha- einzuleiten, die in Art und Umfang für eine Volkswirt- ben . schaft unserer Größenordnung einmalig ist und die bei Erfolg auch für andere Nationen beispielhaft sein kann . (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Auch die Bewältigung der Verschuldungskrise im Eu- NEN]: Dann abdanken!) ro-Raum wäre ohne die wirtschaftliche Stärke Deutsch- Wir haben die Kontrolle verloren, vielleicht auch, weil lands, so bin ich sicher, nur schwerlich zu bewältigen wir uns nicht trauen, unpopuläre Dinge auszusprechen gewesen . Aber auch erhebliche Mehrausgaben für sozi- und durchzusetzen, zum Beispiel, dass die Aufnahme- ale Wohltaten wie zum Beispiel bei der Rente oder auch kapazität von Flüchtlingen in diesem Land überschritten die massive Entlastung der Kommunen konnte der Bund sein dürfte scheinbar mühelos schultern . (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Ulrich Freese [SPD]: Leg mal eine neue NEN]: Ist das jetzt die Gegenrede zu gestern, Schallplatte auf!) zu Merkel?) Mehrausgaben bei Infrastrukturprojekten wie zum Bei- und auch Rückweisungen kein Tabu mehr sein dürfen spiel für den immer noch nicht fertiggestellten Flugha- fen in Berlin-Schönefeld kann dieses Land anscheinend (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – spielend verkraften .– Damit habe ich nur ganz wenige Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ausgaberelevante Themen genannt . NEN]: Nein! Auf keinen Fall! – Zurufe von der LINKEN) Die größte Herausforderung – da müssen wir, glaube ich, jetzt aufpassen, dass wir uns nicht verheben – steht – Sie dürfen sich gerne melden; ich bin gerne bereit, Zwi- uns erst noch bevor . Das Thema der Bewältigung der schenfragen zu beantworten; dann hören das auch alle –, bisher größten Fluchtbewegung bestimmte deshalb nicht aber auch – da schaue ich auf die leider sehr spärlich be- nur diese Woche die Debatten, sondern auch die gesam- setzte Länderbank –, dass wir Rückführungen von nicht Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13717

Andreas Mattfeldt (A) bleibeberechtigten Personen in nennenswerter Anzahl denn gerade Arbeitsschutz wird auch heute noch zu we- (C) derzeit einfach nicht umsetzen . nig in den Blickpunkt gerückt und manches Mal leider vernachlässigt . (Dr . [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie eigentlich in der Oppo- Außerdem war es uns wichtig, die Gelder für die Un- sition rechts von Frau Merkel? Oder sind Sie terstützung der Wirtschaft bei Auslandsmessen wieder noch Regierungsfraktion? – Weitere Zurufe anzuheben . Hier wurde eine Kürzung in Höhe von circa von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE 0,5 Millionen Euro zurückgenommen . Ich habe mich ge- GRÜNEN) freut, dass dies auch mein Koalitionskollege und Mitbe- richterstatter – lieber Thomas, herzlichen Dank dafür – so Liebe Kollegen aus den Ländern, das ist Ihre Aufgabe, gesehen hat . Wir konnten durch kluge Umschichtungen und ich fordere Sie eindringlich auf, Rückführungen sogar circa 2 Millionen Euro mehr für Auslandsmessen konsequent durchzuführen, damit wir auch zukünftig bereitstellen . Gerade die Präsenz des Wirtschaftsminis- den wirklich von Verfolgung bedrohten Menschen Hilfe teriums auf Messen im Ausland bietet für kleine und für bieten können . Wir brauchen zwingend und dringend ein mittelständische Unternehmen die Möglichkeit, sich mit solches Signal . sehr geringem Aufwand zu präsentieren und so Umsatz- Meine Damen und Herren, wir dürfen unser Land und Marktanteile weltweit zu sichern . nicht überfordern . Gerade deshalb ist es wichtig, dass Als Norddeutscher habe ich mich gefreut, dass es uns wir bei der Aufstellung von Haushalten auch zukünftig gelungen ist, die maritime Wirtschaft und die damit ver- maßhalten . Leider habe ich den Eindruck, dass in nahe- bundenen Chancen für die Schaffung und den Erhalt von zu allen Ressorts die Flüchtlingskrise dazu genutzt wird, Arbeitsplätzen in den Blickpunkt zu rücken . Insgesamt um erheblichen Stellenaufwuchs und Mehrausgaben zu haben wir für den Schiffbau 10 Millionen Euro zusätz- begründen . liche Fördermittel für technische Innovationen bereit- (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gestellt . Ich bedaure sehr, dass mein Heimatland Nie- NEN]: Also, das würde ich nicht sagen!) dersachsen die maritime Wirtschaft nunmehr schon seit einigen Jahren sehr stiefmütterlich behandelt, obwohl Ich habe schon die Befürchtung, dass dauerhaft durch gerade Niedersachsen von diesen Mitteln massiv profi- ein solches Verhalten alle Dämme brechen und eine Poli- tieren könnte . tik der schwarzen Null im Haushaltsbereich aufgegeben werden soll . Ich halte das für den absolut falschen Weg . ( [SPD]: Sie waren wohl schon lange nicht mehr da, oder? Das ist seit Als Berichterstatter für das Wirtschaftsministerium drei Jahren besser geworden!) (B) möchte ich dazu beitragen, dass es uns gelingt, die wirt- (D) schaftlichen Rahmenbedingungen auch zukünftig positiv Leider hat sich Niedersachsen, gerade in den letzten drei auszugestalten, damit zum Beispiel gerade die wirtschaft- Jahren, geweigert, die notwendige Kofinanzierung der lich wichtigste Säule und der Stabilitätsfaktor unserer Förderung mitzutragen, Volkswirtschaft, nämlich der Mittelstand, auch zukünftig (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was ist denn erfolgreich ist . Eine Eintrübung der wirtschaftlichen Lage das hier für eine Rede heute?) können wir in den kommenden Jahren weiß Gott nicht mehr bewältigen . Deshalb kommt diesem Wirtschaftsetat sodass niedersächsische Schiffbauunternehmen hiervon eine besondere, ja sogar außergewöhnliche Bedeutung nicht profitierten. zu . Insgesamt umfasst der Haushalt von Minister Gabriel (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wir sind heute im Jahr 2016 7,622 Milliarden Euro und erfährt damit nicht im Ortsrat!) einen Aufwuchs in Höhe von über 95 Millionen Euro gegenüber dem eingebrachten Regierungsentwurf . Ein Ich hoffe sehr, da auch noch der Länderbeitrag von uns Großteil hiervon, nämlich über 40 Millionen Euro, fließt Haushältern massiv gesenkt wurde und er ab nächstem sogar in das CO2-Gebäudesanierungsprogramm . Jahr nur noch ein Drittel – vormals waren es 50 Pro- zent – beträgt, dass sich Niedersachen seiner Verantwor- Ganz wichtig, meine Damen und Herren, war uns die tung bewusst wird und die Blockadehaltung aufgibt . Herr Ausweitung der Fördermittel für den Mittelstand . Hier Minister, vielleicht können auch Sie mit Ihren nieder- haben wir insgesamt 21 Millionen Euro mehr bereitge- sächsischen Verbindungen noch einmal vermitteln . stellt, als vom Ministerium ursprünglich beantragt war . Ich möchte gar nicht weiter darauf eingehen, wie wichtig (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – der Mittelstand für die Wirtschaftskraft unseres Landes Zuruf des Abg . Thomas Jurk [SPD]) und für Arbeitsplätze ist . Das hören die jeden Tag . Sa- Eine weitere Branche, die ich für wichtig halte und gen darf ich aber, dass ich mich sehr gefreut habe, dass über die viele in unserem Land am liebsten gar nicht ein Unternehmen aus meinem Wahlkreis durch unsere sprechen, ist die Rüstungsindustrie . Dabei verkennt man, Unterstützung einen sogenannten Tankreinigungsrobo- dass auch hier inklusive der Zulieferbetriebe nahezu ter – der Arbeitsname T-REX gefiel mir sehr gut – ent- 350 000 Menschen Beschäftigung finden, die mit ihrem wickeln konnte . Dadurch konnten nicht nur Arbeitsplät- Know-how auch die Verteidigungsfähigkeit unseres Lan- ze in erheblichem Umfang geschaffen werden, sondern des und der westlichen Wertegemeinschaft sichern . dies hat dem Unternehmen sogar auch den Deutschen Arbeitsschutzpreis 2015 eingebracht . Auch dies ist, wie (Zuruf des Abg . Dr . Diether Dehm [DIE LIN- ich meine, ein schöner Nebeneffekt unserer Förderung; KE]) 13718 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Andreas Mattfeldt (A) Herr Minister, ich glaube, wir sollten uns schnell darüber Ich bitte um Zustimmung zum Einzelplan, dem auch die (C) unterhalten, ob wir mit der auch von Ihrer Seite verbal Opposition mit ruhigem Gewissen zustimmen könnte . unterstrichenen restriktiven Rüstungspolitik nicht über das Ziel hinauslaufen . Danke schön . (Zurufe von der LINKEN und dem BÜND- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . NIS 90/DIE GRÜNEN) Thomas Jurk [SPD] – Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: „Könnte“!) Hiermit meine ich keinesfalls die Diskussion um Pan- zerlieferungen in problematische Regionen, sondern erheblich unproblematischer gelagerte Fälle . Es kann Präsident Dr. Norbert Lammert: doch nicht sein, dass Mitarbeiter im Ministerium und im Für die SPD-Fraktion erhält nun der Kollege Hubertus BAFA mittlerweile so verunsichert sind, dass selbst der Heil das Wort . Export von gepanzerten Limousinen für die UNO nur schwerlich möglich ist (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜND- (Zurufe der Abg . Dr . Diether Dehm [DIE LIN- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn noch einer KE] und Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE sagt, man habe die Kontrolle verloren, dann GRÜNEN]) flippe ich aus!) oder Genehmigungen für Sonargeräte zur Küstensiche- rung in unproblematischen Ländern nur nach heftigster (Peine) (SPD): Intervention von Parlamentariern erfolgen . Von viel zu Hubertus Heil spät gelieferten schusssicheren Westen in die Ukraine Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- mag ich schon gar nicht mehr sprechen . ren! Normalerweise ist es in diesem Haus immer so, dass in Haushaltsberatungen abwechselnd Vertreter der Re- Im Ausland wird von der Konkurrenz schon mit dem gierungsfraktionen und der Oppositionsfraktionen spre- Label „german-free product“ geworben, sodass ich be- chen . Heute ist das einmal anders . fürchte, dass Arbeitsplätze massiv gefährdet sind und ins Ausland verlagert werden . Ich jedenfalls halte das für ge- (Dr .Diether Dehm [DIE LINKE]: Das war fährlich, meine Damen und Herren . doch so! – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gerade wichtig!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Dann krie- Als ich die Rednerliste gesehen habe, dachte ich, ich (B) gen Sie noch mehr Flüchtlinge!) spreche nach einem Kollegen einer Regierungsfraktion, (D) Eine besondere Bedeutung für die deutsche Wirtschaft nämlich nach Herrn Mattfeldt von der CDU/CSU-Bun- hat natürlich auch die Luftfahrt . Hier haben wir vor kur- destagsfraktion . Mit Verlaub, Herr Mattfeldt, Teile Ihrer zem erneut gute Nachrichten aus dem Hause Airbus ge- Rede waren eher eine Oppositionsrede . hört . Die Chinesen haben 130 Flugzeuge vom Typ A320 (Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das war und A330 bestellt . Aber gleichzeitig bekommt Airbus – doch Opposition! – Dr . Diether Dehm [DIE das haben wir auch gelesen – enorme Konkurrenz aus LINKE]: War doch eine Oppositionsrede! – China, das bekanntlich ein eigenes Mittelstreckenflug- Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: zeug entwickelt und demnächst in Serie bauen will . Aber nicht unserer Opposition!) Airbus hat damit weitere ernstzunehmende Konkurrenz bekommen . Aber wir kennen das Unternehmen: Die wer- Das sollten Sie mit Ihrer Parteivorsitzenden besprechen . den sich mit Sicherheit noch mehr ins Zeug legen; denn Wettbewerb belebt bekanntlich das Geschäft . Und ich bin (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der sicher, dass der Deutsche Bundestag dieses erfolgreiche CDU/CSU – Zuruf der Abg . Kerstin Andreae Unternehmen, an dem wir als Bundesrepublik Deutsch- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) land nicht unerheblich beteiligt sind, auch zukünftig im Rahmen der notwendigen Möglichkeiten unterstützen Herr Mattfeldt, ich meine das ganz ernst . Die Welt wird . scheint aus den Fugen geraten zu sein . Viele Menschen machen sich Sorgen . Die wahnsinnigen Anschläge in Pa- Meine Damen und Herren, zum Schluss meiner Rede ris, in Bamako, in Beirut und an vielen anderen Orten möchte ich Danke sagen, Danke sagen Ihnen ganz per- der Welt haben Furcht, haben Entsetzen verbreitet . Wir sönlich, Herr Minister, haben heftige internationale Konflikte, ja, und – Sie ha- (Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Da freut er ben es erwähnt – wir haben in Europa, vor allen Dingen sich!) in Deutschland, eine riesige Fluchtbewegung zu bewälti- gen . An dieser Stelle ist es wichtig, sich nicht klein-klein aber ganz besonders auch Ihrem Staatsekretär Rainer mit Stimmungen auseinanderzusetzen, sondern Verant- Sontowski sowie dem gesamten Haushaltsreferat . Ich wortung zu übernehmen . Ohne Zweifel, wir müssen die danke auch den Kolleginnen und Kollegen Berichterstat- Flüchtlingsbewegung in den Griff bekommen und staat- ter für den Einzelplan 09 . Die Haushaltsberatungen ha- liche Handlungsfähigkeit zeigen . Als Abgeordneter einer ben trotz der Arbeitsintensivität Spaß gemacht, und das Regierungsfraktion darf man aber nicht staatlichen Kon­ liegt nicht zuletzt am guten Miteinander, das wir pflegen. trollverlust bejammern, sondern man muss seinen Bei- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13719

Hubertus Heil (Peine) (A) trag dafür leisten, dass wir staatliche Kontrolle bekom- fähigen Wirtschaft getragen – schauen Sie sich mal die (C) men, Herr Mattfeldt . Statistiken genau an –, sondern auch von einer stabilen und starken Nachfrage und Kaufkraft in diesem Land . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Nach Jahren ist die Lohn- und Gehaltsentwicklung end- der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und des Abg . Dr .Dietmar lich wieder positiv . Wir brauchen eben beides: Wettbe- Bartsch [DIE LINKE]) werbsfähigkeit und Exportstärke auf der einen Seite und starke Binnennachfrage sowie Investitionen auf der an- In einem sind wir uns dann wieder einig – da sind wir deren Seite, also starke Auswärtsspiele und starke Heim- doch Regierungspartner –: Wir müssen mit Realismus spiele . Das macht die deutsche Wirtschaft heutzutage diese Herausforderungen angehen; wir können es aber aus, und darauf können wir alle miteinander stolz sein, auch mit Zuversicht tun; denn die ökonomische Stärke meine Damen und Herren . unseres Landes versetzt uns in die Lage, auch mensch- liche Stärke zu zeigen . Die ökonomische Stärke unseres (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Landes verleiht uns politisches Gewicht in Europa und in der CDU/CSU) der Welt und überträgt uns die politische Verantwortung, zu handeln . Das betrifft auch die Themen, die wir vor der Brust ha- ben . Wir reden ja über den Haushalt des Bundeswirt- schaftsministeriums . Stellen Sie sich einmal vor, wir Erstens . Wir werden das Thema Digitalisierung be- wären in einer anderen ökonomischen Lage mit diesen herzt angehen müssen, weil es die Wettbewerbsfähigkeit Herausforderungen konfrontiert . Mir wäre dann wirklich dieses Landes berührt, weil es riesige Produktivitätsfort- angst und bange . Aber wir haben ökonomische Stärke, schritte verspricht, wenn wir uns auf diesen Weg machen . und diese ist an Kennziffern festzumachen: die nied- Aber wer von Industrie 4 0,. wer von Wirtschaft 4 0. re- rigste Arbeitslosigkeit seit der deutschen Einheit, ein det, der darf zu Arbeit 4 .0 nicht schweigen . Die Stärkung Wirtschaftswachstum – bei allen weltwirtschaftlichen der Mitbestimmung wird ein entscheidender Faktor sein, Erschütterungen – von immerhin 1,7 Prozent in diesem wenn es darum geht, beim Umstieg zur digitalen Produk- Jahr und ein prognostiziertes Wachstum von 1,6 Prozent im nächsten Jahr, also ein robustes Wirtschaftswachstum, tion in unseren Fabriken erfolgreich zu sein . Gegen Mit- und ein Geschäftsklima in der deutschen Wirtschaft nach arbeiterinnen und Mitarbeiter, gegen Arbeitnehmerinnen dem ifo-Geschäftsklimaindex, das zeigt, dass die deut- und Arbeitnehmer geht das nicht . Deshalb ist es gut, dass schen Unternehmen trotz all dieser Herausforderungen dieser Bundeswirtschaftsminister auf die Partnerschaft zuversichtlich in die Zukunft schauen . Das, meine Da- zwischen Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft (B) men und Herren, verleiht uns die Stärke, die zugegebe- setzt . Dabei hat er unsere Unterstützung . (D) nermaßen großen Herausforderungen zu bewältigen . (Beifall bei der SPD) Herr Mattfeldt, Sie haben erwähnt, wie lange Sie po- litisch tätig sind . Auch ich bin seit 1998 Mitglied dieses Zweitens, meine Damen und Herren, ist das Thema Hauses, seit 17 Jahren . Wir haben viele Krisen erlebt und Energiepolitik hier angesprochen worden . Aufgrund der viele schwierige Zeiten zu bewältigen gehabt . Ich kann Kürze der Redezeit werde ich das nicht vertiefen können, mich an den Kosovo-Krieg erinnern, an 9/11, an innen- aber so viel an die Adresse der Grünen: Wir setzen die politische Auseinandersetzungen um die Agenda 2010, Energiewende so um, dass sie erfolgreich ist . Da sage ich an Bankenkrisen, an vieles andere mehr . Ich gebe zu, die trotz all der Unkenrufe, die Sie hier vom Stapel lassen: Herausforderungen von heute sind andere, und sie sind Der Ausbau der Erneuerbaren geht weiter . Wir wollen größer . Aber ich glaube, wenn der Satz „Wir schaffen aber dafür sorgen, dass er so weitergeht, dass er bezahl- das“ keine reine Durchhalteparole sein soll, dann müs- bar ist und auch Systemintegration stattfinden kann. sen wir auch sagen, wie wir es schaffen . Das heißt, wir müssen gerade angesichts der Herausforderungen unse- (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ren Job tun, NEN]: Wir brauchen einen Systemwech- sel! – Weiterer Zuruf der Abg . Bärbel Höhn (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Asyl- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) paket I! – [CDU/CSU]: Asylpaket II müssten wir machen!) Deshalb machen wir Aufräumarbeiten an der Energie- damit wir die wirtschaftliche Stärke erhalten und wir das wende . Auch da hat der Bundeswirtschaftsminister unse- menschlich anständig hinbekommen . Genau das tut diese re Unterstützung . Das ist kein leichtes Geschäft; aber es Bundesregierung, meine Damen und Herren . ist wichtig, damit die Energiewende in diesem Land zum Erfolg wird . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ja, den Erneuerbaren gehört die Zukunft – Stück für Ich will das deutlich sagen; denn jenseits des Zerrbil- Stück . Aber wir müssen dafür sorgen, dass der Ausbau des, das die Linke hier beschrieben hat, sind die wirt- effizient gestaltet wird, was die Kosten, die Planbarkeit schaftliche Stärke, die Nachfrage und die Wettbewerbs- und die Systemintegration betrifft . Wir werden die Er- fähigkeit etwas, was die wirtschaftliche Kraft in diesem neuerbaren, die inzwischen 33 Prozent des Bruttostrom- Land ausmacht . Das Wirtschaftswachstum, Herr Dehm, verbrauchs in Deutschland ausmachen, konsequent an wird eben nicht nur von einer starken und wettbewerbs- den Markt heranführen . Wir werben um Ihre Unterstüt- 13720 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Hubertus Heil (Peine) (A) zung, damit wir die Energiewende schaffen und nicht ge- schon mehrere Jahre mehr als 6 Prozent . Da die Bundes- (C) gen die Wand setzen, meine Damen und Herren . regierung wahrscheinlich schon immer vorausgesehen hat, dass sie diese Regeln brechen wird, hat sie in den (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten europäischen Regeln vorgesehen, dass diese Regelverlet- der CDU/CSU) zung nicht sanktioniert wird . So kann man europäisches All das, was wir vor der Brust haben, ob bei den großen Recht auch mit Füßen treten. Ich finde, das ist ein Skan- Herausforderungen unserer Zeit, bei der Digitalisierung, dal . bei der Frage, wie wir die Energiewende vom Kopf auf (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- die Füße stellen, damit eine sichere und saubere Energie- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) versorgung für die Zukunft unseres Landes gewährleistet werden kann, machen wir, weil es uns um eines geht: Wir Wenn Wirtschaftsminister Gabriel – wir kennen das setzen auf eine aktive Wirtschaftspolitik . Sigmar Gabriel aus früheren Diskussionen – diese Exportüberschüsse betreibt eine aktive Wirtschaftspolitik, weil es uns darum immer wieder hochhält, dann muss man ihm und den- geht, die Zukunft unseres Landes zu sichern . jenigen, die das auch tun – in den Zwischenrufen eben klang das ja an –, deutlich sagen: Sie wollen, dass die Herzlichen Dank . Schulden des Auslands dauerhaft weiter steigen, und Sie (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nehmen dem Ausland jegliche Chance, sich irgendwann der CDU/CSU) einmal zu entschulden . Wie kann man sich eigentlich einbilden, dass die Präsident Dr. Norbert Lammert: anderen Länder das auf Dauer so hinnehmen? Es ist in Das Wort erhält nun Kollege Michael Schlecht für die Deutschland wohl wenig bekannt, aber es gibt in Italien, Fraktion Die Linke . Frankreich und anderen – gerade europäischen – Län- dern immer wieder Diskussionen, ob man mit diesem (Beifall bei der LINKEN) Deutschland, das sich so unfair verhält und quasi wirt- schaftsimperialistische Züge aufweist, Michael Schlecht (DIE LINKE): (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD) Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die deutsche Wirtschaft wird bis Ende 2015 Waren und weiter Handel treiben sollte oder ob es nicht besser wäre, Dienstleistungen im Wert von voraussichtlich knapp aus einem Euro auszusteigen, in dem sich Deutschland – 240 Milliarden Euro mehr ans Ausland verkauft haben, das muss man schon so sagen – wie ein Fuchs im Hüh- als sie aus dem Ausland bezog . nerstall gebärdet . (B) (D) (Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Immer die (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Lassen Sie gleiche Platte!) den Fuchs in Ruhe! – [CDU/ CSU]: Herr Fuchs kommt gleich noch!) Diese deutschen Exportüberschüsse summieren sich seit dem Jahr 2000 bis zum Ende dieses Jahres auf mehr als Was wir brauchen, ist eine Umkehr in der Wirtschafts- 2 Billionen Euro . politik. Deutschland muss endlich auch Defizite im Au- ßenhandel machen, um zum Abbau der Verschuldung des (Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Gott sei Auslands und zur Beseitigung internationaler Ungleich- Dank!) gewichte beizutragen . Die Probleme hier sind ja vor al- Möglich ist das natürlich nur, weil Deutschland gleich- lem deshalb entstanden, weil die Binnennachfrage in den zeitig diese 2 000 Milliarden Euro dem Ausland leiht . letzten 15 Jahren zu sehr stranguliert worden ist und da- Das Ausland verschuldet sich immer mehr bei uns . Wie mit die Importe viel schwächer angestiegen sind als die nachhaltig ist das? Gar nicht! Das ist überhaupt nicht Exporte . nachhaltig . Der eigentliche Kern des Problems ist eine desaströse Diese Entwicklung drückt sich in einem gewalti- Lohnentwicklung, die endlich umgekehrt werden muss . gen Leistungsbilanzüberschuss aus, der dieses Jahr bei (Beifall bei der LINKEN) 8,5 Prozent liegen und damit 250 Milliarden Euro, da er etwas höher als der Exportüberschuss ist, betragen wird . Im Vergleich zum Jahr 2000 liegen die Reallöhne je Wie gesagt, möglich ist dies nur, weil das Ausland stän- Beschäftigten heute kaum höher als damals . Das ist ein dig gezwungen wird, sich immer mehr zu verschulden . Skandal in einem so reichen Land . Gleichzeitig haben wir eine Regierung, die immer wieder (Beifall bei der LINKEN) verkündet, Verschuldung sei das Schlimmste der Welt . Aber man nimmt billigend in Kauf, dass sich das Ausland Wären die Reallöhne in den letzten Jahren – wie mein wegen der deutschen Exportüberschüsse ständig weiter Vorredner ja betont hat – nicht ein bisschen gestiegen, verschuldet . lägen sie heute deutlich unter der Marke des Jahres 2000 . Der über die Jahre entstandene Verlust ist längst nicht Die Bundesregierung betreibt nicht nur eine Wirt- wettgemacht; deswegen muss dort eine Umkehr stattfin- schaftspolitik, die gegenüber dem Ausland unfair ist, den . sondern bricht damit auch europäisches Recht . Der Leis- tungsbilanzüberschuss darf nach den Regeln nämlich Die Entwicklung der Tariflöhne ist dabei noch nicht nur 6 Prozent betragen . 8,5 Prozent beträgt er . Er beträgt einmal das vorrangige Problem, obgleich den Gewerk- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13721

Michael Schlecht (A) schaften mit Leiharbeit, Befristung und Werkverträgen was uns derzeit in diesem Lande im Hinblick auf interna- (C) dicke Knüppel zwischen die Beine geworfen wurden . In tionale kriegerische Auseinandersetzungen bedroht . der Folge waren viele Tarifabschlüsse auch nicht beson- ders berauschend . Danke schön . (Beifall bei der LINKEN) Nein, das eigentliche Problem ist, dass die Tarifbin- dung durch die Politik der letzten 15 Jahre immer mehr zerbröselt ist . Präsident Dr. Norbert Lammert: Michael Fuchs ist der nächste Redner für die CDU/ (Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: So ist es!) CSU-Fraktion . Heute arbeiten nur noch 50 Prozent der Beschäftigten un- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ter dem Schutz eines Flächentarifvertrages, und das in so ordneten der SPD – Kerstin Andreae [BÜND- einem Land wie Deutschland: Das ist doch ein Skandal! NIS 90/DIE GRÜNEN]: Kontrolle oder (Beifall bei der LINKEN) nicht? – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kontrollverlust!) Bei den übrigen Beschäftigten, die wie im Frühkapitalis- mus arbeiten und jede Bedingung akzeptieren müssen, die ihnen der Unternehmer diktiert, sind die Löhne in den Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): letzten 15 Jahren in den Keller gerauscht . Sie liegen pro Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie- Kopf 17, 18 oder 19 Prozent niedriger als im Jahr 2000 . be Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe zunächst überlegt, ob ich auf die Rede des Kol- Es ist doch ein Skandal, dass sich große Unternehmen legen Schlecht eingehen soll, aber mir ist dabei schlecht wie Amazon in diesem Land vor einem Tarifvertrag drü- geworden . Ich lasse es deswegen sein; cken können . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – (Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Ja! Rich- Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Ha, ha! Sie tig!) sind der Fuchs im Hühnerstall! – Weiterer Zu- Was unternimmt diese Regierung eigentlich, um den für ruf von der LINKEN: Sehr originell!) einen Tarifvertrag streikenden Kolleginnen und Kollegen das hat nun wirklich keinen Sinn . Die Aussagen, die er da zu helfen? Nichts! Auch das ist ein Skandal in diesem von sich gegeben hat, mögen bei dem VEB DDR funk- Lande . tioniert haben – wir haben das Resultat 1989 mit dem (Beifall bei der LINKEN) Zusammenbruch der DDR erlebt –, hier in diesem Parla- (B) ment brauchen wir das Ganze nicht . (D) Es kann doch nicht angehen, dass solche Unternehmen (Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Er ist schalten und walten und mit den Beschäftigten umgehen aus Baden-Württemberg, Herr Fuchs!) können, wie sie wollen . Es gab sogar einen Kanzler, der stolz darauf war, dass er eine Politik gemacht hat, die zu – Er hat Gott sei Dank in Baden-Württemberg nichts zu solchen Niedriglöhnen in Deutschland führte. Ich finde, sagen, sonst würde es dem Land auch schlechtgehen . das ist wirklich peinlich . Meine sehr geehrten Damen und Herren, Deutschland Die Lösung der Probleme, die diese Entwicklung mit geht es gut; die Kanzlerin hat es gestern betont . 43,2 Mil- sich bringt, ist doch eigentlich ganz einfach: Wir brau- lionen Erwerbstätige, rund 30 Millionen, die sozialversi- chen eine Umkehr bei den Rahmenbedingungen am Ar- cherungspflichtig beschäftigt sind: Das ist eine Erfolgs- beitsmarkt . Wir brauchen ein Verbot der Leiharbeit und story . Das können Sie nicht wegdiskutieren, was auch der sachgrundlosen Befristungen . Wir brauchen endlich immer Sie damit erreichen wollen . auch ein Vetorecht des Betriebsrates bei Werkverträgen und auch bei Outsourcing-Strategien der Unternehmen . (Beifall bei der CDU/CSU) Das wäre notwendig, um unser Land wieder voranzu- Nur die Situation jetzt ist so, dass wir vor gewalti- bringen . gen Herausforderungen stehen . Die Herausforderungen (Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: In welchem entstehen durch die große Flüchtlingswelle, die wir be- Land leben Sie denn eigentlich?) werkstelligen müssen . Wir sind gefordert, Lösungen zu finden. Das heißt auch, dass wir darauf achten müssen, dass es nicht dazu kommt, dass diesen Menschen keine Präsident Dr. Norbert Lammert: Perspektive in Deutschland eröffnet wird; denn wenn sie Herr Kollege . keine Perspektive in Deutschland haben, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dann Michael Schlecht (DIE LINKE): werden wir eine Situation wie in den französischen Ban- lieues erleben . Einen Satz noch .– Die am Anfang genannten Außen- handelsungleichgewichte sind nichts Technisches, nichts Es ist tragisch, was in Paris passiert ist . Es ist furcht- Spielerisches, sondern sie sind eine Gefahr gerade auch bar, was dort passiert ist . Aber es waren junge Franzosen für eine friedliche internationale Zusammenarbeit . Wenn und junge Belgier, die diese Anschläge verübt haben . ich mehr Zeit hätte, könnte ich noch ausführen, inwie- Man muss sich bitte überlegen, woher das kommt . Das weit dies negative Rahmenbedingungen setzt für vieles, kommt daher, dass diese jungen Menschen in den Banli- 13722 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Dr. Michael Fuchs (A) eues, in den Vorstädten von Paris und Brüssel, keine Per- len zwar erreichen, dass auch nachts die Sonne scheint, (C) spektive hatten . Sie haben auch keine Chancen gesehen, bis jetzt sind sie damit aber relativ erfolglos . Deswegen dass sich ihre Situation ändert . Deswegen ist es unsere müssen wir Lösungen finden. Aufgabe, eine Wirtschaftspolitik zu machen, die Arbeits- plätze schafft, so dafür zu sorgen, dass junge Menschen (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – in Deutschland eine Chance haben . Das ist unsere Aufga- Dr .Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE be; die sehe ich auch genau so . GRÜNEN]: Also, Ihre Argumente haben ein Niveau, das einen wirklich erschüttert! Das ist (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und wirklich erschütternd, was Sie hier erzählen! der SPD) Das ist peinlich für dieses Haus!) Ich bin mir mit Hubertus Heil völlig einig, dass wir Eines will ich nicht: Ich will nicht, dass wir ab 2019 jetzt darüber nachdenken müssen, wo Fehler liegen und gezwungen sind, Atomstrom aus Tschechien und Kohle- wie wir diese Fehler beheben können . Ich will bei der strom aus Polen zu importieren . Das würde nämlich die Energiepolitik anfangen . Konsequenz sein . Das Bundeswirtschaftsministerium hat Ich bin gar nicht gegen den Ausbau der Erneuerbaren . uns schon darauf aufmerksam gemacht, Herr Minister, dass das auf uns zukommen wird . (Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Doll!) (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Nur muss er auch – das haben wir in dieser Koalition NEN]: Herr, lass Hirn vom Himmel fallen!) beschlossen – berechenbar und planbar sein . Dazu gehört für mich, dass wir unsere Zielvorgaben auch einhalten, Meine Damen und Herren, so etwas in Kauf zu nehmen, aber das tun wir in vielerlei Hinsicht nicht . ist für mich auch nicht glaubwürdig . (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Die großen Unternehmen haben immerhin 280 000 Be­ NEN]: Nein, Sie unterschreiten sie!) schäftigte, direkt und indirekt . Ich möchte, dass diese Be- schäftigten eine Perspektive in Deutschland haben . Ich Beim Onshore-Windausbau liegen wir round about möchte nicht, dass diese Arbeitsplätze durch Maßnah- doppelt so hoch, wie wir es uns einmal vorgenommen men, die wir hier ergreifen, gefährdet werden . haben . Im letzten Jahr sind ungefähr 4,5 Gigawatt auf- gestellt worden, geplant waren 2,5 Gigawatt . In diesem Ich möchte ein zweites Thema ansprechen . Es geht Jahr werden es über 5 Gigawatt sein, geplant waren eben- um Werkverträge und Zeitarbeit . Ich bin sehr froh, dass falls 2,5 Gigawatt . Das führt dazu, dass wir mittlerweile die Kanzlerin vorgestern bei der Jahrestagung der BDA 16 Terawattstunden mehr an Strom haben, als wir geplant sehr deutlich gemacht hat, dass wir den Koalitionsvertrag (B) hatten, und entsprechende Kosteneffekte dadurch ausge- einhalten, aber in keiner Weise über diesen Koalitions- (D) löst werden . Diese Kosteneffekte – auch diesbezüglich vertrag hinausgehen . Das sollte das Bundesarbeitsminis- bin ich mit Hubertus Heil völlig einig – müssen wir in terium bitte berücksichtigen und dafür sorgen, dass das, den Griff bekommen . Ein Großabnehmer zahlt 150 Euro was vereinbart wurde, genau so gemacht wird und dass pro Megawattstunde . Ein Haushalt muss jetzt jährlich man nicht darüber hinausgeht . rund 250 Euro EEG-Kosten – das waren 2010 noch 80 Euro – tragen und zahlt mittlerweile insgesamt über Nach einem Entwurf, der in die Diskussion eingebracht 1 000 Euro jährlich für den Strom . wurde, sollen selbstständige Betreiber einer Werkskan- tine, IT-Servicekräfte oder Mitarbeiter von Wach- und (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sicherheitsdiensten rückwirkend – ich betone: rückwir- NEN]: Wer regiert denn hier seit zehn Jah- kend – zu Arbeitnehmern des Betriebes bestimmt wer- ren? – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE den können, ohne dass sie sich dagegen wehren können . GRÜNEN]: Das ist das Resultat Ihrer Politik!) Weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer sollen die Das ist zu viel . Damit schöpfen wir Kaufkraft ab, die Möglichkeit haben, zu sagen: Das wollen wir nicht .– dann für andere Bereiche nicht zur Verfügung steht . Das kann nicht sein . Diese Überbestimmung muss zu- rückgeführt werden . Das ist im Koalitionsvertrag nicht (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) vereinbart worden . Ich bitte das Arbeitsministerium, den Entwurf entsprechend zu verändern, bzw . das Bundes- Es darf auch, meine Damen und Herren, keinen Feld- kanzleramt, ihn in dieser Fassung zurückzuweisen . zug gegen die großen EVUs geben, wie ihn Grüne und Linke gerne unternehmen; denn wir brauchen kapital- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) starke Unternehmen, die das kapitalintensive System der Stromversorgung in Deutschland garantieren und dafür Es kann auch nicht sein, dass bei Zeitarbeitsverträgen sorgen, dass wir nach wie vor Versorgungssicherheit ha- alle Sachleistungen eingerechnet werden müssen und ben . diese dann in geldwerte Vorteile umgerechnet werden sollen . Das ergibt eine Bürokratie, die überhaupt nicht (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) zu bewältigen ist; denn es gibt über 170 mögliche Sach- Es ist nun einmal dummerweise so, dass wir das eine leistungen . oder andere Mal die berühmte Dunkelflaute haben, also (Zuruf von der LINKEN) weder Wind- noch Sonnenenergie zur Verfügung stehen . Wenn Sie mir das nicht glauben wollen, schauen Sie bitte Die können wir nicht alle umrechnen . Das wollen wir schlicht und ergreifend aus dem Fenster . Die Grünen wol- nicht haben . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13723

Dr. Michael Fuchs (A) Meine Damen und Herren, die Zeitarbeit und die Dazu gehört, dass wir uns mit den Freihandelsabkom- (C) Werkverträge sind eine Brücke in den ersten Arbeits- men beschäftigen . Für mich sind die Freihandelsabkom- markt . 63 Prozent der Zeitarbeitnehmer waren vor Ein- men der Schlüssel zu einem erfolgreichen Außenhandel . tritt in die Zeitarbeit arbeitslos oder noch nie beschäftigt . (Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Der Aus diesem Arbeitskräftepool kommen die Zeitarbeit- Schlüssel zum Niedergang des Mittelstands!) nehmer . Diese Brücke in den ersten Arbeitsmarkt dürfen wir um Gottes willen nicht kaputtmachen . Im Gegenteil: Das gilt auch für TTIP . Ich bitte Sie, darüber nachzuden- Angesichts der Flüchtlingsproblematik werden wir sie ken . jetzt dringend brauchen . (Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Mittel- (Dr .Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- standsungeheuer!) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!) Denn alleine wenn ich höre, dass von gruseligen Um- weltstandards in den USA die Rede ist, kann ich Ihnen Meine Damen und Herren, ich bin immer gerecht . nur eins empfehlen: Rufen Sie doch einmal bei VW an; Deshalb habe ich für jeden etwas mitgebracht, auch für die werden Ihnen dazu etwas sagen . den Bundesjustizminister: Verehrter Herr Maas, ich freue mich, dass Sie hier sind . Ich möchte Sie bitten, den mit- (Dr .Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE telständischen Unternehmen ganz schnell zu helfen . Im GRÜNEN]: Den Tipp könnten Sie mal Herrn Handelsgesetzbuch muss etwas beim deutschen Bilanz- Dobrindt geben! Der sollte mal bei VW anru- recht passieren . Wir dürfen die Unternehmen nicht für fen!) die ultralockere Geldpolitik der letzten Jahre büßen las- Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Außen- sen . Sie wissen, was ich meine: Die drastisch gesunkenen handel ist für Deutschland eine große Chance; er muss Marktzinsen haben dazu geführt, dass sich die Zinssitua- gestärkt werden . Ich würde mir wünschen, dass die Op- tion verändert hat . Und bei niedrigeren Zinsen sind höhe- position dabei mitmacht und mithilft . re Rückstellungen notwendig . Danke . (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ja, das ist (Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Diether logisch!) Dehm [DIE LINKE]: Junge, Junge! So viel Unverstand!) Diese höheren Rückstellungen führen wiederum zu einer Schwäche bei den Investitionen und wirken sich in der Folge problematisch auf die Pensionen aus; denn viele Präsident Dr. Norbert Lammert: (B) Unternehmen sagen, dass sie dann keine betrieblichen Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die (D) Pensionen mehr zahlen können . Kollegin Kerstin Andreae das Wort .

Wir könnten das relativ schnell heilen . Ich möchte Sie Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): bitten, darüber noch einmal nachzudenken: Wenn wir Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! statt des Bemessungszeitraums von sieben Jahren – das Frau Hajduk hat es gesagt: Die Expertenkommission ist jetzt ein bisschen technisch; aber es handelt sich eben zum Thema Investitionsstau, die Fratzscher-Kommissi- um ein technisches Problem, und das muss schnell gelöst on, hat sich bis März 2015 mit dem Ziel befasst, die ver- werden – einen Bemessungszeitraum von zwölf Jahren haltene Investitionstätigkeit in Deutschland zu stärken . ansetzen würden, dann, Herr Minister, hätten wir – da bin Wenn wir in den Haushalt schauen, sehen wir jedoch ich ziemlich sicher – das Problem gelöst . überhaupt nichts von Stärkung . Vielmehr wird nur jeder zehnte Euro dieses Haushalts überhaupt investiert, und (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Nein, das bei steigenden Steuereinnahmen . Das ist ein echtes nein! Hätten wir nicht!) Armutszeugnis . Mit Stärkung von Investitionstätigkeit Der Zwang hoher Rückstellungen wäre dann nicht gege- hat das nichts zu tun . ben . Ich denke, wir sollten gemeinsam noch einmal da- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rüber nachdenken . sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Müssen Aber es geht ja nicht nur um die öffentlichen Inves- Sie das nicht in der Koalition ausmachen?) titionen, sondern auch um die privaten . Private Investi- tionen anzukurbeln, heißt, vernünftige Wettbewerbspo- Last, but not least: Herr Kollege Schlecht, vom Au- litik zu machen . Ein kluger Wirtschaftsminister schützt ßenhandel haben Sie nicht allzu viel Ahnung . Ich kann den Wettbewerb: damit die Großen nicht die Kleinen nur eins sagen: Wenn wir nicht einen so erfolgreichen schlucken, damit es faire Preise und faire Bedingungen Außenhandel hätten, dann wären rund ein Drittel der gibt und damit nicht Kungelei die Wirtschaftspolitik be- Arbeitsplätze in Deutschland überhaupt nicht vorhanden stimmt, sondern der nüchterne Sachverstand . oder gefährdet . Deswegen sollten wir alles dafür tun, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dass er wächst . Herr Gabriel, als Sie die Kohleabgabe gestartet haben, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- haben wir Sie verteidigt; die Kohleabgabe war richtig . ordneten der SPD) Bei einem Hinterzimmerdeal ist jetzt eine Braunkohle- 13724 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Kerstin Andreae (A) subvention herausgekommen . Das ist doch irre! Die Alli- Für den Mittelstand bleibt nichts übrig . Mit Wettbewerb (C) anz steigt aus der Kohle aus, und diese Bundesregierung hat das nichts zu tun . subventioniert seit neuestem Braunkohle . Völlig falsche Politik! Sie haben sich vor die Konzerninteressen span- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nen lassen . sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ein Thema, das uns alle bewegt, ist die Integration der sowie des Abg . Harald Weinberg [DIE LIN- Flüchtlinge . Die Wirtschaft steht in den Startlöchern . Je- KE]) des vierte Unternehmen sucht Fachkräfte . Die Unterneh- men sind bereit, Flüchtlinge auszubilden; wir haben das Die Telekom bekommt vermutlich den Zuschlag für beim Arbeitgebertag von Kramer, Grillo und Schweitzer den Breitbandausbau mit Vectoring . Die Telekom arbei- gehört . Ausbildung ist der Schlüssel zur schnellen Inte­ tet mit einer Technologie von gestern . Statt in Glasfaser gration . Aber dafür braucht es Verlässlichkeit . Ein Bei- wird in alte Kupferleitungen investiert . Das ist doch kei- spiel für Verlässlichkeit wäre, dass Sie endlich das Drei- ne vernünftige Industriepolitik! Es ist eine Sünde gegen plus-zwei-Modell der Wirtschaft umsetzen . Jemand, der den Wettbewerb. Davon profitiert die Telekom. Das war hier ausgebildet wird, braucht eine verlässliche Aufent- der Deal: Die Telekom verspricht, 1 Milliarde Euro in haltsperspektive für die Zeit der Ausbildung und für zwei den Breitbandausbau zu investieren, und bekommt qua- weitere Jahre, um Berufserfahrung zu sammeln . Wir un- si ein Exklusivrecht . Mittelständische Wettbewerber, die terstützen dieses Modell glasklar . zukunftsfähig auf Glasfaser setzen, kommen nicht zum Zug . Das ist rückwärtsgewandt und wettbewerbsfeind- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lich . Aber in der Arbeitsmarktpolitik hat die Regierung die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bedarfe waghalsig kleingeredet . Wenn man das, was im Haushalt abgebildet ist, mit den Anforderungen, die heu- Es steht ein neues Thema auf der Agenda: die Fusion te schon auf uns zukommen, vergleicht, wird deutlich, von Edeka und Kaiser’s Tengelmann . Vermutlich werden dass Sie die Bedarfe hier kleinrechnen . Wir sagen: Geben wir eine Ministererlaubnis dazu bekommen . Sie weitere 3 Milliarden Euro – und die können wir ge- genfinanzieren – für Integration, für Bildung und für den (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Warten Sie es Zugang von Flüchtlingen zum Arbeitsmarkt aus! Das ist mal ab! Sind Sie Hellseherin, oder was?) der Rückenwind, den die Unternehmen und die Gesell- Das ist offen, aber das Orakel geht in die Richtung . Ede- schaft brauchen, um Flüchtlinge zu integrieren . ka ist schon heute der Marktführer . Mit den zusätzlichen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (B) Supermärkten wäre Edeka uneinholbar für die anderen (D) Wettbewerber . Das schadet der Vielfalt und dem Wett- Herr Minister Gabriel, ich kann Sie nur eindringlich bewerb . bitten: Geben Sie Ihren Widerstand gegen die Abschaf- fung der Vorrangprüfung auf! Die Vorrangprüfung ist (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ohne praktischen Nutzen . Sie bindet wertvolle Kräfte Das schadet den Verbraucherinnen, und das schadet vor in der Verwaltung . Die Vorrangprüfung ist eine olle und allem den Erzeugern und Landwirten . anachronistische Kamelle . Sie gehört endlich in die Mot- tenkiste . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Und es nützt noch nicht einmal den Arbeitsplätzen . Wieso ist denn die Phalanx der Gegner so groß? Bauern- Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, suchen eine verband, Verbraucherzentrale, Verdi und auch wir Grü- Chance und eine Perspektive . Manche retten schlicht ihr nen sind absolut gegen diese Fusion . Erteilen Sie diese Leben und das Leben ihrer Familie . Heißen wir sie will- Ministererlaubnis nicht, Herr Gabriel! kommen, und zwar auch in dem Wissen, dass sie eine Chance für Deutschland, für unsere Gemeinschaft, für (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) unser kulturelles Zusammenleben und für unsere Weltof- Aber noch einmal zurück zur Fratzscher-Kommissi- fenheit sind . on . Von den vielen, auch guten Ideen ist herzlich wenig Deswegen sagen wir: Schmieden Sie ein Bündnis für umgesetzt . Aber eine wird vorbereitet: die Bundesfern- Integration: mit Unternehmen, Betriebsräten, Kirchen, straßen-GmbH . Mit öffentlich-privaten Partnerschaften Weiterbildungseinrichtungen und freiwilligen Initiati- wollen Sie dem Investitionsstau auf der Straße zu Lei- ven . Jetzt ist die Zeit, diese Herausforderung, vor der wir be rücken . Das ist keine gute Idee . Abgesehen von den stehen, in eine Chance zu drehen, die unserem Land nut- Kosten, die Sie zukünftigen Steuerzahlern vor die Füße zen wird: als Wirtschaftsstandort, aber auch als Gesell- kippen, und abgesehen davon, dass Sie damit die Schul- schaft und im Hinblick auf unser gemeinsames Zusam- denbremse umgehen – das sind wahrlich wichtige Punk- menleben . Da gehört eine kluge und vorausschauende te –, will ich auf den Wettbewerb hinaus . Das Baugewer- Wirtschaftspolitik dazu . Nutzen Sie diese Chance – mit be läuft Sturm gegen Ihre Pläne . Warum? Weil nur noch Herz, mit Plan und mit Verstand! sehr große Baukonzerne und sehr große Finanzinvestoren überhaupt in der Lage sind, diese Projekte zu stemmen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13725

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: dersetzung in Deutschland, wem wir etwas wegnehmen (C) Das Wort hat nun der Bundeswirtschaftsminister, Herr müssten, um die neuen Herausforderungen zu finanzie- Gabriel . ren . Gott sei Dank haben wir das nicht gemacht . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – der CDU/CSU) Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat keiner gefordert!) Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: – Klar haben Sie das gefordert . Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Recht (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- diskutieren wir in diesen Tagen im Rahmen der Haus- NEN]: Was haben wir?) haltsberatungen über die großen Herausforderungen, mit denen wir aufgrund der großen Zahl von Menschen, die – Natürlich gab es auch bei Ihnen Leute, die gesagt ha- Schutz und eine neue Heimat bei uns suchen, konfron- ben, man solle die schwarze Null nicht wie einen Fetisch tiert sind, und über die neuen Sicherheitsanforderungen, behandeln und vieles andere mehr . Diese Position gab es die wir spätestens nach den Ereignissen in Frankreich übrigens auch in meiner Partei . auch bei uns zu beraten haben . (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- All das fordert uns auch finanziell und wirtschaftlich NEN]: Jetzt bleiben Sie doch mal bei Ihrer heraus; keine Frage . Es sind insgesamt 10 Milliarden alten Formulierung! Ansonsten kommen Sie Euro, die der Bund 2015 und 2016 zur Bewältigung die- durcheinander!) ser Riesenherausforderungen aufbringt . Diese 10 Milli- arden Euro sind im Bundeshaushalt bereitgestellt . Wir – Frau Hajduk, bevor Sie mich durcheinanderbringen, erfüllen damit das Versprechen, unsere Länder und vor müssen Sie sich mehr als eine gelbe Jacke anziehen . allen Dingen die Kommunen bei der Flüchtlingsunter- bringung finanziell zu entlasten. Gleichzeitig stellen wir (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der 3 000 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei zur Ver- CDU/CSU – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE fügung . Das sind nur zwei Beispiele, wofür diese 10 Mil- GRÜNEN]: Das war aber reine Notwehr! Das liarden Euro verwendet werden . war echt kleines Karo!) Es gibt zwei Voraussetzungen, denen wir zu verdan- – Wir haben doch sonst ein anständiges Verhältnis zuei- ken haben, dass all das in so kurzer Zeit geht, dass es nander . nicht zu Verteilungskämpfen in Deutschland kommt und (B) (D) dass es nicht dadurch finanziert ist, dass wir den einen (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- etwas wegnehmen, um es denen, die kommen, zu geben . NEN]: Ja! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Die erste Voraussetzung ist eine wirklich gute wirt- Was? – Thomas Oppermann [SPD]: Schwarze schaftliche Entwicklung mit sinkenden Arbeitslosenzah- Null und gelbe Jacke!) len und extrem hoher Beschäftigung . Mehr als 43 Millio- – Ich unterstelle damit nichts Politisches; das will ich nen Menschen finden Arbeit, die weit überwiegende Zahl nicht gesagt haben . davon in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung – anders als das Diether Dehm erklärt hat . Zu ihm kann ich In der Debatte über Flüchtlinge, die zu uns kommen, nur sagen: Der Tag, an dem du Helmut Schmidt zitierst, höre ich leider von vielen Menschen einen Satz, den wir musste ein Tag sein, an dem er nicht mehr da ist, um sich vermeiden müssen: Für die macht ihr alles, für uns macht zu wehren – der arme Kerl . ihr nichts . (Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg . Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]) (Axel E . Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Genau!) Es war falsch, zu behaupten, wir hätten eine sinkende Lohnentwicklung . Wir haben nicht mehr Armutslöhne, Es ist gefährlich, wenn sich dieser Satz in die Mitte der sondern bessere Tariflöhne. Das heißt, wir haben eine ex- Gesellschaft frisst . Deshalb ist es von so großer Wichtig- zellente wirtschaftliche Entwicklung, die Gott sei Dank keit, dass wir keine Verteilungskonflikte im Land auslö- bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern endlich sen, sondern eine doppelte Integrationsaufgabe bewälti- wieder ankommt . gen, nämlich die zu integrieren, die kommen, aber auch die beieinanderzuhalten, die in unserem Land sind . Wir Die zweite Voraussetzung ist eine solide Finanzpoli- dürfen nicht zulassen, dass der eine gegen den anderen tik . Man stelle sich vor, wir hätten auf die Ratschläge ge- ausgespielt wird . hört, die es seit geraumer Zeit gab, man müsse doch die schwarze Null und den strukturell ausgeglichenen Haus- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten halt nicht so früh erreichen; das sei doch nicht so wichtig . der CDU/CSU) Man könne doch vorher ein paar Programme auflegen. – Man stelle sich vor, wir hätten uns darauf eingelassen . In Frau Andreae, man kann zwar ökonomische Argumen- welchen Verteilungskonflikten wären wir jetzt, um diese te anführen und sagen: Schafft die Vorrangprüfung ab . Herausforderung mit einem Volumen von 10 Milliarden Die Gewerkschaften sind aber dagegen, sie abzuschaf- Euro zu finanzieren? Wir wären mitten in der Auseinan- fen, weil dabei das politische Signal entstehen kann, dass 13726 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Bundesminister Sigmar Gabriel (A) die, die kommen, denen vorgezogen werden, die schon Hajduk, Sie und Ihre Kollegin haben gefragt: Was macht (C) hier sind und langzeitarbeitslos sind . ihr für Investitionen? 20 Milliarden Euro in einer Le- gislaturperiode an kommunaler Entlastung – das gab es (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- noch nie in der Geschichte der Republik . NEN]: Das sieht die Arbeitsministerin aber anders!) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Der Grund, warum die Gewerkschaften Ihren Vorschlag Die Hilfen für die Flüchtlinge sind dabei noch gar nicht ablehnen, ist, dass sie solche politischen Spannungen gar mit eingerechnet . Das ist das, was wir vorher schon be- nicht erst symbolhaft entstehen lassen wollen . schlossen hatten . (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist auch Ich finde, es ist gut, dass wir daran nichts verändern. richtig!) Wir ändern nichts daran, dass wir 6 Milliarden Euro mehr Das ist auch der Grund, warum ich den Gewerkschaften für Bildung, Forschung und Entwicklung ausgeben . Üb- in dieser Position folge, Frau Andreae . rigens ändern wir, Frau Hajduk, auch nichts daran, dass wir in der Klima- und Energiepolitik für Energieeffizi- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten enzmaßnahmen 5,8 Milliarden Euro bereitstellen . Es gab der CDU/CSU) jetzt eine Kürzung der Verpflichtungsermächtigung in Frau Andreae, das ist der gleiche Grund, warum wir Höhe von 350 Millionen Euro . Ich gehe davon aus, dass denkbaren ökonomischen Argumenten – diese gibt es wir davon nicht betroffen sein werden . nicht bei Ihnen, aber bei anderen – nicht folgen, die da (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- besagen: Schafft den Mindestlohn für Flüchtlinge ab, da- NEN]: Dann sind Sie schlecht unterrichtet!) mit sie zum Beispiel über Praktika schneller beschäftigt werden können . – Ökonomisch kann man das vielleicht – Lassen Sie mich den Satz zu Ende führen .– Wenn es so verstehen . Aber was bedeutet dieses Symbol? Die Ar- wäre, würde das nur heißen, dass aus 5,8 Milliarden Euro men, die kommen, werden gegen die Armen, die hier im dann 5,5 Milliarden Euro werden und das Programm so- Land sind, ausgespielt . zusagen ein bisschen länger laufen muss . Es werden also (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten 5,5 Milliarden Euro oder 5,8 Milliarden Euro für Klima- der CDU/CSU) schutz und Energieeffizienz ausgegeben. Sie hätten doch früher gejubelt, wenn es solch riesige Beträge für Ener- Deshalb darf man dieser Forderung nicht nachgeben, und gieeffizienz gegeben hätte. Die gibt es doch zum ersten wir werden das nicht tun . Am Gesetz gibt es keine Än- Mal in diesem Haushalt . derungen . (B) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (D) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ Wir erhöhen die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe DIE GRÜNEN) „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ frü- her, als wir gedacht haben . Wir haben mithilfe der Parla- Übrigens ist das auch der Grund, warum wir dafür mentarier – ich nenne Herrn Jurk und Herrn Mattfeldt – plädieren, jetzt keinen Flüchtlingswohnungsbau zu be- das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM, treiben . Wir müssen vielmehr Wohnungsbau – vor allem ebenfalls auf dem vorgesehenen Niveau halten können . in den Ballungszentren – für alle Menschen betreiben, 40 Prozent dieser Mittel gehen nach Ostdeutschland, und die inzwischen Schwierigkeiten haben, eine bezahlbare auch 80 Prozent der GRW-Mittel gehen nach Ostdeutsch- Wohnung zu finden. land . An nichts von dem ändern wir irgendetwas . Gleich- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten zeitig schultern wir eine Riesenaufgabe . Der Grund dafür der CDU/CSU) ist, dass wir eine so gute wirtschaftliche Entwicklung und solide Finanzen haben . Zu dem Versprechen „Wir schaffen das“ gehört auch das Versprechen, dass wir in Deutschland niemanden da- Natürlich machen wir auch beim Thema Energie und runter leiden lassen, dass wir eine neue Aufgabe über- Klimaschutz weiter . Frau Andreae und Frau Hajduk, Sie nehmen müssen . Zum „Wir schaffen das“ gehört auch, kritisieren hier gerade, da würde nicht so viel passieren . (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir machen In diesem Jahr haben die erneuerbaren Energien einen das!) Anteil von 33 Prozent am Strommarkt . Im letzten Jahr hatten wir 27 Prozent . Die erneuerbaren Energien gewin- die Menschen hier zusammenzuhalten und ihnen zu zei- nen . gen, dass wir ihre Sorgen, Hoffnungen, Ideen, Wünsche und berechtigten Ansprüche nicht vergessen . (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: So ist es!) (Beifall bei der SPD) Sie haben in diesem Jahr den größten Anteil an der Stromproduktion der Bundesrepublik Deutschland . Und Deshalb ist es gut, dass wir in dem Haushalt, den wir da kommen Sie und sagen, dass wir in der Energie- und beschließen, keine Abstriche bei all dem machen, was Klimapolitik nicht weitermachen . wir uns vorgenommen haben . Wir bauen weiter Kinder- tagesstätten aus . Wir widmen uns der Verbesserung der (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Situation in der Altenpflege und in der Krankenpflege. NEN]: Was ist denn mit Photovoltaik und Wir haben das kommunale Entlastungsprogramm . Frau Biogas?) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13727

Bundesminister Sigmar Gabriel (A) – Ich sage es Ihnen gerne zum zehnten oder elften Mal: Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und (C) Beim Biogas – das haben wir übrigens mit allen Minis- Energie: terpräsidenten, auch mit Ihrem, verabredet – gibt es eine Frau Kollegin Hajduk, diese Frage hat vorhin der Kol- Verringerung, weil das die teuerste Art der erneuerbaren lege Jurk in seiner Rede beantwortet, indem er es begrüßt Energien ist . Da wird der Ausbaukorridor etwas kleiner hat, dass das Batteriespeicherprogramm für Photovol- sein . Bei Wind – darauf hat Herr Fuchs hingewiesen – taikanlagen fortgesetzt wird . Das habe ich jedenfalls so liegen wir wesentlich darüber, bei PV darunter . Aber wir verstanden . befinden uns im vorgesehenen Korridor. (Thomas Jurk [SPD]: Richtig!) Im Jahr 2025 wollen wir einen Anteil der erneuerba- ren Energien von 40 bis 45 Prozent erreichen . Wir haben Das hatten Sie, aber auch andere in den Fraktionen sich jetzt schon einen Anteil von 33 Prozent . Und da sagen gewünscht . Sie, dass wir in der Energie- und Klimapolitik nicht wei- (Thomas Jurk [SPD]: War zwar mühsam mit terkommen und dass wir vor Paris nichts zu bieten hät- dir, aber es ging!) ten . Wo leben Sie denn eigentlich? Deswegen haben wir dazu einen Vorschlag entwickelt . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Ihre Frage ist also in der Debatte vorhin von Herrn Jurk Zuruf der Abg . Dr . [BÜND- bereits beantwortet worden . NIS 90/DIE GRÜNEN]) Was den ersten Teil Ihrer Anmerkung angeht, will Ich komme zu Ihrer wunderbaren Debatte über die ich nur darauf hinweisen, dass mich niemand gezwun- Klima- und Kohleabgabe . Wir legen 13 Prozent Braun- gen hat, sondern dass wir in der Debatte über die Frage, kohlekapazitäten still . Es werden Kraftwerke stillgelegt . wie wir die Klimaschutzziele erreichen, mit der Sorge Und Sie sagen uns, wir würden die Kohle weiter fördern . der Beschäftigten konfrontiert wurden, dass sie in gro- Das kostet 230 Millionen Euro . Wissen Sie, warum? Weil ßer Zahl arbeitslos werden . Das betrifft ganze Regionen, wir damit verhindern, dass die Leute – wie sagt man im zum Beispiel die Lausitz . Wir wollten mit dieser Sorge Ruhrgebiet? – ins Bergfreie fallen . Das ist Strukturpo- nicht besserwisserisch umgehen, nach dem Motto „Eure litik . Wir legen Kapazitäten still, ohne die Leute den ganzen Sorgen sind unberechtigt“ . nächsten Tag arbeitslos zu machen . Da wollen Sie nicht mitmachen? Das verstehe ich überhaupt nicht . (Thomas Jurk [SPD]: Genau!) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Denn wenn wir falsch liegen, zahlen sie den Preis dafür – und nicht ich . (B) Präsident Dr. Norbert Lammert: Deshalb haben wir uns ein zweites Modell überlegt, (D) Herr Minister, darf die Kollegin Hajduk eine Zwi- nach dem 13 Prozent Braunkohlekapazitäten stillgelegt schenfrage stellen? werden . Das hatten wir in dem ersten Entwurf gar nicht vor . Wir haben immer gesagt, dass das mehr kostet als Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und das erste Modell, nämlich 230 Millionen Euro . Aber das Energie: ist doch kein zu hoher Preis . Setzen Sie das doch ein- Selbstverständlich . mal in Relation zu den 23 Milliarden Euro, die wir bereit sind, jedes Jahr für die Finanzierung der Lernkurve bei den Erneuerbaren aufzubringen! Wir halten 230 Millio- Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nen Euro dagegen, die wir einsetzen, um die Leute nicht Herr Minister, zur Kohleabgabe bzw . zu der Lösung, ins Bergfreie fallen zu lassen. Ich finde, das ist eine an- die Sie jetzt propagieren, will ich nur so viel sagen: Sie gemessene Güterabwägung . Wir haben die Leute nicht haben zu Beginn der ganzen Debatte dieses Instrument alleine gelassen . Sie sind doch diejenigen, die arbeitslos vorgeschlagen, und das haben Sie sicherlich aus Über- werden, wenn es schiefgeht, und ihre Mieten nicht mehr zeugung getan . Sie wissen, dass wir auch gerade ener- zahlen können . Wir sitzen dann immer noch brav im Tro- giepolitisch diese Art von Bereitstellung der Kohlekraft- ckenen . Deswegen war es, glaube ich, anständig, auf sie werke eigentlich nicht brauchen, und Sie sind gezwungen zu hören, statt weiter nach dem Motto „Mit dem Kopf worden, einen anderen Weg einzuschlagen . durch die Wand“ vorzugehen . Das wäre falsch gewesen . Aber meine Frage richtet sich auf etwas anderes: Ist es (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten richtig bzw . soll es dabei bleiben, dass Sie das Batterie- der CDU/CSU) speicherprogramm in der Photovoltaik in Zukunft nicht fortführen werden? Wir hatten schon einmal darüber ge- Abgesehen davon erinnere ich mich daran, dass auch sprochen . Ich habe es so verstanden, dass Sie noch ein- Sie schon einmal einen solchen Lernprozess bei einem mal darüber nachdenken wollten . Das Photovoltaik-Bat- Kohlekraftwerk durchmachen mussten, allerdings aus teriespeichersystem ist eine Innovation, die sich mehr rechtlichen Gründen . und mehr am Markt durchsetzt, aber dafür braucht es die (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Anja Fortführung des Programms in der Zukunft . Das wäre ein ­Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, weiterer Baustein, mit dem Sie beweisen könnten, dass das war eine rechtliche Frage!) wir jetzt mit einer ökologischen Modernisierung an die Industriepolitik herangehen . Oder halten Sie daran fest, Bei all diesen großen Aufgaben zu verhindern, dass dieses Speicherprogramm endgültig auslaufen zu lassen? es zu Verteilungskonflikten kommt, setzt voraus, dass 13728 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Bundesminister Sigmar Gabriel (A) die wirtschaftliche Entwicklung weiter gut verläuft . Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und (C) Dabei sind manche Hinweise der Opposition durchaus Energie: berechtigt . Es ist völlig richtig: Wir müssen uns endlich Wenn Sie mir gestatten, widerspreche ich erst einmal entscheiden, wie wir mit dem Thema Infrastrukturgesell- Ihrer Behauptung, wir zahlten 1,6 Milliarden Euro Sub- schaft und den anderen Vorschlägen der Fratzscher-Kom- ventionen für Kraftwerke, die ohnehin stillgelegt hätten mission umgehen . Es reicht nicht aus, sich auf den kom- werden sollen . Diese Kraftwerke haben auf dem Markt munalen Bereich zu beschränken . Sie haben völlig recht . so viel Geld verdient, dass das der Grund war, warum wir trotz Klimaschutz so hohe CO -Emissionen hatten . Ihre Aber es gibt noch andere Punkte, bei denen Sie uns, 2 Behauptung ist einfach falsch . Die Summe, die wir pro finde ich, hätten ermahnen können. Und weil Sie es nicht Jahr aufwenden, beträgt 230 Millionen Euro . Im Übrigen machen, mache ich es selber . halte ich es für angemessen, mit Beschäftigten über die Frage zu sprechen, ob Politik Auswirkungen auf ihre Ar- Präsident Dr. Norbert Lammert: beitsbedingungen hat . Herr Minister, bevor Sie zu weiteren, spekulativen Er- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten mahnungen kommen, würde der Kollege Krischer gerne der CDU/CSU) zwischendurch das Wort ergreifen, wenn er darf . Das unterscheidet vielleicht doch einen Grünen von ei- nem deutschen Sozialdemokraten; das mag sein . Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ja, natürlich . der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Oh!)

