Kickerträume Im Heiligen Land
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1 Nachspiel 18.06.2006 Redakteur: Johannes Ostermann Autorin: Kai Adler „Kicken im Heiligen Land – Fußball in Israel“ Israelische Nationalhymne unter Text in mexikanisches Lied hineingeblendet Zum ersten und bislang einzigen Mal war Israel 1970 bei der Weltmeisterschaft in Mexiko mit dabei. Zwar schieden „Die Heiligen Elf“ – so der Spitzname des israelischen Teams - nach einer Niederlage gegen Uruguay bereits in der Vorrunde aus, doch zuvor hatte Israel zwei Unentschieden erzielt: ein 0:0 gegen Italien und ein 1:1 gegen Schweden. Das Tor gegen die Skandinavier blieb der bislang einzige WM-Treffer der Nivcheret, der israelischen Elf. Mordechai Spiegler, Torschütze von Mexiko, ist in Israel bis heute ein Held – und das nicht nur unter Vertretern seiner eigenen Generation. O-Ton 1 (Mottale Spiegler) Nun, es war ein windiger Tag und ich hatte Glück, dass der Wind in die richtige Richtung wehte. Und so schoss ich mit meinem linken Fuß, genauso, wie ich es schon immer gelernt hatte. Und Gott und der Wind halfen mir dabei, den Ball ins Ziel zu bringen. Atmo Strandpromenade Auch in der israelischen Küstenstadt Netanjah weht heute ein sommerlicher Wind. Mordechai Spiegler, Mottale, wie er von allen hier genannt wird, sitzt in einem Café an der Strandpromenade vor einem Cappuccino. Insgesamt 32 Tore in 82 Länderspielen hat Mottale zu seinen Fußballerzeiten geschossen, bis heute ist er Israels Rekordtorschütze. Doch wirklich berühmt machte ihn jener Moment, als er 1970 in Toluca mit seinem Fuß den Ball unhaltbar in die linke obere Ecke des schwedischen Tors beförderte. mexikanische Musik 2 Die Bilder von damals zeigen ihn kurz nach dem Schuss: Das charakteristische, massive Kinn ist leicht nach rechts geschoben, ein Ausdruck ungläubigen Staunens liegt auf seinem Gesicht. Heute umspielt ein Lächeln die Mundwinkel. O-Ton 2 (Mottale) Bist du wirklich den ganzen weiten Weg aus Deutschland gekommen, um mich danach zu fragen? (lacht) Wenn du nach Hause zurückkehrst, sag doch bitte, dass ich ein breites Lächeln auf meinem Gesicht hatte, als du mich auf Mexiko ansprachst. Nein wirklich, es beschämt mich ein wenig, noch immer darüber zu sprechen. Seither hat Israel keinen einzigen WM-Treffer mehr geschossen und ich muss somit noch immer meine Geschichte von einst erzählen! Ich wünschte, ich könnte über die Gegenwart sprechen, über Spieler wie Benayoun und so weiter und über deren Treffer. Yossi Benayoun gilt als einer der wichtigsten Spieler der aktuellen israelischen Nationalmannschaft. Bereits als junger Fußballer hatte Benayoun die Nachwuchs- Scouts aus Europa begeistert, er zählt bis heute neben Spielern wie Avi Nimni und Idan Tal zu den Ideengebern und Fädenziehern auf dem Rasen. Sie spielten bereits in der Saison 1999/2000, als Richard Möller-Nielsen die Mannschaft trainierte. Unter dem Dänen hatte sich die israelische Nivcheret bereits an die europäische Fußballspitze herangetastet und gut verkauft, als sie bei der EM-Qualifikation zuhause Spanien in Schach hielt und Österreich sogar mit 5:0 besiegte. 2003 übernahm der Israeli Avraham Grant das Ruder und führte die Heilige Elf zur WM-Qualifikation. Atmo Trillerpfeifen + Kick O-Ton 3 (Grant) Wenn du vor den Spielen mit Leuten gesprochen hättest und ihnen gesagt hättest, was wir schaffen werden – es hätte uns niemand geglaubt. Die Erwartungen lagen weit unter dem, was wir dann tatsächlich erreicht haben. / Wir hatten viele Schwächen: mentale, körperliche, technische, aber wir hatten beschlossen, etwas Gutes aus der Situation herauszuholen. / Mit Frankreich, mit der Schweiz, mit Irland ein Unentschieden zu spielen! Das ist eine gute Entwicklung in so kurzer Zeit. / Wir sind stolz darauf. Nicht nur für Grant, der unter anderem an der Sporthochschule Duisburg gelernt hat, wäre eine WM-Teilnahme in Deutschland von großer Bedeutung gewesen. Atmo Strandpromenade 3 O-Ton 4 (Mottale Spiegler) Es war noch kein wirkliches Thema hierzulande, weil wir so beschäftigt waren mit der Frage, ob wir uns würden qualifizieren können. Doch, auch wenn darüber noch nicht öffentlich diskutiert wurde, irgendwo stand die Frage schon im Raum: Was würde es bedeuten, wenn Israel ausgerechnet in Deutschland mit dabei wäre? Ich selbst habe darüber nachgedacht und war schon drauf und dran, meinen Freund, den Kaiser, anzurufen und zu sagen: Wir kommen! Er, Kaiser Beckenbauer, hat so viel für den internationalen Fußball getan und ich kenne ihn sehr gut, ich wäre stolz gewesen, mit dabei zu sein. Es wäre doch toll, wenn Israel in einer Gruppe mit Deutschland gewesen wäre! Wenn man Träume hat – und ich habe Träume – dann ist dies einer davon. Atmo weg Eine Menge Pech war auch im Spiel und hatte mit dafür gesorgt, dass die israelische Mannschaft am Ende ausscheiden