Plenarprotokoll 19/134

Deutscher

Stenografischer Bericht

134. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Inhalt:

Begrüßung der neuen Abgeordneten Dr. Saskia c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ludwig, und Sandra Ausschusses für Menschenrechte und hu- Bubendorfer-Licht ...... 16665 A manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- Wahl der Abgeordneten Dr. André ordneten Zaklin Nastic, , Berghegger, und Johannes Kahrs Heike Hänsel, weiterer Abgeordneter und als Mitglieder des Verwaltungsrates der Kre- der Fraktion DIE LINKE: Soziale Un- ditanstalt für Wiederaufbau ...... 16665 B gleichheit überwinden – Soziale Men- schenrechte garantieren Änderung der Tagesordnung ...... 16665 B Drucksachen 19/4561, 19/10721 ...... 16666 A d) Antrag der Abgeordneten Michel Brandt, Eva-Maria Schreiber, Heike Hänsel, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE Tagesordnungspunkt 11: LINKE: Ein Lieferkettengesetz für ver- bindliche soziale, ökologische und men- a) Beschlussempfehlung und Bericht des schenrechtliche Sorgfaltspflichten für Ausschusses für Menschenrechte und hu- deutsche Unternehmen manitäre Hilfe zu der Unterrichtung durch Drucksache 19/15777 ...... 16666 A die Bundesregierung: 13. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschen- e) Antrag der Abgeordneten Margarete rechtspolitik – (Berichtszeitraum 1. Okto- Bause, , , wei- ber 2016 bis 30. September 2018) terer Abgeordneter und der Fraktion Drucksachen 19/7730, 19/7985 Nr. 1.2, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zivilge- 19/15881 ...... 16665 D sellschaftliches Engagement stärken, Menschenrechtsverteidigerinnen und b) Beschlussempfehlung und Bericht des Menschenrechtsverteidiger schützen – Ausschusses für Menschenrechte und hu- Hierzulande und weltweit manitäre Hilfe Drucksache 19/15782 ...... 16666 A – zu dem Entwurf des EU-Jahres- , Bundesminister AA ...... 16666 B berichts über Menschenrechte und Demokratie in der Welt im Jahr Bijan Djir-Sarai (FDP) ...... 16667 A 2016, Ratsdok. 12714/17 Jürgen Braun (AfD) ...... 16668 A – zu dem Entwurf des EU-Jahres- berichts über Menschenrechte und Michael Brand (Fulda) (CDU/CSU) ...... 16669 A Demokratie in der Welt im Jahr (FDP) ...... 16670 A 2017, Ratsdok. 8987/18 – zu dem Entwurf des EU-Jahres- Zaklin Nastic (DIE LINKE) ...... 16671 A berichts über Menschenrechte und (BÜNDNIS 90/ Demokratie in der Welt im Jahr DIE GRÜNEN) ...... 16671 D 2018, Ratsdok. 8592/19 Drucksachen 19/910 Nr. A.114, 19/2773 Aydan Özoğuz (SPD) ...... 16672 C Nr. A.18, 19/10784 Nr. A.15, 19/15882 . . . 16665 D (AfD) ...... 16673 C II Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Dr. (CDU/CSU) ...... 16674 A gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur (FDP) ...... 16675 A Änderung der Handwerksordnung – Wiedereinführung der Meisterpflicht Michel Brandt (DIE LINKE) ...... 16675 D Drucksachen 19/11120, 19/15873 ...... 16697 D Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . 16676 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des (CDU/CSU) ...... 16677 C Ausschusses für Wirtschaft und Energie – zu dem Antrag der Abgeordneten Tino (SPD) ...... 16678 C Chrupalla, Dr. , Marc (CDU/CSU) ...... 16679 B Bernhard, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD: Meisterpflicht wieder einführen – Handwerk stärken Tagesordnungspunkt 10: – zu dem Antrag der Abgeordneten , , , Erste Beratung des von den Abgeordneten weiterer Abgeordneter und der Fraktion , , Roman DIE LINKE: Attraktives Handwerk – Johannes Reusch, weiteren Abgeordneten Meisterpflicht ausweiten, Tarifbin- und der Fraktion der AfD eingebrachten Ent- dung erhöhen, Aus- und Weiterbil- wurfs eines Gesetzes zur Sicherstellung pub- dung fördern lizistischer Vielfalt und zur Herstellung von – zu dem Antrag der Abgeordneten Transparenz bei Beteiligungen politischer Claudia Müller, , Kerstin Parteien an Medienunternehmen Andreae, weiterer Abgeordneter und Drucksache 19/15265 ...... 16681 A der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Stephan Brandner (AfD) ...... 16681 A NEN: Starkes Handwerk braucht gute Fachkräfte (CDU/CSU) ...... 16682 C Drucksachen 19/4633, 19/10154, Dr. Jürgen Martens (FDP) ...... 16683 D 19/10628, 19/15873 ...... 16698 A Stephan Brandner (AfD) ...... 16685 B , Bundesminister BMWi ...... 16698 A Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD) ...... 16686 A (AfD) ...... 16699 C Doris Achelwilm (DIE LINKE) ...... 16687 C (SPD) ...... 16700 C (BÜNDNIS 90/ (FDP) ...... 16701 C DIE GRÜNEN) ...... 16689 B (DIE LINKE) ...... 16702 D (CDU/CSU) ...... 16690 D Claudia Müller (BÜNDNIS 90/ Jens Maier (AfD) ...... 16692 C DIE GRÜNEN) ...... 16703 C (SPD) ...... 16693 B (CDU/CSU) ...... 16704 D (CDU/CSU) ...... 16694 C (AfD) ...... 16705 D (SPD) ...... 16695 D (SPD) ...... 16706 C Dr. (DIE LINKE) ...... 16707 B Tagesordnungspunkt 15: (CDU/CSU) ...... 16708 A a) – Zweite und dritte Beratung des von den (SPD) ...... 16708 D Fraktionen der CDU/CSU und SPD ein- gebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung der Hand- werksordnung und anderer hand- Tagesordnungspunkt 12: werksrechtlicher Vorschriften a) Antrag der Abgeordneten Fabio De Masi, Drucksachen 19/14335, 19/15873 ...... 16697 C Dr. Gesine Lötzsch, Gökay Akbulut, wei- – Zweite und dritte Beratung des von der terer Abgeordneter und der Fraktion DIE Bundesregierung eingebrachten Ent- LINKE: Investitionsstau beenden – wurfs eines Vierten Gesetzes zur Än- Schuldenbremse aus Grundgesetz strei- derung der Handwerksordnung und chen anderer handwerksrechtlicher Vor- Drucksache 19/14424 ...... 16711 A schriften Drucksachen 19/14974, 19/15705, b) Antrag der Abgeordneten , 19/15873 ...... 16697 C Dr. Gesine Lötzsch, Fabio De Masi, weite- – Zweite und dritte Beratung des von den rer Abgeordneter und der Fraktion DIE Abgeordneten Tino Chrupalla, Marc LINKE: Öffentliche Infrastruktur erhal- Bernhard, Jürgen Braun, weiteren Abge- ten – Investitionspflicht einführen ordneten und der Fraktion der AfD ein- Drucksache 19/14375 ...... 16711 A Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 III d) Beschlussempfehlung und Bericht des brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Be- Haushaltsausschusses zu dem Antrag der reinigung arbeitsrechtlicher Regelungen Abgeordneten Christian Dürr, Grigorios (Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz) Aggelidis, , weiterer Abgeord- Drucksache 19/15786 ...... 16724 C neter und der Fraktion der FDP: Schulden- bremse stärken und keine Lobby-Politik e) Erste Beratung des von der Bundesregie- zulasten kommender Generationen rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Drucksachen 19/10616, 19/15159 ...... 16711 A zes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2017/821 des Europäischen Parla- Fabio De Masi (DIE LINKE) ...... 16711 B ments und des Rates vom 17. Mai 2017 zur Festlegung von Pflichten zur Erfül- (CDU/CSU) ...... 16712 C lung der Sorgfaltspflichten in der Liefer- (AfD) ...... 16714 A kette für Unionseinführer von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold (SPD) ...... 16715 C aus Konflikt- und Hochrisikogebieten (FDP) ...... 16716 D sowie zur Änderung des Bundesbergge- setzes Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . 16717 C Drucksache 19/15602 ...... 16724 C Dr. André Berghegger (CDU/CSU) ...... 16718 C f) Erste Beratung des von der Bundesregie- (FDP) ...... 16719 D rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur beschleunigten Beschaffung im (SPD) ...... 16720 C Bereich der Verteidigung und Sicherheit Alois Rainer (CDU/CSU) ...... 16721 D und zur Optimierung der Vergabestatis- tik (SPD) ...... 16722 D Drucksache 19/15603 ...... 16724 C g) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Tagesordnungspunkt 31: zes zur Umsetzung der technischen Säu- le des vierten Eisenbahnpakets der a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Europäischen Union Roman Müller-Böhm, , Drucksache 19/15661 ...... 16724 D , weiteren Abge- ordneten und der Fraktion der FDP einge- h) Erste Beratung des von der Bundesre- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur gierung eingebrachten Entwurfs eines Modernisierung des Rechtsdienstleis- Gesetzes zur Einführung von Sonder- tungsrechts vorschriften für die Sanierung und Ab- Drucksache 19/9527 ...... 16724 A wicklung von zentralen Gegenparteien und zur Anpassung des Wertpapier- b) Erste Beratung des von den Abgeordneten handelsgesetzes an die Unterrichtungs- Stephan Brandner, Roman Johannes und Nachweispflichten nach den Arti- Reusch, Jens Maier, weiteren Abgeordne- keln 4a und 10 der Verordnung (EU) ten und der Fraktion der AfD eingebrach- Nr. 648/2012 ten Entwurfs eines … Gesetzes zur Ände- Drucksache 19/15665 ...... 16724 D rung des Kreditwesengesetzes (Gesetz zur Sicherstellung der Verbraucher- i) Antrag der Abgeordneten Frank Schäffler, rechte bei Sparkassennutzung) Christian Dürr, Dr. , weite- Drucksache 19/11943 ...... 16724 B rer Abgeordneter und der Fraktion FDP: Kunden von Restschuldversicherungen c) Erste Beratung des von Abgeordneten besser schützen Stephan Brandner, Roman Johannes Drucksache 19/9276 ...... 16725 A Reusch, Jens Maier, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion der AfD einge- j) Antrag der Abgeordneten Margarete brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bause, Kai Gehring, , weiterer Änderung des Gesetzes über die Ent- Abgeordneter und der Fraktion BÜND- schädigung für Strafverfolgungsmaß- NIS 90/DIE GRÜNEN: Rechte indigener nahmen – Gesetz zur Modernisierung Völker stärken – ILO-Konvention 169 des Entschädigungsrechts für zu Un- ratifizieren – Koalitionsvertrag umset- recht erlittene Haft zen Drucksache 19/15785 ...... 16724 B Drucksache 19/14107 ...... 16725 A d) Erste Beratung des von den Abgeordneten k) Antrag der Fraktion der CDU/CSU und Stephan Brandner, Tobias Matthias SPD: Sicherer Radverkehr für Vision Peterka, , weiteren Abge- Zero im Straßenverkehr ordneten und der Fraktion der AfD einge- Drucksache 19/15779 ...... 16725 A IV Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 l) Antrag der Abgeordneten Roman Müller- b) Beschlussempfehlung und Bericht des Böhm, Stephan Thomae, Grigorios Ausschusses für Bildung, Forschung und Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Technikfolgenabschätzung Fraktion der FDP: Neuheitsschädlichkeit – zu dem Antrag der Abgeordneten von Gebrauchsmustern Dr. , Dr. Götz Drucksache 19/15760 ...... 16725 B Frömming, Nicole Höchst, weiterer Ab- m) Unterrichtung durch die Bundesregierung: geordneter und der Fraktion der AfD: Bericht der Bundesregierung für die Wissenschaftlichem Nachwuchs in Achte Überprüfungstagung zum Über- Deutschland eine Perspektive geben einkommen über nukleare Sicherheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Kai im März/April 2020 Gehring, Dr. , Ekin Drucksache 19/11455 ...... 16725 B Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Ein weltoffenes Land für freie in Verbindung mit Wissenschaft Drucksachen 19/6424, 19/6426, 19/13678 Buchstabe a und Buchstabe c ...... 16726 B Zusatzpunkt 3: a) Antrag der Abgeordneten Renata Alt, c) Beschlussempfehlung und Bericht des Alexander Graf Lambsdorff, Grigorios Ausschusses für Verkehr und digitale Inf- Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der rastruktur zu dem Antrag der Abgeordne- Fraktion der FDP: Kooperation mit Mit- ten , , Torsten teleuropa braucht neue Dynamik Herbst, weiterer Abgeordneter und der Drucksache 19/14933 ...... 16725 C Fraktion der FDP: Abladeoptimierung b) Antrag der Abgeordneten Dr. Marcus Mittel- und Niederrhein mittels Maß- Faber, Alexander Graf Lambsdorff, nahmengesetz schneller vorantreiben Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordne- Drucksachen 19/11111, 19/14075 ...... 16726 C ter und der Fraktion der FDP: Schutz der Soldatinnen und Soldaten der Bundes- d) Beschlussempfehlung und Bericht des wehr durch die Beschaffung von bewaff- Ausschusses für Wirtschaft und Energie neten Drohnen stärken zu dem Antrag des Bundesministeriums Drucksache 19/15675 ...... 16725 C für Wirtschaft und Energie: Vertrag ge- c) Antrag der Abgeordneten Michael mäß Artikel 1 § 6 des Gesetzes zur Neu- Theurer, Grigorios Aggelidis, Renata Alt, ordnung der ERP-Wirtschaftsförde- weiterer Abgeordneter und der Fraktion rung in der im Jahr 2019 novellierten der FDP: China auf Augenhöhe begeg- Fassung (Durchführungsvertrag nen – Multilaterale Klage vor der 2019) – Einholung eines zustimmenden WTO anstrengen Beschlusses des Deutschen Bundestages Drucksache 19/15764 ...... 16725 C gemäß § 6 Absatz 3 des ERP-Verwal- tungsgesetzes d) Antrag der Abgeordneten Dr. Marco Drucksachen 19/14744, 19/15872 ...... 16726 D Buschmann, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Mehr Transparenz bei e) Beschlussempfehlung und Bericht des Lobbyismus herstellen Ausschusses für Wirtschaft und Energie Drucksache 19/15773 ...... 16725 D zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zu den Innovationsaus- e) Antrag der Abgeordneten Bettina Stark- schreibungen und zur Änderung wei- Watzinger, Christian Dürr, Dr. Florian terer energiewirtschaftlicher Verord- Toncar, weiterer Abgeordneter und der nungen Fraktion der FDP: Transparenz ist keine Drucksachen 19/14065, 19/14232 Nr. 2, Einbahnstraße – Offenlegungsstan- 19/15874 ...... 16727 A dards für Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung Drucksache 19/15769 ...... 16725 D f)–t) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelüber- sichten 409, 410, 411, 412, 413, 414, 415, 416, 417, 418, 419, 420, 421, 422 Tagesordnungspunkt 32: und 423 zu Petitionen a) Zweite und dritte Beratung des von der Drucksachen 19/15544, 19/15545, Bundesregierung eingebrachten Entwurfs 19/15546, 19/15547, 19/15548, 19/15549, eines Zweiten Gesetzes zur Änderung 19/15550, 19/15551, 19/15552, 19/15553, des Konsulargesetzes 19/15554, 19/15555, 19/15556, 19/15557, Drucksachen 19/13455, 19/15496 ...... 16726 A 19/15558 ...... 16727 A Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 V

Zusatzpunkt 4: Zusatzpunkt 5: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: Wahl schusses für Verkehr und digitale Infrastruktur der Mitglieder des Kuratoriums der Stif- zu dem Antrag der Abgeordneten Stefan tung „Deutsches Historisches Museum“ Gelbhaar, , , Drucksache 19/14332 ...... 16730 C weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verkehrswen- de in Städten, mehr Raum für das Rad – Zusatzpunkt 15: Einführung von Fahrradstraßen erleich- tern und Fahrradzonen etablieren Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen Drucksachen 19/5893, 19/14674 ...... 16728 C der CDU/CSU und SPD: Zu den Ergebnissen des Normandie-Gipfels zur Überwindung des Konflikts mit Russland in der Ostuk- raine Heiko Maas, Bundesminister AA ...... 16730 D Tagesordnungspunkt 13: Armin-Paulus Hampel (AfD) ...... 16732 B Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: Wahl eines Stellvertreters des Präsidenten Jürgen Hardt (CDU/CSU) ...... 16733 D (3. Wahlgang) Renata Alt (FDP) ...... 16734 D Drucksache 19/14946 ...... 16728 D (DIE LINKE) ...... 16735 C Wahl ...... 16729 A (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 16736 D Ergebnis ...... 16744 D Dr. Barbara Hendricks (SPD) ...... 16737 D Dr. (AfD) ...... 16738 D (CDU/CSU) ...... 16739 C (SPD) ...... 16740 D Tagesordnungspunkt 14: (CDU/CSU) ...... 16742 A a) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: Wahl eines Mitglieds des Vertrauensgre- (SPD) ...... 16742 D miums gemäß § 10a Absatz 2 der Bun- Dr. (CDU/CSU) ...... 16743 D deshaushaltsordnung Drucksache 19/14934 ...... 16729 B b) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: Tagesordnungspunkt 9: Wahl von Mitgliedern des Gremiums a) – Zweite und dritte Beratung des von den gemäß § 3 des Bundesschuldenwesenge- Fraktionen der CDU/CSU und SPD ein- setzes gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Drucksache 19/14935 ...... 16729 C Einführung eines Freibetrages in der c) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: gesetzlichen Krankenversicherung Wahl von Mitgliedern des Sondergre- zur Förderung der betrieblichen Al- tersvorsorge (GKV-Betriebsrentenf- miums gemäß § 3 Absatz 3 des Stabili- sierungsmechanismusgesetzes reibetragsgesetz – GKV-BRG) Drucksache 19/14936 ...... 16729 D Drucksachen 19/15438, 19/15877 ...... 16745 B – Zweite und dritte Beratung des von der d) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: Bundesregierung eingebrachten Ent- Wahl eines Mitglieds des Kuratoriums wurfs eines Gesetzes zur Einführung der „Stiftung Denkmal für die ermorde- eines Freibetrages in der gesetzlichen ten Juden Europas“ Krankenversicherung zur Förderung Drucksache 19/14330 ...... 16730 B der betrieblichen Altersvorsorge (GKV-Betriebsrentenfreibetragsge- e) Wahlvorschlag der Fraktion der AfD: setz – GKV-BRG) Wahl von Mitgliedern des Kuratoriums Drucksachen 19/15659, 19/15877 ...... 16745 B der „Bundesstiftung Magnus Hirsch- b) Beschlussempfehlung und Bericht des feld“ Ausschusses für Gesundheit Drucksache 19/14331 ...... 16730 B – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Wahlen ...... 16729 C, 16729 D, 16730 A Zimmermann (Zwickau), Fabio De Masi, weiterer Abgeordneter und Ergebnisse ...... 16744 D, 16745 A, 16745 A der Fraktion DIE LINKE: Gerechte VI Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Krankenversicherungsbeiträge für Tagesordnungspunkt 17: Betriebsrenten – Doppelverbeitra- Zweite und dritte Beratung des von der Bun- gung abschaffen desregierung eingebrachten Entwurfs eines – zu dem Antrag der Abgeordneten Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Matthias W. Birkwald, Dr. Achim Mitteilung grenzüberschreitender Steuer- Kessler, , weiterer Ab- gestaltungen geordneter und der Fraktion DIE LIN- Drucksachen 19/14685, 19/15117, 19/15584 KE: Doppelverbeitragung konsequent Nr. 1.4, 19/15876 ...... 16763 B beenden – Versicherte entlasten Drucksachen 19/242, 19/15436, 19/15877 ...... 16745 C in Verbindung mit c) Antrag der Abgeordneten , Jörg Schneider, Dr. Robby Zusatzpunkt 7: Schlund, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD: Systemfehler beseiti- Antrag der Abgeordneten Christian Dürr, gen – Betriebliche Altersvorsorge at- Dr. Florian Toncar, Frank Schäffler, weiterer traktiver gestalten Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Drucksache 19/15788 ...... 16745 C Berücksichtigung von Negativzinsen im Steuerrecht (CDU/CSU) ...... 16745 D Drucksache 19/15771 ...... 16763 B Detlev Spangenberg (AfD) ...... 16746 D Dr. (SPD) ...... 16763 C (SPD) ...... 16747 D (AfD) ...... 16764 A Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) ...... 16748 D Sebastian Brehm (CDU/CSU) ...... 16765 A Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) ...... 16749 C Dr. Florian Toncar (FDP) ...... 16766 B Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 16750 B Fabio De Masi (DIE LINKE) ...... 16767 A (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . 16767 C , Bundesminister BMG ...... 16750 D (Heidelberg) (SPD) ...... 16768 C (SPD) ...... 16752 C Fritz Güntzler (CDU/CSU) ...... 16769 C (CDU/CSU) ...... 16753 A

Tagesordnungspunkt 18: Tagesordnungspunkt 16: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Antrag der Abgeordneten Johannes Vogel (Ol- zes für einen fairen Kassenwettbewerb pe), , Grigorios Aggelidis, in der gesetzlichen Krankenversiche- weiterer Abgeordneter und der Fraktion der rung (Fairer-Kassenwettbewerb-Ge- FDP: Fairness für Selbstständige – Status- setz – GKV-FKG) feststellungsverfahren reformieren, Alters- Drucksache 19/15662 ...... 16771 A vorsorge ermöglichen, Kranken- und Ar- beitslosenversicherung öffnen b) Antrag der Abgeordneten Maria Klein- Drucksache 19/15232 ...... 16754 D Schmeink, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeord- Johannes Vogel (Olpe) (FDP) ...... 16754 D neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) ...... 16756 A GRÜNEN: Mehr Qualitätstransparenz für Versicherte, mehr Anreize für besse- (CDU/CSU) ...... 16756 D re Versorgung – Solidarische Wettbe- werbsordnung in der gesetzlichen Kran- (AfD) ...... 16757 D kenversicherung weiterentwickeln Gabriele Hiller-Ohm (SPD) ...... 16758 D Drucksache 19/9565 ...... 16771 B (DIE LINKE) ...... 16759 C c) Antrag der Abgeordneten Detlev Spangenberg, Dr. , Paul Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 16760 C Viktor Podolay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD: Lieferengpässe (CDU/CSU) ...... 16761 B bei Arzneimitteln wirksam begrenzen, Johannes Vogel (Olpe) (FDP) ...... 16761 C Abhängigkeit der Arzneimittelversor- gung vom Nicht-EU-Ausland abbauen Dr. (SPD) ...... 16762 C Drucksache 19/15789 ...... 16771 B Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 VII d) Antrag der Abgeordneten Detlev Tagesordnungspunkt 20: Spangenberg, Dr. Robby Schlund, Paul Erste Beratung des von der Bundesregierung Viktor Podolay, weiterer Abgeordneter eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur und der Fraktion der AfD: Verbindliche Umsetzung der Entscheidung des Bundes- patienten- und aufgabengerechte Perso- verfassungsgerichts vom 26. März 2019 nalvorgaben für alle im Krankenhaus zum Ausschluss der Stiefkindadoption in tätigen Bezugsgruppen einführen nichtehelichen Familien Drucksache 19/15790 ...... 16771 C Drucksache 19/15618 ...... 16786 A (CDU/CSU) ...... 16771 C Dr. Robby Schlund (AfD) ...... 16772 C in Verbindung mit Sabine Dittmar (SPD) ...... 16773 B Zusatzpunkt 9: Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) ...... 16774 B Antrag der Abgeordneten Katrin Helling- Dr. (DIE LINKE) ...... 16775 A Plahr, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ weiterer Abgeordneter und der Fraktion der DIE GRÜNEN) ...... 16775 C FDP: Modernes Adoptionsrecht schaffen – Gemeinsame Adoption für nichteheliche (CDU/CSU) ...... 16776 B Paare sowie Einzeladoption für Ehegatten Martina Stamm-Fibich (SPD) ...... 16777 A ermöglichen Drucksache 19/15772 ...... 16786 A (CDU/CSU) ...... 16777 C Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV . . 16786 B (AfD) ...... 16786 D Tagesordnungspunkt 19: (CDU/CSU) ...... 16787 C a) Antrag der Abgeordneten , Katrin Helling-Plahr (FDP) ...... 16788 C , Katja Dörner, weite- Gökay Akbulut (DIE LINKE) ...... 16789 A rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Verantwortung Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 16789 C für Frauen in Frauenhäusern überneh- Sonja Amalie Steffen (SPD) ...... 16790 B men Alexander Hoffmann (CDU/CSU) ...... 16791 A Drucksache 19/15380 ...... 16778 B b) Antrag der Abgeordneten Ulle Schauws, Annalena Baerbock, Katja Dörner, weite- Tagesordnungspunkt 21: rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- a) Antrag der Abgeordneten , NIS 90/DIE GRÜNEN: Beratungs- , Matthias W. Birkwald, angebote für gewaltbetroffene Frauen weiterer Abgeordneter und der Fraktion stärken DIE LINKE: Tarifverträge bescheren Drucksache 19/15379 ...... 16778 B Weihnachtsgeld – Allgemeinverbind- lichkeit erleichtern in Verbindung mit Drucksache 19/15776 ...... 16791 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu Zusatzpunkt 8: dem Antrag der Abgeordneten Pascal Meiser, Susanne Ferschl, Matthias W. Antrag der Abgeordneten , Katja Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Suding, Daniel Föst, weiterer Abgeordneter Fraktion DIE LINKE: Tarifbindung und der Fraktion der FDP: Frauenhäuser als stärken Teil des staatlichen Schutzauftrages wahr- Drucksachen 19/8963, 19/14415 ...... 16791 D nehmen Drucksache 19/15770 ...... 16778 B Pascal Meiser (DIE LINKE) ...... 16792 A Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 16778 C (CDU/CSU) ...... 16793 A Jürgen Pohl (AfD) ...... 16794 A (CDU/CSU) ...... 16779 B Bernd Rützel (SPD) ...... 16794 D Mariana Iris Harder-Kühnel (AfD) ...... 16780 C Carl-Julius Cronenberg (FDP) ...... 16796 A Gülistan Yüksel (SPD) ...... 16781 D Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ Nicole Bauer (FDP) ...... 16783 A DIE GRÜNEN) ...... 16796 D Cornelia Möhring (DIE LINKE) ...... 16783 D Wilfried Oellers (CDU/CSU) ...... 16797 B (CDU/CSU) ...... 16784 C Dr. (CDU/CSU) ...... 16798 A VIII Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Tagesordnungspunkt 22: Stephan Thomae (FDP) (zur Geschäftsordnung) ...... 16806 C a) Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Zur Geschäftsordnung: Dr. , Tabea Rößner, Dr. (FDP) ...... 16806 D weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Netzwerk- (CDU/CSU) ...... 16807 B durchsetzungsgesetz weiterentwickeln – Tobias Matthias Peterka (AfD) ...... 16807 C Nutzerrechte stärken, Meinungsfreiheit Dr. (SPD) ...... 16808 A in sozialen Netzwerken sicherstellen Drucksachen 19/5950, 19/14350 ...... 16799 B (DIE LINKE) ...... 16808 D b) Bericht des Ausschusses für Recht und Renate Künast (BÜNDNIS 90/ Verbraucherschutz gemäß § 62 Absatz 2 DIE GRÜNEN) ...... 16809 C der Geschäftsordnung zu dem von den Ab- geordneten , Stephan Nächste Sitzung ...... 16810 C Thomae, Dr. Marco Buschmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Anlage 1 zur Stärkung der Bürgerrechte (Bürger- rechtestärkungs-Gesetz – BüStärG) Entschuldigte Abgeordnete ...... 16811 A Drucksachen 19/204, 19/15735 ...... 16799 B

Anlage 2 in Verbindung mit Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten (CDU/CSU) zu der Abstimmung Zusatzpunkt 10: über die Beschlussempfehlung des Ausschus- Bericht des Ausschusses für Recht und Ver- ses für Wirtschaft und Energie zu der Verord- braucherschutz gemäß § 62 Absatz 2 der Ge- nung der Bundesregierung: Verordnung zu den schäftsordnung zu dem von den Abgeordneten Innovationsausschreibungen und zur Ände- Dr. , Anke Domscheit-Berg, Simone rung weiterer energiewirtschaftlicher Verord- Barrientos, weiteren Abgeordneten und der nungen Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs (Tagesordnungspunkt 32 e) ...... 16812 A eines Gesetzes zur Teilaufhebung des Netz- werkdurchsetzungsgesetzes Drucksachen 19/218, 19/15780 ...... 16799 C Anlage 3 Ergebnis und Namensverzeichnis der Mitglie- in Verbindung mit der des Deutschen Bundestages, die an der Wahl eines Stellvertreters des Präsidenten des Deutschen Bundestages teilgenommen haben Zusatzpunkt 11: (3. Wahlgang) Bericht des Ausschusses für Recht und Ver- (Tagesordnungspunkt 13) ...... 16812 A braucherschutz gemäß § 62 Absatz 2 der Ge- schäftsordnung zu dem von den Abgeordneten Stephan Brandner, Marcus Bühl, Joana Eleo- Anlage 4 nora Cotar, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der AfD eingebrachten Entwurfs ei- Ergebnis und Namensverzeichnis der Mitglie- nes Gesetzes zur Aufhebung des Netzwerk- der des Deutschen Bundestages, die an der durchsetzungsgesetzes Wahl eines Mitglieds des Vertrauensgremiums Drucksachen 19/81, 19/14723 ...... 16799 C gemäß § 10a Absatz 2 der Bundeshaushalts- ordnung teilgenommen haben Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 16799 C (Tagesordnungspunkt 14 a) ...... 16815 B Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU) . 16800 C Tobias Matthias Peterka (AfD) ...... 16801 C Anlage 5 (SPD) ...... 16802 D Ergebnis und Namensverzeichnis der Mitglie- Stephan Thomae (FDP) ...... 16803 B der des Deutschen Bundestages, die an der Niema Movassat (DIE LINKE) ...... 16804 A Wahl von Mitgliedern des Gremiums gemäß § 3 des Bundesschuldenwesengesetzes teilge- Alexander Hoffmann (CDU/CSU) ...... 16804 D nommen haben Dr. Jens Zimmermann (SPD) ...... 16806 A (Tagesordnungspunkt 14 b) ...... 16818 B Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 IX

Anlage 6 Anlage 7 Ergebnisse und Namensverzeichnis der Mit- Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten glieder des Deutschen Bundestages, die an Dr. Andreas Nick (CDU/CSU) zu der Abstim- der Wahl von Mitgliedern des Sondergre- mung über den von den Fraktionen der miums gemäß § 3 Absatz 3 des Stabilisie- CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf rungsmechanismusgesetzes teilgenommen eines Gesetzes zur Einführung eines Freibetra- haben ges in der gesetzlichen Krankenversicherung (Tagesordnungspunkt 14 c) ...... 16822 A zur Förderung der betrieblichen Altersvorsor- ge (GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetz – GKV-BRG) (Tagesordnungspunkt 9 a) ...... 16825 A

Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16665

(A) (C)

134. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Dann rufe ich die Tagesordnungspunkte 11 a bis 11 e Guten Morgen, sehr geehrte Kolleginnen und Kolle- auf: gen! Bitte nehmen Sie Platz. Die Sitzung ist eröffnet. a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Für den ausgeschiedenen Kollegen Michael Stübgen Berichts des Ausschusses für Menschenrech- und die ebenfalls ausgeschiedene Kollegin Dr. Manja te und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu Schüle sind die Kollegin Dr. und die der Unterrichtung durch die Bundesregie- Kollegin Sylvia Lehmann als Mitglieder des Deutschen rung Bundestags nachgerückt. Für den verstorbenen Kollegen Jimmy Schulz hat die Kollegin Sandra Bubendorfer- 13. Bericht der Bundesregierung über ihre Licht die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erwor- Menschenrechtspolitik ben. Im Namen des ganzen Hauses begrüße ich die neuen (Berichtszeitraum 1. Oktober 2016 bis (B) Kolleginnen sehr herzlich und wünsche eine gute Zusam- (D) 30. September 2018) menarbeit. (Beifall) Drucksachen 19/7730, 19/7985 Nr. 1.2, 19/15881 Dann müssen wir für drei turnusmäßig ausscheidende Mitglieder des Verwaltungsrats der Kreditanstalt für b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Wiederaufbau Nachfolger wählen. Die Fraktion der Berichts des Ausschusses für Menschenrech- CDU/CSU schlägt vor, den Kollegen Dr. André te und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) Berghegger für den Kollegen Eckhardt Rehberg und den Kollegen Alois Karl für das ausscheidende Mitglied – zu dem Entwurf des EU-Jahresberichts Bartholomäus Kalb als Mitglieder zu wählen. Die Frak- über Menschenrechte und Demokratie tion der SPD schlägt für dasselbe Gremium vor, den Kol- in der Welt im Jahr 2016 legen Johannes Kahrs für den Kollegen Carsten Ratsdok. 12714/17 Schneider zu berufen. Stimmen Sie dem zu? – Das ist – zu dem Entwurf des EU-Jahresberichts offenkundig der Fall. Dann sind die Kollegen über Menschenrechte und Demokratie Dr. Berghegger, Karl und Kahrs als Mitglieder des Ver- in der Welt im Jahr 2017 waltungsrats gewählt. Ratsdok. 8987/18 Vor dem Tagesordnungspunkt 9 soll auf Verlangen der – zu dem Entwurf des EU-Jahresberichts Fraktionen der CDU/CSU und SPD nunmehr eine Ak- über Menschenrechte und Demokratie tuelle Stunde „Zu den Ergebnissen des Normandie-Gip- in der Welt im Jahr 2018 fels zur Überwindung des Konflikts mit Russland in der Ratsdok. 8592/19 Ostukraine“ aufgesetzt und die bisher an dieser Stelle vorgesehene Aktuelle Stunde mit dem Titel „Auseinan- Drucksachen 19/910 Nr. A.114, 19/2773 Nr. dersetzungen in der Großen Koalition über den Kurs in A.18, 19/10784 Nr. A.15, 19/15882 der Haushalts- und Finanzpolitik und die schwarze Null“ am Freitag als letzter Tagesordnungspunkt aufgerufen c) Beratung der Beschlussempfehlung und des werden. Die Debattenzeit des Zusatzpunktes 13 – das Berichts des Ausschusses für Menschenrech- ist eine Beschlussempfehlung zum Waffenrechtsände- te und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu rungsgesetz – soll 30 Minuten betragen. Sind Sie damit dem Antrag der Abgeordneten Zaklin Nastic, einverstanden? – Das ist offenkundig der Fall. Dann ist Michel Brandt, Heike Hänsel, weiterer Ab- das so beschlossen. geordneter und der Fraktion DIE LINKE 16666 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (A) Soziale Ungleichheit überwinden – Soziale regenden Pushback, und zwar weltweit. In immer mehr (C) Menschenrechte garantieren Ländern – ja, auch im Westen – geraten Menschenrechte unter Druck. Drucksachen 19/4561, 19/10721 d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wie weit wir von einer tatsächlich gelebten Universa- Michel Brandt, Eva-Maria Schreiber, Heike lität der Menschenrechte entfernt sind, das zeigt der Blick Hänsel, weiterer Abgeordneter und der Frak- auf die vielen Konflikte, mit denen wir es zurzeit zu tun tion DIE LINKE haben: Gefangene werden in Syrien zu Tode gefoltert. Mehr als 1 Million Uiguren sind in China in Lagern inter- Ein Lieferkettengesetz für verbindliche niert. Kritische Meinungsäußerungen werden etwa in Ve- soziale, ökologische und menschenrechtli- nezuela brutal unterdrückt. Würde ich diese Liste fort- che Sorgfaltspflichten für deutsche Unter- führen wollen, wäre das nicht möglich, weil mir dafür nehmen zu wenig Redezeit zur Verfügung steht. Drucksache 19/15777 Meine Damen und Herren, es hilft aber wenig, diesen Überweisungsvorschlag: Pushback nur zu beklagen. Was wir brauchen, ist viel- Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (f) mehr eine neue Entschlossenheit, Menschenrechte nicht Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz nur zu verteidigen, sondern sie sogar auszubauen und zu Ausschuss für Wirtschaft und Energie stärken. Wie schwierig das aber sein kann, das haben wir Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft selbst gerade im April erlebt, als wir die Präsidentschaft Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen innehatten. Dort wurden beharrlich sogar Selbstverständlichkeiten bei der e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Verhandlung zu einer Resolution zum Kampf gegen se- Margarete Bause, Kai Gehring, Uwe xualisierte Gewalt in Konflikten infrage gestellt, und Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der zwar auch von Seiten, von denen wir das überhaupt nicht Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erwartet haben. Doch am Ende konnte man diese Resolu- Zivilgesellschaftliches Engagement stär- tion verabschieden. Es zeigt sich, dass es sich auch dann, ken, Menschenrechtsverteidigerinnen wenn es schwieriger wird, lohnt, sich überall für Men- und Menschenrechtsverteidiger schützen – schenrechte einzusetzen und vor allen Dingen bei den Hierzulande und weltweit Vereinten Nationen. Drucksache 19/15782 (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) (B) Überweisungsvorschlag: (D) Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (f) Auswärtiger Ausschuss Meine Damen und Herren, diesen Kampf für Men- Ausschuss für Inneres und Heimat schenrechte müssen wir entschlossen weiterführen. Das Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit werden wir auch tun, insbesondere wenn wir ab Januar Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2020 parallel im Menschenrechtsrat und im Sicherheitsrat Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union der Vereinten Nationen sitzen. Das ist eine Chance für Ausschuss Digitale Agenda uns, und die wollen wir nutzen. Für den 13. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik liegt ein Entschließungsantrag Meine Damen und Herren, die großen Herausforderun- der Fraktion Die Linke vor. Für die Aussprache wurde gen unserer Zeit, sei es die Digitalisierung, die Globali- eine Dauer von 60 Minuten beschlossen. sierung, die Migration oder auch der Klimawandel, ken- nen nicht nur keine Grenzen, sondern sie haben auch Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundes- allesamt massive Auswirkungen auf die Umsetzung der minister des Auswärtigen, Heiko Maas. Menschenrechte weltweit. Die Antwort darauf kann (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Michael eigentlich nur sein, dass wir auf der internationalen Ebene Grosse-Brömer [CDU/CSU]) so etwas wie eine Allianz für Menschenrechte brauchen. Eine solche Allianz haben wir gerade am Dienstag hier in Heiko Maas, Bundesminister des Auswärtigen: Berlin auf einer großen Konferenz im Auswärtigen Amt Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! im Rahmen der Allianz für den Multilateralismus ins Le- Wenn wir über Fortschritt sprechen, unterliegen wir ben gerufen. manchmal gefährlichen Illusionen. Als vor 71 Jahren erstmals das Wesen der Menschenrechte beschrieben Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: wurde, und zwar als unteilbar, unveräußerlich, universell, Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage da war das ein gewaltiger Fortschritt. Ja, wir haben in der aus der FDP? Zeit bis heute viel erreicht, um diesem Streben auch mit Taten gerecht zu werden. Heiko Maas, Bundesminister des Auswärtigen: Allerdings: Manchmal neigt man auch dazu, den Fort- Gerne. schritt als etwas allzu Selbstverständliches zu empfinden. Die letzten Jahre haben vor allen Dingen eines gezeigt: Es gibt keinen Automatismus für den Fortschritt bei Men- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: schenrechten. Stattdessen erleben wir einen besorgniser- Bitte, Herr Kollege. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16667