Präsident Dr. Norbert Lammert: Es macht doch nichts, wenn es Unterschiede gibt . Bitte sehr . (Zuruf von der LINKEN) – In Ihrer Fraktion will der eine Teil die Laufzeit der Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Braunkohlekraftwerke verlängern, während der andere Herzlichen Dank, Herr Minister, dass Sie meine Frage Teil Anträge stellt, die einen schnellen Ausstieg aus der zulassen . – Wenn Sie mit den Beschäftigten in der Braun- Braunkohle zum Ziel haben . Da sind die Grünen konse- kohle argumentieren, finde ich es ein bisschen unredlich, quenter . dass Sie jetzt den Braunkohleunternehmen 1,6 Milliar- Nun zu Ihrer Frage, wie es mit der Braunkohle wei- den Euro zahlen, (B) tergeht . Die Bundesregierung sorgt im Vorfeld der Kon- (D) (Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das könnt ferenz von Paris dafür, dass wir unsere Ziele bis 2020 ihr nicht hören!) erreichen . Deswegen sind 5,8 Milliarden Euro im Klima- und Energiefonds eingestellt . Wir sichern erst einmal, und zwar für die Stilllegung von Kohleblöcken, die sie dass wir zu den Staaten gehören, die ihre freiwilligen ohnehin vorgesehen haben . Das ist das exakte Gegenteil Verpflichtungen einhalten, damit wir andere zu verbind- von dem, was Sie vorher vertreten haben . Sie hatten vor- lichen Verabredungen bewegen können . Hätten wir uns her ein Modell, bei dem die Unternehmen zahlen sollten . übrigens nur an die verbindlichen Verabredungen gehal- Jetzt die Beschäftigten vorzuschieben, finde ich nicht se- ten, müsste Deutschland bis 2020 nur 30 Prozent CO2 riös . einsparen . Wir alle hier im Deutschen Bundestag haben uns freiwillig für 40 Prozent entschieden . Das sichern Ich möchte aber zu diesem Thema eine andere Frage wir . stellen . Gestern hat ihre Kabinettskollegin Frau Umwelt- ministerin Hendricks, die leider gerade den Saal verlassen Selbstverständlich werden wir über die Frage nach- hat, den Vorschlag gemacht, noch in dieser Legislaturpe- denken, wie wir mit der Braunkohleverstromung als riode die Entscheidung zu treffen, in 20 bis 25 Jahren aus einem der Hauptemittenten umgehen sollen, wenn die der Braunkohle auszusteigen . Mich interessiert, ob das Einsparziele bis 2040, 2050 oder 2060 immer größer auch die Position des Bundeswirtschaftsministers bzw . werden . Ein Zeitraum von 25 Jahren wird bei RWE ver- der gesamten Bundesregierung ist und wenn ja – sofern mutlich große Beruhigung auslösen; denn wenn ich es das in dieser Legislaturperiode stattfinden soll –, mit wel- richtig in Erinnerung habe, reichen die Kapazitäten der chen Instrumenten – reden wir dann über weitere Braun- Braunkohletagebaureviere ohnehin nur für diesen Zeit- kohlesubventionen, also 1,6 Milliarden Euro mal x? – raum . Ich weiß es allerdings nicht genau . das erreicht werden soll . (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ich finde es, ehrlich gesagt, nicht redlich, wenn die NEN]: Das ist länger!) Umweltministerin vor der Konferenz in Paris einen sol- – Es mag sein, dass der Zeitraum länger ist . chen Vorschlag unterbreitet und damit möglicherweise etwas ankündigt, was gar keine reale Entsprechung im Ich finde es aber angemessen, darüber zu reden, wie entscheidenden Teil der Bundesregierung, also bei Ihnen, Ersatzarbeitsplätze geschaffen werden sollen . In der findet. Deshalb bitte ich Sie um eine klare Aussage, wie Lausitz zum Beispiel gab es vor der deutschen Einheit das, was die Umweltministerin vorgeschlagen hat, ausge- 100 000 Beschäftigte in der Energiewirtschaft . Davon staltet werden soll . sind 90 000 wegrationalisiert . Übrigens ist ein großer Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13729

Bundesminister Sigmar Gabriel (A) Teil der positiven deutschen Klimaschutzbilanz dadurch müssen, wie wir einen höheren Anteil als 3 Prozent am (C) überhaupt erst ermöglicht worden . BIP für Ausgaben für Forschung und Entwicklung errei- chen können . Wir sind zwar besser als der Rest Europas, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) aber Südkorea hat sich 4,5 Prozent zum Ziel gesetzt . Ich 90 000 Menschen haben also mit ihrem Arbeitsplatz be- glaube, das ist das Ziel, das wir uns bis 2025 vornehmen zahlt . 10 000 sind noch da . Diese stellen die berechtigte müssen . Frage: Wenn es zu einem weiteren Abbau der Braunkoh- lekapazitäten kommen soll, wo sind die Ersatzarbeitsplät- (Beifall des Abg . Dr . ze, und zwar nicht nur für uns, sondern auch für unsere [CDU/CSU]) Kinder? – Vor diesem Hintergrund wäre es richtig, das zu Wir werden darüber reden müssen, ob es wirklich so tun, was die IG BCE und auch der BDEW vorschlagen, bleiben kann, dass die Wertgrenze für die Abschreibung nämlich nun darüber zu reden, mit welcher mittel- und geringfügiger Wirtschaftsgüter zuletzt vor 50 Jahren ver- langfristigen Perspektive wir Ersatzarbeitsplätze in die- ändert worden ist . Da liegen die Rahmenbedingungen ser Region schaffen können . für bessere Investitionen der Unternehmen . Natürlich (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- werden wir wieder über steuerliche Forschungsförde- NEN]: Ausstieg in 20 oder 25 Jahren – ja oder rung reden müssen und auch darüber, dass wir mit einem nein?) Breitbandausbau von 50 Megabit pro Sekunde bis zum Jahr 2018 ein gutes Ziel haben, aber bis zum Jahr 2025 – Sie möchten gerne, dass man mal eben so – so machen garantiert Gigabitnetze brauchen . Übrigens ist Vectoring Sie ja Klimapolitik – erklärt, an welchem Tag genau wir dazu eine Übergangstechnologie, aber kein Ersatz für das schaffen . Das Ergebnis hat unsere Umweltministerin Glasfaser . Also: Das, was wir vor allen Dingen machen nicht vorweggenommen . müssen, ist, darüber zu sprechen, wie wir Deutschlands (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wirtschaft bis 2025 wettbewerbsfähig halten . Wir dürfen uns nicht damit zufrieden geben, wie die deutsche Wirt- – Auch das ist nicht wahr . Sie sind in der Abteilung schaft derzeit aufgestellt ist . Pinocchio ganz gut unterwegs . Das, was Sie sagen, stimmt doch nicht . Das Plädoyer, wir sollten endlich unsere Exportstärke abbauen, halten Sie am besten in einer Betriebsversamm- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten lung von Daimler, Volkswagen, Siemens oder Bosch . der CDU/CSU) (Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Volkswa- Verstehen Sie, das ist die Art von Klimaschutzpolitik, gen ist gut! – Dr .Diether Dehm [DIE LINKE]: die uns in Schwierigkeiten gebracht hat . Ich gebe zu: Volkswagen macht das von selbst!) (B) Daran waren alle beteiligt . Immer dann, wenn es gera- (D) de passt, wird ein Ziel gesetzt . Einmal sprechen wir von – Ich werde auch die Beiträge von Ihnen zum Thema Klimaschutz, ein anderes Mal von Beschäftigung oder Volkswagen gerne den Betriebsräten dort übermitteln . von Preisstabilität . Zusätzlich möchten wir natürlich die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Stadtwerke retten . Dann kommen wir einmal im Jahr zu- der CDU/CSU – Dr .Diether Dehm [DIE LIN- sammen und stellen fest: Donnerwetter, die Ziele passen KE]: Das können Sie gerne tun!) irgendwie nicht zueinander . Wir müssen damit aufhören . Wir müssen in der Tat – – Wissen Sie, an der Seite von Arbeitnehmern zu stehen, da haben Sie recht – über die Frage der langfristigen heißt, sich in Schwierigkeiten nicht über sie lustig zu ma- Beschäftigungssicherung und des Aufbaus von Beschäf- chen . Das ist das, was dazu zu sagen ist . tigung in den Bereichen der Kohlewirtschaft sprechen, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – in denen wir mittel- und langfristig weniger Beschäftigte Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Es ist das haben werden . Das ist völlig richtig . Das wird übrigens, Management! – Dr . Diether Dehm [DIE LIN- Herr Krischer, Geld kosten . Sie sollten das dann aber KE]: Es heißt: sich mit dem Management aus- nicht – vielleicht sind es sogar dieselben Konzerne, die einanderzusetzen!) die Arbeitsplätze schaffen – als milliardenschwere Hilfen für Konzerne diffamieren, wie das Ihre Kollegin vorhin Lassen Sie mich am Schluss meiner Rede noch eini- gemacht hat . Dann ist das ein Beitrag zum Strukturwan- ge Bemerkungen zu der Situation nach den Attentaten in del; den haben wir in diesem Fall übrigens beim Braun- Frankreich machen . Der französische Journalist Nicolas kohlekompromiss auch gemacht . Hénin schrieb vor einigen Tagen – ich zitiere –: Die Bil- der aus Deutschland von Menschen, die Flüchtlinge will- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) kommen heißen, werden den IS besonders beunruhigen . Ich diskutiere gerne mit Ihnen, wie Sie wissen . Zusammenhalt, Toleranz, das ist nicht, was die Terroris- ten sehen wollen . Die Spielräume der kommenden Jahre werden wir nutzen müssen, um den guten Stand unserer Wirtschaft (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der zu erhalten; denn das, was mir am meisten Sorgen macht, CDU/CSU) ist das Vertrauen darauf, dass die wirtschaftliche Ent- Er fügte hinzu: Sie fürchten unsere Einheit und unsere wicklung eben einfach so bleibt . Ich vermute, dass die Toleranz mehr als unsere Luftangriffe . Schwierigkeiten dann beginnen, wenn man glaubt, es bleibe alles so . Ich glaube, wir werden darüber reden (Beifall bei Abgeordneten der SPD) 13730 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Bundesminister Sigmar Gabriel (A) Ich empfinde das als eine bemerkenswerte Aussage Meine Damen und Herren, die Flüchtlingsmigration (C) von einem Mann, der unter menschenunwürdigen Um- stellt ohne Zweifel unser Gemeinwesen vor eine unge- ständen einmal als Geisel vom IS festgehalten wurde, heure Aufgabe . Deshalb ist es richtig, dass sich die Koa- von dem man alles vermuten könnte, was Rache angeht . lition darauf verständigt hat, alles in der internationalen Ich finde, er bestärkt uns geradezu, dass sich nach Paris Politik dafür zu tun, dass wir es auch wirklich schaffen eben nicht alles ändern darf, dass wir unsere Vorstellun- können . gen von Zusammenleben, Menschlichkeit und Nächs- tenliebe nicht aufgeben werden . Das ist ein Aufruf zum Nicht die Zahl der Menschen, die kommen, ist das Zusammenhalt und zur Solidarität . Problem, sondern das Problem ist die Geschwindigkeit, in der sie kommen. Ich finde, deswegen ist der Drei- Ich finde, weil wir von Frankreich gerade gebeten schritt richtig, nämlich sich um die Hilfe in den Nachbar- werden, diese Solidarität auch praktisch werden zu las- regionen Syriens zu kümmern, die Außengrenze der Eu- sen, dass wir das schuldig sind . Es sind die Franzosen ge- ropäischen Union zu sichern und dann aber auch bereit wesen, zusammen mit anderen, die nach 1945 Deutsch- zu sein, Kontingente an Flüchtlingen, und zwar in hoher land, das damalige Volk der Täter, nach Holocaust, nach Zahl, ohne Schlepper und auf geordnetem Wege nach Vernichtungskrieg, nach Überfall, an den Tisch der zi- Deutschland zu holen – nach meiner Vorstellung unter vilisierten Völker Europas eingeladen haben. Ich finde, der Überschrift: Frauen und Kinder zuerst und Vorrang das müssen mutige Politiker in Frankreich gewesen sein, für Familien . die das damals gemacht haben . Wir sind den Franzosen etwas schuldig . Deswegen sage ich: Wir müssen ihnen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten auch jetzt, in dieser Situation, zur Seite stehen . Für mich des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) gibt es dazu keine Alternative . Das ist übrigens keine Obergrenze . Das wird nur (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) dann zu einer Obergrenze, wenn man das Asylrecht in Deutschland abschaffen würde – nur dann . Das aller- Natürlich wollen wir auch dafür Sorge tragen, dass dings werden wir nicht tun . sich die Entwicklung bei den Flüchtlingen besser voll- zieht als in den letzten Monaten . Wir wollen helfen, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) ordnen und steuern . Vieles davon – das hat der Kollege Das ist so etwas wie eine kommunizierende Röhre: Je ­Kauder gestern zu Recht gesagt – ist auf den Weg ge- weniger Menschen in Deutschland Asyl beantragen, des- bracht worden . to höher müssen die Kontingente sein, die wir Ländern Herr Kollege Kauder, weil Sie das gestern angespro- wie der Türkei abnehmen, wenn wir sie bitten, bessere Bedingungen für Flüchtlinge in ihrem Land sicherzustel- (B) chen haben: Ich bin sicher, wir schaffen auch das zweite (D) Paket . len . (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, dann ran!) Ich glaube, dass das eine kluge Politik ist, bei der wir darauf setzen, dass wir durch eine Zusammenarbeit – Sie haben doch gesagt, die Fraktionen würden helfen . in Europa mit unseren Nachbarn dafür sorgen, dass die Jetzt habe ich eine Bitte an Sie . Zurzeit scheitert das Außengrenze sicher ist, dass Menschen weniger Flucht- Ganze an der Frage, dass wir uns in einer Sache nicht gründe haben, weil wir ihre Lebensbedingungen in ihren einig werden. Ich finde, das müssen wir schaffen, gera- Herkunftsregionen verbessern, und bei der wir gleich- de vor Weihnachten . Ich kann nicht verstehen, warum zeitig bereit sind, auch in Zukunft eine hohe Zahl von Ihre Fraktion, bislang jedenfalls, skeptisch ist, ob wir Menschen, allerdings geordnet, nicht im Chaos und nicht Schwangeren, Minderjährigen unter 14 Jahren und Be- durch Menschenhandel, bei uns aufzunehmen . hinderten eine bessere medizinische Versorgung geben sollten . Das kann nicht sein . Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister . (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Schwangere, Behinderte, Minderjährige und kranke Energie: Kinder bekommen derzeit nur eine Notfallversorgung Letzte Bemerkung . – Am Ende wird dies alles nur und bei chronischen Erkrankungen keine dauerhafte dann funktionieren, wenn wir uns trotz schlimmer Ent- angemessene medizinische Versorgung . Ich bin sicher, wicklungen – wie der zwischen Russland und der Tür- dass wir das angesichts von Kostenordnungen von 5 bis kei – nicht davon abbringen lassen, dass militärische 6 Millionen Euro hinbekommen . Mittel allein nicht helfen werden, sondern dass wir auch (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem die Mittel der Diplomatie bei der Beendigung des Bür- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker gerkriegs in Syrien brauchen . Deswegen gehören die bei- ­Kauder [CDU/CSU]: Es geht ja gar nicht um den Dinge zusammen . das Geld!) Flüchtlingspolitik ist nicht zu trennen von dem, was Das kann doch nicht ein Bereich sein, bei dem wir zei- wir in der Diplomatie mit all den Möglichkeiten tun, die gen, dass wir uns um Frauen, um werdende Mütter, um Frank-Walter Steinmeier mit seinen Kolleginnen und Minderjährige und um Behinderte nicht kümmern wol- Kollegen dafür nutzt, um die Fluchtursachen besser zu len . bekämpfen. Ich finde, dann kann das Land auf das stolz Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13731

Bundesminister Sigmar Gabriel (A) sein, was es bereit ist zu leisten . Dies wird auch den Blick aber total engstirniger Buchhalter . Im Wirtschaftsminis- (C) der muslimischen Welt auf unser Land und auf Europa terium diktieren, wenn es darauf ankommt, die Kohle- verändern – und zwar zum Positiven . stromkonzerne, wo es langgeht – auch wenn der Minister das immer abstreitet –, so geschehen im Sommer die- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . ses Jahres – wir wissen das –, als den Kohlekonzernen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten 10 Millionen Tonnen CO2-Einsparung erlassen wurde . der CDU/CSU) Das halten wir für wahltaktische und parteipolitische Kleinkariertheit und Kurzsichtigkeit . Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei der LINKEN) Ich habe eine geschäftsleitende Bemerkung: Ich wer- de jetzt keine weiteren Kurzinterventionen oder Zwi- Herr Staatssekretär Baake hat gestern wirklich etwas schenfragen mehr zulassen . Wir sind schon deutlich über losgelassen . Er sagte, es komme einem ökonomischen dem zu Beginn der Debatte beschlossen Zeitrahmen . Blutbad gleich, am Ziel festzuhalten, aufgrund der fossi- Wir haben für die angemeldeten Redner jetzt noch eine len Überkapazitäten, die man dann schaffe, durch KWK Redezeit von ungefähr 50 Minuten . Die ausführlichen netto 25 Prozent des Stroms zu erzeugen . Das ist wirklich Antworten des Bundeswirtschaftsministers haben schon der Hammer . Ich sage Ihnen: Das ist bereits angerichtet, dazu beigetragen, dass die verbleibende Redezeit für sei- indem Sie die Klimaabgabe beerdigt haben, die überflüs- nen Kollegen Westphal eine stolze Minute betragen wird . sige fossile Überkapazitäten an der richtigen Stelle ver- nichtet hätte . Dieser große Fehler wird Ihnen noch lange (Heiterkeit) nachhängen; denn er zeigt, auf wessen Seite diese Bun- desregierung steht: auf der Seite der Kohleindustrie und Das ist eine besonders steile Versuchsanordnung . Ich bit- nicht auf der Seite des Klimas . te also um Nachsicht, dass wir mit Blick auf das weitere Programm des heutigen Tages da keinen weiteren Debat- Jetzt reden wir über die Arbeitsplätze . Sie haben sich tenspielraum haben . damit gegen zukunftsfähige Arbeitsplätze entschieden . Nun erhält das Wort die Kollegin Eva Bulling-Schröter­ Durch Ihre Kohlereserve haben Sie keine Arbeitsplätze für die Fraktion Die Linke . gerettet, die nicht durch einen klugen Kohleausstieg, wie ihn die Linken fordern, auf das Beste sozial abgefedert (Beifall bei der LINKEN) worden wären . (Thomas Jurk [SPD]: So einfach ist das Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): nicht! – Ulrich Freese [SPD]: Sie haben doch Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und (B) überhaupt keine Ahnung! Kommen Sie doch (D) Kollegen! Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass Sie die einmal in das Revier, und unterhalten Sie sich Stellungnahmen Ihrer eigenen Experten lesen – letzte mit den Menschen!) Woche haben Sie sie ja schwarz auf weiß bekommen –: Sie müssten Ihre Anstrengungen verdreifachen – jawohl, Jetzt reden wir über diese 230 Millionen Euro; Minis- verdreifachen –, falls wir das Ziel, den Treibhausgasaus- ter Gabriel hat dazu etwas gesagt . Dieses Geld bekom- stoß gegenüber 1990 um 40 Prozent zu reduzieren, noch men ja die Konzerne; es fließt eben nicht in Strukturpro- erreichen wollen . Das sagen nicht wir, die Linke, sondern gramme . Wir hätten Strukturprogramme gefordert . Experten der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme (Beifall bei der LINKEN) zum Vierten Monitoring-Bericht zur Energiewende . Die- se Experten sind kluge Leute, und sie sind gewiss nicht Noch etwas . Das DIW hat ausgerechnet, dass die ur- verdächtig, extreme Meinungen zu vertreten; vielmehr sprüngliche Klimaabgabe, für die wir alle waren – auch sehen sie das zentrale Ziel der Bundesregierung, das na- die Grünen, bloß die CDU offensichtlich nicht –, nahezu türlich auch unser Ziel ist, erheblich gefährdet . keine Arbeitsplätze gekostet hätte . Die Nettobeschäfti- gung über ein gutes EEG ist weit besser als die durch die Die Bundesrepublik Deutschland müsste nie dagewe- Kohleindustrie . sene Anstrengungen unternehmen, um das Klimaschutz- ziel noch zu erreichen . – Ich habe sinngemäß zitiert . Der (Ulrich Freese [SPD]: Auch da haben Sie aktuelle Bundeshaushalt im Bereich Energie und Klima keine Ahnung!) gibt darauf keine Antwort . Dabei ist fatal: Je länger wir Natürlich denke ich auch an die Kumpel; das ist doch warten, desto teurer wird das Ganze . Das hat das Pots- klar . dam-Institut für Klimafolgenforschung schon vor einigen Jahren erklärt; dies sagten etwa Nicholas Stern und eine Wenn hier behauptet wird, wir würden VW-Arbeitneh- ganze Reihe anderer vor ihm . Die Folgen des Zauderns mer lächerlich machen und uns darüber lustig machen, sind grausam . Das trifft uns alle und die nachfolgenden dann ist das, finde ich, genauso eine Unverschämtheit. Generationen . Ich rede dabei noch nicht einmal von den (Beifall bei der LINKEN – Folgen für die südlichen Länder . [SPD]: Was macht ihr denn sonst?) Es ist jetzt und hier notwendig, dass die Bundesregie- Viele Kolleginnen und Kollegen von uns kommen aus rung mit Vernunft und verantwortungsvollem Weitblick der Gewerkschaft . handelt und wie eine Marathonläuferin auf der Zielge- raden bis 2020 noch einmal alles gibt . Aber Wolfgang (Ulli Nissen [SPD]: Ja und? Das merkt man Schäuble sieht nur die schwarze Null wie ein akkurater, aber leider nicht bei den Reden gegen VW!) 13732 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Eva Bulling-Schröter (A) Bevor ich in den Bundestag kam, war ich Betriebsrätin – können natürlich in jeder Rede, in jeder Debatte alles (C) ich kann mich noch erinnern –, und ich habe eines ge- schlechtreden . Ich habe wirklich ein Problem damit, auch lernt: Verhinderter Umweltschutz vernichtet Arbeitsplät- als Bürgerin dieses Landes, dass wir uns selber schlech- ze .– Da ist das der Fall . Es geht uns um die Kolleginnen ter darstellen . Sie machen das beständig . und Kollegen und um die Arbeitsplätze . Die Frage, wer schuld ist und wer das vor allem zu verantworten hat, (Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Was? Das muss bitte auch gestellt werden dürfen . stimmt doch überhaupt nicht!) (Beifall bei der LINKEN – Ulli Nissen [SPD]: Ich habe manchmal nicht den Eindruck, ob Sie wissen, Das sehen VW-Mitarbeiter sicher anders!) dass Sie hier in Deutschland leben, sondern ich habe manchmal den Eindruck: Sie sprechen von anderen Län- All das, was ich jetzt gesagt habe, zeigt, auf welcher dern, wenn Sie von Jugendarbeitslosigkeit sprechen, Seite die Bundesregierung steht . wenn Sie von Arbeitslosenzahlen sprechen und wenn Sie (Ulrich Freese [SPD]: Auf der richtigen Seite, von Schulden sprechen . auf der Seite der Arbeitnehmer!) (Zuruf des Abg . Dr . Diether Dehm [DIE LIN- Jetzt noch zu Ihnen, Kollege Heil . KE]) Sie müssen sich schon einmal überlegen, ob Sie nicht ei- Präsident Dr. Norbert Lammert: nem totalen Realitätsverlust erliegen . Sie schüren auch Das muss aber dann in einem Satz gehen . Angst bei den Menschen, und das ist nicht zielführend in einer Demokratie . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): (Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Jetzt sagen Der letzte Satz .– Sie haben gesagt, Sie wollten Auf- Sie doch, was Opposition in der Demokratie räumarbeiten beim Erneuerbare-Energien-Gesetz . Sie machen soll! – Zuruf des Abg . Klaus Ernst wollen offensichtlich bei der Bürgerenergie aufräumen, [DIE LINKE]) und das lassen wir auf keinen Fall zu . Wir brauchen Bür- gerenergie, wir brauchen Akzeptanz, und wir brauchen Ich wollte auch einen Ton dazu sagen . Ich stelle mir das einen anständigen Klimaschutz . auch anders vor . (Beifall bei der LINKEN) Die Kontrolle haben wir, glaube ich, nicht verloren; das möchte ich schon ganz deutlich festhalten . Präsident Dr. Norbert Lammert: (B) (Dr .Diether Dehm [DIE LINKE]: Das habt ihr (D) Barbara Lanzinger ist die nächste Rednerin für die vielleicht bei der CSU anders gelernt! Bei uns CDU/CSU-Fraktion . heißt Opposition immer noch Opposition!) (Beifall bei der CDU/CSU) Ich würde mich freuen, wenn wir nicht immer von „diesem Land“, Barbara Lanzinger (CDU/CSU): (Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Halten Sie Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle- das bitte niemandem vor!) gen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich fasse es noch einmal zusammen: Ja, Deutschland ist finanziell und sondern von „unserem Land“ sprechen würden – ich bin wirtschaftlich auf einem sehr guten Weg . Deutschlands stolz, in diesem Land zu leben –; das hat auch etwas mit Wirtschaft wird trotz einer sinkenden Weltkonjunktur das Identifikation zu tun. Jahr 2015 – ich sage das ganz bewusst – mit Schwung beenden . Das zeigen nicht nur die Prognosen der Bun- (Beifall bei der CDU/CSU) desregierung mit 1,8 Prozent Wachstum in diesem und Warum geht es Deutschland gut? Ein Grund liegt si- im nächsten Jahr . Auch die Einschätzung des Einkaufs- cherlich in der nachhaltigen Wirtschaftspolitik Deutsch- manager-Index für Industrie und private Dienstleister lands . Wir werden nicht nur in Europa, sondern auch kommt zu dem Ergebnis, dass die deutsche Wirtschaft in international dafür bewundert, auch für unsere solide den nächsten Monaten weiter wachsen wird . Das unter- Finanzpolitik und für die starke Wirtschaft . Dank der Po- streichen die aktuellen Auftragsbestände ganz deutlich, litik der Union ist Deutschland das Zugpferd Europas, die momentan auf dem höchsten Stand seit vier bis fünf und das wollen wir auch so beibehalten . Das können Jahren sind . wir nicht, wenn wir gängeln und wenn wir diktieren und Dieser konjunkturelle Aufschwung spiegelt sich zu- wenn wir die Wirtschaft – so wie Sie es vorschlagen – fast dem auf dem Arbeitsmarkt wider; der Bundesminister hat züchtigen . Damit kommen wir schlichtweg nicht weiter . es schon gesagt . Wir haben mit 43 Millionen Erwerbs- Es heißt aber nun, nicht haltzumachen und sich nicht tätigen Vollbeschäftigung – und nicht nur Vollbeschäf- zurückzulehnen, sondern die positiven Effekte des Auf- tigung, sondern auch den höchsten Beschäftigungsstand schwungs entsprechend aufrechtzuerhalten und weiter zu seit über 20 Jahren . Damit steigen auch die Steuerein- fördern . Da sind wir natürlich auch als Politik gefordert, nahmen . um die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaf- Jetzt möchte ich einige Anmerkungen zu den Bei- fen . Die Weichen müssen wir jetzt stellen und dürfen trägen der Kollegen Schlecht und Dehm machen . Sie nicht warten . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13733

Barbara Lanzinger (A) Ein funktionierendes Wirtschaftssystem braucht wir brauchen auch KWK, Lastmanagement und allem (C) Investitionen und Innovationen als Treiber für das voran auch – das ist mein Thema, das ich nie vergesse – Wirtschaftswachstum . Nur in einem investitions- und Speicher . Ich freue mich, dass das Speicherprogramm innovationsfreundlichen Klima können sich unsere Un- für die PV weitergeführt wird . Ich bitte Sie aber auch, ternehmen auch weiterhin entwickeln . Es gilt hier, unsere sehr geehrter Herr Bundesminister Gabriel, das Thema politischen Entscheidungen bedacht und sorgsam zu tref- Speicher nicht zu vergessen und es zum Beispiel beim fen . Ich nenne ein paar Beispiele . zukünftigen Strommarktdesign entsprechend zu ver- ankern, weil ich der Meinung bin: Speicher sind weder Das Herzstück ist unser Mittelstand . Unsere hervorra- Erzeuger noch Letztverbraucher . Wir brauchen dies, um gend ausgebildeten Fachkräfte sind Motor für Jobs, sind unsere Flexibilität insgesamt zu bewahren . Die Energie- Motor für den konjunkturellen Aufschwung . Der Mittel- wende ist ein Puzzle . Nur wenn alles ineinandergreift, stand wird, denke ich, ganz wesentlich zur Bewältigung so wie Sie es vorhin gesagt haben, kann es letztendlich neuer Herausforderungen beitragen, auch zur Integration auch funktionieren . Ich kann das nicht an irgendwelchen von Flüchtlingen . Um unseren Mittelstand weiterhin zu Zahlen festmachen, sondern letztendlich nur daran, ob es fördern, freut es mich natürlich, wenn ich die Zahlen im insgesamt stimmig ist . Haushaltstitel des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie sehe, die wir ganz nachhaltig aufgestockt Mittelstand stärken heißt auch, den Standortfaktor haben . Über 3 Milliarden Euro werden für Forschung, Tourismus zu fördern . Es ist schon oft gesagt worden – Entwicklung und Innovationen bereitgestellt . 781 Mil- ich wiederhole es gern –: Der Deutschlandtourismus lionen Euro davon sind Fördergelder für ZIM und für ist ein Zugpferd für die deutsche und vor allem für die EXIST . Mit den 17 Millionen Euro – das ist, denke ich, mittelständische Wirtschaft . Ich freue mich, dass uns die ganz wichtig – im Rahmen des Titels „Fachkräftesiche- Anhebung der Mittel gelungen ist . Wir haben 500 Euro rung für kleine und mittlere Unternehmen“ wollen wir mehr erreichen können . helfen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken . Denn wenn wir durch den Zustrom von Flüchtlingen hoffent- (Thomas Jurk [SPD]: Das wäre ein bisschen lich einen Teil des Fachkräftemangels abdecken können wenig! 500 000!) (Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Machen Sie doch nicht alles schlecht! Mangel! Mangel! – 500 000 Euro mehr . Danke schön . 500 wären viel zu Wenn ich immer „Mangel“ höre!) wenig . Dann könnte ich das, was ich jetzt will, nicht for- dern . – ich habe ja gesagt: wir machen das –, wird das alleine nicht ausreichen . Wir müssen hier schon mehr tun . Wir sorgen hier für die Verstetigung . Die Gelder sollen gezielt eingesetzt werden, nämlich dort, wo noch Poten- (B) (Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Wir müssen (D) ziale gehoben werden können; dort, wo Kulturtourismus nicht immer über Mangel reden! Machen Sie in den ländlichen Räumen gestartet wird . Wir haben ge- doch nicht alles schlecht! Kassandra! Mangel- meinsam mit dem Bundeswirtschaftsministerium – leider rede!) ist Frau Gleicke heute nicht da – ein Projekt zur Förde- Wir müssen vor allem unsere bewährten Strukturen rung des Kulturtourismus in ländlichen Räumen gestar- wie unser fachspezifisches Ausbildungssystem – ich tet . Wir müssen dieses Projekt nun mit Leben erfüllen . nenne hier als Beispiel den Meisterbrief –, den regle- Momentan sind drei Modellregionen vorgesehen . mentierten Berufszugang für freie Berufe, Gebühren- ordnungen wie die HOAI – dazu haben wir gemeinsam Ich würde mir wünschen, dass wir eventuell überle- Anträge gestellt und beschlossen – aufrechterhalten und gen, ob wir mit den nun angehobenen Mitteln nicht jedes vehement unterstützen . Ich bitte das Bundeswirtschafts- Bundesland fördern und in jedem Bundesland die Schät- ministerium noch einmal ganz nachdrücklich, uns dabei ze, die wir haben, heben könnten . Wir wären sehr froh zu helfen, diese Qualitätsstandards, die wir haben und die und glücklich, wenn wir dieses Projekt in diesem Sinne ein Garant für unseren wirtschaftlichen Erfolg sind, auch erweitern könnten . auf europäischer Ebene und bei der Kommission zu ver- teidigen . Ich halte das für sehr wichtig . Wir müssen die (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Aufgabe annehmen, und wir haben die Pflicht, dies zu bewahren und verstärkt dafür zu werben . Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich abschließend an alle appellieren, im Sinne der Sache zu Ebenfalls wichtig für einen gut funktionierenden handeln und getreu dem Spruch: Die Wirtschaft ist ein Mittelstand und natürlich auch für eine gut funktionie- Gebiet, das am wenigsten Willkür verträgt . rende Wirtschaft sind die Energiepolitik und die daraus resultierenden Preise . Ich denke, wir müssen schon da- Vielen herzlichen Dank fürs Zuhören . rauf achten, dass dies nicht zu einer Belastung für unsere Unternehmen wird und dass die internationale Wettbe- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- werbsfähigkeit hier nicht gefährdet wird . Wir brauchen ordneten der SPD) im Energiebereich Konzepte, marktwirtschaftliche Kon- zepte, Konzepte, die der Kleinteiligkeit und Dezentrali-

tät der Energiewende gerecht werden und die auch un- Präsident Dr. Norbert Lammert: terschiedliche Flexibilitätsoptionen beinhalten . Und wir Der Kollege Dieter Janecek erhält jetzt das Wort für brauchen nicht nur Wind- und Sonnenenergie, sondern die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen . 13734 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

(A) Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): scheinend haben Sie das positiv aufgegriffen . Ich bin ge- (C) Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr spannt, wie Sie sich verhalten werden . Minister! Da Sie noch hier sind: Sie haben das Thema Ich würde gerne eine Debatte über die nächste Stufe Russland angesprochen . Ich würde Ihnen gerne dazu eine der Energiewende führen: die Digitalisierung der Ener- Frage stellen . Zwei Wochen nach Ihrem Besuch war ich giewende . Wir haben das Smart-Meter-Rollout-Gesetz auch bei Putin in Moskau . Die Frage ist: Ist es richtig, vorliegen . Warum schaffen wir es nicht, kraftvoll darü- dass Sie bei Putin im Kreml zugesagt haben, die Sankti- ber zu reden, dass die Potenziale von Digitalisierung und onen schrittweise aufzuweichen? Ist es richtig, dass Sie Energiewende zusammengeführt werden, eine Chance zugesagt haben, beim Thema North Stream 2 die euro- darin zu sehen, die Verbrauchskennzahlen von großen päischen Interessen nicht zu vertreten? Das würde mich Betrieben, von mittelständischen Unternehmen erkennen interessieren, wenn wir in diesem Zusammenhang über und steuern zu können, sodass wir erneuerbare Anlagen Wirtschaft und Russland reden . besser aussteuern und mehr Wettbewerb schaffen kön- nen? Das wäre ein großes Chancenthema . Das haben Sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – nicht aufgegriffen . Ich wünsche mir, dass Sie das kraft- Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: voll tun . Jetzt geht er!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Thema, das ich heute aufgreifen möchte – Herr Kollege Mattfeldt hat es auf seine eigene Art und Weise Wenn wir über das Thema Wettbewerb reden, dann getan –, ist das Thema Wirtschaft und Zuwanderung . In müssen wir über das Internet reden . Wir können keine der Geschichte ist es so: In der ersten Hälfte des 20 . Jahr- wirtschaftspolitische Debatte führen und nicht über die hunderts war Deutschland ein Antieinwanderungsland . Rahmenbedingungen unseres Netzes reden . Auf bei- In der zweiten Hälfte des 20 . Jahrhunderts sind wir suk- den Seiten des Plenums – zugegeben: im Europäischen zessive ein Einwanderungsland geworden, haben es nur Parlament; hier wäre es nicht viel anders gewesen – hat nicht kommuniziert . Es hat lange gedauert – übrigens jeweils eine einzige Person die Hand dafür gehoben, bis zu Rot-Grün . Jetzt reden wir immer noch in solchen die Netzneutralität in Europa zu erhalten – eine einzi- Debatten – das ärgert mich persönlich schon – von de- ge . Wettbewerb heißt auch, dass die Rahmenbedingun- nen, die kommen, und denen, die hier sind . Aber was ist gen stimmen müssen . Die stimmen nicht, wenn wir ein die Realität? 20 Prozent der Gründerinnen und Gründer Zweiklasseninternet schaffen . Das schaffen Sie . Deshalb sind Menschen mit Migrationshintergrund . Jeder achte müssen wir kraftvoll dagegenhalten . Wir brauchen mehr Selbstständige hat einen Migrationshintergrund . In den Wettbewerb . Wir brauchen in diesem Bereich mehr Re- Städten sind es bis zu 50 Prozent . Wir haben eine völlig geln . Wir brauchen eine Regulierung, die stimmig ist und (B) andere Realität, und es geht hier nicht um die, die kom- die Digitalisierung als Chancenfeld begreift, genauso wie (D) men, und die, die hier sind; vielmehr sollte es um die es die Energiewende ist . Gemeinsamkeit aller gehen, die uns nach vorne bringt . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Davon muss doch die Debatte handeln, wenn wir über Zuwanderung im Zusammenhang mit Wirtschaft reden . Wenn wir das schaffen, dann bin ich auch frohen Mu- tes, dass wir hier etwas Vernünftiges schaffen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vielen Dank . Was die Frage der Syrerinnen und Syrer angeht, die kommen . Wir wissen, dass bei türkischstämmigen Men- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schen die Gründungsquote, die Selbstständigenquote sehr hoch ist . Also müssen wir auch hier die Instrumente Vizepräsidentin : schaffen, um zu fördern, um Zugänge zu Kleinstkrediten Vielen Dank . – Als Nächster hat für die CDU/ zu schaffen . Sie fallen unter den Radar . Wer gründen will CSU-Fraktion der Kollege Peter Stein das Wort . und einen Betrag von unter 25 000 Euro braucht, hat es schwer, weil die Sparkassen es nicht schaffen, weil die (Beifall bei der CDU/CSU) Gründungsinitiativen es nicht schaffen, weil es die Vor- rangprüfung immer noch gibt und die Drei-plus-zwei- Peter Stein (CDU/CSU): Regelung nicht so greift, wie sie greifen sollte . Lassen Sie uns dort anfangen! Das ist ein Chancenthema . Für Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Liebe Kollegen! Trotz aller Krisen und europäischen demografischen Entwicklung und ihrem wirtschaftlichen Unsicherheiten steht Deutschland sehr gut da; das gilt Potenzial ist es angezeigt, das als Chancenthema zu be- insbesondere für unsere Wirtschaft . Vielen Ländern um greifen . uns herum geht es da nicht so gut . Wir dürfen uns selbst durchaus einmal die Frage stellen, warum das so ist . Das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) kommt bei uns oft viel zu kurz . Wir nehmen vieles als selbstverständlich hin, als etwas, das nicht neu zu schaf- Das Thema Energiewende diskutieren wir immer noch fen ist . Es geht uns deshalb so gut, weil wir stabile po- sehr stark anhand des EEG . Es gab eine Reform 2014; litische Verhältnisse haben . Wir leben und praktizieren 2016 kommt die nächste Anpassung . Wir haben unsere eine freiheitliche und tolerante Demokratie, eine soziale Vorschläge gemacht . Sie dürfen nachher abstimmen über Marktwirtschaft . Wir haben einen starken Mittelstand die Frage der Batteriespeicher bei der Photovoltaik . An- und ein hochqualifiziertes Handwerk. Wir sind innovativ Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13735

Peter Stein (A) und investieren mit diesem neuen Haushalt so viel wie Deutschland und Algerien soll im Rahmen bilateraler (C) noch nie in Forschung und Bildung . Arbeitsgruppen auf Regierungsebene unter Einbindung der Wirtschaft umgesetzt werden und dient, wie gesagt, Wir reden heute über den Haushalt des Ministeriums beiden Seiten . für Wirtschaft und Energie . Lassen Sie mich hier einen kleinen, vielleicht nicht so bekannten Bereich heraus- Marokko deckte bislang seinen Energiebedarf eben- greifen, der nicht vordergründig mit diesem Hause ver- falls fast ausschließlich durch fossile Brennstoffe . Bis bandelt scheint, es aber im Wesentlichen ist . Das Stich- 2012 machten erneuerbare Energien trotz guter Potenzi- wort lautet Energiepartnerschaften . Wir sind Weltspitze, ale nur einen Anteil von gut 5 Prozent des Primärener- was Technologie und Energiewirtschaft angeht . Unsere giebedarfs aus . Der Energiebedarf Marokkos steigt der- vielen kleinen, mittelständischen, aber auch großen Un- weil jedes Jahr um 6 Prozent . Das Ziel Marokkos ist es ternehmen sind breit aufgestellt und gut vernetzt . Aber daher, bis 2020 42 Prozent der installierten Kapazitäten es gibt Regionen, in denen wir noch viel präsenter sein aus Sonnen-, Wasser- und Windkraft zu erhalten . Das könnten . Unter anderem möchte ich die Maghreb-Region ist noch ehrgeiziger als das, was wir uns als Ziel gesetzt und Subsahara-Afrika nennen . Traditionell sind dort eher haben . Damit kann und sollte Marokko zum Pionier für die Franzosen sehr aktiv . Sie sind dort sprachlich meist erneuerbare Energien in Nordafrika werden . Ich konnte klar im Vorteil und haben historisch bedingt einen beson- mir dort in der letzten Woche einen Green Energy Park, deren Zugang zu den jeweiligen kulturellen Besonderhei- ein Innovationszentrum, anschauen . Es ist wirklich sehr ten . Jetzt werden absehbar – das ist heute schon mehrfach beeindruckend, mit welcher Energieleistung, mit welcher angesprochen worden – viele deutsche Unternehmen Geschwindigkeit daran dort gearbeitet wird . Deutschland junge Menschen aus ebendiesen Herkunftsländern mit unterstützt das nicht nur mit der Energiepartnerschaft, speziellen sprachlichen und kulturellen Kenntnissen und sondern auch mit der Deutschen Klima- und Technologie­ Hintergründen in ihren Reihen haben können . Ich sehe initiative, der DKTI . Partner wie das Deutsche Zentrum da neue Möglichkeiten auf unsere Wirtschaft zukommen . für Luft- und Raumfahrt, die GIZ oder auch die KfW mit Ich möchte hier an alle appellieren, diese Chance, die die der DEG sind intensiv eingebunden . Flüchtlingskrise eröffnet, beherzt zu ergreifen . Da neben der installierten Leistung der Ausbau der Lassen Sie mich insbesondere nach Nordafrika und Stromnetze, die Energieeffizienz und die Energiefor- dort auf die aktuelle Energiewirtschaft schauen . Rainer schung Gegenstand dieser Kooperation sind, finden sich Baake, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, und hier auch bedeutende weitere Felder für die wirtschaftli- der stellvertretende Energieminister Algeriens haben erst che Kooperation und Chancen für deutsches Know-how in diesem Jahr, am 25 .Mai, in Berlin die erste Sitzung und Firmen . Deutschland hilft Marokko, Algerien und des Steuerungskomitees der Deutsch-Algerischen Ener- (B) Tunesien, dazu beizutragen, dass ein Markt für Strom aus (D) giepartnerschaft abgehalten . Die Energiepartnerschaft erneuerbaren Energien entstehen kann . Dort laufen Re- zwischen Deutschland und Algerien wird den Rahmen ferenzprojekte in der Größenordnung von 2,5 Gigawatt; für einen sehr intensiven energiepolitischen Austausch davon entfallen aktuell über 500 Megawatt auf Marokko, und eine verstärkte Kooperation im Energiesektor schaf- maßgeblich durch deutsche Energiepartner unterstützt . fen . Algerien hat, wie man sich vorstellen kann, beste Die Hälfte dieses Vorhabens ist bereits umgesetzt und Bedingungen für Solar- und Windenergie und ist ange- auch genauer definiert. Seit 2014 wird in diesen Anlagen sichts seiner ehrgeizigen Ziele beim Ausbau ein attrakti- der erste Strom erzeugt . Der Solarpark Ouarzazate soll in ver Partner für Deutschland . Das bringt Vorteile für beide Kürze mit bis zu 560 Megawatt ans Netz gehen . Länder . Die unter deutschem Vorsitz maßgeblich mitgestal- Wir satteln dabei auf eine Reihe guter Erfahrungen tete Afrika-EU-Energiepartnerschaft ist die mit Abstand mit Energiepartnerschaften mit anderen Ländern auf . am weitesten fortgeschrittene der acht im Jahre 2007 So haben wir bereits seit 2012 eine Zusammenarbeit mit in Lissabon gegründeten thematischen Partnerschaften Marokko im Energiebereich . Im Haushalt 2016 ist die- zwischen der Afrikanischen und der Europäischen Uni- ser Posten im Vergleich zum letzten Jahr noch einmal on . Umso wichtiger ist es, dass das in möglichst vielen um 28 Prozent aufgewachsen . Das ist sehr zu begrüßen . Haushaltsansätzen verankert ist . Ein Schwerpunkt dieser Partnerschaften ist es, auch die Wirtschaft einzubinden . Die genaue Betrachtung des (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Energiemixes, der Ausbau erneuerbarer Energien und die ordneten der SPD) Verbesserung der Energieeffizienz sind deutsche Kern- Dazu gehören auch Aspekte wie berufliche Ausbil- kompetenzen geworden, die gerade in Nordafrika gefragt dung, Fachkräftemangel bei uns und auch die vielen jun- sind . gen Leute in Afrika . Wir haben heute einen der höchsten Bisher wird beispielsweise Algeriens Energiebedarf Beschäftigungsstände der Geschichte und mit 400 000, fast ausschließlich durch im Land geförderte fossile vielleicht 600 000 freien Jobs und 40 000 unbesetzten Brennstoffe gedeckt . Erneuerbare Energien machen trotz Ausbildungsplätzen Potenzial zu bieten . Wir haben guter Potenziale bisher nur einen geringen Anteil an der derzeit die höchsten Einnahmen in der Sozialversiche- Energieerzeugung aus . Um den rasant steigenden Ener- rung . Wir haben die höchsten Steuereinnahmen und eine giebedarf in Algerien zu decken, plant die algerische Nullverschuldung im Haushalt . Dieser Erfolg gibt uns Regierung, bis 2030 neue Solar- und Windenergiekapa- Spielräume, die wir nun nutzen können, um den inter- zitäten in Höhe von 22 Gigawatt aufzubauen . Das schafft nationalen Herausforderungen gewachsen zu sein . We- sie nicht alleine . Die Energiepartnerschaft zwischen gen unserer herausgehobenen Rolle stehen wir besonders 13736 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Peter Stein (A) in der Verantwortung, unserer Wirtschaft die Chancen Insgesamt haben wir eine sehr gute wirtschaftliche Si- (C) aus der momentanen Situation aufzuzeigen und diesen tuation; das belegen die Kennzahlen des Arbeitsmarktes . Prozess zu begleiten . Wir lernen gerade, dass uns vie- Auch die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen les, was wir in den letzten Jahrzehnten an Regelwerken sind gut . Die Debatte über den Haushalt ist immer eine aufgebaut haben, an einem flexiblen Agieren hemmt; die Sternstunde des Parlaments . Die wirtschaftspolitischen Bundeskanzlerin hat das bereits thematisiert . Wir müs- Herausforderungen gehen einher mit der Digitalisie- sen deutlich stärker entbürokratisieren und verkrustete rung der Wirtschaft, der Stärkung des Industriestandorts Prozessstrukturen aufbrechen . Ich bin überzeugt, dass Deutschlands, aber auch mit Impulsen, um die Wert- die positiven Effekte weit über die Flüchtlingsfrage, aber schöpfungsketten in Deutschland zu erhalten . Mit die- auch die Fachkräftefrage hinaus zu spüren sein werden, sem Haushalt werden die Impulse klar gesetzt . Wir sind wenn wir hier entschlossen anpacken . damit unserer politischen Verantwortung gerecht gewor- den, auch angesichts des komplexen Wandels im Bereich (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Wirtschaft und Energie . ordneten der SPD) Unsere Wirtschafts- und Energiepolitik verzeichnet Junge, gut ausgebildete und motivierte Menschen sind Erfolge; der Wirtschaftsminister hat darauf hingewiesen . eine Riesenchance für jedes Land, bei uns besonders vor Die SPD schafft damit nicht nur Arbeitsplätze, sondern dem Hintergrund der unbesetzten Lehrstellen . Zu wenige sorgt auch für gute Arbeit . Wir schaffen den Umbau in der Migranten aus den letzten Jahren haben wir in den der Energieversorgung und sorgen für eine Stärkung von Arbeitsmarkt integrieren können; zu viel ist zur Parallel- Innovationen in der Wirtschaft . Die SPD schafft damit welt geworden . Klar ist, dass die deutsche Sprache eine Zukunft . wesentliche Voraussetzung für die Integration ist . Ja, es wird großer Anstrengungen unserer Gesellschaft bedür- Vielen Dank . fen, dies zu realisieren . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ich möchte zum Schluss meiner Rede noch auf die der CDU/CSU) maritime Wirtschaft zu sprechen kommen und eine Lan- ze für sie brechen . Rechnet man die Zulieferer hinzu, Vizepräsidentin Ulla Schmidt: umfasst diese Branche über 400 000 Arbeitsplätze . Ma- Vielen Dank .– Das war relativ punktgenau die sicher- ritime Technologien haben enormes Potenzial, und unser lich kürzeste Rede des heutigen Tages . Know-how aus Deutschland ist wie bei den erneuerbaren Energien international mehr als gefragt . Der Kreuzfahrt- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) tourismus ist bei uns im Norden eine Erfolgsgeschichte . (B) Stetige Investitionen in unsere Häfen sind eine unabding- Als Nächster hat das Wort der Kollege Mark Haupt- (D) bare Grundlage unserer Exportwirtschaft . mann, CDU/CSU-Fraktion . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Beifall bei der CDU/CSU) ordneten der SPD) Mark Hauptmann (CDU/CSU): 90 Prozent des globalen Warenverkehrs gehen per Schiff . Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Viel- Jede Investition in unsere Häfen, egal in welchem Haus- leicht kann ich da weitermachen, wo Herr Westphal auf- haltsansatz verbucht, ist sehr gut angelegtes Geld . gehört hat, weil ihm die Zeit gefehlt hat . Ich möchte die Meine Damen und Herren, Wirtschaftspolitik gestaltet Punkte, die er richtigerweise angesprochen hat, noch et- die Zukunft wahrscheinlich stärker und nachhaltiger, als was vertiefen . dies in vielen anderen Feldern der Fall ist . Die Haushalts- Es wurde heute in der Haushaltsdebatte bereits mehr- ansätze 2016 werden diesem Grundsatz gerecht . fach gesagt: Deutschland geht es gut, und wir werden Herzlichen Dank . den erfolgreichen Konsolidierungskurs der vergangenen Jahre fortsetzen . Wolfgang Schäuble ist als Finanzminis- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ter etwas gelungen, was in den 40 Jahren zuvor keinem ordneten der SPD) Finanzminister in der Bundesrepublik Deutschland ge- lungen ist, nämlich einen ausgeglichenen Haushalt vor- Vizepräsidentin Ulla Schmidt: zulegen, und das zum dritten Mal in Folge . Die schwarze Null steht also auch 2016 . Daher gebührt dem Finanz- Vielen Dank . – Nächster Redner für die SPD-Fraktion ministerium, federführend dem Minister, aber auch der ist der Kollege Bernd Westphal . Bundesregierung ein ganz besonderer Dank . (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU)

Bernd Westphal (SPD): Ich sage das als Kollege einer jüngeren Generation . Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Zu den Grünen . Die Ausführungen von Frau ­Andreae Kollegen! Über den Einzelplan 09 mit einem Volumen und Frau Hajduk haben mich etwas nachdenklich ge- von rund 7,6 Milliarden Euro ist viel diskutiert worden . stimmt . Sie haben gesagt: Wir tun zu wenig im Bereich Viele Argumente wurden ausgetauscht; ich möchte mich Investitionen; darauf komme ich gleich zu sprechen . auf wenige Argumente beschränken . Aber ist es nicht gerade im Sinne grüner Politik, Nach- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13737

Mark Hauptmann (A) haltigkeit nicht nur ökologisch, sondern auch finanzpoli- für richtig, hier noch einmal genau hinzuschauen . Für die (C) tisch zu betrachten? Langzeitarbeitslosen haben wir eine solche Ausnahmere- gelung . Viele Unternehmer, mit denen ich in der letzten (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Woche gesprochen habe, sagen: Wir sind gerne bereit, in NEN]: Ja, unbedingt!) unseren mittelständischen Betrieben Personen aus Syrien Eine nachhaltige Haushaltspolitik schickt die Rechnung oder anderen Ländern einzustellen; aber lasst uns bitte für die derzeitigen Investitionen eben nicht in Form von schön nicht mit den ganzen Aufgaben, die wir dann zu Steuererhöhungen oder zusätzlichen Ausgaben in die Zu- bewältigen haben, allein .– Die Sprache ist zu lehren, zu- kunft . mindest fachspezifische Termini müssen gelehrt werden, weil die Personen oft aus völlig anderen Arbeitsgebieten (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- kommen und nicht die notwendige Vorbildung mitbrin- NEN]: Wir haben alles gegenfinanziert! Um- gen . Das heißt, wir müssen hier Ausnahmen schaffen . schichtungen im Haushalt!) Wir brauchen flexible Lösungen. Ich halte es für sinn- Eine nachhaltige Haushaltspolitik kann beides: Sie kann voll, für Flüchtlinge analog zu unserer Regelung für die investieren und konsolidieren . Langzeitarbeitslosen eine Ausnahmeregelung vorzuse- hen, und zwar für eine bestimmte Zeit, für sechs Mona- (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- te, damit wir die Flüchtlinge in unser Wirtschaftssystem NEN]: Ja, dann machen Sie doch beides! Aber integrieren können . Sie machen jetzt nur das eine!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sie schickt verdammt noch mal keine Rechnung an unse- [Kleinsaara] [CDU/CSU]: re Kinder und Enkel . Sechs Monate! Genau! Guter Vorschlag!) (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Die Ausgaben des Wirtschaftsressorts steigen gemäß NEN]: Das machen wir auch nicht!) dem Haushaltsplan für 2016 von 7,4 auf 7,5 Milliarden Das ist die Haushaltspolitik der Großen Koalition . Euro . Viele Mittel werden für Forschung, Entwicklung und Innovationen bereitgestellt . Das ist eine richtige Ent- (Beifall bei der CDU/CSU) scheidung, mit der wir den zentralen Herausforderungen Sie haben die Investitionen angesprochen . Die unserer wirtschaftlichen Lage entsprechen . Was sind das schwarze Null steht im Haushaltsplan, und das trotz ei- für Herausforderungen? An dieser Stelle spreche ich ner Erhöhung der Investitionen um 1,6 Milliarden Euro auch als Kollege aus den neuen Bundesländern zu Ihnen . auf 31,5 Milliarden Euro . Wir haben eine Investitions- Wir müssen erstens die konsequente Förderung des wirt- quote von 10 Prozent . Wir stellen Bundesmittel in Höhe schaftlichen Aufholprozesses Ostdeutschlands (B) (D) von 10 Milliarden Euro zur Bewältigung der Flücht- (Beifall des Abg . Peter Stein [CDU/CSU]) lingsherausforderung zur Verfügung; die Hilfen für die Kommunen habe ich noch gar nicht erwähnt . All das sind weiter verstetigen, zweitens den deutschen Gründergeist Bausteine, die zeigen, dass wir investieren und konsoli- unterstützen und drittens eine Energiewende mit Augen- dieren . Das sollte man auch einmal würdigen . maß betreiben . Deutschland geht es gut; das belegen auch interna- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) tionale Studien . Die OECD geht von einem stärkeren Sie wissen alle, dass der wirtschaftliche Aufholpro- Wirtschaftswachstum im Jahr 2016 aus; es soll 1,9 Pro- zess der neuen Länder ins Stocken geraten ist . Ich glau- zent betragen . Das wird uns helfen, die Zahl der sozial- be, diese Bilanz muss man ehrlicherweise ziehen . Das versicherungspflichtig Beschäftigten auszubauen – rund heißt nicht, dass es in den neuen Ländern kein wirt- 43,3 Millionen Menschen sind in der Bundesrepublik schaftliches Wachstum gibt . Die neuen Länder wach- Deutschland schon heute in einem sozialversicherungs- sen ungefähr genauso schnell wie die alten Länder . Das pflichtigen Beschäftigungsverhältnis –, damit wir auch wiederum bedeutet aber, dass die Lücke, die zwischen im Bundeshaushalt 2017 die Investitionen weiter stei- beiden Gebieten der Bundesrepublik noch besteht, nicht gern können . Unser Konsolidierungsziel werden wir aber geschlossen werden kann, es sei denn, wir legen weiter- keinesfalls aufgeben . hin Bundesprogramme auf, mit denen der Aufholprozess Sehr geehrter Herr Minister Gabriel, Sie haben in der neuen Länder erfolgreich vorangetrieben werden dieser Debatte zu Recht ein Thema angesprochen, das kann . Das machen wir mit diesem Haushalt . In diesem uns alle sehr bewegt . Es geht um die Frage, wie wir es Zusammenhang bin ich Minister Gabriel und unserem schaffen können, dass die Flüchtlinge nicht nur eine He- haushaltspolitischen Sprecher, dem Kollegen Mattfeldt, rausforderung für unsere Sozialkassen darstellen; denn sehr dankbar dafür, dass man es geschafft hat, bei den wir wollen, dass sie einen Beitrag zu unserem Wirt- ZIM-Mitteln keine Kürzung vorzunehmen, sondern auch schaftssystem leisten . Wir wollen, dass sie in den Betrie- im Bundeshaushalt 2016 543 Millionen Euro dafür ein- ben Beschäftigung finden, damit sie Steuern zahlen und zustellen . 40 Prozent dieser Mittel gehen direkt in die letztendlich einen positiven Beitrag zur wirtschaftlichen neuen Länder . Das hilft dem Aufholprozess der ostdeut- Entwicklung dieses Landes leisten . Sehr geehrter Herr schen Wirtschaft . Minister, ich glaube, in diesem Zusammenhang sollten (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) wir die folgende Frage noch einmal aufwerfen: Ist es richtig, beim Mindestlohn keine Ausnahme für Flüchtlin- Das zieht sich wie ein roter Faden durch den Haus- ge zu machen, auch nicht für sechs Monate? Ich halte es haltsplan: Für das Programm INNO-KOM-Ost werden 13738 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Mark Hauptmann (A) 65 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt; auch hier Vizepräsidentin Ulla Schmidt: (C) gibt es keine Mittelkürzung, trotz all der Herausforderun- Vielen Dank .– Jan Metzler, CDU/CSU-Fraktion, ist gen, die wir in dieser Debatte angesprochen haben . jetzt der letzte Redner zu diesem Einzelplan . Bitte schön, Herr Kollege . Ich komme zum zweiten Punkt: Wie schaffen wir es, die Gründer, die Start-ups besser zu unterstützen, damit (Beifall bei der CDU/CSU) wir die wirtschaftlichen Herausforderungen bewältigen können? Gründer sind aus unserer Sicht Initiatoren und Jan Metzler (CDU/CSU): Träger von Innovationen und tragen im Wesentlichen Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! dazu bei, dass Deutschland nicht nur heute ein wirt- Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon schaftlich starkes Land ist, sondern auch in der Zukunft . eine ehrenvolle Aufgabe, als letzter Redner in einer so Mit diesem Bundeshaushalt legen wir hier einen klaren vielseitigen Debatte reden zu dürfen . Zweifelsohne hat Schwerpunkt, indem wir sagen: Diese Gründer, diese dies einen Nachteil, aber auch Vorteile . Der Nachteil Start-ups wollen wir in Zukunft weiter fördern; deshalb ist, dass jetzt schon vieles gesagt worden ist . Ich hoffe, bauen wir die Förderung seitens des Bundes aus . dass ich noch den einen oder anderen Aspekt hinzufügen kann, ohne zu viel zu wiederholen . Aber einiges möchte (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ich zum Abschluss auch noch einmal unterstreichen . Um einige Programme zu nennen: EXIST mit 41,5 Mil- Ohne Frage, dieser aktuelle Haushalt wurde unter be- lionen Euro, INVEST-Zuschuss für Wagniskapital mit sonderen Herausforderungen aufgestellt . Diese Heraus- 20 Millionen Euro, Business-Angels-Markt, innovative forderungen können wir aber deswegen so gut angehen – Start-ups mit 4,25 Millionen Euro . Der Titel „Mittel- das wurde in vielen Vorreden deutlich –, weil wir gut stand 4 0. – Digitale Produktions- und Arbeitsprozesse“ aufgestellt sind . Das liegt nicht zuletzt und insbesondere wird um 11 Millionen Euro auf rund 28 Millionen Euro an der wirtschaftlichen Lage; sie ist robust und zukunfts- erhöht .– All das stärkt den Gründergeist in dieser Repu­ fähig . Damit sie zukunftsfähig bleibt, ist es notwendig, blik und sorgt letztendlich dafür, dass wir auch in Zu- dass wir unsere Hausaufgaben machen . Deswegen – da kunft ein erfolgreiches Land sind und ein für Start-ups bin ich der Bundesregierung sehr dankbar – atmet dieser erfolgreiches Land werden . Haushalt den Geist von Stabilität und Nachhaltigkeit . Ich möchte diese Stabilität an drei Punkten festmachen . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Erstens: Stabilität durch nachhaltige Finanzpolitik . Abschließend möchte ich etwas zur Energiewende Kollege Hauptmann hat dies, denke ich, eben schon (B) sagen, weil sie ebenfalls Bestandteil der heutigen De- im Namen der jüngeren Generation unterstrichen . Er (D) batte ist . Wir machen viel, was die verschiedenen Träger hat klargemacht, dass der dritte Haushalt ohne Neuver- der erneuerbaren Energien angeht; aber wir alle wissen, schuldung nach 40 Jahren auch ein besonderes Zeichen dass wir im Bereich der Technologie zum Speichern von in punc­to Generationengerechtigkeit ist . Ich möchte Energie mehr machen müssen und hier noch eine gewisse das noch einmal unterstreichen . Ein besonderes Danke- Kapazität haben, um die Energiewende zum Erfolg füh- schön gilt hier unserem Bundesfinanzminister Wolfgang ren zu können . Hier ist es natürlich richtig, lieber Bun- Schäuble . Dies sage ich jetzt stellvertretend an den Kol- desminister Gabriel, dass Ihr Haus zusammen mit dem legen Spahn adressiert . Bundesministerium für Forschung für 270 Projekte, die Zweitens: Stabilität durch richtige Anpassungen . Da, sich mit dem Speichern überschüssiger Energie befassen, wo es sinnvoll ist und unserem Land dient, scheuen wir Mittel in Höhe von 200 Millionen Euro bereitstellt . Das uns nicht davor, mehr Mittel in die Hand zu nehmen, so trägt dazu bei, dass die Energiewende in Zukunft gelin- zum Beispiel 1 Milliarde Euro mehr für die innere Si- gen kann . cherheit: für die Bundespolizei, für das BKA, für das Ich komme zum Schluss und fasse zusammen: Die- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und für das ser Bundeshaushalt, der Einzelplan 09, den wir heute THW . debattieren, trägt enorme Lasten, aber hier wird auch in- Drittens – jetzt kommen die Wirtschaftspolitikerinnen vestiert und konsolidiert . Beides sind zwei Seiten einer und Wirtschaftspolitiker ins Spiel –: Stabilität durch ver- Medaille . steuert dieses Schiff seit zehn lässliche Wirtschaftspolitik . Der starke Arbeitsmarkt ist Jahren erfolgreich . Mit den Innovationen, die wir in die- Rückgrat und Gradmesser für das Wohlergehen unseres ser Woche beschließen, geben wir dem Wirtschaftsmotor Landes; das habe ich eingangs betont . Deshalb inves- der Bundesrepublik Deutschland neuen Schub, damit es tieren wir an den entscheidenden Stellen, um weiteres auch in Zukunft heißt: Erfolgreich Kurs halten, um wei- Wachstum und mehr Beschäftigung zu generieren . Wir teres wirtschaftliches Wachstum in Deutschland zu gene- wollen gute Rahmenbedingungen schaffen und so die rieren! Nur wenn wir wirtschaftliches Wachstum haben, Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nachhaltig können wir alle Herausforderungen, die aktuell anstehen, unterstützen . erfolgreich bewältigen . Das ist auch die grundlegende Idee bei der Bewertung Herzlichen Dank . des vorgelegten Etats für Wirtschaft und Energie . Nicht umsonst lauten zwei Überschriften: „Innovation, Tech- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- nologie und Neue Mobilität“ und „Mittelstand: Gründen, ordneten der SPD) Wachsen, Investieren“ . Diese Kapitel machen mit rund Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13739

Jan Metzler (A) 3,5 Milliarden Euro ungefähr die Hälfte des Gesamtetats zur Verfügung . Zukünftig geht es noch mehr als in der (C) für Wirtschaft und Energie aus . Das sind übrigens einige Vergangenheit um deren Einsatz . Dabei ist in besonde- Millionen mehr als noch in diesem Jahr . Das schlägt sich rem Maße wichtig, dass wir die altindustriellen Regio- positiv auf beinahe alle Posten nieder . Ziel der aufge- nen und die strukturschwächeren ländlichen Regionen legten Instrumente ist es, die Leistungsfähigkeit unserer in Deutschland insgesamt nicht vergessen . Ich möchte Wirtschaft zu fördern und dabei die richtigen Anreize zu hervorheben, dass es dazu im Unterausschuss keinerlei setzen . Das nenne ich Stabilität durch verlässliche Wirt- anderslautende Meinung gab; das wird, denke ich, auch schaftspolitik . so bleiben . Besonders bewährt hat sich in diesem Zusammen- Ich möchte noch kurz auf ein anderes Thema einge- hang – auch das ist bereits betont worden – das Zentrale hen – es ist eine Art Lieblingsthema, ganz allgemein, Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM, mit einem Vo- aber auch eines der Opposition –, auf die angeblich feh- lumen von mehr als einer halben Milliarde Euro . Einen lenden Investitionen . Ich sehe das ganz anders: Erstens . herzlichen Dank möchte ich in diesem Zusammenhang Wir haben die Mittel im Etat für Wirtschaft und Ener- an den Kollegen Mattfeldt und den Kollegen Jurk adres- gie erhöht . Zweitens . Wir haben die Mittel im Etat für sieren, die sich erneut in besonderem Maße für dieses Bildung und Forschung erhöht . Im Etat für Bildung und Programm eingesetzt haben . Forschung kommt es übrigens zu einer Verdopplung der Mittel, wenn man das Jahr 2005 als Vergleichsgrundla- (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Danke!) ge nimmt . Parallel dazu stellen wir mehr Geld für innere Mit dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand Sicherheit, Integrationsmaßnahmen, humanitäre Hilfe fördern wir Neuentwicklungen, besonders im Mittel- und Krisenprävention zur Verfügung . „On top“ kommen stand . Dieser stellt das Rückgrat der stabilen wirtschaftli- weitere 10 Milliarden Euro, die im Rahmen des Investiti- chen und konjunkturellen Situation dar . Deswegen: Gut, onspaketes bereitgestellt werden . Das alles leisten wir in dass wir hier drangeblieben sind, liebe Kolleginnen und einem ausgeglichenen Haushalt, ohne Neuverschuldung, Kollegen! Das gilt übrigens auch für die Industriefor- und das zum dritten Mal .– Wenn man das kleinreden schung, die mit weiterhin mehr als 200 Millionen Euro will, kann man das tun . Aber die Fakten sprechen eine einzubeziehen ist . andere Sprache . Diese Regierung, diese Koalition hat ihre Hausaufgaben gemacht und ein Zeichen der Stabi- Auf eines können wir ganz besonders stolz sein, auf lität ausgesandt . Sie macht nachhaltige Wirtschafts- und die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regiona- Finanzpolitik . Dieses Zeichen sollte von den Haushalts- len Wirtschaftsstruktur“ von Bund und Ländern . Da- beratungen und von den Beratungen über diesen Einzel­ hinter verbirgt sich eine auf Nachhaltigkeit angelegte etat heute abschließend ausgesendet werden . (B) Philosophie, nämlich keine Region in Deutschland zu- (D) rückzulassen . Wie gelingt das? Indem wir Potenziale in (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- strukturschwachen Regionen fördern, Standortnachteile ordneten der SPD) abbauen, Wettbewerbsfähigkeit herstellen und so neue Arbeitsplätze schaffen oder vorhandene erhalten . Ganz nebenbei: Der Bund entlastet die Kommunen in Milliardenhöhe – auch das ist mit einzubeziehen –, Da ich selbst Mitglied in dem zuständigen Unteraus- und zwar in der Größenordnung von 20 Milliarden Euro . schuss sein darf, liegt mir dieser Bereich besonders am Auch das hat es bisher nicht gegeben . Herzen . Die gute Nachricht ist: Im Koalitionsvertrag hat man sich auf eine Erhöhung der Mittel bis auf das För- Alles in allem denke ich, dass sich an diesem Punkt derniveau vorheriger Jahre geeinigt . Das wird mit diesem für die Zukunft eines sagen lässt: Wir machen unsere Haushalt nun erreicht . Das ist ein exzellentes Zeichen . Hausaufgaben, und wir setzen Zeichen der Stabilität . Das ist gerade in Zeiten, in denen die Wogen ein wenig höher (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . schlagen, das absolut richtige und ein wichtiges Signal . Thomas Jurk [SPD] Insofern blicke ich mit Zuversicht in die Zukunft . Auch Ab nächstem Jahr stehen für die regionale Wirtschaftsför- wenn ich der letzte Redner war, hoffe ich, dass ich noch derung also wieder 624 Millionen Euro jährlich zur Ver- den einen oder anderen interessanten Punkt habe hinzu- fügung. Aufgrund der Kofinanzierung mit den Ländern fügen können . sind es insgesamt sogar mehr als 1,2 Milliarden Euro . Ich bedanke mich recht herzlich für die Aufmerksam- Vom Erfolg konnte sich der Unterausschuss kürzlich bei keit und wünsche weiterhin gute Beratungen . Unternehmensbesuchen überzeugen . Wir haben sehen können, was es letztlich heißt, das hier Beschlossene mit (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) einem nachhaltigen Erfolg für ganze Regionen in die Praxis umzusetzen . Ich möchte an dieser Stelle ein Wort Vizepräsidentin Ulla Schmidt: des Dankes an den gesamten Unterausschuss loswerden, Vielen Dank . Zumindest waren Sie vorbildlich, was in dem über alle Fraktionsgrenzen hinweg in wirklich die Redezeit angeht . konstruktiver Art und Weise zusammengearbeitet wird . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe damit ordneten der SPD) die Aussprache zum Einzelplan 09 . Wir kommen zur Abstimmung über diesen Einzelplan . Hierzu liegen zwei Ein Wort zur Zukunft der regionalen Wirtschaftsförde- Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen rung möchte ich auch noch loswerden . Die Mittel stehen vor, über die wir zuerst abstimmen . 13740 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Vizepräsidentin Ulla Schmidt (A) Änderungsantrag auf Drucksache 18/6800 . Wer ben und Einnahmen nehmen. Diesen Einfluss müssen wir (C) stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält besser nutzen . sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Ekin Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositi- Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) onsfraktionen abgelehnt . Für mich gibt es für die Bewertung eines Haushalts Änderungsantrag auf Drucksache 18/6801 . Wer drei Kriterien: Er muss sozial, gerecht und finanzierbar stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sein . Vorab die positive Nachricht: Dieser Haushalt ist sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der finanzierbar. Aber er ist weder sozial noch gerecht. Ein CDU/CSU- und SPD-Fraktion gegen die Stimmen von wichtiger Schritt wäre, die Aufhebung der paritätischen Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Finanzierung der Krankenkassenbeiträge nicht länger Linke abgelehnt . hinzunehmen . Hier muss wieder Gerechtigkeit her . Wir stimmen nun über den Einzelplan 09 in der Aus- (Beifall bei der LINKEN) schussfassung ab . Wer stimmt dafür? – Wer stimmt da- gegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 09 – Bun- Kollege Lauterbach von der SPD, Sie hatten kürzlich desministerium für Wirtschaft und Energie – ist mit den kritisiert, dass die Arbeitnehmer bei steigenden Zusatz- Stimmen von CDU/CSU- und SPD-Fraktion gegen die beiträgen überproportional stark belastet werden . Sie Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bünd- sagten in der Debatte, das sei nicht durchzuhalten und nis 90/Die Grünen angenommen . nicht gerecht . Nach der Sommerpause – so Kollege ­Lauterbach – wolle man in der Koalition darüber spre- Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir zum chen, wie die Arbeitgeber stärker an den Kosten der nächsten Einzelplan kommen, möchte ich bereits jetzt Krankenversicherung beteiligt werden könnten . Ich stel- darauf hinweisen, dass die Fraktionen der CDU/CSU le fest: Der Sommer ist vorbei . Aber wo sind die Ergeb- und SPD gebeten haben, die Sitzung nach der Beratung nisse? Die paritätische Finanzierung ist immer noch nicht des Einzelplans 17 für etwa eine Stunde für Fraktions- wiederhergestellt . Wir müssen endlich die Gerechtigkeit sitzungen zu unterbrechen . Nach jetziger Zeitplanung wiederherstellen . wäre das gegen 17 Uhr . Ich bitte Sie alle in diesem Zu- sammenhang, nach Möglichkeit keine Zwischenfragen (Beifall bei der LINKEN) zu stellen oder Kurzinterventionen vorzunehmen, außer Die beste Lösung wäre natürlich, endlich eine Bürger- dann, wenn sie ganz dringend nötig sind, damit wir den versicherung einzuführen . Nötig und logisch wäre es, heutigen Zeitplan für die Beratungen in etwa einhalten alle Einkommensarten – also nicht nur Löhne und Ren- können . Das ist in unserem gemeinsamen Interesse . ten, sondern auch Kapitaleinkünfte – beitragspflichtig zu (B) Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .14 auf: machen . So könnten wir endlich eine solidarische Bür- (D) gerversicherung finanzieren. Das wäre das Gebot der Einzelplan 15 Stunde . Bundesministerium für Gesundheit (Beifall bei der LINKEN) Drucksachen 18/6114, 18/6124 Aber nicht nur die Einnahmen werden nicht gerecht Die Berichterstattung liegt bei den Abgeordneten Pe- und sozial erhoben, auch bei den Ausgaben geht es nicht tra Hinz (Essen), , Dr . Gesine Lötzsch gerecht zu. Ich finde, das kann man am Beispiel des Um- und Ekin Deligöz . gangs mit den Hebammen besonders deutlich erkennen . Auch wenn das schon oft besprochen wurde, muss ich das Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für wieder aufgreifen; denn das Problem ist nicht gelöst . Die die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . – Ich höre hierzu Hebammen müssen immer noch die immens gestiegenen keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . Haftpflichtprämien alleine zahlen. Der Spitzenverband Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Kollegin der gesetzlichen Krankenkassen fordert einen Ausschluss Dr . Gesine Lötzsch, Fraktion Die Linke . von Hausgeburten aus der Erstattungspflicht, wenn der errechnete Geburtstermin nicht eingehalten wird . Und (Beifall bei der LINKEN) wie die Natur so ist: Man kann nicht alles genau berech- nen . Das wissen ja viele von uns aus Erfahrung, meine Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Damen und Herren . Vielen Dank .– Frau Präsidentin! Meine sehr geehr- (Beifall bei der LINKEN) ten Damen und Herren! Der Etat des Ministeriums für Gesundheit macht nur 4,7 Prozent des Bundeshaushal- Das bedeutet für Frauen, dass eine Hausgeburt zu ei- tes aus . Aber, meine Damen und Herren, es gibt keinen ner sogenannten IGeL-Leistung werden kann, die privat Grund, ihn zu unterschätzen; bezahlt werden muss . Das nenne ich Zweiklassenmedi- zin. Und ich finde, Zweiklassenmedizin darf es in diesem ( [CDU/CSU]: Er ist ja auch sehr Land nicht geben . wichtig!) (Beifall bei der LINKEN) denn die jährlichen Gesundheitsausgaben in Deutschland sind ungefähr so hoch wie der gesamte Bundeshaushalt . Leider gibt es auch eine Zweiklassenpflege. Auch da Parlament und Gesundheitsministerium können mit Ge- muss es Veränderungen geben . Eine Untersuchung der setzen und Verordnungen massiven Einfluss auf Ausga- Universität Witten/Herdecke hat ergeben: In deutschen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13741

Dr. Gesine Lötzsch (A) Pflegeheimen muss eine Pflegekraft nachts im Schnitt Vizepräsidentin Ulla Schmidt: (C) 52 Menschen betreuen . Damit stünden für einen Heim- Vielen Dank . – Nächster Redner ist Bundesminister bewohner pro Nacht gerade einmal zwölf Minuten zur Hermann Gröhe für die Bundesregierung . Verfügung . In manchen Heimen ist der Versorgungs- schlüssel sogar weit schlechter als der ermittelte Durch- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) schnittswert . So geben 8,7 Prozent der Befragten an, nachts sogar für mehr als 100 Heimbewohner zuständig Hermann Gröhe, Bundesminister für Gesundheit: zu sein . In manchen Fällen müssen sie sogar mehrere Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Häuser betreuen . Ich beginne mit dem Dank an die Hauptberichterstatterin sowie an die Berichterstatter für gute und konstruktive Herr Gröhe, Sie sind der zuständige Minister . Diese Beratungen im Haushaltsausschuss, erlaube mir aber die Zustände müssen endlich per Gesetz geändert werden . Bemerkung an Sie, Frau Dr . Lötzsch: Ihre Beschreibung Die gesetzliche Personalbemessung soll erst 2020 einge- unseres Gesundheitssystems hatte mit der Realität nicht führt werden . Das bedeutet fünf weitere Jahre Arbeits- viel zu tun, und die Menschen in diesem Land wissen stress und Pflegenotstand. Ich finde, das muss verhindert das . werden . Hier müssen wir schnell gemeinsam gesetzlich tätig werden . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei der LINKEN – Tino Sorge [CDU/ Sie wissen, dass wie in nur ganz wenigen Ländern der CSU]: Das Pflegestärkungsgesetz haben Sie Welt in unserem Land die Menschen komplexe, hoch- schon mitbekommen?) aufwändige Behandlungen bekommen, wenn sie sie brauchen, unabhängig von ihrem Einkommen . Das gibt Natürlich kommt häufig der Einwurf, mehr Personal es nur in ganz wenigen Ländern der Welt . Ihre Beschrei- in Krankenhäusern und Pflegeheimen würde zu höheren bung einer angeblichen totalen Ungerechtigkeit hat mit Beiträgen führen . Das sehe ich nicht so . Die OECD hat der Realität nichts zu tun, und das wissen die Menschen uns in einer Studie vorgehalten, dass in Deutschland die in diesem Land . hohen Gesundheitskosten und der Gesundheitszustand (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- der Bevölkerung in keinem guten Verhältnis zueinander ordneten der SPD) stehen. Ich finde, wir müssen das viele Geld viel besser einsetzen . Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will nicht nur den Haushältern, sondern auch den Gesundheitspoli- (Beifall bei der LINKEN) tikern der Koalition und der Fraktionen insgesamt dan- (B) ken . In den letzten Monaten haben wir zahlreiche um- (D) Zum Beispiel wurden in deutschen Krankenhäusern im fangreiche Gesetzesvorhaben abgeschlossen . Ich nenne Jahr 2014 knapp 2 Millionen Menschen ambulant ope- das Pflegestärkungsgesetz, die Krankenhausreform, das riert . Damit hat sich die Zahl dieser Operationen seit 2002 Versorgungsstärkungsgesetz, das Hospiz- und Palliativ- verdreifacht . Der Gesundheitszustand unserer Bevölke- gesetz und das Präventionsgesetz . Wir stehen auch kurz rung hat sich in zwölf Jahren doch nicht so dramatisch vor der Verabschiedung des E-Health-Gesetzes . Dahinter verschlechtert . Und auch in Ländern wie zum Beispiel steckt viel Arbeit, für die ich den Mitarbeiterinnen und Japan, die eine ähnliche demografische Entwicklung wie Mitarbeitern meines Hauses, aber auch den beteiligten wir erleben, gibt es keine vergleichbare Explosion bei der Parlamentarierinnen und Parlamentariern aller Fraktio- Anzahl dieser Operationen . nen danke . Wir haben viel miteinander geschafft . Meine Damen und Herren, das Problem ist die Fehl- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) steuerung der Krankenhäuser . Und die geht von der Bun- desregierung aus . Krankenhäuser sind nun einmal keine All diesen Projekten ist gemeinsam: Sie verbessern Fabriken . Es muss in erster Linie um die Gesundheit der die Qualität der Versorgung in unserem Land, und sie Menschen gehen . Und da kann ich Minister Gabriel in entwickeln die Strukturen weiter im Hinblick auf die He- Bezug auf das, was er in seiner vorhin gehaltenen Rede rausforderungen der demografischen Entwicklung. Gera- gesagt hat, völlig Recht geben: Zu diesen Menschen de ältere, chronisch oder mehrfach Erkrankte sind darauf gehören auch die Flüchtlinge . Herr Gabriel, ich forde- angewiesen, dass das Zusammenwirken der unterschied- re Sie auf: Geben Sie nicht nur öffentlich den Raufbold, lichsten Gesundheitsberufe, von Ärztinnen und Ärzten sondern setzen Sie richtige Dinge auch in der Koalition der unterschiedlichen Fachdisziplinen, von ambulant bis durch . Dann können wir Sie auch unterstützen . stationär, bestmöglich funktioniert . Eine stärkere Vernet- zung bei allen Leistungserbringern durchzusetzen: Das (Beifall bei der LINKEN) ist deswegen heute angezeigt . Meine Damen und Herren, unser Gesundheitssystem Deshalb stärken wir im Versorgungsstärkungsgesetz ist finanzierbar. Es muss endlich sozial und gerecht wer- Praxisnetzwerke und die sektorübergreifende Zusam- den . Herr Gröhe, es gibt eine Menge zu tun . Wir müssen menarbeit . Deswegen stärken wir im Hospiz- und Pal- es endlich anpacken . liativgesetz die Zusammenarbeit zwischen Palliativme- dizin und Altenpflege. Deshalb befördern wir mit der Vielen Dank . Krankenhausreform eine kluge Arbeitsteilung zwischen unterschiedlichen Kliniken, und deswegen fördern wir (Beifall bei der LINKEN) die Telemedizin als ein wichtiges Instrument zur besse- 13742 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Bundesminister Hermann Gröhe (A) ren Koordination der Leistungsanbieter im Gesundheits- zin und Verbesserungen bei der Hygiene in den Kranken- (C) wesen . häusern –, erstens sinnvoll und zweitens im Interesse der Versicherten in unserem Land sind . Es geht darum, Brücken statt Mauern zu bauen . Ich weiß, dass das mitunter Ängste auslöst . Die jüngste Po- Bei den Leistungsverbesserungen haben wir aber ne- lemik gegen die gesetzgeberische Vorgabe der engeren ben der Lebensqualität der einzelne Patientin und des Zusammenarbeit der Notfallambulanzen in den Kran- einzelnen Patienten immer die nachhaltige Finanzierbar- kenhäusern mit den Notfallpraxen der niedergelassenen keit unseres solidarischen Gesundheitswesens im Blick . Ärztinnen und Ärzte zeigt das . Ich weise diese Polemik Deswegen sind beispielsweise Schritte wie ein klares ausdrücklich zurück . Uns geht es um ein faires Miteinan- Bekenntnis „Reha vor Pflege“, eine bessere sektoren- der . Im Mittelpunkt muss aber das Wohl der Patientinnen übergreifende Zusammenarbeit und eine Krankenhaus- und Patienten und nicht der Kampf um Vergütungsanteile reform, die auf intelligente Arbeitsteilung setzt, immer stehen . sowohl eine Verbesserung für die betroffenen Patientin- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD so- nen und Patienten als auch eine Stärkung der Wirtschaft- wie bei Abgeordneten der LINKEN) lichkeit unseres solidarischen Gesundheitswesens . Wir wissen, dass es Verbesserungen nicht zum Nullta- Das gilt in besonderer Weise für das Präventionsge- rif gibt . Deswegen ist nicht zuletzt der Kraftakt, mit dem setz, das am 1 .Januar nächsten Jahres in Kraft treten wir die Pflege in unserem Land verbessern, mit einer wird . Auch hier geht es darum, Lebensqualität zu sichern Beitragssatzanhebung von insgesamt 0,5 Prozentpunk- bzw . zu gewinnen, indem lebensstilbedingte Erkrankun- ten, paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf- gen vermieden werden . Aber damit werden Kosten ver- zubringen, verbunden . Wir wissen aus allen Umfragen, meidbarer Behandlungen auch nicht anfallen . Nehmen dass die Bevölkerung in diesem Land die Verbesserun- wir als Beispiel die Volkskrankheit Diabetes mellitus . gen für notwendig hält und die dafür erforderliche Bei- 6,7 Millionen Menschen in unserem Land leiden an die- tragssatzerhöhung akzeptiert . Dies ist ein starkes Zeichen ser Krankheit, verbunden mit Risiken wie Herzerkran- der Solidarität in unserer Gesellschaft . kung, Schlaganfall, Erblindung und Amputation . Hier geht es auch um milliardenschwere Behandlungskosten . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Wenn es uns gelingt, durch starke präventive Angebote ordneten der SPD) und rechtzeitiges Erkennen und Behandeln hier entge- Meine Damen, meine Herren, wir gehen den Weg genzuwirken, dann bedeutet das nicht nur, dass wir – da- entschlossen voran . Kollegin Schwesig und ich arbeiten rum muss es zuallererst gehen – den betroffenen Men- unter Hochdruck am Pflegeberufsgesetz, also an der Mo- schen unendlich viel Leid ersparen . Vielmehr können wir (B) dernisierung der Ausbildung in der Pflege. Mit dem Pfle- dann auch die Mittel zur Deckung unnötiger Milliarden- (D) gestärkungsgesetz III werden wir die Zusammenarbeit kosten sparen . Deshalb ist es richtig, dass wir neben den zwischen kommunaler Altenhilfe und den Leistungen der Maßnahmen des Präventionsgesetzes zur Gesundheits- Pflegeversicherung verbessern. förderung in allen Lebensbereichen – von der Kita bis hin zur Altenpflege – erstmalig 3 Millionen Euro in den Karl-Josef Laumann treibt die Verbesserungen beim Einzelplan 15 zur Bekämpfung des Diabetes mellitus Pflege-TÜV wie auch bei der Entbürokratisierung in der eingestellt haben . Pflegedokumentation voran. Herzlichen Dank für diese Arbeit! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU) Die Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages Prävention, Hilfe, Repression – das ist der Dreiklang unserer Politik im Bereich der Drogen . Ich danke aus- in der gesetzlichen Krankenversicherung um 0,2 Pro- drücklich der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, zentpunkte hat zu öffentlichen Diskussionen geführt . Das , für ihre engagierte Arbeit . Legale ist so . Aber ich erlaube mir den Hinweis: Wir reden über wie illegale Suchtmittel fordern uns weiter in besonde- eine Erhöhung, die bei einem Bruttoeinkommen von rer Weise heraus . Frau Mortler stößt hier Wichtiges an . 3 000 Euro im Monat 6 Euro im Monat ausmacht . Eine Herzlichen Dank für diese Arbeit! halbe Kinokarte für die Beteiligung an Spitzenmedizin! (Widerspruch bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Für Alarmismus ist da wahrlich kein Raum . Wir werden hier alsbald weitere gesetzliche Regelungen (Beifall bei der CDU/CSU) vornehmen . Ich nenne als Beispiel eine Stoffgruppen- Im Übrigen weise ich darauf hin, dass es erhebliche regelung, mit der wir endlich ein rechtssicheres Verbot Unterschiede in den Beiträgen einzelner Kassen gibt und neuer psychoaktiver Stoffe – häufig völlig verharmlo- die gesetzliche Krankenversicherung und der Gesund- send Designerdrogen genannt – auf den Weg bringen . Ich heitsfonds noch immer über Reserven von deutlich über nenne als weiteres Beispiel die gesetzliche Regelung des 20 Milliarden Euro verfügen . Zugangs von Kranken zu Cannabis als Medizin in den Fällen, in denen das die angezeigte Therapie ist . Schließlich bestreitet niemand, dass die Schritte, die wir gegangen sind – mehr Pflegein den Krankenhaussta- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des tionen, bessere Stärkung der Hospiz- und Palliativmedi- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13743

