Bremer Profis (in Weiß) beim 5:2 des FC Bayern gegen Werder am 26. April in München Der grüne Virus Vor zehn Jahren Meister, oft in der Champions League, fürs Offensivspektakel bewundert – inzwischen ist Werder Bremen vom modernen Fußball überfordert wie andere Traditionsklubs. Der mysteriöse Zerfall einer großen Mannschaft. Von Cordt Schnibben

m 8. Mai 2004 führte der SV Wer - Die Mannschaft, die noch 2006 vom Wenn eine Mannschaft berauschenden der im Olympiastadion gegen Bay - großen argentinischen Fußball-Philoso - Fußball spielt, dann dauert ein Spiel drei Aern München nach einer halben phen César Luis Menotti als Vorbild für Tage. Für mich – Werder-Fan seit über Stunde 3:0, antwortete so auf die Drohung offen siven Geist gelobt wurde („Werder 50 Jahren und Mitglied des Vereins – dau - von Uli Hoeneß, die Bremer „niederzu - spielt revolutionär und kreativ, so un - ern Spiele von Werder Bremen nur noch machen“, und sicherte sich endgültig die typisch für den oft erstarrten deutschen 90 Minuten, manchmal nur 45 oder sogar deutsche Meisterschaft und danach auch Fußball“), schafft es nur noch, sich gegen nur 15 Minuten. das Double. Die Mannschaft, die am dritt - andere Mannschaften zu wehren, meist Innerhalb von drei Jahren ist eine Cham - letzten Spieltag dieser Saison in München erfolglos. pions-League-Mannschaft auf Zweitliga- 2:5 verlor, war eine Halbzeit lang durch Viermal Meister, sechsmal Pokalsieger, Format heruntergewirtschaftet worden geschicktes Mauern und vier Konter ein einmal Europapokalsieger, hinter Bayern und muss am Ende der Saison froh sein, Gegner, in der zweiten Halbzeit dann nur zweitbester Verein in der ewigen Tabelle den Abstieg vermieden zu haben, weil es noch ein Spielball für die Münchner. der Bundesliga, unter von drei Vereine gibt, die noch schlechter spie - Die zehn Jahre, die zwischen diesen bei - 1985 bis 1995 großer Konkurrent der Münch - len. Schönen Dank, HSV! den Spielen liegen, erzählen mehr als die ner, ebenso unter Thomas Schaaf von 2003 Wer sich von Frank Baumann, Tim Bo - Geschichte vom ewigen Auf und Ab im bis 2010 – das waren Phasen, in denen es rowski und Aaron Hunt das letzte Jahr - N O Fußball. Werder Bremen ist ein Muster - glücklich machte, Werder-Fan zu sein. zehnt Werder-Fußball erklären lässt, er - L H T A X beispiel dafür, wie im modernen Fußball fährt viele Gründe dafür, warum sich Me - I P

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ein paar Fehlentscheidungen ausreichen, Animation: Werders notti und andere in Werder verliebten. X X I M um einen sportlich und wirtschaftlich gut größte Transfer-Flops Da ist zunächst mal Johan Micoud. Bei X X I P geführten Verein scheinbar schicksalhaft Hunt und Borowski verklärt sich noch heu - : spiegel.de/app202014transfer O T O in den Sog nach unten zu reißen. oder in der App DER SPIEGEL te der Blick, wenn sie von ihrer Zeit mit F