(A) Bijan Djir-Sarai (FDP): digkeit vermitteln soll, nämlich ein Sanktionsregime bei (C) Herr Minister, vielen Dank, dass Sie die Frage zulas- Menschenrechtsverletzungen. Das ist ein Punkt, bei dem sen. – Sie haben ja mehrmals gesagt, dass Menschenrech- die Europäische Union mehr tun kann. Sie wird das in te universell und unteilbar sind. Es ist aus meiner Sicht Zukunft tun. Darauf haben wir uns verständigt. grundsätzlich richtig und gut, wenn der deutsche Außen- minister bzw. die Bundesregierung sich für Menschen- Meine Damen und Herren, Glaubwürdigkeit heißt aber rechte weltweit einsetzt. auch, national glaubwürdig zu sein. Deutschland wird international zugetraut, dass wir eine führende Rolle bei Herr Minister, ich will Ihnen nur eine Frage aus der der Stärkung von Menschenrechten einnehmen. Und wir Praxis stellen. Es gab in den letzten Tagen im Iran einige wollen diese Rolle auch einnehmen. Dafür müssen wir Demonstrationen. Allein innerhalb von fünf Tagen sind glaubwürdig sein. Wir müssen nicht nur auf andere zei- über 300 Menschen erschossen worden. 4 000 Menschen gen, sondern wir müssen auch dafür sorgen, dass unsere sitzen dort im Gefängnis, einige werden gefoltert und selbstgesteckten Ziele national erreicht werden. demnächst verurteilt. Der aktuelle Menschenrechtsbericht der Bundesregie- Erstaunlicherweise, Herr Minister, waren Sie bis zum rung zeigt, dass auch wir uns nicht auf den erfolgten Fort- heutigen Tag nicht ein einziges Mal in der Lage, diese schritten ausruhen können. Eine erste Auswertung des eklatanten Menschenrechtsverletzungen zu verurteilen. Nationalen Aktionsplans „Wirtschaft und Menschenrech- Von Ihnen habe ich bis zum heutigen Tag zu diesem The- te“ hat gerade eines deutlich gemacht: Eine Mehrheit der ma nichts gehört. Herr Minister, ich bitte Sie, ich fordere Unternehmen erfüllt die Vorgaben des Nationalen Ak- Sie auf, hier im Deutschen Bundestag diese Menschen- tionsplans noch nicht. Nur knapp ein Fünftel der Unter- rechtsverletzungen zu verurteilen. Und vor allem: Sind nehmen setzt derzeit die menschenrechtliche Sorgfalts- Sie in der Lage, heute und hier Stellung zu beziehen, Herr pflicht um. Minister? (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Wann kommt das dann?) der CDU/CSU, der AfD und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) Von daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir begonnen, über die Ausgestaltung möglicher Heiko Maas, Bundesminister des Auswärtigen: gesetzlicher Regelungen zu sprechen – nicht als Gänge- Sehr geehrter Herr Kollege, es mag Ihnen vielleicht nur lung, sondern um vorbildliches Verhalten von Unterneh- entgangen sein, aber wir haben das, was im Iran ge- men zu belohnen und die schwarzen Schafe zur Rechen- schieht, vor allen Dingen die vielen Toten, die es gibt (B) schaft zu ziehen. Auch das hat etwas mit Glaubwürdigkeit (D) und von denen wir noch nicht einmal wissen, wie viele zu tun. es sind – wir müssen davon ausgehen, dass es sich tat- sächlich um mehrere Hundert handelt –, aufs Schärfste (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten verurteilt. der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Michael Meine Damen und Herren, aber auch das reicht nicht Brand [Fulda] [CDU/CSU]) aus; denn ein nationaler Alleingang wird die Probleme nicht lösen. Deshalb streben wir auch an, einen Aktions- Menschen, die von ihrem Recht Gebrauch machen, plan der Europäischen Union zu verantwortungsvoller ihre Meinung zu sagen oder sich in der Öffentlichkeit Unternehmensführung umzusetzen. Wenn wir im nächs- zu versammeln, müssen geschützt werden. Sie werden ten Jahr die Ratspräsidentschaft in der Europäischen durch die Menschenrechte geschützt. Wer dagegen ver- Union innehaben, haben wir eine gute Gelegenheit, dem stößt, der darf sich nicht darauf verlassen können, dass Nachdruck zu verleihen. das auf der internationalen Bühne verschwiegen wird. Das gilt für den Iran. Das gilt im Übrigen für die Ent- Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolle- wicklungen, die wir im Irak in den letzten Wochen ge- ginnen und Kollegen, der englische Historiker Henry sehen haben. Das gilt natürlich für Syrien. Natürlich ver- Thomas Buckle hat einmal gesagt: „Der größte Feind urteilt die Bundesregierung die Geschehnisse im Iran aufs des Fortschritts ist ... die Trägheit.“ Er hat recht. Wir Schärfste. dürfen nicht zufrieden sein, sondern wir müssen uns weiter weltweit für das einsetzen, was vor 71 Jahren for- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten muliert wurde: die Menschenwürde für alle – universell, der CDU/CSU) unveräußerlich und unteilbar. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wichtig ist, dass wir, wenn wir handlungsfähig bleiben wollen, auch Herzlichen Dank. in Europa einheitlicher auftreten. Nur wenn wir uns als Europäische Union zu Menschenrechtsfragen klar posi- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten tionieren, wird es gelingen, diese Werte auch erfolgreich der CDU/CSU) zu verteidigen und vor allen Dingen dabei selber glaub- würdig zu bleiben. Deshalb haben wir uns bei der letzten Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Sitzung des Außenrates der Europäischen Union dafür Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Braun, AfD. nicht nur eingesetzt, sondern ein Projekt auf den Weg gebracht, das der Europäischen Union dabei Glaubwür- (Beifall bei der AfD) 16668 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

(A) Jürgen Braun (AfD): In vielen Ländern schwere und schwerste Menschen- (C) Herr Präsident! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten rechtsverletzungen: in China, Nordkorea und Venezuela – Damen und Herren! Ein Bericht zur Menschenrechtspo- Staaten, in denen der Sozialismus herrscht. Die Herr- litik ist wichtig. Weltweit werden Menschenrechte mit schaft des Kollektivs ist das Gegenteil der Freiheit des Füßen getreten. 232 Seiten erscheinen angesichts der La- Einzelnen. Die Gefahren, die hier lauern, kommen im ge auch keinesfalls zu viel. Ausführlich, eigentlich aber Bericht der Bundesregierung zu ihrer Menschenrechts- ausufernd wird eine Vielzahl von einzelnen Gruppen mi- politik ebenfalls nicht vor. nutiös beschrieben. Die Zahl der Seiten sagt aber wenig über die Qualität des Berichts aus. (Zuruf von der CDU/CSU: Wie sieht es denn in Syrien aus? – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/ Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch DIE GRÜNEN]: Was berichtet denn Ihre AfD- anderes als eine große Räuberbande … Reisegruppe aus Syrien?) Papst Benedikt XVI. zitierte hier im Deutschen Bundes- Multilateralismus und globales Handeln werden ange- tag vor acht Jahren diese zentrale Aussage des heiligen mahnt und gelobt. Dabei wird unterschlagen, dass bis Augustinus. zum heutigen Tag nur ein Nationalstaat wirklichen Schutz für Bürger bietet. Nur der Nationalstaat schafft es, den (Aydan Özoğuz [SPD]: Das ist aber jetzt ein Bürgern Grundrechte und Menschenrechte zu garantie- bisschen aus dem Zusammenhang gerissen!) ren. Nur ein Staat, der auch Grenzen kennt, ist in der Benedikt, dieser große Denker, sieht den Staat als Räu- Lage, die grundlegenden Rechte der Menschen zu berbande, wenn nicht das Recht herrscht. schützen, die in ihm leben. Die Regierung Merkel hatte schon damals mehrere (Beifall bei der AfD) große Rechtsbrüche auf dem Gewissen, Das alles verschweigt die Bundesregierung. Sie übergießt (Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Oh!) stattdessen ihren ganzen Bericht mit einer süßlichen Mul- tilateralismussoße. übrigens unter Mitwirkung der FDP damals: (Aydan Özoğuz [SPD]: Das hat er aber nicht ( [SPD]: Besser als Ihre gesagt! Das hat der Papst nicht gesagt!) braune Soße!) den illegalen Ausstieg aus der Kernkraft – ein Verfas- Aktuell erleben wir hierzulande Einschränkungen der sungsbruch –, die illegale sogenannte Euro-Rettung – Meinungsfreiheit. Von der Bundesregierung dazu kein ein Bruch des EU-Rechts. Wort der Kritik. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, um (B) das es hier geht, wird von vielen Verteidigern der Freiheit (D) (Timon Gremmels [SPD]: Immer die gleiche hart kritisiert – und in diesem Bericht der Bundesregie- Leier! – [SPD]: Immer der gleiche rung wird das NetzDG, das Internetzensurgesetz, sogar Textbaustein!) gelobt. Das ist eine Verhöhnung der Menschenrechte. Der Staat ist dazu da, die Rechte der Bürger zu schützen. (Beifall bei der AfD – Das ist seine Hauptaufgabe. Schon vor acht Jahren hatte [SPD]: Was für ein Unsinn, kompletter Un- die Regierung Merkel diesen Auftrag des deutschen Vol- sinn!) kes missachtet, und der Papst aus Deutschland hat ihr den Spiegel vorgehalten. In der Bundesregierung fehlt das Gespür für das Frei- heitsbedürfnis der Menschen. Gerade die CDU sollte es (Beifall bei der AfD – Zuruf von der FDP: Was doch wissen, Konrad Adenauer hat ihr bereits 1948 ins Sie schon immer mal sagen wollten! – Stammbuch geschrieben: „Die persönliche Freiheit ist Marianne Schieder [SPD]: Der Papst will mit und bleibt das höchste Gut der Menschen!“ Heute ist Ihnen sicher nichts zu tun haben! – Michael dieser Satz Konrad Adenauers wichtiger denn je. Die Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das glaubt selbst meisten Deutschen trauen sich nicht mehr, öffentlich ihre die AfD nicht, was Sie da erzählen!) Meinung zu sagen. Der Islam ist weltweit die größte Gefahr für die Men- (Widerspruch bei der CDU/CSU, der SPD, der schenrechte. Davon lesen wir in diesem Bericht nichts. FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heute sind die islamischen Staaten der zahlenmäßig größ- [DIE LINKE]: Sie können doch je- te Block innerhalb der Vereinten Nationen. den Scheiß hier erzählen! Wo ist das Problem?) (Marianne Schieder [SPD]: Immer die gleiche Es herrscht ein Klima der Angst in diesem Land. Sie, Herr Platte!) Maas, sind für dieses Klima der Angst mitverantwortlich. Auf diesen islamischen Block nehmen bereits heute die (Beifall bei der AfD) anderen Staaten Rücksicht. Unter Druck sind hierzulande aber diejenigen, die wirklich den Schutz Deutschlands Das brennende Problem des Antisemitismus um- bräuchten: Unter Druck sind christliche Flüchtlinge. Sie schleicht die Bundesregierung ebenfalls wie die Katze treffen in Aufnahmeeinrichtungen allzu oft ihre Peiniger den heißen Brei. Denn auch hier geht es letztlich um aus den Herkunftsländern wieder und werden weiter von den Islam. Michael Wolffsohn, einer der profiliertesten ihnen verfolgt. Davon steht nichts im Bericht der Bun- Denker im heutigen Deutschland, benennt das in der desregierung. „Neuen Zürcher Zeitung“: „Der muslimische Antisemi- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16669

Jürgen Braun (A) tismus ist der gefährlichste.“ Zitat Ende. Der Bundesre- haben: Sie gehören der Minderheit der Uiguren an. Der (C) gierung fehlt der Mut, das klar auszusprechen. Chef der KP in der Provinz Xinjiang, der für die operative Umsetzung dieser Vernichtungsstrategie steht, hat schon Einseitigkeit zugunsten des Islam, Blindheit gegenüber den Vernichtungsfeldzug gegen die 4 000 Jahre alte ein- dem islamischen Fundamentalismus, kein Gespür für die zigartige Kultur der Tibeter geführt. Ihr einziges Verbre- persönliche Freiheit der Bürger: Der Bericht der Bundes- chen war im Übrigen, Tibeter zu sein. Die dynamisch regierung zur Menschenrechtspolitik ist, um es auf einen wachsende Minderheit von derzeit über 80 Millionen Punkt zu bringen, ein Dokument der Schwäche. Christen wird ebenfalls brutal unterdrückt. Die Lage der (Beifall bei der AfD – Michael Grosse-Brömer Menschenrechte wird immer schlimmer. Es ist eindeutig: [CDU/CSU]: War Ihre Rede!) Dieses neue chinesische Regime hat eine neue Qualität. Das Regime will auch keinen Dialog mehr über Men- schenrechte. Der staatliche Terror zeigt, wie sehr Xi per- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: sönlich die Menschenrechte verachtet. Nächster Redner ist der Kollege Michael Brand, CDU/ CSU. Der Menschenrechtsdialog zwischen Deutschland und China, den Peking in den letzten Jahren regelmäßig ab- (Beifall bei der CDU/CSU) gesagt hat, ist für China auch einfach geworden, Herr Außenminister; denn Probleme werden in der Tat ange- Michael Brand (Fulda) (CDU/CSU): sprochen, aber ohne jede Konsequenz und Wirkung. Sie haben gedroht, meine Mutter zu töten, wenn die (Peter Heidt [FDP]: Ja!) Aufnahmen über ihre Aussagen zu den Lagern in der Provinz Xinjiang veröffentlicht werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, entweder man führt den Dialog offen und über alle relevanten Fragen, oder man Das, lieber Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kol- beugt sich der Blockade. Ein reines Feigenblatt bringt für legen, berichtet der Menschenrechtsaktivist Ferkat Jaw- Menschenrechte null. Das ist die bittere Wahrheit. dat der „New York Times“ aktuell. Seine Mutter war, auch wegen seines Einsatzes in den USA, mehrfach in (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Lagern inhaftiert, hat Schreckliches erlebt und gesehen. wie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der In der „New York Times“ sind ihre mutigen Aussagen FDP) über ein Konzentrationslager, „concentration camp“, Liebe Kolleginnen und Kollegen, die „China Cables“ wie er es nennt, nachzulesen. Sie ist bereit, für die Wahr- sind nur die Spitze des Eisberges. China ordnet weltweit heit mit ihrem Leben zu bezahlen. Was die schwer ge- die meisten Hinrichtungen an. Ein schlimmes Kapitel ist zeichnete Mutter berichtet, lässt einem das Blut in den (B) der illegale Organhandel durch den Staat. Man muss die (D) Adern gefrieren: totale Überwachung bis in den Schlaf, Berichte ernst nehmen. Auch die Existenz der Lager wur- überfüllte Zellen mit bis zu 20 Personen ohne sanitäre de abgestritten, bis es nicht mehr anders ging. Menschen Möglichkeiten, Verweigerung medizinischer Hilfe, werden termingerecht regelrecht ausgeschlachtet. Darü- Schläge, Anketten der Häftlinge, Vergewaltigungen, Fol- ber wird bei uns kaum gesprochen, im Übrigen auch nicht ter – ein echtes Horrorszenario. Es gibt Berichte über im aktuellen Menschenrechtsbericht – jedenfalls nicht Zwangssterilisierungen wie zu dunkelsten deutschen Zei- substanziell –, obwohl das darin ein Schwerpunktthema ten. Das alles kann nur ein Ziel haben: dass es möglichst sein soll. bald keine Uiguren mehr gibt. Das alles hat System. China installiert einen Totalita- Man kann sich vor der Tapferkeit dieser Frau, die ihrem rismus 2.0: totale Unterdrückung und mittelalterliche Sohn sagte, er solle ihre Aussagen trotz der Drohungen Brutalität. Andere Regime – auch das gehört zur Wahr- veröffentlichen, nur verneigen. heit – von Russland bis Saudi-Arabien sind an diesem (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP Totalitarismus made in China bereits interessiert. China, und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Testfall für die Zukunft der Menschenrechte global. Diese Frau spricht offen über die Verbrechen des Regi- mes. Auch wir als Deutscher Bundestag fordern die chi- Das Regime Xi testet seinen Kurs immer wieder, auch nesische Führung auf: Stoppen Sie die Drohungen gegen uns gegenüber. Leider werden wir leiser, treten zu leise diese schwerkranke Frau! auf. Das Motto wurde: Leise, leise, nur nichts provozie- ren. Die Menschen in der DDR hätten null Chance auf (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP Freiheit gehabt, wenn die freie Welt damals – in deutlich und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gefährlicherer Lage – so leise geblieben wäre, wie wir es Und vor allen Dingen: Stoppen Sie die unmenschliche heute gegenüber China sind. Verfolgung von Millionen von Unschuldigen! Wir wer- den zu diesen Verbrechen hier nicht schweigen. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP Wir haben den Kalten Krieg gegen eine totalitäre Ge- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) fahr gewonnen. Nun dürfen wir nicht nachträglich ver- Wir werden hier Zeugen von nichts weniger als syste- lieren, weil wir nicht mehr die Kraft haben, für unsere matischem staatlichen Terror gegen bis zu 3 Millionen Werte und unsere Ideale von Menschenrechten einzutre- unschuldige Zivilisten, die nur ein Verbrechen begangen ten. Nicht nur bei dieser aktuellen Debatte, sondern im 16670 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Michael Brand (Fulda) (A) außenpolitischen und wirtschaftspolitischen Tagesge- (Beifall bei der FDP) (C) schäft brauchen wir eine strategische Neuorientierung. Deutschland braucht eine kohärente und strategisch aus- Weiter leisezutreten, ist angesichts der Bedrohung von gerichtete Menschenrechtsstrategie mit klaren Zielen, ei- China, Russland und anderen autoritären Staaten keine ner politischen Prioritätensetzung, und das im europä- Option mehr. ischen Kontext. Es geht auch nicht alleine um China. Es geht auch um Im Bericht wird der Anspruch der deutschen Men- uns. Wir verteidigen nicht mehr genug das, was uns schenrechtspolitik damit hervorgehoben, dass der Einsatz eigentlich ausmacht: für die Menschenrechte eine alle Politikfelder durchzie- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- hende Querschnittsaufgabe sei. Ja, richtig. Aber dann wie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der muss dies auch gelebt werden. Wir Freien Demokraten FDP) fordern hier vor allen Dingen, dass multilateralen Bemü- hungen der Vorzug vor bilateralen Bemühungen gegeben Grundrechte, Freiheit und Demokratie. Es ist für die Zu- wird. Das unterscheidet uns doch eigentlich alle von der kunft unseres Landes wichtig, dass wir diesen Test be- AfD. stehen. Nehmen wir uns diese tapfere Frau zum Beispiel. Lassen wir uns unsere Standhaftigkeit nicht abkaufen. Ein gutes Beispiel für diese halbherzige Vorgehenswei- Menschen in aller Welt schauen auf die, die als freie Welt se Deutschlands ist die International Commission on Mis- gelten. Wir dürfen sie nicht enttäuschen. sing Persons. Ja, Deutschland leistet eine finanzielle Un- terstützung. Aber warum ist Deutschland nicht auch (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP Mitglied in dieser Organisation? Die ICMP leistet hervor- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ragende Arbeit bei der Suche nach vermissten Personen, insbesondere im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Das ist eine sehr wichtige Arbeit, gerade wenn man sol- Jetzt hat das Wort der Kollege Peter Heidt, FDP. che Menschenrechtsverbrechen strafrechtlich verfolgen will. Deshalb sollte Deutschland ein aktiver Teil dieser (Beifall bei der FDP) Organisation sein.

Peter Heidt (FDP): China: ein absoluter Problemfall. Die China Cables Sehr geehrter Herr Präsident! Der 13. Menschenrechts- haben den Verdacht bestätigt, dass über 1 Million Uiguren bericht der Bundesregierung besteht aus einer langen Lis- in der chinesischen Provinz Xinjiang zwangsweise inter- te einzelner Maßnahmen und Projekte. Er ist aber nur niert und umerzogen werden. Sarkastisch könnte man ja (B) beschreibend, ohne Schwerpunkte, ohne problemorien- sagen, China hat eine lange Tradition von Menschen- (D) tierte Darstellung. Das haben selbst die Regierungsfrak- rechtsverletzungen: Tibet, Platz des Himmlischen Frie- tionen jetzt in ihrer Entschließung erkannt; der Kollege dens, Hongkong, jetzt Xinjiang. Im Umgang mit China Brand hat ja fast eine Oppositionsrede gehalten. Wirklich ist weniger Naivität, sondern mehr Realismus gefragt, konkrete Verbesserungen werden aber in der Entschlie- meine Damen und Herren. Die versteckte Entwicklungs- ßung von CDU/CSU und SPD leider nicht gemacht. zusammenarbeit mit China muss genauso beendet werden wie die Zinssubventionen. Bei der Betrachtung der Menschenrechtslage über den Bericht hinaus stelle ich eindeutig fest, dass es weltweit (Beifall bei der FDP) um die Menschenrechte nicht gut bestellt ist. Die Ent- Zudem dürfen staatsnahe chinesische Konzerne keinen wicklung in vielen Ländern ist mit großer Sorge zu be- Zugang zu kritischer Infrastruktur bekommen. trachten. Es gibt eine steigende Tendenz von Menschen- rechtsverletzungen, und es gibt gerade auch gegenüber Weiterhin halten es die Freien Demokraten für unbe- Frauen eine steigende systematische Verletzung von dingt geboten, ein EU-weites Magnitski-Gesetz zu etab- Menschenrechten. lieren. Dies würde gezielte Aktionen gegen sowohl staat- liche als auch nichtstaatliche Akteure ermöglichen, die Deutschland hat weltweit ein sehr hohes Ansehen im für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich Bereich der Menschenrechte. Das merkt man, wenn man sind, zum Beispiel durch die Einfrierung von Guthaben mit Vertretern anderer Staaten redet. Ich habe das jüngst oder Einreiseverbote. Ein entsprechendes Sanktions- bei der Delegationsreise des Ausschusses für Menschen- system, wenn es global gemeinsam mit den Vereinigten rechte in Den Haag bei den Staatsgerichtshöfen erlebt. Staaten umgesetzt werden könnte, verspricht konkrete Umso wichtiger wäre es, dass Deutschland seinen guten Maßnahmen gegen die Täter von schweren Menschen- Ruf einsetzt, um eine deutliche Verbesserung bei den rechtsverletzungen und damit eine wirksame Handhabe. Menschenrechten zu erreichen. Schließlich fordern wir die Bundesregierung zur Insgesamt muss man aber feststellen, dass Deutschland proaktiven Verteidigung digitaler Freiheitsrechte auf. So viel zu zögerlich und wenig strukturiert agiert. Warum hat wie die Digitalisierung allgemein voranschreitet, eröffnet die Bundesregierung so wenig Zutrauen zu der eigenen dies neue Möglichkeiten. Aber das gibt auch neue Mög- Courage? Herr Minister, ich hatte gestern ein Gespräch lichkeiten für Überwachung und Unterdrückung. Mehr mit Botschaftern aus Brasilien, Peru und Kolumbien. Anstrengungen in diesem Bereich sind ganz dringend ge- Wissen Sie, was diese Kollegen gesagt haben, was sie boten. sich gewünscht haben? Bitte mehr Engagement von Deutschland. Vielen Dank. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16671

Peter Heidt (A) (Beifall bei der FDP) Weiter heißt es in Ihrem Bericht: Bezahlbares und an- (C) gemessenes Wohnen gehört zu den Grundbedürfnissen Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: aller Menschen. – Nein, meine Damen und Herren, Woh- nen ist nicht nur ein Grundbedürfnis, es ist festgeschrie- Nächste Rednerin ist die Kollegin Zaklin Nastic, Die benes Recht. Aber für 2 000 Menschen allein in meiner Linke. Heimatstadt Hamburg ist es ein täglicher Überlebens- (Beifall bei der LINKEN) kampf auf Hamburgs Straßen. Allein im vergangenen Monat sind drei Obdachlose binnen weniger Tage in Zaklin Nastic (DIE LINKE): Hamburg gestorben. Das ist wirklich ein Skandal. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei intensi- (Beifall bei der LINKEN) ver Beschäftigung mit dem Menschenrechtsbericht der Bundesregierung kommt ein Verdacht auf: Ihre Politik Dass 680 000 Menschen in dieser Republik wohnungs- verwechselt die Würde der Mehrheit der Menschen mit los sind und es täglich mehr werden, ist ebenfalls ein der Gewinnmacherei einer Minderheit. Skandal. Und was macht das Innenministerium? Sie kür- zen die Gelder beim sozialen Wohnungsbau und tun alles, (Beifall bei der LINKEN) um den Mietendeckel in Berlin zu verhindern. Wir als Zwar schreibt die Bundesregierung in ihrem Bericht – Linke sagen klar: Wir brauchen endlich eine bundesge- Zitat –: setzliche Regelung für die Mietpreise, viel mehr sozialen Wohnungsbau und endlich die Enteignung großer Immo- Beschäftigung dient … nicht nur der Sicherung des bilienkonzerne. Lebensunterhaltes, sondern ermöglicht Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmern auch gesellschaftliche (Beifall bei der LINKEN) Teilhabe und soziale Integration. Es gibt nämlich das Menschenrecht auf Wohnen, aber Aber wie sieht denn Ihrer Meinung nach gesellschaftliche nicht das Menschenrecht auf Profitmaximierung. Teilhabe eigentlich aus, wenn auf 3,5 Millionen Men- schen nach Feierabend noch ein zweiter Job wartet, damit (Beifall bei der LINKEN) sie überleben können? Meine Damen und Herren insbesondere auf der eher Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung wider- linken Seite dieses Hauses, einst haben ja Ihre großen legt auch die Behauptungen aus dem Bericht – Zitat –, Parteichefs, der Genosse der Bosse Gerhard Schröder nämlich ein hoher Beschäftigungsstand würde bei aus- (B) kömmlichen Löhnen das wirksamste Mittel zur Vermei- (Zuruf von der SPD: Er ist nicht „Parteichef“!) (D) dung von Armut sein. Nein, die Armut steigt eben trotz höherer Beschäftigungsquote. Die Menschen werden im- und der Straßenkämpfer Joseph Fischer, den Arbeitenden mer ärmer trotz mehr Arbeit, und wir Linken sagen klar: und den Arbeitslosen in diesem Land den Kampf erklärt. Niemand darf arm trotz Arbeit sein. Sagen Sie sich von ihnen endlich los, dann wird es viel- leicht wieder etwas mit einem gemeinsamen Einsatz für (Beifall bei der LINKEN – Michael Brand [Ful- Klimaschutz, Sozialstaat und Menschenrechte. da] [CDU/CSU]: Das ist die Relativierung von Menschenrechten!) Vielleicht noch ein Hinweis, der aktuell sehr wichtig ist: Unterstützen Sie den Appell für Julian Assange. Sein Während in Deutschland die XXL-Erben allein im ver- Leben ist bedroht. Für ihn zu kämpfen, heißt auch, für gangenen Jahr 15 Milliarden Euro kassiert haben, ohne Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Demokratie und Men- einen einzigen Cent Steuern zahlen zu müssen, muss in schenrechte zu kämpfen. diesem reichen Land jedes fünfte Kind in Armut leben. In ihren Ohren muss doch Ihr Bericht wirklich wie Hohn (Beifall bei der LINKEN) klingen. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Margarete Wir brauchen jetzt endlich einen armutsfesten Min- Bause, Bündnis 90/Die Grünen. destlohn von mindestens 12 Euro und eine Kindergrund- sicherung. Beenden Sie endlich die befristeten Verträge, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die erzwungene Teilzeitarbeit und das Monster Niedrig- lohnsektor! Dann können Sie wirklich glaubhaft von ge- sellschaftlicher Teilhabe für die Bevölkerung sprechen. Margarete Bause (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Nächste (Beifall bei der LINKEN – Dr. Katja Leikert Woche wird in Straßburg der Sacharow-Preis des Europä- [CDU/CSU]: In welchem Land leben Sie ischen Parlaments an den uigurischen Menschenrechts- denn?) verteidiger Ilham Tohti verliehen. Ilham Tohti kann den Aber dazu braucht es eben endlich statt deren Alimentie- Preis nicht persönlich entgegennehmen, weil er wegen rung eine gerechte Besteuerung der Superreichen in die- seines stets gewaltfreien Einsatzes für die Rechte seines sem Land. Volkes in China zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Dieser Preis ist angesichts der schockierenden Dokumen- (Beifall bei der LINKEN) te der China Cables ein starkes und ein wichtiges Zeichen. 16672 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Margarete Bause (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Man muss Partei ergreifen. Neutralität hilft dem Un- (C) wie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der terdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen be- SPD) stärkt den Peiniger, niemals den Gepeinigten. Tohti steht für Millionen anderer. Ob in China, in Nord- Das ist unsere Verpflichtung. Es gilt, die Menschenrechte korea, im Iran, in Syrien, im Jemen, in Ägypten, Brasi- und ihre Verteidiger zu schützen. lien, Russland, der Türkei oder, oder, oder, weltweit ver- suchen autoritäre oder totalitäre Regime, Oppositionelle (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- und die Zivilgesellschaft mundtot zu machen. Menschen- wie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD rechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger und der FDP) werden verfolgt, weggesperrt, gefoltert oder ermordet, nur weil sie ihre grundlegenden und garantierten Rechte Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: auf Leben, auf Freiheit oder sexuelle Selbstbestimmung Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Aydan Özoğuz, einfordern, zum Beispiel die saudische Bloggerin Eman SPD. Al Nafjan, die sich für Frauenrechte einsetzt, oder der brasilianische Indigene Davi Kopenawa, der sich gegen (Beifall bei der SPD) die Abholzung des Regenwaldes einsetzt. Diese mutigen Frauen und Männer riskieren viel und oft sogar ihr Leben. Aydan Özoğuz (SPD): Sie erhoffen und erwarten, dass wir uns für sie einsetzen, Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und dass wir sie wahrnehmen, dass wir sie unterstützen und Kollegen! Zunächst einmal freue ich mich, dass es den dass wir sie, wo es uns möglich ist, schützen, Regierungsfraktionen gelungen ist, das Thema Men- schenrechte einmal zu einer solchen Zeit im Plenum zu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN debattieren, zu der es Aufmerksamkeit bekommt, und sowie bei Abgeordneten der SPD) nicht immer nur um 22 Uhr oder ganz spät abends, wenn es niemand mehr mitbekommt, wir, die wir all die Rechte genießen dürfen, die ihnen vorenthalten werden. Deshalb dürfen wir zu Menschen- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten rechtsverletzungen niemals schweigen, egal wo sie statt- der CDU/CSU und der LINKEN) finden, und egal wer sie begeht. auch wenn es eine recht kurze Debattenzeit für ein riesi- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ges Thema ist. und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Die Einhaltung und Wahrung von Menschenrechten CDU/CSU und der FDP) (B) gehört zu unseren allerhöchsten Werten. Es wurde schon (D) Da vermisse ich trotz einiger guter Aktivitäten eine mehrfach gesagt: Sie sind universell und nicht teilbar. Das konsequente und konsistente Haltung der Bundesregie- Besondere ist doch: Sie gelten eben auch für diejenigen, rung. Was die brutale Gewalt gegen friedliche Demon- die sie mit Füßen treten oder gar abschaffen wollen. Das strantinnen und Demonstranten im Iran angeht – ist die Schwierigkeit der Menschenrechte. Deswegen Schweigen. Was die Konsequenzen auf die Enthüllungen brauchen wir weltweit eine breite Basis, an der wir immer der China Cables angeht – Leisetreterei. Was die Reak- wieder arbeiten müssen. Es ist keine Selbstverständlich- tion auf den völkerrechtswidrigen Einmarsch der Türkei keit, dafür zu streiten, wie wir heute Morgen oft genug in Nordsyrien angeht – bloß keine spürbaren Sanktionen. gehört haben. Was die staatliche Seenotrettung im Mittelmeer angeht – Wir erleben immer wieder das Gegenteil: Sie werden erst einmal abwarten. Wenn sich die deutsche Rüstungs- nicht eingehalten, sie werden verletzt. Das begleitet uns industrie jetzt vor dem Internationalen Strafgerichtshof natürlich im Menschenrechtsausschuss Woche für Wo- verantworten muss wegen ihrer Waffenlieferungen an che: Folter, sexuelle Gewalt, Tötungen, Genitalverstüm- die Kriegsallianz im Jemen, dann steht auch die deutsche melung, Kinderarbeit, Organraub. Man kann gar nicht all Politik dort in der Verantwortung. die vielen schrecklichen Menschenrechtsverletzungen aufzählen, die es in dieser Welt gibt. Wir können uns (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nur einem Bruchteil zuwenden. und bei der LINKEN) Das Wichtigste sind doch die Transparenz, also dass Diese Bundesregierung muss endlich das tun, wofür sie wir davon wissen, und die Bestrafung von Menschen- sich selbst so gerne lobt, nämlich eine ganzheitliche men- rechtsverletzungen. Das ist die Grundlage für die Ein- schenrechtsbasierte Politik verfolgen; so wird es in ihrem haltung. Deshalb haben wir als SPD-Fraktion in den Bericht beschrieben. Fangen Sie damit an, Ihre Hausauf- Menschenrechtsausschuss das Thema Straflosigkeit ein- gaben zu machen: Ratifizieren Sie zunächst einmal das gebracht, mit dem wir uns in den letzten Monaten be- Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt und die Konvention schäftigt haben. Wir alle wissen: Viel zu oft bleiben Men- zum Schutz indigener Völker. Geben Sie den Unterneh- schenrechtsverletzungen weltweit, aber eben auch bei uns men einen klaren gesetzlichen Rahmen zum Schutz der ungestraft, Täter bleiben unbekannt. Das ist ein furcht- Menschenrechte. Schließen Sie die Lücken bei der Rüs- barer Zustand. tungskontrolle. (Beifall bei der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir müssen uns daher umso mehr damit befassen, wie Elie Wiesel hat einmal gesagt: deutsche Gerichte und Strafverfolgungsbehörden bei der Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16673

Aydan Özoğuz (A) Ahndung schwerster völkerrechtlicher Straftaten auch Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (C) vonseiten der Gesetzgebung unterstützt werden können. Nächster Redner ist der Kollege Markus Frohnmaier, Aus diesem Grund wurde 1998 der Internationale Straf- AfD. gerichtshof mit Sitz in Den Haag gegründet. In unserer gemeinsamen Anhörung zu diesem Thema wurde unter (Beifall bei der AfD) anderem deutlich: Wir brauchen viel mehr gut ausgebil- dete Richterinnen und Richter, und wir müssen die Rech- Markus Frohnmaier (AfD): te der Opfer stärken. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- ren! Niemand im Bundestag ist gegen Menschenrechte. Der ehemalige Richter am Internationalen Strafge- richtshof Flügge machte deutlich, dass sich vor 30 Jahren (Ulli Nissen [SPD]: Das sagen gerade Sie!) viele nach so etwas wie dem Internationalen Strafge- Aber die AfD stellt sich dagegen, dass plötzlich Deutsch- richtshof gesehnt haben, es aber kaum jemand für mög- land allein für Menschenrechtsverletzungen geradestehen lich gehalten hätte, dass es dies einmal geben könnte. soll, für die es gar nichts kann. Die Linkspartei schlägt Heute ist es Realität, aber leider unter schwierigen Vo- hier und heute unter diesem Tagesordnungspunkt vor, ein raussetzungen. Professor Safferling aus Nürnberg hat Gesetz über Lieferketten zu verabschieden. Deutsche Un- deutlich aufgezeigt, dass auch der Generalbundesanwalt ternehmen sollen in Zukunft die Verantwortung dafür tra- an der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien gen, wenn irgendwo in der Lieferkette Menschenrechte, Fortbildungsmaßnahmen für andere Staaten unterstützt. Umweltstandards oder Arbeitnehmerrechte verletzt wer- Seine Expertise ist nachgefragt und somit die Erfahrun- den. gen Deutschlands. Das ist ein wichtiges Gut und sollte unbedingt weiterhin unsere Unterstützung erhalten. Was heißt das konkret? Das ist mein Mobiltelefon. (Beifall bei der SPD) (Der Redner hält ein Mobiltelefon hoch) Leider erfährt der Internationale Strafgerichtshof noch Dieses Mobiltelefon steht am Ende einer Wertschöp- keine Unterstützung durch die Mitglieder des Sicherheits- fungskette. Das Handy funktioniert natürlich nicht ohne rates USA, Russland und China; auch nicht durch das Batterie. Für die Batterie benötigen wir unter anderem bevölkerungsreiche Land Indien, wie wir wissen. Hier Kobalt. Kobalt wird überwiegend im Kongo abgebaut gilt es, beharrlich zu bleiben und nach Lösungen zur Ein- und hat nichts mit Kobolden zu tun, Frau Baerbock. Sie bindung zu suchen. Denn Straflosigkeit ist nur mithilfe können sich natürlich vorstellen, dass die Kobaltförde- einer internationalen Strafjustiz beizukommen. rung im Kongo nicht immer deutschen Standards ent- spricht. Die schlechten Standards werden von den afrika- (B) Am Ende möchte ich den digitalen Raum erwähnen. nischen Diktatoren aber gebilligt. Und dafür sollen jetzt (D) Anfeindungen im Netz sind ja leider ein alltäglicher Be- ausgerechnet deutsche Unternehmer, die schon jetzt die standteil unseres Lebens geworden. Wohl niemand kann höchsten Standards weltweit sicherstellen, bezahlen! Das ernsthaft in Zweifel ziehen, dass wir Menschenrechte in- fordern nicht nur die Linken, das fordert nicht nur die zwischen auch online verteidigen müssen. Auch das freie Linkspartei, auch die Bundesregierung hat durch CSU- Internet – Herr Braun hat es angesprochen –, auch das Minister Gerd Müller erklärt, ein Lieferkettengesetz zu weltweite Internet, ist kein rechtsfreier Raum. unterstützen. Zum Schluss möchte ich – Herr Präsident, mit Ihrer (Marianne Schieder [SPD]: Recht hat er, der Erlaubnis; es geht auf Weihnachten zu – den missio-Prä- Herr Müller!) sidenten Dirk Bingener zitieren, der zum Tag der Men- schenrechte sagte: Was hieße das denn? Wenn deutsche Unternehmer nicht bis zum letzten lon sicherstellen, dass deutsche Wer sich für Religionsfreiheit engagiert, ... muss Standards eingehalten werden, werden diese in Haftung sich für die Religionsfreiheit der Angehörigen aller genommen. Das führt zu einer massiven Verschiebung Religionen einsetzen. Wer auf die Lage von be- der Verantwortung: weg von den Staaten und ihren Regie- drängten Christen in Indien hinweist, darf nicht das rungen, hin zu ausschließlich deutschen Unternehmern. Schicksal der muslimischen Rohingya in Myanmar Glauben Sie ernsthaft, dass es dann noch Investitionen oder der Jesiden im Irak vergessen. von deutschen Unternehmen in Entwicklungsstaaten ge- ben wird? Glauben Sie das ernsthaft? Damit schaden Sie Heute wurden auch die Uiguren in China erwähnt. nicht nur den Entwicklungsländern, sondern auch dem Zudem darf die Religionsfreiheit nicht gegen andere Standort Deutschland. Von der Bäckerei bis zu unserer Menschenrechte wie etwa das der Meinungsfreiheit ohnehin schon geplagten Automobilindustrie müsste je- ausgespielt werden – und umgekehrt. der Unternehmer in Zukunft seine gesamte Lieferkette minutiös kontrollieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Ulli Nissen [SPD]: Was spricht dagegen?) Ich glaube, wir haben da noch viel zu tun. Jedes Samenkorn, jeder Holzspan, jede Schraube müsste auf die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards Vielen Dank. geprüft werden. Das ist bürokratische Arbeitsplatzver- nichtung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der AfD) 16674 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Markus Frohnmaier (A) Für die Einhaltung von Gesetzen sind noch immer die Wir wollen zu Hause hohe Arbeitsstandards, faire Löhne, (C) Regierungen verantwortlich und nicht deutsche Unter- und deshalb sollte auch derjenige, der am Ende der Lie- nehmen. Ich ende deshalb mit einem Zitat von Christoph ferkette arbeitet, von seinem Lohn leben können. Das ist Kannengießer, Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins wichtig. Wir sollten das international auch stärker einfor- der deutschen Wirtschaft: dern. Ein Gesetz mit umfangreicher Haftung für das Han- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) deln weit entfernter Lieferanten kann dazu führen, Deutschland hat hier eine ganz besondere Verantwor- dass sich Unternehmen zurückziehen ... tung. Deutschland ist drittgrößtes Exportland und auch Wollen Sie das wirklich? Die AfD will es nicht! drittgrößtes Importland. Sind wir mit diesem Anspruch alleine in der Welt? Nein, das sind wir nicht. Es gibt (Beifall bei der AfD) andere europäische Länder wie zum Beispiel Frankreich, das bereits ein sehr ambitioniertes Lieferkettengesetz hat, Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Großbritannien, die Niederlande haben eines, aber auch Nächster Redner ist die Kollegin Dr. Katja Leikert, Länder wie die USA und Australien haben gesetzliche CDU/CSU. Regelungen hierzu. (Beifall bei der CDU/CSU) Sehr verehrte Damen und Herren, ich danke in diesem Zusammenhang Entwicklungshilfeminister Gerd Müller, Dr. Katja Leikert (CDU/CSU): der heute hier vertreten wird von , ge- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und nauso wie Bundesminister . Ich unterstütze Kollegen! Heute debattieren wir den Menschenrechtsbe- sie darin, im Rahmen unserer EU-Ratspräsidentschaft richt der Bundesregierung sowie die Menschenrechtsbe- dieses Thema aufzugreifen. Es ist gut, dass wir diese richte der Europäischen Union. Ich möchte gerne zwei Debatte heute hier führen. Themen herausgreifen, weil sie mir besonders wichtig (Beifall bei der CDU/CSU) erscheinen und weil wir da ganz konkret handeln können: zum einen das Thema „Menschenrechte entlang der Lie- Mein zweites Thema richtet den Blick auf ein Men- ferketten“, das wir eben schon diskutiert haben, und zum schenrechtsproblem vor unserer eigenen Haustür, näm- anderen das Thema „Umgang mit Prostitution in lich auf die völlig inakzeptable Situation für die aller- Deutschland“. Egal ob im außereuropäischen Ausland meisten Prostituierten in unserem Land. Erinnern wir oder hier bei uns zu Hause, Menschenrechte sind univer- uns: 2002 gab es mit dem Prostitutionsgesetz unter der sell, nie selbstverständlich, und wir müssen uns immer damaligen rot-grünen Bundesregierung den Versuch, (B) (D) wieder dafür einsetzen. Prostitution als ein Gewerbe wie jedes andere, als einen Beruf wie jeden anderen anzusehen. Dieser Versuch ist (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- kläglich gescheitert, wie wir hier alle anerkennen müssen. neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE Wir haben dann nachgebessert mit dem Prostituierten- GRÜNEN) schutzgesetz. Leider hat aber auch diese Maßnahme die Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo stehen wir beim Lage der Prostituierten nicht in dem Maße verbessert, Thema Lieferketten? Viele deutsche Unternehmen tun dass wir damit zufrieden sein könnten. Wenn wir uns hier schon sehr viel. Gerade erst gestern zum Tag der die Zahlen ansehen, dann stellen wir fest, dass gerade Menschenrechte haben sich über 40 namhafte deutsche einmal 33 000 Prostituierte angemeldet sind und damit Unternehmen für ein nationales Lieferkettengesetz aus- legal arbeiten. Seriöse Schätzungen gehen aber davon gesprochen. Ich finde, das ist ein tolles Signal. Richtig ist aus, dass es in diesem Land mehr als 400 000 Prostituierte aber auch, dass sich von den mehr als 300 000 deutschen gibt und damit einen riesengroßen illegalen Bereich. Be- Unternehmen, die im Ausland aktiv sind, leider nur – das reits jetzt ist klar, dass weder der Anmeldepflicht nach- hat eine Umfrage der Bundesregierung ergeben, die diese gekommen wird noch die geforderten gesundheitlichen Woche veröffentlicht wurde – ein Fünftel im Rahmen der Maßnahmen durchgeführt werden. Wir haben es in die- Selbstverpflichtung mit dem Thema Menschenrechte sem Bereich mit Menschenhandel, Zwangsprostitution wirklich befassen. Das ist natürlich zu wenig. Hier müs- und sexueller Ausbeutung zu tun. Ich finde, die Lage ist sen wir einfach sorgfältiger und besser werden! so dramatisch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir nicht noch fast zehn Jahre abwarten können. So lange Natürlich ist es Unsinn, wenn Sie von der Linken hier würde es nämlich dauern, wenn man warten würde, bis so tun, als würde unser Reichtum in der nördlichen Hemi- das Prostituiertenschutzgesetz 2025 überprüft wird und sphäre nur von der Armut des Südens abhängen. Es ist so, irgendwann danach gesetzliche Maßnahmen kommen. wie wir schon im ersten Semester Volkswirtschaftslehre lernen, liebe Frau Nastic, dass natürlich auch die Armen Wir müssen viel eindeutiger klarmachen, was wir in und die Ärmsten vom Welthandel profitieren. Aber rich- Deutschland wollen. Ich persönlich wie auch einige an- tig ist eben auch, dass wir hohe Maßstäbe anlegen müs- dere bei uns haben viel Sympathie für das sogenannte sen, wenn es um Menschenrechte geht, ohne Kompromis- nordische Modell, das in Skandinavien, aber beispiels- se. Wir erlauben zu Hause keine Kinderarbeit, und wir weise auch in Irland und Kanada Gesetzeslage ist. Kern sollten sie weltweit ächten. ist die klare Kriminalisierung der Freier und eben nicht der Prostituierten. Prostituierte brauchen unsere Hilfe (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und beim Ausstieg aus diesem entwürdigenden Gewerbe. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir sind in Deutschland in vielem führend, aber der Titel Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16675