Bundesminister Hermann Gröhe (A) All dies werden wir in Kürze im Rahmen des gesetzgebe- Impfaufklärungsmaterialien inzwischen in 20 Fremd- (C) rischen Handelns auf den Weg bringen . sprachen . Es gibt also umfassende Informationen für die Menschen, die zu uns kommen, damit sie in ihrer Hei- Doch nicht allein umfangreiche Gesetzgebung hat uns matsprache beispielsweise über notwendige Impfungen alle miteinander in den zurückliegenden Monaten ge- informiert werden . fordert . Ich erinnere an die Situation vor einem Jahr, als wir ebenfalls über den Haushalt berieten und uns alle die Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung katastrophale Entwicklung in Westafrika, der Ausbruch stellt in sechs Sprachen Materialien über verschiede- von Ebola, in Atem hielt . In diesen Tagen zeigen einzelne ne Infektionskrankheiten zur Verfügung, und das Paul-­ neue Infektionsfälle in Liberia, dass der Kampf noch im- Ehrlich-Institut und das Bundesinstitut für Arzneimittel mer nicht vollends gewonnen ist, dass die letzten Meter und Medizinprodukte stellen den Ländern bei der impf- eines Weges offenkundig die härtesten und anstrengend­ stoffbezogenen und arzneimittelbezogenen Versorgung sten sind, auch wenn in der Zwischenzeit viel erreicht von Flüchtlingen in einer Clearingstelle Beratung und werden konnte . Trotzdem ist es richtig und wichtig, dass Hilfe zur Verfügung . die Bundesregierung international den Prozess voran- Sie wissen alle, dass zur Bewältigung der Flüchtlings- treibt und darauf drängt, dass Lehren aus dieser Katast- situation in diesem Bundeshaushalt von der Bundesre- rophe gezogen werden: Warum wurde sie anfangs unter- gierung 4 Milliarden Euro für das Jahr 2016 zusätzlich schätzt? Warum lief die internationale Hilfe zu zögerlich eingestellt wurden . Aus diesen Mitteln werden auch die an? Es ist gut und wichtig, dass wir dies aufbereiten; Kosten der Gesundheitsversorgung bestritten . Das sind denn wir müssen auf zukünftige Gefahren dieser Art bes- also keine Kosten, die die gesetzlich Versicherten wo- ser vorbereitet sein . möglich durch eine Erhöhung ihrer Beitragszahlung be- Ich freue mich darüber, dass wir die G-7-Präsident- lasten. Das sei angesichts mancher Simplifizierung in der schaft Deutschlands genutzt haben – ich danke dafür aus- Öffentlichkeit ausdrücklich festgestellt . drücklich der Bundeskanzlerin, aber auch den Kollegen (Beifall der Abg . Petra Hinz [Essen] [SPD]) Müller und Schmidt sowie der Kollegin Wanka; das ist uns gemeinsam gelungen –, globale Gesundheitspolitik Allerdings möchte ich an dieser Stelle auch nicht ver- zu einem Markenzeichen der Politik unseres Landes zu schweigen, dass wir uns perspektivisch mit der Frage machen . Das ist Teil unserer Verantwortung, schützt aber beschäftigen müssen, wie sich die Integration der Asyl- auch die eigene Bevölkerung . In diesem Zusammenhang suchenden in den nächsten Jahren auch auf die Kranken- freue ich mich, dass wir uns mit dem Bundesministeri- versicherung auswirken wird . Ich möchte an dieser Stelle um für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- nicht spekulieren und alle davor warnen, dies vorschnell zu tun . Aber wir werden uns natürlich mit der Frage zu (B) lung darauf verständigt haben, dass aus den zusätzlich (D) zur Verfügung gestellten Mitteln im Bereich der Ent- beschäftigen haben, wie eine schnelle Integration in den wicklungszusammenarbeit 10 Millionen Euro durch das Arbeitsmarkt gelingt und welche Auswirkungen sie dann Bundesgesundheitsministerium bewirtschaftet werden, auf die zu tragenden Kosten, auch angesichts entspre- um damit die Beschlüsse des G-7-Gipfels im Bereich des chender Krankheitsbilder, für die Krankenversicherung globalen Gesundheitsschutzes und der freiwilligen Leis- hat . Wir werden dies jedenfalls sehr aufmerksam beob- tungen für die Weltgesundheitsorganisation zu finanzie- achten und dann gegebenenfalls mit Ihnen über notwen- ren . dige Schritte reden . In diesen Tagen fordert uns die Versorgung der Men- Für heute darf ich noch einmal für die guten Beratun- schen, die zu uns fliehen, in besonderer Weise heraus. gen danken und Sie um Zustimmung zum Einzelplan 15 Das ist nicht nur humanitär geboten, sondern es dient bitten . auch dem Schutz der Bevölkerung insgesamt . Auch Herzlichen Dank . wenn die Bundesländer die Leistungen nach dem Asyl- bewerberleistungsgesetz umsetzen, so will ich doch (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) festhalten, dass die entsprechenden gesetzlichen Rege- lungen, beispielsweise ausdrücklich im Asylbewerber- Vizepräsidentin Ulla Schmidt: leistungsgesetz genannt, selbstverständlich die erforder- Vielen Dank .– Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt lichen Leistungen bei der Betreuung von Schwangeren die Kollegin Ekin Deligöz das Wort . vorschreiben . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ordneten der SPD) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Der Gesundheitsetat hat Auch wenn die Zuständigkeiten so sind wie beschrie- in der Tat relativ wenig Spielraum . Von dem Etat gehen ben, ist es selbstverständlich auch eine Aufgabe meines 95 Prozent, nämlich 14 Milliarden Euro, erst einmal ab Hauses und der angeschlossenen Bundesbehörden, dass als Zuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung . wir bestmöglich diejenigen, die vor Ort Verantwortung Dann bleiben 574 Millionen Euro übrig . Über die reden tragen, in ihrer Arbeit unterstützen . So hat beispielswei- wir, wenn wir über den Gesundheitsetat im Haushalts- se das Robert-Koch-Institut ein Impfkonzept entwickelt ausschuss beraten . und Handreichungen für den Umgang mit spezifisch erkrankten Flüchtlingen erarbeitet . Es gibt ein standar- Herr Minister, erlauben Sie mir eines . Es ist zwar ganz disiertes Konzept für Erstuntersuchungen, und es gibt ungewöhnlich, dass jemand aus der Opposition so etwas 13744 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Ekin Deligöz (A) sagt, aber ich bearbeite fünf Haushaltspläne und kann es Dass Sie die Schutzimpfungen und vieles mehr in die (C) deshalb ganz gut beurteilen: Sie sind der Minister, der Hand nehmen, ist gut und wichtig . Das wird aber nicht sich am allerbesten in seinem Etat auskennt, bis ins De- ausreichen . tail hinein. Ich finde, das muss man hier schon einmal erwähnen . Ich möchte einen anderen Punkt herausgreifen: 50 Prozent der Flüchtlinge sind unter 25 Jahre alt . Sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, kommen nach einer langen Reise hierhin . Sie sind ge- bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Ab- schwächt, und sie sind traumatisiert . Diesen Traumatisie- geordneten der LINKEN – Dr . Gesine Lötzsch rungen begegnen wir aber noch nicht mit einer flächen- [DIE LINKE]: Das ist die große Ausnahme!) deckenden psychosozialen Betreuung . Sie würden sich aber wundern, wenn ich nicht trotz- Es gibt die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psy- dem noch Verbesserungsvorschläge hätte . Einen Teil chosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer mit unserer Verbesserungsvorschläge haben Sie schon über- derzeit 30 Zentren für ganz Deutschland . Viele dieser nommen . Es freut mich besonders, dass Sie da sehr offen Zentren sind in ihrer Existenz von freiwilligen Spenden sind . Ich denke, die größte Herausforderung überhaupt abhängig . Sie versuchen, möglichst viel zu machen . Aber in Ihrem Etat ist, dass wir im Bereich der gesetzlichen es gibt lange Wartezeiten . Diese Zentren müssen bangen . Krankenversicherung und der Pflegeversicherung vo- Warum müssen sie bangen? Weile viele der Kosten nicht rausschauend handeln müssen, um das System stabil, adäquat von der GKV übernommen werden . gerecht und zukunftsfest zu machen . Das sind die drei Punkte, über die wir reden . Ich will Ihnen ein Beispiel geben . Bei einer Therapie ist die Sprache das Therapieinstrument . Die GKV über- Wenn wir über die Sozialversicherung in diesem Land nimmt aber keine Dolmetscherkosten . Die GKV über- reden, alle Sozialversicherungszweige zusammen, reden nimmt auch nicht die Kosten für die tatsächliche Zeit, wir immerhin über 450 Milliarden Euro . Etwas weniger die entstehen wird, wenn Dolmetscher eingesetzt wer- als die Hälfte dieser 450 Milliarden Euro kommen in der den . Das hat zur Konsequenz, dass nur ein Bruchteil der GKV und in der Pflegeversicherung an. Hier kommen Kosten übernommen wird und dass Therapien manchmal die größten Herausforderungen auf uns zu . Der demo- sogar abgebrochen werden müssen, wenn die Leute vom grafische Wandel, die älter werdende Gesellschaft, tech- Asylbewerberleistungsgesetz in die GKV übergehen und nischer Fortschritt, aber auch medizinischer Fortschritt, deshalb auf der Strecke bleiben . Die Kosten dieses Ver- der Personalbestand – Stichwort Fachkräftemangel –, all fahrens werden uns dennoch in Rechnung gestellt, wenn das wird das System in der kommenden Zeit teurer ma- auch in einer anderen Form. Ich finde, deshalb müssen chen . Es werden Kosten auf uns zukommen, die wir auch wir die Traumata bei den Flüchtlingen nicht nur ernst (B) aufbringen müssen . nehmen, sondern wir müssen da massiv aktiv werden . (D) Ich möchte zwei Punkte festhalten . Das eine, das mich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) besorgt macht, ist, dass wir nur bedingt eine parlamen- tarische Kontrolle über diese Mittel haben, während uns In der letzten Woche gab es einen großen Integrati- die Menschen vertrauen, dass das Geld auch in ihrem onsgipfel . Da werden Sie jetzt im Bereich Migration und Sinne verwendet wird. Ich finde, das ist eine Baustelle Integration eine halbe Million Euro in die Hand nehmen . für uns, auch im Rechnungsprüfungsausschuss . Ich finde, das ist ein Tropfen auf einen ganz heißen Stein. Wenn man solche Gipfel im Kanzleramt veranstaltet, Das Zweite ist, dass wir in diesem Bereich natürlich weckt man natürlich Erwartungen . Aber diesen Erwar- auf die Frage reagieren müssen: Wie entwickeln sich die tungen müssen auch Taten folgen; denn ansonsten ver- Sozialversicherungen? Alle Modelle, die Sie jetzt aufge- bleibt nur Symbolpolitik. Ich finde, genau das sollten wir zeigt haben – sei es im Bereich der Krankenhausfinan- uns in diesem Bereich nicht leisten . zierung, der Pflege oder anderes –, werden nicht dazu beitragen, dieses System per se zukunftsfest zu gestalten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und auch langfristige Planungen zu ermöglichen . Dafür Ganz am Schluss komme ich noch zur WHO . Herr waren diese Schritte zu klein, und sie werden in diesem Minister, Sie haben gerade gesagt: Trotzdem investieren Bereich auch wirkungslos verhallen . wir. – Ich finde, wir sollten sagen: Gerade deshalb inves- Was noch dazukommt – Sie selbst haben das ange- tieren wir in die WHO . sprochen –: Wir müssen auch über neue Formen der So- Letzte Woche wurde ein Aktionsplan in Rom beschlos- lidarität nachdenken . Wir Grünen schlagen da eine Bür- sen. Wir in Deutschland sind verpflichtet, die Beschlüsse, gerversicherung vor . die dort getroffen worden sind, umzusetzen . Dazu gehört (Tino Sorge [CDU/CSU]: Sie haben so gut an- auch das nachhaltige Denken . Wenn wir nicht rechtzeitig gefangen, und jetzt kommen Sie mit so was!) in die WHO investieren, dann werden wir die Quittung dafür bekommen . Ebola lehrt uns etwas, nämlich dass Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in diesem Land die Investitionen in die WHO eine gute Präventionsarbeit ernsthaft darüber reden müssen . darstellen . Wir fordern dafür zusätzliche Mittel, weil wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der Meinung sind, dass wir die internationalen Struktu- ren höherhalten müssen und sie nicht vergessen dürfen . Der größte Debattenpunkt in Ihrem Etat ist in der Tat der Bereich der Flüchtlinge . Menschen kommen, Men- Herr Minister, es gibt viel zu tun, auch wenn nicht so schen bleiben . Sie suchen Schutz . Sie sind traumatisiert . viel Geld in Ihrem Budget steht . Kreative Ideen gibt es Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13745

Ekin Deligöz (A) genug . In diesem Sinne kämpfen wir dann umso mehr für „Gesundheit und Pflege“ ist einfach ein Querschnittsbe- (C) mehr Geld für Sie . reich . Sie haben gerade schon deutlich gemacht, dass wir mit der Familienministerin, aber auch mit der Ministerin Danke schön . für Arbeit und Soziales und dem Minister für wirtschaft- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) liche Zusammenarbeit und Entwicklung zusammenar- beiten .

Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Kommen wir auf den Bereich gesamtpolitische Maß- Vielen Dank .– Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die nahmen zu sprechen, für den 86,4 Millionen Euro zur Kollegin Petra Hinz . Verfügung stehen . Hier möchte ich einen ersten Schwer- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten punkt bei Prävention und Aufklärung sehen; dafür sind der CDU/CSU) 41,7 Millionen Euro veranschlagt . Man kann sagen: Das ist angesichts der Bedeutung der Prävention zu wenig . Wenn bereits Kinder aufgeklärt und gesund leben, dann Petra Hinz (Essen) (SPD): werden sie mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit auch Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und gesund älter . Insofern wird sich all das, was wir in die Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir Kinder investieren, gerade im Gesundheitsbereich, mit hier heute über den Haushalt für das kommende Jahr ihrem Älterwerden für das Gesundheitssystem rechnen . beraten, dann müssen wir dies im Gesamtkontext der von der Großen Koalition beschlossenen Haushalte tun . An dieser Stelle sei zur Bundeszentrale für gesund- So möchte ich auch den aktuellen Haushalt verstanden heitliche Aufklärung gesagt, dass die Behördenleitung wissen . Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass wir, gewechselt hat: Frau Heidrun Thaiss ist die neue Behör- die Große Koalition, erneut einen Schwerpunkt auf die denleiterin . Sie hat sich im Rahmen des Berichterstatter- Gesundheitsvorsorge, insbesondere bei Kindern, gesetzt gesprächs vorgestellt . In einem weiteren Gespräch hat sie haben . Das, was wir für die Haushalte 2014 und 2015 noch einmal ihre Aufgaben dargelegt . Insbesondere hat auf den Weg gebracht haben, ist eine Reihe von Maßnah- sie klargestellt, vor welchen Herausforderungen wir im men, die wir auch in den kommenden Haushalten ent- Zusammenhang mit dem Präventionsgesetz, welches am sprechend fortsetzen werden . 1 . Januar 2016 in Kraft treten wird, stehen . Wenn wir sozusagen das Buch der Haushalte für den 6 Millionen Euro werden wir wieder für die Organ- Bereich Gesundheit aufschlagen, dann möchte ich ganz spendekampagne bereitstellen . Leider sind wir auch auf gern einmal die groben Eckdaten nennen . Wir verfügen diesem Gebiet noch nicht so weitergekommen, wie wir (B) eigentlich – da haben alle Kolleginnen und Kollegen, die es uns vorstellen könnten und wie es auch notwendig (D) bisher gesprochen haben, recht – über einen wesentlich wäre . Für den Bereich der Durchimpfungsrate haben wir größeren Haushalt – er umfasst 14,6 Milliarden Euro –, weiterhin 3 Millionen Euro eingeplant . reden aber in der Tat nur über die 86 Millionen Euro, die für die gesamtpolitischen Maßnahmen zur Gesundheits- Zu den Bereichen Aids- und Drogenaufklärung . Ich pflege zur Verfügung stehen. möchte unserer Drogenbeauftragten noch einmal ein herzliches Dankeschön für ihr Engagement sagen . Die- Im Vergleich zum Jahr 2015 verzeichnet der Einzel- ses Dankeschön gilt aber nicht nur der Drogenbeauf- plan einen Aufwuchs um 2,5 Milliarden Euro . Für die tragten, sondern allen Kolleginnen und Kollegen, die in gesetzliche Krankenversicherung sind Ausgaben von der Gesundheitspolitik arbeiten . Wir müssen vor allem 14 Milliarden Euro vorgesehen . Wie zugesagt, werden die Aufklärung über die Gefahren des Drogenkonsums die Ausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung und der Infektionskrankheiten stärken . Man soll es nicht ab 2017 wieder dauerhaft bei 14,5 Milliarden Euro lie- glauben: Trotz der umfangreichen Aufklärung, trotz der gen . Bewusstseinsarbeit steigen die entsprechenden Zahlen Eins möchte ich zu den neuen Strukturen im Haus- immer wieder an . Wenn man das feststellt, wundert man halt 2016 sagen – das ist für uns als Haushälter wichtig –: sich schon sehr . Wir waren die letzten Haushälter, die noch nicht mit neu- en Strukturen gearbeitet haben . Es gibt eine neue Sys- Ein Thema liegt mir besonders am Herzen – entspre- tematik . Viele Maßnahmen sind zusammengeführt wor- chende Vorschläge waren die ersten, die wir in die Bera- den . Für uns als Haushälter ist das sehr wichtig, weil wir tungen über die Haushalte 2014 und 2015 eingebracht ha- dadurch einen besseren Überblick darüber bekommen ben –: die Frage der Kindergesundheit, insbesondere im haben, mit wie vielen Maßnahmen wir im Bereich der Hinblick auf Prävention und Rehabilitation . Wir haben Gesundheit, der Pflege, der Prävention, unterwegs sind. gemeinsam lange über das Präventionsgesetz diskutiert . Wir haben Anhörungen durchgeführt, und wir haben es Ein weiterer Punkt ist die Frage von Pflichtbeiträgen fachlich und inhaltlich diskutiert . Darüber hinaus habe und freiwilligen Leistungen an die WHO; er ist gerade ich vor Ort, in ganz unterschiedlichen Bundesländern, von meiner Kollegin Ekin Deligöz und auch von Minis- mit Vertretern verschiedener Einrichtungen und Instituti- ter Gröhe angesprochen worden . Ich denke, wir sind da onen gesprochen . Sie haben mir eine Frage gestellt: Was auf dem richtigen Weg . Wir haben das, worüber auch wir ist mit denen, die noch nicht in den Bereich der Präventi- hier diskutiert haben, in einem ersten Schritt umgesetzt . on gehören? Was ist mit den Kindern, die auch noch nicht Dass wir auch da besser mit einem anderen Ressort zu- in den Bereich der Rehabilitation gehören, für die wir sammenarbeiten, ist für uns keine neue Erkenntnis; denn aber im Vorfeld eine ganze Menge leisten müssen, damit 13746 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Petra Hinz (Essen) (A) sie gar nicht erst Leistungen nach dem SGB V brauchen, gemeinsam ein Konzept zu erarbeiten . Ich gehe davon (C) damit ihnen bei ihrer Übergewichtigkeit geholfen wird? aus, dass wir bei zukünftigen Haushalten – ich denke an Nun sprechen wir in dem Bereich von Perzentilen 2016/2017 – über einen weiteren Aufwuchs sprechen und von BMI-Werten – und dies bei Kindern . Wir ha- werden . ben hier 90-Prozent- und 97-Prozent-Perzentile . Das Das Thema Flüchtlinge hat sich in diesen Haushalts- bedeutet: 90 Prozent oder 97 Prozent der Kinder sind beratungen wie ein roter Faden durch die Beratung al- nicht übergewichtig, und 10 Prozent oder 3 Prozent sind übergewichtig oder fettleibig . Das heißt, diese Kinder ler Etats gezogen . Genau so muss es auch verstanden werden mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit über- werden: Es ist eine Gesamtaufgabe aller Bereiche, des gewichtige Erwachsene . Hier wäre eine Rehamaßnah- gesamten Hauses . Es geht nicht um eine besondere The- me angezeigt . Aber was passiert mit denen, die nicht in menstellung eines einzelnen Bereichs . diese Bereiche fallen? Können wir Kinder tatsächlich in Perzentile einteilen? Wollen wir schon Kinder mit einem Ich bin sehr froh, Herr Minister Gröhe, dass Sie ge- Body-Mass-Index versehen? Sollten wir das nicht an- rade die Schwangeren, die Kinder und Jugendlichen ders sehen? Wenn wir Kindern in den Familien, in den erwähnt haben . Diese haben sich nicht einfach auf eine Schulen – Stichwort „Klasse2000“ – das Bewusstsein da- Reise gemacht, sondern sie haben Schreckliches erlitten, für stärken, dass sie besondere Menschen sind, dass sie um aus einer Kriegsregion zu entkommen und in ein si- Selbstvertrauen haben können, dass sie Stärken haben, cheres Land zu gelangen . Unabhängig davon, inwieweit dass sie Erfolge haben, dann wird sie das mit Sicherheit die Gesetzesverfahren abgeschlossen sind und inwieweit vor einer Übergewichtigkeit oder vielleicht sogar Fettlei- sie in Kraft sind, müssen wir den Flüchtenden helfen, bigkeit bewahren . insbesondere den Schwangeren, den Kindern, den Trau- matisierten . Hieran werden wir in enger Abstimmung mit Ich habe hier einen besonderen Schwerpunkt gesetzt, dem Familienministerium gemeinsam arbeiten . weil ich hier den Schlüssel für das Problem sehe . Wenn Kinder wohlgeraten, wenn Kinder, ich sage mal, behütet Zum Thema Behinderte . Da ist einmal die Frage der werden – nicht im Sinne davon, dass man sie permanent Behinderten grundsätzlich . Es sind besondere Krank- beschützt –, wenn Kindern ein Selbstbewusstsein mit- heitsmerkmale, die Behinderte haben . Ich habe in der gegeben wird, dann werden diese Kinder auch gesunde ersten Lesung darauf aufmerksam gemacht, auch vor Erwachsene werden . dem Hintergrund der Erfahrungen mit den Special Olym- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) pics, vor welchen Herausforderungen die behinderten Menschen insgesamt stehen . Noch viel mehr gilt das für Wir haben weitere Schwerpunkte gesetzt: im Bereich die, die auf der Flucht sind . Deshalb dürfen wir die Be- (B) der Modellvorhaben, gerade auch im Bereich der Res- (D) sortforschung . Hier reden wir über den „Masterplan Me- hinderten, die auf der Flucht sind, auf keinen Fall aus dizinstudium 2020“, über den Ausbau der Versorgungs- dem Auge verlieren . forschung, über Strategien zur Bekämpfung von Krebs . Ich möchte mich bei allen, die dazu beitragen, dass Ja, das ist ein Thema, das immer und immer wieder auf unser Gesundheitswesen bestmöglich funktioniert, und der Tagesordnung steht . Es ist dringend erforderlich, dass wir dabei zu Erfolgen kommen . bei allen Vertretern der Wohlfahrtsverbände, die sich in unterschiedlichen Bereichen, ob hauptamtlich oder Zum Pflegebedürftigkeitsbegriff. Es ist gerade schon ehrenamtlich, engagieren, ganz herzlich bedanken . Ich angesprochen worden, was dort auf den Weg gebracht bedanke mich insbesondere bei meinen Kolleginnen und wird und vor welchen Herausforderungen wir insgesamt Kollegen im Gesundheitsausschuss, im Fachbereich, für noch stehen. Dabei geht es um die, die gepflegt werden, die großartige Unterstützung, für den Zuspruch, für jede aber auch um die, die pflegen. Da sind wir mit dem Fa- Hilfestellung, die gegeben wird, damit wir im Haushalts- milienministerium, denke ich, auf einem sehr guten Weg . ausschuss das umsetzen können, was dort inhaltlich die Auch ein anderes Thema habe ich gerade schon ange- ganze Zeit über diskutiert wird . Ich möchte nicht ver- sprochen: sexuell übertragbare Krankheiten . Man soll es säumen, mich beim Ministerium ganz herzlich für die nicht glauben: Die Zahl geht leider nicht zurück, aber sie Zuarbeit zu bedanken . Meine Mitberichterstatterin Ekin ist zumindest konstant . Deligöz hat Sie ja gerade schon in den höchsten Tönen gelobt . Ich kann mich dem Lob nur anschließen . Ich Ich möchte noch ein Thema ansprechen, und zwar die möchte mich beim Bundesfinanzministerium und beim Aspekte der Migration und Integration im deutschen Ge- Bundesrechnungshof bedanken, aber auch noch einmal sundheitswesen . Anfang des Jahres hat unsere Staatsmi- bei meinen Kolleginnen und Kollegen . Insbesondere nisterin zur Unterzeichnung der Charta der Vielfalt ins bedanke ich mich ganz herzlich bei meinen Mitbericht- Kanzleramt eingeladen . Es war eine großartige Veran- staltung . Sehr viele Vertreter waren dort anwesend, auch erstatterinnen und Mitberichterstattern, dass sie mir die Kolleginnen und Kollegen aus dem Gesundheitsbereich . Zusammenarbeit ganz einfach machen . Vielen Dank für Dort haben wir verabredet, dass wir für diesen Bereich die geleistete Arbeit, aber auch schon einmal für die Ar- einen Titel schaffen und Geld zur Verfügung stellen wer- beit, die noch vor uns liegt . den . Das haben wir mit diesem Haushalt umgesetzt . Herzlichen Dank . Jetzt kann man sagen: Diese 500 000 Euro sind nur ein Feigenblatt .– Aber: Wir sind seit dem Gipfel dabei, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13747

(A) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Situation . Ich möchte all denjenigen Dank und Anerken- (C) Vielen Dank .– Nächster Redner ist der Kollege nung aussprechen, die sich im Gesundheitswesen um Dr . Georg Nüßlein, CDU/CSU-Fraktion . dieses angesichts von Sprachbarrieren und Krankheiten schwierige Thema kümmern . (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): ordneten der SPD) Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Die Ich möchte ausdrücklich auch dem zuständigen Mi- Kollegin Hinz hat gerade – zu Recht, wie ich meine – die nister Gerd Müller Unterstützung zusagen . Er hat recht Flüchtlingsthematik als eine Querschnittsthematik be- mit dem Hinweis, dass Gesundheitsvorsorge schon in schrieben . Dies trifft uns natürlich auch im Bereich der Flüchtlingscamps im syrischen Umfeld stattfinden muss. Gesundheitspolitik . Ich möchte vorab ganz klar festhal- ten: Es geht hier zuallererst um eine humanitäre Frage ( [SPD]: Die müssen erst mal und erst dann um die Fragen von Euro und Cent, von was zu essen haben!) Steuerung und Begrenzung, Da geht es darum, dass die Bedingungen nicht noch (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE schwieriger werden, als sie ohnehin schon sind . Wir alle GRÜNEN]: Das wäre gut, wenn Sie das mal wissen mittlerweile, wie schnell uns so etwas dann auch beherzigen!) hier in Deutschland trifft . Deshalb ist das das Gebot der Stunde . aber natürlich auch um die Frage von Euro und Cent, so wie bei den gesetzlich Versicherten . Wenn ich sage: „Das Nun hat die Kollegin Hinz auch die EU-Richtlinie ge- Thema hat Relevanz für die Gesundheit“, dann möchte streift, die wir umsetzen sollen . Ich bin hier skeptisch; ich hier auf der einen Seite auf berechtigte Sorgen hin- das gebe ich ganz offen zu . Diese Richtlinie ist drei Jahre weisen, auf der anderen Seite aber auch ganz klar sagen: alt . Wenn die Kommission diese Richtlinie aktualisieren Es geht nicht darum, unberechtigte Ressentiments zu we- würde, könnte sie einmal zeigen, wie nah sie am Thema cken . Flüchtlinge sind keine Seuchenbringer, überhaupt dran ist . Uns in einer komplett anderen Lage eine alte nicht . Richtlinie auf den Tisch zu legen, ist kein gutes Zeugnis, das sie sich an dieser Stelle selber ausstellt . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ (Beifall bei der CDU/CSU) DIE GRÜNEN) Ich will Ihnen auch sagen, worum der Streit geht, Ganz im Gegenteil: Was solche Themen angeht, produ- der sich hier – auch in der Koalition – angedeutet hat . (B) zieren die deutschen Eltern, die ihre Kinder nicht impfen Die Definition von „schutzbedürftigen Personen“ ist zu (D) lassen, in dieser Hinsicht ganz andere Risiken; das muss weitgehend . Man hätte auch gleich „alle“ schreiben kön- man an der Stelle auch einmal deutlich sagen . nen . Wenn man „ältere Menschen“ und „Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen“ einbezieht und (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- dies unter Hinweis auf die Richtlinien des Gemeinsamen ordneten der SPD) Bundesausschusses mit einer Beeinträchtigung der Le- Trotzdem gibt es natürlich Themen wie das der offe- bensqualität definiert, umfasst das zum Schluss alle Per- nen Tbc, die uns umtreiben und die zeigen, wie wichtig sonen, und diese hätten dann von Anfang an den gleichen es ist, auch aus gesundheitspolitischen Erwägungen die Gesundheits- und Versicherungsschutz wie gesetzlich Residenzpflicht durchzusetzen. Versicherte . ( [SPD]: Untersuchun- Wir wollen beim jetzigen Umfang des Asylbewer- gen sind wichtig! – Maria Klein-Schmeink berleistungsgesetzes bleiben . Am Anfang wollen wir die [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind Leistungen auf das Notwendige beschränken . Der Minis- meist aus Rumänien!) ter hat richtig gesagt, dass Leistungen für Schwangere beispielsweise bereits davon umfasst sind . Ich wehre Wir haben, was die Versorgung der Flüchtlinge angeht, mich deshalb dagegen, dass man mit Bildern arbeitet, als Bund das Notwendige getan, beispielsweise durch die nicht der Realität entsprechen . Das erleben wir mo- den Verzicht auf Mengenabschläge bei den Krankenhäu- mentan in den Medien . Dort werden die Schwangeren, sern, in denen Flüchtlinge behandelt werden, um nicht die Mütter, die Kinder gezeigt . Aber die vielen jungen das Risiko einzugehen, dass denen, die viel machen, am Männer, die das Bild eigentlich prägen, sieht man nicht . Schluss viel abgezogen wird . Wir haben den Ländern die Auch hier wird mit genau diesen Themen operiert, dass Gesundheitskarte als Option gegeben . Ich gebe offen zu, wir Schwangeren nicht helfen . Das ist nicht der Fall . Das dass die Unionsfraktion hier durchaus skeptisch war auf- ist mit dem Asylbewerberleistungsgesetz erfasst . grund einer zu befürchtenden Anreizwirkung . Es geht darum, den Leistungsumfang nicht ohne Not (Hilde Mattheis [SPD]: Stimmt ja nicht! Das auszuweiten . wisst ihr ja jetzt!) (Mechthild Rawert [SPD]: Die Not ist aber Aber wir wissen auch, dass an dieser Stelle am Schluss da!) die Länder gefordert sind . Bei denen, die den öffentli- chen Gesundheitsdienst runtergefahren haben, rächt sich Ich halte es mit Blick auf die Anreizwirkung für richtig, das jetzt . Die sind nämlich gerade in einer schwierigen aber auch mit Blick auf das, was die gesetzlich Versi- 13748 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Dr. Georg Nüßlein (A) cherten, die arbeiten und ihre Beiträge zahlen, von uns die eine Pflegeversicherung erfüllen soll. Ich glaube, es (C) erwarten. Ich sage Ihnen auch: Es werden finanziell noch ist anerkanntermaßen richtig und sinnvoll, dass wir den etliche Dinge auf uns zukommen, über die man diskutie- Pflegebedürftigkeitsbegriff komplett neu definiert haben, ren muss . Ab 1 .Januar nächsten Jahres werden für Ar- was insbesondere Demenzkranken zugutekommt . beitslosengeld-II-Empfänger nur 90 Euro pauschal vom Staat einbezahlt . Wenn es so bleibt, werden die Kosten Wir haben uns entschlossen, mit dem Krankenhaus- pro Leistungsempfänger bzw . Patient jedoch bei 250 bis strukturgesetz gezielt die Pflege zu fördern. Das war 300 Euro liegen . ein richtiger Ansatz, und zwar deshalb, weil uns Ärzte, aber auch Pflegekräfte durchaus mit Fug und Recht ge- (Hilde Mattheis [SPD]: Das nennt man Soli- sagt haben: Es wird langsam kritisch für die Patienten . darität!) Es war notwendig, an der Stelle etwas zu tun; wir haben Damit haben wir ein programmiertes Defizit in der Kran- das Richtige getan . Aber da sind wir relativ schnell im kenversicherung, Bereich von Milliardenausgaben, die uns natürlich be- lasten, die aber notwendig sind . Man predigt die ganze (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE Zeit, dass Gesundheit ein hohes Gut ist . Aus meiner Sicht GRÜNEN]: Durch Steuern ausgleichen!) muss jedem klar sein, dass dieses hohe Gut am Schluss auch Geld kostet . wenn es uns im nächsten Jahr gelingt, was ein großer Er- folg wäre, 500 000 Flüchtlinge als arbeitsfähig zu quali- Nun gibt es ja ein paar, die verkünden, das mit den fizieren. Ich würde es mir wünschen. Aber das bedeutet Kosten sei ganz einfach; man müsse nur die Bürgerversi- für die gesetzliche Krankenversicherung ein Defizit von cherung einführen, und schon sei das Problem gelöst . Ich bis zu 1 Milliarde Euro jährlich . sehe das nicht so . Ich frage mich schon, inwiefern es eine Das können wir so nicht hinnehmen . Hier gibt es Lösung ist, dass man, wenn 71 Millionen Versicherte ein Handlungsbedarf . Hierüber muss man reden . Die Ge- Problem haben, 10 Millionen dazunimmt, sodass man spräche zwischen dem Gesundheitsminister und dem auf 81 Millionen Versicherte kommt . BMAS finden statt. Ich weiß, dass am Ende nur die Frage (Hilde Mattheis [SPD]: Sie haben es nicht zu beantworten ist, wer es denn zahlt: die Versicherten- verstanden!) gemeinschaft oder die Steuerzahler? Jedoch macht das insbesondere angesichts dessen, was in der Debatte an- Wo ist denn da die Problemlösung? Wenn man berück- geklungen ist, einen Unterschied . sichtigt, dass es am Ende, egal wie man es umsetzt, eine Beitragsbemessungsgrenze geben wird, dann ist jetzt (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE schon klar: Sie würden mit solchen Ansätzen nicht die GRÜNEN]: Genau! Das ist das Entscheiden- (B) Millionäre erwischen, sondern die kleinen Sparer, die (D) de!) dann zusätzlich etwas bezahlen müssen . Ob das wirklich Wir alle wissen, dass nach den aktuellen Schätzungen die Sozialpolitik ist, die die linke Seite des Hauses an für das Jahr 2016 die GKV-Ausgaben um 5 Prozent auf dieser Stelle betreiben will, wage ich zu bezweifeln . 220 Milliarden Euro steigen werden . Der Anstieg des Zu- (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der satzbeitrages von 0,9 auf 1,1 Prozent ist programmiert . LINKEN) (Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Ach, guck an!) Also, machen Sie es sich nicht ganz so einfach . Gu- – Ja, guck an .– Die 1,1 Prozent sind übrigens ein Durch- cken Sie lieber mal, was wir im Bereich der Gesundheits- schnittsbeitrag . Man kann auch in eine Kasse wechseln, politik in den letzten Wochen und Monaten Großartiges die darunterliegt; das muss man auch einmal in aller geleistet haben . Wir haben unser Gesundheitswesen un- Deutlichkeit sagen . Der Grund für diesen Anstieg sind ter qualitativen, humanitären und auch unter Solidaritäts- nicht unsere kostentreibenden Gesetze, sondern auch die gesichtspunkten massiv vorangebracht . Das hat unser Tatsache, dass die Kassen unter dem Eindruck des Wett- Gesundheitsminister betrieben . Ich will mich ausdrück- bewerbs den Zusatzbeitrag bisher teilweise zu niedrig lich bei ihm dafür bedanken, dass er es so offensiv und angesetzt haben . Das zeigt, dass das, was wir gemacht klar betrieben hat . haben, wettbewerbsseitig durchaus Sinn und Zweck hat . Vielen herzlichen Dank . (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- GRÜNEN]: Sie produzieren nur Chaos!) ordneten der SPD) Wenn hier Einwände kommen, muss man auch ganz klar sagen, dass wir in der Größenordnung dessen liegen, Vizepräsidentin Ulla Schmidt: was von Rot-Grün seinerzeit als Sonderbeitrag beschlos- Vielen Dank . – Jetzt hat der Kollege Harald Weinberg, sen wurde, der auch einseitig nur von der Arbeitnehmer- Fraktion Die Linke, das Wort . seite zu finanzieren war. (Beifall bei der LINKEN) Ich will durchaus zugestehen, dass wir in den letz- ten Monaten Gesetze gemacht haben, die am Schluss zu Kosten führen. Beim Pflegestärkungsgesetz haben wir es Harald Weinberg (DIE LINKE): mit eingepreist und haben formuliert: zweimal 0,2 Pro- Vielen Dank, Frau Präsidentin .– Liebe Kolleginnen zentpunkte mehr für die Pflegeversicherung. Dieser Bei- und Kollegen! Liebe Menschen auf der Tribüne! Ich tragsanstieg ist notwendig, um die Aufgaben zu erfüllen, muss, obwohl es von meiner kurzen Redezeit abgeht, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13749

Harald Weinberg (A) kurz etwas dazu sagen, was Sie, Herr Nüßlein, zum The- Dass er das nicht tut, bedeutet zweierlei: Erstens . Die (C) ma Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen gesagt ha- Festlegung des Bundeszuschusses ist willkürlich, an kei- ben . Die Gesundheitsversorgung von Menschen ist ein ne Regel gebunden, außer vielleicht, Herrn Schäuble zu Menschenrecht, und es ist nicht einzuschränken . erfreuen . Es wird dringend Zeit, dass man über eine Re- gelbindung des Bundeszuschusses nachdenkt und sie auf (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- den Weg bringt . neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg . Mechthild Rawert [SPD]) (Beifall bei der LINKEN) Das System der Behandlungsscheine ist mit diesem Men- Zweitens bedeutet das, dass die genannten gesamtge- schenrecht nicht vereinbar . Es ist bürokratisch, es ist teu- sellschaftlichen Aufgaben zu einem übergroßen Teil von rer, und es führt dazu, dass Leute, die eine Behandlung den Versicherten aus ihren Beitragsmitteln bezahlt wer- brauchen, keine Behandlung bekommen . Das führt zu den, und das ist nicht in Ordnung . Folgekosten, zur Chronifizierung von Krankheiten, weil (Beifall bei der LINKEN) Fachfremde darüber entscheiden, wer einer Behandlung bedarf und wer keine Behandlung bekommen soll . Das Damit aber nicht genug . Sie haben in gleich drei Ge- hat bereits zu gravierenden Fehlentscheidungen geführt . setzen Ausgabenposten vorgesehen, die sachfremd aus Wir müssen in der Tat davon wegkommen und die Ein- Beitragsmitteln der Versicherten finanziert werden sol- führung der Gesundheitskarte voranbringen . len, obwohl es sich zweifelsfrei um gesamtgesellschaft- liche Aufgaben handelt . Das betrifft das Versorgungs- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- stärkungsgesetz und dort den Innovationsfonds . Für neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) innovative Versorgungsformen und begleitende Versor- Jetzt aber zum Haushalt . Schon die ganze Woche fei- gungsforschung sollen 300 Millionen Euro bereitgestellt ern Sie hier die schwarze Null, wie einst das goldene werden . Schön, dass es den gibt, eine gute Sache! Das Kalb gefeiert wurde – kein Blick nach links oder rechts, kommt hoffentlich allen zugute und sollte daher auch nur Starren auf die schwarze Null, kein Blick darauf, wie von allen – also aus Steuermitteln – finanziert werden die Infrastruktur dieser Gesellschaft auf Verschleiß fährt . und nicht nur von den Beitragszahlern . Das gilt übrigens auch für den Krankenhausbereich, in (Beifall bei der LINKEN) dem es einen Investitionsstau von über 50 Milliarden Euro gibt . Sie verlieren kein Wort darüber, in welche Präventionsgesetz: Hier ist insbesondere die sach- Taschen Sie greifen, um das Ziel der schwarzen Null zu fremde Finanzierung der Bundeszentrale für gesundheit- erreichen . Sie betreiben – und das nicht nur im Gesund- liche Aufklärung zu kritisieren . Ob deren Kampagnen (B) heitsbereich, aber dort sehr systematisch – eine Haus- nun gut sind oder nicht, darüber kann man streiten . Ganz (D) haltssanierung auf Kosten der Beitragszahlerinnen und sicher sind sie schon der Sache nach nicht auf die Versi- -zahler . chertengemeinschaft zu reduzieren und folglich gesamt- gesellschaftlich aus Steuermitteln zu finanzieren. Ja, ich weiß: Sie haben den Bundeszuschuss zur GKV, den Sie in den letzten Jahren drastisch heruntergefahren (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- haben, um den Haushalt zu sanieren, jetzt wieder auf NIS 90/DIE GRÜNEN) 14 Milliarden Euro angehoben . Im Wahljahr 2017 wird Schließlich das Krankenhausstrukturgesetz: Auch er sogar auf 14,5 Milliarden Euro steigen . Sie feiern sich über den Strukturfonds, der über den Gesundheitsfonds also dafür, dass Sie eine Kürzung zurückgenommen ha- ebenfalls aus Beitragsmitteln finanziert wird, kann man ben . Welch eine grandiose Leistung! unterschiedlicher Meinung sein . Er soll dazu dienen, (Beifall bei der LINKEN) Überkapazitäten im Krankenhaussektor durch Umwand- lung in andere Einrichtungsformen abzubauen . Mit an- Nun ist der Bundeszuschuss kein Almosen; er ist be- deren Worten: Er soll dazu dienen, Krankenhäuser zu gründet . Er ist damit begründet, dass mit ihm gesamt- schließen, was ihm auch den despektierlichen Bei- oder gesellschaftliche Aufgaben der Gesundheitsversorgung Spitznamen „Abwrackprämie“ eingebracht hat . Interes- finanziert werden sollen. Dazu zählt zum Beispiel die sant ist dabei, dass das Gesetz hier eine Kofinanzierung beitragsfreie Mitversicherung von nicht erwerbstäti- durch die Länder vorsieht; das – nur am Rande – tut un- gen Ehegatten, Lebenspartnern, Kindern und Jugend- ser Änderungsantrag zur Investitionsförderung im Kran- lichen oder die Beitragsfreiheit während Mutterschutz kenhausbereich auch, wird aber von der Mehrheit dieses und Elternzeit . Die Kassen rechnen da Kosten von fast Hauses – leider – immer abgelehnt . Es handelt sich aber 34 Milliarden Euro zusammen – mehr als das Doppelte um eine Art Investitionsförderung des Bundes für die von dem, was jetzt eingestellt wurde . Aber auch, wenn Bundesländer, nur eben aus der Kasse der Beitragszahler . man die Rechnung der Kassen anzweifelt – was ich nicht Da gehen 500 Millionen Euro raus, und das ist nicht in tue –, ist festzuhalten: Schon im Jahre 2010 hielt man Ordnung . sogar 15,7 Milliarden Euro Bundeszuschuss für notwen- dig . Seitdem sind die allgemeinen Gesundheitsausgaben (Beifall bei der LINKEN) um mehr als 25 Prozent, also um mehr als ein Viertel, Rechnen wir zusammen, so stellen wir fest, dass sich das gestiegen . Also müsste der Bundeszuschuss ebenfalls um auf mehrere Milliarden Euro summiert . mindestens 25 Prozent ansteigen, also mindestens auf 17,5 Milliarden Euro im Jahr 2016 und auf 18 Milliarden Nach der faktischen Abschaffung der paritätischen Fi- Euro im Jahr 2017 . nanzierung schauen die Arbeitgeber dem relativ gelassen 13750 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Harald Weinberg (A) zu; denn ihr Beitragsanteil ist auf 7,3 Prozent eingefroren . 2017 nutzen, um gemeinsam gute Gesundheitspolitik zu (C) Zahlen muss die Zeche der Beitragszahler allein – mittels machen . Dazu lade ich herzlich ein . Zusatzbeiträgen, und die steigen bekanntlich von durch- schnittlich 0,9 Prozent im Jahre 2015 auf 1,1 Prozent im (Beifall bei der SPD) nächsten Jahr . Das hört sich nicht so gewaltig an, wenn Wir diskutieren heute den Einzelplan 15, das Budget man es in Prozent ausdrückt, aber 0,9 Prozent Zusatz- des Bundesgesundheitsministeriums . Wie immer geht es beitrag bedeuten 11,8 Milliarden Euro und 1,1 Prozent nicht nur um die steuerfinanzierten Ausgaben, sondern rund 14,5 Milliarden Euro . Das ist schon eine ordentli- auch um Gesundheitspolitik im Ganzen . che Summe, die den Beitragszahlern einfach zusätzlich aufgebürdet wird . Das wird 2017 nicht aufhören, son- In den letzten Wochen und Monaten haben wir hier dern weitergehen . Das heizt gleichzeitig den Wettbewerb im Bundestag eine Vielzahl von Verbesserungen für den zwischen den Kassen an, der schon jetzt merkwürdige Gesundheitsbereich beschlossen . Blüten treibt . Das Ganze, liebe SPD – also der Griff in (Beifall bei der SPD) die Kassen und die Abschaffung der Parität –, geschieht mit Ihrer gefälligen Zustimmung . Erklären Sie das ein- Wir haben umfassende Verbesserungen im Bereich der mal Ihren Wählerinnen und Wählern! Oder umgekehrt: Pflege, der Krankenhausstruktur, der Prävention und der Es erklärt, warum Sie bei den Umfragen nicht aus dem Hospiz- und Palliativversorgung verabschiedet . Dies ist 25-Prozent-Verließ herauskommen . heute schon genannt worden . Wir haben das gemacht, weil es notwendig geworden ist, da sich seit Jahren das (Beifall bei der LINKEN – Gesundheitssystem strukturell und gesellschaftlich ver- [SPD]: Wie viel Prozent hatten Sie noch mal?) ändert hat . Ich kann Ihnen nur raten: Bewegen Sie sich, bevor es Jeder, der sich jemals mit Gesundheitspolitik befasst zu spät ist – am besten durch die gemeinsame Einfüh- hat, weiß, dass Reformen im Gesundheitsbereich wahr- rung einer solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversi- lich nicht einfach sind . Es ist oftmals schwer, die viel- cherung! schichtigen Interessenlagen zwischen Ärzten, Pflegen- den und Patienten, Krankenkassen und Krankenhäusern (Beifall bei der LINKEN) und Bund und Ländern – um nur einige Akteure zu nen- Unsere Änderungsanträge sind gut und sind gegenfi- nen – unter einen Hut zu bringen . Trotzdem konnten wir nanziert . diese wichtigen Beschlüsse fassen . Zur Wahrheit bei allen Maßnahmen gehört natürlich Vizepräsidentin Ulla Schmidt: auch – das verschweige ich nicht –: Sie lassen sich nicht (B) (D) Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege Wein- immer durch Effizienzmaßnahmen durchsetzen, es ist berg . nicht immer nur eine Frage der Effektivität . Es sind zu- sätzliche notwendige Leistungen in der Pflege, im Kran- kenhaus und für die ärztliche Versorgung, die bezahlt Harald Weinberg (DIE LINKE): werden müssen . Das führt zu steigenden Kosten . Letzter Satz: Sie werden leider wie jedes Jahr über- wiegend ungelesen abgelehnt werden . Das ist aber nicht Die Frage der Finanzierbarkeit hat immer eine hohe schlimm; denn sie sind ja nicht für Sie geschrieben, son- Priorität. Nicht alles Wünschenswerte ist finanzierbar. dern damit die Menschen in diesem Land sehen, dass es Die Große Koalition braucht diese Frage aber nicht zu eine Alternative gibt . fürchten . Wir haben die Kostenfrage immer offen kom- muniziert und nur das Machbare beschlossen . Mit den Vielen Dank . angesprochenen Beschlüssen waren wir bereit, Milliar- den an Beitragsmitteln in die Verbesserung und in die (Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler Qualität der medizinischen Versorgung zu investieren . [SPD]: Wie viel hatten Sie noch mal bei der Ich glaube, das ist gut angelegtes Geld . Wahl?) (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Aktuell geht es nun darum, den Bundeshaushalt 2016 Vielen Dank .– Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kol- zu beschließen und im Einzelplan 15 festzulegen, was lege das Wort . zusätzlich steuerfinanziert werden soll. Gemessen an den Summen, die aus den Versicherungsbeiträgen finanziert (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) werden müssen, ist das ein relativ kleiner Anteil am Ge- sundheitssystem . Aber auch hier gilt: Die zur Verfügung Burkhard Blienert (SPD): stehenden Mittel müssen sinnvoll und zielführend einge- setzt werden für mehr an Leistung und für mehr an Qua- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber lität . Herr Weinberg, ich glaube, wir sind an der Stelle wirk- lich programmatisch sauber . Wir haben in diesem Jahr Ich bin dankbar, dass die guten Beratungen zum Haus- die Kopfpauschale abgeschafft, wir haben ganz viele Sa- haltsentwurf der Bundesregierung den Einzelplan besser chen mit auf den Weg gebracht . Wir stehen für die Bür- gemacht haben . Es ist im Zuge der parlamentarischen gerversicherung – das machen wir auch immer klar –; Beratung gelungen, weitere Verbesserungen zu veran- denn es gibt eine Zeit nach 2017 . Wir sollten die Zeit bis kern . Insgesamt werden nun für den Bereich Gesundheit Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13751

Burkhard Blienert (A) 14,6 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, 2,5 Milliar- Ein Bereich ist mir besonders wichtig . Das ist der (C) den Euro mehr als im Vorjahr . Das hat natürlich mit dem Bereich „Drogen und Sucht“ . Es ist gut, dass wir hier Gesundheitsfonds zu tun; das ist angesprochen worden . viele Schwerpunkte gesetzt haben . Insgesamt stehen im Der Zuschuss umfasst nun 14,066 Milliarden Euro, wenn Einzelplan 15 für Aufklärungsmaßnahmen auf dem Ge- ich mich recht erinnere . Allen Unkenrufen zum Trotz, die biet des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs Ausgaben es auch gab, haben wir Wort gehalten und die Haushalts- in Höhe von 8,7 Millionen . 4,3 Millionen Euro stehen mittel wie versprochen erhöht . Die darüber hinaus ver- für Modellprojekte zur Verfügung. Davon fließen in neue fügbaren Mittel haben wir nach intensiven Beratungen Projekte 1,9 Millionen Euro . Auch das ist positiv heraus- in den Arbeitsgruppen, in den Fraktionen und im Dialog zustellen . mit dem Ministerium zielführend auf die einzelnen Titel- gruppen des Einzelplans verteilt . Es ist uns beispielswei- Das betrifft zum Beispiel Projekte im Bereich Alko- se gelungen, Mittel für wichtige Projekte der Migration, hol . Wir haben die neuen Zahlen erst vor wenigen Tagen der Kindergesundheit und der Drogenprävention zur Ver- zur Kenntnis genommen . Nach diesen Zahlen müssen fügung zu stellen . weniger Jugendliche wegen eines Alkoholrausches im Krankenhaus behandelt werden . Dieser Rückgang ist po- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) sitiv und erfreulich . Trotzdem dürfen wir an dieser Stelle nicht nachlassen . Dementsprechend haben wir die Mittel Wir geben daher die richtigen Antworten auf drängende erhöht . Herausforderungen . Das Flüchtlingsthema – es ist schon angesprochen Vor wenigen Tagen haben wir auch den Tabakatlas worden – bestimmt seit Monaten die öffentliche Debat- 2015 zur Kenntnis nehmen können . Auch in diesem Be- te . Die Herausforderungen, die dadurch entstehen, dass reich sind erfolgreiche Projekte zur Minimierung der Flüchtlinge nach Europa und insbesondere in unser Land Nikotinabhängigkeit, aber auch zur Verringerung der kommen, beschäftigen die Menschen . Wir sind in der Tabakrauchbelastung von Kindern wichtig . Neu wurden Verantwortung, die entsprechenden Antworten zu geben: Projekte in diesem Bereich mit 157 000 Euro etatisiert . den Menschen, aber auch den Ländern, den Kommunen, Das ist ein kleiner, aber wichtiger Betrag . den Landräten und den Bürgermeistern – auch im Hin- In der letzten Woche haben wir in Uruguay feststellen blick auf die Gesundheitsversorgung . können, dass wir uns in bestimmten Bereichen nicht ver- Die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen ist eine stecken müssen. Bei uns gibt es Defizite, aber auch posi- der zentralen Aufgaben . Wir müssen den Gesundheits- tive Entwicklungen . Der Bereich „Cannabis als Medizin“ schutz von Flüchtlingen unkompliziert und umfassend bedarf auch bei uns, wenn wir das durchgesetzt haben, gewährleisten . der Evaluierung und der wissenschaftlichen Begleitung . (B) Das ist eine Aufgabe, die wir im kommenden Haushalt (D) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem unbedingt einplanen müssen . Darauf müssen wir einen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schwerpunkt legen . Deshalb ist die Gesundheitskarte der richtige Weg, die (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Möglichkeit, diese einzuführen, die richtige Antwort . CDU/CSU) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Für die Entwicklung von Präventionsangeboten im DIE GRÜNEN) Bereich Amphetamine stehen jetzt 370 000 Euro im Wir haben im Einzelplan 15 ergänzend zu den in an- Haushalt . Auch das begrüße ich sehr . Ich freue mich sehr deren Einzelplänen verankerten Geldern auch Mittel für darüber . Migration etatisiert . 500 000 Euro – das klingt wenig – Zur E-Zigarette sind Forschungsaufträge vergeben stehen zunächst zur Verfügung . Das ist ein gutes Zeichen . worden. Insgesamt werden zurzeit drei Projekte finan- (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ziert . Das ist etwas, was ich ebenfalls ausdrücklich un- NEN]: Das ist zu wenig!) terstütze . Aber auch im Bereich der Kindergesundheit geschieht Auch im Bereich HIV/Aids gibt es weitere Mittel . im kommenden Jahr viel . Wir hatten in diesem Bereich Rund 1,6 Millionen Euro stehen für Forschungs- und bereits in den zurückliegenden Haushaltsjahren beacht- Entwicklungsvorhaben zur Verfügung . Diese Fortent- liche Mittelzuwächse . Nun ist ein weiterer Mittelauf- wicklung ist uns wichtig . wuchs um 500 000 Euro im Einzelplan enthalten, der vielen Projekten helfen wird . Das Thema Übergewicht, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Adipositas im Kinder- und Jugendalter ist angesprochen Mit diesem Haushalt wird die Gesundheitsversorgung worden . Für diesen Bereich stehen fast 800 000 Euro zur aller – ich betone: aller – in Deutschland lebenden Men- Verfügung . Auch die Weiterentwicklung der medizini- schen gesichert, ohne die Sozialsysteme und den Staats- schen Versorgung von Kindern und Jugendlichen wird haushalt in unverantwortlicher Weise zu belasten . Das gefördert . Seit 2014 haben sich die Mittel für den Bereich ist eine gute Entwicklung . Ich bitte um Zustimmung zu Kindergesundheit verfünffacht . Ich glaube, darauf kann diesem Einzelplan . man mit Stolz hinweisen . Vielen Dank . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) 13752 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

(A) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: kreis möglich machen und die Arbeit der psychosozialen (C) Danke .– Nächste Rednerin ist Maria Klein-Schmeink, Zentren absichern wollten . Es war hier in diesem Haus Bündnis 90/Die Grünen . nicht möglich, dies zu verabschieden. Auch das ist, finde ich, ein großes Dilemma . Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) NEN): Kommen wir zu den anderen Punkten . In der Tat geht Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol- es bei einer Haushaltsdebatte im Gesundheitsbereich legen! Sehr geehrter Herr Minister! Bevor wir in eine eigentlich um nur einen ganz kleinen Teil der Kosten allgemeinpolitische Debatte eintreten, will ich auf mei- und Ausgaben, die wir im Gesundheitsbereich haben . ne Vorredner und Vorrednerinnen eingehen, die sich zur Das Wesentliche wird über die GKV ausgegeben . Mit Problematik der Versorgung von Flüchtlingen geäußert 220 Milliarden Euro werden wir 2016 einen Rekordstand haben . Zu Recht ist vorhin gesagt worden: Das ist eine bei den Ausgaben haben . Da müssen wir uns natürlich zutiefst menschliche, humanitäre und existenzielle Auf- fragen: Sind wir mit all dem, was wir ausgeben, wirk- gabe . Ich glaube, wir sollten uns alle zusammen noch lich so aufgestellt, dass wir auch für die Zukunft eine einmal genau anschauen, wie die Situation aussieht . Ich gute Versorgung für alle Patientenkreise zur Verfügung meine, es besteht extremer Handlungsbedarf, und dem stellen können? Ich meine, da sind große Fragezeichen muss man sich stellen . angebracht . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und bei der LINKEN sowie der Abg . Petra Hinz [Essen] [SPD]) Herr Minister, ich habe durchaus Lob für Ihre hand- werklich gute Arbeit . Sie haben hier fünf Gesetze stramm Ich will Ihnen das an ein paar Beispielen deutlich ma- durchgezogen . Aber wir müssen uns fragen: Ist stramm chen . auch gleichzeitig gut? Ist wirklich das angepackt wor- Erstens . Wir diskutieren im Moment viel über die den, was angesichts des großen Reformstaus im Gesund- Gesundheitskarte . Wir werden weiterhin ein großes Pro- heitswesen anzupacken ist? Auch da muss ich sagen: Wir blem haben, wenn die Definition der eingeschränkten sind nur bis zur halben Strecke gekommen . Die großen Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge im Asylbewer- Themen sind auf die nächste Wahlperiode vertagt . Das ist berleistungsgesetz so, wie sie dort steht, bestehen bleibt . nicht in Ordnung . Das würde auch in Zukunft Probleme aufwerfen . Dies (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – müssen Sie, insbesondere Sie von der Union, endlich Tino Sorge [CDU/CSU]: Wer sagt das? Nen- (B) überdenken . nen Sie doch mal ein paar Beispiele!) (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ich will Ihnen das an ein paar Themen deutlich ma- NEN und bei der LINKEN sowie der Abg . chen . ­Mechthild Rawert [SPD]) Erstens . Im Krankenhausbereich haben wir eine große Zweitens . Wir haben die EU-Schutzrichtlinie noch im- Lücke im Bereich der Investitionsförderung . Da haben mer nicht umgesetzt . Auch das hat große Bedeutung für Sie trotz des großen Verfahrens mit Bund und Ländern den Bereich der gesundheitlichen Versorgung . Ich spre- keine Lösung gefunden . che Sie ganz konkret an, Minister Gröhe . Es wird ganz dringend notwendig sein, gerade die besonders Schutz- (Widerspruch bei der CDU/CSU) bedürftigen im gesundheitlichen Bereich in besonderer Wir haben Ihnen eine hälftige Finanzierung vorgeschla- Weise in Augenschein zu nehmen und Regelungen zu gen . treffen, die sicherstellen, dass es eine adäquate Versor- gung geben wird . Auch da haben wir bisher Probleme . Zweitens . Wir haben ein großes Problem bei der Per- sonalbemessung im stationären Bereich . Da haben Sie Drittens . Beim neuen Paket zum Asylrecht sehe ich er- zwar ein Gutachten in Auftrag gegeben, hebliche Einschränkungen gerade für den Personenkreis von psychisch Erkrankten, von denjenigen, die Traumata (Tino Sorge [CDU/CSU]: Sagen Sie mal was erlitten haben . Da wollen Sie die Abschiebehindernis- zum Pflegeprogramm!) se aufheben . Sie wollen neue Regelungen schaffen, die aber auch da ist die Lösung auf die nächste Wahlperiode dazu führen, dass gerade dieser so besonders bedräng- vertagt worden . te Personenkreis tatsächlich abgeschoben werden kann . Gleichzeitig sollen psychische Erkrankungen nicht als (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abschiebehindernis anerkannt werden. Ich finde, das ist ein Unding . Drittes Thema: Personalbemessung in der Pflege. Auch da soll es ein Gutachten geben . Auch das wurde (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf die nächste Wahlperiode vertagt . sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich sage Ihnen eines: Genau dies können wir uns nicht Wir haben in den Haushaltsberatungen eine kleine weiter erlauben . Denn das sendet ein ganz schwieriges Summe in Höhe von 50 Millionen Euro gefordert, mit Signal an all diejenigen, die schon heute am Rande ihrer der wir neue modellhafte Versorgungsformen, übergrei- Kräfte in diesen Bereichen arbeiten . Sie erhalten näm- fende Versorgungsformen für genau diesen Personen- lich gerade nicht das richtige Argument, nicht die richti- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13753

Maria Klein-Schmeink (A) ge Bestätigung für ihre Arbeit, und sie wissen: An ihren Höhe von 5 Milliarden Euro gesprochen und über Spar- (C) Arbeitsbedingungen sowohl im Krankenhaus als auch gesetze diskutiert haben . in der Altenpflege wird sich nichts Entscheidendes ver- (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE ändern . Diese Reformen wurden wieder auf die nächste GRÜNEN]: Ja, ja! Das waren aber auch ganz Wahlperiode vertagt, ausgerechnet in einer Zeit, in der andere konjunkturelle Zeiten!) wir genau wissen, dass wir vielleicht nicht mehr mit ei- ner guten Konjunktur rechnen können, sondern diese we- Deswegen will ich ausdrücklich betonen, was wir in sentlichen Schritte eventuell unter anderen finanziellen dieser Legislaturperiode geleistet haben . Wir haben ver- Vorzeichen gehen müssen . Ich sage Ihnen: Das können schiedene Dinge in Angriff genommen: Wir haben die wir uns nicht erlauben . Krankenhäuser auf eine solide finanzielle Basis gestellt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, eben nicht!) Kommen wir zu dem gesamten Bereich der Einnah- mensituation . Wir haben das Thema Pflege, das uns über Jahre auf den Nägeln gebrannt hat, in den Griff bekommen und für Leistungsverbesserungen gesorgt . Da Sie die Inves- Vizepräsidentin Ulla Schmidt: titionskostenfinanzierung der Krankenhäuser angespro- Das müsste aber kurz gehen, Frau Kollegin Klein- chen haben, sage ich Ihnen: Sie sollten vor der eigenen Schmeink . Türe kehren und sich einmal anschauen, wie es in Ba- den-Württemberg und Nordrhein-Westfalen um dieses (Heiterkeit) Thema bestellt ist . (Beifall bei der CDU/CSU) Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Meine sehr verehrten Damen und Herren, von den rund Bisher, Herr Minister, sind Sie Ausgabenkönig, aber 15 Milliarden Euro, die im Einzelplan 15, im Gesund- Sie haben nicht für eine nachhaltige Finanzierung ge- heitshaushalt, enthalten sind, geben wir 14,5 Milliarden sorgt . All die zusätzlichen Ausgaben in diesem Bereich, Euro als Bundeszuschuss an die gesetzliche Krankenver- die es jetzt gibt – 5,4 Milliarden Euro allein bis 2017 –, sicherung, und 500 Millionen Euro stehen für allgemeine werden nur durch die Zusatzbeiträge der Versicherten fi- Aufgaben zur Verfügung . Deswegen stehen in meinem nanziert . Das ist zutiefst ungerecht . Fokus die Fragen: Gehen wir mit diesen Steuermitteln sorgfältig um? Sind sie klug und vernünftig investiert? ( [CDU/CSU]: Das ist falsch!) (B) Ein guter Freund von mir hat mich vor der Sommer- (D) Das ist eine einseitige Belastung . Hier brauchen wir drin- pause gefragt: Was würdest du machen, wenn es das gend ein Umdenken . Wir brauchen wieder die paritäti- Thema Flüchtlinge nicht gäbe? – Da habe ich kurz auf- sche Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer . gezählt, was wir in den letzten Wochen und Monaten auf Da, meine Damen und Herren von der SPD, sind Sie zu- den Weg gebracht haben: Krankenhausstrukturgesetz, tiefst in der Schuld . Hier müssen wir umdenken . E-Health-Gesetz, Pflegestärkungsgesetz II, Palliativ- und Hospizgesetz, Pflegeberufegesetz; hinzu kommt das Ge- (Beifall der Abg . [DIE setz zum Thema Sterbehilfe . Bis auf das Gesetz zur Ster- LINKE]) behilfe sind das alles Gesetze, die Leistungsverbesserun- Als Ausblick auf die Zukunft muss ich sagen: Wir gen beinhalten, die dafür sorgen, dass wir mehr Geld ins brauchen eine Bürgerversicherung . Aber im ersten Schritt System bringen, Strukturveränderungen finanzieren und geht es nun um die Abschaffung der Zusatzbeiträge auf mehr Effizienz und Qualität bekommen. dem Weg hin zu einer paritätischen Finanzierung . Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage Danke schön . auch ganz offen: Ich habe in den letzten Monaten und Jahren erleben können, was es bedeutet, dass wir eine (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gute wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land haben, und bei der LINKEN) dass Arbeitnehmer und Unternehmen mit ihren Beiträgen dafür sorgen, dass die gesetzliche Krankenversicherung solide finanziert ist. Wir sollten bei allen Diskussionen Vizepräsidentin Ulla Schmidt: über eine paritätische Finanzierung im Blick haben, dass Vielen Dank .– Nächster Redner ist der Kollege hier Großartiges geleistet wird: von den Arbeitnehmern, ­Michael Hennrich, CDU/CSU-Fraktion . aber auch von den Unternehmen, vom Mittelstand, von (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- den Handwerkern und von den Freiberuflern. Deswegen ordneten der SPD) an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei der CDU/CSU) Michael Hennrich (CDU/CSU): Wenn es um die Frage geht: „Gehen wir mit den Fi- Liebe Frau Kollegin Klein-Schmeink, als ich eben auf nanzmitteln sorgfältig um?“, dann muss ich sagen, dass meinem Platz saß, hatte ich Sie im Blick; jetzt habe ich es schon das eine oder andere Mal Bauchgrimmen gab, Frau Präsidentin Ulla Schmidt hinter mir . Das erinnert etwa beim Präventionsgesetz oder als es um die Frage mich an rot-grüne Zeiten, in denen wir von Defiziten in ging: Wie viel Geld stellen wir den Krankenhäusern zur 13754 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Michael Hennrich (A) Verfügung? Ich will diesen Aspekt am Beispiel des Prä- de in diesem Bereich gibt es zahlreiche Maßnahmen, die (C) ventionsgesetzes deutlich machen, weil das Thema Prä- kein Geld kosten und die für Strukturveränderungen und vention auch im Haushalt ein Schwerpunkt ist . Wenn wir Strukturverbesserungen sorgen . sagen: „Wir wollen unser Gesundheitssystem zukunfts- fest machen“, dann ist es, glaube ich, schon wichtig, dass Ich möchte zum Schluss zwei Themen aufgreifen, die wir auch das Thema Prävention aufgreifen . Natürlich wir im Blick haben sollten und die uns in den nächsten bedeutet Prävention für jeden Einzelnen in erster Linie Wochen und Monaten sicherlich beschäftigen werden . ein Stück Selbstverantwortung . Aber ich glaube, es ist Sie, Frau Klein-Schmeink, haben zu Recht das Thema gut und richtig, dass wir uns darum kümmern und gezielt der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen ange- Schwerpunkte setzen . sprochen Ich bin Ihnen dankbar, Herr Minister Gröhe, dass Sie (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE insbesondere im Bereich Diabetes einiges auf den Weg GRÜNEN]: Was ist damit?) gebracht haben und zusätzlich 1,6 Millionen Euro zur und den eingeschränkten Leistungskatalog kritisiert . Ich Verfügung stellen . Ich möchte mich an dieser Stelle auch sage Ihnen: Ich habe die Debatten und Diskussionen in bei dem Kollegen Monstadt ausdrücklich bedanken, der den Jahren 2002 bis 2007 erlebt, als es um die Frage einen Schwerpunkt seiner Arbeit in diesem Bereich hat . ging: Werden Flüchtlinge oder Asylbewerber besser ge- Beim Thema Prävention geht es auch um die Frage: Wie stellt als gesetzlich Versicherte? Wir haben die bisherigen können wir Volkskrankheiten vermeiden? Überlegen wir Regelungen entsprechend korrigiert . einmal: Im Bereich Diabetes geben wir pro Jahr circa 40 Milliarden Euro aus . Deswegen ist das hier investierte Es ist richtig: Das Asylbewerberleistungsgesetz ent- Geld gut angelegt . hält einen eingeschränkten Leistungskatalog für die me- Aber wenn wir über Diabetesprävention sprechen, dizinische Versorgung . Aber ich will Ihnen auch sagen, dann geht es nicht nur um die Prävention, sondern es was „eingeschränkter Leistungskatalog“ ganz konkret geht auch um Grundlagen und um die Fragen: Haben wir bedeutet . ausreichend Informationen? Wie ist es um die Versor- (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE gung der Patientinnen und Patienten bestellt? Wie sieht GRÜNEN]: Ja, genau!) Diabetes im Krankenhausalltag aus? Wie sieht Diabetes mit Blick auf die Bewertung und das AMNOG aus? All Wenn ein Asylbewerber mit einer Krebserkrankung das sind Fragen zur Versorgung, die das Ministerium ge- nach Deutschland kommt, erhält er eine ausreichende zielt aufgreift, weil es diesen Bereich als Schwerpunkt Versorgung . Das kann in konkreten Zahlen teilweise ansieht . 100 000 Euro pro Patient bedeuten . (B) (D) (Beifall bei der CDU/CSU) (Maria Michalk [CDU/CSU]: Steuerfinan- ziert!) Ich möchte ein Gesetz aufgreifen, das nicht unmittel- bar oder relativ wenig Geld kostet: das E-Health-Gesetz . Auch da sind wir in der Verantwortung – die Kollegin Ich sage Ihnen ganz offen: Das ist für mich der Bereich, Michalk hat zu Recht das Stichwort eingeworfen –: Die- bei dem ich in dieser Legislaturperiode die meisten Er- ses Geld ist steuerfinanziert. Wir müssen kluge Konzepte wartungen habe, weil das E-Health-Gesetz dazu beitra- entwickeln, wie wir diese Ausgabendynamik vielleicht in gen kann, dass wir Effizienzreserven heben, dass wir den Griff bekommen; denn am Ende tragen die Länder mehr Qualität ins System bekommen und Kommunen diese Kosten . (Hilde Mattheis [SPD]: Und es kostet nichts!) Ich sage ganz offen: Ich habe in Richtung Pharmain- und es relativ preisgünstig, Frau Mattheis, zu haben ist . dustrie den einfachen Vorschlag, dass wir die Preise be- zahlen, die in den Ländern gelten, aus denen die Flücht- Im Zusammenhang mit E-Health werden wir uns mit linge kommen . weiteren Fragen auseinandersetzen müssen, die ich hier kurz skizzieren will . Wie gehen wir mit Daten um? Zu (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE welchen Zwecken nutzen wir sie? Wie können wir das GRÜNEN]: Was ist die Alternative? Nicht be- zum Beispiel mit dem Thema Versorgungsforschung handeln?) kombinieren? Auch dazu haben wir in diesem Haushalt einen Schwerpunkt gesetzt . Aber dafür müssen wir ein Lösungskonzept finden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE die ersten zwei Jahre relativ viel Geld in die Hand ge- GRÜNEN]: Ist die Alternative, nicht zu be- nommen, um Strukturen zu verändern und zu verbessern . handeln? Das kann nicht sein!) Es wird jetzt unsere Aufgabe sein, im zweiten Teil der – Nein, wir übernehmen die Kosten . Das halte ich auch Legislaturperiode zu schauen, dass wir den Ausgaben- für absolut richtig . Trotzdem müssen wir die damit ver- anstieg dämpfen . Ich als Arzneimittelpolitiker sehe das bundenen Finanzierungsfragen angehen . mit einem gewissen Grausen und einem gewissen Schre- cken . In der letzten Legislaturperiode haben wir im Be- (Beifall bei der CDU/CSU – Ekin Deligöz reich Arzneimittel 20 Milliarden Euro an Einsparungen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was bedeu- erzielt . Ich wäre schon ganz zufrieden und glücklich, tet das? Sollen die sterben oder was? Absolut wenn wir dazu ein ausgewogenes Konzept hätten . Gera- herzlos!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13755

