Pull my daisy tip my cup all my doors are open Cut my thoughts for coconuts Ein Abend mit Text und Bild von Thomas Sandberg all my eggs are broken ...

New York City 15. Mai 2008. Wir fei- Zunächst sehen wir einen Film von ern einen Geburtstag: Die Film Robert Frank und Co-Autor Alfred Society im Lincoln Center und der Leslie. Er ist aus dem Jahr 1959 und Steidl Verlag haben ins Walter Read heißt »Pull My Daisy«, der ursprüng- Theater geladen. Das Geburtstags- lich »Die Beatnikgeneration« heißen kind ist ein Buch. Ein Buch, das wie sollte, dann aber nach dem Titel von kein anderes die Geschichte der ’s Gedicht geändert Fotografie geprägt hat: »The wurde. Americans« oder wie es in der Erstausgabe hieß »Les Americans«. Wir sehen den berühmten und andere der Generation. Die Handlung ist ein- fach. , ein Eisenbahnarbeiter, und seine Frau Carole laden einen Bischof zum Dinner, als plötzlich seine Bohemian Freunde auftau- chen und die Party stören.

Danach sehen wir eine Preview des neuen Dokumentarfilms über Robert Frank »An American Journey« von Philippe Séclier. Cover 1958 Séclier führt uns an die Orte, die Frank 1957 fotografierte. Wir sehen Aber es ist nicht nur der fünfzigste aus dem Fenster eines Kleinstadt- Geburtstag, sondern auch gleichzei- hotels und stellen fest, der traurige tig der Erscheinungstag der Anblick hat sich nicht verändert. Neuausgabe, die der Steidl Verlag zusammen mit dem Kindesvater, dem wohl weltberühmtesten leben- den Fotografen Robert Frank heute herausbringt. Was haben wir für ein Glück, dass wir, die OSTKREUZSCHULE, grade in New York sein können.

Wir hatten uns früh um Karten bemüht, denn natürlich ist der Abend ausverkauft, und frühes Erscheinen sichert uns sogar Plätze in der ersten Reihe.

Cover 1959 3 Stills aus Pull My Daisy

Robert Frank bei der Buchpremiere in New York 30 31

Robert Frank, Milk my mind & San Francisco make me cream aus: The Americans drink me when you're ready Hop my heart on harp my height seraphs hold me steady Hip my angel hype my light lay it on the needy