Dr. Katja Leikert (A) „Bordell Europas“ steht uns wirklich nicht gut. Der muss Manch ein Mittelständler wird dann eben nicht mehr in (C) weg! den schwierigen Ländern in Asien oder Afrika produzie- ren. Ohne deutsche Investitionen gäbe es aber auch in (Beifall bei der CDU/CSU sowie Abg. Leni diesen Produktionsländern keine dualen Ausbildungs- Breymaier [SPD]) zentren mehr, und es gäbe auch keine Community-Arbeit Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind in Deutsch- mehr. Stattdessen überlassen wir hier Unternehmen aus land sehr ambitioniert mit der Umsetzung von Menschen- weniger regulierten Ländern mit fragwürdigen Standards rechten. Menschenrechte – auch das hat der Minister ge- wie zum Beispiel China das Feld. Gut gemeint ist eben sagt – enden jedoch nicht an unseren Grenzen. Und auch nicht gut gemacht. zu Hause gibt es noch viel zu tun. Seien wir hier konse- (Beifall bei der FDP) quent! Deutschland hat mit seiner Freihandelspolitik zu Wohl- Vielen Dank. stand auf der ganzen Welt beigetragen und dafür gesorgt, (Beifall bei der CDU/CSU sowie Abg. Leni dass weniger Menschen weltweit in menschenunwürdi- Breymaier [SPD]) gen Bedingungen leben. In den Freihandelsabkommen der EU setzt sich Deutschland für moderne Nachhaltig- keitskapitel mit Arbeits- und Umweltstandards ein. Herr Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Heil kann nicht die Aufgabe des Staates, Menschenrechte Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Sandra Weeser, durchzusetzen, durch ein nationales Lieferkettengesetz FDP. auf den Mittelstand übertragen, meine Damen und Her- ren. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Sandra Weeser (FDP): Werten Sie doch erst einmal alle Ihre Fragebögen aus – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und vorausgesetzt, dass Sie das auch an die richtige E-Mail- Herren! Herr Frohnmaier, niemand möchte, glaube ich, T- Adresse schicken –, und machen Sie dann eine politische Shirts aus menschenunwürdigen Produktionen kaufen. Bewertung. Denn das Ergebnis könnte vielleicht sein, Mir fehlen bei Ihren Ausführungen, um ehrlich zu sein, dass die Regierung Unternehmen bessere Informationen aber die Lösungsansätze. zu Menschenrechtsrisiken liefern müsste und dass zwi- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten schenstaatliche Kooperationen wie zum Beispiel durch Freihandelsabkommen strategischen Einfluss bringen. (B) der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/ (D) CSU]: Welche Lösungen?) Klar ist: Die Achtung der Menschenrechte ist für die Das Wort „Wirtschaft“ kommt in dem Bericht öfter vor Wirtschaft unabdingbar, und ganz besonders im aktuellen als das Wort „Arbeit“, nämlich ganze 274-mal. Die Lin- Systemwettbewerb zwischen unterschiedlichen Gesell- ken fordern nun ein abstruses Lieferkettengesetz, das sich schaftsmodellen. Ein Lieferkettengesetz ist aber nicht anlässt wie eine Zwangsjacke, und zwar ab Größe S. Es der richtige Ansatz. Es würde deutschen Unternehmen würde nämlich Unternehmen ab 250 Mitarbeitern treffen und Produktionsländern schaden. Deswegen: Unterstüt- und damit in Deutschland mehr als 15 000 Unternehmen. zen Sie bitte den ehrbaren Kaufmann! (Beifall bei der FDP) Danke schön. Wir müssen uns doch hier fragen: Was bedeutet das für (Beifall bei der FDP – Dr. Diether Dehm [DIE deutsche Unternehmen? Das bedeutet vor allen Dingen LINKE]: So ein Quatsch! „Ehrbarer viel Bürokratie, das bedeutet mehr Berichtswesen, mehr Kaufmann“! – Gegenruf der Abg. Sandra Prozesse. Weeser [FDP]: Das ist kein Schimpfwort!) (Markus Frohnmaier [AfD]: Frau Weeser, das habe ich schon erklärt!) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Nächster Redner ist der Kollege Michel Brandt, Die – Ja, aber ich erkläre es jetzt gern noch einmal und setze Linke. auch meine Lösungsansätze dazu, wenn Sie mir noch einen Augenblick zuhören. (Beifall bei der LINKEN) (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Lösun- gen sind die nicht gewohnt!) Michel Brandt (DIE LINKE): Der Staat wälzt mit diesem Gesetz seine Aufgaben auf Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Ver- die Unternehmen ab, und da vergeht kleinen Unterneh- fechterin der Menschenrechte, als Bollwerk der europä- men, ehrlich gesagt, die Lust aufs Weitermachen. Heute ischen Werte – ja, so inszeniert sich die Bundesregierung denkt jedes fünfte Familienunternehmen bei der Nach- gerne in der Öffentlichkeit und auch in ihren Berichten. folge darüber nach, dichtzumachen. Und was ist der Das Gegenteil ist leider viel zu oft der Fall. Sie treibt Grund? Zu viel Bürokratie! global die soziale Spaltung mit ihrer rücksichtslosen Wirtschafts- und Freihandelspolitik voran. Die Men- (Beifall bei der FDP) schenrechte spielen dabei keine Rolle. 16676 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Michel Brandt (A) In Brasilien kündigt der faschistische Präsident Sie benutzen dieses Wort ja gerne und inflationär. Was (C) Bolsonaro an, den Amazonas-Regenwald zur Nutzfläche Sie dann aber machen, ist meist reine Fluchtbekämpfung. umzufunktionieren. Er erklärt denen den Krieg, die die In Algerien werden Migrantinnen und Migranten durch grüne Lunge schützen wollen. Trotzdem hält die Bundes- eine von der EU finanzierte Mauer zurückgehalten. Der regierung am Mercosur-Abkommen fest. Aber Freihan- türkische Grenzschutz, den die EU mit 80 Millionen Euro delsabkommen wie Mercosur, TTIP und CETA sind finanziert, schießt auf syrische Geflüchtete. Wenn es Menschenrechts- und Klimakiller und dienen rein dem Schutzsuchende überhaupt bis aufs Mittelmeer schaffen Profit. und sie nicht ertrinken, werden sie von EU-finanzierten und -ausgebildeten libyschen Milizen zurück in Folter- (Beifall bei der LINKEN – lager gebracht, und die, die es trotz all dieser Hürden nach [FDP]: CETA ist Menschenrechtskiller?) Europa schaffen, sperren Sie in sogenannte EU-Hotspots. Die rücksichtslose Handelspolitik wird auch am Bei- Aber die Zustände in diesen Lagern sind katastrophal. spiel Bolivien deutlich. Der indigene Präsident Morales Alleine im völlig überfüllten Lager Moria auf Lesbos sind wird weggeputscht, Tausend unbegleitete Minderjährige. Holen Sie doch zu- mindest diese Kinder aus diesen elenden Zuständen he- (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Die raus! Wahl gefälscht!) und die Bundesregierung nutzt das Chaos, um den ge- (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- planten Lithiumdeal des baden-württembergischen Kon- NIS 90/DIE GRÜNEN) zerns ACI durchzusetzen. Dass Schutzsuchende auf dem Boden der EU solchen unmenschlichen Bedingungen ausgesetzt sind, ist eine (Peter Heidt [FDP]: Keine Ahnung!) Bankrotterklärung an die Menschenrechte. Das ist Neokolonialismus, wie er im Buche steht, meine Damen und Herren. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Beifall bei der LINKEN) Herr Kollege. Wir wollen eine grundlegend andere Handelspolitik, die die Umwelt und die Menschenrechte in den Mittel- Michel Brandt (DIE LINKE): punkt stellt. Letzter Satz. – Hören Sie auf, Menschenrechte bloß als Phrase zu missbrauchen! Machen Sie sie stattdessen end- (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Ihr wollt ins lich zur Grundlage Ihres außenpolitischen Handelns! Kirchturmdenken, in die Kleinstaaterei zurück! (B) (D) Ihr wollt nationalistische Handelspolitik!) Danke schön. Deshalb fordern wir seit Langem ein Lieferkettengesetz, (Beifall bei der LINKEN) mit dem Unternehmen endlich verpflichtet werden, inter- nationale Menschenrechtsstandards auch einzuhalten und Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: umzusetzen. Betroffene von Konzernverbrechen müssen Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Kai Gehring, auch an deutschen Gerichten endlich klagen können. Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Doch die Bundesregierung versucht genau das seit Jah- ren zu verhindern. Mit freiwilligen Selbstverpflichtungen Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): hilft sie Konzernen, weiter ungestraft von Umweltzerstö- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! rung und der Verletzung von Arbeitsrechten zu profitie- Menschenrechte müssen für die Politik der Bundesregie- ren. Aber das Konzept der Freiwilligkeit ist gescheitert. rung durchgängig Priorität haben, hierzulande und auf (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) internationaler Bühne, und sie muss dafür brennen – und daran fehlt es. Im Rahmen des sogenannten Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte wurde eine Unterneh- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) mensbefragung durchgeführt. Lachhafte 20 Prozent der Wir brauchen dringend mehr zivile Krisenprävention und teilnehmenden Konzerne haben gerade einmal ein Min- mutige multilaterale Diplomatie. Herr Minister, es ist Zeit destmaß der menschenrechtlichen Anforderungen umge- für ein Rüstungsexportkontrollgesetz. setzt. Deswegen fordern wir heute mit unserem Antrag endlich ein verbindliches Lieferkettengesetz. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Wir brauchen mehr Klimaschutz, starke Frauen- und Kin- derrechte und endlich fairen Handel. Herr Minister, Damit sind wir übrigens auch nicht alleine. 70 NGOs und kämpfen auch Sie endlich für ein Lieferkettengesetz, Gewerkschaften sowie Parteitagsbeschlüsse von SPD das wirkt. und, ja, sogar der CDU wollen dasselbe. Das wäre doch endlich einmal ein konkreter Beitrag zur Fluchtursachen- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) bekämpfung. Der Bundesregierung und ihrem Bericht fehlt eine wirk- (Beifall bei der LINKEN) lich übergeordnete Strategie für eine menschenrechtsba- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16677

Kai Gehring (A) sierte Außenpolitik. Sie sind zu hasenfüßig, und das muss tät der Menschenrechte in ganz guten Händen. Wir müs- (C) sich dringend ändern. sen aber viel mehr dafür tun, damit das so bleibt und damit weltweit mehr Menschen in Frieden und Freiheit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) leben können. Die Lage in der EU blendet der Menschenrechtsbericht sogar aus, obwohl wir auch hier auf unserem Kontinent (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) viel wachsamer sein müssen. Denken wir an die Krimi- nalisierung von Seenotrettern, an die brutalen Attacken Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: gegen LGBTI, Roma und Muslime, oder denken wir an Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Sebastian die Schwächung der Rechtsstaatlichkeit und Wissen- Brehm, CDU/CSU. schaftsfreiheit in Ungarn. Deutsche und europäische Menschenrechtspolitik muss hier klar Farbe bekennen, (Beifall bei der CDU/CSU) statt in Leisetreterei zu verharren, und die deutsche EU- Ratspräsidentschaft muss die Chance dafür nutzen. Sebastian Brehm (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kollegen! Am 10. Dezember wird der Tag der Menschen- Dafür braucht auch die Menschenrechtsarchitektur der rechte dank der Allgemeinen Erklärung der Menschen- Bundesrepublik mehr Schlagkraft. Es ist doch unzumut- rechte seit 1948 international gefeiert. Durch diese Erklä- bar skandalös, dass die Antidiskriminierungsstelle des rung haben die Vereinten Nationen jedem Menschen auf Bundes seit zwei Jahren ohne Chef oder Chefin dasteht, dieser Erde die gleichen Rechte und Freiheiten zugesi- dass die Menschenrechtsbeauftragte so unterausgestattet chert – ein Ziel, das wir alle teilen. ist, heute nicht mal redet, dass nicht jede Auslandsver- tretung eine Referentin oder einen Referenten für Men- Doch die Realität sieht leider anders aus. Weltweit sind schenrechte hat im Bereich „Menschenrechte und Demokratie“ leider große Rückschritte zu verzeichnen. Das zeigt der 13. Be- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) richt der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspo- und wie wenig die Bundesregierung auf unser aller Deut- litik für den Zeitraum 2016 bis 2018 deutlich auf. sches Institut für Menschenrechte hört, das exzellente Schauen wir beispielhaft in einzelne Länder: Venezuela Arbeit leistet. mit der anhaltenden politischen Destabilisierung des Landes; El Salvador mit einer hohen Gewaltkriminalität (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) von Jugendbanden – 64 Morde pro 100 000 Einwohner; das würde für meine Heimatstadt Nürnberg über 300 Herr Außenminister, es wäre auch Ihr Job, das zu ändern. (B) Morde durch Bandenkriminalität bedeuten –; der Krieg (D) Letzte Sitzungswoche haben wir als Grüne im Bundes- in Syrien; die Lage der Rohingya in Bangladesch und tag den 30. Geburtstag der UN-Kinderrechtskonvention Myanmar, über die wir im letzten Jahr schon diskutieren in Erinnerung gerufen. Anspruch und Wirklichkeit klaf- konnten. Schauen wir auch nach Afrika, zum Beispiel in fen hier echt traurig auseinander. Kinder leiden ganz die Demokratische Republik Kongo mit unzähligen be- besonders unter Menschenrechtsverletzungen, und beim waffneten Gruppen. Dort gibt es übrigens 4,5 Millionen Familien- und Geschwisternachzug könnte diese Bundes- Binnenflüchtlinge, die größte Zahl von Flüchtlingen in regierung humanitär sofort großherzig handeln. Afrika. Besorgniserregend ist leider auch die Menschen- rechtslage in China unter dem harten Regime der Kom- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) munistischen Partei – über viele einzelne Punkte konnten Kinderrechte gehören mehr in den Mittelpunkt. Denn ei- wir in diesem Jahr ausführlich diskutieren –: 1,5 Millio- ne menschenrechtsbasierte Außenpolitik muss auch im- nen Uiguren, die in Umerziehungslager inhaftiert wur- mer kindergerecht sein. den, oder die Anhänger der Falun Gong; hier gibt es Be- richte über rechtswidrige Inhaftierungen, Zwangsarbeit, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Organraub und missbräuchliche psychiatrische Maßnah- Liebe Kolleginnen und Kollegen, der UN-Menschen- men. rechtsrat hat Deutschland in der periodischen Überprü- Das alles sind besorgniserregende Entwicklungen – fung die Leviten gelesen und aufgefordert, stärker gegen solche Entwicklungen gibt es natürlich leider noch in jede Form von Rassismus vorzugehen, von Antiziganis- ganz vielen anderen Ländern –, die uns vor Augen führen, mus über Transfeindlichkeit bis Antisemitismus, und das dass der Einsatz für den Schutz von Menschrechten und ist bitter nötig. Jede AfD-Rede hier im Plenum beweist Demokratie auf globaler Ebene wichtiger ist denn je zu- die Dringlichkeit. vor. Liebe Kollegin Nastic, wenn Sie Mindestlohn, Ver- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) mögensteuer und Mietendeckel in die Diskussion einbrin- gen, dann schlagen Sie denjenigen mit der Faust ins Die Würde des Menschen muss unantastbar sein, hier und Gesicht, die täglich gefoltert werden, die täglich bedroht überall. werden und die getötet werden, weil sie sich für Men- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schenrechte einsetzen. Menschenrechte zu schützen und Grundfreiheiten zu (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- garantieren, muss Kernaufgabe jedes Staates sein. In li- neten der FDP – Zaklin Nastic [DIE LINKE]: beralen Demokratien wie der unsrigen ist die Universali- Das ist unglaublich, dass Sie das eine gegen das 16678 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Sebastian Brehm (A) andere ausspielen! – Michel Brandt [DIE LIN- griffe auf die Religions- und Weltanschauungsfreiheit (C) KE]: Man kann doch nicht die einzelnen Men- gibt. Alleine 200 Millionen Christen werden weltweit schenrechte gegeneinander ausspielen! Was ist verfolgt und sind in ernster Gefahr. Sie werden verfolgt, das denn?) gefoltert, getötet. Das ist ein Zustand, den wir nicht hin- nehmen dürfen, Das ist beschämend, liebe Kollegin. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist (Zaklin Nastic [DIE LINKE]: Das ist Ihr Ver- das!) ständnis von Menschenrechten: sie gegenei- nander ausspielen, ja? – Michel Brandt [DIE und deswegen dürfen wir hier auch keine Akzeptanz zei- LINKE]: Welches Menschenrecht ist Ihnen gen. Wir müssen die Menschenrechte in den nächsten denn das wichtigste? Was ist denn das für ein Debatten immer wieder in den Vordergrund stellen. Wir Quatsch!) müssen im nächsten Jahr immer wieder auch im Deut- Übrigens sagen Sie beide von den Linken kein Wort zu schen Bundestag über Menschenrechtsverletzungen dis- Venezuela und kein Wort zu China, weil das Ihre kom- kutieren und wieder gemeinsam mit der Öffentlichkeit munistischen Freunde sind. So schaut es aus. darüber reden, dass wir hier mehr tun müssen, dass wir hier verstärkt arbeiten müssen. Dafür wollen wir uns ein- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- setzen, liebe Kolleginnen und Kollegen. neten der AfD und der FDP – Peter Heidt [FDP]: Sehr richtig!) Herzlichen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Konflikte, die- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- se Gewalt, diese Unterdrückung und Verfolgung sind Ur- ordneten der SPD) sache dafür, dass Menschen zur Flucht gezwungen wer- den; allein 2018 waren es über 70 Millionen Menschen. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Wenn wir Flucht und Vertreibung verhindern oder zumin- Jetzt hat das Wort die Kollegin Josephine Ortleb, SPD. dest vermindern wollen, dann müssen wir alle Bemühun- gen darauf richten, dass Menschenrechtsverletzungen (Beifall bei er SPD) weltweit in den Fokus gerückt werden, dass Menschen- rechtsverletzungen weltweit bekämpft werden und – Josephine Ortleb (SPD): darüber haben heute auch gesprochen – dass Menschen- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und rechtsverletzungen auch vor den Internationalen Strafge- Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Alle richtshof kommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde (B) zwei Jahre ein Menschenrechtsbericht, alle zwei Jahre (D) der Internationale Strafgerichtshof in meiner Heimatstadt ein Blick auf die Menschenrechtslage weltweit. Oft sehen geprägt. Mit den Nürnberger Prozessen wurde der Grund- wir dabei vor allen Dingen „die anderen“: Wir sehen die stein für das internationale Völkerstrafrecht gelegt. Des- fehlenden Frauenrechte in Saudi-Arabien, die einge- wegen müssen wir alles tun, um den Internationalen schränkte Meinungsfreiheit in China oder die abnehmen- Strafgerichtshof zu unterstützen. den Rechte der indigenen Bevölkerung in Brasilien. Das (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und ist wichtig. der Abg. Josephine Ortleb [SPD] und Kordula Ich will meine drei Minuten Redezeit dazu nutzen, den Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Blick auf uns selbst zu richten; denn der Blick auf unsere Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bericht der Bun- eigene Gesellschaft und auf unsere eigenen Probleme bei desregierung widmet sich auch einem Brennpunktthema, der Umsetzung menschenrechtlicher Garantien fällt uns nämlich dem weltweiten Problem des illegalen Organ- oft schwer. Blicke ich auf die vergangen Jahre zurück, so handels und den damit verbundenen eklatanten Men- sehe ich eine Gesellschaft, in der Rassismus in Sprache schenrechtsverletzungen; ich konnte im Zusammenhang und Taten zunimmt. Deutschland hat ein Problem, und mit Falun Gong bereits darüber sprechen. Nach Angaben dieses Problem heißt Rassismus. Und Rassismus greift der WHO hat sich der illegale Organhandel in den ver- das an, was jedem Menschenrecht innewohnt: die Garan- gangenen Jahrzehnten zu einem globalen Problem ent- tie, für alle universell zu gelten. wickelt. Immer weniger Spenderorgane sind vorhanden, bei einem wachsenden Bedarf an Spenderorganen. Und (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dennoch ist dieses Thema in der Öffentlichkeit kaum be- der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE kannt. Ich glaube, wir müssen hier in den kommenden GRÜNEN) Monaten einen Fokus darauf richten. Das ist mit der Vor- Die Zahl der fremdenfeindlichen Gewalttaten hat sich lage des Berichts nicht abgeschlossen und kann damit im Jahr 2018 nach Angaben des Bundeskriminalamtes im auch nicht abgeschlossen sein. Hier müssen wir in den Vergleich zum Jahr 2012 mehr als verdoppelt. Mehr als nächsten Wochen und Monaten einen Fokus darauf rich- 190 Menschen wurden nach Angaben der Amadeu-Anto- ten. nio-Stiftung seit der Wiedervereinigung durch rechte Ge- walt ermordet, mehrheitlich aus rassistischen Motiven. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Rassismus ist tödlich; das wissen wir nicht erst seit dem Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen – das NSU. Wir müssen dafür sorgen, dass er es nicht bleibt. sage ich als überzeugter Christ – natürlich auch mit groß- Wir haben die historische und politische Verantwortung, er Sorge betrachten, dass es weltweit immer mehr An- den Blick ganz genau auf uns selbst zu richten; denn es Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16679

Josephine Ortleb (A) liegt an uns, Rassismus und andere gruppenbezogene denn wir sind Demokraten – jedenfalls die meisten hier (C) Menschenfeindlichkeiten entschlossen zu bekämpfen. im Bundestag –, und die Achtung der Menschenrechte gehört zu den Kernelementen unserer Demokratie und (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten zu unserem demokratischen Selbstverständnis. der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auch dazu ermahnt uns dieser Bericht. Aber auf dem Weg dorthin gibt es dann doch sehr unterschiedliche politische Ansätze. Es verwundert mich Die Bundesregierung hat ihre Anstrengungen weiter daher auch nicht, dass die Linken in ihrem Antrag zu verstärkt: in der Strafverfolgung, in der politischen Bil- einem Lieferkettengesetz für verbindliche soziale, ökolo- dung, in der Verfolgung von Hasskriminalität im Internet. gische und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten sehr Doch trotz dieser Anstrengungen sind rassistische Über- rigide Forderungen aufstellen: gesetzliche Sorgfalts- griffe auch heute noch an der Tagesordnung: ob in Chem- pflichten bereits ab 250 Mitarbeitern, was in Deutsch- nitz, wo Menschen mit mutmaßlichem Migrationshinter- land – das hat die FDP gerade schon gesagt – mehr als grund durch die Straßen gejagt wurden, oder im Netz, wo 15 000 Unternehmen und viele Millionen Beschäftigte rassistische Beleidigungen zur Normalität gehören. Das beträfe, dürfen wir nicht akzeptieren. (Michel Brandt [DIE LINKE]: Menschenrech- (Markus Frohnmaier [AfD]: Fake News! Herr te gelten doch für alle! – Zaklin Nastic [DIE Maaßen hat was ganz anderes gesagt!) LINKE]: Ich denke, Menschenrechte sind uni- Der vorliegende Menschenrechtsbericht der Bundesre- versell!) gierung zeigt uns, dass der Kampf gegen Rassismus wei- die Einbeziehung der gesamten Wertschöpfungskette und terhin unserer besonderen Aufmerksamkeit bedarf. Wir vieles mehr. brauchen einen Grundkonsens im Kampf gegen Rassis- mus. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michel Brandt [DIE LINKE]: Wenn wir die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten höhersetzen, wäre Heckler & Koch nicht dabei! des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das wäre eine Katastrophe!) Deshalb ist es gut, dass wir die Mittel gegen rechts im Was mich allerdings dann doch wundert, ist die sehr Förderprogramm „Demokratie leben!“ erhöht haben, bizarre Sicht der Linken auf die deutsche Unternehmens- welt, eine Sichtweise, die von Vorurteilen geprägt ist: (B) (Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Profit- und raffgierige deutsche Unternehmen beuten (D) Erhöht? Gekürzt!) die Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern um rassistische Strukturen zu bekämpfen. Damit stärken aus. Sie treten die Rechte von Arbeitern sowie lokalen wir die, die unsere Demokratie stärken. Lassen Sie uns und indigenen Bevölkerungsgruppen mit Füßen und stop- gemeinsam klarmachen, dass Rassismus in all seinen For- fen sich die eigenen Taschen voller Geld. – Das ist der men ein Angriff auf die Universalität der Menschenrechte Tenor Ihres Antrages. ist. Und lassen Sie uns gemeinsam für das Versprechen der Menschenrechte eintreten – das Versprechen, dass (Michel Brandt [DIE LINKE]: Stimmt doch gar alle Menschen gleich an Würde und Rechten geboren nicht! So ein Quatsch!) sind. Das ist also der Blick der Linksfraktion auf unsere deut- sche Wirtschaft. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall bei der SPD) der FDP – Zaklin Nastic [DIE LINKE]: Sie haben unseren Antrag gar nicht gelesen! – Jan Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Korte [DIE LINKE]: Das ist einfach Bullshit!) Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der Sie bringen in Ihrem Antrag sogar zustande, am Beispiel Kollege Stefan Rouenhoff, CDU/CSU. tragischer und schlimmer Vorfälle, die ich hier ganz si- (Beifall bei der CDU/CSU) cher nicht kleinreden möchte, alle deutschen Unterneh- men unter Generalverdacht zu stellen. Stefan Rouenhoff (CDU/CSU): (Michel Brandt [DIE LINKE]: So ein Unsinn!) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Meine Damen und Herren, wir als Unionsfraktion kön- Kollegen! Bei allen Differenzen in der heutigen Debatte scheint uns über fast alle Parteigrenzen hinweg ein ge- nen das nicht einfach so stehen lassen. Deutsche Unter- nehmen haben in vielen Ländern weltweit erheblich zur meinsames Ziel zu einen: Wir wollen darauf hinwirken, wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen. Herr Brandt, dass sich die Menschenrechtslage in Schwellen- und Ent- wicklungsländern und auch weltweit weiter verbessert; Sie haben von Neokolonialismus gesprochen, (Michel Brandt [DIE LINKE]: Ja, richtig!) ( [AfD]: Und wir wollen das nicht, oder was? Welche Partei meinten Sie davon gesprochen, dass Neokolonialismus durch Frei- denn gerade?) handelsabkommen gefördert wird. Wissen Sie, was neo- 16680 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Stefan Rouenhoff (A) kolonialistisch ist? Eine linke Politik, an der die Welt am wicklungszusammenarbeit befassen müssen. Sie müssen (C) deutschen Wesen genesen soll. sich hier verstärkt einsetzen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Danke schön. der CDU/CSU und der AfD) (Beifall bei der CDU/CSU – Jan Korte [DIE Deutsche Unternehmen haben neue Arbeitsplätze in LINKE]: Das war nicht so gut!) Schwellen- und Entwicklungsländern geschaffen, Men- schen aus der Armut gebracht und im Laufe der Zeit höhere Standards im Umwelt-, Arbeits- und Sozialbe- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: reich etabliert. Wie erfolgreich das gelungen ist, sehen Damit schließe ich die Aussprache. wir heute unter anderem an vielen südostasiatischen Län- dern. Neue Beschäftigungs- und Einkommensmöglich- Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus- keiten eröffnen Eltern die Chance, ihre Kinder in die ses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem 13. Schule zu senden, statt sie zur Existenzsicherung auf Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechts- die Felder zu schicken. Dies trägt auch zur Reduzierung politik. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp- der Kinderarbeit bei. fehlung auf der Drucksache 19/15881, in Kenntnis des Berichts der Bundesregierung auf der Drucksache 19/ Deutsche Firmen nutzen heute eine Vielzahl von In- 7730 eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für strumenten zur Einhaltung menschenrechtlicher Sorg- diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – faltspflichten in Lieferketten: Zertifizierungen, Rückver- Wer enthält sich? – Dann ist die Beschlussempfehlung folgungssysteme, Siegel, Nachhaltigkeitsprogramme. mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen von Diese Entwicklung begrüßen wir als Unionsfraktion aus- AfD und Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grü- drücklich. nen und FDP angenommen.

(Beifall des Abg. Michel Brandt [DIE LINKE]) Damit kommen wir zur Abstimmung über den Ent- Mit dem Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Men- schließungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Druck- schenrechte“ haben Union und SPD deshalb beschlossen, sache 19/15884. Wer stimmt für diesen Entschließungs- diesen Weg konsequent weiterzugehen. Wir haben hierfür antrag? – Linke, Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt einen ganz konkreten Fahrplan aufgestellt. Ich appelliere dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Entschlie- an uns, sich an diesen Fahrplan zu halten und keine vor- ßungsantrag gegen die Stimmen von Linke, Bündnis 90/ eiligen Schlüsse zu ziehen oder Schnellschüsse zu ma- Die Grünen mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des chen. Hauses abgelehnt. (B) (D) Unser erklärtes Ziel ist und bleibt: Deutsche Unterneh- Tagesordnungspunkt 11 b. Abstimmung über die Be- men sollen bei ihren wirtschaftlichen Aktivitäten im Aus- schlussempfehlung des Ausschusses für Menschenrechte land eine noch größere Verantwortung für die Achtung und humanitäre Hilfe auf der Drucksache 19/15882. Der von Menschenrechten übernehmen; denn es gibt noch Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung, in zahlreiche Herausforderungen auf dem Weg, die wir erle- Kenntnis der Entwürfe der EU-Jahresberichte über Men- digen müssen und die wir nicht unter den Teppich kehren schenrechte und Demokratie in der Welt in den Jahren wollen. 2016, 2017 und 2018 eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist diese Als Unionsfraktion wollen wir eine größere menschen- Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition rechtliche Sorgfalt gemeinsam mit der Wirtschaft und bei Enthaltung der FDP gegen die Stimmen der übrigen nicht gegen die Wirtschaft erreichen. Fraktionen angenommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 11 c. Beschlussempfehlung des Wenn wir die Lebenssituation der Menschen in Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Schwellen- und Entwicklungsländern wirklich verbes- zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel sern wollen, dann brauchen wir unsere Wirtschaft als „Soziale Ungleichheit überwinden – Soziale Menschen- Partner vor Ort. Das ist auch in unserem langfristigen rechte garantieren“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner strategischen Interesse. Beschlussempfehlung auf der Drucksache 19/10721, den Antrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache Meine Damen und Herren, lassen Sie mich als Christ- 19/4561 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluss- demokrat eines sehr deutlich sagen: Jeder Verstoß gegen empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält die menschenrechtliche Sorgfalt ist ein Verstoß zu viel, sich? – Dann ist diese Beschlussempfehlung bei Enthal- egal in welchem Unternehmen und wo auf der Welt. Aber tung von Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der egal ob freiwillige Selbstverpflichtungen oder gesetzge- Linke mit den Stimmen der übrigen Fraktionen angenom- berische Maßnahmen: Deutsche Unternehmen werden men. nicht in der Lage sein, fehlende Staatlichkeit, Politik- und Verwaltungsversagen oder gar staatlich initiierte Tagesordnungspunkte 11 d und 11 e. Interfraktionell Menschenrechtsverletzungen in Drittstaaten durch men- wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen schenrechtliche Sorgfaltspflicht zu kompensieren. Das ist 19/15777 und 19/15782 an die in der Tagesordnung auf- eine Aufgabe, mit der sich die Außenpolitik und die Ent- geführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16681

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (A) Überweisungsvorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann Leser zunächst mehr Vertrauen als einer Parteizeitung (C) verfahren wir wie vorgeschlagen. entgegen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf: Bisher müssen Parteien im Rechenschaftsbericht ledig- lich die Unternehmensbeteiligungen und Hauptprodukte Erste Beratung des von den Abgeordneten der Medien, an denen sie beteiligt sind, angeben. Das sind Stephan Brandner, Jens Maier, Roman Johannes bei der SPD und deren DDVG – ich dachte erst, das heißt Reusch, weiteren Abgeordneten und der Fraktion Deutsche Demokratische Verlagsgesellschaft, aber es der AfD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes heißt offenbar Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft – zur Sicherstellung publizistischer Vielfalt und die „Sächsische Zeitung“ und die „Dresdner Morgen- zur Herstellung von Transparenz bei Beteili- post“; so kann man sich irren. gungen politischer Parteien an Medienunter- nehmen (Jan Korte [DIE LINKE]: Der Witz zündet nicht so ganz! – Mahmut Özdemir [Duisburg] Drucksache 19/15265 [SPD]: Das wissen Sie, weil wir unsere Re- Überweisungsvorschlag: chenschaftsberichte ordentlich machen!) Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Tatsächlich steckt aber nicht nur in diesen beiden Ausschuss für Kultur und Medien Federführung strittig Zeitungen SPD über Beteiligung drin, sondern auch noch in den „Cuxhavener Nachrichten“, in der „Niederelbe- Für die Aussprache wurde eine Dauer von 60 Minuten Zeitung“, in der „Neuen Presse Coburg“, in der beschlossen. „Frankenpost“ in Oberfranken, im „Nordbayerischen Kurier“ in Bayreuth, Dann bitte ich, wer an dieser Aussprache nicht teilneh- men will, den Saal zu verlassen und im Übrigen Platz zu (Jan Korte [DIE LINKE]: Die fünfte Kolonne nehmen, damit wir mit der Aussprache beginnen können. der Schweiz redet!) Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege in der „Neuen Westfälischen“ in Nordrhein-Westfalen, im Stephan Brandner, AfD. „Freien Wort“ in Suhl und in der „Südthüringer Zeitung“. Da steckt SPD drin, steht aber nicht SPD drauf. Warum (Beifall bei der AfD) nicht?