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dem Franzosen sprechen. Micoud wech - Für Jürgen L. Born, damals Vereinsvor - Rücktritt, weil er das Medienecho fürchtet, selte 2002 zu Werder, das heißt, er wurde sitzender, war seit 2007 nicht mehr alles in nach Klärung durch Wirtschaftsprüfer er - – wie danach so manch anderer – von Ordnung im Verein. Die Erfolge lösen ei - weisen sich die Vorwürfe als nicht belegbar. zu Werder gewechselt. nen lange schwelenden Streit darüber aus, Born sieht sich als Opfer einer Intrige und Micoud lenkte nicht nur auf dem Spiel - wem sie zu verdanken sind. Die vom Ver - greift Lemke an: Der habe sich eine vom feld, auch im Training brachte er jungen ein jahrzehntelang propagierte „Werder-Fa - Verein finanzierte Rente in Höhe von mo - Spielern bei, wie man über schnelles Pass - milie“ beginnt sich zu spalten, jeder will natlich rund 2500 Euro garantieren lassen; spiel im modernen Fußball zu Toren der Vater des Erfolges sein. Neben Allofs, in Lemkes Zeit als Manager habe der Ver - kommt. Sein Ehrgeiz und seine Besessen - Schaaf und Born sind es die Vorstandsmit - ein am Finanzamt vorbei eine schwarze heit machten ihn bei Mitspielern unbeliebt, glieder Klaus-Dieter Fischer und der Auf - Kasse von über 800 000 Mark verwaltet, aber sie folgten ihm. sichtsrat Willi Lemke, die um Macht und wofür der SV Werder nach einer Selbst - Da war, zweitens, Klaus Allofs. Er wur - Einfluss ringen. Wer hat Aílton nach Bre - anzeige 2001 Steuern nachzahlen und eine de zum Vorbild für eine ganze Sport- men geschleust? Wer Pizarro? Wer hat den Strafzahlung leisten musste. manager-Generation, weil er es – zunächst Stadionausbau versaut? Wer das Schlimms - Mit Born, im Hauptberuf Banker, wird ahnungslos – wie kein anderer schaffte, te verhindert? Das sind beliebte Streitthe - der Mann aus der Führungsebene gedrängt, Geld in Tore und Punkte zu verwandeln, men. Besonders Lemke, der unter Otto der den Verein geführt hatte wie ein mit - pro investiertem Euro den maximalen Rehhagel Manager und nach dessen Ab - telständisches Unternehmen, patriarcha - sportlichen Erfolg zu erwirtschaften. Júlio gang für das vierjährige Missmanagement lisch, volkstümlich, mit guten Verbindun - César, Claudio Pizarro, Valérien Ismaël, bis 1999 mitverantwortlich war, neidete Al - gen zur heimischen Wirtschaft. Naldo, Diego, Mesut Özil. Viele wurden lofs den Erfolg. Und so schieben sich langsam von allen irgendwo entdeckt, meist mit wenig Geld Als Miroslav Klose 2007 für 15 Millio - Seiten die Probleme zusammen, die dem nach Bremen gelotst, oft für viel Geld wie - nen Euro an Bayern München verkauft Verein wirtschaftlich und sportlich zuset - der verkauft. Ein Jahrzehnt lang funktio - wird, be ginnen Allofs’ Transferprobleme, zen. Eine Mannschaft ist wie ein empfind - nierte Allofs fast fehlerfrei, dann wurde die in den folgenden Jahren die Qualität liches Mobile, das sensibel auf viele Ein - er zum Problem für den Verein. der Mannschaft nach unten ziehen. Bou - flüsse reagiert: auf die Strömungen im Ver - Da war, drittens, Thomas Schaaf. „Er bacar Sanogo (für 4,5 Millionen Euro vom ein, auf die Charaktere im Vorstand, auf schaffte es, ein Spielsystem zu entwickeln“, HSV) und Carlos Alberto (für 7,8 Millio - die Linie des Managers, auf die Autorität so sieht es Frank Baumann, „das genau auf nen von Corinthians São Paulo) sollen die des Trainers, auf die Qualität der Spieler. uns Spieler passte, wir hatten zwar einige Lücke im Angriff schließen, Sanogo spielt Bei Werder beginnen diese Variablen ge - überragende Einzelspieler, aber wir waren nur in der Hinrunde gut, Carlos Alberto geneinander zu arbeiten. vor allem eine überragende Mannschaft.