aus: Pull My Daisy von Jack Kerouac

Der Film ist zu Ende und Robert haben. Ich hatte früher einen Frank betritt die Bühne. Schweizer Pass, ich denke ein Ja, er ist alt geworden und, ja, er Schweizer Pass ist besser. sagt nicht viel. Der Interviewer müht Ich weiss nicht, es ist gut am Leben sich, er versucht zu provozieren, er zu sein, egal welcher Nationalität versucht zu schmeicheln, aber man angehört. Robert Frank antwortet bedächtig. Aber ich denke, ich bin bin stolz, in Keine Schlagworte, keine vielfach New York zu leben. Ich kann sagen, benutzten Sätze. ich bin ein New Yorker. Ich denke, die Aus dem Publikum kommt die Frage, Stadt hat aus mir gemacht, was ich ob er glaubt, dass Fotografie Kunst bin. Ohne hier zu leben und all die Cover 1986 ist? Leute kennengelernt zu haben, Man fühlt sich zurückversetzt in wäre ich vermutlich zurück in die Zeiten, als diese Frage allerorts und Schweiz gegangen. immer wieder diskutiert wurde. Ich bin New York dafür sehr dankbar. Ja, sagt er, natürlich ist Fotografie auch Kunst. Kunst ist Kunst – ist es Dann ist der Abend zu Ende. gute Fotografie, kann es eben Kunst Es wird Wein gereicht, und das sein. Publikum kauft die Neuauflage, die Welches Bild ist sein Lieblingsbild? der Steidl Verlag so schön und sorg- Ich denke, was wird er darauf ant- fältig mit Frank erarbeitet hat. worten? Alle oder dies und das? Nein, Frank sagt ganz einfach, das Eine Frage bleibt bei mir. Cover der Jubiläumsausgabe, schwarze Paar auf dem Hügel, das Was heißt eigentlich »Pull My die 2008 im STEIDL Verlag erschienen ist. Wir erfahren, dass Frank auf seiner Robert Frank musste also damals Aber was sollen diese Kategorien sich umdreht. Daisy« auf Deutsch und was meint Reise durch die USA ca. 700 Klein- bereits erfahren genug gewesen überhaupt, und wozu braucht man Was ist für Sie Schönheit, Mister das? bildfilme belichtet hat, und treffen sein, um in kürzester Zeit anhand sie, denke ich. Frank? Ich frage rum. Keiner kann oder will Franks Zeitgenossen, den Fotografen von Negativen auszuwählen. Wer würde heute behaupten, dass – Können sie bitte aufstehen, ich es beantworten, manche lachen ver- Wayne Miller, bei dem er in San »The Americans« wird heute als Egon Erwin Kischs Reportagen oder möchte sie nochmal anschauen (das schmitzt, andere meinen, das sei Francisco Halt machte und die Filme Meilenstein in der Entwicklung der Mark Twains Reiseberichte keine Publikum lacht). etwas Sexuelles, wieder andere entwickelte. künstlerischen Fotografie gesehen, Literatur sind? Dann sagt er, eine Frau – eine schö- sagen, das sei so ein Beatnik Thing »Robert brauchte keine Kontakt- weil es einen für die damalige Zeit War es die Fotografie – das Medium ne Frau ist die schönste Landschaft, von Allen Ginsberg, die Jüngeren bögen, er suchte seine Bilder direkt enorm subjektiven Blick auf die selbst –, der man die Subjektivität in die ein Mann schauen kann. antworten »Google it«. vom Negativstreifen aus«, sagt der Wirklichkeit zeigt. Und wer wollte nicht zugestand? Fühlt er sich als Amerikaner, fragt Nach dem Zwanzigsten gebe ich Freund und Kollege respektvoll. Gut, das bezweifeln? Eine ganze Das amerikanische Publikum der ein anderer aus dem Publikum. auf, es bleibt ein Rätsel. denke ich, dass musste sogar jeder Generation von Fotografen trug und 50er Jahre war von Robert Franks – Ja, selbstverständlich bin ich Robert Frank nicht. Er scheint einem Agenturfotograf so machen, denn trägt Franks Bilder im imaginären emotionalen Bilder geschockt. Das Amerikaner. als Person so direkt und emotional für Kontakte war damals oft nicht Rucksack. Buch konnte zunächst nur in Robert Franks Vater war als Jude wie seine Bilder. die Zeit. Eine Kerblupe, mit der man Aber sah sich Frank als Künstler, war Frankreich erscheinen. Aber so bru- nach der Einführung des deutschen Schön, dass wir ihn getroffen haben. Cover 2000 die Negativsteifen markieren konn- nicht seine Arbeitsweise im Grunde tal erscheinen die Bildaussagen aus Reichsbürgergesetzes über Nacht te, gehörte zur fotografischen die eines essayistisch arbeitenden heutiger Sicht gar nicht, es ist eher staatenlos geworden, sodass er die Ausrüstung in diesen Jahren. Journalisten? »Journalisten haben die Offenheit und auch manchmal schweizer Staatsbürgerschaft bean- Frank war ja losgefahren, um eine Wirklichkeitssinn, Künstler haben Rätselhaftigkeit, was die Bilder bis tragte, die Frank 1945 erlangte. Reportage über die USA zu machen, Möglichkeitssinn« – wer hat das heute ausmacht. Was ist daran gut, ein Amerikaner das Guggenheim-Stipendium, das er gesagt? Kann es sein, das Frank 1957 zu sein ? 1955 erhalten hatte, machte ihm das ein Journalist und ein Künstler – Die Leute sagten früher, es ist gut nun möglich. zugleich war? einen amerikanischen Pass zu 32 33