Michael Hennrich (A) Letztes Thema – Herr Minister, da bitte ich Sie um schon – auch von der Opposition – gelobt worden . Der (C) Unterstützung –: die Nationale Kohorte . Dabei geht es rote Faden aber, dem die gesamte Gesundheitspolitik in um Gesundheitsforschung, die ja auch ein Schwerpunkt den letzten Jahren gefolgt ist, ist – das muss man auch Ihrer Arbeit ist . Wir haben schon viel über Prävention einmal sagen – ein roter Faden sozialdemokratischer Ge- und Kinder gesprochen . Zurzeit wird in Deutschland eine sundheitspolitik . große Gesundheitsstudie durchgeführt, die auf einige Jahre angelegt ist . Sie umfasst rund 200 000 Menschen . (Beifall bei der SPD) Es geht dabei darum, bei großen Volkskrankheiten – Di- Herr Minister, Sie haben ja auch einen roten Schlips an . abetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Adipositas – Insofern passt das auch . neue Erkenntnisse für Prävention, Diagnostik und The- rapie zu gewinnen . Wir sind – Sie wissen das – die Probleme der flä- chendeckenden ärztlichen Versorgung auf dem Lande Diese Studie hat ein kleines Manko . Sie umfasst näm- angegangen, nachdem das Versorgungsstrukturgesetz lich keine Kinder . Sie gilt für Leute ab 18 Jahren . Wenn von Schwarz-Gelb in den letzten Jahren weitgehend wir aber über vermeidbare Volkskrankheiten sprechen wirkungslos geblieben ist . Wir haben die Versorgung in und beim Thema „Prävention für Kinder“ ebenfalls an- strukturschwachen Gebieten verbessert . Wir werden zu- setzen wollen, wäre es meines Erachtens richtig und gut, lassen, dass Medizinische Versorgungszentren künftig die Kinder mit in die Studie einzubauen . Vollkommen auch durch Kommunen gegründet werden können . Zum klar ist, dass das auf Freiwilligkeit basieren muss . Es darf Januar des nächsten Jahres werden wir Terminservice- nicht mit massiven Eingriffen bei Kindern verbunden stellen einführen . Dann hat jeder gesetzlich Versicherte sein . Ich wäre Ihnen aber dankbar, wenn Sie sich noch innerhalb von vier Wochen Anspruch auf einen Facharzt- einmal um dieses Thema kümmern würden . termin . Auch darauf haben viele gesetzlich Versicherte Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte gewartet, liebe Kolleginnen und Kollegen . um Zustimmung zum Haushalt . Wir haben klar gemacht, dass es versorgungspolitisch Herzlichen Dank . nicht vernünftig ist, Überversorgung in einer Region fortzuschreiben . Über- und Unterversorgung müssen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ausgeglichen werden . Die Anzahl der geförderten Wei- ordneten der SPD) terbildungsstellen für Allgemeinmediziner wurde um 50 Prozent erhöht . Wir haben die Hausärzte nachhaltig Vizepräsidentin Ulla Schmidt: finanziell gestärkt. Schließlich haben wir mengenanfäl- lige Eingriffe in Krankenhäusern insofern eingedämmt, Vielen Dank . – Nächster Redner ist der Kollege Edgar als wir den Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung (B) Franke, SPD-Fraktion . (D) jetzt rechtlich verbindlich gemacht haben . Auch das ist (Beifall bei der SPD) ein großer Fortschritt sozialdemokratischer Gesundheits- politik . Dr. Edgar Franke (SPD): (Beifall bei der SPD) Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine SPD-Kollegen haben in dieser Debatte Das Thema Pflege haben wir in diesem Haus – auch im Fachausschuss – in seinen verschiedenen Ebenen dis- den Gesundheitsetat bereits zu Recht gelobt . Prävention, kutiert . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben eine gesundheitliche Aufklärung und Forschung haben in ihm Strukturreform durchgeführt . Auch darauf haben wir – Priorität, und ich denke, das ist gut so . ich schaue gerade Hilde Mattheis an – lange gewartet . Ich möchte zum Schluss der Debatte aber eine Bewer- Ich meine natürlich, dass Sie sich politisch und nicht di- tung nicht nur der Zahlen, sondern auch der Gesundheits- rekt persönlich für die Pflege eingesetzt haben, liebe Frau politik vornehmen, weil es ja so ist, dass das meiste Geld, Mattheis . wie wir alle wissen, über die GKV läuft . Wir werden 5 Milliarden Euro pro Jahr für Verbesse- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben im letz- rungen in der Pflege ausgeben. Das ist eine grundlegende ten Jahr, glaube ich, in der Gesundheitspolitik wirklich Leistungsverbesserung in der häuslichen und stationären viel erreicht . Wir haben vieles erfolgreich umgesetzt, was Altenpflege. im Koalitionsvertrag steht – fünf stramme Gesetze, hat, glaube ich, Frau Klein-Schmeink gesagt –, so – das sind Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dass alle nur Stichworte – das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, Menschen gerne in Würde alt werden möchten . Alle wol- das Präventionsgesetz, Regeln für den Palliativ- und len in ihrer häuslichen Umgebung bleiben . Ich habe in Hospizbereich, die beiden Pflegestärkungsgesetze und meiner Heimatstadt lange Jahre eine kommunale mobile das Krankenhausstrukturgesetz . Dies führt – das muss Pflegestation unterstützt, die es älteren Pflegebedürftigen man der Opposition auch einmal sagen – zu einer Ver- ermöglicht, im Regelfall zu Hause gepflegt zu werden. besserung der Versorgung der Menschen . Ich glaube, das muss unser Ziel sein . Menschen müssen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können . Das ist (Beifall bei der SPD) zukunftsorientierte Pflege. Das ist bessere Pflege, und den Menschen geht es damit besser . Es ist auch in der Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen en- Regel günstiger, liebe Kolleginnen und Kollegen . gagierten Gesundheitsminister, dem ich auch für die sehr gute Zusammenarbeit danken möchte . Sie sind ja heute (Beifall bei der SPD) 13756 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Dr. Edgar Franke (A) Ein roter – Faden, um das Bild noch einmal aufzu- 6 000 bis 7 000 zusätzliche Pflegestellen bekommen und (C) nehmen – unserer Politik ist auch die Verbesserung der die Personalbemessung im Detail regeln, sondern wir Arbeitsbedingungen des Personals . Wir haben – das sage bekommen nach Auslaufen dieses Programms auch die ich ausdrücklich in Richtung Linke – den Personalschlüs- Einschätzung einer Expertenkommission zu der Frage, sel und die Bezahlung der Mitarbeiter in Alten- und Pfle- wie Personalbemessung richtigerweise geregelt und viel- geheimen verbessert . leicht auch in den DRGs oder durch Zusatzentgelte nor- miert werden kann . Auch das ist ein großer Fortschritt . (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE Des Weiteren werden, wenn Tarifabschlüsse die Ober- GRÜNEN]: Personalschlüssel gerade nicht!) grenze von Preiszuwächsen überschreiten, jenseits des Allein die Zahl der Betreuungskräfte steigt um 20 000 . Orientierungswerts die Kosten automatisch hälftig refi- nanziert . Auch das ist ein großer Fortschritt . Wir haben erreicht – das möchte ich ausdrücklich in Richtung Grüne betonen –, dass eine tarifliche Bezah- Schließlich und endlich haben wir den Versorgungs- lung der Mitarbeiter in Alten- und Pflegeheimen von den zuschlag nicht abgeschafft, sondern wir haben ihn in ei- Kassen nicht mehr als unwirtschaftlich abgelehnt wird . nen Pflegezuschlag umgewandelt. Das heißt, die Höhe Auch das ist eine eindeutige Verbesserung für die Mitar- der Personalkosten ist maßgebend für die Höhe des Zu- beiterinnen und Mitarbeiter . schlags im einzelnen Krankenhaus . Das stützt vor allen (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dingen die kommunalen Häuser, also die Häuser in öf- fentlicher Hand . Das ist der richtige Weg in der Kranken- Wir alle, die Union und auch wir Sozialdemokraten, wis- hauspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen . sen: Gute Arbeit in der Pflege hat auch gute Bezahlung verdient . Das erhöht auch die Attraktivität des Berufs . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Schließlich bekommen wir auch inhaltlich eine grund- legende Verbesserung, nämlich einen neuen Pflegebe- Wir stärken also die Pflege, und wir haben neben den dürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungsverfah- drei großen Projekten viel erreicht . Es gibt auch eine gan- ren, das den Menschen ganzheitlich betrachtet . Nicht ze Reihe weiterer Vorhaben . Wir diskutieren ein neues „satt und sauber“ ist der Maßstab, sondern die indivi- Pflegeberufegesetz, und wir wollen mit einer generalis- duellen Bedürfnisse der Menschen sind es . Dafür haben tischen Pflegeausbildung das Bild der Pflege aufwerten. viele in der Pflegepolitik jahrelang gekämpft, liebe Kol- Wir wollen die Kostenfreiheit der Ausbildung sichern . leginnen und Kollegen . Herr Hennrich hat das E-Health-Gesetz angesprochen . (Beifall bei der SPD – Maria Klein-Schmeink Wir wollen einheitliche und sichere Datenautobahnen (B) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist zur Übermittlung medizinischer Daten, um auch damit (D) aber nur Teil eins des Problems! Teil zwei die Qualität der Versorgung zu verbessern . fehlt!) Wir werden im nächsten Jahr – darüber freue ich mich – Es kommt noch etwas, Frau Klein-Schmeink: Men- besonders – ein Antikorruptionsgesetz verabschieden, schen, die in eine höhere Pflegestufe kommen, müssen damit das Vertrauen in die Integrität heilberuflicher Ent- nicht automatisch mehr Geld bezahlen . Früher hatte je- scheidungen nachhaltig gestärkt wird; denn es kann nicht der, der hochgestuft wurde, Angst, dass er mehr Geld sein, dass jemand Zweifel daran haben muss, dass nicht bezahlen muss . Es gibt keine unterschiedlichen Eigenan- allein medizinische, sondern auch monetäre Gründe für teile mehr für Pflegebedürftige. Niemand muss mehr eine Therapieentscheidung maßgebend sind . Auch hier Angst haben . Auch das ist, glaube ich, eine vernünftige geben wir Sicherheit und Klarheit in vielen rechtlichen Regelung . Regelungen . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Zum Thema Flüchtlinge . Ich glaube, wir sind uns alle der CDU/CSU) darüber im Klaren – Herr Weinberg hat das zu Recht ge- Das Krankenhausstrukturgesetz, das wir hier auch sagt –, dass das Recht auf Gesundheitsversorgung ein kontrovers diskutieren, sorgt ebenfalls für mehr Pflege- Menschenrecht ist . Wir müssen eine ausreichende Ge- kräfte und für mehr Qualität in der Krankenhausversor- sundheitsversorgung der Flüchtlinge sicherstellen . Ich gung . Es wird Qualitätsanreize in Form von Zuschlägen bin mir aber sicher, dass diese Regierung auch das reali- geben . Wir strukturieren das Krankenhaussystem neu, sieren wird . und wir geben auch nicht, wie immer wieder behauptet Noch ein Wort zur Finanzierung, weil wir viele Re- wird, weniger Geld, sondern mehr Geld aus, nämlich ins- formen auf den Weg gebracht haben, auch solche, die gesamt 5 Milliarden Euro pro Jahr . Das ist eine ordentli- nicht gerade billig sind . Die beschlossenen Verbesserun- che Summe . gen kosten mehr Geld . Die Krankenkassen haben bereits Wir wollen – das finde ich ausdrücklich richtig – das Zusatzbeiträge angekündigt . Wir von der SPD waren Geld nicht mit der Gießkanne verteilen, sondern wir wol- und sind immer für die paritätische Finanzierung . Nach len die Vergütung an die Qualität der Leistung knüpfen . meiner Auffassung dürfen die Arbeitgeberbeiträge nicht Das ist der richtige Weg . eingefroren werden . Vielmehr müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils zur Hälfte alle Kosten im Kran- Weil gerade die Personalausstattung angesprochen kenversicherungsbereich übernehmen . wurde: Was bringt das Krankenhausstrukturgesetz? Wir werden nicht nur durch das Pflegestellenförderprogramm (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13757

Dr. Edgar Franke (A) Wie Sie sehen, gibt es einen roten Faden der Gesund- Unsere Gesellschaft wird immer älter . Dadurch wer- (C) heitspolitik, gerade der sozialdemokratischen Gesund- den die Ausgaben für die Gesundheitsversorgung lang- heitspolitik . Es gibt einen roten Faden im Gesundheits- fristig steigen . Eine starke Wirtschaft und eine positive haushalt . Der rote Faden in unserer Politik ist die Sicht Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt bilden die Basis der Versicherten . unseres solidarischen Gesundheitswesens . Deshalb war es die richtige Entscheidung, mit dem GKV-Finanz- Danke schön . struktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz den (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Arbeitgeberanteil auf 7,3 Prozent festzuschreiben . Wir, der CDU/CSU) die Union, wollen – da unterscheiden wir uns auch, Herr Dr .Franke – mit unserem Gesetzgebungsvorhaben auch Arbeit und Wachstum weiter fördern, neue Arbeitsplätze

Vizepräsidentin : schaffen und vor allem alte sichern . 31 Millionen sozi- Vielen Dank .– Als nächster Redner hat Dietrich alversicherungspflichtig Beschäftigte stellen unser leis- ­Monstadt von der CDU/CSU-Fraktion das Wort . tungsstarkes, solidarisches Gesundheitswesen auf eine (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- solide Basis . ordneten der SPD) Daher ist es auch als Gesundheitspolitiker unsere Pflicht, einen Beitrag für mehr Arbeitsplätze und Wachs- Dietrich Monstadt (CDU/CSU): tum zu leisten . Die Rückführung dieser Regelung, wie sie Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol- seit Monaten auch von Ihnen angedeutet und gefordert legen! Meine Damen! Meine Herren! Im Verlauf der wird, könnte dies gefährden . Sehr geehrter Herr Minister, heutigen Debatte über den Einzelplan 15 – Gesund- deshalb war und bleibt es die richtige Entscheidung, den heit – ist eines klar herausgestellt worden, wie ich finde: Arbeitgeberanteil festzuschreiben . Das deutsche Gesundheitssystem ist eines der leistungs- (Beifall bei der CDU/CSU) stärksten im internationalen Vergleich . Darauf können wir alle stolz sein . Die unionsgeführte Gesundheitspoli- Für mich als Berichterstatter der Union für die bei- tik ist von ihrem Selbstverständnis her – Herr Kollege den großen Volkserkrankungen Diabetes und Adipositas Dr . Franke, Sie erlauben die Bemerkung, dass Sie das haben unsere gesundheitspolitischen Vorhaben eine ganz vielleicht noch nicht ganz verinnerlicht haben; da sollten besondere Bedeutung . Wir wissen heute, dass mindestens Sie nacharbeiten – immer darauf ausgerichtet, Probleme 50 Prozent der Betroffenen ohne Gabe von Medikamen- anzugehen und langfristige Entwicklungen möglichst po- ten geholfen werden kann . Eine gesündere Ernährung, sitiv zu beeinflussen. Dies kann man an den zahlreichen mehr Bewegung, ein gezieltes Muskeltraining reichen (B) Gesetzgebungsvorhaben erkennen, die wir vor allem in dafür oftmals aus . (D) den vergangenen zwei Jahren verabschiedet haben . Da- Es klingt so einfach, die Realität ist leider anders . bei standen jederzeit die Patientinnen und Patienten im Wir leben in einer Gesellschaft des längeren Lebens, die Mittelpunkt unserer Gesundheitspolitik . gekennzeichnet ist durch einen Wandel der Lebensstile: (Beifall bei der CDU/CSU) Fahrstuhl statt Treppe, Auto statt Laufen, Computerspie- le statt Fußball, Fastfood statt gesunder Ernährung . Hier- Mit dem Fokus auf noch mehr Qualität und Transpa- zu kommen die Verlockungen der Werbe- und Lebens- renz in der medizinischen Versorgung wollen wir, dass mittelindustrie . All dies führt dazu, dass – aktuell haben dies auch künftig so bleibt . Mein Dank geht an dieser wir fast 10 Millionen Diabeteserkrankungen unter Einbe- Stelle an den Minister, das Ministerium sowie die Kol- ziehung einer nicht quantifizierbaren Dunkelziffer – die leginnen und Kollegen im Gesundheitsausschuss des Zahl der Betroffenen im Jahr 2025 auf rund 20 Millionen Deutschen Bundestages dafür, dass wir es in kürzester ansteigen wird . Das sind 25 Prozent der gesamten Bevöl- Zeit geschafft haben, die Vorhaben des Koalitionsvertra- kerung . Darüber sollten wir uns alle Gedanken machen . ges so umzusetzen, wie wir es vereinbart haben: fachlich fundiert, strukturell auf die Zukunft gerichtet, nachhaltig (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- im Sinne der Generationengerechtigkeit mit Blick auf ordneten der SPD) unsere Kinder und Enkelkinder . Das ist genau der rich- tige Weg . Auch im Bereich der Adipositas sind die Zahlen er- schreckend . Der Anteil der stark übergewichtigen Men- (Beifall bei der CDU/CSU) schen in Deutschland hat sich zwischen 1999 und 2009 fast verdoppelt . Insgesamt ist fast ein Viertel der deut- Eine nachhaltige Leistungsfähigkeit ist immer auch an schen Bevölkerung adipös, mit steigender Tendenz . eine nachhaltige Finanzierung gekoppelt . Reserven von circa 24 Milliarden Euro sind ein klares Zeichen dafür, Im September konnte man der Presse entnehmen, dass dass die Union mit ihren Partnern über Jahre hinweg die jüngste Typ-2-Diabetikerin in den USA, drei Jahre mit Augenmaß die richtigen Entscheidungen getroffen alt, 35 Kilogramm schwer war . Das Normalgewicht in hat . Das dritte Jahr in Folge steht die schwarze Null im diesem Alter sind 14 bis 15 Kilogramm . Das Mädchen Bundeshaushalt . Ja, Herr Kollege Weinberg, das ist keine war also 20 Kilogramm zu schwer . Warum betone ich das Selbstverständlichkeit, sondern eine starke parlamentari- so? Früher sprach man von Altersdiabetes . Heute sind sche Leistung in Zusammenarbeit mit der unionsgeführ- immer mehr Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ten Bundesregierung . Ein herzlicher Dank an dieser Stel- davon betroffen . Wir alle, die wir politisch in der Ver- le allen Haushältern . antwortung stehen, müssen alles dafür tun, dass diese 13758 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Dietrich Monstadt (A) angesprochene Entwicklung in Deutschland nicht weiter lands auf hohem Niveau sicher . Gleichzeitig stärkt es die (C) fortschreitet . Patientenrechte und verbessert die Versorgungsqualität . Gerade für Diabetiker ist dies von wesentlicher Bedeu- Den ersten Schritt haben wir getan, indem wir das tung . Präventionsgesetz in diesem Jahr verabschiedet haben, das am 1 . Januar 2016 in Kraft treten wird . An dieser Mit der Versorgungsforschung und den dazu vorgese- Stelle herzlichen Dank, Herr Minister, dass unter Ihrer henen Mitteln in Höhe von 75 Millionen Euro jährlich Führung endlich Prävention und Gesundheitsförderung kann ebenfalls ein großer Beitrag zur Diabetesbekämp- in den Vordergrund der Gesundheitsversorgung gerückt fung geleistet werden . sind. Mit den zusätzlichen Beiträgen aus der Pflegekas- Bei Diabetes handelt es sich um keine einheitliche Er- se und der privaten Krankenversicherung stehen damit krankung; verschiedene genetische Veränderungen kön- insgesamt nahezu 550 Millionen Euro für Präventions- nen zu Diabetes führen . Deshalb ist es in der Forschung aufgaben zur Verfügung . Das ist ein starkes Signal für so wichtig, gerade Akzente im Bereich der personalisier- die weitere Verbesserung der Gesundheitsversorgung in ten Diabetesmedizin zu setzen . Deutschland . (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Prävention und Früherkennung sind wichtige Säulen NEN]: Zuckersteuer!) der Diabetesbekämpfung . Mit einem krankheitsübergrei- fenden Ansatz sollen lebensstilbedingte chronische Er- Auch können wir stolz darauf sein, dass sich mit dem krankungen vermindert oder zumindest in ihrem Verlauf E-Health-Gesetz Möglichkeiten für eine bessere Versor- positiv beeinflusst werden. Diabetes-mellitus-Typ-2-Er- gung der chronisch Kranken ergeben . Durch telemedi- krankungsrisiko senken, Erkrankte früh erkennen und zinische Anwendungen können zum Beispiel lückenlos behandeln – das hat als primäres nationales Gesundheits- geführte Diabetestagebücher an den zuständigen Arzt ziel im Gesetz Niederschlag gefunden . Als betroffener übermittelt werden, der zunächst auch ohne persönlichen insulinpflichtiger Typ-2-Diabetiker freue ich mich hier- Arzt-Patienten-Kontakt individuelle Therapien daraus über ganz besonders . ableiten kann . (Beifall bei der CDU/CSU) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie Sie am Beispiel Diabetes unschwer erkennen können, sind wir Bereits im Sommer 2014 hat der Bundesrat dem Bun- auf dem Weg, unser schon jetzt sehr leistungsstarkes Ge- destag empfohlen, einen nationalen Diabetesplan zu ver- sundheitssystem weiter zu verbessern . Mit den bereits abschieden . Federführend waren hier die norddeutschen abgeschlossenen und noch uns vorliegenden geplanten Bundesländer . Auch wir, die Union, haben einen Antrag Gesetzgebungsvorhaben gehen wir eine Reihe von Pro­ (B) mit der Forderung nach einer nationalen Diabetesstrate- blemen an, die zukünftig zu lösen sind . (D) gie auf den Weg gebracht . Ich darf an dieser Stelle den herzlichen Dank an meinen Kollegen Michael Hennrich Dieser zu beschließende Haushalt fördert die Gene- zurückgeben, der maßgeblich die Erstellung der Strate- rationengerechtigkeit . Er geht die gesundheitspolitischen gie unterstützt hat . Für die Umsetzung dieser Strategie Probleme der Zukunft in unserem Land entschlossen an . sind erstmalig im Bundeshaushalt 2016 zusätzliche Mit- Ich werbe deshalb um Ihre Zustimmung . tel in Höhe von 3 Millionen Euro vorgesehen – der Herr Herzlichen Dank . Minister hat darauf hingewiesen –, unter anderem für den Ausbau des Gesundheitsmonitorings beim RKI für (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- eine bessere Datenlage, die Bekanntmachung und Wei- ordneten der SPD) terentwicklung der GMPs und für eine Verbesserung der Aufklärung und Informationsarbeit. Ich finde, das ist ein Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: großer Schritt in die richtige Richtung . Damit schließe ich die Aussprache . In diesem Zusammenhang möchte ich mich ausdrück- Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 15 lich an unseren Koalitionspartner wenden . Dass hier ein des Bundesministeriums für Gesundheit in der Aus- grundsätzlicher Konsens besteht, haben wir aus gemein- schussfassung . Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage- samen Veranstaltungen und bei persönlichen Gesprächen gen? – Enthält sich jemand? – Dann ist der Einzelplan 15 feststellen können . Daher lasse ich nicht nach, Sie auf- in der Ausschussfassung mit den Stimmen der Koalition zufordern, diesen Antrag positiv zu begleiten, und hoffe gegen die Stimmen der Opposition angenommen wor- sehr, dass Sie das tun . den . Meine sehr geehrten Damen und Herren, an Diabetes Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte III . a bis c so- erkrankte Menschen bedürfen einer kontinuierlichen, wie die Zusatzpunkte 1 a und b auf: wohnortnahen, ambulanten Langzeitbetreuung . 90 Pro- zent der Typ-2-Diabetiker werden auf Hausarztebene III . a) Unterrichtung durch die Bundesregierung versorgt, wobei hier der Versorgungsqualität eine ent- Bericht der Bundesregierung über den scheidende Rolle zukommt . Die restlichen 10 Prozent Stand von Sicherheit und Gesundheit bei werden in Schwerpunktpraxen oder stationär betreut . der Arbeit und über das Unfall- und Be- rufskrankheitengeschehen in der Bundes- Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz stellen republik Deutschland im Jahre 2013 wir eine gut erreichbare, flächendeckende Versorgung der Patientinnen und Patienten in allen Regionen Deutsch- Drucksache 18/3474 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13759

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn (A) Überweisungsvorschlag: Überweisungsvorschlag: (C) Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor­ Sportausschuss sicherheit Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Es handelt sich hierbei um Überweisungen im ver- Ausschuss für Gesundheit einfachten Verfahren ohne Debatte. Ausschuss für Tourismus Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an b) Unterrichtung durch die Bundesregierung die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen . Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Sechster Erfahrungsbericht der Bundes- Fall . Dann sind die Überweisungen so beschlossen . regierung über die Durchführung des Stammzellgesetzes Ich rufe die Tagesordnungspunkte IV .a bis f auf . Hier- bei handelt es sich um die Beschlussfassung zu den Be- Drucksache 18/4900 schlussempfehlungen des Petitionsausschusses, zu denen Überweisungsvorschlag: ebenfalls keine Aussprache vorgesehen ist . Ausschuss für Gesundheit (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Tagesordnungspunkt IV . a: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen­ abschätzung Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti- onsausschusses (2 .Ausschuss) c) Beratung des Berichts des Ausschusses für Sammelübersicht 249 zu Petitionen Bildung, Forschung und Technikfolgenab- schätzung (18 .Ausschuss) gemäß § 56a der Drucksache 18/6656 Geschäftsordnung Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthält Technikfolgenabschätzung (TA) sich jemand? – Das ist nicht der Fall . Dann ist die Sam- melübersicht 249 einstimmig angenommen worden . Moderne Stromnetze als Schlüsselelement einer nachhaltigen Stromversorgung Tagesordnungspunkt IV . b: Drucksache 18/5948 Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti- onsausschusses (2 .Ausschuss) Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Sammelübersicht 250 zu Petitionen Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Drucksache 18/6657 (B) Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (D) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor­ sicherheit Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen­ hält sich? – Damit ist auch die Sammelübersicht 250 ein- abschätzung stimmig angenommen worden . Ausschuss Digitale Agenda Tagesordnungspunkt IV . c: ZP 1 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr . Frithjof Schmidt, Claudia Roth (Augs- Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti- burg), Omid Nouripour, weiterer Abgeordne- onsausschusses (2 .Ausschuss) ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sammelübersicht 251 zu Petitionen NEN Drucksache 18/6658 Interministerielle Zusammenarbeit bei der Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthält Bewältigung der Fluchtkrise in Drittstaa- sich jemand? – Damit ist die Sammelübersicht 251 mit ten verbessern den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Frak- Drucksache 18/6772 tion Die Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grü- nen angenommen worden . Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (f) Tagesordnungspunkt IV . d: Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti- Entwicklung onsausschusses (2 .Ausschuss) Haushaltsausschuss Sammelübersicht 252 zu Petitionen b) Beratung des Antrags der Abgeordneten ­Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Drucksache 18/6659 Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Wer stimmt für diese Sammelübersicht? – Stimmt je- Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mand dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist die Sicherheit hat Vorrang – Ohne Stand von Sammelübersicht 252 einstimmig angenommen worden . Wissenschaft und Technik keine Inbetrieb- Tagesordnungspunkt IV . e: nahme von Schacht Konrad Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti- Drucksache 18/6773 onsausschusses (2 .Ausschuss) 13760 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn (A) Sammelübersicht 253 zu Petitionen sie sich von unserer Gesellschaft ab, und das müssen wir (C) verhindern . Darum, glaube ich, haben wir nur mehr Si- Drucksache 18/6660 cherheit, wenn viele Menschen von ihrer eigenen Hände Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthält Arbeit leben können . Was macht die Regierung? Sie legt sich jemand? – Damit ist die Sammelübersicht 253 mit den Menschen Steine in den Weg . So ein Stein ist zum den Stimmen der Koalition und von Bündnis 90/Die Beispiel das dreimonatige Arbeitsverbot für Flüchtlinge . Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke an- Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, genommen worden . Sie hätten sich in dieser Frage gegen die Union durchset- zen müssen . Das wäre der richtige Weg gewesen . Tagesordnungspunkt IV . f: (Beifall bei der LINKEN) Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti- onsausschusses (2 .Ausschuss) Als Begründung, warum die Flüchtlinge nicht sofort arbeiten dürfen, hat die Bundesregierung unserer Frakti- Sammelübersicht 254 zu Petitionen on geantwortet: Drucksache 18/6661 Der Vorschlag wird abgelehnt, da Asylbewerber Wer stimmt für diese Sammelübersicht? – Wer stimmt in der ersten Zeit des Aufenthalts den zuständigen dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Sammel- Behörden . . uneingeschränkt zur Verfügung stehen übersicht 254 mit den Stimmen der Koalition gegen die müssen . Stimmen der Opposition angenommen worden . Meine Damen und Herren, das ist doch völlig welt- Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, setzen wir die fremd, wenn man berücksichtigt, wie lange es dauert, Haushaltsberatungen fort . Dazu rufe ich den Tagesord- einen Termin bei einer Behörde zu bekommen . Da verge- nungspunkt I . 15 auf: hen schon einmal schnell drei Monate . Einzelplan 11 Richtig ist allerdings: Der Haushalt für Arbeit, Sozia- les und Rente ist der größter Einzelplan im Bundeshaus- Bundesministerium für Arbeit und Soziales halt . Auch das zeigt, wie hoch der soziale Reparaturbe- Drucksachen 18/6111, 18/6124 darf in unserer Gesellschaft ist . Die Größe des Etats sagt noch nichts über soziale Gerechtigkeit aus . Die Berichterstattung haben die Abgeordneten Ekin Deligöz, , Ewald Schurer und Dr . Gesine Ich möchte noch einmal das Beispiel des Arbeits- Lötzsch . verbots für Flüchtlinge aufgreifen . Ich sage Ihnen: Wir könnten viel Steuergeld sparen, wenn Flüchtlinge nicht (B) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für auf staatliche Unterstützung angewiesen wären, weil sie (D) die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . Gibt es dazu schnell eine Arbeit aufnehmen dürften . Ich sage noch Widerspruch? – Das ist nicht der Fall . Dann ist das so einmal – und ich fordere Sie auf, entsprechend zu ent- beschlossen . scheiden –: Das Arbeitsverbot muss endlich vom Tisch . Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat Dr .Gesine (Beifall bei der LINKEN) Lötzsch von der Fraktion Die Linke . Wir Linke sind davon überzeugt: Es gibt genug Ar- (Beifall bei der LINKEN) beit, wenn wir jetzt ein Investitionsprogramm auflegen, finanziert aus der Vermögensteuer. Doch leider denkt die Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Bundesregierung nicht über den aktuellen Haushalt hi- Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten naus. Sie befinden sich geradezu in einem Investitions- Damen und Herren! Liebe Gäste auf den Tribünen! Die streik, und wir fordern Sie auf, diesen Streik endlich zu Abgeordneten von Union und SPD haben während der beenden . Ausschussberatungen für die Sicherheitsdienste deutlich (Beifall bei der LINKEN) mehr Mittel und Stellen zur Verfügung gestellt, als diese Dienste selbst beantragt hatten . Das ist eine sehr unge- Gerade Sie, Frau Nahles, müssten sich doch deutlich wöhnliche Entscheidung . Leider haben wir so etwas im für mehr Investitionen einsetzen, auch wenn sie nicht Bereich Arbeit und Soziales noch nicht erlebt . Ich könn- direkt in Ihrem Etat vorgesehen sind . Öffentliche In- te mir vorstellen, Frau Nahles, dass Sie mir zustimmen, vestitionen sichern Aufträge für Betriebe und schaffen dass wir in diesem Bereich das Geld wesentlich besser auch Arbeit für Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge . Wir und sinnvoller verwenden könnten . brauchen einen stärkeren öffentlichen Dienst, und wir brauchen endlich auch wieder einen starken öffentlichen (Beifall bei der LINKEN – Axel E . Fischer Beschäftigungssektor, so wie wir ihn im Land Berlin [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Das glaube schon einmal hatten; so etwas brauchen wir auf der Bun- ich nicht!) desebene . Das wäre auch ein Beitrag zu mehr Sicherheit; denn (Beifall bei der LINKEN – Dr . Matthias Zim- mehr Sicherheit gibt es nur, wenn unsere Gesellschaft mer [CDU/CSU]: Klappt genauso wenig wie insgesamt sozialer und gerechter wird . der Flughafen!) Sicherheit hat auch etwas mit Zukunft zu tun . Wenn – Der Flughafenbau, lieber Kollege – um dieses Stich- die Menschen keine Zukunft für sich sehen, dann wenden wort einmal aufzugreifen; in Berlin regieren CDU und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13761

Dr. Gesine Lötzsch (A) SPD; daran möchte ich erinnern –,wird nicht vom öffent- Flüchtling bei uns bleiben? Wie organisieren und verbes- (C) lichen Beschäftigungssektor erledigt, sondern da hängt sern wir die Verfahren, die das klären? Wie schaffen wir die Privatwirtschaft drin . Sie hat da in einem Maße ver- es, dass wir die, die bei uns bleiben, rasch integrieren und sagt, über das wir alle einmal nachdenken sollten . in Arbeit bringen? (Dr . [CDU/CSU]: In Hes- Wir haben bereits vieles auf den Weg gebracht, damit sen klappt’s!) die Verfahren zur Aufnahme zügig und reibungslos lau- fen können . Erste Erfolge sind auch schon da . Die Zahl Meine Damen und Herren, das Jahr 2005 liegt jetzt der vom BAMF getroffenen Entscheidungen zum Bei- zehn Jahre hinter uns . Das heißt: zehn Jahre Hartz IV . spiel ist im November im Vergleich zum September um Das ist wahrlich kein Grund zum Feiern . Es hat sich 60 Prozent gestiegen . Im Durchschnitt sind es jetzt 1 600 bewahrheitet, wovor die Linke von Anfang an gewarnt pro Tag . Aber es bleibt noch viel zu tun, und das merken hat: Hartz IV ist Armut per Gesetz . Sie alle wissen – Sie auch an diesem Einzelplan 11, liebe Kolleginnen und man kann es nicht oft genug sagen –: Hartz IV betrifft Kollegen . die gesamte Gesellschaft . Es betrifft diejenigen, die auf Hartz IV angewiesen sind, und diejenigen, die Angst da- Fast 2 Milliarden Euro sollen zusätzlich zur Verfü- vor haben, in eine solche Situation zu kommen . Hartz IV gung stehen, damit die Menschen, die vor Terror und Ge- drückt erkennbar auf die Löhne und zwingt Menschen walt fliehen, bei uns Fuß fassen können, Deutsch lernen, in unwürdige Arbeitsverhältnisse . Das wollen und dürfen eine Ausbildung machen oder eine Arbeit finden, selbst wir nicht weiter hinnehmen . Hartz IV ist ein schlechtes für sich sorgen können . Das ist das Ziel . Gesetz . Es gehört abgeschafft . Wir brauchen eine armuts- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) feste Mindestsicherung, meine Damen und Herren . Ich danke an dieser Stelle allen für die gute Zusammen- (Beifall bei der LINKEN) arbeit und die Unterstützung dafür, dass wir die finanziel- Für die Haushaltsberatungen beantragen wir als ersten len Mehrbedarfe jetzt im Haushalt mit Mitteln unterlegen Schritt die Erhöhung des Regelsatzes auf 500 Euro . können, besonders unseren Berichterstatterinnen und Be- richterstattern, den Kolleginnen und Kollegen im Fach- (Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Warum und vor allem im Haushaltsausschuss . nicht 600 oder 1 000?) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie Wir brauchen aber mehr . Wir brauchen eine sanktions- bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE freie Mindestsicherung, und wir brauchen einen ange- GRÜNEN) messenen Mindestlohn . Sie alle wissen genauso gut Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will mit allen (B) wie ich, dass der Mindestlohn von 8,50 Euro zu niedrig (D) ist . Die Einführung des Mindestlohns war ein richtiger Mitteln verhindern, dass aus Enttäuschung Radikalisie- Schritt . Nun muss der Mindestlohn noch eine angemes- rung entsteht und der Rückzug aus der Gesellschaft . Und sene Höhe haben . 10 Euro wären das Gebot der Stunde, ich will, dass auch die, die sich hier schon lange um Ar- und dafür setzen wir uns ein . beit bemühen, sich nicht abgehängt fühlen, sondern eine neue Chance bekommen . Darum bündeln wir unsere An- (Beifall bei der LINKEN – strengungen für die Flüchtlinge mit denen für Langzeit- [CDU/CSU]: Das entscheidet die Kommissi- arbeitslose und richten unseren ganzen Einsatz darauf, on und nicht die Politik!) ihnen allen einen Neustart zu ermöglichen . Eine freie und offene Gesellschaft, meine Damen und „Neustart in Deutschland“, und zwar für alle – die, die Herren, über die wir in diesen Tagen so häufig sprechen neu hinzukommen, und die, die schon lange nach Arbeit und die wir verteidigen wollen, zeichnet sich dadurch suchen –, diese Initiative habe ich vor wenigen Wochen aus, dass die Menschen ihr Leben in Freiheit, Würde und in NRW vorgestellt . Warum in Nordrhein-Westfalen? Solidarität gestalten können, und dafür kämpft die Linke . Dort werden die meisten Flüchtlinge aufgenommen, und Vielen Dank . dort haben die Städte bedauerlicherweise einen sehr ho- hen, verfestigten Anteil von Langzeitarbeitslosen . Dort (Beifall bei der LINKEN – Dr . Matthias kommt beides zusammen . ­Zimmer [CDU/CSU]: Ach, das war‘s schon?) Wenn wir zu schnellen Entscheidungen über die Asyl- anträge kommen, heißt das, dass diejenigen, die bei uns Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: bleiben können, auch als Arbeitslose gezählt werden, Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat für die Bun- dass wir mehr Geld für die Grundsicherung brauchen, desregierung die Bundesministerin Andrea Nahles das und das weist der Einzelplan 11 auch aus . Wort . (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Das war (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) auch notwendig!) Aber, meine Damen und Herren, Hartz IV soll für nie- Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und So- manden in Deutschland eine Dauerlösung sein . ziales: (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol- legen! Uns allen ist bewusst: Wir stehen vor einer großen Ich will, dass die Menschen, die zu uns kommen, bald Herausforderung, vor wichtigen Fragen: Wer kann als für sich selbst sorgen können . Darum richten wir alle An- 13762 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Bundesministerin Andrea Nahles (A) strengungen darauf, sie schnell in den Arbeitsmarkt zu so viel wie ursprünglich geplant – werden hier für den (C) integrieren . nächsten Haushalt zur Verfügung gestellt . Über die Hälfte der Asylantragsteller sind unter (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) 25 Jahre alt. Wir müssen sie zügig in eine berufliche Aus- Auch für die Anerkennung der Qualifikationen ver- bildung bringen, damit ihr Neustart hier gelingt . Andere stärken wir die Mittel, beispielsweise für das Netzwerk haben schon eine Ausbildung und Erfahrung im Beruf . IQ, weil es ganz wichtig ist . Außerdem, Kolleginnen und Trotzdem können sie nicht sofort ihren Platz in unserem Kollegen, erhöhen wir auch die Mittel für die Arbeit der hochspezialisierten deutschen Arbeitsmarkt finden. Aber Jobcenter . Mehr als eine halbe Milliarde Euro steht hier oft genügt eben schon, dass sie Deutsch lernen und ihr zusätzlich zur Verfügung . Mir ist wichtig, dass wir auch Wissen und Können in einem Anerkennungsverfahren für die Menschen, die hier Arbeit suchen, die nötigen geprüft wird . Am schnellsten können wir Flüchtlinge mit Mittel bereitstellen . So werden auch im nächsten Jahr Berufsausbildung oder einem Hochschulabschluss inte- den Jobcentern zusätzlich 350 Millionen Euro Ausgabe- grieren; denn die Nachfrage nach Fachkräften ist unge- reste zur Verfügung stehen . brochen hoch . Wir haben 1 Million offene Stellen, und in manchen Berufen und Regionen werden Fachkräfte (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) händeringend gesucht . Die Jobcenter – ich denke, das muss allen klar sein – Also geht es darum, schon in der Erstaufnahmeeinrich- stehen in den nächsten Monaten und Jahren vor einer tung die Qualifikationen zu erfassen und die Flüchtlinge sehr großen Aufgabe . Ich betone: Es werden nicht nur mit guter Bleibeperspektive so schnell wie möglich mit Monate, sondern Jahre sein . den zuständigen Stellen für die Anerkennung der Qualifi- (Axel E . Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ kationen zusammenzubringen . Ich habe mir das in Köln CSU]: So ist es!) vor Ort angeschaut und an einigen der Bewerbungsge- spräche, wenn man das so nennen will, teilgenommen . Deshalb ist es wichtig, dass wir sie von unnötiger Büro- Ich kann Ihnen nur empfehlen, das auch zu tun . Schauen kratie befreien . Sie sich das ruhig einmal an; das ist eine wichtige Erfah- (Axel E . Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ rung . Da wird vor Ort eine sehr gute Arbeit gemacht von CSU]: Sehr richtig!) der BA in den Aufnahmeeinrichtungen . Deswegen werde ich jetzt die Reform des SGB II zur (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Rechtsvereinfachung auf den Weg bringen . Es gab da einige, die da die Handbremse angezogen hatten . Die ha- Sooft und wo immer es geht – das halte ich wirklich ben wir lösen können, so hoffe ich . Unnötige Bescheide (B) für einen zentralen Punkt –, wollen wir berufsbezogene wegfallen zu lassen, Anrechnungsregeln und Verfahren (D) Deutschkurse mit der täglichen Erfahrung im Betrieb ver- zu vereinfachen – das ist jetzt, gerade in dieser Situati- binden . Ich möchte nicht, dass wir aus berufsbezogenen on, in der die Belastungen bei den Jobcentern zunehmen, Sprachkursen vor allem ein Beschulungsprogramm ma- eine der wichtigen Weichenstellungen, die wir vorneh- chen, sondern ich möchte die Kombination aus Praktika men . und Deutschkurs, aus ausbildungs- und berufsbegleiten- den Angeboten und Deutschkurs, aus Jobs und Deutsch- Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist niemandem kurs . Wir müssen es von Anfang an zusammenbringen: geholfen – nicht den Jobcentern, nicht denen, die wir in Anpassungsqualifizierung und Arbeitsvermittlung und Arbeit bringen wollen –, wenn Menschen gegeneinander Deutschkurs müssen eine Einheit bilden . Ich glaube, dass ausgespielt werden . es so auch für die Flüchtlinge am leichtesten ist, weil sie (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) dann schon Kontakt in den Betrieben bekommen und auch Verständnis dafür gewinnen, wie unsere Arbeitswelt Deswegen sage ich hier ganz klar: Der Mindestlohn gilt hier in Deutschland überhaupt funktioniert . Ich glaube für alle, egal welchen Pass jemand mitbringt . auch, dass sie so schneller Deutsch lernen können, weil (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten es gleich anwendungsbezogen ist . der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Und eine weitere Sache ist mir wichtig: Wir dürfen Das muss aus meiner Sicht zusammenkommen . Ich freue auch die Menschen in unserem Land nicht vergessen, die mich – im Übrigen verbinde ich das auch mit einem Dank keine Flüchtlinge sind . an die deutschen Unternehmen – über die Unterstützung, die ich für dieses Konzept gefunden habe: Angebote, die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Bereitschaft, das umzusetzen, und ganz konkrete Hilfe . der CDU/CSU) Wir sind da in einem sehr guten Dialog . Deshalb müssen wir das, was wir zugesagt haben, auch einhalten, zum Beispiel bei Leiharbeit und Werkverträ- Wir stellen in diesem Etat sehr viel mehr Geld für gen . Ich habe mich gefreut, dass die Kanzlerin vorgestern Deutschkurse zur Verfügung, sowohl im Etat von Herrn ihre Unterstützung noch einmal deutlich gemacht hat . de Maizière, also dem Etat des Bundesinnenministeri- ums – für die Integrationskurse –, als auch für die be- (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- rufsbezogene Sprachförderung, die wir über die BA an- NEN]: Na ja! Das ist eine eigenwillige Inter- bieten . Knapp 300 Millionen Euro – und damit fünfmal pretation!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13763

Bundesministerin Andrea Nahles (A) Ja, das ist wichtig und richtig . Die Leiharbeit muss raus es an den Flüchtlingsfragen . Ich danke an dieser Stelle (C) aus der Grauzone, aus der Schmuddelecke . Wir brauchen der Mitberichterstatterin und den Mitberichterstattern, sie für die Flexibilität unserer Wirtschaft; davon bin ich aber auch Ihrem Haus, Frau Ministerin . Wir haben Sie, fest überzeugt . Aber dann muss sie auch vernünftig ge- wie ich glaube, ganz schön in Atem gehalten . Wir hatten regelt werden . Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag drei sehr ausführliche Berichterstattergespräche, die auch eine klare Vereinbarung: Nach 9 Monaten gibt es glei- sehr intensiv verlaufen sind . An dieser Stelle vielen Dank chen Lohn, und nach 18 Monaten muss derjenige in dem für die gute Kooperation . Betrieb, in dem er eingesetzt wird, fest eingestellt wer- den . Ich sage aber auch ganz klar: Wo es einen Tarifver- Worüber reden wir? Wir reden über einen Etatansatz trag gibt, da kann auch mehr Flexibilität möglich sein . von knapp 130 Milliarden Euro; insgesamt liegen wir Tarifpartnerschaft schafft mehr Flexibilität. Tarifflucht damit um 4,5 Milliarden Euro über dem Etatansatz für wollen wir allerdings verhindern . Das ist die Grundidee, 2015 . Das teilt sich auf die größten Titel auf: 34,5 Mil- die hinter diesem Gesetzentwurf steht . liarden Euro für den Bereich Arbeitsmarkt und 93 Mil- liarden Euro für den Bereich Rente . Bei beiden Titeln (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) muss man feststellen: Die Ansätze für diese Titel werden in den nächsten Jahren eher steigen als sinken . Ich denke, Und bei den Werksverträgen werden wir Abgren- dass wir uns diesen Bereich in Zukunft noch einmal sys- zungskriterien festlegen gegenüber Scheinselbstständig- tematischer anschauen müssen . keit auf der einen und Scheinwerkverträgen auf der ande- ren Seite . Das ist längst gängige Rechtsprechung . Diese Ja, in der Tat, den Schwerpunkt der Debatte bildete Kriterien übernehmen wir jetzt. Wir kodifizieren das im die Flüchtlingspolitik und da die essenzielle Frage, wie BGB; denn bisher gibt es zwar Rechtsanwälten Arbeit, wir es schaffen, dass die Flüchtlinge, die hierherkom- aber es belastet nur die Gerichte und führt zu Streit . Wir men, nach ihrer Anerkennung möglichst schnell auf dem wollen das verhindern und die gängige Praxis der Recht- Arbeits- und Qualifizierungsmarkt integriert werden. Wir sprechung zu geltendem Recht machen . mussten aber – und dazu sind wir geradezu verpflichtet – immer wieder darauf schauen, dass wir die Menschen Es ist schlicht falsch, wenn behauptet wird, wie in die- nicht aus dem Auge verlieren, die in diesem Land eben- ser Woche auf dem Arbeitgebertag, dass jedes einzelne falls Unterstützung brauchen . Kriterium ein K .o .-Kriterium für Werkverträge sei . Nein, entscheidend ist die Gesamtbetrachtung . Kolleginnen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- und Kollegen, weder wird ein bestellter Klempner zum NEN sowie der Abg . Sabine Zimmermann Angestellten, noch beschränken wir die Tarifautonomie [Zwickau] [DIE LINKE]) auf drei Monate . Das ist vollkommener Unsinn . Das wis- (B) sen diejenigen auch, die das behaupten, weil ich mit ih- Ich stelle an dieser Stelle auch fest: Diese Aspekte – (D) nen lange darüber geredet habe . also sowohl das Thema Flüchtlinge als auch der andere Aspekt – waren bei den letzten Etatplanungen noch nicht (Beifall bei der SPD sowie des Abg . so richtig auf dem Schirm . Die Zahlen waren sehr niedrig Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]) angesetzt . Wir sind immer von Annahmen ausgegangen, die sehr niedrig lagen . Jetzt stellen wir fest – das ist gut Diejenigen legen dagegen wirklich die Axt an die Tari- so –: Das alles ist nicht zum Nulltarif zu haben . Es ist gut, fautonomie, die Werkverträge als Deckmantel für Lohn­ dass Sie das machen; zwar kommt das alles ein bisschen dumping nutzen . Das allerdings wollen wir nicht; zu spät, aber besser spät als gar nicht . Die Ansätze für Ar- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten beitslosengeld II, Kosten der Unterkunft und Sprachkur- der CDU/CSU) se werden erhöht; auch Sie haben schon gesagt, dass es da Aufstockungen gibt . Es gibt aber zwei große, riskante denn das höhlt die Tarifautonomie aus . Wir haben in der Schwachstellen . Ich will sie Ihnen jetzt auch nennen . Bundesregierung eine klare Linie: Wir wollen die Tarif­ autonomie stärken . Das haben wir bei der Tarifeinheit Erstens: Ihre Berechnungen . Sie gehen von sehr ge- gemacht, und das machen wir auch bei Leiharbeit und wagten Annahmen aus . Werkverträgen . (Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das Vielen Dank . stimmt!) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele . Sie sagen: In der Grundgesamtheit rechnen wir mit 800 000 Flüchtlingen . Das dürfte doch wohl eher der untere Wert sein . Es ist Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: schon spannend, was geschieht, wenn die Zahl doch ein Als nächste Rednerin hat Ekin Deligöz von der Frak- bisschen höher ausfällt . tion Bündnis 90/Die Grünen das Wort . Zugleich gehen Sie dabei davon aus, dass nur gerin- Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ger Familiennachzug stattfindet. Das ist ein Fehler; denn natürlich haben auch die Frauen und gerade die jungen Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Menschen, die nachkommen, Ansprüche . Frau Ministerin, die Beratungen zu diesem Etat waren bis zum Schluss in Bewegung . Das lag an zwei Aspekten . Außerdem gehen Sie davon aus – das ist wirklich sehr Zum einen hatten wir jede Menge Schätztitel, die wir im- waghalsig –, dass die Verbleibsrate beim SGB-II-Bezug mer wieder aktualisieren mussten, und zum anderen lag bereits im Jahr 2016 bei 65 Prozent liegen wird . Das ist 13764 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Ekin Deligöz (A) zu niedrig . Es gibt übrigens auch keinerlei Hinweise, die anderer Vorschlag gekommen wäre; aber Sie schweigen (C) die Ansetzung dieses Wertes rechtfertigen . Das heißt, da sich da aus, Sie sitzen das aus . werden noch im kommenden Jahr – damit müssen wir (Dr . Martin Rosemann [SPD]: Lesen Sie doch rechnen – zusätzliche Kosten auf uns zukommen . den Koalitionsvertrag!) (Axel E . Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ Das Thema ist aber aktuell; das ist keine Zukunftsfrage . CSU]: Nicht zwingend!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die zweite große Schwachstelle ist: Die Jobcenter und bei der LINKEN) sind jetzt schon unterfinanziert. Die Art und Weise der Finanzierung erinnert an eine Einbahnstraße: Sie schich- Das Thema Langzeitarbeitslosigkeit . Ja, wir brauchen ten Eingliederungsmittel in den Verwaltungsbereich um . da mehr Gegenmaßnahmen . Wir brauchen den sozialen Der Bedarf an Mitteln im Verwaltungsbereich ist aber Arbeitsmarkt, wir brauchen einen Passiv-Aktiv-Transfer . auch jenseits der Flüchtlingsbedarfe vorhanden . Sie haben hierzu nicht einmal ein Modellprogramm ent- wickelt . Wenn Sie davon reden, dass nicht nur für Flücht- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) linge, sondern auch für alle anderen etwas getan werden muss, kann ich Ihnen nur sagen: Hier ist der Punkt, an Jetzt sagen Sie: Die haben Geld eingespart, das können dem Sie ansetzen und aktiv werden müssen . Das tun Sie sie jetzt einbehalten . Damit tue ich doch etwas Gutes .– aber nicht . Sie sitzen das aus . Das ist bedauerlich, gerade Nein! Wir brauchen frisches, zusätzliches Geld . Aber Sie für die Menschen, die davon betroffen sind . stellen es nicht in den Haushalt ein . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Dr . Martin Rosemann [SPD]: Es gibt jedes und bei der LINKEN) Jahr zusätzliches Geld! – Axel E . Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Natürlich stel- Und nicht zuletzt das Thema Regelsatzerhöhung . Hier len wir zusätzliches Geld bereit!) geht es um eine angemessene Existenzsicherung . Wir hö- ren da leider nichts von Ihnen . Dass Sie in diesem Bereich tricksen und das Geld hin und her schieben, macht es, ehrlich gesagt, auch nicht Mut, Plan und Verlässlichkeit – das wären die drei viel besser . Anforderungen an Ihren Haushaltsplan . Mit diesem Etat werden Sie diesen Anforderungen aber nicht gerecht, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Ministerin . Dr .Martin Rosemann [SPD]: Jedes Jahr zu- sätzlich!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (B) (D) Das Schlimme ist aber, dass man bei den ganzen Be- ratungen immer wieder feststellen musste: Eigentlich Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: orientieren Sie sich nicht wirklich an den Bedarfen, son- Als nächster Redner hat Axel Fischer von der CDU/ dern viel eher an einem vorgegebenen Finanzrahmen . CSU-Fraktion das Wort . Und dann wird der Rest irgendwie zurechtgestrickt . Das wird uns auf die Füße fallen . Das Schlimmste daran ist – (Beifall bei der CDU/CSU) das haben die letzten zwölf Monate gezeigt –: Wenn sich etwas an den Sachverhalten ändert, sind Sie nicht Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): in der Lage, schnell darauf einzugehen und zu reagieren . Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das macht es auch für die einzelnen Institutionen sehr Meine Damen und Herren! Ja, in der Tat, es stimmt: Der schwierig, all die guten Vorhaben, die Sie hier vorgestellt Etat, den wir heute beraten, sieht anders aus als der, den haben, umzusetzen; denn sie werden auf halber Strecke die Bundesregierung im Sommer eingebracht hat . Er ist alleingelassen und können sich nicht auf die Finanzie- aber mit zusätzlichem Geld ausgestattet, liebe Kollegin- rung vonseiten Ihres Hauses verlassen . Am Ende sind nen und Kollegen . Das ist eindeutig so . dann aber die Menschen verlassen, die die Unterstützung in Anspruch nehmen müssen, weil sie darauf angewiesen Und ja, es stimmt auch: Wir können den ausgegli- sind . chenen Haushalt, die schwarze Null halten – trotz dieser Mehrausgaben . Dafür gleich zu Beginn ein Dankeschön (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – an die Bundesregierung, an das Bundesfinanzministeri- Axel E . Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ um, aber auch an Sie alle, liebe Kolleginnen und Kol- CSU]: Die finanziellen Vorkehrungen sind legen, weil wir als Parlament diesen Haushalt so be- getroffen!) schließen . Herzlichen Dank für diese schwarze Null zum Es gibt aber auch andere Punkte, bei denen Sie hinter- dritten Mal hintereinander! herhinken . Ich will sie kurz erwähnen; denn wir haben (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . diesbezüglich im Verfahren dezidierte Anträge gestellt, Dr .Martin Rosemann [SPD] – Bernhard die leider allesamt abgelehnt worden sind . ­Kaster [CDU/CSU]: Das Königsrecht des Par- laments!) Das Thema Altersarmut findet bei Ihnen nicht statt. Es ist aber ein Thema, das existiert, das auf uns zukommt . Selbstverständlich – die Vorredner haben darauf hin- Wir haben die Garantierente vorgeschlagen . Ich hätte gewiesen – stimmt auch das: Wegen des Flüchtlings- mich gefreut, wenn von Ihnen eine Alternative bzw . ein zustroms, den wir erleben, mussten wir an vielen Stel- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13765

Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (A) len nachjustieren, völlig klar . Das haben wir gemacht . seit der Wiedervereinigung gefallen . Das ist quasi Voll- (C) Aber – und das ist mir an dieser Stelle ganz besonders beschäftigung, und das haben wir gemeinsam erreicht . wichtig – wir haben uns keineswegs nur darauf konzen- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- triert, sondern haben und hatten, also auch schon in den ordneten der SPD) letzten Jahren, in gleicher Weise das Wohl der Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer, das Wohl der Rentnerinnen Die wirtschaftlichen Aussichten sind weiterhin gut . und Rentner, das Wohl der Arbeitslosen, der Schwachen Rentner können nach dem Rentenpaket vom vergange- in unserer Gesellschaft mit im Blick, und das seit vie- nen Jahr im kommenden Jahr zusätzlich einer noch nie len Jahren . Das ist wichtig, und das ist gut so; denn wir dagewesenen Rentenerhöhung von bis zu 5 Prozent froh- dürfen unsere Gesellschaft nicht auseinanderdividieren gemut entgegensehen . Das ist doch was, meine Damen lassen . und Herren! Das muss man doch einmal deutlich sagen . Wir haben alle Menschen in unserem Land im Blick . Und (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ich freue mich für die Rentner, dass sie dann mehr Geld ordneten der SPD) haben werden .

Meine Damen und Herren, Akzente haben wir deshalb (Beifall bei der CDU/CSU – Katja Mast [SPD]: Trotz abschlagsfreier Rente mit 45 unter anderem bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik ge- Versicherungsjahren!) setzt . Wir haben auch mehr Mittel – frisches Geld, Frau Kollegin – für berufsbezogene Sprachkurse für Flücht- Meine Damen und Herren, die Konjunktur läuft, die linge und für die berufliche Beratung bereitgestellt, eben- Exporte brummen weiter, und unsere Bevölkerung ist gut so für die berufliche Eingliederung, für das Programm versorgt . Aber ich gebe offen zu: Der unerwartet große „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“, für die bessere Her- anhaltende Flüchtlingszustrom stellt uns in der Tat vor anführung Langzeitarbeitsloser an den Arbeitsmarkt . Wir große Herausforderungen und entfaltet derzeit seine nor- haben sogar mehr Mittel für das kommende Jahr vorge- mative Kraft . Man kann sich jetzt empören, dass sich sehen für das Arbeitslosengeld II – die Ministerin hat es viele der Zugewanderten nach geltendem Recht gar nicht schon erwähnt –, für die Beteiligung des Bundes an den hier befinden dürften. Man kann beklagen, dass die Ein- Leistungen für Unterkunft und Heizung und für die Zu- richtung eines tragfähigen Asyl- und Flüchtlingsregimes schüsse zur Rentenversicherung . in den letzten Jahrzehnten versäumt worden ist . Man kann bedauern, dass die Integration der Zugewanderten Dank zusätzlicher Mittel zur Durchführung der Grund- in vielen Bereichen des täglichen Lebens noch wenig sicherung für Arbeitsuchende kann die Bundesagentur gelungen erscheint . Man kann die Schuld dafür bei der (B) für Arbeit erheblich mehr Personal einstellen und so die Bundeskanzlerin persönlich, bei der Bundesregierung, (D) Leistungsfähigkeit den geänderten Rahmenbedingungen bei Länderregierungen – jetzigen oder früheren – oder anpassen . Wir reagieren auf die aktuelle Situation, meine bei den jeweiligen Innenministern, bei den Politikern Damen und Herren . allgemein, bei den Kirchen oder bei wem auch immer suchen . Nur: All das hilft nicht weiter . Denn das enthebt Auch beim Bundesversicherungsamt, von dem neue uns nicht unserer Pflicht, die bestehenden Herausforde- Aufgaben im Rahmen der Modernisierung und Erweite- rungen aufzugreifen und das Beste aus der Situation zu rung unseres Gesundheitswesens übernommen werden machen . Das tun wir, und genau deshalb haben wir in müssen, oder im Ministerium selbst, in dem die Behin- den vergangenen Wochen den Haushalt für Arbeit und dertenbeauftragte zusätzliches Personal zur Wahrneh- Soziales im Ausschuss nachjustiert . mung ihrer Aufgaben benötigt, verbessern wir die Per- Die geplanten Mehrausgaben liegen bei 2,6 Milliar- sonalausstattung so, wie es sein muss . Das ist unsere den Euro, von denen über 1,9 Milliarden Euro flücht- Aufgabe, und der kommen wir nach, liebe Kolleginnen lingsinduziert sind . Wesentlich sind die Steigerungen und Kollegen . bei den Ausgaben für das Arbeitslosengeld II, die um 1,3 Milliarden Euro ansteigen; das wurde schon erwähnt . (Beifall bei der CDU/CSU) Damit tragen wir dem Umstand Rechnung, dass aner- kannte Asylbewerber nach Abschluss ihres Verfahrens in Meine Damen und Herren, dank unserer über Jah- der Regel nicht sofort eine Arbeit finden werden, häufig re hinweg auf Wachstum durch Innovation, auf sparsa- noch Sprachkurse oder Qualifizierungen benötigen und mes Haushalten und weniger auf Umverteilung – wie es daher Arbeitslosengeld II erhalten werden . manchmal von links oder von der Mitte hierher strömt – ausgerichteten Politik in Deutschland haben wir heute Die stark gestiegene Zahl der Flüchtlinge verursacht eine solide Basis für eine zukunftsfähige Arbeitsmarkt- außerdem erhebliche Mehrkosten bei Ländern und Kom- und Sozialpolitik . Deshalb führen wir die heutige De- munen für die Unterbringung und die soziale Grundsi- batte vor einem guten wirtschaftlichen Hintergrund . In cherung während des Asylverfahrens . Deshalb erhöhen der Wirtschaftsdebatte heute Vormittag kam es schon wir die Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung um 400 Millionen Euro . zum Tragen . Dank immer neuer Beschäftigungsrekorde von mehr als 43 Millionen Erwerbstätigen und mehr als Schließlich soll der im Bundeshaushalt bisher ver- 30 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten anschlagte Finanzrahmen für Arbeitsförderung deut- ist die Arbeitslosenzahl auf nur noch – hören Sie genau lich steigen . Einerseits erhöhen wir die Leistungen zur zu! – 2,6 Millionen und damit auf einen Rekordtiefstand Eingliederung in Arbeit um knapp 250 Millionen Euro, 13766 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (A) andererseits erhöhen wir die Mittel für die Verwaltungs- Mein Dank gilt daher neben dem Verwaltungsrat insbe- (C) kosten für die Durchführung der Grundsicherung für Ar- sondere den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die beitsuchende um 325 Millionen Euro auf jetzt sage und auch in diesem Bereich mit ihren Beiträgen solidarisch schreibe 4,4 Milliarden Euro . gesamtgesellschaftliche Aufgaben finanzieren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, wir wissen es alle: Mit dem Rentenpaket, mit der Mütterrente und der Ren- Ja, das leisten wir, und der Sinn ist, dass die Bundes- te mit 63, ist die Große Koalition im vergangenen Jahr agentur für Arbeit 2 000 zusätzliche Stellen erhält und fulminant in die neue Legislaturperiode gestartet . Beide 800 Befristungsmöglichkeiten in den gemeinsamen Ein- Rentenleistungen erfreuen sich großer Beliebtheit und richtungen finanzieren kann. Damit sowie mit 179 Mil- haben für milliardenschwere Mehrausgaben der beitrags- lionen Euro für die berufsbezogene Sprachförderung finanzierten Rentenversicherung gesorgt. Die im Bun- und 48 Millionen Euro für die berufliche Integration und deshaushalt 2016 geplanten Ausgaben für die Zuschüsse Beratung von Zuwanderern wollen wir die erfolgreiche für die Rentenversicherung und die Grundsicherung im Integration von Asylbewerbern mit Bleibeperspektive Alter und bei Erwerbsminderung liegen bei 93,3 Mil- und von anerkannten Flüchtlingen in Arbeitsmarkt und liarden Euro . Das sind circa 30 Prozent des gesamten Gesellschaft befördern; Bundeshaushalts . Wir lassen uns das also wirklich etwas (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- kosten . Die bis 2019 absehbar auf rund 106 Milliarden ordneten der SPD) Euro ansteigenden Bundeszuschüsse sind derzeit solide finanziert und erscheinen aus heutiger Sicht auch in den denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, nach vorsich- kommenden Jahren finanzierbar. tigen Schätzungen verfügt knapp ein Drittel der zu uns geflüchteten Menschen über eine möglicherweise- ver Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen: wertbare berufliche Qualifikation. Zudem können wir Der vorgelegte Bundesetat schaut in die Zukunft . Er ist die überwiegend sehr jungen Menschen vielfach noch der Zukunft zugewandt . Er zeigt, dass wir Mut und Tat- ausbilden bzw. qualifizieren und ihnen so eine attraktive kraft besitzen, dass wir die Zukunft fest im Blick haben, Arbeitsmarktperspektive verschaffen . und das zum Wohle der Menschen in unserem Land . Die haben uns gewählt, und für die arbeiten wir hier gemein- Frühzeitiger Spracherwerb und frühzeitige Aufnah- sam in einer Großen Koalition an tragfähigen Lösungen . me einer Erwerbstätigkeit sind zentrale Bausteine einer Ich verschweige nicht, dass es natürlich an der einen oder erfolgreichen gesellschaftlichen Integration . Und über anderen Stelle bei uns auch einmal ein bisschen knarzt, Integration darf man nicht nur in Sonntagsreden fabulie- aber wir finden uns zusammen, wir finden Lösungen. ren, man muss sie auch durchführen, und so gehen wir (B) sie als Bundesregierung, als Koalition jetzt an . Das heißt Deshalb von meiner Seite ein Dank an das Ministe- (D) aber auch, dass wir von den Zugewanderten diese Inte­ rium, an die Kolleginnen und Kollegen in den Arbeits- gration konsequent einfordern müssen . Sie muss von der gruppen „Arbeit und Soziales“ der Koalitionsfraktionen, öffentlichen Hand konsequent unterstützt werden, damit an die Mitberichterstatter und für die ausgezeichnete Zu- Zuwanderung gerade auch vor dem Hintergrund unserer sammenarbeit auch an die beiden Kolleginnen aus der demografischen Entwicklung – wir wissen da alle Be- Opposition . Es hat Spaß gemacht, gemeinsam zu arbei- scheid; das brauche ich gar nicht zu vertiefen – dauerhaft ten . Ekin, ich sage es dir ganz persönlich: Du hast mit von der Bevölkerung akzeptiert wird . Ich möchte den den Terminen immer viel Arbeit . Du machst das super . BDI-Präsidenten Kerber zitieren, der letzte Woche gefor- Das vertrauensvolle Verhältnis, das wir haben, sorgt da- dert hat – ich zitiere –: für, dass man ab und zu auch einmal einen Wunsch der Opposition erfüllen kann; aber das muss ein vernünftiger Wir brauchen massive und anhaltende Integrations- Wunsch sein, es geht nicht alles . bemühungen . Wir müssen in eine Integrationsinfra- struktur investieren . Dann könnte es in fünf bis zehn Ich denke, wir können alle frohgemut diesem Bundes- Jahren klappen . Dafür muss die Regierung einen haushalt zustimmen . Plan entwickeln . Herzlichen Dank . Ich muss sagen: Wo er recht hat, hat er recht . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesamt für Als nächster Redner hat Ewald Schurer von der Migration und Flüchtlinge arbeiten schon seit Spätsom- SPD-Fraktion das Wort . mer unter Leitung von Herrn Weise im Rahmen des Arbeitsstabes Integriertes Flüchtlingsmanagement eng (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten zusammen . Ich begrüße vor diesem Hintergrund aus- der CDU/CSU) drücklich die Bereitschaft der Bundesagentur, 121 Milli- onen Euro aus eigenen Mitteln, aus Mitteln der Bundes- Ewald Schurer (SPD): agentur, für Sprachkurse zur Verfügung zu stellen . Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 11 NEN]: Die Jobcenter haben noch keinen ein- ist gerade von meinem Kollegen Fischer in seinen Be- zigen Cent bis heute!) standteilen und seiner Wirkungsmächtigkeit hinreichend Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13767

Ewald Schurer (A) beschrieben worden . Wenn wir uns vergegenwärtigen, Es gibt dazu noch nicht sehr viel dezidiertes wissen- (C) dass wir am Freitag einen Bundeshaushalt mit einer Grö- schaftliches Material oder Evaluierungen; aber es gibt ßenordnung von 317 Milliarden Euro verabschieden und schon Fakten, die zeigen, dass es uns gelingen kann, mit der Einzelplan 11 ein Volumen von knapp 130 Milliarden einem gezielten Aufwand in den nächsten zwei – das ist Euro hat, also mehr als 40 Prozent umfasst, dann erken- das Minimum, weil man so lange braucht, um die nöti- nen wir die gesellschaftliche und ökonomische Bedeu- gen Sprachkenntnisse zu erwerben – bis acht Jahren die tung dieses Haushalts . Hälfte aller Menschen, die zu uns kommen, in Erwerbs- arbeit zu bringen, durch die sie in der Lage sind, ihren Gegenwärtig findet ja eine aufgeregte Debatte statt. Lebensunterhalt – weit über der Armutsgrenze – selbst zu Klar ist, dass in der gegenwärtigen Situation Migration, tragen und, wenn sie in dieser Gesellschaft eine Bleibe- Asyl und Integration in die Gesellschaft die bestimmen- option haben, eine Wohnung zu haben, also über Arbeit den Themen sind . Es gibt keinen einzigen Einzelplan, bei in der Gesellschaft integriert zu sein . Das wäre auch mein dem diese Themen nicht zu Recht in den Mittelpunkt ge- persönliches Ziel: dass wir es schaffen, mindestens die rückt werden . Das muss auch so sein . Hälfte der Menschen, die bisher gekommen sind, in den nächsten Jahren aktiv in den Arbeitsmarkt zu integrieren . Ich sage Ihnen: Die für den Bereich Arbeit und So- ziales für Arbeitsförderung vorgesehenen 34,5 Milliar- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) den Euro bedeuten, dass dieser Haushalt – das ist meine These; das ist meine Interpretation dieses Einzelplans im Damit relativieren sich auch die Ängste, die zum Teil Rahmen der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaus- politisch bewusst mit der Aussage geschürt werden: Wir halts – der größte Investitionshaushalt ist, den der Bun- schaffen das nicht .– Wenn wir diese Fördermaßnahmen deshaushalt aufzuweisen hat; und zwar geht es dabei um am Arbeitsmarkt gezielt umsetzen, in Koordination mit Investitionen in Menschen . Für Investitionen draußen im der BA, mit den Jobcentern, haben wir alle Chancen die- Land haben wir nominell gute 10 Prozent der Haushalts- ser Welt, die Integration dieser Menschen nachhaltig zu mittel vorgesehen; aber wir sollten das dazurechnen, was erreichen . wir über Arbeitsförderung in die Menschen investieren . (Beifall bei der SPD) Ich sage Ihnen: Diese Mittel, diese Investitionen in die Menschen werden sich rentieren; denn diese aktiv in die Das wird keine leichte Aufgabe werden . Die BA hat Integration der Menschen in den Arbeitsmarkt investier- im Jahre 2011 in einem Report mit dem Titel „Perspek- ten Mittel – wir haben natürlich auch passive Mittel; ich tive 2025“ geschrieben: Was wir brauchen, ist eine all- nenne das Stichwort „Versorgung“ – werden sich in den gemeingesellschaftliche Qualifizierungsoffensive. – Wir nächsten Jahren positiv auswirken . wissen doch alle, dass sich der Arbeitsmarkt in allen (B) wichtigen Branchen verändern wird – nicht nur aufgrund (D) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten von Industrie 4 0,. nicht nur aufgrund der heutzutage hö- der CDU/CSU) heren Ansprüche in fast allen Berufsbildern der Dienst- leistungswelt, des Gewerbes und der Industrie, sondern Mit dem Haushalt für Arbeit und Soziales haben wir auch durch manifeste gesellschaftliche Veränderungen . die große Chance, eine Diskussion, die draußen zum Teil In diese Veränderungen können vor allen Dingen die jun- mit Angst, Polemik, auch mit politischen Absichten so gen Menschen, die zu uns kommen, hineinwachsen . oder so geführt wird, zu versachlichen . Bei vielen lau- fenden Programmen geht es um Integration; das ist das, Es wird ja immer von einem – auch das ist ein sehr was wir jetzt investieren . Das geschieht natürlich, lieber technischer Begriff, den ich nicht mag, weil er so techno- Kollege Fischer, in Koordination und Kooperation mit kratisch klingt – Geburtenunterschuss in unserer Gesell- der Bundesagentur für Arbeit . Sie erhält zusammen mit schaft gesprochen . Dazu gibt es evidente wissenschaftli- den Jobcentern einige Tausend neuer Stellen . Das ist not- che Studien . Wir sind in diesem Land in der Lage, jedes wendig, damit sie die Mehrarbeit erledigen kann . Jahr 300 000 bis 400 000 Menschen über den Prozess Bildung und Arbeit in die Gesellschaft zu integrieren . Der technische Begriff lautet: flüchtlingsinduziert. Ich Das würde einen enormen gesellschaftlichen Mehrwert möchte dieses Wort „flüchtlingsinduziert“ einmal mit bedeuten, auch für die Leistungsfähigkeit und die Wert- Leben erfüllen: Durch Flucht und Vertreibung kommen schöpfung dieser Gesellschaft, meine lieben Kolleginnen Menschen mit Bedürfnissen zu uns, aber auch Menschen und Kollegen . mit besonderen Persönlichkeitsprofilen, mit Talenten, mit Fähigkeiten . Nicht ohne Grund hat die Frau Minis- (Beifall bei der SPD) terin gesagt, dass über die Hälfte dieser Menschen un- ter 25 Jahre alt ist; laut Statistik sind zwei Drittel unter Die Ministerin hat gesagt, dass bei der Aufnahme und 30 Jahre alt . Das heißt, da gibt es ein riesiges Potenzial Registrierung die Profile und Biografien der Menschen für den Arbeitsmarkt . schnell testiert werden müssen, damit bereits in einer frü- hen Phase die Talente der Menschen erkannt werden kön- Es gibt einen Dreiklang: Das Erste ist – das ist schon nen; das soll proaktiv und in einem vernünftigen zeitli- gesagt worden – die Sprache . Über Bildung und Sprache chen Rahmen geschehen . Wenn wir das schaffen, werden können die Menschen einen Zugang zu unserer Kultur, die Gelder, die wir heute für Arbeitsfördermaßnahmen in auch zu unserer Arbeitskultur, bekommen . Das Zweite ist den Haushalt einstellen, morgen sowohl individuell für die Ausbildung, das Dritte die Aufnahme der Erwerbs- die Menschen, die sich dadurch selbst tragen können, als arbeit . Das sind enorme Schritte, die wir gehen müssen . auch für die ganze Gesellschaft ein großer Gewinn sein . 13768 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Ewald Schurer (A) Insofern sage ich: Wer ins Gelingen verliebt ist, der Das würden wir aber nie machen . (C) muss auf diese Menschen mit ihren Ansprüchen, Hoff- nungen und Fähigkeiten setzen . Das ist die positivste Wo ist das Problem? Das Problem ist, dass es uns – da- Form der Integration in die Gesellschaft, verbunden mit mit meine ich jetzt nicht nur die CSU – offensichtlich nur einem ökonomischen Erfolg . Darauf möchte ich setzen . unzureichend gelingt, diesen Zustrom von Menschen als Chance zu begreifen. Welche Begrifflichkeiten geistern Herzlichen Dank . durch die Welt? Der eine spricht von Flüchtlingswellen, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) der andere von Flüchtlingslawinen, der eine sieht eine Bedrohung, und der andere eine Situation, die nicht mehr bewältigbar ist . So diskutieren wir über dieses Problem . Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner spricht Klaus Ernst von der Frak- (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- tion Die Linke . NEN]: Wir nicht!) (Beifall bei der LINKEN) Wir verkennen dabei vollkommen, was eben gesagt wurde: dass 50 Prozent der Menschen, die zu uns kom- men, unter 25 sind – 50 Prozent! – und dass ein großer Klaus Ernst (DIE LINKE): Teil von ihnen, 70 Prozent, unter 30 ist . Mein Gott, welch Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und eine Chance, wenn es uns gelingt, diese Menschen in den Herren! Zugegebenermaßen machen Sie uns die Opposi- Arbeitsmarkt zu integrieren! tionsarbeit zurzeit nicht leicht . (Beifall bei der LINKEN) (Bernd Rützel [SPD]: Aha!) Jetzt hätte ich eigentlich erwartet, dass Sie sagen: weil Welch eine Chance, wenn es uns gelingt, sie so zu quali- wir so gute Politik machen . fizieren, dass sie arbeiten können, Werte erwirtschaften, Steuern zahlen und dann das tun, was Sie alle immer so (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: sehr bejubeln: dazu beitragen, das Wachstum zu fördern . Richtig! – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/ Warum gelingt es uns eigentlich nicht, eine solche Be- CSU]: Das muss man ja nicht extra sagen! Das trachtung der Realität anzustellen, wie ich es eben getan ist doch klar!) habe? Warum müssen wir von Wellen oder Lawinen re- – Ja, Herr Weiß, hereingefallen! den, und warum wird gefordert, die Grenzen dichtzuma- chen? Weiß Gott, ich halte es für ein Drama, wie wir die- (Heiterkeit bei der LINKEN – Peter Weiß se Debatte in der Bundesrepublik führen . Ich wiederhole [Emmendingen] [CDU/CSU]: Die Opposition es: Ich halte das für ein Drama . (B) ist aber auch äußerst schwach, Herr Ernst!) (D) (Beifall bei der LINKEN) Ich kann Ihnen sagen, an was das liegt . Meine Damen und Herren, nun zu Ihrem Haushalt . (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Dafür muss man natürlich etwas tun . Ja, Sie haben die Daran, dass die Opposition so schwach ist!) Mittel aufgestockt . Aber, Frau Nahles, ich bitte Sie: Sie Es liegt daran, dass Sie die Oppositionsrolle offensicht- wissen doch selber, dass das, was geplant ist, hinten und lich gleich mit übernehmen wollen . vorne nicht ausreicht, um die Probleme wirklich zu be- wältigen . Oder war es nicht so – habe ich das falsch ver- (Zuruf von der CDU/CSU: Sie machen es standen? –, dass Sie vom Finanzminister eigentlich mehr nun mal so schlecht!) Geld haben wollten, um diese Aufgaben zu bewältigen? Bleiben wir doch einmal beim Thema Flüchtlinge, Es ist notwendig, jetzt mehr Geld in die Qualifizierung und werfen wir einen kurzen Blick nach Bayern . Ich zu stecken, und wir brauchen mehr Geld für Sprachkurse, kann nur sagen: Wir als Opposition sind gegenüber der um zu gewährleisten, dass all das, was ich eben ange- Bundeskanzlerin nicht nur höflich, sondern geradezu zu- sprochen habe, erreicht wird . Sie stellen aber nicht mehr rückhaltend, wenn ich mir vor Augen halte, was für eine Geld zur Verfügung . Sie machen etwas ganz anderes . Der Politik in Bayern gegen Flüchtlinge gemacht wird . Finanzminister will den Flüchtlingen von dem Geld, das sie bekommen, 36 Euro im Monat für Sprachkurse abzie- (Beifall bei der LINKEN – Sabine Weiss [We- hen . Ja, was ist denn das für eine Politik? sel I] [CDU/CSU]: Na ja! Sie sind selten zu- rückhaltend! – Weitere Zurufe von der CDU/ (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- CSU) NIS 90/DIE GRÜNEN – [CDU/ CSU]: Was nichts kostet, ist auch nichts wert!) – Ja, da können Sie sich aufregen; aber das ist doch die Wahrheit .– Die Bundeskanzlerin so abzubürsten, wie Da versteht man die Welt nicht mehr . Man weiß auch Herr Seehofer es auf dem Parteitag gemacht hat, das nicht mehr, ob die Vorschläge, die hier gemacht werden, würden wir nie machen – wenn wir sie einladen würden . wirklich ernst gemeint sind . (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Meine Damen und Herren, das Nächste – Sie haben es Dr . Martin Rosemann [SPD]: Das müssten Sie angesprochen, Frau Nahles; heute Vormittag ist übrigens mal ausprobieren! – Zuruf von der CDU/CSU: auch Herr Gabriel zu Recht darauf eingegangen –: Wir Sie laden sie ja auch nicht ein! – Katja Mast müssen aufpassen, dass jetzt nicht der eine gegen den an- [SPD]: Ja, „wenn“!) deren ausgespielt wird . Um das zu verhindern, braucht Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13769