Stephan Brandner (AfD): (Jan Korte [DIE LINKE]: Wie bei Ihren Spen- den!) (B) Meine Damen und Herren, guten Morgen! Es geht um (D) Vielfalt. Denn wenn es bei diesem Gesetzentwurf nur um Insgesamt rund eine halbe Million Exemplare täglich die SPD gehen würde, meine Damen und Herren, hätte werden durch die Pressebeteiligung der SPD über die sich die Sache schon an dieser Stelle erledigt, genau wie DDVG vertrieben. Die DDVG ist wiederum mit 23 Pro- diese ehemals stolze Partei, die nun nur noch aus Chaos, zent an der Verlagsgesellschaft Madsack KG beteiligt, die Pöstchen, Selbsterhaltung von Funktionären und gähnen- als Hauptprodukte die „Hannoversche Allgemeine Zei- der programmatischer Leere besteht. tung“ und die „Neue Presse Hannover“ verlegt. Dazu Aber es geht hier nicht nur um die SPD, es geht um kommen aber noch die „Leipziger Volkszeitung“, die mehr. Es geht um mehr Transparenz, mehr Medienvielfalt „Dresdner Neueste Nachrichten“, die „Lübecker Nach- und mehr Demokratie. Da wir von der AfD für mehr richten“, die „Ostsee-Zeitung“, das „Göttinger Tage- Demokratie in allen gesellschaftlichen Bereichen stehen, blatt“, die „Märkische Allgemeine“ in Potsdam und noch arbeiten, täglich kämpfen und auch mehr Demokratie wa- viele, viele mehr, insgesamt 15, die von Madsack mit gen wollen, ist dieses Thema wichtig – wichtig für unsere Inhalten versorgt werden. Gesellschaft, wichtig für unsere freiheitliche Grund- (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ordnung, wichtig für Deutschland. NEN]: Der Spannungsbogen lässt jetzt nach!) (Beifall bei der AfD) Darüber hinaus gibt es reichweitenstarke Digitalangebote Und peinlich und entlarvend und unangenehm für die und 28 Anzeigenblätter, ergänzt um sogenannte Eigen- SPD und alle Altparteien, die gleich wahrscheinlich wie- gründungen und Beteiligungen im Bereich des Digitalge- der primitiv über uns herfallen werden. Aber das kennen schäfts. wir ja; es ist uns egal. Meine Damen und Herren, das alles mit Beteiligung einer Noch-Regierungs-Partei in Deutschland, nicht etwa (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ihr Ni- in einer finsteren Diktatur; es sitzt also ein Medienmogul veau erreicht neue Tiefen!) hier auf der Regierungsbank. Wenn Sie meinen, es ginge Meine Damen und Herren, die Parteien wirken an der nicht schlimmer, sage ich: Es geht noch schlimmer. Denn politischen Meinungsbildung, an der politischen Willens- diese Madsack KG, die teilweise im Eigentum der SPD bildung des Volkes mit. Das setzt notwendigerweise eine steht, produziert über das sogenannte RedaktionsNetz- Kommunikation mit offenem Visier voraus. Das Problem werk Deutschland für mehr als 50 Tageszeitungen Man- ist daher, wenn eine Partei an einem oder mehreren Me- telteile, die dann wiederum übernommen werden: insge- dienunternehmen beteiligt ist; denn der Berichterstattung samt eine Gesamtauflage von 2,3 Millionen Exemplaren in einer vordergründig unabhängigen Zeitung bringen die täglich, meine Damen und Herren. 16682 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Stephan Brandner (A) ( [CDU/CSU]: Worauf Ich bitte Sie daher: Stimmen Sie unserem Antrag zu, nicht (C) wollen Sie denn hinaus?) in unserem Sinne, aber zum Wohle der Bürger unseres Landes. Das ist etwa 20 Prozent dessen, was überhaupt in Deutschland täglich verlegt wird, Vielen Dank. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Die sind (Beifall bei der AfD – Britta Haßelmann gegen die SPD!) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ja und wenn man die anderen Beteiligungen hinzurechnet, gar nichts, Herr Brandner!) sind wir etwa bei einem Viertel bis einem Drittel von Zeitungen, auf die die SPD mittelbar oder unmittelbar Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: über Beteiligungen Einfluss ausübt. Das halten wir für Nächster Redner ist der Kollege Ansgar Heveling, einen Fall für das Kartellamt. CDU/CSU. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der CDU/CSU) Irreführung ist aber auch dahinter; denn das Bundes- verfassungsgericht hat schon 2008 festgestellt, dass die Ansgar Heveling (CDU/CSU): fehlende Veröffentlichung von Minderheitsbeteiligungen Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In wie auch mittelbaren Beteiligungen sich erheblich auf die den letzten Wochen hatte ich mehrfach die Gelegenheit, öffentliche und individuelle Meinungsbildung auswirken zu AfD-Anträgen zu sprechen. Ich komme mir ein biss- kann. Genau das ist der Fall bei dem, was die SPD treibt. chen vor wie am immer wiederkehrenden Murmeltiertag in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Meine Damen und Herren, das war die Problembe- schreibung; aber die AfD steht bekanntlich nicht nur für (Marianne Schieder [SPD]: Das Murmeltier ist Problembeschreibungen, sondern auch für Lösungsange- ein liebliches Wesen im Gegensatz zur AfD!) bote, Jedes Mal, wenn ich zu einem Antrag der AfD spreche, stelle ich fest: Es wiederholt sich dasselbe Muster: (Lachen bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Erstens haben wir keine Ahnung von der Sache, aber es daher unser Gesetzentwurf. könnte populär sein, auf das Thema aufzuspringen. Ob gerade dieses Thema heute so populär ist, um damit die Erstens. Änderung des Parteiengesetzes. Es müssen Primetime zu füllen, darf allerdings bezweifelt werden. (B) alle Zeitungen und Medienunternehmen, an denen die Da helfen auch die markigen Worte der AfD nichts. (D) Parteien beteiligt sind, im Rechenschaftsbericht der Par- Zweitens haben wir weiter keine Ahnung von der Sa- teien angegeben werden. che, aber ein paar wüste Behauptungen werden sich schon Zweitens. Eine Ergänzung des Gesetzes gegen unlau- zusammenquirlen lassen, vor allem, wenn es darum geht, teren Wettbewerb dadurch, dass in einer Zeitung darauf die eigenen Social-Media-Kanäle zu bespielen. hingewiesen werden muss, wenn eine Parteibeteiligung dahintersteckt. Eine Hinweispflicht gibt es im Lebens- (Stephan Brandner [AfD]: Sie sind neidisch!) mittelbereich, Sie kennen die Sache mit dem Arzt oder Drittens haben wir immer noch keine Ahnung von der Apotheker, den man im Arzneimittelbereich befragen Sache, aber irgendwie werden sich schon ein paar wilde soll, warum soll es nicht möglich sein, das auch im zent- Vorschläge machen lassen. Selbst die sind aber untaug- ralen Bereich unserer Demokratie so zu handhaben, näm- lich, ein nicht vorhandenes Problem zu lösen. lich im Bereich von Presse und Medienbeteiligung? (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie (Beifall bei der AfD) bei Abgeordneten der LINKEN und des Wir fordern eine Pflicht, anzugeben, was dahintersteht. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Diesem Muster konsequent folgend zielt schon der Ti- Schließlich: Änderungen im Kartellrecht. Das Kartell- tel des vorliegenden Gesetzentwurfs suggestiv auf einen amt muss ermächtigt werden, genau draufzuschauen, was vermeintlichen, aber tatsächlich nicht bestehenden Rege- die Redaktionswerke so treiben. lungsbedarf. Ich schaue in Ihre entspannten Gesichter, ich bin ge- (Stephan Brandner [AfD]: Dann haben Sie spannt auf die bevorstehende Debatte. nicht zugehört!) (Philipp Amthor [CDU/CSU]: Es ist langwei- Es wird unterstellt, die publizistische Vielfalt in Deutsch- lig! Ihre Rede ist langweilig! – Michael Grosse- land sei ernsthaft gefährdet, und diese Gefährdung gehe Brömer [CDU/CSU]: Bei der Rede muss man von der Beteiligung politischer Parteien an Medienunter- sich keine Sorgen machen!) nehmen aus. Nun betrifft – das erkennt selbst die Begrün- Mehr Demokratie wagen, meine Damen und Herren, das dung des Gesetzentwurfs an – die Beteiligung von politi- ist ein Markenkern der AfD. schen Parteien an Medienunternehmen vor allem die SPD, dagegen – ich zitiere aus dem Antrag – „ist das (Lachen bei der CDU/CSU und der SPD – unternehmerische Engagement der übrigen Parteien im Marianne Schieder [SPD]: Armer Willy!) Medienbereich eher gering oder gar nicht vorhanden“. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16683

Ansgar Heveling (A) Tatsächlich aber ist der meinungsbestimmende Ein- Nummer 11 zu einer unzulässigen Handlung – ich darf (C) fluss der regionalen Tageszeitungen, an denen die SPD zitieren –: „der vom Unternehmer finanzierte Einsatz re- insbesondere beteiligt ist, eher als gering zu bewerten. Sie daktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, konkurrieren mit überregionalen Tageszeitungen, und der ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder Bedarf an Informationen wird heute zunehmend durch aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung öffentlich-rechtliche oder private Fernseh- und Rund- eindeutig ergibt (als Information getarnte Werbung)“. Die funkanstalten und gerade bei der jüngeren Generation Verkaufsförderung wäre aber in der vorliegenden Kons- über Social Media oder Onlinedienste wie Videoportale tellation die vom Wähler zu treffende Wahlentscheidung gedeckt. zugunsten der betreffenden politischen Partei. Gerade diese wird durch das Gesetz gegen den unlauteren Wett- Der Anteil der SPD an der DDV-Mediengruppe in bewerb nicht geschützt. Dresden von 40 Prozent und an der Verlagsgesellschaft Madsack in Hannover in Höhe von etwa 23 Prozent er- (Stephan Brandner [AfD]: Das ist doch Unsinn! möglicht sicherlich keinen beherrschenden Einfluss auf Es geht um die Zeitung!) redaktionelle Inhalte. Es dient nach § 1 UWG vielmehr dem Schutz vor unlau- (Jürgen Braun [AfD]: Lächerlich und falsch! – teren geschäftlichen Handlungen. Es ist also ein völlig Stephan Brandner [AfD]: Warum haben sie es untauglicher Ansatz, wirft aber vielleicht eher ein Schlag- denn dann? – Jan Korte [DIE LINKE]: Das licht darauf, wie und als was die AfD Politik versteht. stimmt!) Schließlich sollen bei der Ermittlung der Marktanteile Ein Zusammenhang zwischen der Beteiligung an regio- von Medienunternehmen auch im Rahmen einer redak- nalen Tageszeitungen und Wahlergebnissen der SPD lässt tionellen Zusammenarbeit erstellte und von anderen Me- sich erst recht nicht feststellen. Im Verbreitungsgebiet der dienunternehmen genutzte Inhalte berücksichtigt werden. „Sächsischen Zeitung“ in Dresden – ich bitte um Nach- Diese beabsichtigte Änderung in § 30 des Gesetzes gegen sicht bei der SPD – hat die SPD bei der Landtagswahl Wettbewerbsbeschränkungen, GWB, steht indessen in 2019 ein Ergebnis von 8,5 Prozent der Stimmen erzielt. keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Beteili- (Beatrix von Storch [AfD]: Ohne sie wäre sie gung politischer Parteien an Medienunternehmen. Es ist sonst bei 0,5 Prozent!) daher schon fraglich, ob die vorgeschlagene Regelung praktisch überhaupt durchführbar ist. In jedem Fall wür- Das klingt nicht gerade nach schwerwiegender Mei- den dadurch aber die Lesbarkeit und damit die freie Ge- nungsbeeinflussung. staltung der Presseprodukte erheblich beschränkt und be- (B) Das Spannungsverhältnis zwischen der Mitwirkung einträchtigt. (D) der Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes und der Möglichkeit, sich an Medienunternehmen zu be- Die vorgeschlagenen Änderungen sind somit weder teiligen, ist nicht von der AfD entdeckt worden. Die be- erforderlich noch angemessen. Sie können ein kritisches stehenden Regelungen des Parteiengesetzes tragen viel- Rezipieren von Presseerzeugnissen nicht ersetzen. Sie mehr genau dem Rechnung. Nach § 24 Absatz 7 sind daher untauglich und abzulehnen. Nummer 2 des Parteiengesetzes sind die Hauptprodukte Vielen Dank. von Medienunternehmen, soweit Beteiligungen an diesen bestehen, im Rechenschaftsbericht der Parteien zu benen- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) nen. Diese zusätzliche Erläuterungspflicht wird durch die zentrale Bedeutung der Medienunternehmen in einer mo- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: dernen Kommunikationsgesellschaft gerechtfertigt. Der Vorschlag des vorliegenden Gesetzentwurfs, sämtliche Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Jürgen Produkte aufzuführen, ist hierfür nicht erforderlich. Er Martens, FDP. bringt letztlich keinen erkennbaren Mehrwert und würde (Beifall bei der FDP) die Darstellung unnötig überfrachten und letztlich für Un- klarheit und nicht für Klarheit sorgen. Dr. Jürgen Martens (FDP): (Stephan Brandner [AfD]: Zu viel Transparenz, Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- oder?) ren! Dass die Debatte von der AfD so schlicht gestaltet In der Beteiligung politischer Parteien an Medienunter- wird und sich auf ein einfaches Abarbeiten an der SPD nehmen wird zudem die Gefahr einer irreführenden und ihren Medienbeteiligungen beschränkt, das hätte ich „Schleichwerbung“ gesehen. Angestrebt wird daher eine nun doch nicht erwartet. Regelung im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG, entsprechend dem Verbot redaktioneller Werbung. (Stephan Brandner [AfD]: Sondern?) Die Beteiligung der politischen Partei an dem betreffen- – Etwas smarter hätten Sie das schon aufsetzen können, den Medienunternehmen sei eine wesentliche Informa- Herr Kollege. tion für die Kaufentscheidung des Presseerzeugnisses. (Stephan Brandner [AfD]: Noch smarter? – (Stephan Brandner [AfD]: Genau!) Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Um diese geht es nach der Systematik des UWG aber NEN]: Das wäre ja mit Arbeit verbunden ge- gerade nicht. So heißt es etwa im Anhang zu § 3 UWG in wesen, Herr Martens!) 16684 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Dr. Jürgen Martens (A) – Ja, das wäre mit Arbeit verbunden gewesen – das ist gendeine Wirkung hat, meine Damen und Herren. Das (C) schwierig, ja –, sind Schaufensteranträge. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- LINKEN und des Abg. Mahmut Özdemir NEN]: Das wäre mit Arbeit verbunden gewe- [Duisburg] [SPD] – Stephan Brandner [AfD]: sen! Dafür ist der Kollege nicht bekannt!) Dann können wir die Rechenschaftsberichte ja ganz abschaffen, oder wie?) vor allen Dingen mit einer doch ziemlich tiefgehenden intellektuellen Durchdringung des behandelten Sachstof- – Das hätten Sie gerne, dass Rechenschaftsberichte abge- fes. Aber das will ich hier nicht weiter problematisieren, schafft werden. meine Damen und Herren. (Beifall des Abg. Dr. Florian Toncar [FDP]) Einigkeit besteht zumindest darüber, dass Parteien ers- Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Das Kritische sind tens an der Willensbildung, der politischen, des Volkes aber wohl weniger Medienbeteiligungen als die Herkunft mitwirken und zweitens zu diesem Zwecke auch Medien- von Geldern und Krediten für Ihr politisches Wirken, beteiligungen halten dürfen. Es ist erst mal gut, wenn man meine Damen und Herren. das hier insgesamt feststellen kann. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜND- Sie haben die Beteiligungen der SPD aufgezählt. Es NISSES 90/DIE GRÜNEN) waren längst nicht alle. Aber auch die FDP ist dort von Dass Sie da keine Lust drauf haben, das kann ich schon Sünde nicht frei, wie ich gestehe. Wir sind am „Cicero“ durchaus nachvollziehen. beteiligt, Auch die vorgeschlagene Änderung des Gesetzes ge- (Marianne Schieder [SPD]: Oh!) gen den unlauteren Wettbewerb, meine Damen und Her- ren, ist ein untaugliches Mittel; denn auch hiermit kann einem hervorragenden politischen Debattenmagazin, sich der Kunde nicht oder nicht richtig über Umfang oder meine Damen und Herren, Art und Weise einer Beteiligung bzw. den Einfluss infor- (Marianne Schieder [SPD]: Finden Sie!) mieren. Das ist sinnlos. das ich jedem, der es noch nicht gelesen hat, gerne mal zur Das gilt erst recht für die vorgeschlagene Änderung im Lektüre anempfehlen möchte. Wettbewerbsrecht – § 30 des Gesetzes gegen Wettbe- (B) werbsbeschränkungen –; das ist ein Fehlgriff. Wie soll (D) (Beifall bei der FDP – Michael Grosse-Brömer das eingehalten werden, und wie soll die Weitergabe etwa [CDU/CSU]: Probeabo vielleicht! – Mahmut von Agenturinhalten oder von gemischt erstellten bzw. Özdemir [Duisburg] [SPD]: Jetzt erklärt sich von redaktionellen Netzwerken erstellten Inhalten über- einiges!) prüft werden? Auch das ist faktisch nicht möglich. Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich kurz Und: Sie verkennen, dass das Kartell- und Wettbe- machen: Die Vorschläge der AfD sind relativ überschau- werbsrecht ein Recht ist, das dem Markt und dem ge- bar. Das Parteiengesetz soll danach so ergänzt werden, schäftlichen Betrieb zugeordnet ist und das dafür sorgen dass nicht nur die Hauptprodukte, sondern sämtliche Pro- soll, dass Wettbewerb in fairen Bahnen verläuft. Es ist dukte von Unternehmen aufgezählt werden sollen. Das keine Regelung zur politischen Regulierung von Medien, betrifft also auch den Schulkalender oder den Advents- meine Damen und Herren. kalender, der von einem solchen Druck- und Verlagshaus herausgegeben wird – nach dem Motto: Vorsicht, in die- Wir haben übrigens früher schon einen ganz einfachen sem Adventskalender könnte SPD drin sein! Vorschlag eingebracht, mit dem die Probleme in diesem Bereich gelöst wären. Das ist die Impressumspflicht in (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) Druckerzeugnissen oder in elektronischen Medien für Parteibeteiligungen. Jetzt muss ich eins feststellen: Kein einziger Käufer wird sich jemals beim Kauf eines Presseproduktes oder Wenn Sie davon sprechen, dass Ihr Gesetzentwurf Druckerzeugnisses über eine mögliche Parteibeteiligung wichtig für die Demokratie sein soll, dann stellt sich anhand der Rechenschaftsberichte der Parteien orientie- mir die Frage: Warum behandeln Sie eigentlich nicht ren können, weil diese nämlich erst viel, viel später und Dinge, die viel, viel wichtiger sind für das Funktionieren lange nach dem Erscheinungszeitpunkt des Produktes he- der Demokratie im Medienbereich? rauskommen. (Jens Maier [AfD]: Oh Gott, jetzt wird es pri- (Stephan Brandner [AfD]: Deshalb soll es ja mitiv!) draufgeschrieben werden auf die Zeitung!) Ich spreche hier von Fake News, meine Damen und Her- Die Rechenschaftsberichte der Parteien für 2018 ein- ren. schließlich der Berichte über Medienbeteiligungen sind diesem Haus am 25. November 2019 vorgelegt worden. (Jürgen Braun [AfD]: Relotius!) Ich wage wirklich zu bezweifeln, dass eine Erweiterung Das ist ein Problem, das vor wenigen Jahren noch unbe- der Aufnahmepflicht in Rechenschaftsberichte hier ir- deutend war, sich aber zunehmend zu einem ernsten Prob- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16685

Dr. Jürgen Martens (A) lem der Demokratie und des demokratischen Diskurses Sie: Was konkret hat denn die AfD an Massen von Fake (C) entwickelt. Es hätte Ihnen durchaus gut angestanden, News verbreitet, das Sie jetzt im Rahmen Ihrer Redezeit wenn Sie sich diesem Problem in irgendeiner Weise zu- nicht unterbringen können? gewendet hätten. (Stephan Brandner [AfD]: Das können Sie ja Dr. Jürgen Martens (FDP): machen!) Es gibt etliches. Aber ich glaube, genau das war nicht beabsichtigt. (Marianne Schieder [SPD]: Da werden Sie heute nicht mehr fertig!) (Stephan Brandner [AfD]: Machen Sie es doch! Sie können doch auch Anträge schreiben!) Aus dem Bereich der AfD-Fraktion in Hessen gibt es zum Beispiel die Behauptung von 102 ermordeten Deutschen So könnte man argwöhnen, dass dieser Gesetzentwurf durch Zuwanderer. Das sind Fake News gewesen. ein Ablenkungsmanöver ist, ein Manöver, um von Prob- lemen abzulenken, die Sie genau kennen, die Sie genau (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, verstehen, aber nicht anfassen und nicht benennen wol- der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE len. GRÜNEN) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Es gibt die Behauptung der AfD, Flüchtlinge würden der SPD, der LINKEN und des BÜNDNIS- eine erhebliche Gesundheitsgefahr in Form von Tuberku- SES 90/DIE GRÜNEN) loseinfektionsrisiken für die Bevölkerung mitbringen. Fake News werden gezielt zum Erreichen politischer Das sind Fake News, meine Damen und Herren. Zwecke eingesetzt. Sie werden verbreitet, um Angst zu (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, erzeugen – da gibt es schöne Beispiele, auch aus den der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE Reihen der AfD –, um Seriosität vorzutäuschen, um Men- GRÜNEN – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/ schen angeblich zu informieren, und in Wirklichkeit wer- DIE GRÜNEN]: Migrationspakt!) den dort die dreistesten Lügen im Umlauf gebracht. Wir könnten noch weitermachen. (Jürgen Braun [AfD]: Gucken Sie bei den etab- lierten Medien mal nach! Relotius! „Spiegel“! – (Stephan Brandner [AfD]: Sie haben über Stephan Brandner [AfD]: Macht die FDP seit Fraktionen gesprochen, nicht über die Partei!) 70 Jahren!) Aber wie gesagt: Ich erzähle Ihnen das gerne noch mal im (B) Ich könnte hier jetzt die einzelnen Beispiele aufzählen, Einzelnen, unter uns. (D) (Jürgen Braun [AfD]: Machen Sie doch!) Meine Damen und Herren, ich habe gerade vom Ein- satz von Fake News etwa im Vorfeld der heute stattfind- bei denen die AfD wirklich Fake News verbreitet hat. enden Wahlen in Großbritannien gesprochen. Dort haben (Stephan Brandner [AfD]: Dann legen Sie mal die Tories ganz einfach per Fake News auf einer gefakten los! – Dr. Florian Toncar [FDP]: Dafür reichen Seite ein fiktives Wahlprogramm des Konkurrenten, der sieben Minuten Redezeit bei Weitem nicht Labour-Partei, ins Netz gestellt. Auch dort wird, wie ge- aus!) sagt, mit Fake News gearbeitet – wie vorher schon bei der Volksabstimmung über den Austritt des Vereinigten Kö- – Das können wir machen; aber so viel Redezeit, um das nigreichs aus der Europäischen Union. im Einzelnen aufzuzählen, habe ich leider nicht. Machen wir uns nichts vor: Wir haben es tatsächlich (Dr. Florian Toncar [FDP]: Da braucht man mit Bedrohungen zu tun, die die Demokratie insgesamt 700 Minuten!) betreffen und die im Medienbereich stattfinden. Aber das Heute wählen die Menschen in Großbritannien ein neu- sind nicht die Beteiligungen einzelner Parteien an Me- es Parlament. dienunternehmen. Es sind ganz andere Bedrohungen. Sie kennen sie, Sie wissen davon, Sie sprechen sie aber nicht an, meine Damen und Herren. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Herr Kollege Martens, gestatten Sie eine Zwischenfra- Es geht hier um nichts weniger als um den Angriff auf ge des Kollegen Brandner? den Kern des demokratischen Gemeinwesens, auf die Willensbildung der Wähler. Dr. Jürgen Martens (FDP): (Stephan Brandner [AfD]: Das habe ich doch Ja. versucht Ihnen zu erklären, Herr Martens!) (Zuruf von der SPD: Nein!) Dieser Angriff, der schwergewichtige, findet nicht über die Medienbeteiligungen der SPD statt. Außerdem sei Stephan Brandner (AfD): hier mal die Frage erstellt: Hat es ihnen geholfen? Herr Kollege Martens, Sie sagen, die Redezeit würde nicht ausreichen, um all das der Öffentlichkeit zu offen- (Timon Gremmels [SPD]: Hoho! Das ist aber baren, was die AfD – die AfD! – als Fake News verbreitet gemein! – Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: habe. Ich gebe Ihnen hiermit die Möglichkeit und frage War nicht nett, aber wahr!]) 16686 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Dr. Jürgen Martens (A) – Ich weiß, das war nicht nett, aber das muss auch mal (Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Wo ist eigent- (C) sein. lich Frau Weidel? – Gegenruf von der CDU/ CSU]: In der Schweiz!) Es geht mir – und ich glaube, das eint uns alle, mit Ausnahme der Entwurfsverfasser – aber um das Gemein- von Spenden an die AfD, die von Spendern kommen, die wesen, um eine faire demokratische Auseinandersetzung, teilweise nicht wissen, dass sie gespendet haben, von um einen freien Diskurs, um eine unbeeinflusste Willens- Sachleistungen, die gerne angenommen werden, die aber bildung. All diesem sind wir verpflichtet. Glauben Sie nirgendwo auftauchen, ganz zu schweigen. Die Landes- mir: Auch ohne diesen Gesetzentwurf werden wir dem parteizentrale der AfD in NRW nachkommen. (Stephan Brandner [AfD]: Hauen Sie nicht aufs (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Pult!) der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Leni wurde im Juni 2019 von der Staatsanwaltschaft Essen Breymaier [SPD]) durchsucht. Ungeklärter Einfluss auf Abgeordnete durch Russland und – mein persönlicher Favorit – dubiose Goldgeschäfte! Und Sie reden hier im Deutschen Bundes- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: tag allen Ernstes von Transparenz, ohne dabei rot zu wer- Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Mahmut den! Wollen Sie uns eigentlich veräppeln, oder was? Özdemir, SPD. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem (Beifall bei der SPD) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- ordneten der CDU/CSU und der FDP) Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Transparenz bekommen wir bei Ihnen nur, wenn der Kollegen! Die AfD versucht, sich als Hüterin der Presse- Staatsanwalt vor der Tür steht. Sie gehören nicht auf die vielfalt und der Transparenz im Parteienrecht aufzuspie- Plätze in diesem Deutschen Bundestag; Sie gehören auf len. Das Ergebnis vorweg: Es bleibt bei einem völlig un- die Anklagebank der deutschen Gerichte, um sich für das tauglichen Versuch. Verhalten Ihrer Partei zu rechtfertigen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Stephan Brandner [AfD]: Da sind Sie ein biss- GRÜNEN – Dr. [AfD]: Das könnte Ihnen so passen! – Dr. Roland (B) chen befangen!) (D) Hartwig [AfD]: Schämen Sie sich! – Sie erheben unterschwellig haltlose Vorwürfe und hof- Dr. Alexander Gauland [AfD]: Noch gibt es fen, dass etwas von diesen in den Köpfen hängen bleibt. Gerichte in Deutschland! Wir haben noch einen Es war in dieser Republik nie die SPD, die bis zum Halse Rechtsstaat! Den wollen Sie abschaffen!) im Spendensumpf steckte. Unsere Schatzmeisterinnen und Schatzmeister traten mit jedem Rechenschaftsbericht Jede Beteiligung an Medienerzeugnissen unserer Ver- den Beweis an, dass wir es ernst meinen mit dem Offen- lagsgesellschaft ist einsehbar im Rechenschaftsbericht. legen unserer Finanzen. Mit Beteiligung ist keine Einflussnahme auf das Tages- geschäft, das Produkt oder die journalistische Unabhän- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jürgen gigkeit verbunden. Braun [AfD]: Weil sie rechtzeitig gestorben sind, die Schatzmeister!) (Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Müssen wir Wir sind eine Mitgliederpartei, die Spenden auf Euro demnächst schon wieder die Immunität aufhe- und Cent genau offenlegt, die die Beteiligungen an Me- ben? Bei wem denn? Sie sind doch Spitzenrei- dienunternehmen lückenlos – lückenlos! – der Bundes- ter! – Jürgen Braun [AfD]: Sie sollten vom Ver- tagsverwaltung meldet. So können Nutzer von Zeitungen fassungsschutz beobachtet werden!) jederzeit erkennen, ob sie ein Produkt von der SPD in den Das Bundesverfassungsgericht stellt überdies zu diesen Händen halten oder ob es ein Produkt ist, an dem die SPD Beteiligungen sogar fest – ich zitiere –: Beteiligungen hält. Dieses Engagement reicht in das 19. Jahrhundert zu- Schauen wir, wie das bei der AfD ist: Eine Schweizer rück und ist von der Entwicklung der SPD als Partei Gesellschaft mit einem undurchsichtigen Geflecht von nicht zu trennen. … Geldflüssen organisierte Wahlkampagnen für die AfD. (Lachen des Abg. Dr. Alexander Gauland (Jan Korte [DIE LINKE]: Genau! – Zuruf von [AfD]) der SPD: Pfui!) Die Geldgeber, die Ihre Gratiszeitungen und Plakate fi- Wollte sie als Partei an der öffentlichen Meinungs- nanzieren, sind bis heute unbekannt, bildung teilnehmen, war sie gezwungen, dies durch selbst veröffentliche Publikationen zu tun. ( [SPD]: Jawohl!) So das Bundesverfassungsgericht. und doch verteilen Sie Zeitungen, die in keinem Rechen- schaftsbericht der AfD auftauchen, (Zuruf des Abg. Frank Pasemann [AfD]) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16687

Mahmut Özdemir (Duisburg) (A) – Ja, ich weiß, dass die Wahrheit wehtut, aber da müsst ihr damit Sie im Verborgenen, mit Ihren im Verborgenen (C) jetzt durch. handelnden Geldgebern, schleichend, heimlich, unwider- sprochen, mehr an Meinungsmacht gewinnen können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten „Wehret den Anfängen!“, sage ich da nur. der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- SPD-Parteimitglieder bis zurück in die Weimarer Re- ordneten der CDU/CSU und der FDP – Jürgen publik und das Kaiserreich haben mit dem Arbeitergro- Braun [AfD]: Das sind Verschwörungstheo- schen unter widrigsten Umständen Druckereien, Buchlä- rien! Gehen Sie zu Herrn Erdogan!) den und Verlage gegründet. Ich garantiere Ihnen: Sie werden die Transparenz in (Frank Pasemann [AfD]: Sie haben mit Arbei- diesem Land bekommen, die Sie verdienen, und wir wer- tern doch überhaupt nichts mehr am Hut!) den dabei, weil Gerichtsprozesse öffentlich sind, hinten Gegen Monarchien, gegen Feinde einer jungen Demokra- drinsitzen und uns das Ganze angucken, wie Sie sich für tie, schließlich gegen Nazis und bis heute gegen Rechts- Ihre Verfehlungen, die Verfehlungen Ihrer Partei, Ihren extreme, wie Sie es sind, Hass und Ihre Hetze vor deutschen Gerichten rechtfer- tigen werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Margit Stumpp Den Gesetzentwurf lehnen wir natürlich ab. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. haben meine Genossinnen und Genossen Meinungsfrei- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten heit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit erstritten, of- der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜND- fen, aufrecht, ehrlich, und sie wurden dafür von Ihres- NISSES 90/DIE GRÜNEN) gleichen nur verfolgt und enteignet.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: der LINKEN und der Abg. Margit Stumpp Doris Achelwilm, Die Linke, ist die nächste Rednerin. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Jan Korte [DIE LINKE]: Ermordet! – (Beifall bei der LINKEN) [DIE LINKE]: Ermordet auch!) Doris Achelwilm (DIE LINKE): Sie treibt die Angst. Die AfD hat Angst vor der Vielfalt Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie- (B) der Presselandschaft. Wenn Sie vor die Mikrofone treten, (D) be Gäste! Was die AfD ja allen anderen hier voraus hat, ist gibt es unwürdigste Szenen. diese unglaubliche Dreistigkeit. (Stephan Brandner [AfD]: Sie belegen aber, (Stephan Brandner [AfD]: Mann! Jetzt aber!) dass Sie das auch sehr gut können!) Der aktuelle Gesetzentwurf belegt es wieder aufs Schärf- Sie bezeichnen Fragen von Journalisten als dumm. Nur ste. Maßstab dieser Debatte – Sie hatten es auch genannt – weil man mal als Rechtsausschussvorsitzender abgewählt ist Artikel 21 Grundgesetz. Darin heißt es: wird, ist die Frage dumm. Die Parteien wirken bei der politischen Willensbil- (Stephan Brandner [AfD]: Abgesetzt!) dung des Volkes mit. … Sie müssen über die Her- – Interessant. – Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr würdigen Sie als Lügenpresse herab. Sie schließen die Vermögen öffentlich Rechenschaft geben. unbequemen Medienvertreter gezielt von Ihren Veran- (Stephan Brandner [AfD]: Das steht dadrin! staltungen aus, Genau!) (Zuruf von der SPD: Hört! Hört!) Schaut man in die Rechenschaftsberichte der Parteien, weil diese Ihre Erzählungen hinterfragen und erschüttern erfährt man: Dort werden gemäß Parteiengesetz verschie- und im Lichte der Öffentlichkeit sagen, dass Sie eigent- dene Beteiligungen an Medienunternehmen dargelegt. lich Unrecht haben, Hass und Hetze betreiben. Nach aktuellem Stand des Wissenschaftlichen Dienstes sind Parteien bundesweit an 17 Medienunternehmen be- (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem teiligt, die 35 Publikationen herausgeben, darunter Mit- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- gliederzeitungen und ähnlich Harmloses, was hier schon ordneten der CDU/CSU und der FDP) erwähnt wurde. Sie wollen die Meinungsfreiheit und die Meinungsviel- (Dr. Jürgen Martens [FDP]: Und auch der falt, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in „Cicero“!) diesem Lande erstritten und mit viel Blutzoll am Rand der Geschichte bezahlt haben, per Gesetz wieder ein- Insgesamt zählt der Bundesverband Deutscher Zei- schränken, tungsverleger in Deutschland 333 Tageszeitungen, 22 Wochenzeitungen, 6 Sonntagszeitungen. Dass diese Viel- (Jürgen Braun [AfD]: Sie sind einfach unan- falt aus vor allem profitlogischen Gründen gerade bedroht ständig, Herr Özdemir!) ist und fünf private Medienunternehmen insgesamt 16688 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Doris Achelwilm (A) 50 Prozent der messbaren Meinungsmacht in Deutsch- Özdemir [Duisburg] [SPD]: Schon ist der (C) land innehaben, ist tatsächlich keine gute Entwicklung. Staatsanwalt dabei!) Sie hat aber sehr wenig mit der ewigen AfD-Story altpar- teilicher Privilegien und Einflussnahmen zu tun; denn die Ehrlicher wäre auch gewesen und vielleicht ein Beitrag Probleme, die an dieser Stelle angesprochen gehören, zu Ihrer vielbeschworenen Transparenz, wenn die AfD sind komplett andere. fordern würde, illegale Parteispenden nachträglich legal zu machen. Stattdessen stellen Sie sich hier mit komplett (Stephan Brandner [AfD]: Da kennt Die Linke fehlender Selbsttransparenz, sich aus!) (Stephan Brandner [AfD]: Wo ist denn das Ich mache sie jetzt mal an fünf Punkten fest: SED-Vermögen? Sagen Sie mal was! – Jürgen (Stephan Brandner [AfD]: Wo ist das SED- Braun [AfD]: Wo ist das SED-Vermögen? Wo Vermögen eigentlich hin?) sind die Milliarden der SED?) Erstens. Bei der AfD gibt es im Rechenschaftsbericht Ihren einzig und allein eigennützigen Maßstäben und in zu Beteiligungsfragen im Medienbereich keine Angaben, Serie produzierten Fake-News-Anträgen über andere. null. Das ist einfach grotesk und lächerlich. (Stephan Brandner [AfD]: Wo ist es? Öster- (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem reich, oder?) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Klar, es gibt ja auch keine offiziellen Angaben zu rechts- Brandner [AfD]: Ist das „Neue Deutschland“ radikalen Druckerzeugnissen wie dem „Deutschland Ku- Ihr Redekonzept?) rier“, die über Briefkastenfirmen, Strohmänner und Zweitens. Das AfD-Verständnis von Medienvielfalt Schwarzgeldkassen in der Schweiz produziert wurden. und Pressefreiheit geht so: Sie möchten am liebsten die (Jürgen Braun [AfD]: Wo ist das SED-Vermö- eine große Zeitung oder den einen großen Sender, der die gen, Frau Achelwilm?) AfD nicht länger problematisiert, sondern voll unter- stützt. Dass ich als eine von vielen strikt dagegen bin, Aber zum Glück gibt es Investigativjournalisten, und so hat nichts mit Konkurrenzneid oder mangelndem Demo- wissen wir dank dem Recherchezentrum Correctiv und kratieverständnis zu tun, ZDF-„Frontal 21“, dank ARD-„Panorama“ und „Zeit On- line“ von einem sehr AfD-freundlichen Verein, der allein (Stephan Brandner [AfD]: Mit Inkompetenz im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen vor zwei hat das zu tun! Mit nichts anderem!) (B) Jahren 2,6 Millionen Werbezeitungen und etliche Groß- (D) plakate spendiert hat, sondern zum Beispiel damit, dass Sie rassistische Inhalte verbreiten, die in einer demokratischen Gesellschaft min- (Zuruf von der SPD: Hört! Hört!) destens als solche benannt und kritisiert gehören und nicht noch weiter normalisiert. alles ohne jede Quellenangabe bei der direkt begünstigten AfD. (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- GRÜNEN) ordneten der CDU/CSU) Weil es in den Medien nicht nur so läuft, wie Sie wollen, Die Bundestagsverwaltung und die Staatsanwaltschaf- setzen Sie dann noch auf Verlautbarungsformate wie den ten Bodensee und Essen ermitteln in dieser Sache. Es gab YouTube-Channel „AfD Kompakt TV“, der ohne jeden dazu Hausdurchsuchungen und ein Rechtshilfeersuchen störenden Kontext nur Sie und Ihre Show hier hofiert. an die Schweizer Behörden. Und so geht das alles weiter. (Stephan Brandner [AfD]: In der Schweiz, höre (Stephan Brandner [AfD]: Sind Sie neidisch, ich gerade, ist das SED-Vermögen! Ist das rich- Frau Achelwilm?) tig?) Drittens. Die AfD will keine Pressevielfalt und Trans- Weil die AfD nun aber nach eigenem Rechenschafts- parenz, egal wie oft sie diese Worte in Überschriften bericht nicht an Medienunternehmen beteiligt sein und schreibt. Sie schürt mit Hassbotschaften wie „Lügenpres- auch nichts mit den ganzen Hilfsplakaten und Werbezei- se“ Gewalt gegen unerwünschte Journalisten und erteilt tungen zu tun haben will, wird hier die Flucht nach vorne ihnen auf Parteitagen Hausverbot. versucht und diese Unsinnsdebatte hochgezimmert. Statt- dessen sollten Sie mal lieber sagen, woher die Millionen- (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Hass und Het- spenden für die Plakate und Ihre schönen Wahlzeitungen ze!) kommen. Sie zielt auf Einschüchterung und Ausgrenzung und ge- (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem gen eine Medienelite, so Ihr Wort, deren vermeintliches BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- Opfer Sie ja immer sind. Dabei ist gerade die AfD doch ordneten der CDU/CSU – Stephan Brandner besonders gut versorgt. In Ihrer Funktionselite sitzen [AfD]: Sie befruchten die Unsinnsdebatte her- mehr abtrünnige Journalisten mit ehemals hohen Posten vorragend, Frau Achelwilm! – Mahmut als in jeder anderen Partei, die hier vertreten ist. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16689