“ steht nur fünfmal auf dem Platz, wegen Da ist Allofs, der nach dem Ausschei - Als „Raute“ wurde das System mit vier mas siver gesundheitlicher Probleme, Trai - den Borns an die Spitze der Werder- Mittelfeldspielern bezeichnet, das zwei Stür - ningsrückstands, nächtlichen Kondom - Geschäftsführung aufgerückt ist und sich mer bediente. „Wir waren anderen Teams kaufs an Tankstellen und diverser anderer nicht mehr so wie früher um das Scouting voraus“, sagt Borowski, „schnelles Gegen - Eskapaden. kümmert, auch private Probleme machen pressing, hohes Verteidigen, Kurzpass- Die Mannschaft gewinnt zwar 2009 noch ihm zu schaffen – es beginnt eine lange spiel mit wenigen Kontakten. Wir besaßen mal den DFB-Pokal und schafft es ins Fi - Reihe von Transferflops. Said Husejinović, nicht die Schnelligkeit wie heute die Dort - nale des Uefa-Cups. Aber im Verein eska - Sandro Wagner, Marcelo Moreno, Denni munder, aber wir hatten viele Elemente in lieren die Konflikte unter den Verantwort- Avdić, Wesley, Mehmet Ekici, Joseph Ak - unserem Spiel, die den BVB in den letzten lichen in einer seltsamen Attacke gegen pala. Zwischen Allofs und Lemke eskaliert Jahren so erfolgreich gemacht haben.“ den Vorsitzenden Born. Er soll vom Bera - der Streit um Transfers im Jahr 2011, der Da war, viertens, die Zuversicht bei vie - ter Pizarros 50 000 Dollar Handgeld be - Etatansatz ist weit überschritten. Über len Talenten, sich bei einem Wechsel zu kommen haben, so der Vorwurf einer Zei - sel tsame Spielerberater, die bei Allofs’ Werder so weiterzuentwickeln, dass sie tung aus Peru. Der Aufsichtsratsvorsitzen - Transfers häufig auftauchen, wird im Auf - beim nächsten Verein noch mehr verdie - de Lemke drängt Born zum schnellen sichtsrat diskutiert; über Spieler, die nur nen könnten. verpflichtet werden sollen, um einem Als Micoud 2006 zu Girondins Bordeaux Spielerberater einen Gefallen zu tun; über wechselte, nahm der junge Brasilianer Werders Agonie viele Zusatzzahlungen, hier noch mal eine Diego seinen Platz ein, der beim FC Porto Tabellenplätze seit der Saison 2003/2004 halbe Million und dort noch mal eine; und nur noch auf der Bank oder der Tribüne über Deals wie beim Transfer von Marko gesessen hatte. Diego spielte egoistischer 1 Marin – der Vater wurde als Scout ein- als Micoud, „er war ein überragender Fuß - 2 2 gestellt. Wenn wir das nicht machten, baller und Vollstrecker“, sagt Borowski, 3 3 3 heißt es im Aufsichtsrat, „geht der Sohn aber neben Micoud war Borowski in einer zum HSV“. Saison auf zehn Tore gekommen, neben Gegen die Vorwürfe aus dem Aufsichts - Diego nur noch auf vier Tore in zwei rat, Allofs und Schaaf hätten zu viel Geld Spielzeiten. verbrannt bei sportlich fragwürdigen Seit dem Triumph im Münchner Olym - Transfers, verteidigt sich Allofs heute da - piastadion 2004 war Werder in den folgen - 9 mit, er könne „eine Liste aufsetzen, die den vier Jahren immer unter die Top drei 10 beweist, dass die Herren nicht richtig lie - der Bundesliga gekommen. „Für mich und gen“, aber er wolle nicht zurückblicken. Thomas war schon an diesem 8. Mai klar, 12 Für Marco Bode, mit 101 Toren der Bun - dass das die eigentliche Leistung sein wür - desliga-Rekordschütze des Vereins und seit * Stand: 13 de“, sagt Allofs, „durch die Teilnahme an . Spieltag 14 eineinhalb Jahren im Aufsichtsrat, sind der Champions League die Gelder zu er - Transfers immer eine „Wette auf die Zu - spielen, die der Verein brauchte, um oben / / / / / / kunft“. Wenn ein Verein wie Werder eine mitspielen zu können.“      * dieser Wetten mit hohem Einsatz verliere,