Klaus Ernst (A) man natürlich erstens Geld . Zweitens braucht man aber meine Bitte: Bessern Sie nach, insbesondere bei der Fi- (C) auch Regelungen, die dann für alle gelten . nanzkontrolle Schwarzarbeit . Herr Spahn ist jetzt nicht mehr da . Sein Vorschlag (Beifall bei der LINKEN) lautete, jetzt über den Mindestlohn nachzudenken und die Mindestlohngrenze bei Flüchtlingen vielleicht nicht so ernst zu nehmen, sie vielleicht sogar ein Stück weit Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: zu senken . Meine Damen und Herren, was machen Sie Als nächste Rednerin spricht Sabine Weiss von der denn da? Ist Ihnen eigentlich klar, welchen Unfug Sie da CDU/CSU-Fraktion . verbreiten und welchen sozialen Sprengstoff Sie damit (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- erzeugen? ordneten der SPD) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): Im Ergebnis würde das nämlich bedeuten, dass dann Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und wieder Leute für 5 Euro oder 6 Euro pro Stunde arbeiten Kollegen! Meine Damen und Herren! Eigentlich ist es und dass derjenige, der den Mindestlohn bekommt, sei- wie immer in der letzten Sitzungswoche im November: nen Job verliert und direkt gegen einen Flüchtling ausge- Wir debattieren und beschließen den Bundeshaushalt für spielt wird . Da kommt Freude auf! Ich bin Ihnen dank- das bevorstehende Kalenderjahr mit den Einzelhaushal- bar, dass Sie eine klare Position haben . Aber ich würde ten für die Ressorts . Eigentlich ist es wie immer: Das Sie bitten, mit dem Herrn Spahn einmal ernsthaft zu re- Bundesministerium für Arbeit und Soziales weist mit den . Der braucht vielleicht eine Streicheleinheit oder so, knapp 130 Milliarden Euro den größten Einzelhaushalt damit er wieder zur Vernunft kommt . auf . Und eigentlich ist auch das wie immer: Der Oppo- (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie sition sind die vorgesehenen Leistungen zu niedrig . Sie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE wähnt wieder einmal unseren Sozialstaat am Ende . GRÜNEN) Ich möchte an dieser Stelle – ich glaube, im Namen Frau Nahles, noch etwas – da haben wir dann das vieler Kolleginnen und Kollegen – ganz deutlich sagen: nächste Problem –: Wenn wir einen Mindestlohn auf dem Ich bin stolz auf unser Land . Ich bin unendlich dankbar, Papier haben, nützt er uns überhaupt nichts . Die Einhal- dass ich in diesem Land leben darf, und ich bin stolz auf tung des Mindestlohns muss auch kontrolliert werden . das, was die hier lebenden Menschen trotz aller Schwie- rigkeiten auf die Beine stellen . (Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau (B) (D) richtig!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Wenn zusätzlich eine Reihe von Menschen in unser Land kommt, die aufgrund ihrer besonders miesen Situation Eigentlich ist alles anders als sonst . Weil es so wichtig bereit sind, unterhalb dieser Lohngrenze zu arbeiten, und ist, möchte ich natürlich darauf eingehen . Die aktuelle die froh sind, überhaupt irgendeinen Job zu haben, dann Flüchtlingszuwanderung stellt uns vor die größte arbeits- ist es umso notwendiger, dass die Einhaltung des Min- markt- und sozialpolitische Herausforderung unserer destlohns kontrolliert wird . neueren Geschichte . Wir haben überhaupt kein Verständnis, Frau ­Nahles, Im Bundeshaushalt wird für dieses Jahr von einer Zu- dass ein Teil des Personals bei der Finanzkontrolle wanderung von rund 800 000 Menschen ausgegangen . Schwarzarbeit für die Registrierung von Flüchtlingen Die meisten – Herr Ernst hat es erwähnt – sind jünger umstrukturiert werden soll . Ja, die Flüchtlinge müssen als 30 Jahre, etwa 70 Prozent . Viele Zuwanderer werden registriert werden . Aber dann muss man eben Geld in die nächsten Jahre bei uns bleiben . Um diese Menschen die Hand nehmen und für die Registrierung andere Leute möglichst schnell zu integrieren, hat der Haushaltsaus- einstellen . Wir müssen doch bitte schön die Einhaltung schuss des Bundestages deshalb die Haushaltsmittel für der Bedingungen in unserem Land dahin gehend kontrol- das BMAS im Vergleich zur ursprünglichen Planung vom lieren, dass die Flüchtlinge nicht für Billiglöhne arbeiten September um rund 2,6 Milliarden Euro aufgestockt . Die und von Arbeitgebern ausgenutzt werden, die sich an ih- Haushälter haben es bereits erwähnt: Deutliche Aufsto- nen schadlos halten . Das darf nicht passieren . Deshalb ckungen gibt es zum Beispiel für die berufsbezogene müssen wir in dieser Frage wirklich eingreifen . Sprachförderung, für die Eingliederung in Arbeit und bei (Beifall bei der LINKEN) der Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchen- de . Die Leistungen für Unterkunft und Heizung werden Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss . um 400 Millionen Euro aufgestockt . Natürlich brauchen wir Investitionen in ausreichendem Maße; meines Erachtens gibt das der Haushalt nicht Richtig ist – auch das wurde erwähnt –: Wir wissen her. Wir brauchen aber auch flankierende Maßnahmen, nicht, wie viele Flüchtlinge im Jahr 2015 insgesamt tat- die dazu führen, dass genau im Bereich der praktischen sächlich kommen und wie viele von ihnen hierbleiben Arbeit die Menschen vor Ausbeutung geschützt werden, werden . Daher wird nachgesteuert werden, wenn die die ihnen droht, wenn die Einhaltung der gesetzlichen Bundesregierung im Februar 2016 über genauere Zahlen Bedingungen nicht kontrolliert wird, weil die Kontrolle verfügt und über den Stand von Integration und Sprach- nicht funktioniert und unzureichend geregelt ist . Deshalb förderung berichtet . 13770 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Sabine Weiss (Wesel I) (A) Unser gemeinsames Ziel in der Koalition aber ist es, eingerichtet. Hier befinden sich Mitarbeiter aller für die (C) die Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive möglichst Erstaufnahme notwendigen Behörden neben der BA qua- schnell in Arbeit zu bringen; denn Ausbildung und Ar- si unter einem Dach – nicht räumlich, aber inhaltlich . beit sind die Voraussetzung für Integration in die Gesell- Das erleichtert die Erstaufnahme ganz erheblich; denn schaft, in unsere Gesellschaft . alles geht sozusagen Hand in Hand . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Ich habe den in meinem Wahlkreis jetzt eingerichte- ordneten der SPD) ten Integration Point besucht und mit den Mitarbeitern gesprochen, und ich muss sagen, dass ich von dem En- Dazu müssen natürlich mitgebrachte Bildungs- und Be- gagement, Optimismus und, man kann manchmal sogar rufsabschlüsse geprüft werden . Ich denke, an dieser Stel- sagen, Pioniergeist angetan bin, den ich bei den Mitarbei- le ist angesichts der unterschiedlichen Handhabung und tern der BA beim Aufbau dieser Stelle antreffen konnte . Vorschriften in den einzelnen Bundesländern sicherlich noch mehr Flexibilität erforderlich . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Am allerwichtigsten aber – das sehen auch wir so – ist In meinem Wahlkreis zum Beispiel haben Rotarier, der Spracherwerb . Bei den Sprachkursen haben BMAS Stadt und Handwerkerschaft das Programm „Integrati- und BMI ebenfalls den akuten Handlungsbedarf erkannt on durch Arbeit, Ausbildung und Sprache“ entwickelt . und ein integriertes Konzept zur Sprachförderung bis B1 Täglich findet vormittags eine Sprachausbildung statt. entwickelt . Das kann vielleicht die bisher nur berufsbe- Nachmittags lernen die Zuwanderer in einer Werkstatt zogenen Sprachkurse ablösen . Dies ist, denke ich, ein oder beteiligen sich an der Instandhaltung von Rad- absolut guter Anfang . und Wanderwegen . Diese Kombination von täglicher (Beifall bei der CDU/CSU) Sprachausbildung und Sprachpraxis ist so erfolgreich, dass die ersten Kursteilnehmer schon ein Angebot für ein Diese Basisausbildung wird aber in der Regel natür- Vorpraktikum für einen Ausbildungsplatz haben . Heute lich nicht reichen, um bei der Facharbeiterausbildung Morgen konnte ich zu meiner Freude in der Lokalpresse die vielen DIN-Normen und sonstigen Vorschriften in lesen, dass ein in meinem Wahlkreis ansässiger Chemie- Deutschland problemlos verstehen und umsetzen zu konzern 250 000 Euro zur Verfügung stellt . Damit soll können . Daher ist von den künftigen Arbeitgebern, Aus- ein speziell für Flüchtlinge entwickelter Deutschkurs fi- bildern und Mitarbeitern ganz viel Einsatz erforderlich . nanziert werden . Die Signale sind ausgesprochen positiv . Ich möchte mich schon jetzt bei den Genannten für ihr Engagement, für Überall – landauf, landab – erleben wir, dass Sprach- ihr Verständnis und auch für ihre Geduld bei der betrieb- und Willkommensklassen für Erwachsene eingerich- (B) lichen Eingliederung im Rahmen von Aus- und Wei- tet werden . In einer weiteren Flüchtlingseinrichtung in (D) terbildung von Flüchtlingen bedanken . Gleicher Dank meinem Wahlkreis gibt es das echt gute Beispiel eines gilt selbstverständlich den Tausenden von Menschen, jungen Syrers, der in Deutschland mittlerweile Rechts- die schon wochen- und monatelang ehrenamtlich und wissenschaften studiert und sich als Dolmetscher zur hauptamtlich in Einrichtungen für Flüchtlinge arbeiten, Verfügung stellt . Essen und Trinken austeilen, sich als Dolmetscher bzw . (Dr .Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nennen Übersetzer oder für die Beschäftigung mit Kindern zur Sie doch mal Ihren Wahlkreis! Haben Sie noch Verfügung stellen . nicht gesagt!) (Beifall bei der CDU/CSU) – Wesel . Diese Menschen – viele von uns erleben sie in den Die Kleinstadt Altena im Märkischen Kreis – sie be- Flüchtlingsunterkünften – arbeiten oft nach der Devise: findet sich im Wahlkreis der Kollegin Voßbeck-Kayser – Wer selbst nicht für etwas brennt, entfacht auch kein Feu- nimmt mehr Flüchtlinge auf, als sie muss, und hofft so- er bei anderen . – Sie alle zeigen ein freundliches Gesicht . gar, dass sie dauerhaft bleiben werden . Dort haben DRK, Sie alle sind Deutschland . Ich möchte an uns alle appel- THW, Freiwillige Feuerwehr, Katholische und Evangeli- lieren: Lassen Sie uns bitte dieses freundliche Gesicht sche Kirche wie auch islamische Vereine gemeinsam mit auch in der Zukunft bewahren . der Politik die Hilfe organisiert . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Der Bürgermeister von Altena hat zu dem Thema ge- Weil in den Medien und auch heute hier im Plenum sagt – ich zitiere aus einem Pressebericht –: immer wieder so viel Negatives erwähnt wird, möchte Wir haben keine Krise erlebt . Darum sind wir es den ich den Blick auf einige von unzähligen positiven Akti- Flüchtlingen schuldig, ihnen zu helfen . Wenn wir onen richten, die wirklich Mut machen und auch erwäh- noch mehr von ihnen aufnehmen müssten, würden nenswert sind . Sie gehen aber leider angesichts der oft wir es tun – auch wieder freiwillig . negativen Schlagzeilen immer wieder unter . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Zum Beispiel will die Bayerische Staatsregierung mit SPD und der LINKEN) einem umfassenden Maßnahmenpaket bis Ende 2016 20 000 und bis 2019 60 000 Flüchtlingen einen Prakti- So gibt es unzählige positive Beispiele dafür, wie mit kums-, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz anbieten . In mei- Flexibilität und unkonventionellem Handeln Lösungen nem Bundesland Nordrhein-Westfalen wurden von der gefunden werden, die wir uns vor einiger Zeit vielleicht Bundesagentur für Arbeit sogenannte Integration Points noch gar nicht haben vorstellen können . Liebe Kollegin- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13771

Sabine Weiss (Wesel I) (A) nen und Kollegen, mit Optimismus, Tatkraft und Ideen- erleichtert und die Liste der Mangelberufe ohne Vorrang- (C) reichtum können die vor uns liegenden Herausforderun- prüfung erheblich erweitert . Aber grundsätzlich muss es gen gestemmt werden, aber nicht mit Klagen, Zetern und bei der Vorrangprüfung bleiben . ausschließlichen Negativmeldungen . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Es ist richtig, dass die Zuwanderung von Flüchtlingen nach Deutschland sicherlich nicht den Fachkräftemangel Um Menschen mit Schwierigkeiten den Zugang zum und unser demografisches Problem mit einem Schlag Arbeitsmarkt zu erleichtern, gibt es zahlreiche Förderin- lösen wird . Die Zuwanderung wird zweifellos zur Ver- strumente, die wir nach wie vor gleichermaßen für ein- besserung der demografischen Situation in Deutschland heimische erwerbsfähige Arbeitslose wie für Flüchtlinge beitragen; sie wird aber den Fachkräftemangel nicht nach dem dritten Aufenthaltsmonat anwenden . Wir ha- vollständig beseitigen . Das wissen wir . Daher müssen ben nicht nur den politischen Willen, sondern auch viele wir uns auch weiterhin gezielt um Fachkräfte aus Europa notwendige Instrumente, um den Menschen, die es beim oder aus Drittländern bemühen . Zugang zum Arbeitsmarkt schwerer haben als andere, gleichermaßen zu helfen . (Beifall des Abg . Dr . Martin Rosemann [SPD]) Lassen Sie uns also bitte trotz aller politisch unter- schiedlichen Schwerpunktsetzungen in diesem Hause Dafür haben wir zahlreiche Möglichkeiten . Für Hoch- nicht das gemeinsame Ziel – ich hoffe, aller Demokra- qualifizierte aus Drittstaaten gibt es zum Beispiel die ten – aus den Augen verlieren . Die Migranten mit Bleibe- Bluecard . Fachkräfte mit Berufsausbildung können in perspektive sollen schnellstmöglich einen Platz in unse- mittlerweile 70 Engpassberufen bzw . im Rahmen von rer Gesellschaft finden. Es muss sicherlich immer wieder Vermittlungsabsprachen arbeiten . Mit dem Programm hart um die Erreichung dieses Ziels gerungen werden . „Triple Win“ werden ausländische Fachkräfte für deut- Aber lassen wir bitte bei allem Streit, den wir angesichts sche Engpassberufe gewonnen . Zur Arbeitsplatzsuche der Herausforderungen untereinander austragen müssen, gibt es für Fachkräfte aus Drittstaaten und Absolventen keinen Raum für rechtspopulistisches Gedankengut . deutscher Hochschulen einen eigenen Aufenthaltstitel . (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der Ob legale Arbeitsmigration durch Fachkräfte oder In- LINKEN) tegration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt: Beides muss natürlich geordnet erfolgen . Richtig ist – das ist Wir nehmen unsere Verantwortung wahr für Europa, auch Auffassung unserer Fraktion –: Wir werden nicht für die Menschen unseres Landes und für die Menschen, den Rufen folgen, den im letzten Jahr vereinbarten Min- die zu uns vor Krieg und Krisen fliehen. destlohn zu senken . (B) Herzlichen Dank . (D) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Mit Blick auf geforderte Ausnahmen sage ich: Zu- Als nächste Rednerin spricht Brigitte Pothmer von der nächst einmal ist es Sache der Akteure auf dem Ar- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen . beitsmarkt, sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen, Praktika und sonstige Jobs anzubieten . Daher freue ich mich über die Aussage von Arbeitgeberpräsident ­Kramer, Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): der am Dienstag auf dem Arbeitgebertag sagte – ich zitie- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! re –: „Bei der Bezahlung darf die Herkunft der Menschen Die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit wird keine Rolle spielen .“ auch weiterhin Priorität haben und Handlungs- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie schwerpunkt bleiben, auch wenn neue Aufgaben bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE hinzukommen . GRÜNEN) Das hat die Ministerin bei der Einbringung dieses Haus- Wir sind auch für alle Initiativen und Projekte von Ar- haltes gesagt . beitgebern, Sozialpartnern, Aktionsbündnissen und Pri- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten vatleuten dankbar, die Flüchtlingen ohne ausreichende der CDU/CSU) Sprachkenntnisse den Zugang zum Arbeitsmarkt erleich- tern . Was wir nicht wollen, sind Verdrängungseffekte Nichts für ungut, Frau Nahles, aber angesichts Ihrer Bi- zulasten anderer Personengruppen . Ich denke dabei ins- lanz bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit besondere an unsere Langzeitarbeitslosen und Menschen klingt das wirklich wie eine Drohung . Die Hälfte Ihrer mit Handicap . Für Flüchtlinge soll es keine Besserstel- Amtszeit ist um, und nichts, aber auch gar nichts ist ge- lung, aber auch keine Schlechterstellung beim Zugang schafft . zum Arbeitsmarkt geben . (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Warum SES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der klatscht da keiner von der Union?) CDU/CSU und der SPD) – Weil es selbstverständlich ist . – Deshalb haben wir den Im Gegenteil: Das IAB hat Ihnen erst neulich attestiert, Zugang zu zugangsbeschränkten Berufen bereits deutlich dass der Anteil der Langzeitarbeitslosen mit schlechten 13772 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Brigitte Pothmer (A) Chancen auf dem Arbeitsmarkt während Ihrer Amtszeit schön . Mit der Vorrangprüfung lösen Sie das Problem (C) noch einmal zugenommen hat . nun wirklich nicht . (Dr .Martin Rosemann [SPD]: Ist ja logisch, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wenn die Arbeitslosigkeit insgesamt zurück- und bei der LINKEN) geht!) Damit, liebe Frau Weiss, blockieren Sie jetzt zusätz- Das ist auch kein Wunder; denn Sie haben das Pro- lich noch den Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge . Sie grammhopping, das schon bei Ihren Vorgängerinnen und hängen damit zwei Gruppen ab, die Langzeitarbeitslosen Vorgängern gescheitert ist, schlicht und ergreifend fort- und die Flüchtlinge . gesetzt . Liebe Frau Nahles, wirklich waghalsig ist Ihre An- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nahme, dass zukünftig 35 Prozent der Flüchtlinge be- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) reits innerhalb eines Jahres den Hartz-IV-Bezug wieder verlassen . Sie selber haben hier vor zu optimistischen 10 000 Plätze für das Teilhabeprogramm, 33 000 Plätze Prognosen gewarnt . Sie haben gesagt: Nicht einmal jeder mit Lohnkostenzuschuss! Von diesen 33 000 haben nach Zehnte kann unmittelbar in Arbeit und Ausbildung ver- einem Jahr sage und schreibe 1 139 Langzeitarbeitslose mittelt werden .– Das IAB geht von 8 Prozent innerhalb einen Job bekommen . Das ist Ihre Bilanz angesichts der eines Jahres aus . Ich frage Sie jetzt: Auf welchem Weg Tatsache, dass es noch immer über 1 Million Langzeitar- sollen die anderen 25 Prozent den Hartz-IV-Bezug ver- beitslose gibt . Frau Nahles, das ist ein Bild des Jammers . lassen? Durch reich Heiraten? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Zuruf von der CDU/CSU: Warum nicht?) sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Durch einen Lottogewinn? Ich kann Ihnen sagen: Das Nun lese ich in einem neuen Papier, das Sie ge- habe ich auch schon versucht . Das ist nicht so einfach . meinsam mit der BA herausgegeben haben, wo Sie die zentralen Handlungsfelder bei der Bekämpfung der (Heiterkeit und Beifall – Markus Kurth Langzeitarbeitslosigkeit sehen . Sie wollen jetzt eine stär- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und dann kenorientierte Beratung einführen . Bravo! Was haben Sie bist du Bundestagsabgeordnete geworden!) eigentlich bislang gemacht? Haben Sie die Schwächen Das, was Sie Ihrem Haushalt zugrunde legen, ist ein der Langzeitarbeitslosen herausgearbeitet? Was stellen Wolkenkuckucksheim . Sie haben beim Finanzminister Sie sich selber für ein Zeugnis aus? schlicht und ergreifend nicht genug Geld lockermachen können, und jetzt rechnen Sie sich die Welt schön . Das Dann sollen die Förderinstrumente zukünftig motivie- (B) Geld, das heute hier eingespart wird, wird uns später teu- (D) rend sein . Was waren die denn bislang? Demotivierend? er zu stehen kommen . Können wir nicht endlich einmal Was haben Sie eigentlich im Bereich der Langzeitarbeits- aus den Fehlern der Vergangenheit lernen? losigkeit gemacht? Ich bin wirklich für eine gute und professionelle Beratung . Aber so zu tun, als könnten wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit mit neuen Bera- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) tungskonzepten verringern, ist angesichts der Größe des Seien Sie einmal mutig! Stimmen Sie unseren in jeder Problems unangemessen . Die Probleme sind eine falsche Hinsicht gegenfinanzierten Anträgen zu. Politik und eine völlig unzureichende Finanzierung . Ich danke Ihnen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir brauchen dringend einen sozialen Arbeitsmarkt . Ich sage Ihnen noch einmal: Der Vermittlungsvorrang muss weg. Wir müssen endlich in die Qualifikation der Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Langzeitarbeitslosen investieren, wenn wir sie dauerhaft Ich hoffe immer noch, dass man jemanden heiratet, integrieren wollen . weil man ihn oder sie liebt, nicht unter Versorgungsas- pekten . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) (Heiterkeit) Wir brauchen mehr Geld und mehr Personal . Wenn Sie Als nächste Rednerin hat Katja Mast von der die Beratung wirklich verbessern wollen, dann geht das SPD-Fraktion das Wort . nicht ohne mehr Geld und mehr Personal . (Beifall bei der SPD sowie des Abg . Karl Frau Nahles, Sie haben heute – genauso wie an ande- Schiewerling [CDU/CSU]) rer Stelle – vollkommen zu Recht gesagt: Wir müssen Neiddebatten verhindern . Einheimische Arbeitslose dür- Katja Mast (SPD): fen nicht gegen Flüchtlinge ausgespielt werden . – Richtig Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen so . Nur, dann müssten Sie endlich auch wirklich einmal und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! für die etwas tun, die bereits abgehängt sind . Die Ressen- Da auch Kassandra nie Antworten auf ihre immer wie- timents sind doch längst da . Gehen Sie doch einmal auf derkehrenden Rufe bekommen hat, bekommt auch Frau die Flure der Jobcenter . Was Sie da hören, ist gar nicht Pothmer sie jetzt nicht . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13773

Katja Mast (A) Es ist richtig, dass wir in Deutschland mit viel Leiden- Es ist ja auch in Ordnung, dass wir das wollen . Die Leute (C) schaft darüber diskutieren, wie wir Flüchtlinge integrie- sollen auch wissen, dass Sie das nicht wollen. Das finde ren können . Allerdings dürfen wir aus meiner Sicht bei ich völlig in Ordnung . Aber ich appelliere schon an mei- aller Leidenschaft nicht vergessen, dass wir auch viele ne Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU: Zu- Menschen in den Blick nehmen müssen, deren Leben wir rückfallen dürfen wir nicht . heute auch verbessern müssen . Wir dürfen die, die dazu- (Beifall bei der SPD) kommen, nicht gegen die ausspielen, die schon hier sind . Wenn ich mich an Forderungen aus Ihren Reihen er- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) innere, die besagen, der Koalitionsvertrag sei nicht mehr Wir sind im Jahrhundert der Integration . Dieses Jahr- auf der Höhe der Zeit – womit man eigentlich sagen will: hundert der Integration hat in dem Haushalt, über den wir keine Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen, gerade diskutieren, nämlich dem des Bundesarbeitsmi- sondern alles lassen, wie es ist –, dann sage ich: Nein . nisteriums von Andrea Nahles, einen großen Stellenwert Denn wenn mein Satz vom Anfang stimmt, dass dieje- bekommen . Insgesamt setzen wir mit 1,9 Milliarden Euro nigen, die neu hierherkommen, und diejenigen, die hier zusätzlich für die Unterbringung und Versorgung von leben, nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen, Flüchtlingen und deren Vermittlung in Arbeit deutliche dann müssten wir bei diesen Themen mit Blick für die politische Signale . 800 Millionen Euro davon sind für Menschen, die die Leistungsträger der Gesellschaft sind, aktive Arbeitsmarktpolitik, das heißt für den Erwerb von sogar noch mehr machen . berufsbezogenen Sprachkenntnissen, für die Förderung (Beifall bei der SPD) von Ausbildung, für die Integration durch Arbeit und na- türlich auch für die Qualifizierung. Ich finde, das ist erst Wir wenden uns immer wieder zu Recht der Frage zu: einmal ein gutes Signal im Jahrhundert der Integration . Wie sieht es mit den Menschen aus, die langzeitarbeits- los sind? Was machen wir? Mit diesem Haushalt zeigt (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten die Koalition: Wir legen wieder 350 Millionen Euro zur der CDU/CSU) aktiven Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in Jobs Allerdings ist Integration aus meiner Sicht und für die obendrauf . Allein diese Zahl zeigt schon: Da wird etwas Sozialdemokratische Partei und Fraktion nicht die einzi- getan . Zusätzlich werden 150 Millionen Euro auf die ge Jahrhundertaufgabe . Wir sehen, dass es in Zeiten des Jobcenter verteilt . Das heißt, vor Ort kommen insgesamt Wandels auch die Jahrhundertaufgabe gibt, das Kernver- 500 Millionen Euro mehr an . sprechen der sozialen Marktwirtschaft immer wieder zu Natürlich ringen wir in der Koalition immer wieder erneuern . Es geht nämlich darum, dass wir für jede und darum: Reicht das denn aus? Aus meiner Sicht reicht es (B) jeden – so sage ich es immer ganz gern –, die morgens nicht aus, insbesondere nicht bei den Verwaltungskosten (D) aufstehen, dann arbeiten gehen und ordentlich ihre Steu- der Jobcenter . Deshalb führen wir immer wieder sehr en- ern zahlen, auch etwas tun . Wir müssen dafür sorgen, gagierte Debatten, ob wir in dieser Regierungskonstella- dass dieses Versprechen gilt: dass, wer mitmacht, auch tion nicht doch noch zum Passiv-Aktiv-Tausch kommen . am sozialen Sicherungssystem teilhat und dass es für die, die morgens aufstehen, gerecht und fair zugeht . (Beifall bei der SPD) Deshalb ist klar, dass wir, allen Unkenrufen zum Als Vorbild nehme ich da gern die sozialdemokrati- Trotz, Forderungen, die immer wieder auch aus den po- sche Arbeitsministerin von Baden-Württemberg, Katrin litischen Reihen erhoben werden, eine Absage erteilen: ­Altpeter, die dort gezeigt hat, wie das funktioniert . Es gibt keine Absenkung des Mindestlohns für Arbeit- Nur wenn wir gemeinsam darangehen und sagen: „Es nehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland jedweder gibt Gruppen, denen wir uns mehr zuwenden müssen“, Herkunft . können wir es hinbekommen, die unterschiedlichen Gruppen am Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft nicht (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten gegeneinander auszuspielen . Ich glaube, das ist die wich- der CDU/CSU) tige Botschaft des Haushalts des BMAS . Aber klar ist auch, dass diejenigen, die morgens auf- Zum Schluss kommend, will ich sagen: Nur wenn wir stehen und arbeiten gehen, ein Recht darauf haben, dass uns zusammen anstrengen, nur wenn wir uns anstrengen, wir das, was wir in der Koalition verabredet haben, näm- niemanden gegen andere auszuspielen, wenn vielmehr lich die Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen, alle merken: „Wir strengen uns dafür an, dass sich ihr erstens zügig umsetzen, und zwar im Kabinett und im konkretes Leben in Deutschland verbessert“, dann halten Parlament, und dass wir zweitens Wort halten bei dem, wir Deutschland zusammen . Das ist unser aller Aufgabe was wir gemeinsam im Koalitionsvertrag dazu vereinbart in den heutigen Zeiten . haben . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD) der CDU/CSU) Für uns von der SPD ist klar: Wir wollen viel mehr als das, was in dem Koalitionsvertrag steht . Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner spricht Stephan Stracke von der (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Eben! – CDU/CSU-Fraktion . Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja das Problem!) (Beifall bei der CDU/CSU) 13774 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

(A) Stephan Stracke (CDU/CSU): Es geht nicht darum, dass bedingt durch die Migrati- (C) Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und on, wie es Herr Weise einst ausdrückte, in Deutschland Herren! Heute sind deutlich mehr als 43 Millionen Men- künftig weniger ältere graue Herren durch die Gegend schen erwerbstätig . Wir verzeichnen ein Allzeithoch bei laufen und langsam mit dem Auto auf der Autobahn he- der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und rumfahren – das war meines Erachtens vollkommen de- den höchsten Stellenstand seit 15 Jahren – alles in allem platziert und neben der Sache –; vielmehr geht es darum, eine hervorragende Lage am Arbeitsmarkt in Deutsch- dass wir Flüchtlinge passgenau unterstützen durch Integ- land, besonders in Bayern . rations- und Förderketten . Genau dies tun wir . (Katja Mast [SPD]: Baden-Württemberg (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) meinst du!) Spracherwerb, Kompetenzfeststellung, Qualifizie- Die Wirtschaft blickt auch weiterhin optimistisch in rung, ganzheitliche Betreuung und Wertevermittlung, die Zukunft . Das gilt auch für die Menschen . Sie wissen: das sind die wesentlichen Bausteine einer gelingenden Was der Wirtschaft nutzt, das nutzt auch ihnen selbst . Integration . Bayern zeigt, wie es geht . Mit einem ganzen Sichere Arbeitsplätze, mehr Geld in der Lohntüte und Bündel an Maßnahmen setzt Bayern beispielgebend bei stabile Preise, all das tut den Menschen gut und den Fa- den ankommenden Kindern und Jugendlichen an, indem milien ebenso . Gute Arbeitsmarktpolitik bedeutet immer sie die Sprache lernen und die Grundwerte für das Leben auch gute Sozialpolitik . Dieser Zweiklang zeichnet diese in Deutschland kennenlernen . Koalition aus, gerade dann, wenn sie unionsgeführt ist . Das erfolgt zunächst in Übergangsklassen durch (Beifall bei der CDU/CSU) Sprachförderangebote der Grund- und Mittelschulen sowie in Berufsintegrationsklassen der Berufsschulen . Wir sind, wie ich meine, richtig erfolgreich, weil wir die Gerade die Berufsintegrationsklassen leisten unglaublich Menschen im Blick behalten, und so wollen wir es auch viel . Zweijährig, in Vollzeit verbinden sie Spracherwerb in Zukunft halten . mit gezielter Berufsvorbereitung . Dies trifft auf viel Zu- Auf diesen Erfolgen dürfen wir uns sicherlich nicht stimmung der Wirtschaft, aber auch der Flüchtlingsorga- ausruhen . Wir erleben aktuell die größte Flüchtlingskri- nisationen . se seit dem Zweiten Weltkrieg . Jeden Tag kommen über Bayern zeigt, wie es mit pragmatischen Lösungen für 7 000 Menschen zu uns nach Deutschland, insbesondere die Menschen geht . Deswegen freut es mich, dass es in an den bayerischen Grenzen; das entspricht jeden Tag der Bayern einen engen Schulterschluss der Partner am Ar- Einwohnerzahl einer Kleinstadt . Das zeigt, vor welchen beitsmarkt gibt: Wirtschaft, Bundesagentur für Arbeit Herausforderungen wir insgesamt stehen, insbesondere und Staatsregierung ziehen an einem Strang . „Keiner (B) für den deutschen Arbeitsmarkt . Allein in Bayern be- darf verloren gehen“, das ist das Motto . Die Mittel dafür (D) treuen die Arbeitsagenturen und Jobcenter derzeit rund heißen Spracherwerb, Qualifizieren und umfassend Be- 16 000 Flüchtlinge, Tendenz stark steigend . treuen . Die Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit nimmt allein 45 Millionen Euro für das nächs- Nach der Aussage des Instituts für Arbeitsmarkt- und te Jahr in die Hand für berufssprachlichen Deutschunter- Berufsforschung sind die Flüchtlinge, die aktuell zu richt mit anschließender Berufsorientierung, mit Prakti- uns kommen, deutlich schlechter qualifiziert als andere ka, gegebenenfalls ergänzt durch assistierte Ausbildung Migrantengruppen . Über 80 Prozent derer, die im er- oder ausbildungsbegleitende Hilfen. Ich finde, das ist werbsfähigen Alter zu uns kommen, haben keine formale vorbildlich . Qualifikation. Die Aussicht, schnell eine Beschäftigung zu finden, dürfte daher für die übergroße Mehrheit der Aber: Ohne eine Begrenzung der aktuellen Zuwan- anerkannten Flüchtlinge gering sein, so der ernüchternde derungszahlen werden wir an unsere Grenzen kom- Befund der Wirtschaftsweisen in ihrem aktuellen Jah- men – trotz größter Anstrengungen, trotz immensen resgutachten . Wir müssen uns darauf einstellen, dass im Mitteleinsatzes . Deshalb ist es richtig, die Zuwanderung nächsten Jahr bis zu 430 000 Flüchtlinge Grundsicherung zu begrenzen . Wir sollten uns an all das halten, was wir beziehen werden . Das ist ein starker Anstieg, der auch in gemeinsam in dieser Koalition ausgemacht haben . den Folgejahren anhalten wird . Die Integration in Aus- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) bildung und Arbeit ist und bleibt unser zentrales Thema . Wir wollen, dass diejenigen Flüchtlinge, die dauerhaft Die Aufstockung des Einzelplans 11 ist in dem Um- hierbleiben können, ein selbstbestimmtes Leben führen fang, wie sie vorgenommen wird, sicherlich erforderlich . können, und zwar ohne Transferleistungen des Staates . Der größte Ausgabenblock des Bundes, 40 Prozent der Gesamtausgaben, ist im Haushalt des BMAS vereint . Dabei dürfen wir auch die heutigen langzeitarbeitslo- Wir geben hier insgesamt zusätzlich 2,6 Milliarden Euro sen Menschen in unserem Land nicht aus dem Blick ver- aus . Davon entfallen 1,9 Milliarden Euro auf Ausgaben lieren; sie dürfen nicht auf der Strecke bleiben . Deshalb im Zusammenhang mit der gestiegenen Flüchtlingszahl . ist nicht Verharmlosung das Gebot der Stunde, sondern Ich bin sehr gespannt, wie lange diese Zahlen tatsächlich eine realistische Analyse dessen, was auf uns zukommt gelten werden . Wir fahren in diesem Bereich derzeit si- und wie die Herausforderungen in den Griff zu bekom- cherlich auf Sicht . men sind . Vor diesem Hintergrund bin ich erleichtert, dass auch in Nürnberg die Realität Einzug gehalten hat Da die Integration der Flüchtlinge auf dem Arbeits- und dass die Flüchtlingskrise als das gesehen wird, was markt in den Orten bewältigt werden muss, in denen sie sie ist: in erster Linie als Krise, die zu bewältigen ist . sich tatsächlich befinden, muss das zusätzlich erforderli- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13775

Stephan Stracke (A) che Geld dorthin fließen, wo die Arbeit anfällt. Das heißt, geht um längeres Arbeiten . Wir haben viel vor, was das (C) die zusätzlichen Mittel für die Jobcenter im Jahr 2016 Bundesteilhabegesetz angeht . Ich freue mich auf die im dürfen nicht auf der Grundlage der bisherigen Verteil- nächsten Jahr auf uns zukommenden Aufgaben . Wir wer- logik verteilt werden, weil diese in keiner Weise den den diese mit der gleichen Begeisterung angehen, wie Flüchtlingszugängen Rechnung trägt . wir es bislang gemacht haben – für gute Arbeit, für mehr Chancen, für die Menschen in diesem Land . Es muss der Grundsatz gelten: Jeder Flüchtling muss uns gleich viel wert sein und die gleichen Chancen auf Herzliches Dankeschön . Teilhabe haben – egal ob er sich in Berlin befindet oder (Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Gesine im Bayerischen Wald . Lötzsch [DIE LINKE]: Aber sehr begeistert (Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Im haben Sie nicht gesprochen! Die Begeisterung Wald?) hat man jetzt nicht gehört!) Ich hoffe, dass dieser Ansatz beherzigt wird und auch vonseiten des Bundesministeriums für Arbeit und Sozia- Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: les aufgegriffen wird . Das ist nur fair; insbesondere ist es Als nächste Rednerin hat Daniela Kolbe für die fair gegenüber den betroffenen Menschen . SPD-Fraktion das Wort . Angesichts der Situation dürfen wir keine weiteren (Beifall bei der SPD sowie des Abg . Albert Experimente auf dem Arbeitsmarkt machen . Der Min- Weiler [CDU/CSU]) destlohn hat sich aufgrund des guten konjunkturellen Umfelds bislang nicht als massiver Einschnitt dargestellt . Daniela Kolbe (SPD): (Ewald Schurer [SPD]: Im Gegenteil, im Ge- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und genteil! Wirtschaftsförderung! Mehr Kauf- Kollegen! Bei meiner Arbeit in meinem Leipziger Wahl- kraft! Mehr Konsum!) kreis schildern mir Bürgerinnen und Bürger in Gesprä- chen immer wieder, wie belastend es für sie ist, dass sie Es ist jetzt allerdings zu früh für eine seriöse Bewertung keine Arbeit haben . Das sind Geschichten von sozialer der Wirkungen des Mindestlohns . So haben es jedenfalls Isolation . Die Menschen sitzen zu Hause, haben nichts zu die Wirtschaftsweisen in ihrem aktuellen Jahresgutach- tun, dafür aber existenzielle Sorgen, und sie sind außer- ten dargelegt . Ich warne vor zu großem Optimismus . dem noch allein . Es macht auf Dauer nicht nur unglück- Wir müssen hier die Entwicklungen genau in den Blick lich, sondern es macht in vielen Fällen auch noch krank, nehmen . Wir haben noch viele ungeklärte Fragen, ins- das Leben so an sich vorbeirauschen zu sehen, und wir besondere auch was Abgrenzungen angeht, was die Ar- alle haben nur dieses eine Leben . (B) beitgeberhaftung angeht . Überall da besteht noch Hand- (D) lungsbedarf . Uns als SPD ist es deshalb von jeher ein Anliegen, so viele Menschen wie möglich in gute Arbeit zu brin- Umso genauer gilt es jetzt bei der Reform der Zeit- gen . Herr Stracke, Herr Kollege, für uns gehört natürlich arbeit und der Werkverträge hinzuschauen . Von Frau dazu, dass es einen Mindestlohn für diese gute Arbeit ­Nahles wurde in der letzten Woche ein Referentenent- geben muss und dass Leiharbeit und Werkverträge nicht wurf zur Regulierung der Zeitarbeit und der Werkverträ- missbraucht werden dürfen . Wir wollen möglichst viele ge vorgelegt . Ich erachte ihn als nicht zustimmungsfähig . Menschen in gute Arbeit bringen . (Bernd Rützel [SPD]: Oh!) (Beifall bei der SPD – Karl Schiewerling Er geht in den entscheidenden Teilen weit über den Koa- [CDU/CSU]: Wir auch!) litionsvertrag hinaus, schafft neue Bürokratie und konter- Wer keine Arbeit hat, steht am Rande unserer Gesell- kariert die Aufgabenteilung und Spezialisierung . schaft . Das ist für uns ein wichtiger Punkt . Das gilt für (Dr .Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wenn es einheimische Arbeitslose genauso wie für Flüchtlinge . in die richtige Richtung geht, können Sie sich Wir wollen und können es uns nicht leisten, die eine oder doch freuen! Dann kann man doch zustim- die andere Gruppe am Rande stehen zu lassen . men!) (Beifall bei der SPD) Deswegen bin ich dankbar, dass die Kanzlerin auf dem Deshalb hat Bundesministerin Andrea Nahles in die- Arbeitgebertag klargestellt hat, dass das Gesetz in dieser ser Legislatur einen ihrer Schwerpunkte auf die Bekämp- Form nicht kommt . fung der Langzeitarbeitslosigkeit gelegt . Frau Pothmer, (Dr . Carola Reimann [SPD]: Wir sind der es ist geradezu absurd, Andrea Nahles vorzuwerfen, sie Bundestag und nicht der Arbeitgebertag!) würde wenig in diesem Bereich tun . Es ist ihr ein Her- zensanliegen . Wir müssen darauf achten, dass wir bei der Zeitar- beit Spielräume für tarifgebundene Unternehmen lassen . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Beim Werkvertrag müssen wir darauf achten, dass wir der CDU/CSU) nicht zu Vermutungstatbeständen und Kriterien kommen, Aufgrund der Herausforderungen durch die sehr hohen die insgesamt als praxisfremd anzusehen sind . Flüchtlingszahlen stellt sich natürlich im Zusammenhang All das zeigt: Wir haben viel vor . Wir haben viel vor mit dem Bundeshaushalt 2016 die Frage nach der Inte­ bei der Beteiligung von Menschen im Rentenalter; es gration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt . Was brau- 13776 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Daniela Kolbe (A) chen wir, um diese Menschen zu integrieren? Da steht an für Arbeit und Soziales im nächsten Jahr mit richtig viel (C) erster Stelle: Sprache, Sprache, Sprache . Arbeit ist eine Geld aus: 130 Milliarden Euro . Der Einzelplan 11 stellt der zentralen Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes somit auch im nächsten Jahr den mit Abstand umfang- Leben, für Teilhabe an der Gesellschaft und eben auch reichsten und größten Einzeletat im Bundeshaushalt dar . für gelingende Integration . Ohne Sprachkenntnisse keine Mit der Höhe des Etats wächst aber zugleich auch un- Arbeit: Das gilt auch für einfache Tätigkeiten . sere Verantwortung, die zur Verfügung stehenden Mittel richtig und sinnvoll einzusetzen, damit sie den Menschen (Beifall bei der SPD) auch wirklich helfen . Das macht eine erfolgreiche Ar- Den faktischen Zugang zu Arbeit gibt es nur mit beitsmarkt- und Sozialpolitik aus . Sprachkenntnissen . Deshalb wollen wir Sprachkurse so früh wie möglich und für so viele Menschen wie mög- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- lich . Deutsch lernen, hat noch niemandem geschadet, der ordneten der SPD) in diesem Land lebt . Deshalb ist es für uns so wichtig und richtig, dass nunmehr Spracherwerb und Arbeits- Damit sie nachhaltig ist, braucht sie aber immer auch marktpolitik ganz eng miteinander verknüpft werden . eine solide finanzielle Basis und gute Rahmenbedin- Wir haben im Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz die gungen . Die haben wir in den letzten Jahren dank einer richtigen Grundlagen gelegt . Wir haben die Integrations- wachstumsorientierten und auf sparsames Haushalten kurse endlich geöffnet für Geduldete, für Flüchtlinge, für ausgerichteten Politik unter Führung der Union geschaf- Asylsuchende mit guter Bleibeperspektive . Wir werden fen . Unsere Erfolge können sich sehen lassen . Wir haben berufsbezogene Sprachförderung und Integrationskurse nicht nur die Finanz- und Wirtschaftskrise erfolgreich ge- in einem Gesamtprogramm Sprache zusammenführen – meistert, sondern auch den Bundeshaushalt konsolidiert, ein richtiger Ansatz . Die Jobcenter können weiterhin als und wir legen im zweiten Jahr in Folge einen ausgegli- Eingliederungsmaßnahmen berufsbezogene Sprachför- chenen Bundeshaushalt vor . Auch mit unserer Konjunk- derung anbieten . Und wir starten nicht erst 2016: Dank tur verhält es sich derzeit wie einst mit dem VW-Käfer: der Bundesagentur für Arbeit geht es jetzt schon richtig Sie läuft und läuft und läuft . los . Mit den Mitteln der BA, den Beitragsmitteln, war es möglich, dass Sprachkurse jetzt schon gestartet sind . Sie (Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: VW ist werden bis Ende des Jahres auch weiterhin starten . aber jetzt ein schlechtes Beispiel!) (Beifall bei der SPD) – Damals war das hervorragende Arbeit made in Germa- ny . Das alles wird im Haushalt abgebildet . Viele 100 Mil- (B) lionen Euro mehr sind dafür eingestellt . Ich sage ganz (Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Früher (D) klar: Erstens sind drei Minuten viel zu kurz, um über war alles besser!) dieses Thema zu sprechen, und zweitens ist jeder Euro, den wir dafür ausgeben, eine Zukunftsinvestition . Wir als Unser Arbeitsmarkt zeigt sich trotz krisenbehafteten SPD würden auch gern noch mehr Zukunftsinvestitionen Umfeldes in bester Verfassung: Es sind so wenig Men- sehen . Wir wissen, dass unsere Ministerin wie eine Lö- schen arbeitslos wie seit 24 Jahren nicht mehr . Gleichzei- win für diese Menschen kämpft, und wir wollen sie dabei tig geht der Beschäftigungszuwachs weiter . Erstmals in unterstützen . der Geschichte der Bundrepublik waren mehr als 31 Mil- Vielen Dank . lionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäf- tigt . Das führt dazu, dass die Bundesagentur für Arbeit (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten derzeit auf einem Überschuss von rund 2,8 Milliarden der CDU/CSU) Euro sitzt . Das ist ein gutes Polster .

(Beifall bei der CDU/CSU) sowie des Abg . Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Ewald Schurer [SPD]) Als nächster Redner spricht Mark Helfrich für die CDU/CSU-Fraktion . Auch die Rentenversicherung profitiert von der stei- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- genden Zahl der Beitragszahler . Im kommenden Jahr ordneten der SPD) können die deutschen Rentnerinnen und Rentner mit ei- ner Rentenerhöhung zwischen 4 und 5 Prozent rechnen . Das gab es seit zwei Jahrzehnten nicht mehr . Mark Helfrich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Dank dieser guten Ausgangslage können wir heu- Liebe Kolleginnen und Kollegen! „La question sociale“ te darüber debattieren, wofür wir Geld in der Arbeits- bezeichneten es die Franzosen, und es war der Dichter markt- und Sozialpolitik ausgeben . Dank dieser guten Heinrich Heine, der den Begriff 1840 in Deutschland ein- Ausgangslage können wir 2,6 Milliarden Euro mehr führte . Gemeint waren die sozialen Missstände infolge ausgeben als ursprünglich geplant . Von diesen 2,6 Milli- der industriellen Revolution in England, in Frankreich arden Euro werden knapp 2 Milliarden Euro zur Bewälti- und dann auch in Deutschland . 175 Jahre nach Heine darf gung der Flüchtlingskrise eingesetzt . sich die soziale Frage als Folge der Flüchtlingskrise in Deutschland nicht wieder stellen . Damit dies nicht pas- Bei voraussichtlich mehr als 1 Million Asylbewerber siert, statten wir den Haushalt des Bundesministeriums in diesem Jahr muss ehrlich ausgesprochen werden: Wir Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13777

Mark Helfrich (A) werden nicht alle Flüchtlinge sofort in den Arbeitsmarkt tel für Bildungsmaßnahmen um rund 180 Millionen Euro (C) integrieren können . auf 312 Millionen Euro aufgestockt . (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Allerdings sind die sprachlichen Unwägbarkeiten nicht NEN]: Das stimmt!) die einzigen Hindernisse auf dem Weg zur beruflichen Integration. Die Menschen, die kommen, finden eine Ar- Dies zeigt schon ein Blick auf die Qualifikation der Zu- beitswelt vor, die sie so mit Sicherheit noch nicht kennen . wanderer; Vorredner haben es bereits genannt . Nach einer Auch unsere duale Berufsausbildung mit Lehrmodulen Stichprobe der Bundesagentur für Arbeit sind 81 Prozent in Betrieb und Berufsschule ist etwas ganz Neues . Die der Flüchtlinge ohne formale Qualifikation, 11 Prozent bisherigen Erfahrungen verschiedener Handwerkskam- haben eine berufliche Ausbildung, gerade einmal 8 eine mern in der Bundesrepublik zeigen denn auch, dass dort akademische . Ingenieure aus Bagdad, Facharbeiter aus noch Schwierigkeiten bestehen . Vielen Flüchtlingen fällt Kabul und Ärzte aus Aleppo sind eher die Ausnahme . es trotz hoher Motivation – die attestieren alle – schwer, (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE sich für eine Ausbildung zu entscheiden, die über meh- GRÜNEN]: Es sind aber junge Leute!) rere Jahre bei geringer Bezahlung zu absolvieren ist . Es gibt auch Erfahrungen aus Bayern – das wurde heute Es wird daher lange dauern, bis das Gros der Flücht- häufig zitiert –, wonach 70 Prozent der Lehrlinge aus linge ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten kann . Syrien, Afghanistan und Irak, die im Herbst 2013 eine 90 Prozent der anerkannten Flüchtlinge werden nach Ausbildung begonnen haben, nicht mehr in der Ausbil- Schätzungen der Bundesagentur für Arbeit zunächst auf dung sind, aber leider ohne Abschluss . Das ist bei diesem Hartz IV angewiesen sein. Erfahrungsgemäß findet nur Modellprojekt der ernüchternde Teil . Die Zahlen sind jeder Zehnte von ihnen nach fünf Jahren eine Arbeit, je- bundesweit wohl ähnlich . Umso wichtiger ist es, dass die der Zweite erst nach zehn Jahren . So wird Herr Weise in Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter arbeitsu- diesen Tagen zitiert . chende Flüchtlinge davon überzeugen können, dass eine Ausbildung langfristig die einzige Lösung ist . Deshalb Damit die Zuwanderung nicht dauerhaft in die Sozi- haben wir die Mittel für die berufliche Integration und alsysteme erfolgt, müssen die Flüchtlinge einen Arbeits- Beratung von Zuwanderern auf insgesamt fast 48 Millio- oder Ausbildungsplatz finden. Leben aus eigener Kraft nen Euro aufgestockt . und in eigener Verantwortung – nur das kann das Ziel von uns allen sein, was die Menschen betrifft, die zu uns (Beifall bei der CDU/CSU) kommen . Einen weiteren Schritt bei der Unterstützung der Mit- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . arbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter sehe ich (B) Ewald Schurer [SPD]) in dem geplanten Gesetz zur Rechtsvereinfachung im (D) SGB II . Mit diesem Gesetz wollen wir auch im Hinblick Hoffnung macht – dies wurde gerade hier im Ple­ auf die wegen der Flüchtlingswelle stärker beanspruch- num gesagt –, dass gut 80 Prozent der Flüchtlinge jünger ten Ressourcen Verwaltungsabläufe in den Jobcentern als 35 Jahre sind und mehr als die Hälfte sogar jünger vereinfachen . Wichtig ist, dass unsere Jobcenter für die als 25 Jahre . Das Bildungspotenzial der Menschen, die absehbar bevorstehenden Mehrbelastungen gut gewapp- kommen, ist sehr hoch . Wenn man dann weiß, dass es net sind . Sonst würden sie wie das BAMF als Behörde im jede dritte Firma in Deutschland im letzten Jahr nicht Ausnahmezustand zum Flaschenhals der Flüchtlingsinte- geschafft hat, alle Ausbildungsplätze zu besetzen, und gration in Deutschland werden . dass insgesamt 600 000 Ausbildungsplätze nicht besetzt werden konnten, muss man sagen: Es ist zwar ein Ne- Ich bin in diesem Zusammenhang auch froh – lassen gativrekord, aber gleichzeitig, vor diesem Hintergrund, Sie mich das hier erwähnen –, dass wir bei den bestehen- auch eine Chance . den Sanktionsregelungen bleiben können . Das Prinzip „Fördern und Fordern“, auf dem die gute Arbeitsmarkt- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- politik der vergangenen Jahre basiert, ist richtig und ordneten der SPD) wichtig . Letztlich sind die Sanktionen ein Kontrollme- Wir können fleißigen, motivierten und talentierten chanismus, und es gibt in unserer Gesellschaft aus gutem Flüchtlingen durch Bildung und berufliche Qualifizie- Grund an verschiedensten Stellen solche Mechanismen . rung also eine gute Arbeitsmarktchance eröffnen . Wir Sie sind ein Zeichen der Gerechtigkeit und Verantwor- haben deswegen den Jobcentern zusätzliche Mittel zur tung gegenüber denjenigen, die mit ihrer Arbeit bzw . ih- Verfügung gestellt: 250 Millionen Euro für die Einglie- ren Steuerzahlungen diese Leistungen erst ermöglichen . derung in Arbeit, 325 Millionen Euro für die Verwal- In Anbetracht der Tatsache, dass die Jobcenter in den tungskosten . Die 350 Millionen Euro, die an Ausgabe- nächsten Monaten und Jahren vor einer großen Aufgabe resten vorhanden sind, können dann noch dazukommen . stehen, wäre es das falsche Signal, an dieser Stelle einen Insgesamt können 3 800 zusätzliche Stellen in den Job- Kurswechsel einzuläuten . centern in Deutschland geschaffen werden . (Dr .Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Es würde die Job- Wirtschaft und Handwerk setzen als Einstiegskrite- center entlasten, wenn man das abschaffen rium für eine Ausbildung, für berufliche Qualifizierung würde!) und Tätigkeit gute Deutschkenntnisse voraus . Die ganz überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge bringt diese na- Zum Thema Mindestlohn . Herr Ernst, Sie haben turgemäß nicht mit . Folgerichtig haben wir auch die Mit- Herrn Spahn angesprochen . Es gibt auch einige andere, 13778 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Mark Helfrich (A) die aus Ihrer Sicht abwegige Vorschläge gemacht haben, derjenigen, die heute schon in unserer Gesellschaft be- (C) unter anderem der Sachverständigenrat . Keine Sorge! Ich nachteiligt sind . Dabei ist für uns Sozialdemokratinnen will dieses Fass nicht aufmachen . Ich werde mich auch und Sozialdemokraten klar, dass nicht die Schwachen nicht hinstellen und hier etwas fordern . Niemand will gegen die noch Schwächeren ausgespielt werden dürfen . Menschen gegeneinander ausspielen . Niemand will, dass (Beifall bei der SPD sowie des Abg . Karl es in diesem Land auf der einen Seite Menschen gibt, Schiewerling [CDU/CSU]) die den Mindestlohn erhalten, und auf der anderen Sei- te Menschen, die nicht unter die Mindestlohnregelungen Deshalb darf es für Flüchtlinge keine Ausnahme beim fallen . Ich bitte aber all diejenigen, die das heute betont Mindestlohn geben . haben, genauso vehement zu argumentieren, wenn wir darüber reden, wie Betriebe und Unternehmen in den (Beifall bei Abgeordneten der SPD) nächsten Monaten und Jahren Stellen anbieten können, Ich bin froh, dass Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer auf die den Menschen im Sinne eines Langzeitpraktikums dem Arbeitgebertag gesagt hat, dass eine Sonderregelung die Chance eröffnen, in unsere Berufswelt zu kommen . für Flüchtlinge beim Mindestlohn Quatsch ist . Recht hat Denn eines ist richtig: In dieser krisengeschüttelten Zeit der Mann! ist das Wohlergehen unserer Wirtschaft, der deutschen Betriebe, ein wahrer Stabilitätsanker, den wir nicht ris- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der kieren sollten . LINKEN) Meine Damen und Herren, ein schon den alten Römern Arbeitsmarktintegration für Flüchtlinge bedeutet für vertrauter Grundsatz lautet: Ultra posse nemo obligatur . mich nicht, die Flüchtlinge möglichst schnell in irgend- Über das Können hinaus wird niemand verpflichtet. – welche Jobs zu vermitteln und damit die Konkurrenz Der Einzelplan 11, der Haushalt für Arbeit und Soziales, im Bereich der gering qualifizierten Arbeit noch zu ver- zeigt gleichwohl, wie beachtlich unser Können ist . Ich schärfen . Stattdessen geht es darum, in die Potenziale vor bin hoffnungsvoll, dass wir damit die Herkulesaufgabe allem der vielen jungen Flüchtlinge zu investieren und der Integration der Flüchtlinge angehen und auch beste- sie zu den Fachkräften zu machen, die wir benötigen . hen können . Gleichzeitig geht es aber auch darum, weiter in die Po- tenziale von Langzeitarbeitslosen, Geringqualifizierten, Herzlichen Dank . Alleinerziehenden und benachteiligten Jugendlichen zu (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- investieren . ordneten der SPD) Liebe Frau Pothmer, Sie haben hier so abfällig über Beratung gesprochen . (B) (D) Vizepräsident : (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Abschließender Redner zu diesem Tagesordnungs- NEN]: Nicht abfällig!) punkt ist der Kollege Dr . Martin Rosemann für die SPD . Die Beratung ist doch Kern dessen, was die Jobcenter (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten machen . Ohne Beratung ist die beste Maßnahme nichts, der CDU/CSU) weil dann im Zweifel in die falsche Maßnahme vermittelt wird und man nichts davon hat . Dr. Martin Rosemann (SPD): (Beifall bei der SPD – Brigitte Pothmer Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dafür die Zahlen zum Arbeitsmarkt, die vor allem die Kollegen braucht man Personal und Geld!) der Union mit stolz geschwellter Brust vortragen, sind gut . Wenn die Politik tatsächlich einen Anteil daran hat, Deshalb sage ich Ihnen: Alle Mittel, die für Flüchtlinge dann will ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von zusätzlich benötigt werden, kommen bei den Jobcentern der Union, allerdings schon fragen: Wer hat denn den Re- obendrauf . Auch in diesem Jahr gibt es 350 Millionen formstau in Deutschland abgebaut? Euro zusätzlich für die Jobcenter (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das haben die doch vorher eingespart!) Wer hat Deutschland mit Konjunkturprogrammen und Kurzarbeit durch die Finanzmarktkrise geführt? Das wa- für die Betreuung von Langzeitarbeitslosen, und wir wer- ren deutsche Sozialdemokraten . den die Jobcenter in den kommenden Monaten an ande- rer Stelle von Aufwand entlasten . (Beifall bei der SPD – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Unter einer CDU-Bundeskanz- (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- lerin!) NEN]: Wo werden sie denn entlastet? – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Mit dem Haushalt 2016 statten wir die Jobcenter für NEN]: Die sind doch eh unterfinanziert!) die wichtige Aufgabe der Integration von Flüchtlingen angemessen aus . Vor allem können sich die Jobcenter Zum Schluss: Diese Koalition wird alle Projekte, die rechtzeitig personell und strukturell auf die Herausfor- sie sich vorgenommen hat, um Ordnung auf dem Arbeits- derungen einstellen . Wir haben eine doppelte Integrati- markt zu schaffen und mehr Teilhabe zu ermöglichen, onsaufgabe zu leisten: einerseits die Integration der zu umsetzen . Wir werden Leiharbeit und Werkverträge, wie uns kommenden Flüchtlinge, andererseits die Integration versprochen, regulieren . Wir werden das Bundesteilha- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13779

Dr. Martin Rosemann (A) begesetz im Entwurf im kommenden Jahr hier im Par- gung . Das klingt sehr viel, aber man muss dazusagen: (C) lament beraten und beschließen, damit es zum 1 . Januar Nur 9 Prozent, also circa 800 Millionen Euro, sind für 2017 in Kraft treten kann . Wir werden auch dafür sor- die Programmarbeit vorgesehen . 85 Prozent des Etats gen, dass das jetzt zwischen den Koalitionsfraktionen werden für gesetzliche Leistungen ausgegeben, allen vo- vereinbarte Paket zu den flexiblen Übergängen im Ge- ran für das Elterngeld mit 6 Milliarden Euro, Tendenz setzgebungsverfahren zeitnah umgesetzt wird . Das ist steigend . ein großes und in die Zukunft gerichtetes Paket mit An- Fakt ist – und das ist positiv zu bewerten –, dass wir in reizen zum längeren Weiterarbeiten, mit einer deutlichen den Haushaltsverhandlungen die Programmarbeit stärken Stärkung von Prävention und Reha, mit einer deutlich konnten . Insbesondere die Jugendhilfe wird 27 Millionen flexibleren, einfacheren und attraktiveren Teilrente. Wir Euro mehr bekommen . Das Programm „Demokratie le- werden auch die Zwangsverrentung bei drohender Al­ ben!“, das gegen Rechtsextremismus aufgelegt wurde, ters­armut beenden . erhält noch einmal 10 Millionen Euro mehr, und auch die (Beifall bei der SPD sowie des Abg . Karl Mittel für die Mehrgenerationenhäuser – die möchte ich Schiewerling [CDU/CSU]) nicht vergessen – sind aufgestockt worden . Das alles zeigt: Wir packen auch in der zweiten Hälf- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- te dieser Legislaturperiode das an, was wir versprochen neten der CDU/CSU und der SPD) haben . Wir müssen uns allerdings fragen, ob die Mittel aus- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten reichen angesichts der Aufgaben, vor denen wir stehen . der CDU/CSU) Ich möchte das am Beispiel des Programms „Demokratie leben!“ skizzieren . Das Programm „Demokratie leben!“ hatte im Jahr 2014 30 Millionen Euro zur Verfügung, Vizepräsident Johannes Singhammer: dieses Jahr 40 Millionen Euro, nächstes Jahr werden es Damit schließe ich die Aussprache . 50 Millionen Euro . Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel- (Ulrike Gottschalck [SPD]: Gut!) plan 11 – Bundesministerium für Arbeit und Soziales – in der Ausschussfassung . Wer dafür stimmt, den bitte ich Das ist eine gute Tendenz . Man sollte sich aber einmal an- um ein Handzeichen .– Wer stimmt dagegen? – Wer ent- schauen, wofür dieses Programm vorgesehen ist . Es soll hält sich? – Der Einzelplan 11 ist damit mit den Stimmen sich gegen Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus, von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion gegen Islamismus, gegen Muslimfeindlichkeit, gegen Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an- Gewalt und Menschenfeindlichkeit im Allgemeinen rich- (B) genommen . ten . Das alles soll mit vielen verschiedenen Maßnahmen (D) umgesetzt werden, mit Demokratiezentren, lokalen Part- Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt I .16 auf: nerschaften, Strukturförderung oder auch Modellprojek- Einzelplan 17 ten . Was heißt das in der Praxis? Das bedeutet, dass ein Landkreis oder eine Kommune im Rahmen eines lokalen Bundesministerium für Familie, Senioren, Aktionsplanes 60 000 Euro im Jahr bewilligt bekommt . Frau­en und Jugend (Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist Drucksachen 18/6124, 18/6125 nicht viel!) Berichterstatter sind die Kolleginnen und Kollegen Ich frage mich: Was soll ein Landkreis in Sachsen, der Michael Leutert, Alois Rainer, Ulrike Gottschalck sowie zum Beispiel über 2 000 Quadratkilometer groß ist, Ekin Deligöz . 300 000 Einwohner und circa 60 Gemeinden hat – da- Zum Einzelplan 17 liegt ein Entschließungsantrag der mit der Vergleich klar ist: das ist die Dimension des Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir mor- Saarlandes –, mit diesem Geld anfangen? Da in diesen gen nach der Schlussabstimmung abstimmen werden . 60 000 Euro auch Personalkosten enthalten sind, würden jeder Gemeinde nicht einmal 500 Euro pro Jahr für das Für diesen Tagesordnungspunkt sind nach einer inter- Programm übrig bleiben . fraktionellen Vereinbarung 96 Minuten Aussprachezeit vorgesehen .– Widerspruch erhebt sich nicht . Dann ist Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen, das somit beschlossen . was derzeit in unserem Land los ist . Die Situation spitzt sich zu . Das Bundesministerium des Innern warnt, der Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red- Verfassungsschutz warnt, und das Bundeskriminalamt ner dem Kollegen Michael Leutert für die Fraktion Die warnt . Wir haben allein in diesem Jahr bis jetzt 600 An- Linke das Wort . griffe auf Flüchtlingsunterkünfte und Flüchtlinge zu ver- zeichnen – das ist dreimal so viel wie letztes Jahr –, und (Beifall bei der LINKEN) es gab rund 223 Verletzte . Leider ist Sachsen auch hier wieder das Negativbeispiel. Dort finden besonders viele Michael Leutert (DIE LINKE): fremdenfeindliche Demonstrationen statt; Pegida ist die Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! bekannteste . Dort erleben wir besonders heftige Angrif- Liebe Frau Ministerin! Für das nächste Jahr stehen dem fe; Heidenau und Freital stehen exemplarisch dafür . Die Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Volksverhetzung nimmt zu . Die Angegriffenen sind nicht Jugend etwas mehr als 9 Milliarden Euro zur Verfü- nur Flüchtlinge oder ihre Helfer, es sind auch Politike- 13780 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Michael Leutert (A) rinnen und Politiker . Es werden Autos angezündet und und Rassisten vergifteten gesellschaftlichen Klima auf- (C) Büros verwüstet . Das betrifft im Übrigen nicht mehr nur wachsen? Das dürfen wir nicht zulassen . Politiker der Linken oder der Grünen, sondern jetzt auch Politiker der CDU und der FDP: Das prominenteste Op- (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . fer ist der sächsische Justizminister, dessen Wohnung vor Sönke Rix [SPD]) ein paar Tagen angegriffen wurde . Er war mit seinen Kin- Weil ich den Kollegen Spahn hier gerade sehe, möchte dern zu Hause; ein Kind ist noch nicht einmal ein Jahr ich noch eines sagen . In der Buchhandlung habe ich Ihr alt . Vor der Wohnung des Dresdner Oberbürgermeisters, neues Buch gesehen . Ich darf daraus kurz zitieren . Sie FDP, hat sich mehrere Stunden ein Mob versammelt und schreiben: „Volksverräter“ geschrien .– Das, was zwei Spitzenpoli- tiker in Sachsen erlebt haben, erleben viele Ehrenamtli- Obgleich Zigtausende Menschen jeden Tag haupt- che in Sachsen allerdings seit vielen Jahren . und ehrenamtlich fast Übermenschliches leisten, um der Lage Herr zu werden, erleben wir doch in vielen Um es noch einmal in Erinnerung zu rufen: Die NPD Bereichen eine Art Staatsversagen . hat in Sachsen bei der Landtagswahl 2004 9,2 Prozent bekommen, die SPD damals 9,8 Prozent . Das zeigt doch, Ich möchte Ihnen sagen: Helfen Sie bitte mit – Sie sind wie die Gesellschaft positioniert ist . Auch der NSU war Staatssekretär des Finanzministers Schäuble –, dieses in Sachsen zu Hause . Pegida hatte ich schon erwähnt .– Staatsversagen zu beenden, und geben Sie den Ehren- Das alles zusammen schafft ein gesellschaftliches Kli- amtlichen das Geld, das sie benötigen . ma, das es der Zivilgesellschaft sehr, sehr schwer macht, (Beifall bei der LINKEN) dagegenzuhalten . Das bedroht unsere Gesellschaft im Kern, und zwar ernsthaft . Das ist kein Spaß mehr . Aus diesem Grund sage ich: Wir müssen die Zivilgesellschaft Vizepräsident Johannes Singhammer: in der Breite stärken, und zwar dauerhaft . Ich darf ankündigen, dass wir nach der Abstimmung über diesen Tagesordnungspunkt die Sitzung wegen (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie Fraktionssitzungen unterbrechen werden . Bis dahin ist der Abg . [BÜNDNIS 90/DIE noch etwas Zeit . Ich wollte das nur ankündigen . GRÜNEN]) Ich erteile jetzt das Wort für die Bundesregierung der Es gibt so viele kleine Vereine, die sich mit ganz nor- Bundesministerin Manuela Schwesig . malen Angeboten in der täglichen Stadtteilarbeit und der Jugendarbeit an die Bevölkerung richten . Da zu unserer (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Bevölkerung jetzt auch Flüchtlinge gehören, richten sich (B) diese Angebote auch an Flüchtlinge, die zum Teil ihrer- Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, (D) seits in den Vereinen mithelfen . Wenn die Projekte dieser Senioren, Frauen und Jugend: Vereine bedroht werden, wenn die Vereine nicht einmal Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und vom Staat ausreichend Unterstützung bekommen, dann Herren Abgeordnete! Von diesem Bundeshaushalt 2016 werden sie diese Angebote einstellen . Jedes Mal, wenn geht ein starkes Signal für die Familien in unserem Land das passiert, bricht uns ein Stück Zivilgesellschaft weg . aus . Welches? Die Familien können sich weiter darauf Das müssen wir verhindern . Dafür brauchen wir drin- verlassen, dass sie, egal wie groß die nationalen und in- gend mehr Geld . ternationalen Herausforderungen unseres Landes sind, (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- weiter so gut unterstützt werden wie bisher und ab 2016 neten der SPD – Sönke Rix [SPD]: Das haben mit weiterer Unterstützung rechnen können . Die Famili- wir geschafft! – Ulrike Gottschalck [SPD]: en im Land sind uns wichtig, und wir werden sie weiter 10 Millionen mehr! Wieder einmal 10 Milli- gut und verlässlich unterstützen . onen!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wenn wir uns hier im Bundestag einig sind, dass eine der CDU/CSU) Aufgabe wichtig ist – das gab es schon mehrmals –, dann Dank der intensiven Beratung und Ihrer Unterstüt- können wir dafür auch Geld mobilisieren . Ich möchte ein zung in den Haushaltsberatungen können wir mehr tun, Beispiel nennen, ohne irgendetwas gegeneinander aus- als wir ursprünglich geplant hatten . Dafür bedanke ich spielen zu wollen: Wir sind uns im Bundestag einig, dass mich ganz herzlich . Wichtig ist auch, dass wir nicht un- wir das Elterngeld wollen . Es ist in diesem Etat enthalten terscheiden zwischen den Familien, die hier schon lange und kostet uns 6 Milliarden Euro im Jahr . Das ist es uns leben – Männer und Frauen mit ihren Kindern und ihren wert, weil es uns wichtig ist, dass mehr Kinder geboren pflegebedürftigen Angehörigen, auch Alleinerziehen- werden und diese in gesicherten Verhältnissen aufwach- de –, und den Familien, die zu uns kommen . Mir ist es sen können . in der Debatte dieser Tage ganz wichtig, dazu beizutra- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- gen, dass sich die Befürchtung, dass wir die einheimi- ten der LINKEN und der Abg . Ulle Schauws sche Bevölkerung vergessen, weil wir uns nur noch um [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Flüchtlinge kümmern – einige versuchen, diese Angst zu schüren –, nicht weiter verfestigt . Das Gegenteil ist Aber was nützt uns das, wenn unsere Kinder, weil wir der Fall: Wir kümmern uns um alle Familien und um alle nur 50 Millionen Euro aufwenden, um gegen Rechtsex- Kinder, um die Kinder, die hier geboren sind, aber auch tremismus vorzugehen, in einem durch Fremdenfeinde um die Kinder, die bei uns Schutz und Zuflucht suchen. Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13781

Bundesministerin Manuela Schwesig (A) Das gehört zusammen; sie sollten nicht gegeneinander vom Fußballtraining für die Kids bis hin zur Hospizar- (C) ausgespielt werden . beit . Ohne dieses Engagement wäre unser Land viel är- mer und längst nicht so solidarisch . Deshalb ist es gut (Beifall bei der SPD sowie des Abg . Marcus und richtig, dass wir das Ehrenamt zukünftig besser un- Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]) terstützen, auch vor dem Hintergrund der großen Heraus- Wir unterstützen unsere Familien mit dem Familien- forderung der Integration der Flüchtlinge . Deshalb wer- paket, das wir in diesem Jahr auf den Weg gebracht ha- den wir den Bundesfreiwilligendienst um 10 000 Stellen ben und das in 2016 stärker wirken wird . Wir haben nicht aufstocken . Wir haben versprochen, damit zum 1 .Januar nur den Kinderfreibetrag und das Kindergeld erhöht, 2016 zu beginnen . Die gute Nachricht ist: Wir beginnen sondern werden ab 2016 den Kinderzuschlag erhöhen, damit schon zum 1 .Dezember 2015 . Es wird 10 000 zu- insbesondere für die Familien, die ganz besonders unsere sätzliche Stellen geben für Einheimische, die sich für Unterstützung brauchen, diejenigen, die jeden Tag ar- Flüchtlinge engagieren wollen, aber auch für Flüchtlinge beiten gehen, aber eben von geringen Einkommen leben selbst . Flüchtlinge, die zu uns kommen, sind nicht in ers- müssen und auch gut über die Runden kommen wollen . ter Linie eine Belastung; sie können etwas, sie bringen Diese Familien unterstützen wir mit Kindergeld und Kin- etwas mit, sie wollen sich einbringen . Auch ihr Engage- derzuschlag; dieser wird, wie gesagt, im nächsten Jahr ment sollten wir nutzen . Herzlichen Dank für die große erhöht . Das ist eine wichtige Botschaft an alle in unserem Aufstockung der Stellen beim Bundesfreiwilligendienst . Land, die sich anstrengen, und ein wichtiger Beitrag zur (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Bekämpfung der Kinderarmut . Wir werden auch das ehrenamtliche Engagement mit (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) zusätzlichen 10 Millionen Euro unterstützen . Wir planen Insbesondere die Alleinerziehenden werden zukünftig hier, wie schon in den Haushaltsberatungen berichtet, steuerlich besser gefördert . Auch das sieht der Bundes- ein Patenschaftsprogramm . Wir wollen die Familien, haushalt 2016 vor . Damit senden wir das Signal an die die Patenschaften für Flüchtlingsfamilien übernehmen vielen Frauen, aber auch Männer, die alleine ihren All- wollen, mit diesem Programm unterstützen . Wir werden tag stemmen, für ihre Kinder da sind, arbeiten gehen und außerdem die großen Wohlfahrtsverbände unterstützen . Steuern zahlen, dass wir sie nicht im Stich lassen und In den Wohlfahrtsverbänden, Arbeiterwohlfahrt, Diako- zukünftig steuerlich besser fördern als bisher – endlich nie, Caritas, Paritätischer Wohlfahrtsverband, aber auch nach zehn Jahren . Auch das ist ein wichtiges Signal die- in den muslimischen und den jüdischen Verbänden wird ses Haushalts . tagtäglich viel gute Arbeit von Hauptamtlern und Ehren- amtlern geleistet . Deshalb ist es gut und richtig, dass wir (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) mit diesem Haushalt die Förderung der Wohlfahrtsver- (B) (D) Wir werden die Familien im Land, insbesondere die bände aufstocken . Kinder, auch unterstützen, indem wir die Kinderbetreu- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ung weiter ausbauen . Wir erhöhen die Bundesmittel . Wir der CDU/CSU) haben uns auch entschieden, die aus dem Betreuungs- geld freiwerdenden Mittel ab 2016 zur Verbesserung der Ein ganz wichtiger Punkt: Wir werden mit den zusätz- Kinderbetreuung einzusetzen . Das hilft allen Kindern im lichen Mitteln, die Sie über die Haushaltsberatungen be- Land, den Kindern, die hier geboren sind, und den Kin- reitgestellt haben, dafür sorgen – wir werden den Wohl- dern, die zu uns fliehen. Ich möchte nicht, dass Famili- fahrtsverbänden genau dafür Gelder geben –, dass es en in Konkurrenz um Kitaplätze geraten, Familien, die zukünftig Schutzkonzepte für Kinder und Frauen in den schon da sind, und Familien, die zu uns kommen . Wir Flüchtlingsunterkünften gibt . Wir müssen dafür sorgen, brauchen Kitaplätze für alle Kinder . dass Kinder und Frauen, die zu uns kommen und selbst vor Gewalt geflohen sind, hier keine Gewalt erleben. Wir (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten brauchen bessere Schutzmaßnahmen in Flüchtlingsunter- der CDU/CSU und der LINKEN) künften . Jeder Mensch – jede Frau, jedes Kind und auch jeder Mann –, der hier lebt oder zu uns kommt, muss vor Viele Kinder, die zu uns kommen, wollen und werden Gewalt geschützt werden . Das ist ein Grundprinzip unse- schnell die deutsche Sprache lernen . Ich bin fest davon res Landes, und da müssen wir besser werden . überzeugt, dass Kinder der Schlüssel zur Integration sind, dass sich Kinder damit leichter tun . Deshalb ist es (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten wichtig, dass es in den Kitas eine gute Sprachförderung der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE gibt . Wir werden weiterhin die Bundesprogramme für GRÜNEN) Sprachförderung in den Kitas unterstützen; diese helfen allen Kindern . Das ist ein wichtiger Beitrag zur Erhö- Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, Herr hung der Bildungschancen von Kindern . Leutert hat es völlig zu Recht angesprochen: In unserem Land gibt es nicht nur die helle Seite – die vielen Eh- Ich finde auch sehr gut, dass es uns in den Beratungen renamtler und die vielen Menschen, die sich in der Ver- gelungen ist, ein starkes Signal an die vielen ehrenamt- waltung, in ihrem Hauptjob, kümmern –, sondern auch lich tätigen Frauen und Männer in unserem Land zu sen- die dunkle Seite . Damit meine ich diejenigen, die Hass, den . 23 Millionen Frauen und Männer in unserem Land, Gewalt und Vorurteile schüren . Wir haben es zu tun mit viele junge Leute, engagieren sich – und zwar nicht erst, zunehmendem Rechtsextremismus, aber auch mit zuneh- seitdem viele Flüchtlinge zu uns kommen; das war schon mendem Antisemitismus, zunehmendem Salafismus und lange vorher so – in vielen Bereichen: vom Sportverein, auch mit linker Gewalt . Das zeigt, dass es unsere Aufgabe 13782 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Bundesministerin Manuela Schwesig (A) ist, unsere Gesellschaft zusammenzuhalten und dafür zu unser Land bleibt, was viele so attraktiv finden, ein fa- (C) sorgen, dass diejenigen, die jeden Tag Hass, Gewalt und milienfreundliches, solidarisches und weltoffenes Land . Vorurteile gegen andere schüren, nicht stärker werden; Vielen Dank . denn sie bedrohen unsere Gesellschaft . Die Gesellschaft wird nicht durch die Menschen, die zu uns kommen, be- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) droht . Unser Land wird durch diejenigen bedroht, die gegen unsere Demokratie und gegen Weltoffenheit sind . Vizepräsident Johannes Singhammer: Das ist unser Problem . Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulle Schauws für Bündnis 90/Die Grünen . (Beifall bei der SPD und der LINKEN so- wie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Deshalb ist unser Programm „Demokratie leben!“ nicht Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Gestern war in erster Linie ein Programm gegen etwas, lieber Herr der Internationale Tag gegen Gewalt gegen Frauen . Da- Leutert, sondern ein Programm für etwas: für Demokra- rum will ich als Erstes die Frauen und Mädchen in den tie und Vielfalt . Diesem Anspruch kann man nicht an nur Blick nehmen, die aus Afrika, Syrien, Afghanistan und einer Stelle nachkommen, auch nicht in einem Landkreis von anderswo in der Welt zu uns kommen und bei uns allein . Das muss vielmehr in allen Bereichen der Gesell- Schutz suchen. Sie fliehen vor Krieg, vor Verfolgung, vor schaft geschehen . Sie haben völlig recht: Wenn wir mit Gewalt und häufig aus geschlechtsspezifischen Gründen. nur 60 000 Euro in einem Landkreis für Sicherheit sorgen Viele von ihnen haben in ihren Heimatländern Schreck- wollten, dann wäre das wenig . Aber Sie wissen auch: Wir liches erlebt und sind traumatisiert . Auf der Flucht sind insbesondere sie als alleinreisende Frauen und Mädchen machen wesentlich mehr . gefährdet und von sexualisierter Gewalt bedroht . Wenn sich die Menschen in unserem Land heute fra- Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass diese Mädchen gen: „Kann ich mich eigentlich sicher fühlen?“, dann und Frauen auch hier in den Flüchtlingsunterkünften vor will ich ganz persönlich sagen: Ja . – Ich war gestern mit Gewalt nicht sicher sind und sexualisierte Übergriffe er- meinem Sohn auf dem Weihnachtsmarkt und habe mich leben, kann uns nicht verwundern . Da sind wir als Bund genauso gut gefühlt wie jedes Jahr, weil die Bratwurst genauso wie die Länder gefragt . Die Kommunen sind genauso gut war wie jedes Jahr. Ich finde, wir dürfen un- derzeit froh, die Flüchtlinge überhaupt unterzubringen . ser freiheitliches Leben jetzt nicht infrage stellen . Aber Trotzdem: Es muss auch über das Wie der Unterbringung (B) natürlich müssen wir uns Gedanken machen, wie wir die und über die Mindeststandards, gerade für besonders (D) Sicherheit verstärken . Die Sicherheit wird nicht allein Schutzbedürftige, gesprochen werden . durch Bundespolizei und Verfassungsschutz gewährleis- Es darf doch nicht sein, dass sich Frauen und Mädchen tet, sondern auch durch Prävention . Wir müssen dafür aus Angst vor sexuellen Übergriffen und Gewalt nicht sorgen, dass sich junge Leute nicht von Rechtsextremen mehr frei bewegen und Toiletten und Duschen meiden . ansprechen lassen, dass sie sich nicht von Salafisten an- Das gilt auch für lesbische, schwule, trans- oder interse- sprechen lassen und sich nicht dem IS anschließen . xuelle Flüchtlinge . Nein, sie brauchen Rückzugsräume und abschließbare Sanitäreinrichtungen . Schutzbedürfti- Wir pflegen einerseits lokale Partnerschaften vor Ort ge brauchen Sicherheit . Betroffene von Gewalt müssen und fördern andererseits insbesondere bundesweit agie- zügig Beratung und Betreuung erhalten, wenn sie diese rende Träger, die Schulprojekte durchführen, aufklären brauchen . Dazu gehört auch der Einsatz von Dolmet- und die Jugend in ihrer gesamten Vielfalt zusammen- scherinnen . Zugang zu Fachberatungsstellen gegen sexu- bringen . Außerdem fördern wir Aussteigerprojekte und alisierte Gewalt und zu Gewaltschutzeinrichtungen muss mobile Beratung . Das umfasst viel mehr als nur lokale gewährleistet werden, die Residenzpflicht darf dem nicht Demokratiepartnerschaften . Deshalb ist es richtig, dass im Weg stehen . wir die Mittel für dieses Programm jetzt um 10 Millionen Euro aufstocken . Wir tun das, um diejenigen starkzuma- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN chen, die vor Ort jeden Tag ihr Gesicht dafür hinhalten, sowie bei Abgeordneten der LINKEN) dass unsere Demokratie gestärkt wird, und die sich dage- Die im Bundeshaushalt eingestellten 3,75 Millio- genstellen, wenn manche anfangen, Hass und Gewalt ge- nen Euro zur Unterstützung und Beratung von Flücht- gen andere zu schüren . Das ist die Idee des Programmes lingsfrauen sind hier deutlich zu wenig . Wir fordern ein „Demokratie leben!“ . Deshalb ist es richtig, dass wir da Bundesprogramm für Gewaltschutz für schutzbedürftige 10 Millionen Euro obendrauf legen . Flüchtlinge in Höhe von insgesamt 25 Millionen Euro . Wenn wir es versäumen, hier tatkräftig zu investieren, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) sind langfristige und belastende Folgen absehbar . Da müssen wir, finde ich, jetzt entschiedener handeln. Sie sehen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeord- nete: Der Haushalt 2016 bietet gute Möglichkeiten, die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) moderne Politik für die Familien im Land fortzusetzen . Noch eines: Posttraumatische Belastungsstörungen Wir haben die Möglichkeit, die Zivilgesellschaft und das als eine Folge von sexualisierter Gewalt nicht mehr als Ehrenamt viel stärker zu unterstützen als bisher, damit erheblichen Grund gegen Abschiebung anzuerkennen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13783