Doris Achelwilm (A) (Stephan Brandner [AfD]: Den rechten Weg ne funktionierende Demokratie. Der vorliegende Gesetz- (C) zurück gefunden!]) entwurf täuscht die Absicht, die unabhängige Presse zu stärken, leider nur vor. Wieder eine Episode der Mission Um nichts dem Zufall zu überlassen, werden dann auch „Tarnen und Täuschen“! noch von wem auch immer bezahlte Bots im Internet eingesetzt. Es konnte nachgewiesen werden, dass es zur Täuschung zum Ersten: Die Vorschläge sind völlig un- Europawahl ein beträchtliches Netzwerk dubioser Ac- zureichend, um die Medienvielfalt zu stärken. Wo ist die counts gegeben hat, deren einziger Zweck die Unterstüt- Forderung nach gemeinnützigem Journalismus? Wo ist zung von AfD-Postings ist. die Forderung nach der so dringend benötigten Reform des Medienkonzentrationsrechts? (Stephan Brandner [AfD]: Nächste Verschwö- rungstheorie jetzt! Oijoijoi!) (Stephan Brandner [AfD]: Sie können Ände- Danach waren sie wieder verschwunden. rungsanträge einbringen, Frau Stumpp! Nutzen Sie Ihre Chance!) (Frank Pasemann [AfD]: Das ist doch Unsinn!) Wo ist in diesem Entwurf die Forderung nach einer Viertens gibt es mit Ihrem Gesetzentwurf ein verfas- stärkeren Regulierung von Onlineplattformen? Fehlan- sungsrechtliches Problem. Das gute Handwerk! Für das zeige! Presserecht sind nämlich die Bundesländer zuständig, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nicht der Bundestag. Noch ein Tipp: In Hessen enthält das Landespressegesetz eine Klausel, die tatsächlich Täuschung zum Zweiten: Die Themen „Presse- bzw. was für sich hat. Die Gesellschafter von Verlagen, also Medienvielfalt“ und „Beteiligung von Parteien an Me- auch Parteien, müssen regelmäßig im Impressum genannt dienunternehmen“ werden in geradezu unlauterer Weise werden. Solche Regelungen in den Landespressegesetzen vermengt. Dahinter steckt die Absicht, die demokrati- können tatsächlich mehr Transparenz schaffen. Darüber schen Parteien im Allgemeinen und die SPD im Besonde- kann man mal nachdenken. ren zu diskreditieren. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- (Stephan Brandner [AfD]: Brauchen wir gar ten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE nicht! Das schaffen sie schon selber!) GRÜNEN) Die Rechten behaupten doch allen Ernstes, dass die an- Fünftens. Zur Wahrung von Pressevielfalt – ich komme teilig sehr kleinen Kapitalbeteiligungen an Medienunter- zum Schluss – gelten kartellrechtliche und medienkon- nehmen die Medienvielfalt gefährden würden. Sie unter- zentrationsrechtliche Vorgaben allgemein und damit auch stellen, ein Großteil der privaten Medienunternehmen in (B) (D) für Beteiligungsholdings der Parteien. Als Linke fordern Deutschland würde auf Parteilinie berichten und eine par- wir angesichts des Medienwandels, von Verlagsfusionen teinahe Einstellungspraxis bei der Besetzung ihrer Re- und dominanten Internetplattformen deutlich mehr Enga- daktionen verfolgen. gement für eine unabhängige Vielfaltsicherung. Wir brau- (Stephan Brandner [AfD]: Scheinbar fast alle!) chen neue Modelle zur Absicherung von unabhängigem Journalismus jenseits partei- oder regierungspolitischer Völlig absurd! Einflussnahme, nicht zu vergessen gestärkte Landesme- dienanstalten zur Förderung von Medienkompetenz – all (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – das auch, damit nicht länger durch rechte Fake News und Stephan Brandner [AfD]: In welcher Blase le- Fake-Medien so viel Schaden angerichtet und Zeitver- ben Sie denn?) schwendung verursacht wird. Damit sollen gezielt Zweifel gegen unsere unabhängi- ge Medienlandschaft geschürt werden. Dieses Mal trifft (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- es die privaten Medien, die mutmaßlich unter einer Decke ten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE mit der Politik und – nicht zu vergessen! – mit dem links- GRÜNEN) grünen Establishment stecken sollen.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Stephan Brandner [AfD]: Genau so ist es!) Margit Stumpp, Bündnis 90/Die Grünen, ist die nächs- Es ist schräg, mit welchem Aufwand die Rechten im- te Rednerin. mer wieder versuchen, die Medien in unserem Land als gesteuert und abhängig zu diffamieren. Sie haben in die- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sem Jahr über Monate hinweg fast 400 Anfragen an die Bundesregierung gestellt Margit Stumpp (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und (Stephan Brandner [AfD]: Wie viele Anfragen Herren! Die Stärkung der publizistischen Vielfalt ist für haben Sie an die Bundesregierung gestellt? uns Grüne ein wichtiges Anliegen. Keine 400!) und wollten unter anderem wissen, wie oft die Bundesre- (Stephan Brandner [AfD]: Für uns auch! Sind gierung und nachgeordnete Behörden zum Beispiel Kor- wir einer Meinung!) rekturbitten an Redaktionen geschickt haben. 400 Anfra- Redaktionell unabhängige Medien sind eine Grund- gen – welch ein Aufwand an Arbeitszeit und Steuergeld! voraussetzung für eine informierte Öffentlichkeit und ei- Das Ergebnis: nicht eine einzige Korrekturbitte, 16690 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Margit Stumpp (A) (Stephan Brandner [AfD]: Wollen Sie die An- rechte Medien wie Journalistenwatch, PI-News und (C) fragen abschaffen, oder was?) „Compact“. Sie trat im Mai dieses Jahres bei einer kein einziger Versuch der politischen Einflussnahme, Medienkonferenz der AfD im Bundestag offiziell als nichts. Partner auf. Aber Fakten spielen keine Rolle. Die Zweifel sind so (Stephan Brandner [AfD]: Ganz transparent bei sehr gewollt, dass Zusammenhänge konstruiert und Lü- uns!) gen als Wahrheiten verkauft werden. Auch zwischen der AfD und dem „Deutschland Ku- rier“ gibt es nachgewiesene Verbindungen. Im „Deutsch- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN land Kurier“, ebenfalls ein Gratisblatt, wird gegen sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Menschen mit Migrationshintergrund, gegen die ver- Dies alles dient der Erzählung, die AfD sei die Ausge- meintliche Lügenpresse und die Politik gehetzt. Es wurde stoßene des Mainstreams und das ewige Opfer der links- nachgewiesen, dass es Absprachen zwischen AfD-Mit- grün dominierten Medien. gliedern und dem Herausgeber des „Deutschland Ku- riers“ zur Verteilung des Gratisblattes gab. (Zuruf von der AfD: So ist es!) Mir kommen die Tränen. Die AfD geriert sich hier als (Beatrix von Storch [AfD]: Das ist falsch! Alles verlängerter Arm der Verschwörungstheoretiker im Par- Fake!) lament. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die AfD auch hier wegen Verdachts auf illegale Parteienfinanzie- (Stephan Brandner [AfD]: Das ist Herr rung. Özdemir mit den Verschwörungstheorien!) Der Deutsche Bundestag ist aber weder Breitbart noch (Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist Clan-Krimi- Russia Today deutsch. Ihr Kulturpessimismus und Ihre nalität!) Verschwörungstheorien finden hier keinen Widerhall. Wie sehr den Rechten eine freie Presse und der Schutz Die einzig angebrachte Reaktion ist Widerspruch. von Medienschaffenden am Herzen liegen, demonstrie- ren sie auch mit ihrem Meldeportal gegen Journalistinnen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – und Journalisten. Freiheit braucht keinen Druck und kei- Stephan Brandner [AfD]: Und Widerstand!) ne Denunzianten. Tarnung zum Ersten: Die Rechtsextremen geben sich als Hüter der Transparenz. Wie scheinheilig! Wir Grünen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD – Stephan (B) haben in dieser Legislaturperiode unter anderem einen (D) Antrag zur Verbesserung der Transparenz der Parteien- Brandner [AfD]: Und keine Grünen!) finanzierung vorgelegt, dem Sie nicht zugestimmt haben. Tarnen und Täuschen – mit diesem Gesetzentwurf prä- Natürlich nicht! Wäre ja auch zu dumm, wenn nach dem sentiert uns die AfD zur Weihnachtszeit Auffliegen der illegalen Parteispenden einer Schweizer Pharmafirma an die AfD und der Parteispendenaffäre (Stephan Brandner [AfD]: Eine richtig ökoso- um die GOAL auch noch öffentlich würde, wie die AfD zialistische Hetzrede, die Sie halten!) offensichtlich gezielt Transparenzlücken im Parteien- wieder einmal das Märchen von der demokratischen, die recht ausnutzt. Anonymität von Großspendern ist Ihnen Freiheit der Presse verteidigenden Partei. Dass dieses im Zweifel doch wichtiger als Transparenz. Märchen auf absehbare Zeit wahr wird, glaubt in diesem (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Parlament niemand: nicht vor Weihnachten und auch und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten nicht nach Weihnachten. der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Tarnung zum Zweiten: Die sogenannte Vereinigung bei der SPD und der LINKEN) der Freien Medien hat vor der Landtagswahl in Thüringen eine halbe Million Exemplare ihrer Gratiszeitung „Der Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Wahlhelfer“ unter das Volk gebracht. Darin: Empfehlun- Nächster Redner ist der Kollege Philipp Amthor, CDU/ gen zur Wahl der AfD und für eine nationalkonservative CSU. Koalition zwischen der CDU und der AfD. (Beifall bei der CDU/CSU) (Stephan Brandner [AfD]: Da können wir doch nichts für!) Philipp Amthor (CDU/CSU): Der Herausgeber: unbekannt. Er tarnt sich mit einem Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Pseudonym. Woher das Geld für 1 Million gedruckte erleben hier – es wurde schon gesagt – tatsächlich eine Wahlzeitungen kommt: ebenfalls unbekannt. AfD, die sich mal wieder als Verteidiger der Presse- und Meinungsvielfalt (Stephan Brandner [AfD]: Wo kommt denn das Geld für den Bundesparteitag her?) (Stephan Brandner [AfD]: Das sind wir!) Die Vereinigung der Freien Medien ist kein Verein, son- und als Verteidiger eines transparenten Diskurses gerie- dern eine Briefkastenfirma in Berlin-Mitte. Diese dubiose ren will. Es ist wie so oft, lieber Herr Brandner: netter Organisation sieht sich selbst als Dachverband für neue Versuch, aber gescheitert. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16691

Philipp Amthor (A) (Stephan Brandner [AfD]: Da kennen Sie sich Netzwerks Deutschland: „SPD-Parteitag: Es ist kein Auf- (C) aus!) bruch zu spüren“ und „Bald nur noch einstellig? SPD Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Vorschlag der sackt in Umfragen auf 11 Prozent ab“. AfD ist, die Transparenz der Beteiligung von Parteien (Stephan Brandner [AfD]: Das sind die Fak- an Medienunternehmen zu erhöhen. Dazu – das muss ten! – Gegenruf des Abg. Mahmut Özdemir man sagen – haben Sie einige Vorschläge gemacht; es [Duisburg] [SPD]: Guck mal auf deine eigenen wurde schon einiges gesagt. Umfragen!) (Stephan Brandner [AfD]: Sie scheinen den Also: Jubelpresse ist das nicht, liebe Kolleginnen und Antrag gelesen zu haben!) Kollegen. Sie wollen die Möglichkeiten in Rechenschaftsberichten (Beifall bei der CDU/CSU und der LINKEN ausweiten. Aber Sie wollen – das finde ich besonders sowie bei Abgeordneten der SPD) schön – im Wettbewerbsrecht einen Warnhinweis für die Bürger verankern, dass quasi die Presseerzeugnisse, Deswegen muss man mal sagen: Auch wenn Parteien die Zeitungen, an denen Parteien beteiligt sind, dann – so an Medienunternehmen beteiligt sind, schreiben und be- schlagen Sie es vor – folgenden Warnhinweis an die Arti- richten sie trotzdem objektiv. Aber es stört Sie gar nicht, kel drucken - ob gut oder schlecht über die SPD berichtet wird. Sie stört, dass so schlecht über die AfD geschrieben wird. (Stephan Brandner [AfD]: Da steht das drin! Da fragt man sich: Woran liegt das eigentlich? Sie sind ja ein pfiffiges Bürschchen!) (Marianne Schieder [SPD]: Weil es nichts Gu- ich zitiere ihn aus Ihrem Entwurf –: „redaktionell aufbe- tes zu schreiben gibt! – Stephan Brandner reitet von XYZ – ein Unternehmen mit Beteiligung der [AfD]: Natürlich!) ABC-Partei“. Die AfD als Servicepartei. Da fragt man: Braucht man das eigentlich? Es kann mehrere Gründe geben, weshalb schlecht über die AfD geschrieben wird. Ein Grund könnte sein – Herr (Stephan Brandner [AfD]: Ja, genau! – Zuruf Brandner, das ist wahrscheinlich Ihre Idee –: Es gibt die vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!) große links-grüne Altkartellparteienverschwörung, de- rentwegen über die AfD schlecht geschrieben wird. Ich Braucht man das? Ich werde es Ihnen nachher noch sagen. glaube, es ist ein anderer Grund: Über Ihre Politik wird Um es vorab zu sagen: Dass sich die Parteien an Me- schlecht geschrieben, weil sie schlecht ist, liebe Kollegin- dienunternehmen beteiligen, ist doch erst mal gar nichts nen und Kollegen. (B) Verwerfliches, sondern es ist auch so vorgesehen, weil die (D) Parteien einerseits verfassungsrechtliche Institutionen, (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, andererseits aber auch Grundrechtsträger sind. Das kann der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE man mehr oder weniger intensiv machen. Es wurde schon GRÜNEN) gesagt: Die SPD hat ein bisschen tiefer hineingegriffen Ich will nun wirklich nicht derjenige sein, der hier Me- und hat einige Medienbeteiligungen mehr als die anderen dienbeteiligungen der SPD verteidigt. Ich will auch zu- Parteien. – Aber das herauszufinden, liebe Kolleginnen gestehen: Es gibt unfaire Berichterstattungen in der Pres- und Kollegen von der AfD, ist wirklich kein Hexenwerk. se über Parteien im Allgemeinen, gelegentlich auch über Ich glaube, wir sollten als Abgeordnete immer die Ein- die AfD. Aber was mich wirklich stört, liebe Kollegen, ist stellung haben, dass wir die Bürger nicht für dümmer Ihr Verständnis von Presse- und Meinungsfreiheit. halten als uns selbst. Wenn selbst Sie herausfinden konn- ten, an welchen Unternehmen die SPD beteiligt ist, kön- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und nen die Bürger das auch, liebe Kolleginnen und Kollegen. der SPD) Ihr Verständnis impliziert nämlich, dass Sie glauben, dass (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie aus Ihrer Freiheit, alles zu sagen, eine Pflicht der anderen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE folge, Ihnen zuzustimmen. Aber, liebe Kolleginnen und GRÜNEN) Kollegen, aus dem Recht, etwas zu sagen, folgt eben nicht Ich will Ihnen insbesondere zum Warnhinweis sagen: die Pflicht zur Zustimmung. Deshalb: Wenn Sie über die Braucht man den Warnhinweis? Sie haben das Redak- Medien reden und immer behaupten, Sie wollten die letz- tionsNetzwerk Deutschland kritisiert, Herr Brandner. ten aufrechten Verteidiger des Vaterlandes sein, dann Da ist die Madsack-Gruppe mit über 50 Tageszeitungen seien Sie im Umgang mit den Medien bitte nicht so ver- einer der größten Anteilseigner. Dann sagen Sie: Ja, das dammt mimosenhaft, liebe Kolleginnen und Kollegen ist alles ganz schlimm für unsere Mediendemokratie. – von der AfD. Ich habe mich gefragt: Führen die Unternehmensbeteili- gungen der SPD dazu, dass alle nur so toll über die SPD (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- schreiben? ordneten der SPD) Was wirklich nervig ist, ist die Doppelmoral in der (Marianne Schieder [SPD]: Leider nein! – Diskussion; das wurde schon gesagt. Sie tun hier so, als Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: Wir sagen sei es das größte Problem, dass man, um die Medienbe- denen, dass die schlecht über uns schreiben!) teiligungen der SPD zu finden, einen Wikipedia-Artikel Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur mal zwei bemühen muss und dafür fünf Minuten Rechercheauf- Schlagzeilen aus der Berichterstattung des Redaktions- wand braucht. Sie tun so, als sei das das größte Transpa- 16692 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Philipp Amthor (A) renzproblem. Gleichzeitig verlieren Sie – das klang in der Herzlichen Dank. (C) Debatte an – über Ihren „Deutschland Kurier“ (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie (Stephan Brandner [AfD]: Gehört uns nicht!) bei Abgeordneten der LINKEN und des und die undurchsichtigen Beziehungen dazu nicht ein BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wort. Vizepräsidentin : (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das Wort hat der Abgeordnete Jens Maier für die AfD- Ich will Ihnen eines sagen: Dieser „Deutschland Kurier“, Fraktion. Ihre Presseerzeugnisse, (Beifall bei der AfD – Philipp Amthor [CDU/ (Stephan Brandner [AfD]: Wie kommen Sie CSU]: Ja, jetzt wird aufgeräumt! Alle Erwar- darauf, dass der „Deutschland Kurier“ der tungen ruhen auf Ihnen! – Christoph Bernstiel AfD gehört?) [CDU/CSU]: Jetzt kommen bahnbrechende diese Beziehungen, die Sie dort haben, ist eigentlich die neue Erkenntnisse! – Heiterkeit bei Abgeord- größte intransparente Aktion in der Parteienfinanzierung neten der CDU/CSU und des Abg. Jens Maier der letzten Jahre. [AfD]) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie Jens Maier (AfD): bei Abgeordneten der LINKEN und des Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ren! Man kann ja nicht auf alles eingehen, Herr Amthor. Deswegen muss man solchen Kampfblättern und ihrer (Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Haben Sie Finanzierung aus dem Ausland den Kampf ansagen. Des- aber gerade getan! – Weitere Zurufe von der wegen muss man hier von Doppelmoral sprechen. Das CDU/CSU) passt doch alles nicht zusammen. Aber eines ist doch klar: Was eine lebendige Demokratie Ich sage Ihnen – das ist das Lustige –, wozu die von braucht, ist eine freie, unabhängige Presse mit Journalis- Ihnen vorgeschlagene Regelung führt. Ihr Warnhinweis ten, die über ein Berufsethos verfügen. Eine freie Presse soll dazu führen, dass Ihr „Deutschland Kurier“ geschützt muss den Bürger informieren und darf nicht ausschließ- wird, dass die redlich recherchierten objektiven Berich- lich manipulieren. Die Situation, die wir zurzeit in der terstattungen der Tageszeitungen den Warnhinweis be- Bundesrepublik haben – das war nicht immer so –, ist kommen: das genaue Gegenteil: Zeitungen, die wegen des Kosten- (B) (D) drucks mehr und mehr in staatliche Abhängigkeit geraten (Stephan Brandner [AfD]: Sie meinen die und subventioniert werden müssen, Zeitungen, die mittel- „taz“, oder was?) bar von politischen Parteien abhängig sind. Es liegt auf „Achtung, Achtung, linksgrüne Presse“, aber der der Hand, dass eine kapitalmäßige Beteiligung einer Par- „Deutschland Kurier“ erhält das Prädikat der Wahrheit. tei an einer Zeitung immer auch Einfluss auf den Inhalt Das ist Ergebnis Ihrer Logik. Und das ist Doppelmoral, hat. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing: An dieser liebe Kolleginnen und Kollegen. schlichten Wahrheit führt kein Weg vorbei. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Beifall bei der AfD) ordneten der SPD und der LINKEN) Was eine Demokratie sicher nicht braucht, sind Miet- Wenn wir schon über einen Warnhinweis reden, kann ich schreiber, deren Aufgabe darin besteht, den politischen nur sagen, dass dann solche Postillen wie der „Deutsch- Gegner des Zeitungseigentümers zu diffamieren. land Kurier“ einen entsprechenden Warnhinweis bräuch- Das beste Beispiel für den Niedergang der Printmedien ten. Man könnte schreiben – um Ihren Vorschlag aufzu- ist die „Sächsische Zeitung“ aus Dresden. Im April 1946 greifen –: redaktionell aufbereitet von Tarnunternehmen entstand die „Sächsische Zeitung“ aus der Zusammen- X, einer Parallelaktion der AfD Deutschland. Genau da- führung der „Sächsischen Volkszeitung“ der KPD und rum handelt es sich, liebe Kolleginnen und Kollegen. der „Volksstimme“ der SPD. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der (Stephan Brandner [AfD]: Aha!) SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN) Sie fungierte damals als Organ der SED-Bezirksleitung Dresden. 1991 wurde die „Sächsische Zeitung“ priva- Messen Sie hier deshalb nicht mit zweierlei Maß. Sorgen tisiert. Die SPD meldete Restitutionsansprüche an und Sie vielmehr erst einmal im eigenen Haus für Ordnung. erhielt dafür einen Anteil von 40 Prozent an der „Säch- (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das wird sischen Zeitung“. Anbieter der „Sächsischen Zeitung“ ist denen nicht gelingen!) heute die DDV Mediengruppe. Diese gehört zu 60 Prozent Gruner+Jahr und zu 40 Prozent der Deutschen Druck- Mein Tipp nach fast einer Stunde Debatte wäre, zu- und Verlagsgesellschaft, ein Medienbeteiligungsunter- künftig vielleicht folgenden Warnhinweis für solche De- nehmen der SPD. batten einzuführen: Vorsicht Kernzeitdebatte! Rüpel Brandner rumpelt sich wieder zum Eigentor. – Das ist Wer heute die „Sächsische Zeitung“ in den Händen Ihnen gelungen. Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf ab. hält, erfährt von alldem nichts. Er denkt, dass es sich Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16693

Jens Maier (A) um eine normale Tageszeitung handelt und nicht um ein Unter „Pressefreiheit“ finden Sie folgende Definition: (C) Blatt, an dem die SPD mittelbar in erheblichem Umfang Pressefreiheit gilt da, wo die Presse freundlich über die beteiligt ist. AfD schreibt. – Etwas weiter in dem Artikel finden Sie dann die nähere Definition: Pressefreiheit im eigentlichen (Stephan Brandner [AfD]: Parteizeitung!) Sinne ist der Zustand frei von freier Presse. – Das prakti- Wer würde denn eine SPD-Zeitung kaufen? zieren Sie vorbildlich, unter anderem vor einigen Tagen in meinem Wahlkreis. Dort haben Sie den Saal erst mal (Heiterkeit und Beifall bei der AfD – Zuruf des freihalten wollen von freier kritischer Presse. Herzlichen Abg. Jan Korte [DIE LINKE]) Glückwunsch. Mit dieser vorgetäuschten Seriosität muss es ein Ende (Beifall bei der SPD) haben. Das ist das Anliegen des vorliegenden Gesetzent- wurfs. In besagtem Wörterbuch AfD – Deutsch, Deutsch – AfD – man muss das den Menschen erstmal erläutern, (Beifall bei der AfD – Mahmut Özdemir [Duis- was Sie hier treiben –: burg] [SPD]: Wer hat Ihre Zeitung bezahlt? Sa- gen Sie, wer Ihre Zeitung bezahlt hat!) (Stephan Brandner [AfD]: Betreutes Denken, oder was?) Es muss endlich die Wahrheit bekannt werden, wer wirk- lich hinter der Berichterstattung steht, dann wird nämlich ist es beim Ausdruck „Meinungsfreiheit“ das gleiche offensichtlich, warum das eine so und das andere so dar- Spiel. Meinungsfreiheit gilt für Sie genau dort, wo die gestellt wird. Darum soll nach unseren Vorstellungen Meinung identisch ist mit der Propaganda der AfD. Wenn durch eine Änderung des UWG die kapitalmäßige Betei- man dann weiter liest, heißt es: Meinungsfreiheit ist letzt- ligung einer Partei in der betreffenden Zeitung selbst lich der Zustand, der frei ist von Meinungsvielfalt, in dem kenntlich gemacht werden, weil man nicht davon ausge- Meinungsvielfalt eben keinen Platz hat. – Genau so er- hen kann, dass jeder Leser Rechenschaftsberichte liest; klären sich Ihr Ablenkungsmanöver und Ihr ziemlich die „SZ“ erscheint ja im Rechenschaftsbericht. dummer Kreuzzug gegen die Meinungsfreiheit. Unser Transparenzgesetz trägt dazu bei, den demokra- (Beifall bei der SPD – Stephan Brandner tischen Willensbildungsprozess auf eine ehrlichere [AfD]: Was haben Sie denn geraucht? – Jens Grundlage zu stellen. Maier [AfD]: Blühender Unsinn!) Jetzt zum Gegenbeispiel – damit Sie verstehen, wel- (Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- cher Unterschied zwischen Medienbeteiligung und der (B) NEN]: Eben nicht!) Haltung gegenüber der freien Presse besteht –: In meiner (D) Daran müsste eigentlich allen hier gelegen sein. Stadt Wuppertal (Stephan Brandner [AfD]: Ja, müsste!) (Stephan Brandner [AfD]: Ihre Stadt! Ihre Zei- tung! Ihre SPD! Oder was? – Gegenruf des Danke. Abg. Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: (Beifall bei der AfD – Jan Korte [DIE LINKE]: Wir lieben unsere Heimat wenigstens!) Knallerrede!) steht das Johannes-Rau-Haus. Das Johannes-Rau-Haus war früher das Pressehaus der SPD, gegründet im Obrig- Vizepräsidentin Petra Pau: keitsstaat im Kampf gegen Unterdrückung, gegen den Obrigkeitsstaat, für Freiheit und Demokratie. Für die SPD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Helge Lindh das Wort. (Stephan Brandner [AfD]: Ihre Stadt! Die Stadt als Beute!) (Beifall bei der SPD) Wie hieß das Haus? Es war das Haus der „Freien Presse“. Helge Lindh (SPD): 1933 wurde der Verlag enteignet, das Eigentum wurde Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! entzogen, die dort Aktiven wurden verfolgt oder zum Teil Alle Jahre wieder stellt die AfD in diversen Länderparla- ermordet. menten nahezu wortgleich, zumindest äußerst ähnlich, (Stephan Brandner [AfD]: Das Haus der eine Vorlage zu diesem Thema zur Abstimmung, heute „Freien Presse“ heißt Johannes-Rau-Haus, oder erleben wir das im Bundestag. was?) (Stephan Brandner [AfD]: Zum ersten Mal, Dies ist die Tradition, in die Sie sich einreihen. Auch zu Herr Lindh!) dieser Aktion herzlichen Glückwunsch. Alle Jahre wieder ist auch Weihnachten. Deshalb habe ich (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Fabio De für Sie alle heute einen Vorschlag für ein Weihnachtsge- Masi [DIE LINKE]) schenk, nämlich ein Wörterbuch AfD – Deutsch, Deutsch – AfD. Das Transparenzproblem hat gewiss nicht die SPD. Wir haben auch nicht das Problem – das hätten wir gerne – (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist ja origi- einer uns allzu sehr gewogenen Presse. Herr Kollege nell!) Amthor hat – irgendwie zu sehr – genussvoll einige Zitate 16694 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Helge Lindh (A) genannt; das nenne ich ein vergiftetes Geschenk, nehme (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Thomas (C) ich aber gerne in Kauf. Lutze [DIE LINKE]) (Philipp Amthor [CDU/CSU]: Berichterstat- tung! – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Vizepräsidentin Petra Pau: Hochseriös!) Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Josef Oster das Wort. Darüber hinaus wissen wir aber jetzt ganz genau, wer ein Problem mit Meinungsvielfalt und mit Transparenz hat. (Beifall bei der CDU/CSU) Erwähnt wurden der „Wahlhelfer“, ebenso der „Deutsch- land Kurier“. Wir können aber noch weitere Beispiele Josef Oster (CDU/CSU): nennen: die „1. Konferenz der Freien Medien“, Elsässer, Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen Kubitschek, Campact, „Sezession“, PI-News und sonsti- und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! ge Medien, Beteiligungen von Parteien an Medienunternehmen sind problematisch. Daran besteht für mich kein Zweifel. (Stephan Brandner [AfD]: Ganz transparent alle!) (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Stephan alle Pulitzer-Preis-verdächtig, ein absolutes Beispiel Brandner [AfD]: Oha! Herr Amthor sah das freier Presse. Der Gipfel darüber hinaus ist aber: Ihr neuer anders! Haben Sie eine Friktion in der Frak- Parteivorsitzender, Tino Chrupalla, tion?) Das hat die Union in der Vergangenheit auch schon viel- (Stephan Brandner [AfD]: Wo ist er?) fach deutlich gemacht. Aktuell sehe ich, sehen wir aber initiiert in einem Schreiben Anfang dieses Jahres an sei- keine Notwendigkeit, hier gesetzgeberisch tätig zu wer- nen Kreisverband eine Art schwarzer Liste mit vermeint- den. lich unliebsamen, störenden Journalistinnen und Journa- listen. Es fällt da auch folgender Aufruf – ich zitiere –: Die heutige Debatte, meine sehr geehrten Damen und Man wünsche sich Hintergrundinformationen über „als Herren, bietet aber Gelegenheit, einen Blick auf die me- Journalisten getarnte Zersetzungsagenten“. diale Situation in Deutschland zu werfen – in einer Zeit, in der es Qualitätsjournalismus zunehmend schwer hat, (Stephan Brandner [AfD]: Nein! – Mahmut und in einer Zeit, in der guter Journalismus aber mehr Özdemir [Duisburg] [SPD]: Man achte auf denn je gebraucht wird. die Wortwahl!) (Beifall des Abg. Stephan Brandner [AfD] – (B) (D) Zersetzungsagenten! Stephan Brandner [AfD]: Da hat er recht! Folgendes stelle ich hiermit fest: Die einzigen Zerset- Stimmt!) zungsagenten überhaupt in diesem Land sitzen auf den – Danke. Bänken der AfD-Fraktion. Sie sind dafür auch noch mit ganz ordentlichen Diäten bezahlt. (Stephan Brandner [AfD]: Da kann ich sogar klatschen! Von der CDU klatscht keiner!) (Stephan Brandner [AfD]: Sie ja Gott sei Dank Natürlich ist es im Interesse einer jeden politischen nicht! – [AfD]: Sie spenden Partei, gut in den Medien dazustehen. Die AfD erweckt das alles!) in ihrem Gesetzentwurf den Eindruck, dass Parteien des- Ihre Fraktion wird auch noch von dieser Demokratie, vom halb alles tun würden, um Einfluss auf die Berichterstat- Staat finanziert. Der Witz ist, dass wir anderen, wir demo- tung zu bekommen, kratischen Parteien, als Verfechter dieser Demokratie so- gar wollen und akzeptieren, dass die Feinde der Demo- (Stephan Brandner [AfD]: Das steht da nicht kratie dies hier äußern können. drin! Nicht ansatzweise!) im Idealfall durch die Beteiligung an einem Medienunter- (Beifall bei der SPD – Stephan Brandner nehmen. Aber wie sieht es in der Realität aus? Ist die [AfD]: Genießen Sie Ihre letzten Monate im Pressefreiheit in unserem Land tatsächlich in Gefahr? Bundestag, Herr Lindh!) Ihre Methode ist das Gegenteil. Sie akzeptieren nämlich (Stephan Brandner [AfD]: Sie ist nicht mehr nicht diese Freiheit. existent!) Das, was Sie uns hier einreden wollen, ist kein Kultur- Ich sehe das nicht so. Für die allermeisten Journalisten ist kampf, das ist eine ganz einfache Frage des Rechts. Wir die Pressefreiheit ein hohes Gut; und das muss hier betont wollen die Herrschaft des Volkes, Demokratie genannt. werden, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Lachen bei der AfD – Stephan Brandner (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem [AfD]: Das Volk wählt Sie ab!) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen die Herrschaft des Rechts. Sie wollen nur die Ich will ein Beispiel aus meinem Wahlkreis nennen. Herrschaft der Gesinnung. Das ist der ganze Unterschied. Die „Rhein-Zeitung“ aus Koblenz, eine der großen regio- nalen Tageszeitungen in Deutschland, berichtet zwar na- Vielen Dank. türlich nicht immer in meinem Sinne - Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16695

Josef Oster (A) (Lachen der Abg. Tabea Rößner [BÜND- Dennoch bin ich beim Blick auf unsere Medienlandschaft (C) NIS 90/DIE GRÜNEN] – Stephan Brandner durchaus zuversichtlich und optimistisch gestimmt: [AfD]: „Nicht immer“! – Dr. Gesine Lötzsch Erstens verfügen wir in Deutschland über eine gesunde [DIE LINKE]: Warum eigentlich nicht? – und breite Medienlandschaft. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das ver- stehe ich allerdings nicht!) Zweitens. Auch unsere politische Vielfalt schließt ein- wie könnte es auch anders sein? –, aber die Redakteure seitige parteipolitische Vereinnahmung der Medienland- bekennen sich zu unabhängigem Qualitätsjournalismus schaft aus. mit hohen moralischen und fachlichen Standards. Journa- (Stephan Brandner [AfD]: Nein! Das ist listen nun diesen moralischen Kompass pauschal abzu- falsch!) sprechen, halte ich für gefährlich, meine sehr geehrten Damen und Herren. Drittens. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sind imstande, sich mit journalistischen Inhalten kritisch (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und auseinanderzusetzen. der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE] – Stephan Brandner [AfD]: Die haben schon ei- (Jens Maier [AfD]: Ja, im Osten!) nen Kompass, die Journalisten!) Sie verfügen über eine hohe Medienkompetenz. Es bleibt Wie die meisten deutschen Medienunternehmen bekennt allerdings eine wichtige Aufgabe, auch eine Aufgabe des sich die „Rhein-Zeitung“ eben zur strikten Trennung von Staates, diese Kompetenz weiter zu fördern. Das gilt nach Verlag und Redaktion. meiner Überzeugung auch und insbesondere für die Schulen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist und bleibt aber ein immerwährender Auftrag, kritisch zu hinterfra- (Beifall bei der CDU/CSU) gen, ob die Meinungsvielfalt in unserem Lande angemes- Abschließend sage ich: Den Gesetzentwurf halte ich, sen abgebildet wird. Das gilt für die privaten Medien, und halten wir aktuell weder für notwendig noch für zielfüh- das gilt in besonderer Weise für den öffentlich-rechtli- rend. Unsere Fraktion lehnt ihn deshalb konsequenter- chen Rundfunk. Auch Meinungen und Einschätzungen weise ab. abseits des aktuellen Mainstreams müssen sich dort wie- derfinden. Darauf muss immer wieder aufs Neue geachtet Vielen Dank. werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Ich möchte ein aktuelles Beispiel nennen, mit dem ich ordneten der SPD und der FDP) (B) derzeit häufig in Gesprächen im Wahlkreis konfrontiert (D) werde: Zwei Drittel unserer Bevölkerung sind laut einer Vizepräsidentin Petra Pau: aktuellen forsa-Umfrage der Auffassung, dass Klima- Das Wort hat der Kollege Martin Rabanus für die SPD- schutz nicht das drängendste Problem ist. – Darüber dür- Fraktion. fen auch regelmäßige Demonstrationen von Klimaschüt- zern nicht hinwegtäuschen. (Beifall bei der SPD)

(Jens Maier [AfD]: Sehr richtig!) Martin Rabanus (SPD): Diese Menschen fühlen sich aber in der Medienlandschaft Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle- derzeit nicht angemessen repräsentiert. ginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Es ist gut und es ist richtig, wenn wir (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Stephan im Deutschen Bundestag über publizistische Vielfalt und Brandner [AfD]: Genau!) Transparenz bei den Medien diskutieren. Das ist eine Entwicklung, die mir Sorge bereitet und die wir sehr ernst nehmen müssen. (Stephan Brandner [AfD]: Hätte ja von Ihnen kommen können!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Es ist ein Witz, wenn das mal wieder auf der Basis eines der AfD) ziemlich verlogenen Gesetzentwurfs der AfD passiert; Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, der AfD geht es natürlich um etwas ganz anderes. Ihnen geht es (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Stephan um vieles, aber sicher nicht um mehr Pressefreiheit. Sie Brandner [AfD]: Herr Rabanus, den hätten Sie verfolgen ausschließlich Ihre eigene medienpolitische ja einbringen können, den Antrag! Ihnen ist es Strategie. Sie behaupten regelmäßig, dass die traditionel- peinlich, das Thema! Geben Sie es zu!) len Medien gesteuert sind, und fördern mit Ihren denn Sie, Kolleginnen und Kollegen von der AfD, dis- Schlagwörtern wie „Lügenpresse“ das Misstrauen gegen- kreditieren die freie Presse ja ununterbrochen als „Lügen- über Printmedien, Radio und Fernsehen. Hass, Hetze und presse“, als „Systempresse“. Sie wollen ihr die Grund- Fake News lassen sich natürlich über andere Wege viel lagen entziehen. Sie wollen ja nicht, dass die Menschen leichter transportieren und verbreiten. Qualitätsmedien wahrnehmen und konsumieren, (Stephan Brandner [AfD]: „Der Spiegel“ kriegt (Stephan Brandner [AfD]: Wir wollen keine das ganz gut hin! „Der Spiegel“! Die „Bild“- SPD-Parteipostillen! Das ist unser Ansinnen! – Zeitung!) Gegenruf des Abg. Mahmut Özdemir [Duis- 16696 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Martin Rabanus (A) burg] [SPD]: Hören Sie doch einmal zu! Ver- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Mahmut (C) dammt noch mal! Es reicht!) Özdemir [Duisburg] [SPD]: Wir sind ja nicht in der Kneipe!) sondern Sie wollen, dass Ihre AfD-Spreche möglichst breit wahrgenommen wird. Deswegen ist der Gesetzent- wurf verlogen. Sie wollen keine Vielfalt. Sie wollen keine Martin Rabanus (SPD): Freiheit. Sie suchen immer neue Wege, genau das zu Vielen Dank. bekämpfen. Und das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. (Stephan Brandner [AfD]: Aber zum Thema!) (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Sie fordern eine Transparenz, die es längst gibt, im Parteiengesetz, aber auch in den üblichen Rechenschafts- Dieser Ruf „Zum Thema!“ steht nur den jeweils amtie- legungen. Wenn Sie sich die Mühe machen möchten, ge- renden Präsidentinnen und Präsidenten zu. Die schätzen hen Sie mal ins Internet. Sie können die Geschäftsberich- ein, inwieweit die Debatte hier entsprechend den Regeln te unserer DDVG seit 2000 online einsehen. stattfindet. (Stephan Brandner [AfD]: Dann reden wir am (Stephan Brandner [AfD]: Es geht nicht um Thema vorbei! – Mahmut Özdemir [Duisburg] uns! Es geht um den Verbraucher, um den, [SPD]: Einfach einmal zuhören!) der täglich Zeitungen kauft!)