musste. Nur wenige Monate nach der verpatzten WM-Chance trat Nationalcoach Avraham Grant von seinem Amt zurück. Dennoch sieht er schon jetzt eine realistische Möglichkeit, dass Israel beim nächsten Mal, 2010, in Südafrika mit dabei sein wird. Atmo Trillerpfiff + Kick O-Ton 5 (Grant) Ich denke, wenn wir uns so weiter entwickeln, werden wir ein sehr gutes Team werden. Schon jetzt sind wir besser als manch anderes Team, das noch vor den Spielen besser als unseres aussah. Wir haben gelernt, mit unseren Problemen umzugehen. Ich denke, es ist hier nicht wie zum Beispiel in Deutschland: In Deutschland gibt es unzählige Spieler. In jeder Position kann man aus einem Pool von guten Spielern auswählen. In Israel kann es sein, dass man für eine bestimmte Position noch nicht mal einen Spieler zur Verfügung hat. Dann muss man sich erst einmal Spieler für die Position aufbauen. Und ich denke, darin haben wir einen fantastischen Job geleistet. Musik Corinne Allal (hebräischer Pop) „Winziges Land“ Nicht einmal sieben Millionen Einwohner zählt das winzige Land. Als Markenzeichen des Fußballspiels made in Israel gelten die Lust am Angriffspiel und die Kreativität auf dem Rasen. Unter dem Dänen Möller-Nielsen, Grants Vorgänger, spielte man offensivorientiert und gewann damit auch viele Spiele. Doch die Schwäche im Mittelfeld und in der Abwehr kostete Erfolge. Anders als der Däne schwor Grant seine Mannschaft auf eine verstärkte Defensivtaktik ein, er setzte auf ein gut funktionierendes Spielerkollektiv und duldete 4 im Team keine Extrawürste. Eine neue Taktik – und eine gute, das jedenfalls meint auch Mordechai Spiegler. O-Ton 6 (Mottale) Unser Geheimnis 1970 war, dass jeder Spieler wusste, wie er sein Talent in die gesamte Mannschaft einbringen konnte. Wir hatten einen wunderbaren Coach, Emanuel Schaffer, der an der Sporthochschule Köln studiert hatte und ein sehr guter Freund von Hennes Weisweiler war. Damals, vor 36 Jahren haben wir es geschafft. Seither aber hat jede neuen Kampagne eine Show von Stars präsentiert. Und ich frage mich dann immer wie „bekloppt“ (sagt das im O- Ton auf Deutsch) man sein muss, um nicht zu verstehen, dass man kein Mannschaftsspiel spielen kann, wenn jeder der Spieler nur zeigen will, wie toll er selbst ist. Das ist unser großer Fehler. Diesmal aber hat Coach Grant keine Starkampagne gestartet, sondern den Spielern beigebracht, sich ihrem Job und ihrer Nation verbunden zu fühlen. Und er hat gut mit den mittelprächtigen Spielern gearbeitet: Durchschnittliches Talent, ein großes Herz und kollektive Arbeit. Dem größten Stern am israelischen Fußballerhimmel liegen Starallüren fern. Zwar ist der Wandel im großen Fußball - weg vom Teamgeist, hin zu einer Show der Stars und individueller Spielergrößen - ein globales Phänomen. Doch hat dies in Israel eine besondere Bedeutung, schließlich gelten Teamgeist und Kollektivgedanke hier nicht nur als sportliche Größen, sondern waren seit der Gründung Israels im Jahre 1948 zentral für den Aufbau des jungen Staates. O-Ton 7 (Mottale) Diese wunderbare kollektive Atmosphäre in Israel gehört der Vergangenheit an, den 50ern, 60er, 70er Jahren. In den 90ern hat sich das verändert. Die Welt 2005, 2006 ist eine andere. Doch ich will jetzt keine Hörer damit langweilen, indem ich erzähle, wie schlecht die Welt heute geworden ist. Aber es ist nun einmal so: Wenn du heute einen Kibbuz besuchst, ist das nicht mehr dieselbe Art von Gemeinschaft wie 1949. Damals war er charakteristisch dafür, wie dieses Land erbaut wurde. Gemeinschaftlichkeit hat uns in so vielen Bereichen unseres Lebens hier geholfen. Und natürlich hat der Fußball auch mit dem alltäglichen Leben zu tun. „Hatikva“ interpretiert von Giora Feidman Die Anfänge des israelischen Fußballs reichen noch in die Zeit vor der Staatsgründung zurück - bis ins Jahr 1912. Im Gimnasia Herzlya, einer Schule in Jaffa, einer Art Vorort von Tel Aviv, kickten schon damals die ersten Teams. Nach 5 Ende des ersten Weltkrieges spielten jüdische, palästinensische und britische Mannschaften im damaligen Mandatsgebiet Palästina. 1928 wurde der Palästinensische Fußballbund gegründet und ein Jahr darauf in die FIFA aufgenommen. 1934 und ’38 nahm die Nationalmannschaft unter dem Namen Palästina Schrägstrich Eretz Israel an der Qualifikation zur Weltmeisterschaft teil. Beim ersten Länderspiel traf die Mannschaft auf Ägypten. Mit der Staatsgründung 1948 wurde auch die Israel Football Assosciation IFA ins Leben gerufen und in die FIFA aufgenommen. Das erste Spiel der jungen Nationalmannschaft fand im September ’48 statt – die Begegnung mit dem Team der USA ging 1:3 verloren. Seither hat der Fußball nicht nur innerhalb der israelischen Gesellschaft eine wichtige Rolle gespielt, auch die politische Lage lässt sich an manch einem Fußballereignis ablesen: Etwa 1956, als sich die Türkei, Sudan und