Ulle Schauws (A) und damit speziell Asylgründe für Frauen zu negieren – mit dem 13 .Geburtstag des Kindes . Das geht komplett (C) dazu sage ich Ihnen ganz klar: Das geht gar nicht . an der Realität vorbei . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das Gleiche gilt für die Bezugsdauer . Sie ist nämlich sowie bei Abgeordneten der LINKEN) auf sechs Jahre begrenzt . Das bedeutet im Falle einer Trennung – gerade wenn die Kinder noch jung sind –, Frau Ministerin Schwesig, viel Neues im Sinne einer dass Alleinerziehende ziemlich sicher den Zeitpunkt er- modernen Familienpolitik findet sich im Übrigen in Ih- reichen, an dem der Unterhaltsvorschuss wegfällt . Sie rem Etat nicht . Ich greife einmal vier Punkte heraus . leben quasi auf die Armutsfalle hin . Was ist das für eine Erstens . Es freut uns, dass das Elterngeld so ein Erfolg Perspektive? Was muten wir den so leistungsfähigen Al- ist, und dieser Erfolg ist mit Kosten verbunden . Punkt! leinerziehenden – das sind vor allem Frauen – zu? Des- halb fordern wir, die Bezugsdauer aufzuheben und die Zweitens . Es freut uns, dass das verfassungswidrige Altersgrenze auf 18 Jahre anzuheben . Das wäre ein we- Betreuungsgeld vom Tisch ist . Aber wie gut hätte es der sentlicher Schritt, viele Alleinerziehende und ihre Kinder Kinder- und Familienpolitik getan, wenn die freiwerden- aus der Armut zu holen . den Mittel im Haushalt geblieben wären? Wir alle wissen, dass es trotz Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz immer (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch an Qualität in Kitas mangelt . All dies gewinnt jetzt sowie des Abg . Michael Leutert [DIE LIN- mit Blick auf die neu zu uns kommenden Flüchtlingskin- KE]) der an Bedeutung . Bisher ist unklar, was das für den All- Liebe Kolleginnen und Kollegen und auch liebe Frau tag in einer Kita tatsächlich bedeutet . Aber dass sich etwas Schwesig: Ich sage Ihnen, mit etwas mehr Mut hätten Sie ändern wird, das ist doch klar . Wenn man sich Ihre Schät- diesen Einzelplan im Sinne von Frauen und Kindern und zungen vor Augen führt, Frau Schwesig, 110 000 Kin­der gegen deren Armut gerechter ausgestalten können . Sie unter sechs Jahren, die allein dieses Jahr zu uns kommen, haben eine große Chance vertan . dann wird deutlich: Das, was Sie dafür an Mitteln in Ih- rem Etat eingestellt haben, reicht nicht aus . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittens . Wie gern hätten wir uns auch über die Erhö- Vizepräsident Johannes Singhammer: hung des Kinderzuschlags gefreut – Sie haben das eben erwähnt –, wäre er nicht derart mickrig ausgefallen . Da- Nächster Redner ist der Kollege Alois Rainer für die bei sind die Stellschrauben den meisten hier Anwesenden CDU/CSU . (B) bekannt . Hätte die Koalition etwas mehr Engagement an (Beifall bei der CDU/CSU) (D) den Tag gelegt und mehr an diesen Stellschrauben ge- dreht, dann hätte sie vielen mehr helfen können . Alois Rainer (CDU/CSU): Viertens . Was mir gerade als frauenpolitische Spre- Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe cherin meiner Fraktion am Herzen liegt, ist die große Kolleginnen und Kollegen! Noch nie hat der Bund so Leerstelle bei den Alleinerziehenden und der Kinder- und viel Geld für Familien, Kinder und Jugendliche bereitge- Familienarmut . In Deutschland leben rund 1,6 Millionen stellt wie in diesem Haushaltsplan . Alleinerziehende mit ihren Kindern, ganz überwiegend Mütter . Sie arbeiten oft Vollzeit und managen den Fami- (Beifall bei der CDU/CSU) lienalltag – rund um die Uhr im vollen Einsatz, oft ohne Atempause . Dass uns die Familienpolitik am Herzen liegt, zeigen wir einmal mehr mit dem nun vorliegenden Haushaltsent- Vier von zehn Alleinerziehenden sind bei uns arm . wurf . Trotz der uns allen bekannten schwierigen Situa- Ein Drittel im SGB‑II‑Bezug ist gleichzeitig berufstätig tion ist es ein gutes Signal, dass es uns gelungen ist, den und stockt auf . Fast jedes zweite Kind im ALG‑II‑Be- Haushalt unseren Vorstellungen entsprechend anzupas- zug wächst in einem Alleinerziehendenhaushalt auf . sen . Insgesamt gilt es festzustellen, dass wir im Haus- Das heißt, wenn man etwas gegen Kinderarmut machen haltsjahr 2015 8,535 Milliarden Euro für den Einzel- möchte, dann muss man bei den Alleinerziehenden anset- plan 17 bereitgestellt haben . Für das Haushaltsjahr 2016 zen . In einem so wohlhabenden Land wie unserem kann steigen die Leistungen auf beachtliche 9,1 Milliarden es doch nicht sein, dass wir Kinder-, Frauen- und Famili- Euro . Dies ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, enarmut in einem solchen Ausmaß zulassen . Da können das richtige Signal an alle: an Eltern und Kinder, aber und da müssen wir noch mehr gegensteuern . auch an die Freiwilligen und die vielen Ehrenamtlichen in unserem Land . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die wissenschaftli- chen Erkenntnisse der Evaluation der Ehe- und Familien- Es war daher auch richtig, das Elterngeld aufgrund der förderung aus Ihrem Haus liegen auf dem Tisch, und da Annahme höherer Geburtenzahlen in der Bereinigungs- bleiben sie anscheinend auch liegen . Hier wird klar: Der sitzung am 12 . November um 205 Millionen Euro auf Unterhaltsvorschuss hat einen deutlichen Einfluss auf nun 6 Milliarden Euro anzuheben . Damit stehen weiter- das Armutsrisiko von Kindern . Aber anders als im Unter- hin ausreichend Mittel für das Elterngeld zur Verfügung . haltsrecht endet die Zahlung des Unterhaltsvorschusses Wegen der Zunahme der Geburtenzahlen kann man se- 13784 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Alois Rainer (A) hen, dass das Elterngeld ein Erfolgsmodell ist und auch warum das so eine Brutstätte ist . Wir beide können uns (C) bleiben wird . gerne einmal darüber unterhalten; vielleicht finden wir eine Lösung, was das angeht . Aber bitte lassen Sie uns (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) nicht nur einseitig von einer Form von Extremismus Mit dem vorliegenden Haushalt – und dies war mir sprechen, sondern von allen seinen Formen . und, ich denke, allen Berichterstattern ein besonderes Anliegen – stärken wir auch das Ehrenamt . Denn die (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- vielen Helferinnen und Helfer, die teilweise bis zur Er- neten der SPD – [DIE LINKE]: schöpfung arbeiten, leisten in dieser schwierigen Zeit Was passiert denn hier in Deutschland gerade, Großartiges . Zur Stärkung des zivilgesellschaftlichen Herr Kollege?) Engagements haben wir – das war der Koalition ein be- Es ist uns in den zurückliegenden Verhandlungen ge- sonderes Anliegen – 10 Millionen Euro zusätzlich zur lungen, an den wichtigsten Stellschrauben wie den ge- Verfügung gestellt . setzlichen Leistungen, der Kinder- und Jugendpolitik, In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die aber auch der Stärkung der Zivilgesellschaft und der Fa- Erhöhung der Mittel für den Bundesfreiwilligendienst milien-, Gleichstellungs- und Seniorenpolitik zu drehen in Höhe von 50 Millionen Euro hinweisen . Es werden und die nötigen Akzente zu setzen . Des Weiteren entlas- 10 000 Stellen speziell für den Bundesfreiwilligendienst ten wir die Familien mit dem Kinderfreibetrag und dem bedient . Die Inhaber dieser Stellen sollen ausschließlich Kinderzuschlag in diesem Jahr bereits um 750 Millionen zur Unterstützung der Flüchtlingsarbeit tätig sein . Euro . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Meine sehr verehrten Damen und Herren, trotz der enormen finanziellen Auswirkungen auf den Bundes- Damit wollen wir eine spürbare Entlastung der Ehren- haushalt haben wir einen ausgewogenen Haushalt vor- amtlichen bei der Bewältigung der Flüchtlingsarbeit gelegt . Deshalb bin ich sehr froh und guter Dinge, dass schaffen . der Bund die finanziellen Herausforderungen ohne neue Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir Schulden und vor allem ohne Steuererhöhungen bewäl- von Flüchtlingen sprechen, dann heißt das, sich auch tigen wird . Gedanken über diejenigen zu machen, die in Deutsch- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und land ein berechtigtes Aufenthaltsrecht besitzen . Meines der SPD) Erachtens gelingt – das wurde angesprochen – eine Inte- gration nur über die Sprache . Eine vernünftige Integrati- Dass der Bund dazu überhaupt in der Lage ist, ist den (B) on ist natürlich mit Rechten, aber auch mit Pflichten ver- guten Steuereinnahmen geschuldet, und wir haben diese (D) bunden . Und das muss auch so gesagt werden . Um dies guten Steuereinnahmen, weil die politischen Stellschrau- alles zu ermöglichen, haben wir die Jugendmigrations- ben richtig gestellt wurden, weil wir fleißige Arbeitneh- dienste – auch wenn die mehr wollten – mit 8 Millionen merinnen und Arbeitnehmer in Deutschland haben und Euro zusätzlich ausgestattet . Wir haben die Förderung weil wir fleißige und innovative Arbeitgeber in Deutsch- der sogenannten C1-Sprachkurse um weitere 15 Millio- land haben . Nur deshalb haben wir die Möglichkeit, die- nen Euro angehoben, um gut ausgebildeten Flüchtlingen se Mittel zweckgebunden auszugeben . schneller den Hochschulzugang zu ermöglichen . Eine Politik ohne neue Schulden und Steuererhöhun- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und gen ist für mich persönlich eine verantwortungsvolle und der SPD) generationengerechte Politik . So müssen und werden wir Weitere 2 Millionen Euro gehen an den Bundesjugend­ auch weitermachen . ring . Angesichts der wichtigen Beiträge, die die Wohl- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- fahrtsverbände für die Gesellschaft leisten, werden diese ordneten der SPD) mit 2 Millionen Euro zusätzlich unterstützt . Dies ergibt einen Gesamtansatz von circa 20,8 Millionen Euro . Lassen Sie mich zum Schluss aber noch eines an- merken: Bei all der derzeitigen verantwortungsvollen Meine Damen und Herren, es ist schon angesprochen und wichtigen Diskussion tragen wir auch Verantwor- worden: Es ist uns miteinander gelungen, die Mittel zur tung gegenüber den Menschen und Familien in unse- Bekämpfung von Extremismus und Demokratiefeind- rem Deutschland . Dieser Verantwortung stellen wir uns lichkeit zu erhöhen . Leider haben Sie es nicht über Ihre immer neu mit einer Unterstützung, wie sie so noch nie Lippen gebracht, lieber Kollege Leutert, auch über linken dagewesen ist . Extremismus zu reden . Wir reden nämlich nicht nur über rechten Extremismus . Ich will nur kurz ein paar Punkte ansprechen, die die- (Widerspruch des Abg . Norbert Müller [Pots- sen Einzelplan betreffen: Wir verstetigen die Förderung dam] [DIE LINKE] der Mehrgenerationenhäuser, der Conterganstiftung, des Fonds Sexueller Missbrauch, des Hilfetelefons „Gewalt Wenn wir über Extremismus sprechen, dann geht es um gegen Frauen“ – das ist unglaublich wichtig –, und wir linken und rechten Extremismus, um Salafismus und an- werden eine Kinderschutzhotline für Ärzte einführen . deres . Auch wir wollen keinen rechten Extremismus . Wir Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen sprechen uns massiv dagegen aus . Das, was in Sachsen Kindesmissbrauchs wird gestärkt . Wir stellen 3 Millio- passiert, verstehe ich nicht . Ich verstehe einfach nicht, nen Euro für das Deutsch-Griechische Jugendwerk zur Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13785

Alois Rainer (A) Verfügung und kommen damit einer Vereinbarung im sere Familien, unsere Kinder, unsere Jugend und unsere (C) Koalitionsvertrag nach . Senioren . Ich glaube, es gibt den Wunsch nach einer Zwischen- Vielen herzlichen Dank . frage . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Ja, der Präsident hat das schon gesehen . Die Kollegin Vizepräsident Johannes Singhammer: Deligöz möchte eine Zwischenfrage stellen, und ich ver- Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem mute, dass Sie damit einverstanden sind . Kollegen Leutert .

Alois Rainer (CDU/CSU): Michael Leutert (DIE LINKE): Selbstverständlich . Lieber Herr Kollege, ich habe in meinem Redebeitrag sehr wohl gesagt, dass sich das infragestehende Pro- Vizepräsident Johannes Singhammer: gramm für Demokratie unter anderem gegen Gewalt und Bitte schön . Menschenfeindlichkeit insgesamt wendet . Das schließt meines Erachtens jede Form von Extremismus ein . Ich habe mich aber bewusst auf den Rechtsextremismus kon- Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): zentriert, weil er unser aktuelles Problem darstellt . Die Herr Kollege Rainer, ich habe gerade noch einmal Ih- Flüchtlinge und ihre Heime, die Ehrenamtlichen sowie ren Vorschlag vernommen, von dem ich auch schon in Politikerinnen und Politiker werden derzeit von Frem- der Presse gelesen habe . Ist Ihnen klar, dass, wenn Sie denfeinden und Rassisten angegriffen . Es ist die Aufga- die Mittel für die Aufarbeitungskommission und für den be der Politik, auf aktuelle Ereignisse zu reagieren und Beauftragten gleichstellen – Sie haben von 3 Millionen Probleme vorausschauend zu lösen . Derzeit warnen die Euro gesprochen –, dies bedeuten würde, dass sich der Sicherheitsbehörden vor dem Problem des Rechtsextre- Beauftragte, wenn er das Geld für die Aufarbeitungs- mismus bzw . der Fremdenfeindlichkeit . Aufgrund dieses kommission verwendet, selbst abschaffen müsste, weil aktuellen Anlasses habe ich darauf hingewiesen . er dann keine Möglichkeiten mehr hätte, seinen Auftrag als Beauftragter zu gewährleisten? Der Bundestag hat (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- dem Beauftragten zusätzlich 3 Millionen Euro zugesagt . neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Davon ist nur ein Bruchteil finanziert. Ist Ihnen bewusst, dass die Aufarbeitungskommission, wenn dort nicht auf- (B) Vizepräsident Johannes Singhammer: (D) gestockt wird, nicht ihre Arbeit aufnehmen kann, es sei Herr Kollege Rainer, möchten Sie darauf erwidern? denn, der Beauftragte schaffte sich selbst ab? Die Möglichkeit bestünde jedenfalls .– Bitte, Herr ­Rainer . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Alois Rainer (CDU/CSU): Alois Rainer (CDU/CSU): Lieber Kollege, Sie haben das vielleicht im Gesamt- Wir haben meines Erachtens dem Beauftragten kontext gesehen, aber das Wort „Linksextremismus“ ein- 500 000 Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt . fach nicht in den Mund genommen . Da Sie jede Form von Extremismus aufgezählt haben, hätten Sie auch den (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Linksextremismus erwähnen können . Wenn wir eine NEN]: Aber 3 Millionen waren besprochen!) vorausschauende Politik betreiben wollen, dann sollten Bei einem Gesamtvolumen von zuvor 3,2 Millionen wir auch darauf hinweisen, dass es Linksextremismus in Euro sind wir nun bei nachweislich 3,7 Millionen Euro . Deutschland gegeben hat und noch immer gibt . Wir sind also über 3 Millionen Euro . Liebe Frau Kolle- (Karin Binder [DIE LINKE]: Wo?) gin, wir haben viele Gespräche mit dem Haus darüber ge- führt, wie das zu verstehen ist . Für mich sind es nach wie Frankfurt ist ein gutes Beispiel . Linksextremismus gibt vor über 3 Millionen Euro, genau 3,7 Millionen Euro . Zu es auch bei uns . diesem Ergebnis kommt man, wenn man beides addiert . (Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Mein (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Gott! – Karin Binder [DIE LINKE]: Man kann neten der SPD – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/ ihn auch herbeireden!) DIE GRÜNEN]: Dann soll er sich selbst ab- schaffen!) Danke . – Nein, er soll sich nicht abschaffen; denn es sind noch (Beifall bei der CDU/CSU) andere Häuser gefragt, hier einen finanziellen Beitrag zu leisten . Vizepräsident Johannes Singhammer: (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Für die SPD hat jetzt das Wort die Kollegin Dr . Carola Reimann . Wir verstehen unsere Arbeit für die Jugend so, wie es in diesem Haushaltsplan angedacht ist . Mit den entspre- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten chenden Mitteln sind wir auf einem guten Weg für un- der CDU/CSU) 13786 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

(A) Dr. Carola Reimann (SPD): Der vorliegende Haushalt ist auch Ausdruck der er- (C) Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- folgreichen Arbeit, die die Bundesregierung in den ver- ren! Der Einzelplan für Familie, Senioren, Frauen und Ju- gangenen zwei Jahren geleistet hat . Neben den unmittel- gend umfasst gut 9 Milliarden Euro . Damit bewegen wir bar im Haushalt wirksamen Projekten haben wir gerade eine ganze Menge . Das hat die Ministerin zu Beginn der im Bereich der Gleichstellung viel erreicht . Mit dem Debatte deutlich gemacht . Vom Elterngeld über Mehrge- Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Männern nerationenhäuser und den Bundesfreiwilligendienst bis und Frauen an Führungspositionen haben wir nicht nur hin zur Stärkung von Demokratie und Vielfalt investieren einen wichtigen – ich finde, einen historischen – Schritt wir nachhaltig in den gesellschaftlichen Zusammenhalt . für mehr Gleichberechtigung geschafft, sondern wir ha- Ich finde, das ist gut investiertes Geld. ben auch die Weichen für mehr Vielfalt in den Führungs- etagen gestellt. Davon werden Unternehmen profitieren. Zu den genannten Mitteln kommen Investitionen für Darauf werden wir uns aber nicht ausruhen . Die Familien, Kinder und Jugendliche aus anderen Etats . Gleichstellung von Frauen und Männern bleibt auf der Wir unterstützen Familien durch finanzielle Leistungen, Agenda, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Eu- durch höheres Kindergeld, durch eine Erhöhung des Kin- ropa . Deshalb begrüße ich die Initiative für eine europä- derzuschlags und durch eine bessere Betreuungsinfra- ische Frauenquote, und ich finde, dass sich Deutschland struktur . Wir bringen den Kitaausbau weiter voran durch dafür auch auf europäischer Ebene starkmachen muss . zusätzliche Mittel für das Sondervermögen „Kinderbe- treuungsausbau“ und das Bundesprogramm „KitaPlus“ . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Denn Randzeitenbetreuung ist gerade für berufstätige des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mütter und Väter und insbesondere für Alleinerziehende wichtig, die nicht den klassischen Nine-to-five-Job -ha Natürlich werden wir uns in den kommenden Wochen ben . dem Thema Lohngerechtigkeit zuwenden . Noch immer verdienen Frauen in Deutschland im Schnitt 22 Prozent (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten weniger als ihre männlichen Kollegen . Das ist ein Skan- der CDU/CSU) dal . Seit Jahren treten wir hier auf der Stelle . Es hilft nichts, jedes Jahr neu diese Zahlen zu beklagen . Deshalb Gut investiert sind im Übrigen auch die freiwerdenden ist es Zeit für ein Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit . Mittel aus dem Betreuungsgeld . Für uns Sozialdemokra- tinnen und Sozialdemokraten war nach dem Urteil des (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Bundesverfassungsgerichts immer klar: Wir wollen Ver- DIE GRÜNEN) trauensschutz für diejenigen, die diese Leistung beziehen (B) und beantragt haben . Wir wollen, dass diese Gelder den Wir haben noch viel vor bei der Gleichstellung, bei (D) Familien weiter zugutekommen . Wir wollen auch eine der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und auch bei bessere Kinderbetreuung . Das haben am Anfang nicht der Kinderbetreuung und im Bildungsbereich . Gerade alle so gesehen . Da haben wir uns durchgesetzt, und das bei den letzteren Punkten ist die Herausforderung in Zei- ist auch gut so . ten starker Zuwanderung noch größer geworden . Aber – auch das will ich hier betonen – diese Herausforderungen (Beifall bei der SPD) sind auch nicht neu . Mehr Qualität in Kitas, frühkind- liche Bildung, stärkere Sprachförderung, gute Schulen, Familien brauchen Geld, Familien brauchen eine gut verlässliche Ganztagsbetreuung – dafür setzen wir uns funktionierende, qualitativ hochwertige Betreuungsinfra- seit Jahren ein . Es hat sich da auch vieles getan . struktur, und Familien brauchen Zeit . Gerade für Frauen und Männer in der Mitte ihres Lebens, die viel Verant- Jetzt gilt es, mit den neuen Integrationsherausforde- wortung tragen, im Beruf, für ihre Kinder, für ihre Eltern, rungen die Chance für einen zusätzlichen Investitions- ist Zeit die knappste Ressource . Mit dem Gesetz zur bes- schub zu ergreifen . Dabei geht es nicht um ein Entwe- seren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf und der-oder, also darum, dass die einen etwas bekommen mit dem Elterngeld Plus unterstützen wir Familien, die und die anderen nichts . Nein, von diesem Investitions- viel Verantwortung tragen, und wir zeigen auch, dass wir schub müssen und werden alle profitieren; denn nur so die zeitpolitischen Herausforderungen in der heutigen kann Integration gelingen . Zeit angehen . (Beifall bei der SPD) Ich weiß, dass das in den Ohren einiger Haushälter Kolleginnen und Kollegen, das alles kostet Geld . Aber jetzt seltsam klingt, aber ich freue mich über die Mehr- wir müssen jetzt klotzen und dürfen nicht kleckern, wie ausgaben beim Elterngeld; denn diese Ausgaben zeigen, es Thomas Oppermann gestern schon gesagt hat . Dieses dass das Elterngeld bei Müttern und zunehmend auch bei Geld ist eine gute Investition, weil sie den Zusammenhalt Vätern gut ankommt . Sie bestärken uns darin, diesen Weg in unserem Land stärkt und weil am Ende alle von mehr in der Zeitpolitik weiterzugehen . Wir wollen die partner- Qualität in guten Kitas, von guten Schulen und von ver- schaftliche Arbeitsteilung von Müttern und Vätern . Wir lässlicher Ganztagsbetreuung profitieren. wollen, dass berufstätige Eltern mit der Familienarbeits- zeit mehr Zeit für ihre Familien haben . Danke fürs Zuhören . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13787

(A) Vizepräsident Johannes Singhammer: Zur Vermeidung von sogenannten Parallelgesellschaf- (C) Nächster Redner ist der Kollege Jörn Wunderlich für ten, wie es von der Regierung immer wieder betont wird, die Fraktion Die Linke . fehlt erkennbar der politische Wille dieser Koalition . Die Linke will integrieren, um nicht erneut eine verlorene (Beifall bei der LINKEN) Generation zu generieren .

Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Deshalb reichen die Mittel bei der Betreuung unbe- gleiteter Minderjähriger eben nicht aus . Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge- rade in der gegenwärtigen Situation ist in Deutschland (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Familienpolitik furchtbar wichtig . Wir haben es von allen gehört . Was in der Familienpolitik alles so Tolles geleis- In Brandenburg sind im Nachtragshaushalt für nächs- tet worden ist, jedenfalls angeblich, konnten wir gerade tes Jahr 90 Millionen Euro dafür eingestellt . Die Bun- wahrnehmen . desregierung stellt insgesamt 350 Millionen Euro zur Verfügung . Nach dem Königsteiner Schlüssel bekommt (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Mi- Brandenburg davon 10,7 Millionen Euro, bleibt also auf chaela Noll [CDU/CSU]: Bis hierher stimmt 88 Prozent der Kosten sitzen . Ähnlich sieht es in Thü- es! – Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/ ringen aus, wo der Freistaat auf 87 Prozent der geplan- CSU]: Herr Wunderlich, ich sehe eine ge- ten 77 Millionen Euro sitzen bleibt . Deshalb muss der meinsame Zukunft! – Sönke Rix [SPD]: Ein- Bund in diesem gesamten Bereich mehr investieren . Die sicht ist der erste Weg zur Besserung!) 350 Millionen Euro reichen nicht aus . Es gibt aber auch Kritikpunkte . Ich möchte mich Wenn wir nächstes Jahr die Marke von 100 000 un- aufgrund der beschränkten Redezeit auf vier Punkte be- begleiteten minderjährigen Flüchtlingen erreicht haben schränken . und die Unterbringung pauschal pro Tag 140 Euro kos- Das Sondervermögen Kitaausbau ist anstelle von tet, dann kann sich jeder einigermaßen nicht Dumme aus- 230 Millionen Euro mit 1 Milliarde Euro aufzustocken . rechnen, dass die 350 Millionen Euro bei weitem nicht Es fehlen noch immer Plätze . Wenn man Kitas wirklich ausreichen, sondern eine Lachnummer sind . Hier werden als frühkindliche Bildungsstätten versteht, dann muss Kinder wieder einmal in ihren Verfassungsrechten be- man sagen, dass dies die Investition in die Zukunft ist, schnitten . die von allen Seiten immer gefordert wird . Kinder sind Problematisch bei dieser Finanzierung ist – das muss unsere Zukunft . ich zugeben –, dass sowohl die positiven Effekte als Wir alle freuen uns über eine gestiegene Geburtenra- auch die nachteiligen Wirkungen erst in Jahren sichtbar (B) te . Gleichzeitig scheint die Kinderarmut in Deutschland bzw . wirksam werden . Dazwischen liegen dummerweise (D) aber nicht das prägnante Thema für diese Regierungsko- Wahlen . Offensichtlich möchte die Regierung nur kurz- alition zu sein . Dazu zählt auch die Kinder- und Jugend- sichtig mit fadenscheinigen Erfolgen protzen, die in der politik, gerade unter Berücksichtigung der gegenwärti- Gesamtschau für Deutschland einfach teurer werden . gen Situation mit den Anforderungen an eine gelungene Der Unterhaltsvorschuss ist ein wesentliches Mittel, Integrationspolitik . um Kinderarmut zu verhindern . Von daher sollte dieser (Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: ausgebaut und entfristet werden . Deshalb fordert Die Das ist doch Quatsch!) Linke schon seit mehr als zehn Jahren, den Unterhalts- vorschuss über das zwölfte Lebensjahr und länger als Jeder hier investierte Euro ist ein gut investierter Euro . Das sechs Jahre zu zahlen . weiß jeder, der in der Kinder- und Jugendpolitik tätig ist . (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Sogar die Kommission „Zusammenhalt stärken – Zu- Ebenso zieht jeder gesparte Euro ein Vielfaches an Fol- kunft der Bürgergesellschaft gestalten“ der CDU sagte gekosten nach sich . im Juni – ich zitiere –: Wir wollen dafür sorgen, dass der Mein Kollege Weinberg hat schon in der ersten Le- Unterhaltvorschuss länger als 72 Monate und über das sung zum Haushalt dazu bemerkt – ich zitiere –: zwölfte Lebensjahr des Kindes hinaus gezahlt werden kann . Wir Niemand kann erklären, warum ein Kind ab dem – damit meint er die Regierung – zwölften Lebensjahr keinen Unterhalt mehr bekommen haben in der Vergangenheit Fehler gemacht: bei soll oder warum es längstens sechs Jahre Unterhalt er- den Gastarbeitern, bei den Aussiedlern, Anfang der halten darf . Das muss geändert werden . Die SPD will 90er-Jahre auch im Zusammenhang mit dem Bür- es . Die CDU-Kommission will es . Wer bremst denn da gerkrieg in Bosnien-Herzegowina . Aus diesen Feh- wieder aus? Wo in diesem Kabinett die schwarze Null lern sollten wir lernen . Integration von Anfang an, sitzt – heute ist er nicht hier; sein Adlatus ist hier –, ist so früh wie möglich . ganz offensichtlich . (Beifall bei der LINKEN, der CDU/CSU und ( [CDU/CSU]: Na, na, na!) der SPD) Die schwarze Null als prioritäres Ziel zu definieren, Und? Gelernt? Pustekuchen! zeugt nicht von perspektivischem Denken . 13788 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Jörn Wunderlich (A) Würde man dies auf private Haushalte übertragen, Nadine Schön (St . Wendel) (CDU/CSU): (C) dann würde die Bauwirtschaft zusammenbrechen . Häu- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ser würde man nur noch mit eigenem Geld finanzieren. Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Haushalts- Hausbaukredite wären dann hinfällig, weil man keinen debatten, das ist immer ein Ringen darum, wie die Gel- Baukredit mehr aufnehmen dürfte, wobei auch das in der der, die wir von unseren Bürgerinnen und Bürgern zur Regel gut investiertes Geld ist . Verfügung bekommen, wie Steuergelder so gut, klug und umsichtig investiert und verteilt werden können, dass sie Gut wäre auch in die Jugendpolitik investiertes Geld . den Menschen in unserem Land wieder zugutekommen . Hier ist seit Jahren gekürzt worden . In den vergangenen Jedes Ressort, jeder Fachpolitiker ringt natürlich darum, beiden Legislaturperioden fand Jugendpolitik praktisch dass in seinem Bereich die Mittel steigen, dass die An- nicht statt . liegen, die man als Fachpolitiker hat, in diesem Haushalt (Sönke Rix [SPD]: Stimmt doch überhaupt berücksichtigt werden . nicht! Haben Sie mal in den Haushalt ge- Wir Familienpolitiker können mit Stolz sagen, dass guckt?) seit zehn Jahren, seit Angela Merkel Bundeskanzlerin ist, Dankenswerterweise hat Ministerin Schwesig eine Ar- die Ausgaben für Familien in unserem Land von Jahr zu beitsgruppe gebildet, die die Jugend und ihre Vorstellung Jahr steigen . Das ist ein gutes Ergebnis . Das ist ein gutes von der Gestaltung ihrer Zukunft in die Demografiestra- Signal an die Menschen in unserem Land . Dafür haben tegie Deutschlands einbeziehen will . Aber es reicht nicht sich die CDU und die CSU starkgemacht . aus, im Rahmen einer Arbeitsgruppe die Wünsche der (Beifall bei der CDU/CSU) Jugendlichen aufzunehmen und in Handlungsempfeh- lungen für die nächste Regierung einfließen zu lassen. Auch in diesem Jahr wächst der Haushalt des Bun- Deshalb fordert die Linke, zumindest die Kürzungen der desfamilienministeriums um mehrere Millionen Euro . letzten Jahre in der Jugendpolitik zurückzunehmen . Gerade in der Bereinigungssitzung letzte Sitzungswoche haben die Haushälter noch einmal wichtige Maßnahmen (Beifall bei der LINKEN – Sönke Rix [SPD]: ergriffen, die zur Bewältigung der aktuellen Flüchtlings- Kürzungen?) krise beitragen . Letzter Punkt . Der Kinderzuschlag als wirksames Mit- Wir wissen, dass viele derjenigen, die heute zu uns tel gegen Kinderarmut muss dringend verstärkt ausgebaut kommen, länger in unserem Land bleiben werden . Des- werden, um gerade die Eltern, die im Niedriglohnsektor halb ist die Integration natürlich eine entscheidende Auf- arbeiten, mit ihren Kindern aus dem diskriminierenden gabe für uns alle . Das führt dazu, dass wir etwas investie- (B) System Hartz IV herauszuholen bzw . sie davor zu be- ren müssen . Den Menschen, die zu uns kommen, stellen (D) wahren . 2014 haben 95 000 Berechtigte Kinderzuschlag wir eine Unterkunft, Verpflegung, aber eben auch Ange- erhalten . Die von der Regierung geplanten 20 Euro Erhö- bote zum Spracherwerb, zur Vermittlung unserer Kultur hung auf 160 Euro ab dem 1 . Juni 2016 – Frau Schwe- und vieles mehr zur Verfügung . sig hat es angesprochen – reichen da bei weitem nicht aus, um Kinderarmut effektiv zu bekämpfen . Deshalb Wir können aber umgekehrt von den Menschen, die zu fordert die Linke einen gestaffelten Kinderzuschlag von uns kommen, auch verlangen, dass sie diese Angebote an- 220 Euro für bis 6-Jährige, von 260 Euro für bis 14-Jäh- nehmen, dass sie sich integrieren und dass sie sich selbst rige und von 300 Euro für bis 18-Jährige – nicht nur im in unsere Gesellschaft einbringen, mit ihren Fähigkeiten, Hinblick auf die Mütter und Väter, sondern insbesondere mit ihrem Willen, aber auch mit der Akzeptanz unserer im Hinblick auf die betroffenen Kinder . Werte . Diese sollen sie aber nicht nur akzeptieren, son- dern auch erlernen und leben . Insofern ist Integration im- (Beifall bei der LINKEN) mer ein Geben und Nehmen . Sie muss in meinen Augen in den nächsten Jahren wesentlich verbindlicher werden, All dies sollte geschehen, damit wir nicht in 15 oder als wir es in der Vergangenheit erlebt haben . 20 Jahren wieder von einer verlorenen Generation spre- chen müssen . Deshalb will die Linke verstärkt in unse- Viele sprechen zu Recht davon, dass die Integration re Zukunft, nämlich in Kinder und Jugendliche, inves- bei uns in der Vergangenheit teilweise gescheitert ist, tieren . Schade, dass sich bei allen guten Vorsätzen und eben weil diese Verbindlichkeit gefehlt hat, weil man ge- Wünschen die Familienministerin in der Koalition nicht sagt hat: Das wird schon irgendwie passen . Darum brau- durchsetzen konnte . Zukunftsprogramm und -investitio- chen wir uns nicht groß zu kümmern . – Nein, Integration nen statt schwarze Nullen im Kabinett, das ist linke Po- muss für beide Seiten verbindlich werden . Das ist ein litik . Anliegen, das die Union hat und das man in den nächsten Wochen und Monaten noch mit geeigneten Maßnahmen (Beifall bei der LINKEN) unterlegen muss . (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Als Nächste spricht die Kollegin Nadine Schön für die In diesem Haushalt machen wir schon vieles, was CDU/CSU . zur Integration beitragen wird . Zum einen schaffen wir 10 000 neue Stellen im Bundesfreiwilligendienst . Das (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . sind 10 000 neue Stellen für Flüchtlingsarbeit, die den Dr . Carola Reimann [SPD]) Hauptamtlichen zugutekommen, die in den Kommunen, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13789

Nadine Schön (St. Wendel) (A) in den Hilfsorganisationen wirklich am Rande dessen Ort schon gibt . Deshalb sollten wir sehr genau gucken: (C) sind, was sie leisten können, die aber gleichzeitig auch die Was brauchen die Patenschaften, die es heute schon gibt? Ehrenamtlichen entlasten, weil die Bundesfreiwilligen- Wie können wir dafür sorgen, dass es mehr Patenschaften dienstler genau an der Schnittstelle zwischen Ehrenamt gibt? und Hauptamt tätig sind . Das Geld für die 10 000 neuen Stellen ist wirklich gut angelegtes Geld, um Hauptamt Ich glaube, dass es bei diesen Patenschaften ein ganz und Ehrenamt zu entlasten und somit vor Ort wirklich großes Bedürfnis nach Beratung gibt, vor allem kultu- viel zu helfen . reller Beratung, weil es komplett verschiedene Kulturen sind, die aufeinandertreffen . Die kulturelle Beratung, die Wir als Union haben gleich gesagt: Wenn wir Beratung in Alltagsfragen, die sich hier stellen – das soll- 10 000 neue Stellen schaffen, wenn wir ein neues Pro- te Inhalt unserer neuen Initiative sein, mit der wir das gramm auflegen, dann wollen wir, dass auch Flüchtlinge, ehrenamtliche Engagement vor Ort konkret unterstüt- die zu uns kommen, sich von Anfang an ehrenamtlich, mit zen; denn das ist das, wofür es bei den Menschen vor bürgerschaftlichem Engagement in unsere Gesellschaft Ort einen Bedarf gibt . Das ist das, was wirklich vor Ort einbringen können . Wieso sollen nicht auch Flüchtlinge ankommt . Bundesfreiwilligendienst leisten können? Das war unser Vorschlag . Wir richten unseren Blick vor allem auf die Schwa- chen, die zu uns kommen . Das sind zum Ersten die Trau- ( [CDU/CSU]: Das war ein matisierten . Für die legen wir jetzt noch ein Programm in sehr guter Vorschlag!) Höhe von 6 Millionen Euro auf . Das sind zum Zweiten Wir sind sehr froh, dass wir in diesen Tagen das Pro- die Jugendlichen, die besonders von den Jugendmigrati- gramm auf den Weg bringen, das es auch Flüchtlingen er- onsdiensten betreut werden . Hierfür hat der Haushalts- möglicht, Bundesfreiwilligendienst zu leisten; denn das ausschuss noch einmal 8 Millionen Euro zur Verfügung gibt ein Zeichen in unsere Gesellschaft, dass diejenigen, gestellt . Zum Dritten sind es die Schwangeren und zum die zu uns kommen, bereit sind, sich einzubringen . Das Teil auch Frauen und Mädchen, die Vergewaltigung und gibt aber auch ein Zeichen an die Flüchtlinge: Jeder Ein- Gewalt erfahren mussten . Wir haben extra Gelder einge- zelne von euch ist uns wichtig . Uns ist wichtig, dass du stellt, um diese besonders gut betreuen zu können . dich einbringst mit deinen Fähigkeiten, mit deiner Arbeit, Sie sehen also: Mit einem großen finanziellen Engage- mit deiner Tatkraft, auch mit den Erfahrungen, die du ment kümmern wir uns wirklich entscheidend um die mitbringst .– Deshalb ist das Geld für diese 10 000 neuen Menschen, die zu uns kommen . Stellen, vor allem für diejenigen, die von Flüchtlingen selbst besetzt werden, wirklich gut angelegtes Geld . Mir ist wichtig, dass bei all den Diskussionen, die wir (B) jetzt um die Flüchtlingskrise führen, draußen bei den (D) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Menschen nicht der Eindruck entsteht: Wir machen jetzt ordneten der SPD) nichts anderes mehr . Wir kümmern uns nur noch um die Wir werden 10 Millionen Euro zusätzlich einsetzen, Flüchtlingskrise .– Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben um ehrenamtliches Engagement zu verstärken . Ehren- in diesem Jahr viele Maßnahmen auf den Weg gebracht, amtlich wird in unseren Hilfsorganisationen seit Jahren die den Familien in unserem Land konkret helfen . wahnsinnig viel geleistet, in ganz vielen Bereichen . Es ist Und unsere Arbeit geht unvermindert weiter: Wir ar- wichtig, dass diese Arbeit, die in den letzten Jahren ge- beiten an der Umsetzung des Koalitionsvertrages und an leistet worden ist, jetzt nicht plötzlich liegen bleibt, weil vielen weiteren Verbesserungen für die Frauen, die älte- es nur noch gilt, die Flüchtlingskrise zu bewältigen . Des- ren Menschen, die Kinder und die Familien in unserem halb ist es richtig, dass wir die Hilfsorganisationen mit Land . Das bildet sich auch im Haushalt ab, etwa beim El- Mitteln des Bundes unterstützen . Das tun wir hier maß- terngeld Plus . Das Elterngeld haben wir unter Schwarz- geblich . So tragen wir dazu bei, dass die normale Arbeit Rot eingeführt . Wir haben die Mittel dafür ständig aufge- der Hilfsorganisationen weitergeführt werden kann, aber stockt und es jetzt mit dem Elterngeld Plus flexibilisiert. gleichzeitig auch die neuen Herausforderungen bewältigt Mittlerweile sind wir bei 6 Milliarden Euro für die Fa- werden können . milien in unserem Land . Die Ausgaben für das Eltern- Wir überlegen jetzt: Wie kann man die Ehrenamt- geld steigen auch deshalb, weil der Anteil der Väter, die ler vor Ort besser unterstützen? Die Ministerin hat die Elternzeit nehmen, steigt . Das ist ein wirklich gutes Sig­ Idee angesprochen, dass wir Patenschaften unterstützen . nal . Das zeigt, dass die Partnerschaftlichkeit zwischen Patenschaften gibt es bereits in vielen Kommunen . Sie Männern und Frauen in unserem Land gestärkt wird . Das funktionieren hervorragend . Es gibt nichts Besseres als zeigt, dass sich auch immer mehr Männer in die Erzie- Patenschaften zwischen zwei Männern oder zwei Frau- hung der Kinder einbringen . Das entspricht genau den en, die am Küchentisch gemeinsam über unsere Werte, Wünschen der jungen Familien . Mittlerweile nimmt je- über unsere Kultur etc . diskutieren . Patenschaften sind der dritte Vater Elternzeit . Deshalb sind die 6 Milliarden der beste Weg der Integration in unsere Gesellschaft . Euro auch wirklich gut angelegtes Geld . (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Man sollte jetzt aber keine Doppelstrukturen schaffen . Ich glaube, an diesem Punkt müssen wir ziemlich genau Wir investieren weiter in den Ausbau der Kitabetreu- aufpassen, dass wir nicht ein Parallelprogramm des Bun- ung . Auch das ist etwas, was die Menschen in unserem des auflegen, ein Programm parallel zu dem, was es vor Land wünschen . Wir haben hier sehr viel geleistet, und 13790 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Nadine Schön (St. Wendel) (A) der Bund unterstützt Länder und Kommunen weiter beim Ich danke herzlich für die Zusammenarbeit . Zum (C) Ausbau . Dass all das erfolgreich ist, dass sich die gute Schluss ein herzlicher Dank an die Haushälter, die uns Familienpolitik der letzten Jahre auszahlt und dass sich bei all diesen Anliegen wirklich großartig unterstützen . das Geld, das wir investieren, lohnt, das zeigen aktuelle Studien . Aktuelle Studien belegen, dass sich Deutschland (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- in den letzten zehn Jahren im Bereich der Familienpolitik neten der SPD – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/ so gut entwickelt hat wie kaum ein anderes Land . Das In- DIE GRÜNEN]: Alles verlogen! – Monika stitut der deutschen Wirtschaft hat 23 Länder verglichen . Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Selbst- Kaum ein anderes Land konnte sich so verbessern wie zufrieden!) Deutschland . Wenn man sich allein die Geldleistungen anschaut, dann liegen wir unter diesen 23 Ländern auf Vizepräsident Johannes Singhammer: dem zweiten Platz . Nur Luxemburg gibt für die Familien Die Kollegin Beate Walter-Rosenheimer spricht jetzt noch mehr Geld aus als wir . Die Verbesserung trifft aber für Bündnis 90/Die Grünen . auch auf die Entwicklung insgesamt zu, die Betreuung, die steuerliche Unterstützung etc . All das trägt dazu bei, Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE dass die Menschen in unserem Land mit der Familienpo- GRÜNEN): litik zufrieden sind . Viele könnten sich noch mehr vor- stellen . Uns fällt auch noch vieles ein, wie man Familien Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und noch besser unterstützen kann . Aber es ist ja immer gut, Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Gäste und das in einen Kontext zu stellen und sich zu vergleichen . Zuhörerinnen! Gestern wurde die neue OECD-Studie Es ist ein schönes Signal, zu sehen, dass die Entwicklung „Bildung auf einen Blick 2015“ veröffentlicht . Die er- sich in den letzten zehn Jahren wirklich massiv verbes- freuliche Nachricht: Mehr als die Hälfte der Kinder, die sert hat, dass wir an der Spitze in Europa stehen . Das ist unter zwei Jahre alt sind, wird in Deutschland in Kitas christdemokratische und christsoziale Familienpolitik, betreut . die sich hier auszeichnet. Ich finde, das ist eine gute Bot- Was mich genauso überrascht und freut, ist die schaft für die Familien in unserem Land . gemeinsame Erklärung von Ministerin Wanka und KMK-Präsidentin Kurth . Darin bekennen sich die beiden (Beifall bei der CDU/CSU – Michaela Noll CDU-Frauen ganz klar zur frühkindlichen Betreuung, [CDU/CSU]: So werden wir weitermachen! – weil gerade die ersten Jahre – das ist jetzt ein sinngemä- Sönke Rix [SPD]: Wir sind auch ein bisschen ßes Zitat – so besonders wichtig seien für einen erfolg- beteiligt!) reichen Bildungsweg und das besonders für Kinder mit Migrationshintergrund und für Flüchtlingskinder gelte . (B) – Genau . Der Koalitionspartner ist natürlich ebenfalls (D) Hier offenbart sich, dass die CDU in der Mitte der Gesell- beteiligt . schaft angekommen ist . Dazu herzlichen Glückwunsch! Lieber Kollege Rix, gemeinsam mit Ihnen werden wir (Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: uns den Themen, sowohl der Bewältigung der Flücht- Wir sind die Mitte!) lingskrise als auch den anderen Themen, die uns im Fa- milienressort umtreiben, weiter widmen und sie voran- Ich wünsche mir, dass Sie das Ihren Freundinnen und treiben . Ein Thema ist der Kinderschutz, ein anderes der Freunden in Bayern, der CSU, mitteilen, damit sich das Schutz von Frauen vor Gewalt . Wir haben in dieser Wo- Thema Betreuungsgeld, Herr Lehrieder, bald erledigt . che den Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen Frauen . Wir haben in der letzten Legislaturperio- und bei der LINKEN – Zuruf des Abg . Paul de eine bundesweite Hotline eingerichtet . Sie wird sehr Lehrieder [CDU/CSU]) gut in Anspruch genommen . Das ist wichtig . Es ist aber auch wichtig, dass wir etwa beim Thema Zwangsprosti- – Kommen Sie heim . tution, dem unser nächstes großes Gesetzeswerk gilt, das Aber selbst ein solches Bekenntnis kann über eines wir auf den Weg bringen, genau darauf achten, dass wir nicht hinwegtäuschen: Es ist viel passiert auf diesem Ge- den Schutz derjenigen, die von Zwangsprostitution, von biet – das sagen wir auch –, aber, Frau Ministerin, Sie Menschenhandel betroffen sind, gewährleisten und alles bleiben hinter Ihren eigenen Ansprüchen zurück. Wir fin- dafür tun, die Frauen auch vor Gewalt zu schützen . den, dass im Haushalt Ihres Ministeriums Belege für An- (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- strengungen fehlen, die Kindertagesbetreuung wirklich NEN]: Dann müssen Sie kein Prostituierten- fit für die Zukunft zu machen. Es stimmt, dass sich Bund, schutzgesetz machen! Da müssen Sie was ge- Länder und Kommunen in den letzten Jahren sehr stark gen Menschenhandel tun!) bemüht haben . Richtig ist aber leider auch, dass gerade im Westen der Republik noch 185 000 Plätze für diese Deswegen werden wir auch mit weiteren Gesetzesvorha- Kinder fehlen . Das, sehr geehrte Frau Ministerin, sollte ben unvermindert, unabhängig von der Flüchtlingskrise, auch Ihnen zu denken geben . an der Umsetzung dieses Anliegens arbeiten . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Es geht bei der frühkindlichen Betreuung aber nicht NEN]: Das falsche Gesetz hat die falsche nur darum, wie groß, sondern ganz entscheidend auch da- Nummer!) rum, wie gut dieses Angebot ist . Gerade weil wir wissen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13791

Beate Walter-Rosenheimer (A) und die CDU es jetzt auch weiß, dass die Betreuung in Es ist gut, Frau Ministerin, dass Sie Geld für die Unter- (C) den ersten Lebensjahren so wichtig ist, muss die Qualität stützung des freiwilligen Engagements in die Hand neh- der Betreuung deutlich steigen . Diese Aufgabe können men . Das möchte ich ausdrücklich betonen . Ich verstehe aber Länder und Kommunen nicht alleine übernehmen . aber nicht, warum Sie nur den Bundesfreiwilligendienst Dies ist natürlich auch Aufgabe des Bundes . fördern wollen und nicht zum Beispiel auch die Träger des Freiwilligen Sozialen Jahres . Wir wünschen uns, dass Wir brauchen einen besseren Betreuungsschlüssel, Sie die Netzwerkstrukturen der Zivilgesellschaft und de- einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung und bun- ren Ausbau fördern und dass Sie dafür sorgen, dass auch desweit einheitliche Qualitätsstandards . Ich wünsche mir die Helferinnen und Helfer Zugang zu Hilfe und Unter- hier einfach ein bisschen mehr Durchsetzungskraft der stützung bekommen; denn sonst geht ihnen irgendwann SPD dem Koalitionspartner gegenüber . die Luft aus . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sönke Rix [SPD]: Das kriegen wir hin!) Auch dafür, sehr geehrte Frau Ministerin, braucht es Auf meine Fraktion können Sie dabei sicher zählen . Geld – das weiß ich – und gut geschultes Personal . Wir Viele Kommunen ächzen jetzt schon unter den hohen finden im Haushaltsentwurf dazu zu wenig. finanziellen Belastungen. Wir fordern deshalb in unse- Die große Willkommenskultur – auch das haben wir rem Änderungsantrag zusätzlich 1 Milliarde Euro für den schon gehört – hat leider nicht nur Freunde . Deshalb Ausbau und die Qualitätssicherung von Kitas und eine muss sie verteidigt werden . Den Feinden von Vielfalt, weitere Milliarde für eine breite Bildungsoffensive von Toleranz und Demokratie – das sage ich in aller Deut- der Kita bis zur Hochschule. Ich finde, in Ihrem Haus- lichkeit – müssen wir uns entschieden in den Weg stellen . haltsentwurf ist noch Luft nach oben . In Zeiten, in denen Flüchtlingsunterkünfte brennen, ist es (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – wichtiger denn je, Programme gegen jede Form von Aus- Zuruf der Abg . Astrid Timmermann-Fechter grenzung und Rassismus zu unterstützen . Da sollten wir [CDU/CSU]) nicht darüber streiten, was von rechts und was von links kommt, sondern es anpacken . Sehr geehrte Frau Ministe- Dass wir schon heute für morgen investieren müssen, rin, ich weiß, dass Ihnen das ein großes Anliegen ist und gilt natürlich für jede vorausschauende und gerechte Sie da Geld in die Hand genommen haben . Politik . Wie wichtig aber gerade in diesen Tagen muti- ge Zukunftsinvestitionen sind – es geht ja um die Un- Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass unser terstützung durch den Bund, Frau Kollegin, und nicht Land in Zukunft ein bunteres, ein gerechteres und ein to- um die Länder –, zeigen die vielen jungen Flüchtlinge leranteres Land sein wird . (B) noch einmal ganz besonders deutlich . Hunderttausende (D) Kinder und Jugendliche – wir haben es heute schon ge- Danke . hört – brauchen neben einer guten Versorgung und Un- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN terbringung natürlich Zugang zu Bildung, aber auch zu sowie bei Abgeordneten der LINKEN) den Leistungen der Jugendhilfe . Hier tun Sie aus unserer Sicht eindeutig zu wenig . Die Jugendhilfe ist seit Jahren Vizepräsident Johannes Singhammer: chronisch unterfinanziert. Durch die vielen minderjähri- Die Kollegin Ulrike Gottschalck spricht jetzt für die gen Flüchtlinge stehen die Jugendämter und die freien SPD . Träger der Jugendhilfe vor einer gewaltigen Herausfor- derung . Die Betreuung und Begleitung, die Übernahme (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten von Vormundschaften und – nicht zu vergessen – die der CDU/CSU) ganz regulären Aufgaben, die nach wie vor zu bewältigen sind, binden Ressourcen und kosten viel Geld . Wir be- Ulrike Gottschalck (SPD): zweifeln, dass die zusätzlich eingestellten 350 Millionen Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- Euro dafür ausreichen werden . ren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Seit der Ein- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) bringung des Haushaltes hat sich die Welt weitergedreht . Auch im Etat unseres Gesellschaftsministeriums mussten Wenn wir alle ehrlich sind, müssen wir feststellen: wir an Stellschrauben drehen, um den aktuellen Heraus- Ohne die beeindruckende Unterstützung durch die vielen forderungen in der Flüchtlingspolitik gerecht zu werden . Ehrenamtlichen – wir haben es heute oft gehört – würde Gleichzeitig haben wir aber sichergestellt, dass andere vieles nicht mehr laufen . Man kann es daher nicht oft ge- wichtige Aufgaben darunter nicht leiden . nug sagen, dass diesen Menschen unser Dank gebührt . Was verbirgt sich also hinter den 9 Milliarden Euro, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die unserem Ministerium zur Verfügung stehen? 87 Pro- sowie des Abg . Sönke Rix [SPD]) zent unseres Etats stehen für wichtige gesetzliche Aufga- Dieses große ehrenamtliche Engagement ist zugleich ben zur Verfügung, etwa für das eben schon besproche- eine deutliche Handlungsaufforderung an die Politik . ne Elterngeld, das Kindergeld und den Kinderzuschlag, Uns muss klar sein, dass wir die Ehrenamtlichen nicht aber auch für die Finanzierung der Familienpflegezeit. alleinlassen können, dass die Arbeit der Ehrenamtlichen Mit den restlichen 13 Prozent werden wertvolle Akzente nicht zur Ausrede dafür werden kann, dass sich die poli- in den Bereichen Familie, Senioren, Frauen und Jugend tisch Verantwortlichen vor der Verantwortung drücken . gesetzt . Ich darf einmal sagen: Unsere Ministerin macht 13792 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Ulrike Gottschalck (A) das, flankiert von ihren Staatssekretärinnen, ganz- her Aber diese Mittel können nicht allein aus dem schmalen (C) vorragend . Ich möchte natürlich das ganze Team in mein Etat unseres Familienministeriums kommen, sondern da Lob einbeziehen . sind auch andere Ministerien gefordert .

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) der CDU/CSU) Ich bin froh, dass hier über den Etat des Gesundheits- Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Be- ministeriums Stellen finanziert werden. Das ist eine gro- reinigungssitzung des Haushaltsausschusses vom 12 . auf ße Hilfe . Frau Wanka ist aufgefordert, dafür zu sorgen, den 13 . November ist es uns gelungen, erhebliche zusätz- dass sich auch das Bundesministerium für Bildung und liche Mittel für unser Ministerium zu mobilisieren . An Forschung beteiligt . Das würde mir persönlich sehr gut dieser Stelle danke ich ausdrücklich meinem Kollegen gefallen; denn es ist eine wichtige Aufgabe . Alois Rainer für unsere wirklich immer sehr gute Zusam- menarbeit . Auch mit den Berichterstatterinnen und Be- (Beifall bei der SPD) richterstattern der Opposition macht die Arbeit meistens Spaß, auch wenn sie manchmal mit ihren Anträgen über Wir konnten die Mittel für die Mehrgenerationen- das Ziel hinausschießen . Ich möchte würdigen, dass der häuser noch einmal aufstocken . Damit ist die Förderung Kollege Leutert immer einen Hauch von Realismus hat . von zehn weiteren Häusern möglich . Sie sind wichtige Das, was ich eben von Herrn Wunderlich gehört habe – Treffpunkte in den Kommunen . 1,5 Millionen Euro mehr er bezeichnete die Summe, die wir für die unbegleiteten stellen wir bereit, damit junge Leute das Reformations- minderjährigen Flüchtlinge zur Verfügung stellen, als jubiläum vorbereiten können, 3 Millionen Euro mehr für „Lachnummer“ –, das Deutsch-Griechische Jugendwerk, 2 Millionen Euro mehr – also deutlich mehr – für die Arbeit des Deutschen (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Sie müssen Bundesjugendrings; da haben wir schon einmal aufge- unser Steuerkonzept durchlesen!) sattelt . Herr Wunderlich, es gab beim KJP nirgendwo irgendwann mal eine Kürzung . Im Gegenteil: Wir ha- fand ich schon ziemlich unterirdisch und der Sache nicht ben jedes Jahr kontinuierlich aufgesattelt, in diesem Jahr angemessen . 2 Millionen Euro .

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Jugendhilfe ist immer noch eine Länderangelegen- Wir stellen 15 Millionen Euro mehr für C1-Sprach- (B) heit, und auch die Länder tragen eine Verantwortung . kurse bereit, damit gerade die jungen Leute, die zu uns (D) kommen und besser ausgebildet sind, ein Studium begin- Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme nen können . Auch das gehört zur Integration . Ich bin sehr aus dem Märchenland der Gebrüder Grimm; stolz, dass wir das hinbekommen haben . Ebenso haben (Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: wir es gemeinsam mit dem Kollegen Rainer geschafft, Da regiert auf jeden Fall die SPD!) 8 Millionen Euro mehr für die Jugendmigrationsdienste zur Verfügung zu stellen . aber ich kann weder Stroh zu Gold spinnen, noch habe ich einen Dukatenscheißer . Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Kollegin Gottschalck, gestatten Sie eine Zwi- (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und schenfrage des Kollegen Wunderlich? der CDU/CSU)

Alois Rainer geht es genauso . Wir müssen schon schau- Ulrike Gottschalck (SPD): en, wie wir mit dem Geld umgehen . Aber sehr gerne . Das verlängert meine Redezeit? (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Das ist auch bei den Grünen ein Problem, die mal eben Aber selbstverständlich . 2 Milliarden Euro mehr fordern: Es fehlt die Gegenfinan- zierung . Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Wir haben – da gehe ich auf Ekin ein – 500 000 Euro Das hoffe ich nicht .– Hier meldet sich der Traumtän- mehr für den Unabhängigen Beauftragten für Fragen des zer . Unterhaltsvorschuss ist Bundessache . Kinderzu- sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, schlag ist auch Bundessache . Ich weiß nicht, wie Sie zur Verfügung gestellt, damit die unabhängige Kommis- zu der Überzeugung kommen, das sei Ländersache . So sion zur Aufarbeitung von sexuellem Kindesmissbrauch viel zur Traumtänzerei . Die Grünen haben das hier auch ihre Arbeit aufnehmen kann . Zukünftig werden da natür- beantragt . Wieso sprechen Sie dann immer nur von den lich weitere Mittel gebraucht . Linken? (Zurufe von der SPD: Och!) (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ach so!) – Och, ja – jault doch! Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13793

Jörn Wunderlich (A) Dann gucken Sie sich einmal unser Steuerkonzept an . Ein besonderer Lichtblick ist für mich auch das Pro- (C) Ich kann nicht nur eine Forderung aus dem Zusammen- gramm „Demokratie leben!“ . Dass es uns erneut gelun- hang reißen, dann eine falsche Voraussetzung anführen gen ist, hier 10 Millionen Euro draufzusatteln, finde ich und sagen: Das ist nicht finanzierbar. – Da muss ich auch schon ziemlich erstaunlich . Wir sind damit bei 50 Mil- die Risiken und Nebenwirkungen benennen sowie die lionen Euro, und jeder Cent davon ist gut angelegtes Finanzierung danebenlegen, und dann wird einiges klar . Geld . Da gebe ich auch dem Kollegen Leutert recht: Wir Aber die Zeit nehmen Sie sich ja nicht und machen sich müssen die jungen Menschen vor Extremismus schützen, nicht die Mühe . Sie greifen Einzelnes heraus, bewerten egal, ob vor Hasspredigern oder aber vor rechten Socken, es dann völlig isoliert von allem anderen und sagen: Das die die jungen Leute anbaggern . Wir müssen einfach auf- sind die Spinner! – Das ist Spinnerei . passen und alles tun, was man an Prävention leisten kann . (Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei (Beifall bei der SPD sowie der Abg . Bea- der SPD) te Walter-Rosenheimer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das war eine Zwischenbemerkung, keine Frage, daher kann ich mich setzen . Menschenverachtende Ideologien gibt es in jeder Form; wir haben es ganz aktuell erlebt . Deshalb ist es gut, dass auf Wunsch unserer Innenpolitiker auch eine (SPD): Ulrike Gottschalck Antisalafismus-Koordinierungsstelle eingerichtet wird. Gut, dann bleiben Sie aber bitte stehen, damit ich auch Denn auch diese Vernetzung brauchen wir, um in Zu- antworten kann . kunft noch stärker ein Auge auf die sogenannten Schläfer (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Sie brauchen haben zu können . nicht zu antworten! Das war eine Bemerkung!) Auf den Bundesfreiwilligendienst muss ich nicht – Wenn, dann will ich auch antworten . mehr eingehen; das haben die Ministerin und meine Vor- rednerinnen – auch Carola Reimann – detailliert getan . Zum einen habe ich eben von der Jugendhilfe gespro- Ich finde es hervorragend, dass wir die Mittel für die chen, und Jugendhilfe ist Länderangelegenheit, sehr ge- 10 000 Bufdi-Stellen bereitstellen können und diese zu- ehrter Herr Wunderlich . künftig ehrenamtliches Engagement vor Ort unterstützen können . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich bin sehr stolz und hoffe nur, dass sich die Linken Das andere ist: Es ist bei uns Haushältern – das mag Ih- und die Grünen, die im Haushaltsausschuss übrigens all nen nicht gefallen – guter Brauch, auch Gegenfinanzie- unseren Anträgen zugestimmt haben, (B) rungen im Haushalt darzustellen . (D) (Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: 230 Milli- Ja, weil sie gut sind!) arden gebt ihr den Ländern, aber die Länder wird der Spaß 5 Milliarden kosten!) was ich auch sehr merkwürdig finde, vielleicht überle- gen, dem Einzelplan 17 allgemein zuzustimmen . – Führen wir jetzt einen Dialog, oder wollen Sie meine Antwort hören? Offensichtlich nicht; das ist auch schon Vielen Dank . wieder eine Unhöflichkeit, und ich mache einfach weiter. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vielen Dank .