– Nein, ich will mich lieber noch ein bisschen mit dem Martin Rabanus (SPD): auseinandersetzen, was Sie als Fraktion so tun. Tatsächlich also produzieren Sie mit Steuermitteln und Steuergeldern Ihre Gegenrealität. Das ist schon bedenk- (Stephan Brandner [AfD]: Warum schämen Sie lich an sich. Aber es ist ja in einer gewissen Tradition, sich denn eigentlich, „SPD“ auf die Zeitungen weil Sie als AfD das Ganze ja sowieso nicht ganz ernst draufzuschreiben?) nehmen; auch darauf ist schon hingewiesen worden. Ent- Wie Sie verwoben sind mit unterschiedlichsten Me- sprechende Meldungen konnten wir jüngst über Frau dien, ist hinreichend dargestellt worden. Ich will mal Weidel oder Herrn Meuthen lesen. Herr Gauland ist auch auf Ihr neuestes Projekt aus diesem Herbst eingehen. über das informiert, was da passiert. Sie fangen ja jetzt an, eine Gegenrealität in Form von Dokumentarfilmen zu konstruieren. (Stephan Brandner [AfD]: Was denn? Was meinen Sie denn?) (B) (D) (Stephan Brandner [AfD]: Reden Sie doch ein- Aber ich will auf Ihr Medienprojekt und Ihre Doku- fach über den Antrag, Herr Rabanus, und nicht mentation zurückkommen. Ich will den Zuschauerinnen über irgendetwas anderes! Thema!) und Zuschauern und Zuhörern nicht vorenthalten, wie Ich frage mich in der Tat: Ist es Aufgabe einer Bundes- eben der erste Titel Ihrer Dokumentation war. Er hieß: tagsfraktion, „Dieselmord im Ökowahn!“. (Stephan Brandner [AfD]: Was hat das mit dem (Stephan Brandner [AfD]: Jetzt müssen Sie den Antrag zu tun?) Brückenschlag zum Thema noch bekommen!) Dieselmord im Ökowahn – das muss man sich mal auf der durch die Gegend zu fahren mit dem – Zitat – „Medien- Zunge zergehen lassen. Dann fragt man sich, werte team der AfD-Fraktion“ und Berichte aus dem In- und Kollegen bei der AfD: Was ist bei Ihnen eigentlich Ausland zu veröffentlichen? schiefgelaufen? (Stephan Brandner [AfD]: Was hat das mit dem (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Thema zu tun? – Gegenruf der Abg. Steffi der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das GRÜNEN) nennt sich Meinungsfreiheit! Er kann erzählen, was er will!) Das erinnert einen ein bisschen an klangvolle Titel von Filmen aus den 70er-Jahren. Die Frage ist tatsächlich – – (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sie bringen die (Stephan Brandner [AfD]: Reden Sie über die Dieselindustrie in Deutschland um! Das ist da- SPD-Beteiligungen! Das ist ein Thema! – Ge- mit gemeint! Zehntausende Arbeitsplätze! Das genruf des Abg. Mahmut Özdemir [Duisburg] ist damit gemeint!) [SPD]: Das ist ja nicht mehr zu ertragen!) Da gab es einen wundervollen Film, der hieß: „Brat- – Mein Gott, kann man das hier mal ein bisschen struk- pfanne Kaliber 38“. Das ist vielleicht etwas, woran Sie turieren? sich orientiert haben. Da gab es 1977 einen wunderbaren Film, der hieß: Vizepräsidentin Petra Pau: „Adele hat noch nicht zu Abend gegessen“. Zurzeit hat überwiegend der Redner der SPD-Fraktion, Martin Rabanus, das Wort. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16697

Martin Rabanus (A) Vielleicht wäre auch das einmal eine Inspiration für Ihren (Stephan Brandner [AfD]: Wir können die Sit- (C) neuen Kanal. zung kurz unterbrechen!) Manch einer fühlt sich auch an frühe Filmtitel von So, ich wiederhole die Feststellung des Abstimmungser- Senta Berger erinnert. An welchen Sie da im Einzelnen gebnisses: Das sind die Koalitionsfraktionen, die FDP- denken, weiß ich nicht. Fraktion, die Fraktion Die Linke und die Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen. (Stephan Brandner [AfD]: Wer ist denn Senta Berger?) (Stephan Brandner [AfD]: Jetzt läuft’s wieder!) Aber ich will auch an Louis de Funès erinnern. Louis Jetzt wüsste ich gerne: Wer stimmt dagegen? – Das ist die de Funès, ebenfalls ein wunderbarer Filmemacher, hat AfD-Fraktion. Wer enthält sich? – Niemand. Der Über- mal einen Film mit dem Titel „Louis und seine außer- weisungsvorschlag ist gegen die Stimmen der AfD-Frak- irdischen Kohlköpfe“ gemacht. tion mit Zustimmung der anderen Fraktionen des Hauses angenommen. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 a und 15 b auf: Das wäre einmal ein Rat: Sie könnten als nächste Doku- a) – Zweite und dritte Beratung des von den mentation eine Dokumentation über sich selber machen Fraktionen der CDU/CSU und SPD mit dem klangvollen Titel „Alexander und seine rechten eingebrachten Entwurfs eines Vierten Hohlköpfe“. Gesetzes zur Änderung der Hand- werksordnung und anderer hand- Herzlichen Dank. werksrechtlicher Vorschriften (Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Beifall Drucksache 19/14335 bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung Vizepräsidentin Petra Pau: der Handwerksordnung und anderer Ich schließe die Aussprache. handwerksrechtlicher Vorschriften Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksachen 19/14974, 19/15705 Drucksache 19/15265 an die in der Tagesordnung aufge- – Zweite und dritte Beratung des von den (B) führten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist (D) jedoch strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD Abgeordneten Tino Chrupalla, Marc wünschen Federführung beim Ausschuss für Inneres und Bernhard, Jürgen Braun, weiteren Abge- Heimat, die Fraktion der AfD wünscht Federführung ordneten und der Fraktion der AfD einge- beim Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung der Handwerksordnung – Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag der Wiedereinführung der Meisterpflicht Fraktion der AfD abstimmen: Federführung beim Aus- schuss für Recht und Verbraucherschutz. Wer stimmt für Drucksache 19/11120 diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- Wer enthält sich? – Niemand. Der Überweisungsvor- schusses für Wirtschaft und Energie (9. Aus- schlag ist gegen die Stimmen der AfD-Fraktion von den schuss) übrigen Fraktionen des Hauses abgelehnt. Drucksache 19/15873 Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD abstimmen: Fe- b) Beratung der Beschlussempfehlung und des derführung beim Ausschuss für Inneres und Heimat. Wer Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Das sind die Energie (9. Ausschuss) Koalitionsfraktionen, die FDP-Fraktion, die Fraktion Die – zu dem Antrag der Abgeordneten Tino Linke und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer Chrupalla, Dr. Bernd Baumann, Marc stimmt dagegen? – Die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt Bernhard, weiterer Abgeordneter und der zweimal abgestimmt. Fraktion der AfD (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Die wissen nicht, Meisterpflicht wieder einführen – was sie tun! – Stephan Brandner [AfD]: Die Handwerk stärken sind in alle Richtungen offen, also nicht ganz dicht! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: – zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Wir haben jetzt den Bündnis 90/Die Grünen- Ernst, Fabio De Masi, Doris Achelwilm, Antrag!) weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE – Also, es gibt offensichtlich Verwirrung. Ich habe bisher festgestellt: Wer stimmt für den Überweisungsvorschlag Attraktives Handwerk – Meisterpflicht „Federführung beim Ausschuss für Inneres und Hei- ausweiten, Tarifbindung erhöhen, Aus- mat“? – und Weiterbildung fördern 16698 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Vizepräsidentin Petra Pau (A) – zu dem Antrag der Abgeordneten Claudia Weichen dafür stellen, dass diejenigen, die bereit sind, (C) Müller, Anja Hajduk, , sich auf das Handwerk einzulassen, die bereit sind, dafür weiterer Abgeordneter und der Fraktion viel an Lernen, an Zeit, an Investitionen aufzuwenden BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und damit Risiko einzugehen, sich auf dieses Risiko auch einlassen können. Starkes Handwerk braucht gute Fach- kräfte Deshalb haben wir heute einen wichtigen Punkt auf der Tagesordnung, nämlich die Wiedereinführung der Meis- Drucksachen 19/4633, 19/10154, 19/10628, terpflicht für zwölf sogenannte B1-Handwerke. Hier geht 19/15873 es um Wertschätzung. Aber es geht ebenso um Qualität, Zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU Qualifizierung und um die Zukunft der Betriebe. Wir und der SPD zur Änderung der Handwerksordnung und hatten bereits im Koalitionsvertrag eine Verständigung anderer handwerksrechtlicher Vorschriften liegen drei der Regierungskoalition darauf, dass das Handwerk noch Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stärker anerkannt und gefördert wird und dass wir über- vor. prüfen werden, welche Gewerke in Zukunft wieder zu- rück in die Meisterpflicht überführt werden können. Für die Aussprache wurde eine Dauer von 60 Minuten beschlossen. – Ich sehe dazu Einverständnis. Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, mich nicht nur bei Kolleginnen und Kollegen aus meinen eigenen Ich bitte, die notwendigen Umgruppierungen in den Koalitionsfraktionen, bei , bei Sören Fraktionen zügig vorzunehmen und Gespräche nach au- Bartol, sondern auch bei Kolleginnen und Kollegen aus ßerhalb des Plenums zu verlagern. allen Fraktionen des Hauses, die diese Diskussion unter- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundes- stützt haben, die diese Veränderungen mittragen, ganz minister Peter Altmaier. herzlich zu bedanken. Wir werden heute – davon gehe ich aus – ein sehr überzeugendes, ein sehr starkes Signal (Beifall bei der CDU/CSU) dafür finden und zeigen, dass das Handwerk die Unter- stützung des gesamten Deutschen Bundestages hat. Dafür Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und ein herzliches Dankeschön! Energie: (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und ordneten der SPD, der AfD und der FDP) Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch das Jahr 2019 war wieder ein Jahr des Handwerks. Das Handwerk Wir haben ein umfassendes Konsultationsverfahren (B) hat eine hohe Leistungsfähigkeit, eine hohe Qualität. Es durchgeführt. Im Wirtschaftsausschuss gab es eine Sach- (D) hat trotz der konjunkturellen Schwäche im laufenden Jahr verständigenanhörung. Es gab selbstverständlich wie bei zugelegt: steigende Umsätze von 4 Prozent, hohe Auf- allen solchen Vorhaben auch Wünsche, die in diese oder tragsbestände, Anstieg der Neueinstellungen. Das ist ein jene Richtung gingen. Nicht alle konnten berücksichtigt großes Kompliment an all diejenigen, die in diesem Be- werden. Aber im Ergebnis haben wir entschieden, heute reich beruflich tätig sind. Und die Entwicklung wird nach zwölf Gewerke wieder in die Zulassungspflicht – Anla- allem, was wir wissen, auch im nächsten Jahr so weiter- ge A der Handwerksordnung – zurückzuführen. Es sind gehen: mit Umsatzsteigerungen und weiterer positiver dies die Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, die Beton- Entwicklung der Beschäftigung im Handwerk. stein- und Terrazzohersteller, die Estrichleger, die Behälter- und Apparatebauer, die Parkettleger, die Roll- Im Handwerk sind rund 5,4 Millionen Menschen be- laden- und Sonnenschutztechniker, die Drechsler und schäftigt. Es gibt rund 1 Million Unternehmerinnen und Holzspielzeugmacher, die Böttcher, die Raumausstatter, Unternehmer. Das ist ein Anlass, heute Danke zu sagen, die Glasveredler, die Orgel- und Harmoniumbauer und auch im Namen der übergroßen Mehrheit des Deutschen die Schilder- und Lichtreklamehersteller. Bundestages, für das, was im Handwerk seit vielen Jahr- zehnten über die Jahre und auch heute zuverlässig geleis- Die verfassungs- und europarechtlich rechtssichere tet wird. Würdigung der Wiedereinführung der Meisterpflicht war unser Ziel. Wir erreichen das dadurch, dass wir auf (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- die besondere Gefahrengeneigtheit einzelner Gewerke neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE abstellen und bei drei Gewerken zusätzlich auch auf die GRÜNEN) Relevanz für den Schutz unseres Kulturerbes und den Das Handwerk genießt eine hohe Wertschätzung in notwendigen Wissenstransfer. unserer Bevölkerung und weit darüber hinaus in Europa Wir stärken auch die duale Berufsausbildung. Denn und in weiten Teilen der Welt. Wir möchten, dass dies so parallel dazu gibt es Verbesserungen beim Meister- bleibt: dass das Handwerk auch in Zukunft einen Beitrag BAföG; und wir fördern gleichzeitig die Fortbildung zur hohen Qualität von Dienstleistungen und von Wirt- der künftigen Meisterinnen und Meister noch stärker. schaftsentwicklungen leisten kann, aber auch zu Identität, zu Kultur, zum Zusammenhalt vor Ort und in unserem Meine sehr verehrten Damen und Herren, heute ergrei- Land insgesamt. Dafür brauchen wir die richtigen Rah- fen wir eine Maßnahme, die vor allen Dingen die Betrof- menbedingungen. Dafür brauchen wir vertretbare Belas- fenen interessiert, aber auch auf unsere Wirtschaft und tungen, die nicht ständig steigen. Dafür brauchen wir eine Gesellschaft insgesamt große Auswirkungen hat. Deshalb wirtschaftsfreundliche Politik. Aber wir müssen auch die legen wir Wert auf Rechtssicherheit. Manche hätten sich Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16699

Bundesminister Peter Altmaier (A) gewünscht, weitere Gewerke zum jetzigen Zeitpunkt wie- selbst, sondern auch für den präventiven Verbraucher- (C) der in die Meisterpflicht zu überführen. Wir haben uns schutz. Das Gesetz wird dazu führen, dass Millionen dafür entschieden, es heute bei diesen zwölf zu belassen. von Menschen ihre Zufriedenheit mit den Dienstleistun- Denn wir tragen Verantwortung für den Rechtsrahmen gen des Handwerks bewahren werden. Es wird dazu füh- von über 500 000 Betrieben, die bisher schon in der An- ren, dass die Zustimmung in der Bevölkerung insgesamt lage A sind. Wir wollen die Anforderungen des Grund- noch mehr wächst, als es heute schon der Fall ist. Ich gesetzes und des europäischen Rechtes bewahren und freue mich darauf, wenn dieses Gesetz nach den Beratun- respektieren. Aber ich kann Ihnen zusagen: Wir werden gen im Bundesrat Anfang kommenden Jahres in Kraft diese Novelle in fünf Jahren evaluieren. Wir werden die treten kann – und möchte mich bei allen bedanken, die Einordnung der heute nicht zum Zuge gekommenen Ge- dazu beigetragen haben, dass dies heute möglich ist. werke einer nochmaligen Überprüfung unterziehen; und wir werden darauf Wert legen, dies im Konsens des ge- Vielen Dank. samten Hauses zu tun. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU) Es gab einmal einen Slogan einer Imagekampagne des Vizepräsidentin Petra Pau: Handwerks, bezogen auf den Meisterbrief: „Das sicherste Das Wort hat der Abgeordnete Tino Chrupalla für die Wertpapier gibt es immer noch im Handwerk.“ Meine AfD-Fraktion. Damen und Herren, wenn ich daran denke, dass wir vor (Beifall bei der AfD) zehn, fünfzehn Jahren heftige Diskussionen darüber führ- ten, ob der Meisterbrief überhaupt noch eine Zukunft hat, Tino Chrupalla (AfD): dann will ich sagen: Die heutige Debatte markiert nicht nur einen Punkt, an dem wir für zwölf Gewerke wieder Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! die Meisterpflicht einführen, sondern an dem auch klar Liebe Landsleute! Die Bundesregierung bekennt sich wird, dass der Meisterbrief und die duale Ausbildung die nun zum Meisterbrief. Wir von der AfD freuen uns, dass überwältigende Unterstützung des Deutschen Bundesta- unsere Forderungen hier endlich auch mal umgesetzt wer- ges haben. Das ist eine gute Nachricht für alle Betroffe- den. nen. (Beifall bei der AfD – Michael Grosse-Brömer (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) [CDU/CSU]: Die Forderung hatten wir schon, da gab es Sie noch gar nicht!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in Meine Freude ist allerdings gedämpft. Denn ich sehe in (B) Deutschland mit die geringste Jugendarbeitslosigkeit in (D) der gesamten Europäischen Union und weltweit. Das ver- dem neuen Gesetzentwurf nur einen halbherzigen Ver- danken wir auch der Ausbildungsleistung im Handwerk. such, den Schaden zu begrenzen, der bereits angerichtet Die Ausbildungsleistung im Handwerk ist, gemessen an wurde. Von 53 Gewerken wollen Sie nun 12 rückverm- der Beschäftigtenzahl, doppelt so hoch wie in der Ge- eistern. Bei der Anhörung im Bundeswirtschaftsministe- samtwirtschaft. Viele Handwerksunternehmen sehen es rium haben sich aber bis auf vier Ausnahmen alle Ge- mit einem stolzen Blick, aber auch mit einem weinenden werke für die Wiedereinführung der Meisterpflicht Auge, dass die jungen Menschen, die sie ausbilden, zum ausgesprochen. Wir haben deshalb gestern im Ausschuss Teil von größeren Betrieben übernommen werden, die einen Entschließungsantrag eingebracht und die Rück- höhere Stundenlöhne zahlen können. vermeisterung für all jene Gewerke gefordert, die sich dafür ausgesprochen haben. Wir haben darin auch gefor- (Zuruf: So ist das!) dert, der kulturpolitischen Bedeutung des Handwerks Diese Entwicklung ist Teil der Marktwirtschaft. Aber mehr Aufmerksamkeit zu schenken und sich mit Nach- auch hier haben wir ein Interesse daran, dass das Hand- druck auch für den Erhalt und das positive Image des werk seine Leistungsfähigkeit behält. traditionellen Handwerks einzusetzen nach dem Vorbild des österreichischen Bundeskanzleramtes. Wenn es För- Deshalb werden wir auch darauf achten, dass die Um- dermittel für das digitale Handwerk gibt, dann sollte es setzung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, das zum doch bitte auch Fördermittel für die traditionellen Hand- 1. März des nächsten Jahres in Kraft tritt, so erfolgt, dass werksberufe geben. am Ende auch die Bedürfnisse des Handwerks berück- sichtigt werden können. Ich kann nur appellieren: Lassen (Beifall bei der AfD) Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass dieses Gesetz so Und jetzt tun alle so, als wären sie schon immer für den ausgeführt werden kann, dass die Visaverfahren, die Be- Meisterbrief gewesen. Das stimmt eben nicht. Da lese ich rufsanerkennungsverfahren, dass die öffentlichen Verfah- zum Beispiel am 27. April 2019 in der „WirtschaftsWo- ren so ausgestaltet werden, dass ein Handwerker, der che“: „Breite FDP-Allianz gegen Rückkehr zur Meister- heute jemanden braucht, der ihn bei seiner Arbeit unter- pflicht“. stützt, die positive Nachricht nicht erst kurz vor seinem Eintritt in den Ruhestand erhält. Wir müssen dafür sor- (Zuruf des Abg. Manfred Todtenhausen [FDP]) gen, dass dieses Gesetz praxisnah funktioniert und an- Zu dieser Allianz gehören – man höre – der Außenpoli- gewendet werden kann. tiker Alexander Graf Lambsdorff und der Klimaexperte Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Nach- Lukas Köhler, also beide „Handwerksexperten“, und richt heute ist eine gute, nicht nur für die Handwerker auch Herr Schäffler. Zitat: „Wir dürfen alte Zöpfe nicht 16700 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Tino Chrupalla (A) wieder einführen, sondern sollten sie endlich abschnei- dass es hier auch überall mal brennen kann und deswegen (C) den.“ auch hier eine Rückvermeisterung angebracht wäre. (Zuruf von der AfD: Furchtbar!) Im Übrigen fordert auch der DGB – das ist ja mal ein heller Moment des DGB – eine Rückvermeisterung aller Genau das, Herr Todtenhausen – das habe ich auch Gewerke. Alles andere sei – Zitat – ein „Flickenteppich“. gestern im Ausschuss erlebt –, ist die FDP – bei diesem Das sehen wir von der AfD ganz genauso. Wir gehen Thema exemplarisch, wie immer. Zu wirtschaftspoliti- davon aus, dass auf diese erste Novelle weitere Novellen schen Themen: überall Rumgeeier, ein Ja-nicht-Festle- zum Schutz des Handwerks folgen werden. Wir als AfD gen, keine klare Haltung, nichts, weder Fisch noch werden gerade das immer wieder fordern, weil der Meis- Fleisch. terbrief eben Bestandteil einer guten alten deutschen Tra- (Beifall bei der AfD – Michael Grosse-Brömer dition ist, die man eben nicht wie einen alten Zopf ab- [CDU/CSU]: Jetzt lassen Sie mal die FDP-Po- schneiden sollte. litik außen vor!) Vielen Dank. Den Mittelstand und das Handwerk repräsentieren Sie schon lange nicht mehr. (Beifall bei der AfD)

(Beifall bei der AfD) Vizepräsidentin Petra Pau: Auch die Union hat viele Jahre die Wiedereinführung Das Wort hat die Kollegin Sabine Poschmann für die mit Scheinargumenten hinausgezögert. Wir haben heute SPD-Fraktion. wieder einige vom Wirtschaftsminister gehört. Der Meis- terbrief kollidiere mit EU-Recht, war immer wieder auch (Beifall bei der SPD) hier zu hören. Dann stellt sich nach vielen Jahren des Hinhaltens heraus, dass es überhaupt keinen Widerspruch Sabine Poschmann (SPD): gibt. Von der SPD wurde unser Antrag vor Kurzem noch Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und hier als blanker Populismus verhöhnt. Kollegen! Heute sagen wir Ja zum Meister. Denn zwölf Gewerke nehmen wir wieder in die Meisterpflicht zurück. (Zuruf von der SPD: Stimmt ja auch!) Damit – das sage ich auch in Richtung der AfD – setzen – Natürlich. – Von der FDP war auch zu hören, wir wür- wir einen weiteren Punkt aus unserem Koalitionsvertrag den dem Handwerk mit unserem Antrag mehr schaden als um. Dieses Vorhaben ist also nicht eine Idee der AfD nutzen. gewesen. Aber Geschichte war noch nie so ganz Ihr Ding. (B) (D) (Manfred Todtenhausen [FDP]: So ist es!) (Beifall bei der SPD – Zurufe von der AfD) Und jetzt, Herr Todtenhausen, sind sich plötzlich alle Dabei haben wir es uns nicht einfach gemacht. Denn einig, dass die Wiedereinführung der Meisterpflicht eine wie fast immer gibt es Befürworter wie den ZDH und gute Sache ist. Aber Sie und vor allem Herr Altmaier auch den DGB. Aber es gibt auch Kritiker wie die Mo- müssen uns noch erklären, warum Sie so halbherzig zur nopolkommission. Zudem sollte das Ganze von Gerich- Sache gegangen sind. Zum Beispiel soll der Orgel- und ten und von der EU im Nachhinein nicht wieder einkas- Harmoniumbauer aus Gründen der Gefahrengeneigtheit siert werden. Deshalb konnten wir nicht so einfach, wie rückvermeistert werden. Das haben wir auch gestern im manche Vorschläge lauteten, das Rad wieder zurückdre- Ausschuss gehört. Dazu hatte ich eine Frage an Ihren hen, sondern mussten es zukunftssicher gestalten, und ich Parlamentarischen Staatssekretär Herrn Hirte, warum denke, das haben wir auch geschafft. denn der Klavier- und Cembalobauer und der Geigen- Dafür haben wir eine Koalitionsarbeitsgruppe gegrün- bauer nicht rückvermeistert werden. Seine Antwort, kein det. Wir haben zwei Gutachten in Auftrag gegeben. Wir Witz: weil eine Orgel schließlich auch mal brennen kön- haben Kriterien erarbeitet und allen Gelegenheit zur Stel- ne. lungnahme gegeben, und zwar in Anhörungen der Ver- (Heiterkeit bei der AfD – Dr. bände und Gewerkschaften und aller Gewerke sowohl in [CDU/CSU]: Die war anders, die Antwort! Fal- schriftlicher als auch in mündlicher Form. Mehr Kommu- sches Zitat!) nikation und Miteinander geht an dieser Stelle nicht. Das war die Antwort Ihres Parlamentarischen Staatsse- Es war auch richtig, dass wir uns auf die Rückvermeis- kretärs. Wenn Sie von dieser Logik ausgehen, müssten terung konzentrieren. Es war nicht unser Ziel, die gesam- Sie auch die Bestatter vermeistern; denn auch Särge bren- te HwO zu novellieren, sondern Einigkeit über den Weg nen sehr gut. und über die Gewerke zu erzielen. Diese Aufmerksamkeit und teilweise auch Fleißarbeit – hier noch einmal herz- (Beifall bei der AfD – [SPD]: lichen Dank an das Ministerium – hat jedes einzelne Ge- Weil Sie sich alle mit Pfeifen auskennen!) werk im Handwerk auch verdient. Es fehlt, wie gesagt, noch eine ganze Reihe von Ge- Ich unterstelle der Opposition gute Absicht mit ihren werken, die unter Kulturgutschutz fallen, wie zum Bei- Anträgen. spiel der Damen- und Herrenschneider, der Schuster oder auch der Brauer und Mälzer. Ich sage dazu nur: deutsches (Thomas Lutze [DIE LINKE]: Das können Sie Bier. Hier wird nicht rückvermeistert, abgesehen davon, auch bei uns! Das ist immer so bei uns!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16701

Sabine Poschmann (A) Aber ich denke, wir sollten jetzt nicht auf die Schnelle Herzlichen Dank, und ich wünsche an dieser Stelle (C) alle möglichen Themen in die Novelle reinquetschen. Es allen schon mal eine schöne Weihnachtszeit. sind Vorschläge aus dem Bildungsbereich, also aus einem ganz anderen Bereich, und auch aus den Bereichen Büro- (Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer kratieabbau und Soziales. Der eine oder andere Vorschlag [CDU/CSU]: Wir haben noch eine Sitzungswo- ist diskussionswürdig, aber ich denke, wir sollten das che!) heute nicht übers Knie brechen. Das ist nämlich so, als wenn man kurz vor Ladenschluss mit seinen Klamotten Vizepräsidentin Petra Pau: an der Kasse steht und einem dann einfällt: Ach, ich Das Wort hat der Kollege Manfred Todtenhausen für könnte noch ein gelbes, grünes und rotes T-Shirt neh- die FDP-Fraktion. men. – Man sollte aber erst überlegen, ob das auch zum Vorhandenen passt. Und das tun wir. (Beifall bei der FDP)

(Beifall bei der SPD) Manfred Todtenhausen (FDP): Einiges von dem, was hier beantragt wurde, ist durch Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Koalitionsvorschläge und -beschlüsse schon obsolet ge- Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stünde heu- worden, Beispiel: Mindestausbildungsvergütung. Des- te nicht hier, wenn ich mich 1977 nicht dazu entschlossen halb stimmen wir heute – das wird Sie nicht wundern – hätte, den Meisterbrief zu machen. Er hat mein Leben den Änderungen der Opposition nicht zu. Wir wollen völlig verändert. Das Handwerk hat auch heute noch eine nämlich kein Aufschieben. Wir wollen keine weiteren starke Zukunft. Das erleben wir jeden Tag immer wieder Gutachten. Wir wollen heute die Rückkehr zur Meister- aufs Neue. In Zeiten, in denen Industrie und Exporte pflicht beschließen. lahmen, sehen wir im Handwerk weiterhin blühenden Aufschwung. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der FDP) Dennoch, denke ich, wird eine weitere Novelle folgen. Denn auch unsere Gespräche haben weitere Themenstel- Das gibt uns Gelegenheit, über Veränderungen nach- lungen sichtbar gemacht, die wir durchaus noch prüfen zudenken. Gerade im Bau- und Ausbauhandwerk sind die müssen. Ein Beispiel ist der Wunsch des DGB, eventuell Auftragsbücher voll. Das wird auch in den kommenden Veränderungen im Prüfungsausschuss vorzunehmen. Jahren hoffentlich so bleiben. Bei Berlin habe ich Beden- Aber auch hier sind die Diskussionen noch nicht abge- ken: Durch den Mietendeckel wird da einiges passieren. schlossen. Aber insgesamt glaube ich, dass dort viel Positives sein (B) wird. (D) Sie wissen: Die Herzensangelegenheit der SPD – aber auch meine ganz persönliche – ist und bleibt die Tarif- Wir werden weiterhin gut Arbeit haben im Wohnungs- bindung. bau. Auch bei Innovationen im Bereich Energie und Kli- ma, beim Einsatz moderner Smart-Technologie und bei (Beifall bei der SPD) der Digitalisierung ist das Handwerk gefordert. Zu tun gibt es also genug. Es kann nicht sein, dass uns Fachkräfte fehlen – und deren Fehlen wird von Arbeitgebern auch immer wieder be- (Beifall bei der FDP) klagt –, dass aber, wenn wir heute das Gesetz novellieren, Um diese Aufgaben erledigen zu können, brauchen wir um eine Besserung zu erreichen, die Tarifbindung im motivierte Unternehmen. Wir brauchen Selbstständige Handwerk bei 30 Prozent stagniert. und Führungskräfte, die in der Lage sind, Betriebe nach- Es gibt durchaus positive Beispiele von Arbeitgebern, haltig zu leiten und innovative Technologien und Klima- was die tarifliche Bindung angeht. Ich denke, die tarif- schutz vor Ort beim Kunden zu verbinden. Es sind unsere liche Bindung sollte eher ein Gütesiegel für Betriebe sein. Handwerksmeisterinnen und Handwerksmeister, die die- Die IG Metall hat für das Kfz-Gewerbe mit „Autohaus se Verantwortung übernehmen. Sie stehen für ein gesun- fair“ eine prima Kampagne gestartet, wo man faire Be- des Handwerk. Sie sind das Herz unseres Mittelstands triebe, die einen Tarifvertrag und Betriebsräte haben und und der Pfeiler unserer sozialen Marktwirtschaft. eine gute Ausbildung anbieten, auflistet. Zu Weihnachten (Beifall bei der FDP) würde ich mir wünschen, dass diesem Beispiel noch viel mehr Betriebe folgen. Denn es stärkt nicht nur die Tarif- Deswegen, meine Damen und Herren, tragen wir die bindung, es stärkt auch gleichzeitig das Handwerk. Erweiterung der Meisterpflicht dort mit, wo der Gefah- ren- und der Verbraucherschutz es europa- und verfas- (Beifall bei der SPD) sungsrechtlich möglich machen. Viele haben daran mit- Leider ist das nicht die Masse der Betriebe, und deshalb gearbeitet. Auch diesmal haben wir Profis angehört und müssen wir gemeinsam im nächsten Jahr noch einiges Gutachten zur Kenntnis genommen und sind davon über- tun. Ich freue mich, dass der Branchendialog jetzt im zeugt, dass hier Handlungsbedarf besteht. Handwerk fortgesetzt wird. Ich höre, im Sommer gibt Der Normenkontrollrat hat ebenso wie der Bundesrat es den nächsten Termin. Ich erwarte aber hier vom keine Einwände gegen den vorliegenden Gesetzentwurf. ZDH und von den Innungen, dass es mehr ist als eine Der Bestandsschutz für bestehende Betriebe ist gesichert. Absichtserklärung; sonst werden wir als Gesetzgeber ein- greifen. (Beifall bei der FDP) 16702 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Manfred Todtenhausen (A) Die Evaluierung soll nach fünf Jahren stattfinden. Dann Ich finde es irritierend, wenn Sie diesen Vorschlag nicht (C) wird sich herausstellen, ob die Wiedereinführung der aufgreifen. Meisterpflicht für die einzelnen Gewerke richtig ist. Meine Damen und Herren, wir sollten die Gelegenheit Beim Kulturgüterschutz tun wir uns allerdings sehr nutzen und dies als Nächstes auf den Weg bringen. Ich schwer. freue mich, dass der Wirtschaftsminister da ist und dass die berufliche und akademische Bildung gleichgesetzt (Tino Chrupalla [AfD]: Das ist wahr!) und damit interessanter wird. Das Handwerk ist immer Uns erscheinen die Abgrenzungen und die Begründungen noch Ausbilder der Nation. Es bringt Gesellinnen und schwierig, warum ein Gewerk darunterfällt und ein an- Gesellen hervor, die auch in anderen Branchen sehr be- deres nicht. Wir können den Verbraucherschutz beim Or- gehrt sind. Außerdem ist das Handwerk eine sichere gelbauer noch nachvollziehen; denn hier sind anspruchs- Bank, wenn es um Integration geht. volle Statiken erforderlich. Auch die Elektrik bedarf (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten besonderer Kenntnisse. Beim Böttcher, Drechsler und der SPD) anderen sind wir nicht so davon überzeugt. Da hätte man vielleicht auch andere nehmen müssen. Dennoch Wer im Handwerk bleibt, soll auch Aufstiegsmöglich- sagen wir: Daran lassen wir es nicht scheitern. keiten bekommen. Nicht jeder Mensch ist für eine akade- mische Laufbahn geeignet, nicht jeder hat die gleiche (Beifall bei der FDP) Begabung. Der Meisterbrief ist ein Abschluss für den Herr Chrupalla, natürlich darf man in einer liberalen Aufstieg von Menschen, deren Begabung besonders in Partei auch anderer Meinung sein. Bei uns wird lebhaft praktischer Arbeit liegt. Heute schaffen wir die Voraus- diskutiert, und da gibt es auch welche, die sagen, man setzungen dafür, dies zu würdigen. könnte den Meister auch nicht wieder einführen; das ist Wir Freien Demokraten wollen aber mehr. Wir wollen, ohne Weiteres möglich. Aber zu Ihrem Gesetzentwurf nur dass die Meisterausbildung genauso gebührenfrei ist wie so viel: Sie wollen die Meisterpflicht einfach eins zu eins ein Studium. Wir wollen, dass das Handwerk endlich von in allen B1-Gewerken wieder einführen. Wir halten das unnötiger Bürokratie entlastet wird. Die Bonpflicht für für falsche Folklore, weil Sie zwei Dinge außer Acht Bäcker und andere steht stellvertretend für Überwachung lassen: und übertriebene Regelungen. Unserem Antrag zur Be- freiung von dieser Pflicht können Sie morgen zustimmen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: „Fal- sche Folklore“! Schöne Beschreibung!) (Beifall bei der FDP) (B) Die Welt entwickelt sich technologisch und auch struktu- Das Bürokratieentlastungsgesetz IV, Herr Minister, (D) rell weiter. Es gibt neue Prozesse und wirtschaftliche muss jetzt auf den Weg gebracht werden. Das Bürokra- Rahmenbedingungen wie zum Beispiel den demografi- tieentlastungsgesetz III war nur ein Tropfen auf den hei- schen Wandel und veränderte Kundenansprüche. ßen Stein. Tun Sie etwas gegen zu viele Dokumentations- pflichten. Vereinfachen Sie endlich das Steuerrecht. (Tino Chrupalla [AfD]: Was hat das mit dem Machen Sie es den jungen Unternehmerinnen und Unter- Meister zu tun?) nehmern, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen, Sie geben vor, das Handwerk zu schützen. Dabei fällt es nicht so schwer. Dann sind wir im und mit dem Handwerk zurück, wenn es Ihrem Weg folgt. Mit Lösungen von auf dem richtigen Weg. gestern können Sie keine Probleme von morgen lösen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Sabine (Beifall bei der FDP) Poschmann [SPD])

Ihr Gesetzentwurf verteidigt einen alten Status quo, Vizepräsidentin Petra Pau: ohne Kriterien für eine verfassungs- und europarechtliche Für die Fraktion Die Linke hat nun der Abgeordnete Prüfung heranzuziehen. Sie blenden aus, dass wir eine Thomas Lutze das Wort. gerichtsfeste Entscheidung brauchen. So verstaubt wie Ihr Antrag ist das Handwerk von morgen zum Glück (Beifall bei der LINKEN) nicht. Unser Handwerk ist zukunftsorientiert und nicht rückwärtsgewandt. Thomas Lutze (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der FDP) 2004 hatte der Bundestag die Meisterpflicht in vielen Ge- Meine Damen und Herren, natürlich fehlt uns auch werken des Handwerks abgeschafft. Man wollte schnel- etwas im Entwurf von Union und SPD. Wir wollen den ler, flexibler und besser sein. Es gab schon damals zahl- Nachfolgern eines zukünftigen Betriebes genügend Zeit reiche Warnungen, auch von meiner Partei. Aber das war geben, ihren Meister zu machen. Deshalb wollen wir die eben der Zeitgeist, der damals herrschte. Aufgrund dieses Nachweispflicht von 6 Monate auf 24 Monate erhöhen, Zeitgeistes wurde auch Hartz IV eingeführt, der Niedrig- damit diese den Meisterbrief berufsbegleitend, eventuell lohnsektor ausgebaut und Leiharbeit von der Ausnahme auch auf der Abendschule, nachholen können. Das sind zur Regel gemacht. Es ist gut, zu beobachten, dass sich wir den jungen Menschen schuldig. der Wind langsam dreht. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der LINKEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16703