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„Wir hatten nicht mehr die Anhäufung von Topspielern im Kader“, sagt Allofs, „es hat nicht funktioniert, gleichwertige Nach - folger zu integrieren.“ Und gute Spieler, die man geholt habe, seien bei Werder nicht besser geworden. Die ausbleibenden Erfolge in drei Spiel - zeiten (13., 9., 14. Tabellenplatz) und die fehlenden Einnahmen aus europäischen Wettbewerben reduzierten die jährlichen Einnahmen um bis zu 25 Millionen Euro. Spieler, die auf Champions-League-Niveau verdienten, mussten den Verein verlassen, Per Mertesacker, Pizarro, Tim Wiese, Nal - do, Marin zogen weiter zu verdienstvolle - ren Verträgen und beschleunigten den sportlichen Abstieg. Wo das Geld aus den Champions- Spielmacher Micoud mit Meisterschale, Mitspieler 2004: „Revolutionär und kreativ“ League-Jahren und aus den Transfers von Diego (27 Millionen Euro) und Özil (18 Mil - werde es schon zum Problem; wenn dann Drittel aus erfahrenen Bundesliga-Spielern lionen) geblieben sei, wird der Aufsichtsrat hektisch versucht werde, „mit noch mehr und zu einem Drittel aus Potenzialspielern, immer wieder gefragt, und Lemke antwor - Risiko weitere Wetten abzuschließen, kann denen man zutraue, Nationalspieler zu wer - tet: „Es ist bekannt, dass wir zu Zeiten der das zur Problemkette werden“. den. Davon ist Werder weit entfernt. Champions League einen sehr kosteninten - Allofs begründet seine Transferpolitik In den ersten Jahren des Erfolgs war siven Kader gehabt haben. Zusammen mit mit „der Luft, die immer dünner wird, Werder die begehrteste Adresse für Spieler, einigen Transfers, die nicht optimal liefen, wenn du Erfolg hast“. Wenn man jahrelang die sich zutrauten, ganz nach oben zu kom - wurden die eingenommenen Beträge recht Champions League spiele, seien „Transfers men, und das lag an Thomas Schaaf. Er schnell wieder in die Mannschaft inves - nötig, die die Mannschaft auf hohem Ni - konnte schwierige Typen ins Mannschafts - tiert.“ Von Zockereien an den Finanzmärk - veau noch besser machen“, und damit gefüge integrieren, Aílton wurde erst unter ten ist im Verein die Rede, von Spekulatio - steigt die Geldsumme, die man einsetzen Schaaf zum Topstürmer, manche Spieler nen rund um die insolvent gegangene Ree - muss. Und das Risiko. wie Baumann kamen nur wegen Schaaf derei Beluga – einen Werder-Sponsor – und Allofs wurde selbstherrlich und ent - zu Werder, manche Spieler wie Diego wa - von zig Millionen, die im Stadionausbau schied immer öfter vom Schreibtisch aus, ren nur bei Werder richtig gut. verschwendet worden seien, aber Lemke schaute nicht mehr wie beim Naldo-Trans - Als Diego ging und Mesut Özil ihn er - weist das alles zurück. Allerdings sei der fer selbst auf den Provinzplätzen der Fuß - setzte, funktionierte Schaafs Fähigkeit Verein bei der Kalkulation des Stadionaus - ballwelt vorbei, um sich ein Bild zu ma - noch, aus einem Talent einen Nationalspie - baus von 22 und mehr Spielen pro Saison chen von angebotenen Spielern. ler zu formen. Nach dem Pokalsieg 2009, ausgegangen, die Einnahmen aus den in - Die teuer transferierten Spieler finden dem letzten Titel, verlor Werder mit aus - ternationalen Spielen fehlten jetzt. nicht den Weg in die Mannschaft und zie - bleibendem Erfolg die Qualität, jeden Spie - Die Versuche von Allofs und Schaaf, mit hen deshalb die Stimmung und die Quali - ler, der zu dem Verein kam, besser zu ma - teuren, aber erfolglosen Transfers (Eljero tät des Spiels nach unten. „Das hat Aus - chen. und der Brasilianer Elia, Marko Arnautović, Ekici) schnell wirkungen auf jeden Spieler im Team, es Wesley sind Beispiele für Stagnation. wieder nach oben zu kommen, engen den bilden sich keine Automatismen heraus“, „Schaaf hat nie viel mit Spielern gespro - finanziellen Spielraum des Vereins weiter sagt Hunt, „es entsteht kein harmonisches chen“, sagt Hunt. Nun zog er sich noch ein, so dreht sich die Abwärtsspirale Ganzes.“ Für die Spieler, die gingen, ka - mehr zurück. Als Özil nach der WM 2010 immer schneller. Das Gebaren von Allofs men zudem in jeder Saison Schwächere. zu Real Madrid wechselte, trauten Schaaf und Schaaf ähnelt in dieser Phase der Spe - Und da sind die jungen Spieler, die und Allofs Hunt und Marin zu, das kreati - kulation von Zockern im Kasino, die das aus dem eigenen Nachwuchs nicht mehr ve Duo im Offensivspiel zu werden, aber letzte Geld einsetzen, um das große Los so nachrücken wie vorher. „Wenn du beide erfüllten die Erwartungen nicht. zu ziehen. Wegen der jahrelangen Erfolge Champions League spielst“, sagt Allofs, „dann überlegst du dir genauer als vorher, ob ein junger Spieler die Qualität der Marktwert des Kaders Umsatz und Gewinn/Verlust Mannschaft steigert oder nicht.“ Max in Millionen Euro in Millionen Euro 157,3 Quelle: „Weserkurier“ 126,4 Kruse, Dennis Diekmeier, Karim Bellarabi 151,1 verlassen den Verein, um sich weiter -    zuentwickeln. Als erster Verein hatte Umsatz 87,9 Werder ein Jugend internat, immer wieder  war es Schaaf gelungen, Spieler wie Nelson 70 Valdez, Schulz, Borowski und Hunt in die  Mannschaft zu integrieren. In den Jahren  99,1 des Erfolgs schauten Allofs und Schaaf auf  der Suche nach Talenten lieber in die weite 5,8 Welt als auf die Nebenplätze des Stadions. Quelle:  transfermarkt.de Gewinn/Verlust Anzustreben sei, sagt Aufsichtsrat Bode,  56,4 dass der Spielerkader zu einem Drittel aus –7,9 Nachwuchsspielern bestehe, zu einem / / / / / / /