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben Nächster Redner ist der Kollege Marcus Weinberg für 6 Millionen Euro extra noch einmal für das Bundespro- die CDU/CSU . gramm „Willkommen bei Freunden“ zur Beratung und (Beifall bei der CDU/CSU) Betreuung von jungen Flüchtlingen ausgegeben . Genau dort sind auch die von Ihnen geforderten Akutprogram- (Hamburg) (CDU/CSU): me, die Frau Schauws angesprochen hat, für traumati- Marcus Weinberg sierte Menschen oder aber Frauen und Kinder auf der Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich Flucht enthalten . Das haben wir extra eingefügt . Die gehe fest davon aus, dass die Opposition diesem hervor- Haushälter haben also nicht nur Zahlen im Kopf, sondern ragenden Haushalt für das Jahr 2016 zustimmt, und will sind manchmal auch noch ganz normal und wissen, wo am Anfang die Gelegenheit der Haushaltsdebatte nutzen, Not am Mann ist . einmal die Grundsätze der Politik darzustellen, die sich dann auch im Haushalt abbilden müssen . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das ist für uns als Union und für uns als Große Koaliti- Wir brauchen belastbare Netzwerke und zivilgesell- on eine gute Gelegenheit, noch einmal die wesentlichen schaftliches Engagement . Deshalb gibt es dafür noch Punkte unserer Familienpolitik zu definieren. einmal 10 Millionen Euro mehr; denn Ehrenamt braucht auch Strukturen, und das können wir damit leisten . Des- Zwei Vorbemerkungen . Es dauert in der Familienpoli- wegen finde ich auch das sehr gelungen. tik Jahre, bis Maßnahmen Wirkung zeigen . Wir haben den Sachverhalt, dass in Deutschland 30 000 Kinder mehr le- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) ben als im letzten Jahr . Die Geburtenrate ist also um fast 13794 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Marcus Weinberg (Hamburg) (A) 5 Prozent gestiegen . Das ist keiner einzelnen Maßnahme jenigen, die nicht so klug sind, und diejenigen, die nicht (C) geschuldet, sondern das ist einer Politik geschuldet, die über entsprechendes Vermögen verfügen . Deswegen er- seit zehn Jahren Familienpolitik anders definiert. Endlich greifen wir als Große Koalition konkrete Maßnahmen, stehen die Familien in Deutschland im Fokus der Politik . um die schutzbedürftigen Gruppen zu stärken . Die Fa- Das merkt man an den Ergebnissen . milienpflegezeit und die Pflegezeit waren ein Ansatz, um auch denjenigen, die nicht reich sind, die Möglichkeit (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . zu geben, sich um ihre nahen Angehörigen zu kümmern, Sönke Rix [SPD]) wenn diese gepflegt werden müssen. Genau das Gleiche Man fährt auf den Schienen, die Frau von der Leyen vor gilt bei Vernachlässigung von Kindern und Kindesmiss- zehn Jahren gelegt hat . Heute stellen wir hier und da die brauch . Auch hier geht es um Gruppen in der Gesell- Weichen noch einmal um . Das ist gut so; denn es ist das schaft, die schwach sind . Bestreben der Großen Koalition, das zu verbessern, was Deswegen stimme ich der Ministerin zu, wenn sie in Deutschland ohnehin schon gut funktioniert . sagt: Wir dürfen es jetzt im Rahmen der Flüchtlingsde- Ich will mit dem Thema Integration – Herr ­Wunderlich, batte nicht zulassen, dass schwache Gruppen der deut- Sie hatten mich angesprochen – beginnen . Ja, wir haben schen Gesellschaft gegen die Gruppe der Flüchtlinge in Deutschland in der Vergangenheit Fehler gemacht . In ausgespielt werden . allen Epochen des Migrationsprozesses haben wir gewis- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) se Aspekte nicht beachtet, zum Beispiel, dass Gastarbei- ter möglicherweise nicht nur Gäste sind, sondern dass Wenn wir sagen, wir wollen Kinder schützen, dann ha- diese Menschen hierbleiben und sich hier verwirklichen ben alle Kinder einen Anspruch darauf . Wenn wir sagen, wollen . dass wir Frauen vor Gewalt schützen wollen, dann haben Wir werden im Zuge der Integrationsbewegung ver- alle Frauen einen Anspruch darauf, dass wir als Staat – bindlicher werden müssen . Ich möchte, dass Menschen, das ist unsere Kernaufgabe: wir müssen die Schwachen die hier in Deutschland bleiben, eine Integrationsver- schützen; die Starken kriegen es schon hin – sie schützen . einbarung unterschreiben . Sie sollen sich zu unserer Das wird auch in den nächsten zwei Jahren unser Leit- Gesellschaft bekennen, wenn sie hier leben und deren motiv sein . Vorteile genießen wollen . Sie müssen auch bereit sein, Das Prostituiertenschutzgesetz wurde angesprochen . der Gesellschaft etwas zu geben . Ich glaube, dass mehr Es geht darum, die schwächsten Prostituierten zu schüt- Verbindlichkeit wichtig wäre, sowohl für diejenigen, die zen . Integration leisten müssen, die jetzt als Flüchtlinge nach ( [CDU/CSU]: So ist es!) (B) Deutschland kommen, als auch für uns als aufnehmende (D) Gesellschaft, die diese Menschen dringend braucht . Wir dürfen mit Blick auf Bürokratie oder angesichts der Zu der Frage: Was sind unsere grundsätzlichen Werte Bewältigung neuer Flüchtlingswellen keine Abstufungen und Positionen in der Familienpolitik? Für uns als Christ- vornehmen . Wir wollen nicht die eine schutzbedürftige demokraten und Christsoziale sind zwei Komponenten Gruppe gegen die andere ausspielen . dominierend . Die Erste ist das Thema der Freiheit . Wir (Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws wollen Familien Freiräume zur Gestaltung ihres Lebens [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da müssen geben . Wir wollen sie nicht bevormunden . Wir wollen alle drunter leiden!) nicht vorschreiben, wann sie das Kind in die Kita zu ge- ben haben . Wir wollen ihnen Angebote machen . Aber die Es wurde bereits gesagt: Wir haben den Etat im Ver- Freiheit der Familien steht bei uns an erster Stelle . Das ist gleich zum Jahr 2005 verdoppelt . Nun ist Geld nicht alles zentral für die Familienpolitik der Union . im Leben – man genießt es, wenn man einmal reden darf, in einer Haushaltsdebatte zwölf Minuten lang darüber (Beifall bei der CDU/CSU) zu reden, wie wir Gelder verteilt haben –, aber der Auf- Außerdem wollen wir den verschiedenen Famili- wuchs im Haushalt ist schon ein deutliches Zeichen da- enmodellen Rechnung tragen . Es gibt über 20 Prozent für, dass die Familienpolitik auch in Bezug auf Quantität Alleinerziehende, immer mehr Menschen sind nicht ver- ein anderes Niveau erreicht hat . Dabei übernehmen wir heiratet und haben Kinder, die in diesen Partnerschaften viele Aufgaben der Länder und der Kommunen . In einer gut erzogen werden, und es gibt die traditionelle Ehe; das solchen Debatte muss es Zeit und Raum dafür geben, da- wollen wir nicht bewerten . Wir wollen aber den Familien rauf hinzuweisen, dass wir vieles stemmen können, dass die Freiheit geben, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es wir Kommunen und Länder entlasten und unterstützen möchten; mit so wenig Staat wie möglich und nur dort, können, dass es in der Familienpolitik aber weiterhin wo es nötig ist . Kernaufgaben gibt, die den Ländern und den Kommunen zufallen . Aus dieser Verantwortung werden wir sie auch (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nicht entlassen . NEN]: Dort, wo es nötig ist, machen Sie zu wenig!) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Zur zweiten Komponente unserer Familienpolitik . Festzustellen ist aber: Wer meint, dass die Familien jetzt Wir erkennen durchaus, dass in unserer Gesellschaft die Sparschweine der Nation sind, der irrt sich . Das ver- nicht alle Menschen stark, reich und klug sind . Nein, wir deutlichen die Haushaltszahlen, die gerade mehrfach eu- haben auch schwache Teile der Gesellschaft . Es gibt die- phorisch präsentiert wurden . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13795

Marcus Weinberg (Hamburg) (A) Es gibt noch einen Punkt, der wichtig ist: In dieser Betreuung nicht funktioniert. Bei Defiziten hinsichtlich (C) über 90-minütigen Debatte sprechen wir darüber, wie wir der Qualität müsste man sagen: Das ist kein Erfolgsmo- das Geld verteilt haben . All die Mittel, die wir für unsere dell . Die Zufriedenheit der Eltern bestätigt aber diesen familienpolitischen Maßnahmen verteilen, müssen ande- Ansatz . Die Zufriedenheit der Eltern wurde in einer ak- re erwirtschaften . Um gute Familienpolitik machen zu tuellen Studie noch einmal überprüft . Die Eltern haben können, ist es dringend notwendig, dass es unserem Mit- gesagt: Wir sind mit der Betreuung zufrieden . telstand, unseren Unternehmen und unserer Wirtschaft gut geht . Es ist auch richtig, zu fragen: Wo können wir noch etwas verändern? Die vorgesehenen 100 Millionen Euro (Beifall bei der CDU/CSU) für Angebote zu besonderen Zeiten – nachts oder am Wochenende –, als Ausnahme, sind gut und wichtig . Wir Deswegen ist die Kombination von Erwerbstätigkeit und werden aber darauf achten, dass wir kein System bekom- Familienzeit zentral . Wir sagen: Gemeinsam mit den men, in dem Kinder möglicherweise zu intensiv betreut Mittelständlern und den Handwerkern schaffen wir das . werden . Wir wollen das als besonderes Angebot gestal- Gute Arbeitnehmer sind glücklich zu Hause und glück- ten . Wir wollen eine Ausnahmesituation gestalten . Dafür lich im Job .– Ich glaube, das dürfen wir niemals außer ist dieses Angebot richtig . Genauso richtig sind übrigens Acht lassen . die Angebote, die im Rahmen des Programms „Sprach- Die zentralen Bausteine der Familienpolitik wurden Kitas“ weiterhin bestehen, weil uns das Thema Inte­ bereits angesprochen, auch das Elterngeld . Das ist ein gration wichtig ist . Hierfür werden wir weiterhin Gelder Erfolgsmodell, das nachhaltig wirkt . Wir haben an eini- einsetzen . gen Stellschrauben gedreht, die Weichen etwas anders Denken wir an das Dreieck aus Geld, Infrastruktur gestellt und dieses Erfolgsmodell weiterentwickelt . Im und Zeit . Über das Kindergeld, die Kinderfreibeträge ersten Quartal 2015 haben fast 950 000 Eltern das Eltern- und den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, der nach geld in Anspruch genommen .– guckt zehn Jahren endlich um 600 Euro erhöht wurde – das war da ganz bedröppelt, weil er weiß, dass das fast 6 Milliar- dringend notwendig, und wir haben das gemacht –, wur- den Euro kostet . Wir wissen, dass das schwer erkämpftes de schon viel gesagt . Wir haben auch das Kindergeld und Geld ist . Es ist aber gut angelegt . Wir stehen zu unserem den Kinderzuschlag erhöht . Damit schaffen wir es, mehr Versprechen: Es wird keine Absenkung beim Elterngeld und mehr Familien aus dem Hartz-IV-Bezug zu holen . geben . Das sei ausdrücklich noch einmal versichert . Wir geben ihnen damit die Möglichkeit, ihr Leben zu ge- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) stalten . Ein weiteres Erfolgsmodell ist der Ausbau der Kinder- Ich möchte zwei, drei Besonderheiten dieses Haus- (B) tagesbetreuung . An dieser Stelle komme ich noch einmal halts ansprechen . Gelegentlich sind es die Kleinigkeiten, (D) auf die Kommunen und die Länder zu sprechen . Ja, wir die wichtig sind . Ich danke dem Alois ganz herzlich für haben uns darauf verständigt, die Kommunen zu entlas- die große Unterstützung in dieser Frage . Uns als Union ten, weil es sich um eine nationale Aufgabe handelt . Da- waren einige Dinge besonders wichtig . mit erreichen wir drei Dinge, zum einen die berühmte Stichwort: schutzbedürftige Gruppen . Wir als Staat Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zum anderen die haben die Aufgabe, diese Gruppen, die es nicht alleine Möglichkeit, frühzeitig Bildungsimplikationen zu gestal- können, zu schützen . Denn sie haben nichts anderes als ten – frühe Bildung ist wichtig; jeder Euro, den ich bei uns . Einige Erfolge haben wir jetzt auch im Haushalt um- einem Zweijährigen investiere, erspart später viele Euro setzen können . Ich will nur zwei, drei Dinge ansprechen . bei den älteren Kindern; wir reparieren ohnehin zu viel in Deutschland; wir müssen mehr investieren; das ist Das eine ist eine Kinderschutzhotline, die jetzt einge- also unter bildungspolitischen Gesichtspunkten richtig richtet werden soll . investiertes Geld –, und zum Dritten sorgen wir damit (Michaela Noll [CDU/CSU]: Sehr gut!) für Gerechtigkeit; denn insbesondere die Alleinerziehen- den profitieren vom Ausbau der Kindertagesbetreuung. Das ist keine große Geschichte, aber hier besteht die Insoweit ist das eine gute und richtige Maßnahme . Wir Möglichkeit, dass wir Medizinern die Chance bieten, entlasten die Länder und Kommunen dabei tatsächlich wenn zum Beispiel am Wochenende Eltern mit Kindern mit 945 Millionen Euro . Das ist viel Geld, das muss in in die Notfallambulanz kommen, bei denen man nicht dieser Debatte immer wieder betont werden . Das ist fast genau weiß, was da passiert ist, Unterstützung und Be- 1 Milliarde Euro . ratung zu bekommen . Wir haben im Jahr 40 000 Inob- hutnahmen . Wir haben über 120 000 Gefährdungssitu- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) ationen von Kindern und Jugendlichen . Bei jedem Kind Aber wir sehen auch die Erfolge: Die Betreuungsquo- muss geschaut werden, was dort passiert und wie wir ein- te liegt mittlerweile bei 32 Prozent; 660 000 Kinder unter greifen können . Deswegen ist es gut und richtig, dass wir drei Jahren werden betreut, das ist mehr als doppelt so diese Kinderschutzhotline jetzt implementieren . viel wie im Jahr 2008 . Es ist wichtig, dass es dadurch (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- nicht zu Einschränkungen beim Betreuungsschlüssel, der ordneten der SPD) für die Qualität maßgeblich ist, kommt . Wir haben immer gesagt: Wir wollen nicht, dass Kinder betreut werden; Weiter werden wir Frauen und Flüchtlingsfrauen, die wir wollen, dass Kinder gut betreut werden, denn nichts vergewaltigt wurden, die auf der Flucht viel Leid erlebt ist schlimmer für ein Kind und eine Familie, als wenn die haben, jetzt mit einem Beratungsangebot unterstützen . 13796 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Marcus Weinberg (Hamburg) (A) Bereits angesprochen wurde – das finde ich absolut gemeinsam dafür einzustehen, zusätzliche Mittel zur Ex- (C) wichtig – die finanzielle Ausgestaltung der Kommission tremismusbekämpfung, zur Förderung von Demokratie zur Aufarbeitung des Kindesmissbrauchs . und Toleranz zur Verfügung zu stellen . Ich will an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es sowieso einen gemeinsa- Ehrenamt ist Teil dieser Gesellschaft . Wir erleben ge- men Beschluss dieses Hauses gibt, die Mittel zu versteti- rade etwas Faszinierendes; das wurde von der Kollegin gen bzw . die Mittel zu erhöhen . Ich bin den Haushältern Gottschalck bereits angesprochen . Ehrenamt ist eine ge- dankbar, dass sie das hier in großem Einvernehmen ge- wisse Zeit auch für sich tragend, aber irgendwann muss schafft haben . es Strukturen geben, irgendwann muss es eine Organisa- tion geben . Die 10 000 neuen Stellen sind wichtig . Jetzt (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU so- wird es darauf ankommen, dass wir uns das Verfahren wie des Abg . Michael Leutert [DIE LINKE]) genau anschauen . Das, was diese Menschen in unserem In diesen Tagen hat der zweite NSU-Untersuchungs- Land momentan hinsichtlich der Flüchtlingswelle leis- ausschuss seine Arbeit aufgenommen . Ein Bestandteil ten, ist hervorragend, aber es muss jetzt auch gestärkt dessen, was wir im ersten Bericht aufgeschrieben haben, und längerfristig aufgebaut werden . war die Stärkung der Zivilgesellschaft . Ich glaube, mit Zusammenfassend kann man sagen: Dieser Haushalt den zusätzlichen Mitteln in diesem Bereich kommen wir bildet tatsächlich das ab, was uns trägt . Wir schaffen ein der Aufgabe nach, die wir uns durch diesen Bericht sel- bisschen mehr Freiheit und Entscheidungsfreiheit für die ber gestellt haben . Familien, und wir generieren Freiräume . Auf der anderen Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass man in Seite schützen wir die Schwachen . Das, was diese Ge- der Haushaltsdebatte, wenn sie in der Mitte der Wahlpe- sellschaft auszeichnet, das Ehrenamtliche, das Engage- riode stattfindet, auch ein bisschen Bilanz ziehen kann. ment der bürgerlichen Gesellschaft – weg von Politik –, Ich finde, die Bilanz für die ersten beiden Jahre kann sich werden wir weiter stärken . Das ist in diesem Haushalt sehen lassen. Mit dem Elterngeld Plus, mit der Pflegezeit, wieder einmal gelungen . mit einer Erhöhung der Mittel für Kitas usw . haben wir Insoweit kann ich mir gut vorstellen, dass die Opposi- viel erreicht . Wir haben die Quote eingeführt, auch wenn tion diesen Haushalt zumindest nicht ablehnt . Das wäre es dazu an der einen oder anderen Stelle hitzige Debat- auch ein Zeichen von Anerkennung . Im Übrigen darf ich ten – zum Teil auch mit unserem Koalitionspartner – gab . diese Anerkennung mit Blick auf die Opposition gerne Ich will an dieser Stelle auch darauf aufmerksam ma- zurückgeben. Ich finde unsere Haushaltsdebatten inhalt- chen, dass wir im Bereich Gleichstellungspolitik noch lich wirklich gut . Ich danke an dieser Stelle der Opposi- einen großen Batzen vor uns haben, den wir im Koaliti- tion auch für sachliche Kritik . Das hat man nicht überall onsvertrag vereinbart haben . Herr Kauder hat gestern in (B) so . Herzlichen Dank dafür und herzlichen Dank für die- der Generaldebatte noch einmal deutlich gemacht, dass (D) sen tollen Entwurf! das, was im Koalitionsvertrag steht, auf jeden Fall um- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) gesetzt wird . Wir haben mit dem Lohngerechtigkeitsgesetz, dem Ent- Vizepräsident Johannes Singhammer: geltgleichheitsgesetz, noch einen großen Batzen vor uns . Der Kollege Sönke Rix spricht als Nächster für die Wir sind dafür, dass auch hier genau das umgesetzt wird, SPD . und zwar mit Punkt und Komma, was im Koalitionsver- trag steht, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- ten der CDU/CSU – Heinz Wiese [Ehingen] [CDU/CSU]: Aber nicht darüber hinaus!) Sönke Rix (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! natürlich – das hat der Fraktionsvorsitzende der Union Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich auch gesagt – nicht darüber hinaus . mich dem Dank anschließen . Wir haben schon hitzigere Aber er hat heute auch gesagt, wir dürfen die Wirt- Debatten zur Familien- und Gleichstellungspolitik ge- schaft, auch wenn es ihr gut geht, nicht zu sehr testen . führt . Ich glaube, er hatte dabei auch dieses Gesetz ein bisschen (Zuruf von der LINKEN: Nächstes Mal!) im Hinterkopf . Ich appelliere aber an Sie, es genau um- gekehrt zu sehen: Je besser die Frauen bezahlt werden, Der Kollege Wunderlich hat sich Mühe gegeben, das hier umso besser ist das auch für die Wirtschaft . Deshalb wäre ein bisschen streitbarer zu machen . es gut und vernünftig, zu sagen: Dieses Gesetz wird eins zu eins, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, umgesetzt, (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Auf Krawall liebe Kolleginnen und Kollegen . gebürstet!) (Beifall bei der SPD) Aber ich sage an dieser Stelle auch: Ich glaube, es ist angesichts der Herausforderung, die wir im Moment ha- Man wächst mit seinen Aufgaben . Ich glaube, das wird ben, sinnvoll, an der einen oder anderen Stelle gemein- auch deutlich, wenn man den Regierungsentwurf mit dem sam Dinge zu unterstützen . Deshalb geht mein Dank Haushalt vergleicht und sich die Veränderungen vor Au- auch an Sie . Sie haben heute in Ihrer Rede als Haushälter gen hält . Es gibt nicht nur zusätzliche Mittel für Demo- der Linksfraktion deutlich gemacht, wie wichtig es ist, kratie, sondern auch für bürgerschaftliches Engagement . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13797

Sönke Rix (A) Auch hier betonen wir: Diese zusätzlichen Mittel für bür- Fachleuten und arbeiten dafür, dass Familien in diesem (C) gerschaftliches Engagement wurden nicht nur aufgrund Land eine gute Zukunft haben . der aktuellen Flüchtlingssituation bereitgestellt, sondern Die Familien sind das Rückgrat unserer Gesell- es gibt auch zusätzliche Mittel im Hinblick auf den Zu- schaft . Durch unsere Politik schaffen wir für Familien sammenhalt der Gesellschaft insgesamt . Es sind kleine, in Deutschland die Rahmenbedingungen, die sie benöti- aber wichtige Beträge, die den Wohlfahrtsverbänden und gen, um zufrieden und gesund in unserem Land zu leben, den Jugendverbänden zugutekommen . ganz nach ihren Vorstellungen . Eigenverantwortung und Übrigens weiß ich nicht, wie Sie auf eine Kürzung Wahlfreiheit gehen Hand in Hand und gehören zusam- kommen, Kollege Wunderlich . Für die Jugendverbände men . haben wir nämlich zusätzliches Geld bereitgestellt . Denn Starke Familien finden wir in klassischen Famili- wir wissen: Der Zusammenhalt der Gesellschaft ist nicht enbildern wie auch bei den vielen Alleinerziehenden nur dann, wenn die Flüchtlingssituation so ist, wie sie in unserem Land, für die diese Regierung umfangrei- derzeit ist, notwendig, sondern auch in anderen Zeiten . che Unterstützung bereitstellt . Der Haushalt des Bun- Deshalb ist es gut, dass wir diesen beiden großen Ver- desfamilienministeriums mit seinen über 9 Milliarden bandsgruppen zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen . Euro unterstützt sie . Damit stärken wir die Familien in (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Deutschland generell . der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Auch die zusätzlichen Mittel, die wir fürs Ehrenamt ordneten der SPD) zur Verfügung stellen, machen einen ganzen Batzen aus; Starke Familien erziehen starke Kinder . Durch Eltern- hier haben wir natürlich insbesondere die Flüchtlinge im geld, Kindergeld und steuerliche Entlastung schaffen wir Blick . Darüber hinaus stellen wir zusätzliche Mittel für in den Familien den erforderlichen finanziellen Spiel- die Bufdis bereit . Das ist Geld, das wir angesichts der raum für Mütter und Väter . Sie bekommen die Gelegen- zusätzlichen Aufgaben, die wir haben, gut investieren . heit, in der Zeit nach der Geburt ihres Kindes mehr Zeit Außerdem haben wir zusätzliches Geld – wenn auch für ihre Familie zu haben . nicht viel; aber damit machen wir deutlich, wie wichtig Starke Familien bieten Schutz: Schutz vor Einsam- sie uns sind – für die Mehrgenerationenhäuser in die keit und Schutz vor Verwahrlosung . Starke Familien Hand genommen . Auch das ist ein wichtiger Beitrag stärken den Einzelnen in jedem Alter. Die Familienpfle- zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft . Sie sehen also: gezeit gibt Menschen in unserem Land die Möglichkeit, Nicht nur aufgrund der Flüchtlingssituation wurde mehr sich verstärkt um ihre Angehörigen im Krankheitsfall zu (B) Geld in unseren Haushalt gespült, sondern auch, weil es kümmern . Dadurch können die Betroffenen besser aus- (D) uns um die Frage des Zusammenhalts der Gesellschaft wählen, ob sie in ihrer gewohnten Umgebung bleiben insgesamt geht . oder eben nicht . Ich bezeichne das Ministerium für Familie, Senioren, Es gibt aber leider auch Fälle, in denen Familien Frauen und Jugend immer ganz gerne als Gesellschafts- nicht den nötigen Schutz und Rückhalt bieten können . ministerium . Wenn man den Haushalt so betrachtet, dann Dann bieten wir als Gesellschaft den nötigen Halt und haben wir einen großen Schritt in Richtung Zusammen- schaffen Angebote zur Hilfe . Gestern war der Interna- halt der Gesellschaft getan . Dafür danke ich nicht nur den tionale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen . Haushältern, sondern dem Parlament insgesamt . Ich selbst habe mich in Köln im Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, dem BAFzA, über Danke schön . die Arbeit des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ in- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) formiert . Dort wird eine beeindruckende Arbeit geleistet, und durch das rund um die Uhr einfach zu erreichende Angebot können sich Frauen in Not Hilfe holen, sogar in Vizepräsident Johannes Singhammer: 15 verschiedenen Sprachen . Abschließende Rednerin in dieser Aussprache ist die Kollegin Sylvia Pantel von der CDU/CSU . Das gleiche Lob gilt übrigens auch für das Hilfetele- fon „Schwangere in Not“ . Um die telefonischen Hilfsan- (Beifall bei der CDU/CSU) gebote zu erweitern, stellen wir mit dem Haushalt 2016 1,35 Millionen Euro, verteilt auf die kommenden drei Sylvia Pantel (CDU/CSU): Jahre, zur Verfügung . Eine Kinderschutzhotline soll – das haben wir eben schon gehört, aber man kann es nicht Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und oft genug hören – für Ärzte und medizinische Fachkräfte Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Star- eingerichtet werden . Bei dieser Hotline bekommen sie ke Familien sind die Garantie für ein starkes Land . Mit Rat, wenn der Verdacht besteht, dass ihre kleinen Patien- dem Haushalt 2016 für den Arbeitsbereich des Ministeri- ten misshandelt oder missbraucht werden . ums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zeigt die Bundesregierung, wie wichtig starke Familien für dieses Eine unserer wichtigsten Aufgaben wird langfristig Land sind . In diesen Tagen, die von Terror, Trauer, Not bleiben, die verschiedenen Hilfsangebote von Bund, und Elend geprägt sind, ist das Wohl der Familien in un- Ländern und Kommunen zu verzahnen und bekannter zu serem Land der tägliche Ansporn für unsere Familien- machen . Man darf das aber nicht verwechseln – das wur- politiker . Wir diskutieren und streiten, wir sprechen mit de eben gemacht – und glauben, dass wir dann die Zu- 13798 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Sylvia Pantel (A) ständigkeiten oder auch die finanzielle Last des anderen tie zu schützen . In einer Vielzahl von Programmen be- (C) übernehmen . In der Verzahnung müssen wir allerdings kämpfen wir Extremismus und Gewalt . Es ist für unsere noch besser werden . Gesellschaft inakzeptabel, wenn Flüchtlingsunterkünfte in Brand gesetzt werden . Wir tolerieren es nicht, wenn Bei diesem Thema freut es mich sehr, dass auch die Zeitungsredaktionen angegriffen werden . Es ist für un- Opposition mit uns an einem Strang zieht . Beim Schutz sere Gesellschaft aber genauso inakzeptabel, wenn eine der Schwächsten arbeiten wir alle zusammen und denken AfD-Politikerin im Internet für vogelfrei erklärt und da- nicht an Parteigrenzen, sondern an den möglichst effekti- nach ihr Auto in Brand gesetzt wird oder wenn Bundes- ven Schutz von Kindern als mögliche Opfer . wehrgegner nachts die Radmuttern von Militärfahrzeu- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- gen lösen . ordneten der SPD) Es gibt keinen politisch gerechtfertigten Extremismus . Da, wo Familien nicht stark genug sind, stärken wir In unserer Gesellschaft wird politisch mit Worten gestrit- sie und helfen ihnen . Starke Familien verbinden die Ge- ten, nicht mit Gewalt . Es darf weder Gewalt gegen Men- nerationen . Die Mehrgenerationenhäuser sind ein Segen schen noch Zerstörung fremden Eigentums geben . Darin für unsere Gesellschaft . Sie leisten großartige Arbeit und müssen sich alle Demokraten einig sein . stärken den Gedanken vom Leben und Lernen über die Generationsgrenzen hinweg . Im vergangenen Jahr waren (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) wir noch froh darüber, die Mittel für die Mehrgenerati- onenhäuser sichern zu können . Durch die zusätzlichen Mit dem Haushalt 2016 stellen wir weitreichende Mittel im Haushalt 2016 werden wir es sogar ermögli- Mittel für die Integration von Flüchtlingen bereit . Ganz chen, zehn weitere Mehrgenerationenhäuser in unserem gleich, wie sich in den kommenden Wochen die politi- Land zu gründen . schen Debatten über Aufnahmestopp und Kontingente entwickeln werden: Zu Weihnachten dieses Jahres wer- Wer Familien stärken will, muss insbesondere auch den mindestens 1 Million Menschen Zufluchtin Deutsch- die Großfamilie stärken . Wir müssen mehr für kinderrei- land gesucht haben . Diese Menschen sind hier . Sie stehen che Familien tun . Eine Familie mit mehr als zwei Kin- vor uns und bitten um Hilfe . Es sind viele junge Männer, dern muss bezahlbaren Wohnraum finden können. Das aber auch viele Frauen, Alte und Kinder dabei . gleiche Problem kennen wir aus unserem Alltag: Eine Familieneintrittskarte zum Beispiel darf nicht nur für El- Neben den zahlreichen staatlichen Leistungen wird tern mit zwei Kindern gelten . die Hilfe in unserem Land maßgeblich von Ehrenamtli- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- chen geleistet . Die Zivilgesellschaft zeigt jeden Tag, wie großzügig und hilfsbereit unsere Bevölkerung und wie (B) ordneten der SPD) (D) stark unser Zusammenhalt ist . Dafür möchte ich herzlich Starke Familien, ganz gleich wie viele Kinder sie haben, Danke sagen . müssen in Deutschland als Bereicherung für unser Land angesehen werden . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU) Zusätzlich zu den anderen Hilfsgeldern und Sofort- Es gilt der schöne Satz: Das Lachen der Kinder ist die maßnahmen stellen wir über 6 Millionen Euro für die Musik der Zukunft . Wohlfahrtsverbände zur Verfügung, um Berater und Experten auszubilden . Mit zusätzlichen 48 Millionen Gerade erst am Dienstag hat das Institut der Deut- Euro werden 10 000 Stellen im Bundesfreiwilligendienst schen Wirtschaft in einer Studie wieder gezeigt, dass finanziert. Die Jugendmigrationsdienste bekommen unser Land immer kinderfreundlicher wird . Dank der 8 Millionen Euro zusätzlich . Und wir investieren weitere Politik der unionsgeführten Bundesregierung herrscht 15 Millionen Euro, um gut ausgebildeten Flüchtlingen in Deutschland ein Klima, in dem sich Familien wohl- schnell und gut die deutsche Sprache beizubringen . Sie fühlen . Dass unsere vielfältigen Maßnahmen, um ein sollen sich in den Arbeitsmarkt integrieren oder ihr Stu- familienfreundliches Klima zu schaffen, wirken, zeigen dium abschließen können . die Geburtenzahlen . 2014 wurden 715 000 Kinder in Deutschland geboren, fast 5 Prozent mehr als im Vorjahr . Wir werden aber auch eine Antisalafismuskoordinie- Lassen Sie uns Familien noch stärker machen, und freuen rungsstelle einrichten, um gegen religiösen Extremismus wir uns über diesen Trend . im Land vorzugehen . Starke Familien in Deutschland können auch hier Vorbild sein . In starken Familien sind Starke Familien beugen Extremismus vor . Angriffe Männer und Frauen gleichberechtigt . In diesen Familien auf unsere freie Gesellschaft kommen nicht nur von au- bekommen die Kinder eine gute Ausbildung, und Extre- ßen. Sie kommen von jungen Menschen, denen häufig mismus hat in ihnen keinen Platz hat . die Grundwerte der Menschlichkeit abhandengekommen sind . Menschen, die sich extremistischen Ideologien hin- Keinen Platz – erlauben Sie mir diese Bemerkung am geben, haben meist nie einen ordentlichen Wertekompass Rande – sehe ich in Deutschland übrigens auch für die vermittelt bekommen . Vollverschleierung . Ein Niqab oder eine Burka sind kei- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ne Zeichen gelebter Religionsfreiheit, sie sind ein Zei- chen von Unterdrückung und Unfreiheit . Hier setzen wir an . Über 50 Millionen Euro werden wir im Haushalt 2016 dafür einsetzen, unsere Demokra- (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13799

Sylvia Pantel (A) Das hohe Gut der Religionsfreiheit darf nicht ausgenutzt Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder und rufe (C) werden, um Integration zu hemmen und Parallelgesell- den Tagesordnungspunkt I .17 auf: schaften zu zementieren . Einzelplan 10 Lassen Sie mich zum Abschluss meiner Rede noch auf einen Haushaltstitel kommen, den ich besonders erwäh- Bundesministerium für Ernährung und Land- nen möchte . Wir investieren erstmalig 3 Millionen Euro wirtschaft in das Deutsch-Griechische Jugendwerk . Durch die Fi- Drucksachen 18/6110, 18/6124 nanzkrise hat das gegenseitige Verständnis unserer einst so eng verbundenen Länder gelitten . Ganz besonders die Jetzt muss ich auf die Bitte einer Fraktion im Deut- griechische Jugend ist von der schlechten Situation ihres schen Bundestag noch einmal unterbrechen . Die SPD Landes betroffen . Daher wollen wir dieses Jugendwerk bittet um eine weitere Unterbrechung, weil sie noch ein einrichten und nach dem Vorbild des Deutsch-Französi- bisschen braucht .– Könnte man ein bisschen präzisieren, schen oder des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes arbei- was „ein bisschen“ heißt? – Also: Um 18 25. Uhr geht es ten, die herausragende Arbeit für die Freundschaft zwi- weiter . Dann lese ich aber nicht alles noch einmal vor, schen unseren Völkern leisten . Das ist eine Investition in sondern wir fangen dann gleich an . Der erste Redner der eine starke europäische Völkerfamilie . SPD kommt als vierter Redner dran . Ich glaube, dann kommt er immer noch rechtzeitig . Um Punkt 18 25. Uhr Unsere Wirtschaft ist stark . Ich bin froh, dass wir trotz geht es weiter . Entschuldigen Sie bitte, dass wir jetzt der gestiegenen Ausgaben in allen Ressorts einen aus- noch einmal fünf Minuten unterbrechen . geglichenen Haushalt vorlegen können und keine neuen Schulden machen . Haushaltsdisziplin ist eine familiäre (Unterbrechung von 18 .18 bis 18 .25 Uhr) Pflicht, die wir gegenüber unseren Kindern und Enkeln einzuhalten haben . Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Walter-Rosenheimer, weil Sie vorhin Bayern an- Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene gesprochen haben: Wenn alle anderen Bundesländer so Sitzung ist wieder eröffnet . gute Ergebnisse bei der Bildung, der inneren Sicherheit und im Umgang mit Flüchtlingen hätten, dann wäre ich Entschuldigen Sie bitte die zweimalige Unterbre- sehr zufrieden . Insofern bin ich froh, dass wir ein solches chung . Beispiel haben . Den Tagesordnungspunkt I .17 – Einzelplan 10 – Bun- Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit . desministerium für Ernährung und Landwirtschaft – habe ich bereits aufgerufen . (B) (Beifall bei der CDU/CSU) (D) Die Berichterstattung erfolgt durch die Abgeordne- ten Cajus Caesar, Ulrich Freese, Heidrun Bluhm und Vizepräsident Johannes Singhammer: Sven-Christian Kindler . Damit schließe ich die Aussprache . Zum Einzelplan 10 liegt ein Änderungsantrag der Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ein- Fraktion Die Linke vor . zelplan 17 – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – in der Ausschussfassung . Wer dafür Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen .– Wer stimmt die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei- dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 17 ist da- nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen . mit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von den Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/ Es wäre schön, wenn Sie sich an Ihre Redezeiten hal- Die Grünen angenommen . ten würden, sodass wir es schaffen, im vorgegebenen Rahmen von 96 Minuten zu bleiben . Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/ Die Grünen haben gebeten, jetzt die Sitzung für etwa Heidrun Bluhm hat als Erste für die Linke das Wort . eine Stunde wegen Fraktionssitzungen zu unterbrechen . Sie eröffnet unsere Debatte .– Frau Bluhm, Sie haben das Der Wiederbeginn der Sitzung wird also gegen 18 Uhr Wort . sein und rechtzeitig durch Klingelsignal angekündigt . (Beifall bei der LINKEN) Ich unterbreche damit die Sitzung . (Unterbrechung von 17 .00 bis 18 .17 Uhr) Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Vizepräsidentin Claudia Roth: Kollegen! Herr Minister! Ich bin jetzt die Erste, die im Plenum spricht, nachdem soeben alle Abgeordneten des Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie Deutschen Bundestages von der Regierung darüber in- recht herzlich und wünsche Ihnen einen schönen Abend formiert worden sind, dass sich Europa und damit auch in diesen nicht ganz einfachen Zeiten . Ich begrüße auch Deutschland auf einen militärischen Angriff auf die Ge- die Gäste auf der Tribüne . biete des „Islamischen Staates“ vorbereitet . Ich will sa- Ich hoffe, dass die Rednerinnen und Redner auf der gen: Es fällt mir deshalb extrem schwer, jetzt einfach zur Redeliste, die jetzt noch nicht im Saal sind, noch recht- Tagesordnung überzugehen und mich darauf zu konzent- zeitig kommen werden . rieren; ich will es aber trotzdem versuchen . 13800 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Heidrun Bluhm (A) Liebe Kolleginnen und Kollegen, 90 Prozent der Flä- Die Linke fordert einen starken Staat . Wenn es um die (C) che in der Bundesrepublik sind ländlicher Raum . Jede Grundbedürfnisse der Menschen geht, dürfen Rendite zweite Bürgerin und jeder zweite Bürger wohnt im länd- und wirtschaftliche Effizienz nicht im Fokus stehen. Auf- lichen Raum . Er ist damit keine Peripherie, kein Rand- gabe von Politik ist es, das zu sichern, was die Menschen bereich und auch kein Teil Deutschlands, der lediglich brauchen, auch wenn es sich vielleicht nicht rechnet . als Standort der Agrar-, Forst- und Energiewirtschaft ver- standen werden darf . (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Nur die Starken können sich einen schwachen Staat leis- ten . Deshalb brauchen wir eine Gemeinschaftsaufgabe Nein, der ländliche Raum ist Lebensraum; der ländliche für die Entwicklung der ländlichen Räume; und weil es Raum ist Deutschland . Das ist der Hintergrund, vor dem heute um den Haushalt geht, fordere ich das auch finan- wir den Einzelplan 10 zu besprechen haben . ziell . Die Lebensrealität und die Lebensqualität der Hälfte (Beifall bei der LINKEN) der Bevölkerung Deutschlands hängen von der Politik ab, die wir für den ländlichen Raum machen oder viel- Ich weiß, Herr Schmidt, Ihnen sind die Probleme be- mehr machen könnten . Bisher haben wir aber entweder kannt . Sie erkennen die Potenziale des ländlichen Rau- die Entwicklung im Zusammenhang mit dem demogra- mes . Sie erkennen auch die Investitionsbedarfe, die bei fischen Wandel eher sich selbst überlassen oder sind der Infrastrukturmaßnahmen, der Dorf- und Regionalent- hohen Bedeutung, auch mit Verantwortung verbunden, wicklung bestehen . Das werden Sie vielleicht auch in viel zu wenig gerecht geworden . Ihrer Rede gleich noch einmal zum Ausdruck bringen . Aber was nützt es, wenn Ihre Rede in keiner Weise mit Hier geht es darum, dass wir über die Rahmenbedin- den Zahlen im Haushalt in Übereinstimmung zu bringen gungen für die Menschen reden, die unsere Naturland- ist? schaft pflegen, die die Ernährung aller in Deutschland si- chern, die mittlerweile weite Teile der Verbraucher auch Und hier hatte ich eigentlich große Hoffnung . Über mit Energie versorgen; in meinem Bundesland Mecklen- Parteigrenzen hinweg wurde die Forderung von 200 Mil- burg-Vorpommern ist das jedenfalls so . lionen Euro mehr für die Gemeinschaftsaufgabe „Ver- besserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ Das ist der Maßstab, an dem wir den Haushalt des unterstützt, in der die Mittel für die ländliche Raument- Landwirtschaftsministeriums für 2016 messen müssen . wicklung abgebildet sind – Herr Seehofer vorweg, die Herr Minister, da muss ich Ihnen leider sagen: Diesem SPD sogar mit Vorstellungen im Bereich von 500 Milli- (B) Anspruch werden wir mit einem Gesamtetat von knapp onen Euro . Dass Sie da also etwas machen mussten, war (D) 5,6 Milliarden Euro nicht gerecht werden können . Ihnen klar, und Sie standen in dieser Frage auch unter Druck . Aber was ist rausgekommen? Um ganze 5 Pro- (Beifall bei der LINKEN) zent erhöhen Sie die Mittel für die Gemeinschaftsauf- Klar, auch wir begrüßen den Aufwuchs um knapp gabe . 30 Millionen Euro sind übrig geblieben von den 250 Millionen Euro im Vergleich zu 2015 . Das ist eine gewünschten 200 Millionen Euro, die selbst Ihre eigene Steigerung um insgesamt 4,65 Prozent . Aber gemessen Partei, der Bauernverband, die Bundesländer und auch an der Gesamtsumme, die der Bund 2016 ausgeben wird, wir Linke gefordert haben . sind das nur 1,77 Prozent . Eine wirkliche Reform der Gemeinschaftsaufgabe Wie sieht das Leben auf dem Land heute konkret aus? hatten Sie in Aussicht gestellt; sie sollte zu einer Gemein- Fährt der Bus die 80-jährige Dame noch zum nächsten schaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“ werden . Übrig Ärztehaus, oder unterlässt sie den Arztbesuch eventuell, geblieben ist etwas, was man nicht mal mehr Reförmchen weil ihr der Weg zu schwer und kein Landarzt mehr in nennen könnte . Nahversorgung, die Förderung landwirt- der Nähe ist? Sind öffentliche und lebensnotwendige schaftsferner KMU, die Umnutzung von Gebäudebestän- Versorgungseinrichtungen überhaupt noch in der Fläche den – ja, diese Maßnahmen sind richtig und überfällig, präsent und erreichbar? Hängen wir Teile Deutschlands und auch die leichte Mittelaufstockung begrüßen wir na- digital nicht ab? Können Jugendliche Bildung und Teil- türlich . Aber ich bin mir ganz sicher, Herr Minister: Auch habe in gleicher Weise wie in großen Städten erfahren? Sie können mit diesem Ergebnis nicht zufrieden sein . Ist Daseinsvorsorge heute noch jedem zugänglich? Oder (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Ha- sind es nur noch ökonomische Kennwerte, die die Bun- rald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) desregierung bei ihrer Strukturpolitik interessieren, wie es sich beispielsweise beim neuen Krankenhausstruktur- Doch Sie vertreten hier die Regierung, und deshalb ma- gesetz oder auch beim Breitbandausbau beweisen lässt? che ich bei Ihnen auch die Defizite dieser Politik fest. Öffentliche Dienstleistung nur dort, wo sie sich rechnet oder private Gewinne generiert? Dieses Politikverständ- Die Linke sagt: Wir dürfen vor allem strukturschwa- nis lehnen wir entschieden ab . chen Kommunen die Zukunft nicht verbauen . Sie brau- chen dringend Unterstützung bei der Bewältigung des (Beifall bei der LINKEN) Strukturwandels . Aber genau das ist der Trend, der sich seit vielen Jahren (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . vollzieht . ­Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13801

Heidrun Bluhm (A) Hier kommt nicht nur nicht viel voran . Hier unterlassen ern, der Forstwirte und all derjenigen, die in diesem Be- (C) wir sehenden Auges Investitionen in die Zukunftsfä- reich aktiv sind . higkeit der ländlichen Räume . Und wenn das in Ihrem eigenen Haushalt nicht eingestellt werden konnte, dann (Josef Göppel [CDU/CSU]: Und der Fi- würde ich Sie bitten, Herr Minister: Treten Sie vielleicht scher!) Herrn Dobrindt ein bisschen in die Rippen, dass er dann Mein Dank gilt dem Minister, dem Ministerium . Mit wenigstens die notwendigen Mittel für den Breitband- dem Entwurf sind schon richtige Gewichtungen vorge- ausbau auch im ländlichen Raum zur Verfügung stellt . nommen worden . Ich glaube, dass wir mit Stolz darauf verweisen können, dass das, was wir in der Vergangen- (Beifall bei der LINKEN) heit beschlossen haben, mit Dynamik umgesetzt wor- Die kommunale Finanznot steht der Strukturförderung den ist . Deshalb danke ich unserem Minister Christian aber als grundlegendes Problem entgegen . Wenn Kom- Schmidt im Namen unserer Fraktion ausdrücklich . munen nicht mehr in der Lage sind, das tägliche Leben (Beifall bei der CDU/CSU) der Menschen auf dem Lande attraktiv zu machen, dann werden auch sie bei nächster Gelegenheit wahrscheinlich Mein Dank gilt auch dem Haushaltsreferat: Albert Wulff – in Ballungsräume abwandern . Dann bauen wir dort, in ihn habe ich eben gesehen –, Dr .Ulrich ­Kuhlmann – er den Ballungsräumen, noch mehr Wohnungen auf immer kann heute nicht hier sein – und Bernd-Udo Hahn, mit weniger Lebensraum und vernichten damit unsere histo- denen wir stets zusammengearbeitet haben . Es war eine rischen ländlichen Lebensräume und nicht zuletzt auch Freude . Wir haben die Informationen schnell, ausführlich gesellschaftliches und privates Eigentum . Herr Minister, und detailliert bekommen . Es war eine sehr gute Zusam- das wollen Sie nicht . Die Kolleginnen und Kollegen der menarbeit . Das gilt auch für meine Mitberichterstatter Koalition wollen das hoffentlich auch nicht, und die Op- Ulrich Freese, Sven-Christian Kindler – er ist aus famili- position will das sowieso nicht . ären Gründen heute nicht hier; aber auch ihm Dank – und selbstverständlich auch Heidi Bluhm, die ja Nachfolgerin (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- von Roland Claus ist . Danke für die Zusammenarbeit! neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir legen einen Gesamthaushalt vor, der null Neuver- Für 2016 ist die Chance vertan, Daseinsvorsorge, Mo- schuldung vorsieht, und setzen trotzdem sehr wesentli- bilität und Teilhabe in den ländlichen Räumen langfristig che Akzente: 140,8 Millionen Euro mehr für gesunde Er- zu sichern, vor allem in schrumpfenden Regionen . Ich nährung, für Forschung, für Projekte, für Wertschöpfung sage es heute am Ende noch einmal: Wir brauchen eine im ländlichen Raum – das ist schon etwas besonders –, ressortübergreifende Gesamtstrategie für die ländlichen 108 Millionen Euro mehr für den ländlichen Raum, für (B) Räume . die Sozialversicherungen und noch einmal 100 Millio- (D) (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Ha- nen Euro obendrauf für den vorbeugenden Hochwasser- rald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) schutz . Das sind 350 Millionen Euro Zukunftsinvestitio- nen der Union . Und wenn die Regierung das nicht kann, dann sind wir gern in Zukunft bereit, dazu etwas aufzuschreiben . (Beifall bei der CDU/CSU) Danke schön . Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich dem Vorsit- zenden der Arbeitsgruppe Haushalt, Eckhardt Rehberg, (Beifall bei der LINKEN) danken . Es ist nicht selbstverständlich, dass er uns in dieser Form vorangebracht und so unterstützt hat . Lieber Vizepräsidentin Claudia Roth: Eckhardt, herzlichen Dank . Vielen Dank, Frau Kollegin Bluhm .– Noch einmal die (Beifall bei der CDU/CSU) Bitte, sich an die Redezeit zu halten, sonst – darauf haben wir uns jetzt gerade verständigt – werden wir das einfach Wir als Union setzen mit diesem Haushalt die rich- Ihren Kolleginnen und Kollegen abziehen müssen . tigen Rahmenbedingungen . Wir wollen diese Branche weiterhin zukunftsfest machen, Schwerpunkte setzen Nächster Redner in der Debatte: Cajus Caesar für die und das Geld an der richtigen Stelle einsetzen . Schwer- CDU/CSU-Fraktion . punkte sind zum einen die nachwachsenden Rohstoffe, für die 61 Millionen Euro vorgesehen sind . Hier darf ich (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . sagen: Andreas Schütte an der Spitze der FNR leistet her- Dr .Wilhelm Priesmeier [SPD]) vorragende Arbeit . Aber , der hier unter uns ist, ist derjenige, der in der FNR die Projekte wesentlich Cajus Caesar (CDU/CSU): voranbringt . Lieber Alois Gerig, herzlichen Dank! Hier Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! wird hervorragende Arbeit geleistet . Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischereiwirtschaft, Er- (Beifall bei der CDU/CSU) nährungswirtschaft nehmen eine Schlüsselrolle in unse- rer Gesellschaft, in unserer Wirtschaft ein . Deshalb wol- Liebe Freunde, auch für den Waldklimafonds haben len wir als Union in diesem Bereich auch Akzente setzen; wir die Mittel von 14,35 Millionen Euro auf 17,61 Milli- denn wir wollen der Bedeutung dieses Bereiches gerecht onen Euro in 2016 und auf 19,54 Millionen Euro in 2017 werden . Ich denke, mit diesem Haushalt setzen wir diese erhöht . Hier geht es um Klimaschutz, hier geht es um Akzente und sind an der Seite der Bäuerinnen und Bau- klimaresistente Baumarten, hier geht es um Forschung, 13802 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Cajus Caesar

(A) hier geht es um Kohlenstoffspeicherung und CO2-Redu- auf beeindruckende Weise vor Ort gezeigt, wie wichtig (C) zierung . Ich denke, dass ist ein richtiger Weg . Gleichfalls der Küstenschutz ist . Wir haben die Mittel für den Hoch- setzen wir Akzente im Bereich Bauen mit Holz . Holz ist wasserschutz erhöht, um Deichertüchtigungen vorneh- beim Bauen ein Stoff, der eine hervorragende Ökobilanz men zu können . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hat, weil dadurch 80 Prozent weniger Energie verbraucht haben insbesondere für den vorbeugenden Hochwas- werden . Also: Mit Holz ist viel möglich; das ist umwelt- serschutz etwas getan . Wer die Bilder vom Hochwasser freundlich und natürlich auch ressourcenschonend . noch vor Augen hat, der weiß, welches Leid die Leute erfahren haben . Wir haben schnell und unkompliziert Wir wollen insbesondere das Bundeswaldgesetz mög- geholfen und 8 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . lichst schnell auf den Weg bringen und so dafür sorgen, Aber wir wollen auch vorbeugend präventiven Hochwas- dass die Kleinstwaldbesitzer nicht im Stich gelassen serschutz betreiben . werden, sondern vielmehr gestärkt werden . Wir wollen das Eigentum stärken, und wir wollen auch die forstwirt- Bei den Terminen in den Wahlkreisen konnte ich fest- schaftlichen Vereinigungen in ihrer Arbeit stärken . stellen, dass es die Befürchtungen gab, dass wir Geld einstellen könnten, mit dem irgendwelche Programme (Josef Göppel [CDU/CSU]: Sehr gut!) finanziert werden, die aber gar nicht effektiv sind. Die- Hier ist unser Minister auf dem richtigen Weg . Wir sind se Befürchtungen sind unbegründet; denn wir haben davon überzeugt, dass er relativ rasch einen entsprechen- das, was wir als Koalition im Bereich des vorbeugenden den Entwurf vorlegen wird, um dieses zu regeln . Hochwasserschutzes auf den Weg bringen wollten, auch umgesetzt . Die 20 Millionen Euro, die im ersten Jahr zur (Josef Göppel [CDU/CSU]: Das hoffen wir!) Verfügung standen, haben wir für effektive Programme Dafür danke ich ihm ausdrücklich . und Investitionen genutzt . (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg . Im nächsten Jahr werden 100 Millionen Euro für den Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) vorbeugenden Hochwasserschutz zur Verfügung stehen . In diesem Bereich ist Geld sehr gut angelegt; denn es Wir werden des Weiteren zusätzliche Stellen vorse- kommt – neben der Deichrückverlegung – auch darauf hen, um die Waldstrategie 2020 mit Leben zu erfüllen an, den Landwirten weiterhin die Möglichkeit zu geben, und im Bereich des Wirtschaftsfaktors Wald einiges tun dort zu wirtschaften und ihr Land zu bestellen . Es ist so zu können; da haben wir ja auch bereits einiges getan . erstmals gelungen, den Landwirten aus Bundesmitteln Auch hier kann man sagen, dass wir auf dem richtigen 20 Prozent des Verkehrswertes betroffener Flächen als Weg sind . Entschädigung zukommen zu lassen, also Ökologie und Ökonomie im besten Sinne zu verbinden . Das ist der (B) Wir wollen – das haben wir gezeigt – nicht nur Ver- (D) sprechen machen, sondern sie auch halten . Im Bereich richtige Weg; den sollten wir weitergehen . der Energieeffizienz des Gartenbaus und der Landwirt- (Beifall bei der CDU/CSU) schaft setzen wir 15 Millionen Euro ein . Das sind in den nächsten drei Jahren insgesamt 65 Millionen Euro . Im Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolle- Bereich Energieeffizienz ist Geld gut angelegt. Das wol- ginnen und Kollegen, alle reden vom ländlichen Raum, len wir alle . Das ist Klimaschutz . Das bedeutet aber auch vor allem vor Ort, in den Wahlkreisen . Es gibt runde Ti- Stärkung der Branchen Gartenbau und Landwirtschaft . sche und tolle Ideen; Projekte werden geschmiedet . Wir Das ist uns wichtig . setzen 30 Millionen Euro zusätzlich für den ländlichen Raum ein . Wir als Union sind an der Seite derjenigen, die Wir wollen im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe vor Ort Ideen haben Akzente setzen . Wir haben deshalb die Mittel deutlich erhöht: um 30 Millionen Euro in diesem Jahr und in den (Ursula Schulte [SPD]: Wir auch!) Folgejahren um 60 Millionen Euro. Das fließt nicht nur und sie umsetzen wollen . Ich sage mal: Wir als Koalition in Modellprojekte; vielmehr wollen wir über solche Pro- und wir von der Union meinen, dass der ländliche Raum jekte die ländlichen Infrastrukturen insgesamt verbes- wichtig ist . Deshalb sind wir an der Seite der dort leben- sern . Natürlich ergänzen wir den Verkehrshaushalt – hier den Menschen und derjenigen, die dort arbeiten . Diese werden mehrere Milliarden für die Breitbandversorgung 30 Millionen Euro sind gut angelegtes Geld . auch im ländlichen Bereich bereitgestellt – durch eige- ne Mittel . Wir sind da auf dem richtigen Weg, und wir (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- werden auch unsere Versprechen einhalten, nämlich den ordneten der SPD) ländlichen Raum so auszugestalten, dass er so lebenswert Wir wollen die sozialen Strukturen im ländlichen bleibt, wie er ist . Deshalb wird die Union alles daran- Raum stärken . Wir wollen, dass Gebäude umgewidmet setzen, erfolgreich solche ländlichen Strukturen aufzu- werden können, ehe sie verfallen, und Nutzungszwecken bauen, dass sie dazu dienen können, die Menschen im in der Landwirtschaft aber auch darüber hinaus zugeführt ländlichen Raum zu begleiten . Auch da sind wir auf dem werden können . Wir wollen durch entsprechende Projek- richtigen Weg . te im ländlichen Raum Dinge auf den Weg bringen und (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Positivbeispiele sammeln, die dann vermehrt in allen Be- [SPD]) reichen des ländlichen Raums umgesetzt werden können . Die Gemeinschaftsaufgabe umfasst auch den Küsten- Wir wollen Dienstleistungen, die sonst nicht bezahl- schutz . aus Schleswig-Holstein hat mir bar sind, bündeln und den Menschen anbieten, um den Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13803

Cajus Caesar (A) ländlichen Raum so attraktiv zu machen, dass von dort zu . Dennoch müssen wir es versuchen und heute über (C) möglichst wenige weggehen . Mehr noch: Der ländliche den Haushalt reden . Raum soll so attraktiv und lebenswert sein, insbesondere Der Schwabe schaut ja im Haushalt immer darauf, im Hinblick auf Infrastruktur, Arbeitsplätze und Angebo- dass kein Geld verschwendet wird . Als grüner Schwabe te vor Ort, dass er mit den städtischen Bereichen mithal- achte ich auf Nachhaltigkeit . Als grüner Agrarpolitiker ten kann . Das sind wir den Bürgern schuldig . Deshalb will ich eine nachhaltige Landwirtschaft fördern und handeln die Union und die Koalition entsprechend . unsere Betriebe für die Zukunft fit machen. Hier gibt es (Beifall bei der CDU/CSU) wirklich viel zu tun . Das passiert mit diesem Haushalt, lieber Herr Kollege Caesar, leider schon wieder ganz und Im Bereich der Sozialversicherung stellen wir 78 Mil- gar nicht . Ich sehe in dem Entwurf nämlich keinen Plan lionen Euro mehr für die Unfallversicherung bereit . Wir und keinen Mut . sind der Meinung, dass dies wichtig ist, auch vor dem Hintergrund, dass die Landwirtschaft im Augenblick sehr Damit wir uns nicht missverstehen: Herr Minister, schwierige Zeiten durchwandert . Die Rahmenbedingun- es ist gut, dass die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe gen sind wegen des Verbots von Exporten nach Russland, „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschut- der Milchpreise und der Schweinepreise schwierig . An- zes“ endlich aufgestockt werden . Darüber diskutieren gesichts der Situation wollen wir ein Zeichen setzen und wir seit zwei Jahren . Und es ist auch gut, dass es mehr der Landwirtschaft, den Bäuerinnen und Bauern, den Geld für die landwirtschaftliche Sozialversicherung gibt . Forstwirten, allen, die vor Ort arbeiten, sagen: Wir lassen Aber es bleibt dabei: Sie zementieren einmal mehr Ihre euch nicht im Stich, wir sind an eurer Seite .– Deshalb bisherige Agrarpolitik . Ihr Haushalt steht für noch mehr stellen wir 78 Millionen Euro mehr für diesen Bereich Industrialisierung, hohen Pestizidverbrauch und weitere bereit . Ich denke, das ist richtig und gut angelegtes Geld Investitionen, leider in eine Agrarproduktion, die massi- für die Landwirtschaft, für die Forstwirtschaft und für all ve ökologische Kosten verursacht und – das ist das Fatale diejenigen, die dort richtig anpacken . dabei – nicht einmal den Bäuerinnen und Bauern etwas bringt . (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben 2 Millionen Euro mehr auch für Messen, für Exportförderung eingestellt . Ich denke, das ist richtig . Die Intensivierung auf Kosten der Umwelt bringt ja Das schließt an den eben genannten Bereich an . nicht einmal mehr kurzfristige ökonomische Vorteile . Im Gegenteil: Sinkende Preise gefährden Tausende von bäu- Wir tun mehr im gesundheitlichen Verbraucherschutz . erlichen Existenzen . Milchpreise um 25 Cent fressen an Ich nenne an dieser Stelle die Aufstockung um 136 Stel- der Substanz der Betriebe . Wer seine Tierhaltung für den (B) len beim BfR und um 195 Stellen beim BVL . Gesunde Export optimiert hat, sitzt jetzt auf hohen Investitions- (D) Ernährung und Tierwohl sind auch Thema unserer Bun- schulden . Das lässt sich auch nicht mit Liquiditätshilfen desregierung und unserer Koalition; und deshalb tun wir kaschieren . Da ist doch ein klarer Auftrag an Sie, endlich dort etwas . Alternativen zu fördern . Wir wollen nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt; (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ich habe eben den Namen Eckhardt Rehberg genannt . sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir setzen Akzente und Zeichen für Forschung und In- novation mit 50 Millionen Euro mehr . Wir setzen Zei- Sie predigen stattdessen unverdrossen weiter Ihre Ex- chen für den Dialog . Wir setzen Zeichen für eine gesunde portvisionen und fördern das auch noch mit öffentlichen Ernährung . Wir setzen Zeichen für einen umweltfreund- Mitteln . Da sind zum einen 3 Millionen Euro für Maß- lich erzeugten Rohstoff Holz . Wir setzen Zeichen durch nahmen zur Verstärkung der Außenhandelsbeziehungen 78 Millionen Euro mehr an Investitionen im Bereich der im Agrar- und Ernährungsbereich, und das, obwohl die sozialen Systeme für die Unfallversicherung . Und wir momentane Krise auf dem Fleisch- und Milchmarkt klar setzen Zeichen im ländlichen Raum durch einen neuen zeigt, dass die Exportfixierung in die Sackgasse geführt Ansatz in Höhe von 30 Millionen Euro . Wir als Union hat . Diese 3 Millionen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen an der Seite der dort lebenden und arbeitenden wären im Tierschutz doch deutlich besser angelegt, weil Menschen sein . sie hier auch einen echten Mehrwert schaffen . Herzlichen Dank . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Herr Minister Schmidt, was tun Sie? Statt sich um die ordneten der SPD) drängenden Probleme der Landwirtinnen und Landwirte zu kümmern, beraumen Sie Exportgipfel an . Ihr Sofort- hilfeprogramm besteht wieder nur aus Exportunterstüt- Vizepräsidentin Claudia Roth: zung – mit bekannten Folgen für die Landwirtschaft in Vielen Dank, Kollege Caesar . – Nächster Redner in den Empfängerländern . Dabei gibt es gerade im Inlands- der Debatte: Harald Ebner für Bündnis 90/Die Grünen . markt enormes Wachstums- und Wertschöpfungspoten- zial . Der Absatz von Ökolebensmitteln steigt, die Anbau­ Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): fläche nicht. Die Leistungen des ökologischen Landbaus Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und bei Klima-, Umwelt- und Naturschutz, aber auch bei der Kollegen! Zur Tagesordnung überzugehen, fällt uns allen Schaffung von Arbeitsplätzen sind durch zahllose Stu- schwer, glaube ich; da stimme ich der Kollegin Bluhm dien, auch durch Studien der Bundesregierung, belegt . 13804 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Harald Ebner (A) Aber wer nachhaltige Landwirtschaft will, der muss da- bunden eingesetzt werden . Das wurde von Ihnen abge- (C) für auch die Weichen stellen . lehnt . – Schade! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Beim Stickstoffüberschuss sieht es genauso aus; wie sowie bei Abgeordneten der LINKEN) bei der Gentechnik passiert hier nichts, Herr Minister . Die Kennzeichnungspflicht von tierischen Produkten be- Es muss deutlich mehr in das Bundesprogramm Öko- kommen Sie nicht hin . Für die „ohne Gentechnik“-Kenn- logischer Landbau investiert werden, sonst gehen durch zeichnung gibt es nach wie vor nicht mehr Geld, um sie den rasanten Verlust von genetischer Vielfalt unsere bekannt zu machen . Und der Gesetzentwurf der Bundes- Grundlagen für nachhaltige ökologische Landwirtschaft länder wartet darauf, endlich in den Bundestag einge- unrettbar verloren . Aber Sie haben unseren Antrag, in bracht zu werden . Das ist ärmlich, das ist billig, das zeugt dem wir forderten, 20 Prozent der Forschungsmittel dem auch von Hilflosigkeit. Da fehlt Ihnen der Mut, die Ver- Ökolandbau zur Verfügung zu stellen, abgelehnt . Herr antwortung für die Anbauverbände mit einem vernünf- Caesar, Sie haben zwar gesagt, die Forschungsmittel sind tigen Gentechnikgesetz selbst zu übernehmen, statt sie aufgestockt worden, an die Bundesländer abzuschieben; genau das tun Sie ja . (Cajus Caesar [CDU/CSU]: Ja!) Es gäbe noch viel zu sagen . aber wir sollten auch mehr Mittel zur Forschung im Öko- ( [CDU/CSU]: Die Redezeit ist landbau investieren . abgelaufen!) (Cajus Caesar [CDU/CSU]: 50 Millionen Mir bleibt an dieser Stelle, zu sagen: Der Haushalt zeigt, mehr haben wir eingesetzt!) dass Sie nicht den Mut haben, die Probleme zu lösen . Ihre vollmundig gestartete Zukunftsstrategie Ökolo- Danke schön . gischer Landbau kommt ganz ohne Geld aus . Ich kann da keine Strategie und auch keine Zukunft erkennen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Stattdessen gibt es Gesprächsrunden bis zum bitteren Ende der Legislatur . Herr Minister, mit was wollen Sie Vizepräsidentin Claudia Roth: am Ende der Legislatur eigentlich noch anfangen? Da Vielen Dank, Herr Kollege Ebner, auch für die Ein- ist es doch logisch, dass Sie kein Geld ausgeben wollen . haltung der Redezeit .– Nächster Redner: Ulrich Freese In der Sache ist das nachvollziehbar, aber grundfalsch . für die SPD . Orientieren Sie sich doch an den Bundesländern, auch an Ihrem eigenen . Dort passiert etwas, das kann man ab- (Beifall bei der SPD) (B) schreiben . Für mich sieht es aber so aus, als hätten Sie (D) keinen Plan . Ulrich Freese (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich Ih- Wir stellen fest: In allen Lebensmitteln sind Pestizid­ nen so zuhöre, dann beschleicht mich einerseits das Ge- rückstände zu finden, leider nicht nur in den Importen, fühl, dass Sie den vorliegenden Haushalt nicht kennen . sondern auch in den hiesigen; das war einer Dokumen- (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- tation des BVL aus dem Jahr 2013 zu entnehmen . Das NEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) bereitet nicht nur dem Bundesamt, sondern uns allen buchstäblich Bauchschmerzen . Andererseits haben Sie eine ganze Reihe von Fragestel- lungen aufgeworfen, die mit Haushaltstiteln nichts zu tun Pestizidrückstände, zum Beispiel Glyphosat, finden haben . Diese Fragen sind – das ist der Anspruch des Mi- sich in uns allen; das belegen zahlreiche Untersuchun- nisteriums – auch ohne Haushaltstitel einfach per Gesetz gen . Ich sage ausdrücklich, meine Damen und Herren: regelbar . Ich halte es für richtig, dass man beim BfR, beim Bun- desinstitut für Risikobewertung, Stellen aufstockt . (Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Welches Gesetz haben Sie denn ge- (Dieter Stier [CDU/CSU]: Dann freuen Sie macht? Ihr habt doch gar keines gemacht! – sich doch über unseren Haushalt!) Weiterer Zuruf des Abg . Oliver Krischer Das ist nötig . Dann ist das Bundesinstitut hoffentlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) auch nicht mehr darauf angewiesen, Bewertungen der In- Wir reden jetzt über den Haushalt 2016 . Ich muss dustrie hinsichtlich Pestiziden zu übernehmen . schon sagen, meine Damen und Herren, liebe Kollegin- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nen und Kollegen: Es ist schon eine verdammt sportliche Leistung, die wir in den letzten 18 Monaten hingelegt Die Menschen sind angesichts des steigenden Pesti- haben . Der Haushalt, der von uns heute und morgen ab- zideinsatzes zu Recht besorgt . Hier müssen wir anset- schließend beraten wird, ist nämlich der dritte Haushalt, zen . Wir müssen in die Forschung im Bereich des nicht der ohne Neuverschuldung auskommt, der ausgeglichen chemischen Pflanzenschutzes investieren und in die Be- ist . Es ist auch der dritte Haushalt, in dem es Bewegung ratung der Landwirte, die den Mitteln selbst nicht mehr im Haushalt des Bundesministeriums für Landwirtschaft trauen . Deshalb hatten wir ja beantragt, dass die Mittel und Ernährung gibt . Ich denke, darauf können wir alle, aus dem Budget für Forschung und Innovation zweckge- die wir die Koalition tragen, ein Stück weit stolz sein; Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13805

Ulrich Freese (A) wir arbeiten nämlich unseren Koalitionsvertrag millime- ganze Reihe guter Ideen zur Entwicklung der ländlichen (C) tergenau ab . Räume haben, die wir einbringen können .

Cajus Caesar ist genauso wie allen anderen, die an (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des den Haushaltsberatungen teilgenommen haben, für sein Abg . Cajus Caesar [CDU/CSU]) Engagement zu danken . Ebenso ist dem Bundesministe- Dazu gehört auch, dass wir uns der Instrumente be- rium zu danken, das uns immer gut vorbereitet hat und dienen, die uns schon zur Verfügung stehen . Ich bin dem unterjährig die Fragen meiner Kolleginnen und Kollegen Minister sehr dankbar, dass er sich bereit erklärt hat, das jederzeit beantwortet hat . Grünlandzentrum, das in Niedersachsen eine Vorreiter- rolle einnimmt, über Projekte finanziell zu fördern, damit Was ist in den 18 Monaten alles geschehen? Ich erin- diese Ideenschmiede mit Blick auf ganz Deutschland mit nere mich zunächst einmal, dass in allen meinen Reden Bundesmitteln arbeiten kann . der Hochwasserschutz einen hohen Stellenwert hatte . Das Thema Hochwasserschutz hat über einen Maßgabe- Eine letzte Bemerkung, Frau Präsidentin .– Wir haben beschluss Eingang gefunden . Dafür waren in diesem Jahr auch darum gerungen, dass die Kompetenz, die im For- 20 Millionen Euro vorgesehen, weil wir gesagt haben: schungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund ange- Wir wollen planen .– Und in meiner letzten Rede, Herr siedelt ist, bei der Verlagerung nach Bonn erhalten bleibt . Minister, habe ich darum gebeten, dass Sie mit dem Bun- Das traf leider auf das Institut nicht zu, aber die Kompe- desfinanzminister und ihren anderen Ministerkollegen tenz ist teilweise gesichert . Ihre Zusage, Herr Minister, aushandeln, dass aus dem Investitionsförderprogramm dass Sie sich dafür einsetzen werden, dass über weitere, jährlich 100 Millionen Euro für den Hochwasserschutz über die McDonald’s-Studie hinausgehende Projekte die vorgesehen werden . Ich bin sehr froh, dass es Ihnen ge- Kompetenz gesichert wird, ist ein gutes Zeichen dafür, meinsam mit der für die Bereiche Bauen und Umwelt dass wir die gesunde Ernährung dieser Teilgruppe der zuständigen Bundesministerin, Barbara Hendricks, ge- Bevölkerung mit Bundesmitteln weiterhin fördern wol- lungen ist, exakt 100 Millionen Euro zu vereinbaren, und len . zwar nicht nur für 2016, sondern auch für 2017 und 2018 . (Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Das sind wichtige finanzielle Beiträge, die uns helfen NEN]: Die „McDonald’s-Studie“? – Harald werden, einen nationalen Hochwasserschutzplan auf den Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Weg zu bringen, in dem genau das berücksichtigt wird, Sie da etwas falsch verstanden?) was Cajus Caesar hier beschrieben hat . – Die DONALD-Studie .– Ich glaube, wir haben vieles (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten aus dem Koalitionsvertrag erfüllt . Ich bin mir ganz si- (B) (D) der CDU/CSU) cher, dass wir in der nächsten Haushaltsberatung weite- re Schritte gehen werden und am Ende sagen können: Zum Zweiten hat in allen drei Reden, die ich hier zum Wir haben fast 100 Prozent der im Koalitionsvertrag be- Haushalt gehalten habe, das Thema Hofabgabeklausel schlossenen Vereinbarungen auf den Weg gebracht . eine Rolle gespielt . Im letzten Jahr ist der Haushalt des Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . Bundesministers diesbezüglich so aus dem Parlament he- rausgegangen, wie er hereingekommen ist, weil wir uns (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nicht einigen konnten, hier Modifizierungen vorzuneh- der CDU/CSU) men . Ich kann, denke ich, mit Stolz sagen, dass es der Hartnäckigkeit der Sozialdemokraten zu verdanken ist, Vizepräsidentin Claudia Roth: dass wir die Hofabgabeklausel modifiziert haben. Vielen Dank, Herr Kollege Freese . – Nächster Redner ist der Minister Christian Schmidt . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Das hilft 64 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe . Endlich kann aus eingezahlten Rentenbeiträgen, wenn Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung das Renteneintrittsalter erreicht wurde, Rente bezogen und Landwirtschaft: werden . Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen Zum Dritten haben wir uns sehr intensiv mit der Frage und Kollegen! Es kam eben etwas Unruhe auf . Vielen der ländlichen Räume auseinandergesetzt . In allen Haus- Dank, Kollege Freese, für die Erwähnung des Bereichs haltsberatungen hat die Frage der Weiterentwicklung der der Ernährung, der uns sehr wichtig ist, allerdings nicht GAK eine Rolle gespielt und die Frage: Wie viel Geld im Sinne von: für Fast Food, sondern gegen Fast Food . Kinderernährung ist genau das Thema, bei dem wir an- setzen wir bundesseitig letztendlich für die Entwicklung setzen müssen . ländlicher Räume, in denen ein Drittel der Gesamtbevöl- kerung Deutschlands wohnt, ein? Ich denke, es ist ein gu- Ich möchte mich sehr bedanken: beim Haushaltsaus- tes Zeichen, dass wir jetzt zusätzlich 30 Millionen Euro schuss des Deutschen Bundestages und bei den Haupt- in den Haushalt einstellen mit der Maßgabe, dass dadurch berichterstattern, bei Cajus Caesar, Ulrich Freese, Herrn mehr und mehr Bundesaktivitäten finanziert werden kön- Kindler – Frau Hajduk, bitte übermitteln Sie ihm die nen . Ich denke, dass auch wir seitens des Bundes eine besten Grüße – und Frau Bluhm; Herr Claus ist schon 13806 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Bundesminister Christian Schmidt (A) nicht mehr da . Sie haben intensiv gearbeitet . Zu später abetes nicht nur eine Frage der Gesundheitspolitik ist, (C) Nachtstunde, in der Bereinigungssitzung, gab es dann ein sondern auch eine Frage der Prävention . Ich bin sehr gutes Ende für den Einzelplan 10; denn – und das habe dankbar, dass es uns, gemeinsam mit Kollegen Hermann ich sehr dankbar zur Kenntnis genommen – um 4 Uhr Gröhe, gelungen ist, im Präventionsgesetz zu verankern, in der Nacht haben sich alle Fraktionen des Deutschen dass wir mit unserer Kampagne IN FORM und anderen Bundestages Initiativen ganz deutliche Grundlagen für eine bessere Ernährungsprävention schaffen wollen . (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wir waren alle hellwach!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) – alle hellwach – den Vorschlägen angeschlossen . Dafür kann ich nur großen Dank aussprechen . Das muss vor allem in den Schulen stattfinden. Ein gesunder Lebensstil lässt sich nicht einfach verordnen . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Wir müssen die Ernährungskompetenz der Kinder und ordneten der SPD) Jugendlichen stärken . Deswegen gehört das auf den Ich bin ohnehin der Meinung, dass in der zweiten und Stundenplan . Das heißt allerdings, dass wir darüber mit dritten Lesung das Parlament und nicht die Bundesregie- den Ländern reden müssen . rung im Mittelpunkt steht . Letztere ist in diesem Augen- (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Genau, rich- blick dankbar, dass der Haushaltsausschuss des Bundes- tig! Die Länder müssen mitziehen!) tages die Zuwächse des Etats, die erst im Raum standen und dann schon fast vom Tisch waren, am Ende geneh- Ich habe die Kultusministerkonferenz um ein Gespräch migt hat . Es geht um immerhin 108 Millionen Euro, die über den Vorschlag der Einführung eines Schulfaches Er- in früher Morgenstunde zusätzlich beschlossen wurden . nährungsbildung gebeten . Nun wollen wir einmal sehen, wie sich das entwickelt . Ich jedenfalls bin bereit, dafür zu Wir können mit dem Geld die richtigen Akzente in sorgen, dass der Bund einen Beitrag hierzu leistet . diesem Haushalt setzen: für einen verlässlichen gesund- heitlichen Verbraucherschutz, für eine ausgewogene (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ernährung, für eine zukunftsfähige Land- und Forst- Ich bündle die „Qualitätsoffensive Schulverpflegung“ wirtschaft . Als weitere Branche nenne ich nur den Gar- und die damit verbundenen Aktivitäten meines Hauses tenbau . Cajus Caesar hat die 65 Millionen Euro genannt, mit einer Informationskampagne für Eltern: von der Un- die bereits im zweiten Haushalt der letzten 18 Monate ein terstützung beim Angebot hochwertiger Schulverpfle- Thema waren . gung bis zur Bereitstellung eines Startersets Ernährungs- wissen für die Kinder . Ich werde die Aktivitäten in einem (B) Ich danke für die Unterstützung für vitale und attrak- (D) tive ländliche Regionen . Der Haushalt setzt damit ein Nationalen Qualitätszentrum für gesunde Ernährung in deutliches Zeichen, dass Ernährung und Landwirtschaft Kita und Schule hier in Berlin zusammenführen . Es wird wichtige Lebensthemen sind, in die es sich zu investieren die zentrale Anlaufstelle werden – bei strenger Beach- lohnt . tung der Länderkompetenzen, aber in Unterstützung der von allen Ländern mitgetragenen Initiative, die insbeson- Der Haushalt stellt für den Bereich der Ernährung fast dere die Schulverpflegung und die Schulvernetzungsstel- 90 Millionen Euro bereit . Das ist ein richtiger Schwer- len in diesem Bereich zum Gegenstand hat . punkt; denn wir wissen: Für die Menschen ist das Thema Ernährung das wichtigste Verbraucherschutzthema über- Das Engagement in Sachen Ernährungssicherung im haupt . Diese Mittel werde ich ganz wesentlich dafür ein- globalen Kontext ist aber auch in anderer Hinsicht zu setzen, gesunde und ausgewogene Ernährung verstärkt betrachten – einige Kolleginnen und Kollegen haben ja zu unterstützen . auf den Grund für die Unterbrechung der Sitzung und auf die Tatsache, dass wir diesen Einzelplan nun erst sehr (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) spät beraten, hingewiesen –: Es geht um die Frage, wie Ich tue dies auch an anderer Stelle im Verbraucher- wir nach den schrecklichen Terrorangriffen in Paris den schutz, etwa durch die Unterstützung von lebensmit- Aktivitäten des IS bzw . dem Terror, den er in Syrien und telklarheit de,. die bisher für einige Jahre gesichert war . im Irak ausübt – quasi als ein Staat, jedenfalls auf einem Ich habe die Mittel für dieses Portal verstetigt, das zu Territorium –, begegnen können . einer wichtigen Anlaufstelle für Verbraucherinnen und Lassen Sie mich zur katastrophalen Lage in Syrien Verbraucher geworden ist, die sich über die Kennzeich- noch einen anderen Aspekt ansprechen . Die Ursachen nung von Lebensmitteln informieren wollen oder sich für das heutige Leid der Menschen dort sind vielfältig . beschweren wollen, wenn sie sich durch ein konkretes Die Ernährungssituation gehört dazu . In Syrien sind in Produkt getäuscht fühlen . Das kann ich mit den Mitteln, den Jahren 2006 bis 2010 60 Prozent der landwirtschaft- die Sie mir zur Verfügung stellen . lichen Betriebe einer außerordentlichen Dürre zum Opfer (Beifall der Abg . Gitta Connemann [CDU/ gefallen. Die Folgen waren Hunger und Landflucht. Nun CSU]) müssen wir daran arbeiten, dass die Ernährungssicherung in diesem Land wieder besser wird . Sie hat aufgrund der Ich darf einen weiteren Punkt nennen . Liebe Gitta Kriegswirren natürlich noch mehr gelitten . Deswegen Connemann, das gestrige von dir und Kollegen initiier- werde ich auch hier Akzente setzen . Es ist zu beklagen, te Fachgespräch in der CDU/CSU-Fraktion und andere dass die Weltgemeinschaft bisher nicht in der Lage ist, Gespräche haben unterstrichen, dass beispielsweise Di- genügend Mittel zu generieren, um den Menschen in den Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13807

Bundesminister Christian Schmidt (A) Flüchtlingslagern und in den Lagern um Syrien herum sich sehen, besonders wenn ich die Ursprungsentlastung (C) nicht nur das Überleben zu ermöglichen, sondern ihnen in Höhe von 100 Millionen Euro hinzurechne . auch eine Perspektive zu geben . (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir verschaffen den land- und forstwirtschaftlichen Nicht in der Lage oder nicht willens?) Betrieben Luft . Dadurch können sie ihre Produktion ver- stärkt an den Märkten ausrichten . Damit sind nicht alle Ernährungssicherung ist ein entscheidender, ja, nach- Fragen beantwortet . Ja, es gibt Bereiche, bei denen wir haltiger Beitrag zu gesellschaftlicher und politischer das Ziel verfolgen, die Produktion für den Binnenmarkt Stabilität . Deswegen müssen wir das Menschenrecht auf zu erhöhen . Ich möchte darauf hinweisen, dass wir ge- Nahrung weltweit umsetzen . In ausgewählten Projekten, genwärtig bei Öko- und Biomilch keine Preiseinbrüche etwa mit der FAO, findet bereits eine Förderung statt, erleben . Das heißt, dass die Nachfrage entsprechend übrigens auch in Syrien . Auch Saatgut wird in kleinen hoch ist, dass also Nachfrage und Angebot im Gleichge- Gebinden nach Syrien geschickt, damit die kleinen Land- wicht sind . Daran müssen wir in anderen Bereichen noch wirte es nutzen können . Auch das ist ein Versuch, die Er- arbeiten . nährungssicherung weiter zu unterstützen . In unserem Haushalt werden gut 74 Millionen Euro Vizepräsidentin Claudia Roth: für die FAO und entsprechende Maßnahmen bereitge- Christian Schmidt, sind Sie bereit, eine Zwischenfra- stellt . Damit ist Deutschland drittgrößter Beitragszahler, ge oder eine Zwischenbemerkung von Herrn Ostendorff was internationale Maßnahmen angeht . Vielen Dank da- zuzulassen? Ja oder nein? für, dass Sie mir die Möglichkeit geben, hier einen Ak- zent zu setzen . Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- und Landwirtschaft: ordneten der SPD) Ja . Meine Antwort wird ja nicht auf die Redezeit an- Internationale Verantwortung will ich auch in der gerechnet . Forstpolitik übernehmen . Eine wichtige Rolle spielt dabei unsere nachhaltige und gleichzeitig ökonomisch Vizepräsidentin Claudia Roth: erfolgreiche Waldbewirtschaftung . Immerhin können Natürlich nicht . die Förster ja von sich sagen, dass sie die Erfinder des Begriffs „Nachhaltigkeit“ sind . Carl von Carlowitz gilt (B) als Begründer des Prinzips der Nachhaltigkeit – das liegt Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung (D) mittlerweile 302 Jahre zurück, wenn ich richtig rechne –, und Landwirtschaft: (Cajus Caesar [CDU/CSU]: Jawohl!) Das gibt mir die Möglichkeit, darauf gut zu antworten .

und war noch dazu ein Sachse . Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): NEN]: Was heißt denn hier „noch dazu“?) Schönen Dank, Herr Minister .– Nachdem Sie jetzt zum eigentlichen Thema zurückgekehrt sind, nämlich Die nachhaltige Waldbewirtschaftung hat sich bewährt . der Lage unserer landwirtschaftlichen Betriebe, die für Wir müssen Deutschland zu einem Musterland in Sachen viele Bauernfamilien katastrophal ist – der Preisverfall Wald machen . bei Milch und bei Schweinefleisch ist dramatisch –, ha- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) ben Sie erklärt, dass Sie durch eine weitere Entlastung bei den Beiträgen zur Unfallversicherung helfen wollen Die Kompetenzen und Kapazitäten meines Hauses im und dass es EU-Mittel in Form eines Liquiditätszuschus- Forstbereich will ich deswegen stärken . Ich bin dankbar, ses von bis zu 10 000 Euro geben wird . dass mir der Haushalt die Möglichkeit gibt, hierfür Plan- stellen zu schaffen . Aber Sie haben die Frage, die Sie sich selber gestellt haben, nicht beantwortet: Wie stabilisieren wir denn die Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der letzten Haus- Märkte? Darauf brauchen wir eine Antwort . Die von Ih- haltsdebatte habe ich von dem EU-Maßnahmenpaket be- nen genannten Mittel werden bei den bäuerlichen Fami- richtet, das uns helfen wird, unsere Landwirte in der ak- lienbetrieben nur dazu führen, das Sterben etwas zu ver- tuell schwierigen Situation zu unterstützen . Seit letztem längern . Na ja, aber das hilft ihnen perspektivisch nicht . Freitag ist die Eilverordnung in Kraft . 70 Millionen Euro EU-Mittel werden unbürokratisch und wirkungsvoll zur Daher die Frage an Sie: Was unternehmen Sie, um den Verfügung gestellt . Ich bin sehr froh, dass wir diese be- Überschuss, den wir auf den Märkten zu beklagen ha- reitgestellten Hilfen national durch eine signifikante ben, in den Griff zu bekommen und um die Märkte zu Unterstützung flankieren können. Als Ergebnis der par- stabilisieren? Hierauf gilt es eine Antwort zu geben . Der lamentarischen Haushaltsberatungen werden die Bun- Bundesminister muss doch dazu Position beziehen und desmittel zur LUV um 80 Millionen aufgestockt . Das sich erklären . Meine Frage ist, was Sie den Bauernfami- ist eine zusätzliche Beitragsentlastung, die von einigen lien dieses Jahr im Haushalt mitgeben können, damit sie Hundert Euro bis zu 2 000 Euro reichen wird . Das lässt Hoffnung schöpfen können, von ihrer Produktion wieder 13808 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Friedrich Ostendorff (A) leben zu können, statt nur darauf hoffen zu müssen, von 5,5 Milliarden Euro für den Einzelplan 10, das ist (C) irgendwoher ein bisschen Sterbegeld zu bekommen . ein Wort . Es gibt einen deutlichen Anstieg . Ich bin dem Deutschen Bundestag dankbar, dass er mich so gut mit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mitteln ausgestattet hat . Ich werde sie auch im Sinne des sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Gesagten gut einsetzen .

Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung Herzlichen Dank . und Landwirtschaft: (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Lieber Kollege, nachdem wir gewisse zarte Anzeichen dafür haben, dass sich der Milchmarkt etwas bessert – leider gilt das nicht für den Bereich Schweinefleisch –, Vizepräsidentin Claudia Roth: will ich darauf hinweisen, dass uns diejenigen, die uns Vielen Dank, Minister Christian Schmidt .– Die empfehlen, den Export zu stoppen, die Frage beantwor- nächste Rednerin ist Dr .Kirsten Tackmann für die Linke . ten müssten, wie denn die hergestellten Produkte in un- serem Lande abgesetzt werden sollen . Alles hat seine Be- rechtigung . Der Export allein – auch das ist klar – wird Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): nicht selig machen . Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen bei den Betrieben einen vernünftigen Liebe Gäste! Das Problem in der Agrarpolitik ist nicht Mix aus Größe und Qualität, und wir brauchen Bauern, so sehr der Haushalt, sondern die falsche Politik, die da- die die Erwartungen der Verbraucher im Blick haben . Ich hinter steht . Die stärkt eben nicht den regionalen Land- glaube, dass wir angesichts der prognostizierten steigen- wirtschaftsbetrieben den Rücken . Im Gegenteil: Sie folgt den Nachfrage, gerade auch bei Milchprodukten, zuver- dem Mantra des glückselig machenden freien Marktes sichtlich in die Zukunft blicken können . Ich will darauf und des gelobten Landes der Agrarexporte . Im Klartext hinweisen, dass die aktuelle Zahl von 7 Milliarden Men- ist das die Aufforderung: Produziert möglichst viel und schen auf der Welt in wenigen Jahren auf 9 Milliarden möglichst billig . Das ist ein Systemfehler, der dringend anwachsen wird . Auch diese Menschen wollen ernährt behoben werden muss . werden . (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- (Abg . Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/ NIS 90/DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN] nimmt seinen Platz wieder ein) Denn die Überschüsse werden weltweit entsorgt, was re- (B) gionalen Märkten schadet und Fluchtursachen verschärft . (D) – Jetzt läuft meine Redezeit weiter, oder? Und das ist absolut falsch .

Vizepräsidentin Claudia Roth: (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) Ab jetzt geht es normal weiter . (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE Wo, bitte, soll denn ein gutes Einkommen, mehr Tier- GRÜNEN]: Es wäre gut, eine konkrete Ant- wohl und Schonung der Natur herkommen, wenn am wort zu bekommen!) Markt vor allem Dumpingpreise den Wettbewerb ent- scheiden? Das hat fatale Folgen . Nicht nur in meinem Prignitzer Heimatwahlkreis haben viele Betriebe ein sehr Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung schwieriges Jahr hinter sich . Seit Monaten bekommen und Landwirtschaft: sie keine kostendeckenden Erzeugerpreise . Die Land- Gut . Dann werden wir die Diskussion anderswo fort- wirtschaftskammer Niedersachsen spricht von Gewinn- führen . Ich habe dazu noch gute Gedanken und kann mir rückgängen zwischen 40 und 60 Prozent . Schaf- und Zie- gute Entscheidungen dazu vorstellen . genhaltung rechnen sich schon länger nicht mehr . Milch, Schweine, Futtermittel und Obst – alles wird schlecht Mein letzter Punkt betrifft die ländlichen Räume . Ich bezahlt . bedanke mich sehr, dass die Mittel für die GAK aufge- stockt wurden . Wir werden auch das GAK-Gesetz än- Ja, das ist auch ein Problem von Milchseen und But- dern . Ich werde das in Kürze einbringen . Ich bitte darum, terbergen . Wir haben aber gerade gehört: Jede Überle- dass wir bei der Beratung berücksichtigen – wir sollten gung zu einer Mengenregulierung wird von der Koalition aber nicht von der Verbesserung der Agrarstruktur und bzw . vom Bundesagrarminister blockiert . Ganz anders des Küstenschutzes abrücken –, dass ländliche Entwick- sieht es übrigens beim Wein aus . Die Steuerung der An- lung mehr ist. Wir müssen die demografischen Probleme, gebotsmenge beim Wein wurde fraktionsübergreifend die wir im ländlichen Raum haben, sehen . Ich habe den sogar begrüßt. Pflanzrechte werden restriktiv vergeben, ländlichen Raum in diesem Jahr sehr intensiv besucht und sogar die Erntemenge pro Hektar wird beschränkt . und zu diesem Thema viele Dialogreihen durchgeführt . Ja, die unterschiedliche Wirkung des Genusses von Wein Wir werden die angesprochenen Probleme nur durch At- und Milch ist mir sehr bewusst . traktivität im ländlichen Raum lösen können . Ich freue mich auf die Diskussion über die Änderung dieses Ge- (Heiterkeit bei Abgeordneten im ganzen Hau- setzes . se) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13809

Dr. Kirsten Tackmann (A) Warum aber Mengenregulierung beim Wein richtig und eine hohe Akzeptanz. Deshalb wäre finanzielle Unter- (C) bei der Milch Teufelszeug ist, das erschließt sich mir stützung in diesem Bereich gut investiertes Geld . wirklich nicht . Leider wurden auch in diesem Jahr alle Anträge der (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Linken zum Einzelplan 10 abgelehnt . Deswegen haben NIS 90/DIE GRÜNEN) wir unsere Vorschläge noch einmal in einem Entschlie- ßungsantrag festgehalten . Das sind die Hausaufgaben für Viele Betriebe werden diese falsche Agrarpolitik lei- den nächsten Haushalt, aber einige Punkte will ich hier der nicht überleben . Aber wir brauchen nachhaltig wirt- noch einmal kurz aufgreifen . schaftende Agrarbetriebe: für regional und umweltscho- nend erzeugte Lebensmittel und erneuerbare Energien, Erstens . Wer Fluchtursachen ernsthaft bekämpfen für gut bezahlte Arbeit, für lebendige Dörfer, zum Erhalt will, muss auch die Ursachen von Hunger bekämpfen . der Kulturlandschaft und zum besseren Schutz des Kli- Dazu gehören nachhaltige Agrarkonzepte, und zwar mas . Deshalb ist für uns als Linke ein Weiter-so keine weltweit . Option . (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Beifall bei der LINKEN) neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Handelskonzerne, Schlachthöfe und Molkereien be- Dazu enthält der Weltagrarbericht, den 500 Wissen- reichern sich doch auf Kosten der Erzeugerbetriebe . Ihre schaftlerinnen und Wissenschaftler erarbeitet haben, Marktübermacht muss endlich gestoppt werden . Die Lin- viele kluge Vorschläge . Deutschland muss ihn endlich ke fordert das schon lange . Das ist doch schon längst eine unterschreiben und seine Fortschreibung mitfinanzieren. der Forderungen in allen Bauernversammlungen . Tun Sie (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- also endlich etwas! NIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der LINKEN) Zweitens sollen nach unserer Überzeugung alle Kin- der Zugang zu einer hochwertigen und gebührenfreien Das Ende des Ausverkaufs von Äckern und Weiden an Kita- und Schulverpflegung als Teil der öffentlichen Da- landwirtschaftsfremdes Kapital wird ebenfalls gefordert . seinsvorsorge haben . Wir wollen dafür ein Bundespro- Statt aber die Bodenspekulationen zu unterbinden, ver- gramm auflegen, und die Vernetzungsstellen Schulver- dient der Bund noch fröhlich mit, weil er selbst die meis- pflegung müssen gestärkt werden. ten Flächen – und zwar meistbietend – verkauft . Und der Hammer ist, dass er den ostdeutschen Bundesländern den (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- begünstigten Kauf bundeseigener Flächen sogar dann neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (B) verweigert, wenn es um Küsten-, Gewässer- oder Hoch- (D) wasserschutz geht. Ich finde, dass dieser Griff in leere Drittens wollen wir die amtliche Lebensmittelüber- Landeskassen einfach unanständig ist . wachung von überregional und transnational agierenden Unternehmen verbessern . Dazu soll diese Aufgabe beim (Beifall bei der LINKEN) Bund angesiedelt und eine Taskforce Lebensmittelsi- cherheit eingerichtet werden . Also, auch in der Landwirtschaft sind neues Denken und entschlossenes Handeln gefragt . Statt aber die falsche Viertens fordert die Linke seit Jahren ein Herden- und Politik zu ändern, werden nur Trostpflaster verteilt. Zum Wolfsschutzkompetenzzentrum . Das Fachgespräch am Beispiel werden zu den bereits erwähnten 100 Millionen Mittwoch hat gezeigt, dass das dringend gebraucht wird . Euro für die landwirtschaftliche Unfallversicherung wei- Ich freue mich auf die Diskussion unseres Antrags tere 78 Millionen Euro obendrauf gelegt . Die Beiträge nächste Woche im Ausschuss und noch vor Weihnachten sollen um 16 Prozent sinken . Das hört sich spektakulär im Plenum . an . Aber pro Betrieb und gemessen an der dramatischen Situation ist das höchstens eine freundliche Geste Im Übrigen sage ich: Krieg ist keine Lösung . Bei der Unfallversicherung bleibt noch eine andere (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Baustelle bestehen . Wir wollen, dass die Benachteiligun- neten der SPD) gen bei der Beitragsbemessung zum Beispiel für Klein- und Kleinstwaldbesitzer beseitigt werden . Vizepräsidentin Claudia Roth: (Beifall bei der LINKEN) Vielen Dank, Frau Kollegin Tackmann .– Der nächste Redner ist Dr .Wilhelm Priesmeier für die SPD . 2 Millionen Euro zusätzlich gibt es auch für die Propa- gandaabteilung zur Förderung des Agrarexports . Das ist (Beifall bei der SPD) aber keine öffentliche Aufgabe . Deshalb sollte man diese Mittel nicht aufstocken, sondern ersatzlos streichen . Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und NIS 90/DIE GRÜNEN) Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Blick auf den Haushalt und das, was in der langen Nacht der Be- Regionale Lebensmittel sind eine viel klügere Strategie . reinigungssitzung herausgekommen ist, muss man vor Die Nachfrage ist hoch und stabil . Sie sichern mehr re- dieser Koalition den Hut ziehen . Wir haben einen guten gionale Wertschöpfung und Arbeitsplätze, und sie haben Haushalt vorgelegt . Er macht deutlich, welchen Gestal- 13810 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Dr. Wilhelm Priesmeier (A) tungswillen die Regierung auch im Bereich der Agrar- Räumen stehen, insbesondere aus der demografischen (C) politik hat . Eine Frage sehen wir etwas kritischer – das Entwicklung . werde ich noch begründen –, aber im Grundsatz geht dieser Haushalt in die richtige Richtung . Eine Steigerung (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten in einer solchen Größenordnung ist uns in anderen Haus- der CDU/CSU) haltsjahren nicht gelungen . Hier müssen wir entscheidende Angebote an diejeni- gen machen, die bereit sind, im ländlichen Raum Kinder Ich glaube, dieser Haushalt macht auch deutlich, dass zu bekommen und ihre Zukunft zu planen . Das ist eine wir in der Agrarpolitik zukunftsfähig sind . Ich freue mich gute Aufgabe, die wir in der weiteren Ausgestaltung der insbesondere über den Hochwasserschutz und die zusätz- Politik gemeinsam mit denjenigen erfüllen müssen, die lichen 60 Millionen Euro für den Bereich der Gemein- auf kommunaler Ebene verantwortlich sind . Das erfor- schaftsaufgabe . dert bestimmte Ansätze und Konzepte . Über diese kön- nen wir sicherlich lange diskutieren . Aber wir müssen (Beifall des Abg . Willi Brase [SPD]) endlich anfangen, etwas umzusetzen . Ich glaube, wir Die Festlegung dazu sehe ich allerdings ein bisschen werden jetzt den richtigen Impuls bekommen, um das in kritisch . Denn wenn man 30 Millionen Euro für Maßnah- Zukunft zu tun . men im Bereich der ländlichen Entwicklung festlegt, die Wir müssen im Rahmen der GAK nicht mehr unbe- in der Verantwortung des Bundes liegen, dann müssen dingt die Agrarstruktur finanzieren; denn diese ist schon wir uns sputen, wenn es darum geht, den Entwurf des wettbewerbsfähig . Vielmehr müssen wir die weiteren GAK-Gesetzes durch den Bundestag und auch den Bun- Möglichkeiten im Hinblick auf die Länder nutzen . Wir desrat zu bringen . Das soll bis zur Sommerpause gesche- müssen ernsthaft darüber diskutieren, ob die bisherigen hen . Ich nehme an, wir werden damit erfolgreich sein . Kofinanzierungssätze in der GAK erhalten bleiben sol- len oder ob es nicht vielleicht besser ist, auf bestimmte (Beifall bei der SPD) Modalitäten Rücksicht zu nehmen . Wir müssen mit den Ländern reden und deutlich machen, dass sie nicht dauer- Wir werden in der weiteren Ausgestaltung des haft die Kofinanzierung an die Kommunen weiterreichen GAK-Gesetzes – dazu rate ich – im Vorfeld verschiedene können . Das alles muss man bedenken, wenn man erfolg- Ansätze fraktionsübergreifend und auch mit den Bundes- reich Politik betreiben will . ländern zu diskutieren haben . Der Gesetzentwurf wird schließlich nicht so bleiben, wie er auf den Tisch gekom- (Beifall bei der SPD) men ist . Das ist bekanntlich das Struck’sche Gesetz . Wir (B) werden das noch viel besser machen . Die erste Version Wir müssen uns auch Gedanken darüber machen, ob (D) habe ich schon gelesen . Ich nehme an, die Ressortabstim- das Jährlichkeitsprinzip bei der Abrechnung im Rahmen mung wird demnächst abgeschlossen sein . Dann werden der GAK beibehalten werden soll . Wir sehen, dass Län- wir in den entsprechenden Gremien des Deutschen Bun- der wie Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, destages darüber diskutieren . Brandenburg oder Thüringen erhebliche Schwierigkeiten haben, die vorhandenen Möglichkeiten überhaupt aus- Mit unserer Politik tragen wir dazu bei, dass die länd- zuschöpfen . Hier müssen wir vernünftige und sinnvolle lichen Räume als Lebens- und Wirtschaftsräume gestärkt Konzepte dagegensetzen, um ihnen eine bessere Aus- werden . Dabei setzen wir vor allen Dingen auf die Zu- schöpfung zumindest über einen längeren Zeitraum zu kunftsfähigkeit der ländlichen Räume . Denn das ist an ermöglichen . Das lohnt den Schweiß der Edlen . sich der Kern der Politik, den die SPD einfordert . Wir ha- Ein Punkt, der mir in diesem Haushalt nicht so gut ben dazu mehrere größere Anträge und Papiere geschrie- gefällt, ist der große Ansatz in Höhe von 78 Millionen ben . Wir werden uns auch auf dem kommenden Parteitag Euro, der in der Nacht der langen Messer in den Haushalt damit auseinandersetzen . Das alles macht deutlich, dass gekommen ist . – Herr Kollege Caesar, Sie können ruhig alle hier im Hause, insbesondere wir Sozialdemokraten, lachen, aber Sie sind derjenige, der in der Hauptsache großes Gewicht auf den ländlichen Raum legen . dafür verantwortlich ist . Sie haben dafür brav und wa- cker gekämpft . Wir haben seit 2007/08 etwa 850 Milli- Über die Schwächen in der Analyse des ländlichen onen Euro in die landwirtschaftliche Unfallversicherung Raums sind wir uns weitestgehend einig . Es kommt jetzt gegeben . Ein Bauer, der einen Betrieb mit 120 Hek­ darauf an, den richtigen Weg zu beschreiten . Dazu ge- tar – 20 Hektar für Silomais für die Kühe, 100 Hektar hört zwangsläufig, dass wir gerade kleine und mittlere Dauergrünland – und 100 Rindern führt, bekommt etwa Unternehmen im ländlichen Raum, die im Umfeld der 799 Euro zusätzlich . Davon kann er vielleicht gerade landwirtschaftlichen Produktion, der Ernährungsproduk- einmal eine kleine Reparatur der Melkmaschine oder der tion und anderer Bereiche tätig sind, im Rahmen eines Melkanlage bezahlen oder für seine Familie ein ordentli- integrierten Konzepts mit fördern . Wir müssen dafür ches Weihnachtsgeschenk kaufen . Das ist wahrscheinlich sorgen, dass die Grundversorgung mit Dienstleistungen das, was der Minister beabsichtigt hat: Er wollte allen vor allem im ländlichen Bereich abgesichert wird und ein ordentliches Weihnachtsgeschenk zukommen lassen . dass die Daseinsvorsorge, die benötigt wird, damit sich Ansonsten halte ich von dieser Form der Subvention re- Menschen im ländlichen Raum ansiedeln und dort leben, lativ wenig . erhalten wird . Wir müssen die Konsequenzen aus den Entwicklungen ziehen, vor denen wir in den ländlichen (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13811

Dr. Wilhelm Priesmeier (A) Das verpufft im Großen und Ganzen und bringt struk- auf Verluste, der exportiert auch den Hunger in die gan- (C) turell überhaupt nichts . ze Welt . Ich hätte mir wenigstens ein oder zwei Sätze Selbstkritik an diesem Punkt gewünscht . (Cajus Caesar [CDU/CSU]: Nein, nein!) Der Kleinwaldbesitzer geht natürlich leer aus; Sie ken- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nen ja die entsprechende Debatte . Unter 303 Euro wird es sowie bei Abgeordneten der LINKEN) mit Sicherheit nichts geben, weil hier eine ähnliche Risi- Aber gut . Was will man von einer Bundesregierung kokomponente wie im alten System gefordert wird . Oder und einem Minister erwarten, die bisher zum dritten Mal Sie wollen wirklich alles nach dem Gießkannenprinzip das Licht einer breiten Öffentlichkeit gesucht haben . auf die 1,4 Millionen landwirtschaftlichen Unternehmen Nach „an apple a day keeps the Putin away“ und „je suis verteilen . Das wäre noch verfehlter; denn dann würde Greußener Salami” konnten wir jetzt hören: Schmidt noch viel weniger dabei herauskommen . will Katern an ihr bestes Stück .– Dass die Journalisten Ich glaube, es ist an der Zeit, über die gesamte Syste- nichts Besseres zu schreiben hatten, liegt nicht nur an den matik nachzudenken . Subventionen führen nicht immer Journalisten, sondern das liegt daran, dass diese Bundes- zum Ziel . Manchmal sind sie als Input für einen kurzen regierung einfach wenig vorzuweisen hat . Selbst diese Zeitraum sinnvoll, um für Bewegung zu sorgen . Aber auf lächerliche Meldung mit den Katern – Katzenkastration, Dauer kann ich Subventionen nur ablehnen . Ich spreche richtige Sache – ist nur an die Öffentlichkeit gekommen, aus Erfahrung, die ich hier in dem Hause gewonnen habe . weil Schmidt in der Tierschutzpolitik nichts anderes vor- Ich glaube, es ist an der Zeit, sich dazu zu bekennen, dass zuweisen hat . wirtschaftlich erfolgreiche Betriebe und Unternehmen Subventionen in der Form nicht brauchen . (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg . Willi Brase [SPD]) Dass man eine zweieinhalb Jahre alte Meldung hervorho- len musste, hat damit zu tun, dass wir im Tierschutz mit Selbiges gilt auch für die Umgestaltung der GAP . Wir Ihnen als Minister einfach peinlich wenig erreicht haben . werden uns bis zum Jahr 2017 zu erklären haben, wie wir weiter verfahren wollen, auch mit der Perspektive auf das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Jahr 2020 . Ich glaube, das wird uns gelingen . Wir müssen sowie bei Abgeordneten der LINKEN) heraus aus den 4,5 Prozent, wir brauchen eine Umschich- tung von 15 Prozent . Sicher, im Haushalt findet sich ein bisschen, aber der Kollege hat es schon gesagt: In diesem Bereich muss (Heiterkeit – Beifall bei der SPD – Harald Eb- (B) man nicht nur Geld ausgeben, sondern auch Gesetze ma- (D) ner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Zeit chen .– Deswegen haben wir Sie in einer Kleinen Anfra- läuft trotzdem weiter, Wilhelm!) ge gefragt, welches Gesetz, welche Verordnung Sie für den besseren Schutz der Tiere erlassen haben . Die Ant- Vizepräsidentin Claudia Roth: wort war: keine . Dann haben wir gefragt: Welche planen Vielen Dank, Herr Dr .Priesmeier .– Alle noch knapp Sie? Die Antwort war: Wir wissen es nicht so genau . Das an der Grenze . Da können sich die Kolleginnen und Kol- finde ich ziemlich armselig. legen bedanken . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Nächste Rednerin: Nicole Maisch für Bündnis 90/Die sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Grünen . Gehen wir einmal kurz von der Landwirtschaft weg und schauen uns die Zahl der Tierversuche an . Die ist in Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): den letzten Jahren durch die Decke gegangen . Warum? Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen Weil die Grundlage für die Abwägung zwischen Tierver- und Kollegen! Ich habe den Ausführungen der Kollegen such, Forschungsinteresse und Tierschutz im deutschen von der Großen Koalition sehr aufmerksam zugehört und Tierschutzgesetz einfach nicht funktioniert . Das ist ein habe versucht, mir alle Zahlen des Kollegen Priesmeier Fehler im Tierschutzgesetz, ein Fehler im System, den zu merken . Es ist mir nicht ganz gelungen . Sie sofort mit Ihrer Mehrheit ändern könnten . Warum tun Was mich aber doch wundert, ist, dass in der Zeit, in Sie es nicht? Weil Sie nicht den Mut haben, weil Sie nicht der die globalen Krisen immer näher an uns heranrücken das Herz dafür haben, Tiere in diesem Land wirklich zu und der Globus an vielen Punkten in Flammen steht, kei- schützen . ner der Rednerinnen und Redner der Union auch nur ein (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wort darüber verloren hat, welche Fluchtursachen wir sowie bei Abgeordneten der LINKEN) mit unserer verheerenden Exportstrategie in der Agrarpo- litik selbst bewirken. Das finde ich wirklich kurzsichtig, Wir haben eine Koalition, die noch nicht einmal die und das ist, finde ich, der Sache nicht angemessen. kleinsten Ziele aus ihrem eigenen Koalitionsvertrag um- setzen will, zum Beispiel die gewerblichen Tierbörsen zu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verbieten . Das haben Sie den Leuten im Koalitionsver- und bei der LINKEN) trag versprochen . Jetzt hört man weder von der Umwelt- Wer Fleisch exportiert wie die Europäer – Deutsch- ministerin noch vom Landwirtschaftsminister irgendei- land ist ganz vorne dabei –, und zwar ohne Rücksicht nen Plan, wie man das durchsetzen will . Nicht mal dieses 13812 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Nicole Maisch (A) kleine Pünktchen haben Sie durchgesetzt; das ist wirklich es nicht sein! Wir brauchen für die Grundlagenforschung (C) armselig . eine verlässliche Finanzierung und mehr als immer mal wieder kleine Projekte, die dann zwar irgendwie über (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Jahr helfen, aber doch auf Dauer die Grundlagenfor- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) schung nicht retten . Lassen Sie mich zu den Landwirtschaftstieren kom- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN men . Ihr eigener wissenschaftlicher Beirat hat es Ihnen und bei der LINKEN) ins Stammbuch geschrieben: Wir haben massive Tier- schutzprobleme in der deutschen Landwirtschaft . Sie, Es gab den Vorschlag des Max-Rubner-Instituts, das Herr Schmidt, haben das Gutachten nicht entgegenneh- als Abteilung bei sich zu integrieren . Dafür hätte man men wollen . Das musste Herr Bleser abholen . Aber das mal 1 oder 2 Millionen Euro ausgeben müssen . Das wäre macht den Inhalt nicht falscher . Das Gutachten sagt ganz angesichts der Milliardenkosten im Gesundheitssystem, genau: Wir haben massiven Reformbedarf . Den werden die Fehlernährung und Übergewicht verursachen, eine Sie nicht aussitzen können . gute Investition gewesen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Meine Damen und Herren, dieser Haushalt überzeugt Für das Aussitzen haben Sie in dieser Legislatur ein uns nicht. Wir finden: Er ist planlos. Da ist kein Konzept anderes Wort erfunden . Es heißt jetzt nicht mehr „Aus- dahinter . Deshalb kann man ihn nur ablehnen . sitzen“, sondern „freiwillige Verbindlichkeit“ . Aber auch Vielen Dank . damit werden Sie nicht durchkommen . Die freiwillige Verbindlichkeit, das Nichtstun, hat keine Mehrheit in die- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ser Gesellschaft . Die Deutschen wünschen sich strengere sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Gesetze für den Schutz von Tieren; denn für die Mehr- heit in diesem Land sind Tiere mehr als eine betriebswirt- Vizepräsidentin Claudia Roth: schaftliche Größe, mehr als eine Kennziffer . Die sagen: Tiere sind fühlende Lebewesen, die das Recht auf Schutz Vielen Dank, Nicole Maisch . – Nächste Rednerin: haben . ­Ingrid Pahlmann für die CDU/CSU-Fraktion . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- sowie bei Abgeordneten der LINKEN – ordneten der SPD – Dieter Stier [CDU/CSU]: Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Von Fach- Jetzt kommt jemand, der Ahnung hat!) (B) kenntnis ist Ihr Beitrag nicht geprägt!) (D) Ingrid Pahlmann (CDU/CSU): Auch im Ernährungsbereich sehen wir keine klare Li- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! nie und keinen Mut . Dabei haben wir ein gigantisches Liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Schmidt! Problem mit ernährungsbedingten Krankheiten . Der An- Vorab erst einmal von meiner Seite meinen Dank dafür, teil der übergewichtigen Kinder geht nicht etwa zurück, dass Sie sich im Bereich „gesunde Ernährung“ klar po- sondern er stagniert auf hohem Niveau . Diejenigen, die sitionieren . Auch vielen Dank für die Unterstützung des schon dick sind, werden immer dicker . Das haben uns Gedankens, Ernährungswissen wieder an Schulen zu die Experten im Ausschuss vor zwei Wochen berichtet . verankern . Ich war heute Mittag beim Deutschen Land- Wir finden, deshalb brauchen wir eine konsistente Strate- frauenverband . Er fordert das schon seit langem und freut gie gegen Übergewicht und Fehlernährung . Da reicht es sich sehr über diesen Beistand; das kann ich Ihnen sagen . nicht, wie der Minister, einfach nur zu sagen: Wir dürfen den Teller nicht mit Regelungen vollpacken .– Das ist Frau Maisch, man muss Ernährungswissen erst einmal uns ein bisschen zu wenig . Wenn Sie wirklich etwas für haben, um dann gegen Fehlernährung ansteuern zu kön- besseres Essen in unseren Schulen tun wollen, dann fan- nen . Dicke Kinder kommen auch daher, dass viele gar gen Sie damit an, die Schulvernetzungsstellen ordentlich nicht mehr wissen, was Ernährungsbausteine sind . zu finanzieren. (Beifall bei der CDU/CSU) Als Minister kann man ja lange ein Schulfach „Ernäh- rung“ fordern . Machen Sie weiter damit . Aber dann frage Ich komme jetzt zum Haushalt 2016 . Ich denke, er ist ich mich, wie Sie beim Kooperationsverbot – das haben ein großer Erfolg für Landwirtschaft, Ernährung und ge- Sie selbst in der letzten Großen Koalition verbockt – Ein- sundheitlichen Verbraucherschutz . Mein Dank gilt ganz fluss auf die Kultusminister nehmen wollen. besonders dem Verhandlungsgeschick der Haushälter . Allein in unserem Einzelplan haben wir 245 Millionen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Euro mehr als im Jahr 2015 . Hinzu kommen die schon genannten 100 Millionen Euro für den Hochwasserschutz Wenn man wirklich etwas für die bessere Ernährung im Einzelplan 60. Ich finde, das ist eine gute Grundla- von Kindern tun will, dann muss man auch die Grundla- ge, auf der wir unsere agrar- und ernährungspolitischen genforschung besser absichern . Kollege Freese, eine Mc- Schwerpunkte voranbringen können . Donald’s-Studie finanziert der Minister zum Glück nicht. Aber auch die Studie, über die Sie gesprochen haben – Dabei setzen wir mit dem Haushaltsansatz im For- das sind kleine Projektchen, mit denen man versucht, das schungskapitel ein wichtiges Zeichen . Forschung und Sterben des FKE in Dortmund hinauszuzögern . Das kann Innovation in den Bereichen Landwirtschaft und Ernäh- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13813

Ingrid Pahlmann (A) rung, aber auch im gesundheitlichen Verbraucherschutz Im Rahmen von Modell- und Demonstrationsvorha- (C) sind von entscheidender Bedeutung für Gesellschaft, ben der Tierwohl-Initiative wurden Netzwerke von Pra- Praxis und Wirtschaft . xisbetrieben zum Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis gebildet . Als forschungspolitische Sprecherin Ohne Forschung und Innovation werden wir die kom- begrüße ich es ausdrücklich, wenn unsere politischen menden Herausforderungen der Ernährungssicherung, Handlungsfelder künftig noch enger durch die Forschung des Klimawandels und des Klimaschutzes, aber auch des begleitet werden . Erhalts der natürlichen Ressourcen nicht bewältigen kön- nen . Wir haben es gehört: Das Tierwohl ist ein Thema, das die Gesellschaft bewegt . Forschung kann auch hier auf Bei den Schwerpunkten, die uns in unserer Agrar- und den verschiedensten Ebenen einen entscheidenden Bei- Ernährungspolitik wichtig sind, spielt Forschung eine trag leisten . Modellvorhaben zum Tierschutz nehmen in zentrale Rolle für neue Lösungen: beim Tierwohl wie den nächsten Jahren zu Recht einen Schwerpunkt bei der beim Klimaschutz, bei nachhaltigem Pflanzenschutz, ge- Förderung von Modell- und Demonstrationsvorhaben sunder Ernährung sowie der Sicherheit von Lebensmit- ein . 7,5 Millionen Euro stehen für die Erprobung von teln – also bei den Themen, von denen wir Agrar- und Maßnahmen bereit, die zum Verzicht auf nichtkurative Ernährungspolitiker oft sagen: Das sind Lebensthemen . Eingriffe wie Schnabelkupieren oder Enthornen führen, Mit insgesamt 566 Millionen Euro hat die Forschung zu verbesserten Verfahren bei der Schlachtung, bei der im Bereich der Ernährung und Landwirtschaft einen er- Haltung oder beim Transport von Tieren . Wir alle wis- freulichen Aufwuchs von über 10 Prozent erfahren und sen: Verbote allein lösen die Schwierigkeiten in den ge- damit den Stellenwert bekommen, der ihrer Bedeutung nannten Problemfeldern eben nicht . gerecht wird . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Frau Tackmann, allein im Kapitel „Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation“ werden gegenüber 2015 zu- Hier setzen wir mit dem Haushalt 2016 ein Zeichen sätzlich 33,9 Millionen Euro veranschlagt . Dazu kom- für die Branche. Neben den finanziellen Einbrüchen men die fast 17 Millionen Euro für die Forschungsin­ bei den Milchviehbetrieben haben wir zum Beispiel bei stitute. Ich finde, 50 Millionen Euro ist definitiv mehr als den schweinehaltenden Betrieben Einbrüche im Unter- nichts . Das müssen Sie anerkennen . nehmensergebnis in einer Größenordnung von 39 bis 49 Prozent . Das ist ein wirtschaftliches Desaster für die (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Betriebe . ordneten der SPD) (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE (B) Wir alle wissen, dass die deutsche Land-, Forst- und GRÜNEN]: Das stimmt! Und was machen (D) Ernährungswirtschaft eine Schlüsselbranche der deut- Sie?) schen Volkswirtschaft ist . Wie in jeder anderen Bran- che auch hängen Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit Hinzu kommen immer stärkere Anforderungen und Auf- und Beschäftigung eng mit Innovationen zusammen . lagen an die Haltungsbedingungen .– Hören Sie gut zu, Mit den Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstra- Herr Ostendorff . tionsvorhaben des Programms zur Innovationsförde- Das öffentliche Image besonders der viehhaltenden rung sollen technische sowie nichttechnische Produk- Betriebe ist denkbar schlecht . Wenn nun Politik – das te und Verfahren darum marktfähig gemacht werden; können Sie ja ganz besonders gut – und Gesellschaft das ist ein ganz wichtiger Aspekt . Ich erwähnte schon vehement Verbesserungen im Bereich Tierwohl fordern, unsere Bundesforschungsinstitute Julius-Kühn-Insti- dann müssen diese Forderungen handhabbar und vor al- tut, Friedrich-Loeffler-Institut, Max-Rubner-Institut, len Dingen auch begründet sein . Die Betriebe an sich sind Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut . Diese Institute willens, dem gesteigerten Tierwohl Rechnung zu tragen . erhalten 16,9 Millionen Euro zusätzlich – ich finde, zu Allerdings – das muss ich Ihnen auch sagen – müssen Recht . diese Vorgaben dann auch tragfähig, belastbar und vor Der Wissenschaftsrat hat den Instituten fast ausnahms- allen Dingen wissenschaftlich fundiert sein . Da bringen los gute Leistungen attestiert . Er erkennt ihre unentbehr- eben keine vorschnellen Gesetze etwas . Wir brauchen liche Funktion als Vermittler zwischen Wissenschaft und belastbare Forschungsergebnisse . Politik sowie zwischen Wissenschaft und Wirtschaft an (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE und stellt eine positive Weiterentwicklung bei den For- GRÜNEN]: Die Tiere brauchen Hilfe!) schungs- und auch bei den Beratungsqualitäten fest . Dar- an wollen wir anknüpfen und die Bedarfsprofilierung und Im Rahmen der Tierwohl-Initiative werden wir das Bedarfsorientierung in den kommenden Jahren weiter Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren mit verbessern . 20 zusätzlichen Stellen ausstatten . Es soll alternative Methoden erforschen, Forschungseinrichtungen und Be- Die Forschungsplanung soll verstärkt abteilungs- und hörden beraten, Öffentlichkeit und Fachöffentlichkeit programmübergreifend erfolgen und die Praxisverwert- informieren und die Forschungsförderung bei Alternativ­ barkeit in den Vordergrund stellen . Dazu soll auch der methoden vorantreiben. Das Friedrich-Loeffler-Institut Wissenstransfer in die Praxis verbessert werden . Es ist erhält drei neue Stellen für die Bearbeitung der Themen mir ein ganz zentrales Anliegen, dass das Wissen auch „Haltung und Verhalten von Schweinen“ sowie „Trans- bei den Betrieben ankommt . port und Betäubung landwirtschaftlicher Nutztiere“ . 13814 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Ingrid Pahlmann (A) Insgesamt stehen für den Bereich Tierschutz somit fast Fakt ist: Politik, Zivilgesellschaft und aktive Betriebe (C) 30 Millionen Euro zur Verfügung . Das zeigt, dass wir müssen die Entwicklung in den ländlichen Räumen ge- diesem Thema gerade auch in den schwierigen Zeiten meinsam gestalten . einen hohen Stellenwert beimessen . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Ich bin aber auch fischereipolitische Sprecherin. In diesem Zusammenhang freue ich mich besonders, dass Für den ländlichen Raum haben wir mit zusätzlichen das Fischereiforschungsschiff „Walther Herwig III“ 30 Millionen Euro ein klares Zeichen setzen können, um durch einen Neubau ersetzt werden kann, für den insge- die Regionen fit für die Zukunft und lebenswert für die samt gut 100 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren Menschen zu gestalten . Auch hier liefern die Modell- und bereitstehen . Demonstrationsvorhaben wichtige Impulse . Wir lassen die Dörfer und die ländlichen Regionen nicht im Stich . (Beifall bei der CDU/CSU) Dafür setzen wir mit dem Haushalt 2016 ein starkes Si- gnal . Noch einmal mein Dank an die Haushälter, die das Das inzwischen in die Jahre gekommene Forschungs- möglich gemacht haben! schiff ist das größte unserer Flotte und liefert für die Ich bin in der Zeit geblieben . Ich denke, Sie sind auch Hochseefischerei wichtige Erkenntnisse. Denn die mit mir zufrieden . Bewirtschaftung der Fischbestände ist auf eine inten- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) sive wissenschaftliche Erforschung angewiesen . Der EU-Kommission dienen die erhobenen Daten zur Erar- beitung von Managementkonzepten für eine zukünfti- Vizepräsidentin Claudia Roth: ge bessere Bewirtschaftung und für eine nachhaltigere Super! Sie sind die Nummer eins heute Abend . Vielen Nutzung der Fischbestände . Bestandsschonende, selek- Dank, Frau Pahlmann .– Die nächste Rednerin: Dr .Karin tive Fangmethoden werden weiterentwickelt und leisten Thissen für die SPD . damit einen wichtigen Beitrag für unsere Hochsee- und (Beifall bei der SPD) Küstenfischer. Umweltdaten wie Schadstoffkonzentrati- onen, Radioaktivität, Salzgehalt und Temperatur werden Dr. Karin Thissen (SPD): unter dem Blickwinkel ihrer Wirkungen auf die Fische Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und und das Lebensmittel Fisch gemessen . Ein neues For- Herren! Kolleginnen und Kollegen! Jeder Mensch muss schungsschiff leistet somit einen wichtigen Beitrag für essen . Selbst Sozialdemokraten leben nicht nur von Ge- (B) unsere Fischer, aber auch für unsere Ernährung . rechtigkeit und Solidarität . (D) Ein weiterer Forschungsschwerpunkt – wir haben es (Beifall der Abg . Ulli Nissen [SPD] – Dr .Kirs - schon mehrfach gehört – liegt bei der ländlichen Ent- ten Tackmann [DIE LINKE]: Sonst könnten wicklung . Mehr als die Hälfte aller Bundesbürger leben sie auch verhungern!) in ländlich geprägten Gebieten . Auch der Großteil unse- Damit ist klar: Lebensmittelsicherheit ist wichtig und – rer mittelständischen Wirtschaft ist dort angesiedelt . Die damit eng verbunden – auch der Tierschutz; denn Milch, ländlichen Regionen bieten Raum für vielfältiges mit- Eier, Fleisch sind hierzulande Hauptnahrungsmittel . telständisches Gewerbe: Dienstleistungsbetriebe, aktive Erinnern Sie sich an den Bayern-Ei-Skandal, mit dem aufstrebende landwirtschaftliche Betriebe und das Hand- wir uns bis heute beschäftigen müssen? Europaweit er- werk . Und diese Unternehmer sind wichtige Akteure, die krankten Hunderte Menschen schwer an Salmonellose – den ländlichen Raum stärken und die wir stärker in die drei starben sogar daran –, und zwar wegen tierschutzwid- Entwicklung einbinden wollen . riger Haltungsbedingungen in einem Legehennenbetrieb, wegen mangelnder Hygiene und Missmanagement . Demografischer Wandel und die globale Wirtschaft stellen heute aber gerade diese ländlichen Regionen vor Weil wir nicht nur von Politik und schön Reden allein sehr große Herausforderungen . Uns ist es wichtig, gleich- leben, sind gesunde und sichere Lebensmittel für unser wertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land dauerhaft Wohl essenziell . zu erhalten . Leben und Arbeiten auf dem Land müssen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten auch in Zukunft attraktiv bleiben . Deshalb erhöhen wir der CDU/CSU) die Mittel zur Stärkung der ländlichen Entwicklung deut- Tierschutz ist Verbraucherschutz ist Menschenschutz . lich . Wir wollen regionale Infrastruktur fördern, Wirt- schaftsstrukturen des Mittelstands, des Handwerks und Wie viel sind uns also Lebensmittelsicherheit und der landwirtschaftlichen Betriebe stärken und Strukturen Tierschutz wert, und zwar im kommenden Jahr? Da liest der Daseinsvorsorge langfristig sichern . Dazu wollen wir sich der Haushaltsentwurf erst mal wie eine gute Nach- auch die Gründung unternehmerischer Initiativen aus richt: knapp 30 Millionen Euro für den Tierschutz, circa dem bürgerschaftlichen Engagement – auch das ist uns 12 Millionen für Lebensmittelsicherheit, 66 neue Stellen allen sehr wichtig –, wie zum Beispiel Dorfläden, Kitas, im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel- sicherheit . Aber, altersgerechtes Wohnen oder Energievorhaben, erleich- tern . (Cajus Caesar [CDU/CSU]: Mehr Stellen!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13815

Dr. Karin Thissen (A) aber, aber . Wenn man sich den Gesamtetat des BMEL Wählerinnen und Wähler verlangen nach mehr Transpa- (C) für 2016 anschaut, kommt die Ernüchterung . Noch nicht renz und Sicherheit ihrer Lebensmittel, wie zum Beispiel einmal 1 Prozent des Gesamtetats ist für Lebensmittelsi- eine Allensbach-Umfrage zweifelsfrei belegt . cherheit und Tierschutz vorgesehen . (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Prost!) (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Was lernen wir daraus?) Jetzt noch ein paar Worte zum Tierschutz . Wenn ich mir im Haushaltsentwurf die für den Tierschutz vorge- Von einem Gesamtetat von 5,6 Milliarden Etat sind ge- sehenen Mittel näher anschaue, fällt mir schon auf, dass rade mal 42 Millionen Euro für Lebensmittelsicherheit einige Positionen aus dem Koalitionsvertrag 2016, nun und Tierschutz . Die muss man schon fast mit der Lupe ja, bearbeitet werden sollen . Aber an die Empfehlungen suchen . des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik, Ernäh- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des rung und gesundheitlichen Verbraucherschutz traut man BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) sich dann doch nicht so richtig ran, Empfehlungen, die da lauten: Tierwohlindikatoren weiterentwickeln, Tier- Trotzdem: Dass das Bundesamt für Verbraucherschutz schutzniveau steigern und Kontrolllücken schließen, und Lebensmittelsicherheit personell aufgestockt wird, begrüßt die SPD – und ich ganz besonders . (Dieter Stier [CDU/CSU]: Das machen wir ständig!) (Beifall des Abg . Willi Brase [SPD]) Grundlagenforschung im Tierschutzbereich fördern . Wie Dadurch kann die Kontrolle von Lebensmitteln besser werden diese Empfehlungen im nächsten Jahr umge- gewährleistet werden . Dass da viel zu wenig Personal ist setzt? Da muss dringend etwas passieren; denn nur so in der Lebensmittelaufsicht, ist mir aus meiner langjäh- wird die deutsche Landwirtschaft für die Zukunft fit. rigen Überwachungstätigkeit als amtliche Tierärztin na- türlich bestens bekannt . Und noch etwas muss dazukom- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ men, nämlich dass die Öffentlichkeit über Missstände in DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der der gesamten Lebensmittelkette informiert wird . Im Bay- LINKEN) ern-Ei-Skandal wurde beispielsweise die Öffentlichkeit Es reicht nicht, nur Geld in die Hand zu nehmen oder nicht informiert . Der Grund: bestehende Rechtsunsicher- freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft zu beju- heit . Und weil die Rechtslage unklar ist, traut sich keine beln . Der Tierschutzgedanke muss sich auch in Gesetzen Behörde, vor Missständen öffentlich zu warnen, weil sie und Verordnungen wiederfinden, und da sind wir gefragt. Angst vor Schadensersatzansprüchen hat, und zwar nicht, Nun wird es Zeit, auch mal die Bereiche Lebensmittel- weil der Missstand unklar ist, sondern weil die Rechtsla- (B) sicherheit und Tierschutz des Koalitionsvertrages abzu- (D) ge unklar ist . So, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann arbeiten . guter gesundheitlicher Verbraucherschutz nicht gelingen . Liebe Kolleginnen und Kollegen, die zweite Halbzeit (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ der Legislatur läuft . DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Genau das haben wir uns aber seinerzeit im Koaliti- LINKEN) onsvertrag vorgenommen . (Cajus Caesar [CDU/CSU]: Dann mal los!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Ich zitiere: Vielen Dank, liebe Kollegin Dr .Thissen . Sie sehen: Das gesamte Haus gratuliert Ihnen zu Ihrer ersten Rede Verbraucherinformationsgesetz und § 40 Lebens- im Deutschen Bundestag . und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) werden da- hingehend geändert, dass die rechtssichere Veröf- (Beifall) fentlichung von festgestellten, nicht unerheblichen Wir hoffen, dass Sie auch weiterhin so ermunternde Re- Verstößen unter Reduzierung sonstiger Ausschluss- den halten werden – zur Freude Ihres Koalitionspartners . und Beschränkungsgründe möglich ist . (Heiterkeit) An dieser Neuformulierung des § 40 LFGB versuchen wir nun seit zwei Jahren zu arbeiten . Als Vertreterin der Wir machen jetzt weiter . Nächste Rednerin in der De- SPD kann ich sagen, dass es uns ein großes Anliegen ist, batte ist Gitta Connemann für die CDU/CSU-Fraktion . ein bisschen Tempo in unsere Arbeitsweise zu bringen . (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Gitta Connemann (CDU/CSU): LINKEN – Friedrich Ostendorff [BÜND- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Back NIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir dabei! mit Hack! – Endlich Plätzchen aus Fleisch “. Dies titelt Deswegen klatschen wir mit!) aktuell eine Kochzeitschrift für Männer mit Geschmack . Denn Verbraucherinnen und Verbraucher haben das Zur selben Zeit verschleudert ein Großdiscounter Recht auf Information und Transparenz, und wir haben 500 Gramm Schweinehack für 1,59 Euro . Noch nie wur- die Pflicht, rechtssichere Regelungen zu schaffen. Unsere de so viel über Essen geredet, geschrieben, gesendet – 13816 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Gitta Connemann (A) für jede Zielgruppe etwas . Das ist die eine Seite der Me- de, Kirchen . Dafür brauchen wir eine Dialogplattform (C) daille . Aber auf der anderen Seite werden Lebensmittel beim Bundeslandwirtschaftsministerium . Es geht uns um verramscht . Dies spüren unsere Landwirte und ihre Fa- den Austausch auf Augenhöhe . Die Mittel dafür stehen milien jeden Tag . Der wirtschaftliche Druck ist enorm; jetzt bereit . Nur zu! das ist hier mehrfach zu Recht gesagt worden . Was hinzu kommt: Sie fühlen sich immer mehr an den Rand der Ge- (Beifall bei der CDU/CSU) sellschaft gedrängt . Beispiele gefällig? „Wer ist krasser Mit seinem Lebensmittelgipfel macht unser Minister als Nazis, Scientologen oder Geheimdienste? Die deut- Christian Schmidt einen Anfang . Es wird um Verantwor- sche Agrarlobby “. So postete kürzlich ein Reporter einer tung gehen, auch der Landwirtschaft, ja, aber auch der großen deutschen Wochenzeitung . Verbraucher, der Hersteller und des Handels, ja: des Han- (Zuruf von der CDU/CSU: Schlimm!) dels . Vier große Anbieter teilen sich heute noch Zweidrit- tel des Marktes . Sie liefern sich einen ruinösen Preiswett- „Sklavenhalter“, so brandmarkte Animal Peace einen bewerb auf Kosten Dritter, nämlich auf dem Rücken der Landwirt, der von einem Bullen getötet worden ist . Für Erzeuger von Tieren, der kleinen Mittelständler . Ich sage diese Organisation ist das Tier – ich zitiere – ein „Held sehr deutlich: Eine weitere Konzentration des Marktes der Freiheit“ . Bauern als Vogelfreie – das sind sicherlich muss verhindert werden . Extrembeispiele, aber sie beschreiben ein Klima, in dem sich jede Bäuerin, jeder Bauer und ihre Familien bewe- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU gen müssen, und zwar tagtäglich . Und dabei sollen sie die sowie der Abg . [SPD]) Lebensmittel erzeugen, die wir uns wünschen – höchste So sagen es übrigens Bundeskartellamt und Monopol- Standards, kleine Preise, eigentlich eine Quadratur des kommission . Ich persönlich sage: Eine Erlaubnis des Kreises . Dank harter Arbeit gelingt es ihnen . Noch nie Bundeswirtschaftsministers für die Übernahme von Ten- waren Lebensmittel so sicher, bezahlbar, allzeit verfüg- gelmann durch Edeka wäre ein fatales Signal . bar wie heute . Aber die Anerkennung bleibt aus . (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des (Beifall bei der CDU/CSU) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vor diesem Hintergrund beraten wir heute den Haus- An diesem Fall wird sich zeigen, wie wehrhaft das Kar- halt für Ernährung und Landwirtschaft . Es geht dabei um tellrecht ist . mehr als Geld . Es geht um ein Signal . Wir, die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion, sagen: Es muss endlich Schluss Dies betrifft übrigens auch die Verbraucher, ihre Ver- sein mit der Diffamierung einer ganzen Branche . sorgung, ihre Ernährung – Lebensthemen . Kaum etwas bewegt die Menschen so sehr wie ihre Ernährung, und (B) (Beifall bei der CDU/CSU) zwar zu Recht; denn am Ende geht es immer um ihre Ge- (D) Wir bekennen uns zu unseren bäuerlichen Betrieben . Wir sundheit . Für all diese Themen trägt unser Ministerium stehen an ihrer Seite, in guten wie in schlechten Zeiten . Verantwortung . Es ist für mich, für uns das Lebensminis- terium . Dies ist in der Rede von Ihnen, lieber Herr Mi- (Zurufe von der SPD: Oh!) nister, ganz deutlich geworden . Wir stellen Ihnen heute Dies stellen wir unter Beweis, auch heute, unter anderem die Mittel für die Umsetzung Ihrer politischen Agenda durch die Erhöhung der Mittel für die landwirtschaftliche mit den Schwerpunkten Ernährung und gesundheitlicher Sozialversicherung, für den Export in Schwellenländer, Verbraucherschutz zur Verfügung . Glück auf! für Forschung, für Energieeffizienz, auch im Gartenbau. (Beifall bei der CDU/CSU) Dafür sage ich unserem Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und unserem Haushälter Cajus Julius Es handelt sich hier um einen bedeutenden Betrag . Da Caesar herzlichen Dank . bin ich etwas anderer Meinung als Sie, Frau Thissen . Wir waren als Koalitionsfraktionen eigentlich gemeinsam (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- sehr stolz darauf, dass wir hierfür 150 Millionen Euro ordneten der SPD) einbringen können . Das ist ein Spitzenwert . Vielleicht Das sind wichtige betriebliche Hilfen, aber es geht schauen Sie sich den Haushalt noch einmal an . Dann auch um das Ganze . Landwirtschaft wird nicht mehr ver- werden Sie erkennen, dass viele Mittel durch die land- standen . In Werbung und Medien wird ein romantisches wirtschaftliche Sozialversicherung gebunden sind . Bild inszeniert, das mit der Realität nichts mehr zu tun (Manfred Grund [CDU/CSU]: Wir schenken hat . Immer weniger erleben diese Realität unmittelbar in ihr eine Lupe!) ihren Dörfern . Natürlich gibt es auch offene Fragen: Wie wollen wir uns ernähren? Wie soll Tierhaltung zukünftig Das ist ähnlich wie beim Sozialhaushalt und der gesetz- stattfinden? Wir stellen fest: Es gibt keinen gesellschaft- lichen Rentenversicherung . Ich denke, dann kommen wir lichen Konsens . Darüber müssen wir reden – gemeinsam, das nächste Mal hier wieder zusammen . nicht übereinander, sondern miteinander . Dabei setzen (Beifall bei der CDU/CSU) wir übrigens auf Dialog statt auf Konfrontation . Das unterscheidet uns, liebe Ingrid Pahlmann, von unserem Es ist unsere Aufgabe, die Menschen in unserem Land grünen Agrarminister in Niedersachsen . Er spricht nur vor gesundheitlichen Gefahren und vor Täuschung zu mit wenigen und orientiert sich an Nischen . Das ist der schützen . Dieser Aufgabe stellen wir uns übrigens seit falsche Weg . Wir wollen alle Beteiligten an einen Tisch zehn Jahren, und zwar erfolgreich . Lebensmittel sind so bringen: Verbraucher, Wirtschaft, Wissenschaft, Verbän- sicher wie nie zuvor, nicht zuletzt dank der hervorragen- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13817

Gitta Connemann (A) den Arbeit von Bundesbehörden wie dem Bundesinstitut übernommen hat, ohne selber zu prüfen . Es musste in der (C) für Risikobewertung, lieber Harald Ebner . Es bewertet nachgelegten Untersuchung und Bewertung sogar zuge- Risiken und leitet Grenzwerte ab . Wir wünschen uns, ben, dass es gar nicht bemerkt hatte, dass bei etlichen dass es bleibt, wie es ist, dass es nicht auf Wunsch oder Mäusestudien statistische Verfahren, die notwendig ge- den Zuruf der Politik, wesen wären, gar nicht durchgeführt worden sind . Das BfR hat dann, als der Zug eigentlich schon abgefahren (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- war, noch einmal geprüft und festgestellt: Die Bewertung NEN]: Und auch nicht von der Industrie, bit- war falsch . te!) sondern ausschließlich auf wissenschaftlicher Basis tätig Insofern bin ich ganz bei Ihnen: Da soll die Politik wird; denn wir brauchen Aufklärung und Fakten nicht reinpfuschen, da soll auch die Industrie nicht rein- pfuschen . Auf dem Weg müssen wir uns weiter bewegen . (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ja, da bin ich bei Ihnen!) (Beifall der Abg . Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr . Kirs- statt Empörung und Vermutungen . Es geht um Men- ten Tackmann [DIE LINKE]) schen, und da müssen wir, da müsst ihr der Verantwor- tung besser gerecht werden als bisher . Gitta Connemann (CDU/CSU): (Beifall bei der CDU/CSU) Lieber Harald Ebner, du weißt, dass ich dich persön- Die Entscheidung darüber, was auf den Teller kommt, lich wirklich schätze . Aber du versuchst jetzt, von dem überlassen wir den Menschen . Deshalb lehnen wir eine abzuweichen, was du bei der Anhörung zum Thema Gly- staatliche Bevormundung durch Verbote oder Strafsteu- phosat geliefert hast, und das war ein wirklich trauriges ern ab . Dies wurde übrigens gestern Abend bei einem Schauspiel . Das BfR ist nämlich nicht fachlich, sondern Kongress unserer Fraktion noch einmal deutlich . Es ging politisch-ideologisch angegriffen worden, weil es zu ei- um die Volkskrankheit Diabetes . Verbote, so die Wissen- nem Ergebnis gekommen ist, das dir nicht passt . schaft, verlocken oder führen zur Umgehung, und Len- kungssteuern sind schon in anderen Ländern gescheitert . (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Deswegen ist es richtig, dass wir als Koalition einen an- NEN]: Das ist Quatsch! – Bärbel Höhn deren Weg gehen und sagen: Wir nehmen 2 Millionen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt Euro zusätzlich in die Hand, um damit eine Strategie zur nicht!) Reduktion von Zucker, Fetten und Salz in Fertigproduk- ten zu entwickeln . Das ist der richtige Weg . Um wirklich Wenn wissenschaftliche Behörden am Ende die Ergeb- (B) (D) entscheiden zu können, braucht der Verbraucher eines: nisse so gestalten müssen, dass sie nur noch Applaus Klartext . Es muss draufstehen, was drin ist, und drin sein, von der Politik erhalten, dann ist das falsch . Es geht aus- was draufsteht . schließlich um Wissenschaftlichkeit . (Beifall des Abg . Willi Brase [SPD]) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Immerhin kann der Verbraucher zwischen 170 000 Pro- Das will er nicht hören!) dukten mit klangvollen Namen wählen . Dass das BfR nicht danebengelegen hat, zeigt die Ent- Vizepräsidentin Claudia Roth: scheidung der EFSA, der europäischen Gesundheitsbe- Frau Connemann, erlauben Sie eine Zwischenfrage hörde, gerade in Sachen Glyphosat . oder -bemerkung von Herrn Ebner? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gitta Connemann (CDU/CSU): Die das eins zu eins übernommen hat!) Sehr gern . Wenn du jetzt unterstellen willst, dass sich auch die EFSA und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Harald Ebner ler dort in den Befunden, die über Jahre hinweg geliefert Liebe Frau Kollegin, Sie haben das Bundesinstitut für worden sind, und den vielen Gutachten, die vorliegen, Risikobewertung und seine Aufgabenstellung angespro- getäuscht haben, kann ich nur sagen: Du machst dir so chen . Da bin ich ganz bei Ihnen . Ich habe vorhin schon ein Stückchen deine Welt, wie sie dir gefällt . gesagt: Es ist richtig, dass man das Bundesinstitut perso- nell stärkt; denn gerade bei der Bewertung der Gefähr- (Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner lichkeit von Glyphosat haben wir gesehen, [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es war ein (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Zitat, das ich gebracht habe!) dass die personellen Mittel eben nicht ausreichen, um die Oder um es mit Karl Marx zu sagen: Niemand ist so taub, Bewertung selber vorzunehmen . dass er es nicht hören will . Das kann man im Bericht des Bundesinstituts nach- (Beifall bei der CDU/CSU – Abg . Bärbel lesen . Das Bundesinstitut hat geschrieben, dass es bei Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet 850 von 1 250 Studien die Bewertung der Antragsteller sich zu einer Zwischenfrage) 13818 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

(A) Vizepräsidentin Claudia Roth: Am Ende ist für mich die Bewertung durch die EFSA (C) Ich bitte angesichts der Zeit – wir sind arg im Ver- wichtig, und die oberste europäische Gesundheitsbe- zug –, auf weitere Zwischenfragen zu verzichten . hörde – das sage ich noch einmal – hat gesagt, dieser Bewertung durch das BfR sei nichts hinzuzufügen . Ich (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und bitte einfach darum: Nur die Tatsache, dass Ihnen ein der SPD) Ergebnis nicht gefällt, darf nicht dazu führen, dass am Wir werden sicherlich nicht die letzte Auseinanderset- Ende die Politik die Seriosität einer ganzen Behörde in zung in dieser schönen Runde haben .– Ich bitte sehr Abrede stellt . darum . (Beifall bei der CDU/CSU) (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist aber noch ein wichtiger Punkt!) Vizepräsidentin Claudia Roth: – Ja, ich weiß, dass das ein wichtiger Punkt ist; aber wir Frau Connemann, es geht weiter mit Ihrer Redezeit . sind unglaublich in Verzug . Sie haben noch eine Minute . Gitta, erlauben Sie die Zwischenfrage? (CDU/CSU): (Manfred Grund [CDU/CSU]: Manche Zwi- Gitta Connemann schenfragen sind so schlecht, dass man sie Die Leitsätze im Lebensmittelbuch sollen Orientie- durch Antworten nicht stören sollte!) rung geben . Viele sind aber nicht mehr nachvollziehbar . Zucker darf sich nicht hinter chemischen Formeln verste- – Nein, die Qualität der Frage ist eine ganz andere Sa- cken . Auch ein Muskatwürzer ohne Muskat stiftet Ver- che . – Frau Connemann kann jetzt Ja oder Nein sagen . wirrung . Das beweisen die Beiträge auf dem Internetpor- tal Lebensmittelklarheit . Auch um dessen Finanzierung Gitta Connemann (CDU/CSU): zu sichern, stellen wir den Verbraucherzentralen 3 Milli- Sehr gern, Frau Präsidentin . onen Euro bereit . Das ist gut investiertes Geld . Wir arbei- ten auch an einer Reform des Lebensmittelbuchs, liebe Kollegin Vogt, liebe Kollegin Drobinski-Weiß, lieber

Vizepräsidentin Claudia Roth: Kollege Rainer . Es hat sich bewährt, aber es ist in die Gut . Aber ich sage an alle Kollegen gerichtet – wir Jahre gekommen . Eines wünschen wir uns schon heute, sind richtig spät dran, und wir haben noch eine Abstim- lieber Minister: eine bessere personelle und finanzielle mung durchzuführen –: Bitte keine weiteren Fragen! An- Ausstattung . Dafür müssten sich doch entsprechende Ka- sonsten lasse ich sie nicht mehr zu . (B) pazitäten in der BLE finden lassen. (D) Bärbel Höhn, bitte . (Beifall der Abg . Cajus Caesar [CDU/CSU] und Ute Vogt [SPD]) Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Kollegin Connemann, Sie haben eben gesagt, in Informationen dürfen aber auch nicht überfordern . Ein der Anhörung sei das BfR nur ideologisch angegriffen Karottensaft braucht keinen Beipackzettel, die Cortison­ worden . Ich war selber da und weiß, dass die beiden Ex- salbe schon, und zwar lesbar und auf Deutsch . Dafür ha- perten aus den USA das BfR eindeutig fachlich angegrif- ben Sie, lieber Herr Minister, bei Lebensmitteln gesorgt . fen haben . Können Sie das bestätigen – ja oder nein? Aber es gibt noch einiges zu tun . Ich nenne als Beispiel die verlässlichen Herkunftsangaben . Nur was aus deut- schen Landen kommt, darf diese Kennzeichnung auch Gitta Connemann (CDU/CSU): tatsächlich tragen . Der Anfang ist getan . Wir müssen Ich war nicht bei der Anhörung . noch mehr tun, zum Beispiel beim verarbeiteten Fleisch . (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wir setzen hier auf die EU; sie muss sich bewegen . NEN]: Gitta, was ist das denn jetzt? Das ist ja Liebe Kolleginnen und Kollegen, in drei Tagen ist der interessant!) erste Advent . Wir begannen mit Plätzchen, und ich wün- Ich habe das Protokoll gelesen, und ich habe die Anhö- sche Ihnen eine besinnliche Adventszeit mit selbstgeba- rung gesehen, die aufgezeichnet worden ist . ckenen Plätzchen – ob nun aus Hack oder aus Mürbeteig; über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten . (Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dann haben Sie die Aufzeichnungen Vielen Dank . der amerikanischen Experten gesehen!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- – Noch einmal: Ich habe die Anhörung gesehen, auch ordneten der SPD) wenn ich nicht dagewesen bin .– Die Wissenschaftler, die Sie anführen, haben gesagt – da haben Sie natürlich

recht –: Das BfR hat an dieser Stelle Fehler gemacht .– Vizepräsidentin Claudia Roth: Es gab aber andere Wissenschaftler, die genau das Ge- Vielen Dank, Gitta Connemann .– Nächste Rednerin genteil gesagt haben . für die SPD: Ursula Schulte . (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dieter NEN]: Die waren von Monsanto bezahlt!) Stier [CDU/CSU]) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13819

(A) Ursula Schulte (SPD): und Schulverpflegung sowie Werbeverbote für ungesun- (C) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Mi- de Lebensmittel an Grundschulen und Kitas sind weitere nister Schmidt! Sehr verehrte Damen und Herren auf der Forderungen, die umgesetzt werden müssen, wenn wir Tribüne! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim Blick gesunde Ernährung für unsere Jüngsten wirklich wollen . in den Einzelplan 10 habe ich gedacht: Wunderbar, wir (Beifall bei der SPD) stehen kurz vor Weihnachten, und ein Wunsch geht in Erfüllung .– Ich meine damit nicht die Hofabgabever- Das sind übrigens alles Forderungen aus der Praxis, die pflichtung, während der großen, von der SPD initiierten Verbrau- cherkonferenz im Juli dieses Jahres an uns herangetragen (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) wurden . um die wir lange gerungen haben und die mich noch im Sehr geehrter Herr Minister Schmidt, vorhin habe ich Schlaf verfolgt . Nein, ich meine die Mittel, mit denen wir Sie gelobt . Jetzt muss ich allerdings auch ein bisschen gesunde Ernährung fördern wollen . Kritik anbringen; denn auf unserem Wunschzettel stehen 2 Millionen Euro hat das Bundesministerium für Er- noch einige Punkte, die wir gerne erfüllt sähen . An obers- nährung und Landwirtschaft für eine nationale Strategie ter Stelle steht der Fokus auf die Ernährung von Kindern zur Reduktion von Zucker, Fetten und Salz in Fertigpro- in den ersten beiden Lebensjahren, dem sogenannten dukten in den Haushalt 2016 eingestellt . Herr Minister, 1 000-Tage-Fenster . Wer in dieser Phase seines Lebens das ist eine gute Entscheidung . falsch oder mangelernährt wird – auch das soll es bei uns in Deutschland noch geben –, hat massive Konsequenzen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten für seine körperliche und geistige Entwicklung zu tra- der CDU/CSU) gen, und zwar sein Leben lang . Wenn wir unseren Antrag Die SPD-Fraktion freut sich darüber besonders, weil „Gesunde Ernährung stärken – Lebensmittel wertschät- wir uns lange für diese Reduktionsstrategie eingesetzt zen“ wirklich ernst nehmen, dann müssen wir gerade in haben . Ein besonderer Dank gilt meiner Kollegin Elvira diesem Bereich verstärkt investieren . ­Drobinski-Weiß, die lange und heftig dafür gekämpft hat . (Beifall bei der SPD) Herzlichen Dank! Schließlich wissen wir schon lange, dass Kinder aus bil- (Beifall bei der SPD) dungsfernen und einkommensschwachen Familien von Eine nationale Strategie zur Reduktion von Zucker, Fehlernährung besonders betroffen sind . In unserem be- Fetten und Salz in Fertigprodukten ist eine wichtige reits erwähnten Antrag steht, dass es eine Frage sozialer Präventionsmaßnahme im Kampf gegen chronische Er- Gerechtigkeit ist, allen Kindern eine gesunde Ernährung (B) krankungen und Fehlernährung . Dass diese Maßnahme zu ermöglichen . Wenn dieser Satz nicht nur ein Lippen- (D) zwingend notwendig ist, das zeigen Studien der WHO . bekenntnis bleiben soll, müssen wir endlich tätig werden . Demnach sind Übergewicht und Fettleibigkeit die größ- (Beifall bei der SPD) ten Risiken für die Gesundheit der Menschen . Ich will Sie heute nicht mit Zahlen langweilen, liebe Kolleginnen In der Konsequenz bedeutet das für mich, dass wir und Kollegen; eine kann ich Ihnen aber nicht ersparen . In Geld in die Hand nehmen und für eine gesunde und teil- den letzten 20 Jahren hat sich der Anteil der übergewich- weise auch kostenlose Verpflegung in Kitas und Ganz- tigen Menschen verdreifacht . Leider nimmt auch der An- tagsschulen sorgen müssen . Wichtig ist mir aber auch, teil der Kinder und Jugendlichen mit Übergewicht stetig unsere Kinder und Jugendlichen in Sachen Ernährung zu . Schon ihretwegen müssen wir schnell, langfristig und zu bilden . Kinder müssen schon in der Kita erfahren, vor allem nachhaltig handeln . wie man gesundes Essen schmackhaft zubereitet . Dieses Wissen sollte in der Schule vertieft werden . So werden (Beifall bei der SPD) Kinder auch ein wenig zu Erziehern ihrer Eltern . In Zei- Ein Baustein könnte das Institut für Kinderernährung ten von Fastfood, Fingerfood, Fertiggerichten und Coffee sein, das schon wichtige Beiträge zur Förderung der Ge- to go müssen wir aufpassen, dass so etwas wie Esskultur sundheit von Kindern geleistet hat und alltagstaugliche übrig bleibt . Empfehlungen für eine gesunde Ernährung auf den Weg (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Da haben gebracht hat . Genau das ist es doch, was Familien, Kitas Sie recht!) und Schulen heutzutage brauchen . Lassen Sie uns also gemeinsam versuchen, dieses Institut zu erhalten! Ein Gemeinsame Mahlzeiten sind nicht etwa altmodisch, Bundesinstitut für Ernährung wäre vielleicht eine Lö- sondern eine Möglichkeit, miteinander Zeit zu verbrin- sung . Herr Minister, Ihr Lächeln, als Herr Freese vorhin gen . ein solches Institut erwähnt hat, deute ich so, dass auch (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Sie sich eine solche Lösung vorstellen könnten . DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD) Unsere Aufgabe ist es, bessere Bedingungen für eine Mit dem Antrag „Gesunde Ernährung stärken – Le- gesunde Ernährung zu schaffen . Dazu gehört auch die bensmittel wertschätzen“ hat die Koalition eine Initiative Information der Verbraucherinnen und Verbraucher . Je gegen den Anstieg ernährungsbedingter Erkrankungen einfacher die Information ist, umso besser . Auch ich habe gestartet . Die Reduktionsstrategie war allerdings nur ein keine Lust, mir lange winzig klein gedruckte Aufschrif- Teilelement. Verpflichtende Qualitätsstandards für Kita- ten auf Verpackungen durchzulesen . Daher sollten wir 13820 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015

Ursula Schulte (A) gemeinsam noch einmal über die Einführung einer Le- eingesetzt, diesen Titel im Haushalt 2016 um 2 Millionen (C) bensmittelampel nachdenken . Damit erreichen wir dann Euro aufzustocken . ganz sicher alle Bevölkerungsschichten . (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Mit der Eiweißpflanzenstrategie wollen wir die Ge- Ein Haushalt – damit komme ich zum Schluss – ist in winnung wertvoller pflanzlicher Eiweiße aus Legumino- Zahlen gegossene Politik . Aus Sicht der Verbraucherin- sen wie Erbsen, Ackerbohnen und Lupinen stärken . Die nen und Verbraucher haben wir mit dem Ansatz für die Leguminosen sind ein wichtiger Baustein der nachhal- Reduktionsstrategie einen weiteren Schritt in die richti- tigen Landwirtschaft . Sie verbessern sogar die Boden- ge Richtung unternommen . Natürlich gibt es noch viel fruchtbarkeit . Langfristig brauchen wir Unabhängigkeit zu tun . Die SPD-Fraktion wird die Hände nicht in den von Importen, zum Beispiel von Gensoja . Schoß legen, sondern sich für weitere Mittel im Verbrau- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten cherbereich einsetzen . der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . Als Zweites möchte ich auf einen Titel eingehen, der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten aus meiner Sicht im Haushalt 2016 zu wenig berücksich- der CDU/CSU) tigt worden ist . Es handelt sich um das Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Vizepräsidentin Claudia Roth: Landwirtschaft, BÖLN genannt . Als für den Ökolandbau zuständige Berichterstatterin habe ich bereits mehrmals Danke schön, Frau Kollegin Schulte .– Die letzte Red- darauf hingewiesen, wie wichtig dieser Haushaltstitel ist . nerin in der Debatte: Rita Hagl-Kehl für die SPD . Obwohl wir es im Haushalt 2015 geschafft haben, diesen (Beifall bei der SPD) Titel von 14 auf 17 Millionen Euro aufzustocken, werden die Fördermittel am Ende des Jahres voll ausgeschöpft sein . Rita Hagl-Kehl (SPD): (Cajus Caesar [CDU/CSU]: Nicht ganz!) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Mi- nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Debatte Daran zeigt sich, dass wirklich Bedarf vorhanden ist . zum Haushalt dürfen natürlich auch die Themen „nach- Damit das Bundesprogramm weiterhin gestärkt und ver- haltige Landwirtschaft“ und „zukunftsfähige Agrar­ stetigt werden kann, wie im Koalitionsvertrag vereinbart politik“ nicht fehlen . Für die SPD-Bundestagsfraktion und festgeschrieben wurde, sind weitere Erhöhungen (B) steht eine nachhaltige, zukunftsfähige Entwicklung in notwendig . (D) der Landwirtschaft im Vordergrund . Der Schwerpunkt (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ unserer Politik liegt auf der Gesundheit von Menschen DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Kirsten Ta- und Tieren sowie auf den Folgen der Landwirtschaft für ckmann [DIE LINKE]) die Umwelt . Deswegen sprechen wir uns für eine nach- haltige und ressourcenschonende Agrarpolitik aus, die Durch das Bundesprogramm können wir die nachhal- dazu beiträgt, einen gesunden und fruchtbaren Boden zu tige Landwirtschaft stärken; denn wir unterstützen damit erhalten sowie gesunde und qualitativ hochwertige Le- die Erzeugung von ökologischem Saatgut und von Mit- bensmittel zu produzieren . teln zur vegetativen Vermehrung und schaffen so eine breite Palette verfügbarer Pflanzensorten und‑ arten. Das (Beifall bei der SPD – Harald Ebner [BÜND- stärkt die Wirtschaftlichkeit von ökologisch und nachhal- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hört sich schon tig wirtschaftenden Betrieben . Das Programm dient der mal gut an!) Stärkung der ökologischen Land- und Lebensmittelwirt- Um die Agrarpolitik in diesem Sinne gestalten zu kön- schaft und der angestrebten Ausweitung der ökologisch nen, benötigen wir mehr Forschung, auch mehr Förder- bewirtschafteten Anbauflächen im Land. In den letzten mittel, um die Bundesprogramme und die Strategien der zwei Jahren hat sich die Größe dieser Anbauflächen lei- Bundesregierung zu stärken . Es ist richtig, dass sich das der nicht verändert . So wird es schwierig, die 20 Prozent Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Ökolandbau, die in der nationalen Nachhaltigkeitsstrate- den Bereich „Nachhaltigkeit, Forschung und Innovati- gie festgelegt worden sind, zu erreichen . on“ als einen der wichtigsten politischen Schwerpunkte Um verschiedene Formen dieser Landwirtschaft zu gesetzt hat . Vielen Dank dafür . Ich werde auf zwei sehr unterstützen, sollen Konzepte und Strategien für eine wichtige Titel dieses Bereichs konkret eingehen, die ich noch gezieltere Förderung erarbeitet werden . Das Bun- für besonders finanzierungswürdig halte. desministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat mit der Ankündigung eines Zukunftsplans Öko erste Erstens: der Titel „Eiweißpflanzenstrategie“. Das Po- Schritte unternommen . Aber damit die Strategie wie an- tenzial heimischer Eiweißpflanzen wird in Deutschland gekündigt bis Ende 2016 erarbeitet und umgesetzt wer- nur unzureichend ausgeschöpft . Mit der Eiweißstrategie den kann, bedarf es im Ökobereich noch mehr Subventi- wird das Potenzial von Anbau- und Erntetechniken aus- onen und Forschung . geschöpft, ebenso werden die Wettbewerbsnachteile hei- mischer Eiweißpflanzen vermindert. Aus diesen Gründen Zum Schluss möchte ich noch kurz auf den Aspekt der hat sich die SPD stark und im Endeffekt erfolgreich dafür Pflanzenschutzmittelreduktion eingehen. Vorhin wurde Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13821

Rita Hagl-Kehl (A) bereits das Stichwort „Glyphosat“ genannt . Keine Sorge, Landwirtschaft – in der Ausschussfassung . Es liegt ein (C) dazu spreche ich nicht . Aber diese Thematik zeigt, dass Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksa- wir weiterhin den Nationalen Aktionsplan zur nachhal- che 18/6802 vor, über den wir zuerst abstimmen . Wer tigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln brauchen. stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt da- Hier dürfen wir nicht nachlassen . Wir müssen diesen Ti- gegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist tel verstetigen und dürfen die Mittel nicht zurückführen . abgelehnt durch Ablehnung durch CDU/CSU und SPD Wir benötigen auch sehr viel Forschung in Bezug auf die bei Zustimmung der Linken und Enthaltung von Bünd- Umsetzung, um neue, sichere Alternativen zu den exis- nis 90/Die Grünen . tierenden Pflanzenschutzmitteln zu finden und die Land- wirte noch besser beraten zu können . Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel- plan 10 in der Ausschussfassung . Wer stimmt dafür? – (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Der Ein- der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE zelplan 10 ist damit angenommen . Zugestimmt haben die GRÜNEN) CDU/CSU und die SPD, dagegengestimmt haben Bünd- Dafür werde ich mich einsetzen . nis 90/Die Grünen und die Linke; es gibt keine Enthal- tungen . Herzlichen Dank . Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- tages auf morgen, Freitag, 27 .November 2015, 9 Uhr, Vizepräsidentin Claudia Roth: ein . Vielen Dank, Frau Kollegin Hagl-Kehl .– Damit schließe ich die Aussprache . Ich wünsche Ihnen einen schönen Restabend . Die Sit- zung ist geschlossen . Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ein- zelplan 10 – Bundesministerium für Ernährung und (Schluss: 20 .23 Uhr)

(B) (D)

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13823

(A) Anlage zum Stenografischen Bericht (C)

Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Albsteiger, Katrin CDU/CSU 26 .11 .2015 Lagosky, Uwe CDU/CSU 26 .11 .2015

Dörner, Katja BÜNDNIS 90/ 26 .11 .2015 Launert, Dr . Silke CDU/CSU 26 .11 .2015 DIE GRÜNEN Pronold, Florian SPD 26 .11 .2015 Ehrmann, Siegmund SPD 26 .11 .2015 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ 26 .11 .2015 Ernstberger, Petra SPD 26 .11 .2015 DIE GRÜNEN

Hartmann, Sebastian SPD 26 .11 .2015 Schnieder, Patrick CDU/CSU 26 .11 .2015

Heiderich, Helmut CDU/CSU 26 .11 .2015 Spinrath, Norbert SPD 26 .11 .2015

Irlstorfer, Erich CDU/CSU 26 .11 .2015 Strässer, Christoph SPD 26 .11 .2015

Kekeritz, Uwe BÜNDNIS 90/ 26 .11 .2015 Veit, Rüdiger SPD 26 .11 .2015 DIE GRÜNEN Warken, Nina CDU/CSU 26 .11 .2015 Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/ 26 .11 .2015 DIE GRÜNEN Wicklein, Andrea SPD 26 .11 .2015

(B) (D)

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333