Thomas Lutze (A) Ja, Bedenken gab es bereits 2004: zum Beispiel bei der nicht hierhergehört, ist sehr bedauerlich. Wir werden aber (C) Sicherheit der Produkte und Leistungen, im Verbraucher- bei dem Thema dranbleiben. schutz – hier ging es um die Interessen der Kundinnen und Kunden – sowie bei den Arbeitsbedingungen der Be- Vizepräsidentin Petra Pau: schäftigen. All dies werde unter der Reform von 2004 leiden. – Wir und viele andere aus der Gesellschaft hatten Kollege Lutze. recht – leider. Auch deshalb stimmt die Linksfraktion heute dieser halben Rolle rückwärts zu. Es ist ein kleiner Thomas Lutze (DIE LINKE): Schritt, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Das verspreche ich Ihnen. (Beifall bei der LINKEN) Glück auf! Warum passiert nicht mehr? Es wird immer erklärt, das (Beifall bei der LINKEN) Wirtschaftsministerium habe geprüft, welche der betrof- fenen Gewerke wieder umgestellt werden können und Vizepräsidentin Petra Pau: welche nicht. Ja, es gibt mit Sicherheit die eine oder an- Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die dere europarechtliche Regelung, die heute anders ist als Kollegin Claudia Müller das Wort. 2004. Das muss beachtet werden. Aber der Strich, der gemacht wurde, war für meine Begriffe viel zu kurz. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt nämlich auch Widersprüche. Dass jetzt Gerüst- Claudia Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): bauer nur dann Gerüste aufbauen können, wenn sie einen Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Meisterbrief haben, ist richtig. Gleichzeitig dürfen aber Damen und Herren! Die gemeinsamen Ziele sind uns auch Reinigungskräfte bzw. Unternehmen der Reini- klar: Stärkung des Handwerks, Aufwertung der berufli- gungsbranche Gerüste aufstellen, ohne dass sie einen chen Aus- und Weiterbildung, Sicherung von Fachkräf- Meisterbrief besitzen. Bei allem Respekt – ich traue das ten. Hier herrscht Einigkeit. Ich gehe davon aus, dass wir diesen Unternehmen und Beschäftigten durchaus zu –: uns auch darin einig sind, dass mit dieser Novellierung Aber diese rechtliche Ungleichbehandlung ist nicht nach- der Handwerksordnung und der Rückführung von zwölf vollziehbar. Sorry, das können Sie auch nicht mit dem Berufen in die Anlage A nicht die Antwort auf all diese EU-Recht erklären. Das macht einfach keinen Sinn. Probleme gegeben wird. Aber diese Novellierung und die (Beifall bei der LINKEN) Rückführung sind gewünscht. Die Gefahrengeneigtheit bei den zwölf gewählten Berufen ist durchaus vorhanden, Zweiter Aspekt. In unserer Wirtschaft verzeichnen wir (B) und die Rückführung ist daher in einigen Punkten durch- (D) seit Jahren in vielen Bereichen einen erheblichen Fach- aus sinnvoll. kräftemangel – das ist gerade angesprochen worden –, auch im Handwerk. Die teilweise Wiedereinführung der Aber es bleiben weiterhin Hürden bestehen, und teil- Meisterpflicht kann hierfür nicht die alleinige Lösung weise werden sogar neue aufgebaut. Der Zugang zur sein. Sie ist aber im Bereich des Handwerks ein sehr Meisterausbildung ist weiterhin nicht barrierefrei. Er ist wichtiger Baustein. Im Bereich der Fliesenleger zum Bei- weiterhin mit hohen Kosten verbunden: pro Prüfung und spiel kam es zu einem sprunghaften Anstieg der Solo- Prüfling im Durchschnitt 6 600 Euro, dazu der Zeitauf- Selbstständigkeit. Das war für viele Handwerker fürwahr wand von durchschnittlich 1 445 Stunden; das entspricht kein Fortschritt. Häufig ging die soziale Absicherung die- 180 vollen Arbeitstagen. Zur Stärkung der Meisterausbil- ser Freiberufler verloren. Als Gesetzgeber müssen wir dung wäre es daher sinnvoller gewesen, erst einmal die bitte schön darauf achten, dass Derartiges vermieden gebührenfreie Meisterausbildung – das umfasst die Meis- wird. terprüfung und Vorbereitung darauf – einzuführen. Denn das wäre eine echte Gleichbehandlung von Studium und (Beifall bei der LINKEN) beruflicher Aus- und Weiterbildung. Trotz guter Ansätze packt diese Reform bei Weitem (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nicht alle Probleme des Handwerks an. Die geringe Tarif- bindung und die deswegen im Vergleich mit der Industrie Das würde allen Gewerken, ob mit oder ohne Meister- oft niedrigeren Löhne machen das Handwerk für viele pflicht, helfen. Denn Meisterinnen und Meister fehlen an Beschäftige eher unattraktiv. Es gibt hierfür sicherlich allen Ecken und Enden. keine einfachen Lösungen, aber es gibt dringenden Hand- Ich möchte zu den Punkten kommen, die ich tatsäch- lungsbedarf. Betriebliche Mitbestimmung und die Absi- lich ernsthaft an dieser Novelle kritisiere. Erst einmal cherung von tariflichen und fairen Löhnen ist ein Stand- grundsätzlich zur Methodik: Basierend auf freiwilligen ortvorteil in unserer sozialen Marktwirtschaft. Informationen von interessierten Verbänden, haben Sie Flächendeckende Tarifbindung bedeutet auch, dass bei die Entscheidung zur Wiedereinführung der Meister- Ausschreibungen und öffentlichen Aufträgen der Wett- pflicht getroffen. Das heißt, Gewerke aus der Anlage B1, bewerb zwischen den Unternehmen fair abläuft und kein die kein Interesse daran hatten, wurden erst gar nicht Lohndrückerwettbewerb stattfindet. bewertet. Ich finde das vom Grundansatz her schwierig. Sie machen Politik nach dem Motto „Vorschriften nur für (Beifall bei der LINKEN) die, die Lust darauf haben, und für alle anderen nicht“. Dass der Bundestag unsere Vorschläge, unsere Anträge Das kann eigentlich nicht unser Ansatz sein. Wenn eine damit abtut, dass dieses Thema nicht zur Sache und damit Prüfung erfolgt, dann muss sie für alle gleich erfolgen. 16704 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Claudia Müller (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C) sowie bei Abgeordneten der SPD) Ein weiterer Aspekt, der als Motivation für die Novel- lierung genannt wird, ist der Fachkräftemangel; auch Noch ein Satz zu dem Punkt, den Sie Evaluation nen- Herr Altmaier hat das wieder genannt. Der Grund dafür nen. Evaluation ist gut und wichtig, aber eine einmalige ist ebenfalls benannt worden: die starke Abwanderung Evaluation nach fünf Jahren ist uns zu wenig. Und nein, aus dem Handwerk hin in die Industrie und in andere eine Beantwortung von Anfragen zählen wir nicht als Bereiche. Ja, einer der Hauptgründe ist weiterhin das Evaluation. Auch hier fordern wir ganz klar: früher und niedrigere Lohnniveau. Um hier einen echten Schritt nach regelmäßig und in allen Gewerken. Das muss uns das vorne zu gehen, brauchen wir die Stärkung der Tarifbin- Handwerk wert sein. Wir müssen dauerhaft darauf dung im Handwerk. schauen und frühzeitig erkennen, wo wir nachsteuern müssen. Deswegen brauchen wir eine regelmäßige und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine frühzeitige Evaluation. Eine Zustimmung zu unse- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) rem Änderungsantrag würde keine Verschiebung der No- vellierung nach sich ziehen. Das hat selbst Frau Dr. Merkel jüngst betont. Allgemein- verbindliche Tarifverträge können dazu beitragen, Dum- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) pingpreise und unfairen Wettbewerb im Handwerk zu Zum Schluss will ich dann doch noch versöhnlich wer- verhindern. Der Hinweis auf eine weitere Novelle ist den, es ist ja Vorweihnachtszeit. Es ist gut, dass wir uns schön, aber wir hätten diese Frage schon mit dieser No- hier im Bundestag so intensiv mit dem Handwerk aus- velle angehen sollen und können. Wir haben hier mehr- einandersetzen, und es ist gut, dass diese Novellierung fach Änderungen vorgeschlagen. nicht den Schlusspunkt dieser Auseinandersetzung dar- stellt. Denn um das Handwerk zu stärken, müssen wir in (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die Zukunft blicken und dürfen nicht an einer scheinbar Es gibt einen weiteren Sachverhalt, den ich wirklich für glorreichen Vergangenheit festhalten. Um den Fachkräf- problematisch halte – Herr Todtenhausen hat ihn schon temangel wirklich anzugehen, brauchen wir Investitionen angesprochen –: Wir haben Bestandsschutz für die Be- in Bildung und Weiterbildung, eine echte Gleichwertig- triebe ohne Meister in den zwölf jetzt betroffenen Gewer- keit von akademischer und betrieblicher Ausbildung und ken. Wenn diese aber jetzt eine Gesellschafterin hinzu- attraktive Bedingungen für die heutigen und auch für die nehmen, erlischt dieser Bestandsschutz. Wir haben eine zukünftigen Beschäftigten. Übergangsfrist von sechs Monaten. Sechs Monate kön- Wir werden uns heute bei der Abstimmung über die nen in vielen Fällen zu wenig sein. Denn wenn ich jetzt (B) Novelle enthalten; denn es gibt, wie gesagt, noch Punkte, (D) ungeplanterweise einen Betrieb abgeben muss – das kann an denen wir noch deutliche Kritik üben. aus den verschiedensten Gründen der Fall sein –, finde ich am Markt aktuell nicht die Meisterin oder den Meister, Vielen Dank. die oder der diesen Betrieb übernehmen kann. Das heißt, ich habe hier ein echtes Risiko für möglicherweise gut (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gehende Betriebe, dass diese aus der Handwerksrolle ge- löscht werden und möglicherweise Arbeitsplätze und Vizepräsidentin Petra Pau: Fachkräfte verloren gehen. Das Wort hat der Kollege Jens Koeppen für die CDU/ CSU-Fraktion. Deswegen haben wir hier eine deutlich längere Über- gangsfrist von bis zu fünf Jahren gefordert. Sie werden (Beifall bei der CDU/CSU) fragen: Wieso so lange? Ja, es muss möglich sein, die Meisterausbildung in Teilzeit neben der Betriebsführung Jens Koeppen (CDU/CSU): zu machen. Auch Mutterschutz und Elternzeit sollten als Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen mögliche Faktoren eingerechnet werden. Denn wenn wir und Kollegen! Kurz vor Weihnachten legen wir dem deut- junge Menschen für das Handwerk gewinnen wollen, und schen Handwerk nun ein langersehntes Gesetzespaket ja, wenn wir Frauen für das Handwerk gewinnen wollen, unter den Weihnachtsbaum, nämlich unsere Novelle der dann müssen wir diese Aspekte bei allen Punkten mitden- Handwerksordnung. Diese stellt das Handwerk noch zu- ken. Das wird hier nicht getan. Wir brauchen diese länge- kunftssicherer auf, als es ohnehin schon ist. re Übergangsfrist. Denn wir möchten wirklich allen die Möglichkeit geben, diese Ausbildung zu machen, um die- Meine Damen und Herren, im Ergebnis der drastischen se Qualifikation zu erreichen. Änderung der Handwerksordnung im Jahre 2003 wurden 53 Gewerke in die Anlage B1 genommen, es bestand für (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sie also keine Zulassungspflicht mehr. Es war für diese Gewerke nicht mehr notwendig, bei der Gründung eines Deswegen bitte ich Sie, unserem Änderungsantrag zu Unternehmens oder bei der Ausbildung einen Meistertitel diesem Punkt zuzustimmen. Das schiebt die Novellierung vorzuweisen. In der Folge gab es eine Vielzahl an Fehl- ja nicht hinaus, sondern die Änderung würde die Novel- entwicklungen, Probleme, die der damalige Gesetzgeber lierung in diesem Punkt verbessern. Es würde einen bes- so möglicherweise nicht sehen konnte. Es entstanden seren Bestandsschutz für die Betriebe bedeuten, die am mehr Betriebe, ja, aber in der Summe gab es weniger Markt sind; denn wir können es uns aktuell nicht leisten, Beschäftigte. Weniger Meister hieß: weniger Qualität. gute Handwerksbetriebe zu verlieren. Weniger Qualität hieß: schlechter Ruf, Gewährleistungs- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16705

Jens Koeppen (A) probleme, Vertrauensverlust. Weniger Meisterbetriebe 2005 aufgrund der alten Gesetzgebung selbstständig ge- (C) bedeutete aber auch: weniger Ausbildungsbetriebe, weni- macht haben, müssen ihren Betrieb weiterführen können. ger Lehrlinge in den Betrieben. Es gab weniger Markt- Deswegen ist eine prinzipielle Rückvermeisterung auch stabilität durch die vielen Insolvenzen und am Ende viele gar nicht möglich. Solo-Selbstständige, die sich selbst ausgebeutet haben oder in die Schwarzarbeit abgewandert sind. Das alles In einigen Jahren werden wir uns das alles wieder an- sind die Probleme. schauen. In dieser Zeit können sich die Gewerke neu auf- stellen und können auch neu bewertet werden. Wir haben Mit dieser Novelle wollen wir diese Fehlentwicklun- viele Briefe von den Bestattern, von den Gold- und Sil- gen gezielt beseitigen. Das machen wir mit Augenmaß. berschmieden, von den Buchbindern, von den Kosmeti- Diese Novelle wurde in enger Zusammenarbeit mit den kern usw. bekommen, die alle – das sage ich ganz ehrlich – Verbänden, mit den Innungen, mit den Handwerksorga- natürlich auch das Recht haben, in die Handwerksrolle A nisationen, mit Gegnern und Befürwortern der Meister- eingetragen zu werden. Allerdings müssen sich diese Ge- pflicht, mit dem Wirtschaftsministerium und hier im Ple- werke – erstens – in ihren Landesverbänden selber einig num intensiv erörtert. Am Ende des Prozesses stelle ich werden und müssen sich – zweitens – bei der nächsten fest – das gilt für die meisten in diesem Hause –, dass es Anhörung, dann, wenn es wieder so weit ist, besser auf- ein gutes Gesetzespaket geworden ist, das sich sehen las- stellen, was ihr Gewerk betrifft. Da gab es wohl Defizite. sen kann, obwohl natürlich nicht alle Wünsche erfüllt Ich hätte diese Gewerke gerne dort gesehen, wo sie hin- werden konnten; ich komme gleich darauf zurück. Aber gehören, in der Anlage A, aber das hat erst einmal noch es ist ja nicht das letzte Weihnachten. Wir werden dran- nicht so geklappt. bleiben. Meine Damen und Herren, unsere Gesetzesinitiative (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) fördert den Wettbewerb. Es wird von manchen Medien immer wieder gesagt, wir wollten den Wettbewerb ein- Meine Damen und Herren, es ging uns darum, das schränken. Nein, wir wollen den Wettbewerb überhaupt Ganze mit Augenmaß zu machen. Dabei mussten wir nicht einschränken. Wir wollen Wettbewerb, aber den uns an ganz klaren Kriterien, an ganz klaren Maßstäben Wettbewerb der Besten. Wir wollen einen Wettbewerb ausrichten: Erstens war das die Europarechtskonformität. der Qualität, einen Wettbewerb der Zuverlässigkeit, einen Man muss wissen, dass es in Brüssel nicht nur Freunde Wettbewerb der Könner. Genau dafür steht der Meister- des Meistertitels gibt. Deswegen war es ganz wichtig, die titel. Um den Meistertitel und um die duale Ausbildung Europagesetzgebung voll im Blick zu haben. Zweitens beneiden uns in Europa ganz viele Länder, obwohl sie es musste unser eigenes Grundgesetz beachtet werden, hier natürlich nicht gerne zugeben. Artikel 12, der Schutz der Berufsfreiheit. Wenn es darum (B) geht, stehen die Leute sehr schnell vor den Toren von Wenn es um die Zukunftsfragen unseres Landes geht, (D) Karlsruhe und klagen. Deswegen kann man nicht einfach dann führt kein Weg am Handwerk vorbei. Ob das Nach- sagen, man wolle alles rückvermeistern, obwohl wir das haltigkeit ist, Ressourceneffizienz, Smart Home, alterna- möglicherweise sogar wollen. Das ist nicht ganz so ein- tive Antriebe, Digitalisierung, künstliche Intelligenz, all fach. Drittens gab es natürlich den Punkt der präventiven das erfordert Menschen, die ihr Handwerk verstehen. Gefahrenabwehr bei einigen Gewerken; wir haben darü- Deshalb ist es richtig, dass das deutsche Handwerk selbst ber gesprochen. Darüber hinaus ging es um die Erhaltung von sich sagt: Zukunft kommt von Können. des immateriellen Kulturerbes, darum, traditionelle Tech- niken, Fachwissen, altes Handwerk in die nächsten Ge- Vielen Dank. nerationen mitzugeben und abzusichern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ganz wichtig für das deutsche Handwerk, für unsere Sabine Poschmann [SPD]) Wirtschaft sind insbesondere die Ausbildungsleistung und die Nachwuchsförderung. Die Stärkung unserer dua- Vizepräsidentin Petra Pau: len Ausbildung, ein Erfolgsrezept des deutschen Hand- Das Wort hat der Abgeordnete Frank Pasemann für die werkes, wollen wir mit dieser Novelle weiterhin voran- AfD-Fraktion. treiben. Das ist für mich der allerwichtigste Punkt. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, liebe Freunde, mit dem Frank Pasemann (AfD): Gesetzentwurf werden nun nach einem monatelangen Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach Prozess zwölf zulassungsfreie Handwerksgewerke – dem Zweiten Weltkrieg lag Deutschland wirtschaftlich, man kann sagen: nur zwölf; ich sage: immerhin zwölf – militärisch und moralisch am Boden. In den Folgejahren wieder zulassungspflichtig, werden wieder in die Anlage entwickelte sich allerdings durch die Wirtschaftspolitik A eingetragen. Darüber hinaus werden weitere Gewerke Ludwig Erhards unter dem Schlagwort „Wirtschaftswun- aus der Anlage B2 – das sind die handwerksähnlichen der“ eine florierende soziale Marktwirtschaft, die sich vor Betriebe – wieder in die Anlage B1 aufgenommen; das allem auf eines stützte: auf das Handwerk. Dieses baute sind die Handwerksbetriebe ohne Zulassungspflicht. die daniederliegende deutsche Wirtschaft in fast allen Be- Aber auch die Politik muss verlässlich sein. Deswegen reichen wieder auf, und schon bald spielte Deutschland haben wir gesagt – das ist ganz wichtig; darauf haben Sie mit seiner Wirtschaftskraft wieder im Konzert der Großen schon hingewiesen –, dass wir einen klaren Bestands- mit. Die deutsche Politik und Wirtschaft galten wieder schutz verankern müssen: Diejenigen, die sich im Jahr etwas in der Welt, die Deutsche Mark wurde zum Inbe- 16706 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Frank Pasemann (A) griff einer starken europäischen Wirtschaftspolitik. Das Platz in unserer Gesellschaft zuzuweisen. Sie sind und (C) deutsche Handwerk hatte goldenen Boden und bildete das bleiben das Rückgrat unserer Wirtschaft. Hierbei kann Rückgrat des Mittelstandes. Ein deutscher Meisterbrief in eine weiter reichende Wiederherstellung der Meister- einem Handwerksberuf wurde weltweit als Empfehlung pflicht nur dienlich sein. und Gütesiegel für handwerkliche Meisterleistungen an- gesehen. Danke. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD) Der deutsche Handwerksmeister muss insofern als Kul- turgut gelten. Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Gabriele Katzmarek für die (Beifall bei der AfD) SPD-Fraktion. Doch wie steht es heute um das einst viel gerühmte deutsche Handwerk? Dem Handwerk fehlt es an dringend (Beifall bei der SPD) benötigtem Nachwuchs. Mit der zunehmenden Interna- tionalisierung der Ausbildung durch den sogenannten Bo- Gabriele Katzmarek (SPD): logna-Prozess ging eine Angleichung der akademischen Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Standards einher, oft nicht ohne Qualitätsverluste. Wir Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! verloren in diesem Zug ein weiteres Kulturgut: den deut- Nachdem ich vor ungefähr drei Wochen bei mir zu Hause schen Ingenieur. einen Handwerker angerufen hatte, kam er auch recht Immer mehr junge Menschen machen Abitur und einen prompt, und wir unterhielten uns darüber, was er denn Universitätsabschluss. Wir erleben derzeit eine wahre bei uns machen könnte. Er sagte mir zu, dass er uns ein Akademikerschwemme, besonders in den sogenannten Angebot schickt. Wenn wir dieses Angebot annähmen, Geisteswissenschaften. dann würde er es schaffen, so im März/April die Arbeit zu erledigen. – So wie es mir ging, geht es wahrscheinlich ( [Erfurt] [SPD]: Mein Gott! recht vielen in Deutschland, dass man anruft, wenn man Es ist Ihnen schwergefallen, das zu sagen!) einen Handwerker braucht, und der Handwerker sagt: Oh, Die derzeitigen Bildungspolitiker landauf, landab sehen das wird aber noch eine Weile dauern, bis ich zu Ihnen darin einen Erfolg. Doch wohin mit all diesen Geistes- kommen kann. wissenschaftlern? In der Wirtschaft kann man zum groß- Was das mit der Wiedereinführung der Meisterpflicht en Teil nichts mit ihnen anfangen. (B) und der Debatte, die wir heute führen, zu tun hat, mag sich (D) ( [SPD]: Die geistreichen Men- auf den ersten Blick nicht erschließen, auf den zweiten schen sind gefährlich für Sie!) sehr wohl. Sicherlich führt die Wiedereinführung der Meisterpflicht – das wurde heute schon gesagt – zu einer Aus dieser Politik erwächst dem Handwerk eine ge- Erhöhung der Qualität in gewissen Gewerken, die drin- fährliche Konkurrenz. gend notwendig ist. Es geht darum, dass nicht Unqualifi- (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Oh Gott! zierte Arbeiten ausüben, dass sie nicht Beschäftigte miss- Das ist ja ganz finster!) brauchen, für einen Appel und ein Ei in unseren Häusern, in unseren Wohnungen zu arbeiten. Es geht aber auch Viele junge Menschen, die eigentlich nicht für eine aka- darum, Fachkräfte für das so wichtige Handwerk zu ge- demische Laufbahn geeignet sind, winnen. Es geht darum, die Attraktivität des Handwerks zu steigern, und es geht darum, Qualifizierungswege für (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Woher die jungen Menschen, die sich für einen Handwerksberuf wissen Sie das?) entscheiden, zu verbessern. werden in die akademische Ausbildung getrieben. Dies alles kann nicht im Interesse der deutschen Berufsbildung (Beifall bei der SPD) sein. Stärkeres Ziel unserer Berufsförderungspolitik muss Auch dieser Handwerker, von dem ich am Anfang ge- der Anreiz zu einer selbstständigen Tätigkeit in einem redet habe, ist ein Handwerker, der ausbildet. Mein Bei- Meisterberuf sein. Die Bundesregierung muss es endlich spiel sollte keine Handwerkerschelte sein. Wir erleben schaffen, mit ihrer Politik die Begeisterung für den hand- aber, dass sich immer weniger Jugendliche für eine Aus- werklichen Beruf in unserer Jugend wiederzuerwecken. bildung im Handwerk entscheiden, 20 000 Ausbildungs- (Beifall bei der AfD – Dr. Gesine Lötzsch [DIE plätze unbesetzt bleiben, und das bedeutet: Wir müssen LINKE]: Das ist nicht eure Jugend!) dort handeln. Der Meistertitel als Qualitätsgarant muss als solcher Jetzt ist es der erste Schritt – sicherlich ist es nur der gesichert werden, und das Handwerk muss auch in erste Schritt –, eine Meisterpflicht für gewisse Gewerke Deutschland wieder den anfangs erwähnten goldenen Bo- wiedereinzuführen; aber dies reicht bei Weitem nicht aus. den bekommen. Wenn das Lohnniveau der Handwerker immer noch 20 Prozent unter dem der anderen Beschäftigten liegt, (Beifall bei der AfD) wenn Handwerker in Metropolregionen im Durchschnitt Ziel unserer Politik muss es sein, dem Mittelstand, insbe- 1 800 bis – dann schon Gutverdienende – 2 900 Euro sondere dem deutschen Handwerk, den ihm gebührenden brutto verdienen, gibt es dort Nachholbedarf. Auch das Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16707

Gabriele Katzmarek (A) gehört dazu, wenn wir das Handwerk attraktiver machen (Martin Reichardt [AfD]: Das stimmt! – Tino (C) wollen, meine Damen und Herren. Chrupalla [AfD]: Das ist aber so geblieben!) (Beifall bei der SPD) Aber diese Lektion haben wir gelernt. Übrigens: Auch Friedrich Engels und August Bebel waren tüchtige priva- Herr Chrupalla, ich war gerade schwer entsetzt über te Unternehmer. Ihre Aussage, als Sie sagten, das sei mal ein heller Mo- ment des DGB gewesen, als er sich auch für die Rück- (Beifall bei der LINKEN) vermeisterung ausgesprochen habe. Vielleicht war ich doch nicht entsetzt, weil Sie sich bereits gestern im Wirt- Als Unternehmer höre ich mich in Verbänden und schaftsausschuss negativ über Tarifverträge und Tarifbin- Kammern gelegentlich um, und da besteht der Verdacht dung geäußert und gesagt haben: Das ist ja alles so ein gegenüber FDP und CDU, dass zwar schöne Sonntags- linkes Zeugs, womit Sie wieder ankommen. – Aber das reden für den Mittelstand gehalten, aber oft nur die Kon- spricht für Ihre Fraktion Bände. zerne gepampert werden, (Tino Chrupalla [AfD]: Nein! Ich habe gesagt, (Manfred Todtenhausen [FDP]: Wie kommen das gehört dort nicht rein! Sie müssen hinhö- Sie denn darauf?) ren!) während ökologische Bäuerinnen und Bauern aufstecken Während die anderen Fraktionen darüber reden, wie müssen, Gastwirte unter bürokratischen Schikanen wir die Arbeitsverhältnisse in den Berufen in Deutschland schließen müssen, auch weil sie in der Familie keinen besser machen können, wie wir dazu beitragen können, Nachfolger mehr finden, Handwerker am Wochenende dass die Menschen gerecht bezahlt werden, reden Sie bis tief in die Nacht an Papieren und Steuererklärungen darüber, dass das linkes Zeug ist und dass der DGB ja sitzen – übrigens für Mehrwertsteuer, die sie noch gar mal einen hellen Moment hatte. nicht bekommen haben. (Martin Reichardt [AfD]: Sie haben doch den Aber das Handwerk verlagert keine Arbeitsplätze und größten Niedriglohnsektor geschaffen, keine Steuersparmodelle ins Ausland, und das Handwerk Mensch!) ist nicht an Cum-Ex-Geschäften beteiligt, übrigens auch nicht an Kriegen. Wenn nun die GroKo einmal auf das Das finde ich sehr bedauerlich. Handwerk zugeht und eine bewährte Tradition wieder Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter aufleben lässt, den Meisterbrief, dann stimmen wir aus Herr Altmaier, lassen Sie uns den weiteren Schritt gehen: ebendiesen Gründen zu. die Aufnahme des Dialogprozesses, wie es der DGB und (B) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- (D) die Verbände fordern, - ten der SPD – Karl Holmeier [CDU/CSU]: Oh!) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Meisterbrief ist ein Schutzbrief für Kunden. Die Frau Kollegin. Meisterpflicht ist ein Schutzbrief gegen Pfusch am Bau, für Fachkräfte im Handwerk, für qualifizierte Auszubil- Gabriele Katzmarek (SPD): dende durch qualifizierte Meister. – um weiterhin dafür Sorge tragen zu können, dass das Handwerk wieder zu dem wird, was es in der Vergangen- (Beifall bei der LINKEN) heit war: ein guter Ausbildungsbetrieb mit guten Fach- Darum ist die Meisterausbildung übrigens völlig kosten- kräften. frei zu halten so wie jedes Studium. Das will Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Katzmarek. Selbstständige müssen im Übrigen gegen Altersarmut im Rentenalter und Krankheit gesetzlich genauso versi- Gabriele Katzmarek (SPD): chert werden wie andere. Auch das will Die Linke. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der SPD) Private Unternehmen sind nämlich die natürlichen Part- ner für Frieden – gegen Russland-Sanktionen übrigens Vizepräsidentin Petra Pau: auch –, für soziale Gerechtigkeit, für Klimaschutz, gegen Rassismus und für Integration; das wurde vorhin schon Das Wort hat Dr. Diether Dehm für die Fraktion Die ausgeführt. Linke. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines müssen wir Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): auch sagen: 75 Prozent der Aufträge für kleine und mitt- Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Gestatten Sie mir eine lere Unternehmen kommen aus öffentlichen Kassen. Das Vorbemerkung. In der Geschichte sind die Linken nicht sind weit über 400 Milliarden Euro. Deswegen will Die immer klug und nicht immer gut mit den Kleinunterneh- Linke mehr davon und weniger für Rüstungsaktionäre. mern umgegangen. Das ist immer die Frage, die von Linken anzusprechen ist. 16708 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Dr. Diether Dehm (A) (Beifall bei der LINKEN) für die Auswahl der Gewerke geeinigt – sie wurden schon (C) angesprochen –: Lassen Sie mich zum Abschluss kommen. Wir brau- chen ein neues Kapitel für die Lösung unserer Zukunfts- Erstens. Es muss sich um ein gefahrgeneigtes Hand- probleme zwischen den Gewerkschaften, den Mittel- werk handeln. Das heißt, dass Fehler bei der Ausübung zu schichten und natürlich auch dem Staat. Auch dafür schwerwiegenden Konsequenzen für Leben und Gesund- machen wir Druck von links. heit führen können. Ich danke Ihnen. Zweitens. Wir haben Handwerke berücksichtigt, die Träger unseres kulturellen Erbes sind, Gewerke, deren (Beifall bei der LINKEN) Techniken einzigartig sind und die bedeutende Kulturgü- ter schaffen. Die Weitergabe von Wissen und Können Vizepräsidentin Petra Pau: muss hier einem besonderen Anspruch gerecht werden. Das Wort hat der Kollege Karl Holmeier für die CDU/ Drittens. Es gilt, die Vorgaben des Verfassungs- und CSU-Fraktion. des Europarechts einzuhalten. Besonders schwer wiegt (Beifall bei der CDU/CSU) der Eingriff ins Grundgesetz. Auch hier galt es, genau abzuwägen. Karl Holmeier (CDU/CSU): Anhand dieser drei Kriterien – Gefahrgeneigtheit, kul- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen turelles Erbe und Rechtskonformität – haben wir die Ent- und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! scheidung für die Wiedereinführung der Meisterpflicht in Ich glaube, wir sind uns heute ziemlich einig: Die Wie- zwölf Gewerken getroffen. Wichtig ist: Für bestehende dereinführung der Meisterpflicht für zwölf Berufe ist gut Betriebe, die ohne Meisterbrief gegründet wurden, haben und notwendig. Lediglich die Wünsche bei der Umset- wir uns auf die Einführung eines Bestandsschutzes ge- zung unterscheiden sich. Entscheidend ist doch aber: Wir einigt. Damit sorgen wir für Rechtssicherheit. Das ist ge- setzen die Reform der Handwerksordnung jetzt um. Wir rade für diese Unternehmen von besonderer Bedeutung. stärken damit das Handwerk und die Verbraucher, und Die Arbeit der Koalitionsarbeitsgruppe wurde dabei wir stärken damit den Mittelstand. Der Meisterbrief im tatkräftig vom Wirtschaftsministerium unterstützt. Dafür deutschen Handwerk ist die beste Garantie für Qualitäts- einen herzlichen Dank an Sie und an Ihr Haus, sehr ge- arbeit. ehrter Herr Minister Altmaier! Ich danke auch den betei- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ligten Handwerksverbänden, den Innungen und den Ge- werkschaften. In Stellungnahmen und Anhörungen haben (B) (D) Für den Kunden bedeutet der Meisterbrief Verlässlichkeit sie ihre Standpunkte verdeutlicht und sich rege in den und Sicherheit, für den Handwerkermeister ist der Meis- Prozess eingebracht. Den Gewerken, die jetzt nicht be- terbrief ein Nachweis und eine Auszeichnung für höchste rücksichtigt werden konnten, sage ich: In fünf Jahren Handwerkskunst und Handwerksfähigkeit. Zu Recht ge- evaluieren wir das Gesetz. In fünf Jahren wird wieder nießen Meister in Deutschland hohe Wertschätzung und geprüft, ob die Meisterpflicht für weitere Gewerke einge- Anerkennung. Darauf können wir alle stolz sein. führt wird. Die Reform der Handwerksordnung ist Teil unserer Abschließend danke ich noch den Kolleginnen und Politik für einen starken Mittelstand. Besonders im länd- Kollegen der Arbeitsgruppe für die gute und konstruktive lichen Raum ist das Handwerk Rückgrat und Motor der Zusammenarbeit. Auf das vorliegende Ergebnis, meine mittelständischen Wirtschaft und einer der größten Damen und Herren, können wir stolz sein. Daher mein Arbeitgeber und vor allem Ausbilder. Die zahlreichen Appell: Stimmen Sie heute unserem Gesetz zu! Lassen kleinen und mittleren Handwerksbetriebe bieten vielen Sie uns heute das Handwerk stärken! Lassen Sie uns heu- Jugendlichen gerade im ländlichen Raum einen attrakti- te den Mittelstand stärken! ven Ausbildungsplatz und damit eine Perspektive vor Ort. Das deutsche Handwerk, meine Damen und Herren, hat Vielen Dank. damit einen großen Anteil daran, dass Deutschland die (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa hat. ordneten der SPD) (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) Mit der Wiedereinführung der Meisterpflicht sichern wir Vizepräsidentin Petra Pau: hohe Ausbildungsstandards für den Nachwuchs. Wir Das Wort hat der Kollege Andreas Rimkus für die schaffen die Grundlage einer fachgerechten, hochwerti- SPD-Fraktion. gen Lehre. Damit treten wir dem Trend rückläufiger Aus- (Beifall bei der SPD) bildungszahlen im Bereich der Handwerke der Anlage B entgegen. Wir stärken mit dem heutigen Beschluss die Andreas Rimkus (SPD): Ausbildung im Handwerk. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Natürlich stellt sich die Frage, warum wir nur für zwölf Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Gewerke den Meister zurückbringen. Diese Entscheidung Ich freue mich über die Gelegenheit, heute zum Hand- ist das Ergebnis eines langen Arbeitsprozesses. In der werk sprechen zu dürfen; es ist mir auch ein persönliches Koalitionsarbeitsgruppe haben wir uns auf drei Kriterien Anliegen. Wie Sie vielleicht wissen, sind gerade einmal Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16709

Andreas Rimkus (A) sieben von uns Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten ganz zentrale Gewerke in die Zulassungspflicht zurück- (C) Handwerksmeister, zuholen. (Jens Koeppen [CDU/CSU]: Immerhin!) Früher haben wir gesagt: „Handwerk hat goldenen Bo- den.“ Das gilt heute leider nicht mehr überall. Vor allem also etwas weniger als 1 Prozent unserer „Belegschaft“. vor dem Hintergrund der existenziellen Bedeutung des Ich bin sehr stolz, mich dazuzählen zu dürfen. Handwerks einerseits, aber auch vor dem Hintergrund (Beifall bei Abgeordneten der SPD – zum Teil prekärer Beschäftigung im Handwerk sowie Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist toll!) des allgegenwärtigen Fachkräftemangels andererseits ist es in der Tat von entscheidender Wichtigkeit, dass wir Ich habe 1988 meinen Meister im Elektrohandwerk hier gegensteuern. Einige meinen übrigens, im Sinne gemacht und war vor meinem Mandat viele Jahre lang einer kapitalismuskompatiblen Altersvorsorge habe in meiner Heimatstadt Düsseldorf unterwegs, wo ich Deutschland zu wenige Anlegerinnen und Anleger. Nein, Stromnetze gebaut und gewartet habe. Neben der hand- das ist nicht wahr: Wir haben zu wenig Fliesenlegerinnen werklichen Tätigkeit selbst war ich aber auch Betriebsrat und Fliesenleger. Das ist der entscheidende Punkt. bei den Düsseldorfer Stadtwerken. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sehr gut!) Ich bin froh, dass wir heute den Schritt für eine Investition Sie können mir glauben, dass ich als Handwerksmeister in die Zukunft gehen: Handwerk soll wieder goldenen einerseits und Gewerkschafter andererseits eine ziemlich Boden haben. gute Vorstellung davon habe, welche Bedeutung das Ein Hinweis noch. Es ist ein bisschen billig, alles auf Handwerk hat, wie außerordentlich wichtig die Arbeit die letzte Novelle der Handwerksordnung aus dem Jahr der Handwerkerinnen und Handwerker für unsere Gesell- 2004 zu schieben. Die Zeit damals war anders; es herrsch- schaft ist und welche besondere Rolle einerseits die Qua- te Massenarbeitslosigkeit. Wir mussten etwas tun. Die lität, andererseits aber auch die Anerkennung dieser Ar- Rahmenbedingungen waren damals andere als heute – beit spielen. Gott sei Dank –, und deswegen ist es klug, wieder zur (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Gesine Meisterpflicht zurückzukehren. Wo Handwerk ist, wird Lötzsch [DIE LINKE]) ausgebildet, wo Handwerk ist, ist Zukunft. Ich finde, die- ser Anforderung werden wir gerecht, und damit werden Liebe Kolleginnen und Kollegen, das können wir an wir auch den Betrieben gerecht. den ganz großen Zahlen zu den Gewerken festmachen: 1 Million Betriebe und 5 Millionen Jobs entfallen hierzu- (Beifall bei der SPD) (B) (D) lande auf das Handwerk. Es trägt zudem zu mehr als Ich bin sicher, dass wir nicht nur heute ein gutes Gesetz einem Viertel aller Auszubildenden bei. Ich finde, das verabschieden, sondern auch mit der Novelle des Auf- ist ein gewaltiger Beitrag. Um sich die existenzielle Be- stiegsfortbildungsförderungsgesetzes – was für ein Unge- deutung dieser Arbeit vor Augen zu halten, ist es gar nicht tüm –, nötig, in die Ferne zu schweifen und auf diese großen Zahlen zu schauen, sondern genügt es möglicherweise (Beifall der Abg. Sylvia Lehmann [SPD]) schon, an das eigene Badezimmer, die eigene Küche, das wir morgen behandeln, dafür kämpfen werden, dass die Fenster, den Fußboden oder die Heizung zu Hause das BAföG besser wird. zu denken, also an all die Dinge, für die Sie Handwerker- innen und Handwerker benötigen. Da geht es ganz schnell Bevor mir jetzt das Wort entzogen wird und ich leiden- um die Sicherheit von Leib und Leben – als Elektriker schaftlich werde, darf ich mich fürs Zuhören bedanken. darf ich Ihnen sagen: das ist wahr –, Das Handwerk hat Zukunft, weil wir klug handeln. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das glaube Schönen Dank. ich gern!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten aber auch um nennenswerte materielle und immaterielle der CDU/CSU) Werte. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau! Vizepräsidentin Petra Pau: „Aktives Zuhören“ nennt man das!) Ich schließe die Aussprache. – Danke schön, das freut mich sehr. Ich bin ja auf Ihrer Wir kommen zur Abstimmung über den von den Frak- Seite; denn ich finde auch, dass wir gerade im Handwerk tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Gesetzent- etwas bei den Löhnen und Tarifen tun müssen. Das ist wurf zur Änderung der Handwerksordnung und anderer unwahrscheinlich wichtig, handwerksrechtlicher Vorschriften. Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie empfiehlt unter Buchstabe a sei- (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Absolut!) ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/15873, den und ich weiß, dass wir da gleich ticken. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 19/14335 in der Ausschussfassung anzu- Gefahrgeneigte Handwerke sind das eine, aber auch nehmen. Hierzu liegen drei Änderungsanträge der Frak- solche von außerordentlicher kultureller Bedeutung sind tion Bündnis 90/Die Grünen vor, über die wir zuerst ab- wichtig. Deswegen haben wir uns entschieden, zwölf stimmen. 16710 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Vizepräsidentin Petra Pau (A) Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache – Teile der AfD-Fraktion. (C) 19/15878? – Das sind die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Wer stimmt dagegen? – Das sind (Tino Chrupalla [AfD]: Nein, nein, nein! – die Koalitionsfraktionen, die AfD-Fraktion und die FDP- Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Natürlich! Fraktion. Wer enthält sich? – Niemand. Der Änderungs- Eindeutig! Das ist so!) antrag ist abgelehnt. – Es ist so. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache (Tino Chrupalla [AfD]: Bei anderen sind Sie 19/15879? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – aber sehr valide!) Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitions- fraktionen gegen die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen Wer stimmt dagegen? und Die Linke bei Enthaltung der AfD-Fraktion und der FDP-Fraktion abgelehnt. (Unruhe) Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache – Ich frage nach wie vor nach der Ablehnung des Gesetz- 19/15880? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – entwurfes. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die FDP- Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitions- Fraktion, die Fraktion Die Linke und die Fraktion Bünd- fraktionen und der AfD-Fraktion gegen die Fraktion nis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Niemand. Der Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der FDP-Fraktion Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung gegen die Stimmen und der Fraktion Die Linke abgelehnt. der AfD abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Ge- schäftsordnung die weitere Beratung. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache Tagesordnungspunkt 15 b. Wir setzen die Abstimmung 19/14335 in der Ausschussfassung zustimmen wollen, zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirt- um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Niemand. schaft und Energie auf Drucksache 19/15873 fort. Der Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zwei- Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe d seiner Beschluss- ter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, empfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der der AfD-Fraktion, der FDP-Fraktion und der Fraktion Die AfD auf Drucksache 19/4633 mit dem Titel „Meister- Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- pflicht wieder einführen – Handwerk stärken“. Wer nen angenommen. stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind die Koalitionsfraktionen, die FDP-Fraktion, die Fraktion Die Dritte Beratung Linke und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Teile der AfD-Fraktion. und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem (B) (D) Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – (Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Arbeitsver- Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – weigerung!) Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitions- fraktionen, der AfD-Fraktion, der FDP-Fraktion und der Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bünd- ist angenommen. nis 90/Die Grünen angenommen. Unter Buchstabe e empfiehlt der Ausschuss die Ableh- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie nung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN) 19/10154 mit dem Titel „Attraktives Handwerk – Meis- terpflicht ausweiten, Tarifbindung erhöhen, Aus- und Wir setzen die Abstimmungen zu der Beschlussemp- Weiterbildung fördern“. Wer stimmt für diese Beschluss- fehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie auf empfehlung? – Die Koalitionsfraktionen, die AfD-Frak- Drucksache 19/15873 fort. Der Ausschuss empfiehlt un- tion und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Die ter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung, den gleich- Fraktion Die Linke. Wer enthält sich? – Die Fraktion lautenden Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung ist Drucksachen 19/14974 und 19/15705 für erledigt zu er- damit angenommen. klären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Be- Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe f schlussempfehlung ist gegen die Stimmen der AfD-Frak- seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags tion angenommen. der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/10628 mit dem Titel „Starkes Handwerk braucht gute Wir machen weiter mit der Abstimmung über den Ge- Fachkräfte“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- setzentwurf der Fraktion der AfD zur Änderung der lung? – Die Koalitionsfraktionen, die AfD-Fraktion und Handwerksordnung – Wiedereinführung der Meister- die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Die Fraktion pflicht. Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie emp- Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die Fraktion fiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf Die Linke. Die Beschlussempfehlung ist damit angenom- Drucksache 19/15873, den Gesetzentwurf der Fraktion men. der AfD auf Drucksache 19/11120 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 a, 12 b und 12 d um das Handzeichen. – Das ist die AfD-Fraktion. auf: (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Teile der a) Beratung des Antrags der Abgeordneten AfD-Fraktion!) Fabio De Masi, Dr. Gesine Lötzsch, Gökay Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16711