106 DER SPIEGEL 75 / 7568 hatten sie einen grenzenlosen öffentlichen Kredit. Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel, re - gelmäßiger Stadionbesucher, vergleicht das Verhalten der Bremer Öffentlichkeit mit dem Entstehen einer Blase an der Börse, „die Sicht auf die Realität ist getrübt durch die Hoffnungen“. Allofs’ Kurs ist durch den Wechsel nach Wolfsburg abgestürzt, aber der Blick auf Schaaf ist ungetrübt wie eh und je. Nie einen guten Linksverteidiger gefunden, nach Frings keinen guten Sech - ser gesucht, immer wieder die Balance zwi - schen Angriff und Abwehr verfehlt, viele Tore nach Kontern kassiert – all dies wurde ihm verziehen. Als er einsah, dass er der Mannschaft nichts mehr geben konnte, soll er – laut Willi Lemke – zur Werder-Ge - schäftsführung gesagt haben: „Wenn ich Duo Schaaf, Allofs 2010: Wie Zocker im Kasino ihr wäre, würde ich mich entlassen.“ 2003 zahlte Werder 32 Millionen Euro im haben sich verändert“, sagt Allofs, „so wie die Spieler dann in jenem Rhetorikkurs Jahr für Spielergehälter, Bayern München vor zehn Jahren geht es nicht mehr.“ Die vor, der heutzutage wohl zu jedem Wer - lag bei 60 Millionen, die Kirch-Krise hatte Vereine, die regelmäßig in der Champions der-Trainingslager gehören muss. die Einnahmen aller Klubs gesenkt, Werder League spielen, erlangen einen Wettbe - Mich sorgt dieser hässliche Nie-wieder- machte mehr daraus als andere. „Geld werbsvorteil, den die anderen Vereine Micoud-Fußball irgendwo zwischen Otto schießt Tore“, diesen Spruch habe Werder nicht mehr aufholen können. „Wenn man Rehhagels griechischem Euro-Riegel und al - jahrelang widerlegt, sagt Hickel, daraus zog in vielen Personalentscheidungen richtig - tem englischem Kick-and-rush, den Werder der Verein seine bundesweite Wertschät - liegt“, sagt Allofs, der inzwischen bei in vielen Spielen bietet: nur mit langen Bäl - zung bei Fußballromantikern. Und damit Wolfsburg 18 und 22 Millionen Euro Ab - len, ohne Mittelfeld, Torgefahr allein durch befeuerte Lemke den Klassenkampf gegen löse für Spieler wie Luiz Gustavo und Ke - Ecken und Freistöße. Am vorletzten Spiel - die Millionarios aus München. vin de Bruyne ausgeben darf, „kann man tag gegen Hertha BSC war es Hunt, der mit Mit den Champions-League-Einnahmen allerdings den Abstand verringern.“ zwei Toren und ein paar Pässen alte Spiel - hat sich Werder so lange nach oben ge - Die harten Fans haben Werders Absturz kunst aufblitzen ließ. Und als in der Halb - wirtschaftet, bis die Mannschaft so teuer in das untere Tabellendrittel eingepreist, zeitpause die Meister-Elf von 2004 auf dem war, dass der sportliche Misserfolg sie in ihre Erwartungen können auch durch ein Rasen geehrt wurde und die Zuschauer Mi - die Luft jagte und über ganz Europa ver - 0:3 in Mainz nicht unterboten werden. coud mit seinem „Hey Jude“-Refrain feier - ) . R (

streute. Seit drei Jahren macht der Verein Über dem HSV zu stehen, das reicht, und ten, wehte der kalte Weser-Wind ein paar N O

M hohe Verluste, das Eigenkapital hat sich so wirken sie mit ihrer schon sektenhaften Jahre Frust aus dem Stadion. Mit wem ich I S

N innerhalb von zwei Jahren halbiert, ist auf Begeisterung wie die letzte Konstante. auch sprach, mit Lemke, mit Borowski, E V S

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) 16,5 Millionen Euro zusammengeschmol - Aus Selbstschutz habe ich meine Begeis - Bode, Baumann oder Born, ich sah in ihren . L (

D zen. Sponsoren kürzen ihre Zahlungen. terung für Werder inzwischen der Leiden - Augen das Abstiegsgespenst, besonders P A D

Der Verein sei „kulturell im Umbruch“, schaft angepasst, mit der die Spieler auf warnend blickte Hunt in die Zukunft. Er /

S E sagt Hickel, aus dem Traditionsverein wer - dem Platz um Raumgewinn und Tore rin - beklagt die Spielfreude, die fehle; die Lust, G A M I

de Schritt für Schritt ein „von Technokraten gen. Ich denke wie sie von Spiel zu Spiel, mit dem Ball etwas Verrücktes anzustellen; P D D

geführter, kapitalorientierter Verein“, dem mal begeistern sie mich, dreimal in dieser den Abgang dieser Typen, die nicht ersetzt /

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E allerdings dummerweise das Kapital fehle. Saison, meist bewundere ich die rhetori - wurden, und daraus hat er den Schluss ge - K C E H

Bayern München zahlt inzwischen sche Leistung, mit der Kapitän Clemens zogen, woanders zu kicken. D I V

A 140 Millionen Euro für Spielergehälter, Fritz und andere nach Spielschluss erklä - Dass Trainer sofort erklärte, D

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S Werder ist wieder bei gut 30 Millionen an - ren, warum „heute die Einstellung der Hunt werde man nicht durch einen neuen O T O

F gekommen. „Die Dimensionen im Fußball Mannschaft“ gefehlt habe. Ich stelle mir Spieler ersetzen, das könne die Mann - schaft im Kollektiv, erinnert mich zu sehr an die dröhnenden Beschwichtigungen bei Pässe je Spiel Tore und Gegentore je Spiel den Abgängen von Özil, Pizarro, Naldo 457 und all den anderen. Werder wirkt wie ein 450 437 , Organismus, der sich selbst auffrisst, be - 2,3 fallen von einem grünen Virus. 392 Zwei, drei Jahre lang werde Werder ge - 2,0 gen den Abstieg spielen, ließen alle meine 400 , 2,0 Gesprächspartner durchblicken. Und die Tore Hoffnung auf bessere Zeiten ziehen sie aus 352 dem Blick zurück, aus den miesen Phasen 350 , zwischen 1971 und 1980, zwischen 1995 und Bundesliga- Gegentore durchschnitt 337 1999. „Vor 2003 waren wir ähnlich schwan - 1,1 kend wie jetzt“, sagt Baumann tröstend, der Quelle: Opta *Stand: . Spieltag; 1,2 300 , zuletzt für das Scouting verantwortlich war. Aber auch er wird den Verein verlas - / /  /  / * / /  /  / * sen. ■

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