Vizepräsidentin Petra Pau (A) Akbulut, weiterer Abgeordneter und der BDI und DGB fordern ein Investitionsprogramm in (C) Fraktion DIE LINKE Höhe von 457 Milliarden Euro über zehn Jahre, um Deutschland fit für die Zukunft zu machen. Dies würde Investitionsstau beenden – Schuldenbrem- auch Anreize für private Investitionen schaffen und Tau- se aus Grundgesetz streichen sende Jobs sichern. Es würde der Bauwirtschaft Drucksache 19/14424 signalisieren, mehr Kapazitäten zu schaffen. Und natür- lich brauchen wir auch mehr Personal in den Planungs- Überweisungsvorschlag: ämtern. BDI und Die Linke streiten Seit an Seit für ver- Haushaltsausschuss (f) Finanzausschuss nünftige Wirtschaftspolitik – was für verrückte Zeiten! b) Beratung des Antrags der Abgeordneten (Beifall bei der LINKEN – Victor Perli [DIE Victor Perli, Dr. Gesine Lötzsch, Fabio De LINKE]: Hört! Hört!) Masi, weiterer Abgeordneter und der Frak- Professor Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft tion DIE LINKE und Professor Südekum – er berät auch die CDU – sagen, Öffentliche Infrastruktur erhalten – In- die Weigerung der Bundesregierung, bei negativen Zin- vestitionspflicht einführen sen mehr zu investieren, sei – ich zitiere –, „als ob der Staat Geldscheine auf dem Bürgersteig liegen lässt“. Den Drucksache 19/14375 Abbau der Staatsverschuldung verdanken wir übrigens nicht der Schuldenbremse, sondern niedrigen Zinsen Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss (f) und dem Ausland. Es ist nun einmal so: Die Ausgaben Finanzausschuss der einen sind die Einnahmen der anderen. Früher haben private Haushalte gespart, und die Unternehmen und der d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Staat haben sich bei ihnen Geld geliehen und investiert. Berichts des Haushaltsausschusses (8. Aus- Heute sparen alle, kaum einer investiert, und wir hoffen schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten darauf, dass sich die USA oder China dauerhaft bei uns Christian Dürr, Grigorios Aggelidis, Renata verschulden. Das ist völlig verrückt. Alt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP (Beifall bei der LINKEN) Schuldenbremse stärken und keine Lob- Die schwarze Null ist auch ein schwarzes Loch, weil by-Politik zulasten kommender Genera- sie die wahren Schulden, etwa durch Privatisierungen, tionen verdeckt. Privatisierungen sind oft teurer für die Steuer- (B) zahler, weil Unternehmen höhere Zinsen als der Staat (D) Drucksachen 19/10616, 19/15159 zahlen müssen und auch Rendite machen wollen. Die Für die Aussprache wurde eine Dauer von 60 Minuten Steuerzahler dürfen den Quatsch dann wie bei der Pkw- beschlossen. – Ich bitte, die Plätze innerhalb der Fraktio- Maut von Herrn Scheuer bezahlen. nen zügig zu wechseln. (Otto Fricke [FDP]: Sie hätten die Telekom Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege auch nicht privatisiert!) Fabio De Masi für die Fraktion Die Linke. Was ist mit der grünen Null? Wenn wir heute nicht genug gegen den Klimawandel tun, wird das sehr teuer, (Beifall bei der LINKEN) dann können Sie mit Ihren schwarzen Nullen die Deiche in Schleswig-Holstein hochziehen. Was ist daran genera- Fabio De Masi (DIE LINKE): tionengerecht, wenn unsere Kinder morgen absaufen? Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Ein Ge- spenst geht um in Deutschland. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Otto Fricke [FDP]: Vor allem von Linke und Deutschland lebt von der Substanz, insbesondere in SPD!) den Kommunen. Wir verzehren den Kapitalstock an Brü- Es ist das Gespenst des Bundesverbandes der Deutschen cken und Universitäten, der von unseren Eltern und Groß- Industrie. Gemeinsam mit dem Deutschen Gewerk- eltern aufgebaut wurde. Bei der Investitionsquote, den schaftsbund und der Linken kritisieren die Unternehmer Investitionen im Verhältnis zur Wirtschaftskraft, sind nationale Heiligtümer: die Schuldenbremse und die wir unter den Industrienationen auf Platz 30 von 38. schwarze Null. Die Schuldenbremse untersagt – verein- Deutschland ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Erde. facht – Bund und ab 1. Januar auch den Ländern, Inves- Wir müssen doch den Anspruch haben, Spitze und nicht titionen auch über Kredite zu finanzieren. Schlusslicht bei den Investitionen zu sein. (Otto Fricke [FDP]: Nicht „auch“!) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ausnahmen von der Schuldenbremse sind bei Naturka- tastrophen oder Wirtschaftskrisen vorgesehen. Dann ist Deutschland muss in die Zukunft investieren. Trump es aber zu spät, weil Investitionen Zeit brauchen, um die droht mit Strafzöllen auf deutsche Autos, der Brexit Wirtschaft zu stützen. droht – all dies trifft die Exporte hart. Ob sozialer Woh- nungsbau oder digitale Infrastruktur: Wenn ein Land vor (Beifall bei der LINKEN) großen Aufgaben steht, erfordert dies auch große Inves- 16712 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Fabio De Masi (A) titionen. Diese lassen sich aber nicht aus der Portokasse Vizepräsidentin Petra Pau: (C) finanzieren; auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Eck- hardt Rehberg das Wort. Die Finanzierung von Investitionen muss auch über Kredite zeitlich gestreckt werden. Warum sollen nur heu- (Beifall bei der CDU/CSU) tige Steuerzahler eine Universität finanzieren, die auch noch unsere Enkelkinder nutzen? Auch ein Haus baut Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): man auf Raten. Wir bekommen derzeit Geld geschenkt. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rendite auf 30-jährige Bundesanleihen ist negativ. Man kann jetzt hier und heute und konnte in den letzten Österreich hat kürzlich sogar 100-jährige Anleihen bege- Tagen den Eindruck gewinnen, dass einige im Vollrausch ben. Wenn wir uns also heute 100 Euro leihen, müssen sind, wenn es um das Thema Schulden geht: manche wir morgen nach Inflation weniger zurückzahlen. Wer Ökonomen, manche Antragsteller auf Parteitagen in den rechnen kann, weiß: Jetzt ist die Zeit, um zu investieren. letzten Wochen. (Beifall bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, früher haben Linke für Gerechtigkeit und Chancengleichheit gekämpft, heute Die Bundeskanzlerin sagte in der Haushaltsdebatte, kämpfen sie für Schulden. man könne ja nicht mehr investieren, weil die Zinsen ja auch wieder steigen könnten. (Fabio De Masi [DIE LINKE]: Unsinn!) (Dr. [BÜNDNIS 90/DIE – Ja! Das ist doch der Tenor, der Duktus Ihrer Rede und GRÜNEN]: Das war absurd! Wahnsinn!) Ihrer Anträge. – Schulden werden als Wundermittel dar- gestellt, hochstilisiert, es wird gesagt, damit könne man Der Ex-Wirtschaftsweise Professor Bofinger wollte der alle Probleme lösen. Kanzlerin danach ein Lehrbuch der Volkswirtschaft schenken, so schockiert war der arme Mann. Meine erste Frage ist: warum denn nur 450 Milliarden Euro in zehn Jahren, warum nicht eine oder zwei Billio- (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE nen? GRÜNEN]: Wir waren alle schockiert!) (Peter Boehringer [AfD]: Das macht doch von Frau Bundeskanzlerin, das nennt sich Angebot und Nach- der Leyen schon!) frage. Es gibt zu viel Kapital, das Anlage sucht, und zu wenig Investitionen. Wir müssen daher investieren, wenn Meine nächste Frage ist: Belebt das wirklich die Kon- wir wollen, dass die Zinsen wieder normaler werden. junktur? Behebt das die Probleme? Wenn Sie für Steuer- senkungen gekämpft hätten, damit die deutsche Wirt- (B) (D) (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) schaft, gerade der Mittelstand, wettbewerbsfähig bleibt, dann hätte ich das ja noch verstanden. Es ist doch schizophren, die Europäische Zentralbank für das billige Geld zu kritisieren, das auch die Immobilien- (Beifall bei der CDU/CSU) preise befeuert, aber die Geldpolitik nicht durch mehr Die Herausforderung der Zukunft ist, die Wettbewerbs- öffentliche Investitionen zu entlasten. fähigkeit der deutschen Wirtschaft zu sichern. Oder glau- (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. ben Sie wirklich, dass die Formel „Tausche CO2 gegen Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Milliarden von Schulden“ Sinn macht? Hat das etwas mit NIS 90/DIE GRÜNEN]) Nachhaltigkeit zu tun? Geschichtsvergessen ist es alle- mal. Die Euro-Krise vor zehn Jahren ist nicht entstanden, Wir fordern daher die Rückkehr zu einer goldenen Re- weil die Länder zu wenig, sondern weil sie zu viele gel der Haushaltspolitik, dann wären Kredite in Höhe der Schulden hatten, weil sie über ihre Verhältnisse gelebt Investitionen wieder zulässig, ob Netto- oder Bruttoin- haben. vestitionen, ist egal; da sind wir nicht katholisch. Wir könnten dafür Schattenhaushalte untersagen; denn die (Beifall bei der CDU/CSU) Schuldenbremse lässt sich ja derzeit austricksen, wenn Sie reden zwar von Investitionen, meinen aber massive man ein Unternehmen des Bundes mit den Investitionen Ausgabensteigerungen. betraut. Wir wollen zudem eine Pflicht des Bundes, um den öffentlichen Kapitalstock zu erhalten. Es macht na- (Fabio De Masi [DIE LINKE]: Was ist denn mit türlich keinen Sinn, die Investitionsbremsen abzuschaf- Spanien?) fen, um Konzernen dann die Steuern zu senken. Wer über Ich finde, die Forderung, mehr Schulden zu machen, Schuldenberge spricht, verehrte Kolleginnen und Kolle- ist – Entschuldigung – abgehoben, und sie geht auch an gen, darf auch vom Mount Everest des Geldes der Mil- der Realität des Bundeshaushaltes vorbei. lionäre und Milliardäre nicht schweigen. Die reichsten Deutschen müssen endlich wieder in die Pflicht für dieses (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Dogma- Land genommen werden. tisch!) Vielen Dank. Wie sieht diese Realität aus? Vor zehn Jahren, als ich in den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags ge- (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. kommen bin – das ist erst zehn Jahre her, ich schaue die Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Kolleginnen und Kollegen der FDP an –, standen wir vor NIS 90/DIE GRÜNEN]) folgender Situation: Der Haushalt 2010 hatte einen Um- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16713

Eckhardt Rehberg (A) fang von 300 Milliarden Euro, und wir hatten 86 Milliar- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (C) den Euro Schulden. neten der FDP und des Abg. Leif-Erik Holm [AfD]) (Otto Fricke [FDP]: So war das!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt kommen Rat- Dabei hätten wir bleiben sollen? Hätten wir das wirk- schläge von ganz interessanter Seite. lich bis heute durchziehen sollen? Kein Schuldenabbau? Die Basis dafür, dass wir heute massiv investieren kön- (Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Aus der Wirtschaft nen, ist der Schuldenabbau. Übrigens, als wir die alten zum Beispiel!) Schuldenregeln hatten, haben wir zwischen 22 und Der neue Parteivorsitzende der SPD, Herr Norbert 24 Milliarden Euro investiert. Am 26. November dieses Walter-Borjans, war ja sieben Jahre Finanzminister in Jahres haben wir für das nächste Jahr Investitionen in Nordrhein-Westfalen. In der Zeit, in sieben Jahren, hat Höhe von 43 Milliarden Euro beschlossen. Die Heraus- er 21 Milliarden Euro neue Schulden angehäuft. Und be- forderung ist eine andere – ich werde das immer wieder sonders spannend – der Kollege Daldrup wird ja heute sagen –: Wir haben bei Investitionen kein Finanzierungs- auch noch reden – ist das Anwachsen der Kassenkredite problem, sondern ein Umsetzungsproblem. der nordrhein-westfälischen Kommunen in dieser Zeit, und zwar von etwa 20 Milliarden Euro auf 26,5 Milliarden (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Euro. Ich finde, das ist ein ziemlich schwaches Zeugnis. neten der FDP – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann tun Sie Dazu kommt noch, dass ihm der nordrhein-westfäli- mal was! Sie sind doch in der Regierung!) sche Verfassungsgerichtshof nach meiner Kenntnis vier- mal einen verfassungswidrigen Haushalt attestiert hat. Das ist das Kernproblem der deutschen Wirtschaft und Für mich ist der neue SPD-Vorsitzende, was diesen Punkt der deutschen Gesellschaft. betrifft, mehr als ein schlechter Ratgeber, nämlich gar kein Ratgeber. Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann ja zur Schuldenbremse stehen, wie man will, nur was man nicht (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) kann, ist, finde ich, zum Rechtsbruch aufzurufen. Die Wer in den sieben Jahren seiner Amtszeit so agiert hat, Schuldenbremse steht im Grundgesetz. Wer meint, liebe sollte, glaube ich, an der Stelle etwas Zurückhaltung Kolleginnen und Kollegen der Linken und der Grünen, üben. aber auch der SPD, man könne sie umschiffen, reformie- ren oder ändern, dem sage ich: Sie sollten sich einmal den Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir über dieses letzten Bericht nach § 99 BHO des Bundesrechnungsh- Thema diskutieren, dann ist auch einmal Folgendes zu (B) ofes durchlesen. betrachten: Am 26. November haben wir hier den Bun- (D) deshaushalt 2020 verabschiedet – ohne neue Schulden. (Fabio De Masi [DIE LINKE]: Sie auch!) Wir haben auch die Finanzplanung zur Kenntnis genom- men, die ebenfalls keine neuen Schulden vorsieht. Liebe Sie nehmen ja immer gerne Bezug darauf. Auf Seite 6 Kolleginnen und Kollegen der SPD, es gab aus euren steht: Reihen keine einzige Gegenstimme. Ich denke, wir sind Überlegungen dahin gehend, die Schuldenregeln zu das Parlament, und Parteitag ist Parteitag. Weil wir das ändern, um investive Ausgaben über Kredite finan- Parlament sind, sollte man uns auch mit Respekt begeg- zieren zu können, sind nicht zielführend. nen, finde ich. Es kann nicht sein, dass wir als Große Koalition am Weiter heißt es auf Seite 56: 26. November einen Haushalt mit Investitionen auf Re- kordniveau verabschieden und wir auch in der Perspek- Auch das Argument eines auf absehbare Zeit nied- tive ohne neue Schulden auskommen werden – wir müs- rigen Zinsniveaus überzeugt nicht … da nach diesem sen sie auch nicht machen, um zu investieren – und dann Konzept auf Dauer keine Schuldentilgung stattfin- wenige Tage später eine Debatte geführt wird, die weit det, würde der nominale Schuldenstand des Bundes daran vorbeigeht. von derzeit 1,2 Billionen Euro weiter anwachsen. Hohe Schuldenstände können sich zu tickenden (Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Die Sie offensicht- Zeitbomben entwickeln. Beim Anstieg des Zinsni- lich nicht verstanden haben!) veaus würden sich „billige“ Kredite in „teure“ Kre- dite verwandeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Stichwort „Finanzie- rung und Umsetzung“. Erste Bemerkung: Reste im Bun- So der Bundesrechnungshof, liebe Kolleginnen und Kol- deshaushalt addieren sich auf fast 20 Milliarden. Zweite legen. Bemerkung: In den Sondervermögen stehen für Kinder- tagesstätten, Schulsanierung, Hochschulbau usw. Milliar- Wenn man den Bundesrechnungshof sonst immer als den zur Verfügung. Wir sollten nicht über neues Geld Zeugen nimmt, dann muss man die Warnung in dem letz- reden, das wir ins Schaufenster stellen, und die Preise ten Bericht des Bundesrechnungshofes zu diesem Thema in der Bauwirtschaft weiter anheizen. Es gibt übrigens auch wirklich einmal ernst nehmen. Deswegen: Die 700 000 Baugenehmigungen in Deutschland. Der Ver- Unionsfraktion ist voll auf der Linie des BRH, was das band der deutschen Bauwirtschaft sagt selber: Wir haben Thema Schuldenregeln betrifft. Wir wollen keine neuen gar nicht die Kapazitäten, diese Baugenehmigungen um- Schulden. zusetzen und zu realisieren. 16714 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Eckhardt Rehberg (A) Deswegen: Die Herausforderung der Zukunft ist nicht, nur investiv verwenden sollten, weil sonst die heutige (C) immer mehr neue Schulden zu machen und immer mehr Generation Konsum in der Gegenwart vorwegnimmt, Geld ins Schaufenster zu stellen. Die Herausforderung ist, den spätere Generationen einmal nachhungern müssen, Planungskapazitäten zu erhöhen, das Planungsrecht zu wie es Roland Baader einmal bezeichnet hat. vereinfachen. Die Standards müssen runter. Dann werden wir auch unsere Investitionen auf die Straße und über die Die 1990 nach gescheitertem Realsozialismus zusam- Bühne bringen. mengebrochenen Ostblockstaaten können ein Lied davon singen, was Nachhungern bedeutet. Auch hier sollten also Herzlichen Dank. ausgerechnet SED-Nachfolger mit der Forderung nach höherer Verschuldung ganz vorsichtig sein. Normaler- (Beifall bei der CDU/CSU) weise hat die Linke entgegen der Goldenen Regel keiner- lei Skrupel, auch konsumtive Ausgaben auf Pump zu de- Vizepräsidentin Petra Pau: cken. Das Wort hat der Abgeordnete Peter Boehringer für die (Beifall bei der AfD) AfD-Fraktion. Es ist ein schlechter Witz, wenn ausgerechnet die Linke (Beifall bei der AfD) hier die Goldene Regel predigt.

Peter Boehringer (AfD): (Fabio De Masi [DIE LINKE]: Ihr seid ein Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! schlechter Witz!) Wir behandeln heute ja mehrere Anträge mit völlig ge- Linke sind ja generell sehr kreativ, wenn es um wohl- genläufiger Stoßrichtung. Der FDP-Antrag geht in die feile, vulgär-keynesianistische Sprüche zur Begründung richtige Richtung, schlichter Schuldenmacherei geht. Auch die Kühnert- (Otto Fricke [FDP]: Ja, natürlich!) Borjans-Esken-SPD wird in trauter einheitssozialisti- scher Manier zusammen mit Grünen und Dunkelroten ist aber auch in der zweiten Lesung weiterhin unvollstän- dann spätestens ab 2021 alle Schranken der Haushaltsso- dig, weil die FDP die sehr bedeutsamen Bilanzen der lidität fallen lassen. Es werden Schulden, etwa für das Euro-Rettungsvehikel ESM und EFSF noch immer nicht Klima, gemacht werden. Die Grünen haben dafür neulich in ihre gestärkte Schuldenbremse mit einbezieht. hier ja bereits 100 Milliarden Euro extra gefordert. Und auch Staatsanleihen der Euro-Südländer, die die Die Sprüche von guten investiven Ausgaben auf Pump EZB seit 2015 billionenschwer auf ihren Büchern hat, sind übrigens auch technisch schlicht verlogen. Es gibt (B) stellen eine künftige deutsche Neuverschuldung dar; denn haushaltsrechtlich keine Schulden für einen guten Zweck, (D) die Abschreibungen auch darauf werden eine massiv er- etwa zur Klimarettung. Es gibt im Haushalt nur einen höhte Schuldenaufnahme Deutschlands erzwingen. Das Einnahmetopf, in den alle Steuereinnahmen und alle Kre- gilt ebenso übrigens für die ungedeckten Pensionsver- ditaufnahmen fließen. Die Bundeshaushaltsordnung nor- pflichtungen des Staates. miert das Gesamtdeckungsprinzip. Alle Einnahmen fi- nanzieren zusammen alle Ausgaben inklusive aller Die Summen, um die es hier geht, sprengen die Be- Investitionen. Zweckbindung ist die absolute Ausnahme. grenzung der heutigen Schuldenbremse um das Hundert- fache. Doch von diesem Elefanten im Raum schweigt der Darum muss im Haushalt vor allem eines gemacht FDP-Antrag. Er ist darum nicht falsch, aber völlig unzu- werden: Statt die Schuldenbremse zu streichen, müssen reichend. die von linker Ideologie getragenen nichtinvestiven Aus- gaben gestrichen werden. Damit wird ganz viel Spiel- (Beifall bei der AfD) raum für mehr Investitionen geschaffen – und bitte auch In genau die andere Richtung, also zur Abschaffung nur für echte Investitionen. der Schuldenbremse, wollen die Linken. Zwar ist die grundsätzliche Feststellung, dass die Investitionsquote Auch hier wird Etikettenschwindel betrieben, wie man im Haushalt wieder einmal viel zu niedrig ist, auch unsere ihn sich kaum vorstellen kann. Die Regierung verbucht Sicht der Dinge. Ja, Olaf Scholz fährt ebenso wie seine im Haushalt sogar klassische Hungerhilfe im Ausland als Vorgänger die öffentliche Infrastruktur auf Verschleiß. Investitionen. Im Klimapaket sind zehnstellige Ausgaben Daran ist kein Zweifel möglich – egal, ob man Verkehrs- zur globalen CO2-Entwicklungshilfe als Investitionen wege ansieht, Bundeswehrmaterial oder öffentliche Bau- fehldeklariert – globale Investitionen natürlich, keine ten. Allerdings war das Regieren auf Verschleiß ja auch für Deutschland. Ausgabetitel wie – das ist ein Zitat aus eines der markantesten Merkmale der DDR. Irgendwie dem Haushalt – „Entwicklungswichtige multilaterale Hil- verdrängt die Linke also bei solcher Kritik ihre eigene fen für weltweiten … Klimaschutz“ hübschen ernsthaft Vergangenheit. die deutsche Investitionsquote auf. Das ist ein Witz. Ich möchte noch ein paar generelle Sätze zum Thema (Beifall bei der AfD – Fabio De Masi [DIE Verschuldung sagen. Herr De Masi hat da teilweise ja die LINKE]: Und ihr habt die Autobahnen gebaut!) richtigen Fragen gestellt. Die Grundsatzfrage im absur- Weiterhin ist es bemerkenswert, dass ausgerechnet die den neuen Normal der Negativzinswelt lautet tatsächlich: Linke in ihren Anträgen, Herr De Masi, die Goldene Re- Warum nicht hohe Schulden auf fünfzig Jahre aufneh- gel der Finanzpolitik positiv hervorhebt. Natürlich ist es men, warum nicht das Schlaraffenland der Finanzierung wahr, dass seriös wirtschaftende Staaten Kredite immer auf Pump ohne jeden Schmerz und ohne Zinskosten ex- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16715

Peter Boehringer (A) zessiv nutzen, wenn der Markt das doch tatsächlich her- Darum – zum Fazit – sollte Deutschland von wenigen (C) gibt? Im Prinzip wäre das betriebswirtschaftlich-ökono- einmaligen Ausnahmen abgesehen, die ich konzediere, misch rational. Es gibt aber gesellschaftliche Probleme keine uferlosen Schulden machen. Die gesellschaftlichen dabei. Diese haben Sie, Herr De Masi, nicht genannt. und ökonomischen Folgen wären fatal. Der Antrag der Linken ist darum abzulehnen. Diese Regierung sowie die Erstens. Kreditgeber sind heute nicht mehr die Sparer. altlinke Opposition sollten keinesfalls noch mehr Kredit- Die Schulden nimmt der Staat bei den regulatorisch zum geld für linksideologische Zwecke in ihre Hände bekom- Kauf von Staatsanleihen gezwungenen Pensionsfonds men. und indirekt bei der Zentralbank auf. Er verschuldet sich also bei von ihm symbiotisch abhängigen Institutionen Herzlichen Dank. und damit faktisch bei sich selbst. Das ist das Rezept (Beifall bei der AfD) zur Hyperinflation, auch wenn das heute noch keiner glaubt. Vizepräsidentin Petra Pau: (Beifall bei der AfD) Das Wort hat der Kollege Andreas Schwarz für die Die Summe der Kreditbillionen, die Mario Draghi in SPD-Fraktion. wenigen Jahren mandatswidrig gedruckt hat, ist fast so (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten groß wie das deutsche Bruttoinlandsprodukt. Dieser Un- der CDU/CSU) rechtszustand setzt sich nun fort, wenn die neue EZB- Chefin Lagarde der neuen EU-Chefplanwirtin von der Andreas Schwarz (SPD): Leyen zusagt, die weltbeglückenden Ideen der EU zum Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und CO2-Wahn und zur bedingungslosen Unterstützung Afri- Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Eine kas mit Billionen Euro zu finanzieren. Das ist Ihre Partei- Schuldenbremse darf keine Zukunftsbremse sein. Dem freundin, Herr Rehberg. Das konterkariert alles, was Sie stimme ich zu. Das Grundgesetz gibt auch Möglichkeiten eben gesagt haben. für den Krisenfall. Im Moment sehe ich Gott sei Dank Staaten und Suprastaaten wie die EU bekommen so überhaupt keine Krise. Klar, es ist Aufgabe der Opposi- unendlich viel Kreditspielgeld für ihre ideologische tion, Krisen erst mal zu beschwören und herbeizureden; Machbarkeitshybris, und sie können zugleich die Malaise das ist ihre Hauptaufgabe und auch -beschäftigung. Sehen ihrer Volkswirtschaften noch jahrelang kaschieren und Sie nach, dass wir als Koalition versuchen, das Land verschlimmern. vernünftig zu regieren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der (B) Zweitens. Es ist inzwischen für Investoren schwer ge- (D) CDU/CSU) worden, überhaupt noch realwirtschaftliche Kreditnachf- rager mit gutem Geschäftsmodell zu finden; denn es ist Krisen beginnen meistens im Kopf. Gerade die Politik bereits viel zu viel Kreditgeld im Umlauf. Es gibt heute sollte mit Optimismus und Weitsicht vorangehen. Die kaum noch valide unternehmerische Ideen, die an Kapi- Koalition macht das. Nur, verehrte Kolleginnen und Kol- talmangel scheitern. Die Schumpeter’sche Zerstörung legen, das Aufbrechen und Beseitigen der in Artikel 109 schlechter Ideen und Produkte kann in einem Umfeld und Artikel 115 Grundgesetz verankerten Schuldenbrem- ohne Wettbewerb und ohne Kapitalkosten nicht mehr se kann für sich allein genommen doch nicht das Allheil- funktionieren. Mit fatalen Folgen: Man erinnere sich auch mittel sein. Nur mal so nebenbei bemerkt: Das Grund- hier an die Erfahrungen des real existierenden Sozialis- gesetz sollte man auch nicht im Stundentakt ändern. mus. Unternehmen, die ihre Kapitalkosten nicht mehr verdienen müssen, können als unproduktive Zombies Schauen wir uns doch mal die Realität an. Erst vor- jahrzehntelang überleben, solange ihre Liquidität durch letzte Woche haben wir den Bundeshaushalt 2020 verab- den Staat und heute durch die Zentralbank gesichert ist. schiedet, und das mit großen Investitionssummen auf ab- Das Ganze ist ein Paradies für Blender. Jeder Blödsinn solutem Rekordniveau. Gerne plaudere ich hier aus dem wird auf Pump finanziert und subventioniert, solange er Nähkästchen. Überall stellen wir Geld zur Verfügung für politisch erwünscht ist. Kein politisch korrektes Unter- Straßen, Schienen, für Schulen, Kitas, für den sozialen nehmen wird in einem solchen geldsozialistischen Um- Wohnungsbau, für die Städtebauförderung, für For- feld pleitegehen können. schung und Bildung, für den Umwelt- und Klimaschutz. Wir haben ein Klimapaket mit 54 Milliarden Euro aufge- (Beifall bei der AfD) legt und vieles mehr. Wir steigern die Investitionssumme auf 43 Milliarden Euro. Das ist absolutes Rekordniveau. Drittens. Die Kehrseite in diesem neuen Normal – das wurde ja schon erwähnt – sind die permanenten Entei- (Beifall bei der SPD) gnungen aller Bürger, direkt durch Negativzinsen und Ich darf an der Stelle auch anmerken: Die Deutsche indirekt durch die Fehlallokation von großen Summen. Bahn wird bis 2030 Bundes- und Eigenmittel in Höhe Eine Welt ohne Zins kann knappes echtes Kapital – das von 156 Milliarden Euro ins Schienennetz stecken. Liebe ist nicht das der Zentralbanken – nicht mehr in betriebs- Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in unserem Land, wir wirtschaftlich, technisch und gesellschaftlich sinnvolle investieren bereits auf Rekordniveau, verantwortlich und und auch nachgefragte Produkte lenken. Damit werden sozial ausgewogen. Marktwirtschaft und Arbeitsteilung als Hauptwohls- tandsfaktoren außer Kraft gesetzt. (Beifall der Abg. Gabriele Hiller-Ohm [SPD]) 16716 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Andreas Schwarz (A) Sehr geehrte Damen und Herren, natürlich kann man Krisenfall mal da wäre, den Sie heraufbeschwören, gibt (C) argumentieren, das alles sei nicht genug, man müsse die es Mittel, um zu reagieren. Da werden wir hier auch ent- Schuldenbremse entfernen, neue Kredite aufnehmen, um sprechend reagieren. Wichtig ist für mich, dass wir die die Investitionen weiter zu erhöhen. Das kann man alles Vorschriftenflut eindämmen, dass die Genehmigungsbe- machen. Nur, bringt das kurzfristig den gewünschten Er- hörden zügig Baugenehmigungen erteilen können, dass folg? Ist eine solche Forderung nicht etwas aktionistisch? wir überbordende Bürokratie abschaffen und alles etwas Meine Frage an die Besucherinnen und Besucher hier auf vereinfachen. der Tribüne oder am Fernseher zu Hause: Verstehen Sie uns Politiker, wenn wir in einer Zeit guter Konjunktur, (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der niedriger Arbeitslosigkeit, hoher Steuereinnahmen und Abg. Gabriele Hiller-Ohm [SPD]) von Rekordhaushalten ohne Not jetzt Schulden machen, Dann können wir letztendlich auch zielgerichtet investie- wissend, dass wir das Geld gar nicht ausgegeben bekom- ren. men? Würden Sie bei Ihrem auskömmlichen Einkommen zur Bank gehen und sich Geld holen für eine Anschaf- Lassen Sie mich zum Schluss noch Folgendes zu be- fung, die Sie am Ende gar nicht tätigen können? Kann ich denken geben. Ich stimme Norbert Walter-Borjans zu, der Ihnen das erklären? Nein, kann ich nicht, und – ich bin auf dem SPD-Parteitag gesagt hat: „Wenn die schwarze ehrlich – ich will Ihnen das auch gar nicht erklären. Null einer besseren Zukunft für unsere Kinder im Wege steht, dann ist sie falsch“. Das gilt auch für die Schulden- Gehen wir doch mal zusammen in die Rathäuser, in bremse. Unsere Politik steht jedoch seit Jahren für eine unsere Kommunen. Viele Bürgermeister werden uns er- gute und gerechte Zukunft in diesem Land. Deswegen ist klären, dass sie gerne viel mehr investieren wollen und im Moment auch keine Notwendigkeit für diese Maßnah- auch genügend Geld vorhanden ist. Aber sie werden ihr men. Geld nicht los. Kommen Sie nach Bayern; dann werden Sie es erleben. Beim Bund, in den Ländern und in den Danke schön. Kommunen liegen Milliarden Euro auf dem Konto, wie (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Kollege Rehberg von der CDU gerade erklärt hat. Viel der CDU/CSU) von diesem Geld ist für Straßen, Schienen, Wohnungsbau und Datennetze gedacht. Aber gerade in den Ländern wird das Geld nicht immer umgesetzt. Es dient teilweise Vizepräsident : zur Schuldentilgung. Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der FDP der Kollege Otto Fricke. (Beifall bei der CDU/CSU) (B) Meine Damen und Herren, da liegt doch das Problem. (Beifall bei der FDP) (D) Einer der Hauptgründe für den Investitionsstau in Deutschland ist zurzeit nicht die vorhandene Schulden- Otto Fricke (FDP): bremse. Vielmehr sind es überforderte Planungsämter bei Geschätzter Herr Vizepräsident! Meine Kolleginnen Bund, Ländern und Gemeinden, zu komplizierte Förder- und Kollegen! Kollege Schwarz, wahrscheinlich waren vorschriften sowie eine völlig ausgelastete Bauwirtschaft. Sie beim Parteitag der SPD gar nicht dabei; denn das, Hier müssen wir zuerst ansetzen. Es ist auch nicht redlich, was wir hier gehört haben, hat große Unterstützung bei Bauaufträge zu völlig überteuerten Preisen zu vergeben, CDU/CSU und FDP gefunden. Ich kann Sie zu diesem nur weil ausgelastete Baufirmen die Kommunen dann Maß an Vernunft nur beglückwünschen und muss dann prioritär behandeln. Auch hier ist meine Erfahrung aus auch sagen: Insofern ist der Nachname Schwarz ja auch meinem Wahlkreis, dass Kommunen immer wieder Aus- richtig. schreibungen aufheben, weil Kostenschätzung und Ange- botspreis teilweise um das Dreifache auseinanderliegen. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler im Land, ist es CDU/CSU) nicht Aufgabe der Politik, für den investierten Euro das Schuldenbremse, Investitionen – meine lieben Kolle- Maximum an Leistung herauszuholen? ginnen und Kollegen, ganz ehrlich: Warum funktioniert das Thema überhaupt? Weil es mal wieder so ist, dass (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ unser Hirn, dieses Ding, sagt: Oh, da gibt es ein Problem; CSU und der FDP) ich habe eine schnelle Lösung. Ich weiß, was ich dagegen Oder wünscht sich der Steuerzahler, dass wir Mitnahme- tun muss. – Das machen Sie, Herr De Masi, auch immer, effekte in diesem Land finanzieren? wenn Sie das Wort „auch“ nur so halb benutzen. „Schul- denbremse bedeutet weniger Investitionen“ ist aber ge- Die Diskussion, die Sie, geehrte Mitglieder der Linken, nauso ein Blödsinn wie: „Wenn ich meinen Teller nicht dann führen, kenne ich. Sie sprechen dann von Steuer- leer esse, gibt es morgen schlechtes Wetter“, „Wenn es missbrauch. Sie sprechen davon, dass wir verschwen- viele Störche gibt, gibt es viele Kinder“, „Man hat Pech, dungssüchtig sind, wenn man eine schwarze Katze sieht“ oder – das könnte (Victor Perli [DIE LINKE]: BDI!) ich dann auch sagen – „Der Doctor humoris causa ist an bestimmten Stellen ein echter Doktor“. und das dann nicht einmal zu Unrecht. Nein, meine Da- men und Herren, bevor wir die Schuldenbremse verdam- Fakt ist jedoch was ganz anderes. Wenn Sie sagen, die men und uns von der schwarzen Null verabschieden, was Investitionen des Bundes seien zurückgegangen, dann ich in Zukunft nicht ausschließen möchte, wenn dieser sage ich: Auf die öffentliche Hand entfällt nur ein Zehntel Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16717

Otto Fricke (A) der Investitionen in Deutschland. Es geht also vielmehr Es ist immer wohlfeil, als Politik auf den Wunsch, im (C) um private Investitionen. Sind die Investitionen seit Ein- nächsten Jahr mehr Geld für bestimmte Dinge auszuge- führung der Schuldenbremse zurückgegangen? Der ein- ben, zu reagieren und zu sagen: Das machen wir. Es ist als zige Argumentationsstrang, den Sie verfolgen können, Politik aber viel schwieriger, zu sagen: Pass auf, das ist wäre: Wir investieren, dann kam die Schuldenbremse, zwar ein guter Wunsch; ich verstehe ihn auch. Aber, ehr- und wir investieren weniger. lich, wir investieren, und wir werden in den nächsten zehn Jahren Geld ausgeben, damit die Zukunft deiner Kinder (Fabio De Masi [DIE LINKE]: Absolut!) darüber gesichert ist. – Das wird die Aufgabe sein. Bei aller Kritik am Finanzministerium: In absoluten Zah- Dazu kann ich Ihnen am Ende meiner Rede einen klei- len gehen die Investitionen hoch, viel zu wenig nach Mei- nen Hinweis geben. Wir haben seit 2007 368 Milliarden nung der FDP. In prozentualen Zahlen bewegen Sie sich Euro an Zinsen gespart. Wir haben seit 2013 240 Milliar- nicht nach unten, sondern leicht nach oben. den Euro mehr Steuern eingenommen. Davon ist fast (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: nichts in zusätzliche Investitionen gegangen, sondern Leicht!) die Politik insgesamt hat sich immer entschieden, zu kon- sumieren und kurzfristig zu beglücken. Das sollten wir Wobei – und da stimme ich ausdrücklich zu, Kollege innerhalb des Systems durch Strukturveränderungen än- Boehringer – die Frage, was die Bundesregierung inzwi- dern, aber nicht dadurch, dass wir uns verschulden und schen alles als Investitionen definiert, dann die nächste den falschen Weg in einen Staat gehen, der am Ende nicht Frage wäre. die Zukunft unseres Landes sichern kann. Wenn ich Antragsteller bin, muss ich doch ehrlicher- Herzlichen Dank. weise sagen: Mir geht es gar nicht darum; denn als Linker weiß ich, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. (Beifall bei der FDP) Worum es Ihnen geht, ist was anderes: Warum wollen Sie eigentlich, dass mehr investiert wird? Ihnen geht es nicht Vizepräsident Thomas Oppermann: um die Frage von mehr Investitionen, sondern Ihnen geht Vielen Dank. – Als Nächstes spricht die Kollegin Anja es darum, wie es immer im Sozialismus ist, dass man sagt: Hajduk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wir wollen für Gutes mehr Geld ausgeben; wir wollen mehr Investitionen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Victor Perli [DIE LINKE]: Mit dem BDI zu- Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): sammen!) Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- (B) (D) Am Ende geben Sie es aber für Wahlgeschenke aus. ren! Die Botschaft von uns Grünen zu dieser Debatte lautet: Ja zu verlässlichen und mehrjährigen Investitio- (Beifall des Abg. Ingo Gädechens [CDU/ nen. – Wir brauchen wirklich eine deutliche Steigerung CSU]) bei den öffentlichen Investitionen. Sie können sich alle sozialistischen Länder angucken: Am Ende ist immer eines runtergegangen: die Investitio- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nen. Die Ruinen können Sie heute noch überall in der Das ist klar belegt, weil wir bei den Kommunen einen Welt sehen, wo der Sozialismus mal geherrscht hat. Investitionsstau haben. Er beträgt sage und schreibe knapp 140 Milliarden Euro. Diese Zahl wird, glaube (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten ich, von niemandem bestritten. Wir brauchen zweitens der CDU/CSU und der AfD) mehr Investitionen für eine moderne digitale Infrastruktur Nein, wenn Sie wirklich mehr gewollt hätten, dann so zügig wie möglich. Ja, lieber Otto Fricke, und wir hätten Sie Anträge auf mehr Investitionen stellen können brauchen für den klimafreundlichen Umbau unserer Art, und das fordern können, was unser Land im Moment zu wirtschaften – das ist eine strukturelle Aufgabe des eigentlich benötigt: einen Strukturwandel. Darüber reden Wandels –, große Investitionen. Sie aber gar nicht. Darüber redet auch die Große Koali- tion nicht. Wir brauchen einen Strukturwandel, übrigens – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) das sage ich in Richtung der Grünen – einen nachhaltigen Das erinnert mich mehr an die Investitionsgrößenord- Strukturwandel, in dem Reparaturen auch als Investitio- nungen, die wir in den 70er-Jahren hatten, nämlich unser nen zählen Land mit 5 Prozent unserer Wirtschaftsleistung zu moder- nisieren. Wir machen das heute mit weniger als der Hälfte (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: davon. Für meine Fraktion ist klar: Wir brauchen zum Ja!) einen mehr öffentliche Investitionen und zum anderen und nicht, wie in Ihrem Vorschlag, weiterhin nur Kon- auch viel mehr private Investitionen. Aber diese privaten sumption sind. Nur wenn wir einen Strukturwandel hin- Investitionen brauchen als Rahmenbedingungen gute öf- kriegen, werden wir ausreichend Mittel haben, um unse- fentliche Infrastruktur. Dafür müssen wir auch durch gute ren Sozialstaat zu sichern, um in die Zukunft zu gehen, Politik sorgen. aber auch, um entscheidend zu investieren. Das ist in der Vergangenheit zu wenig passiert, und zwar aus einem (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ganz einfachen Grund, den ich Ihnen noch mal erklären Ich sage für uns Grüne als zweite Botschaft: Ja, wir will: brauchen, wenn wir zu mehr Investitionen in der Umset- 16718 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Anja Hajduk (A) zung kommen wollen, schnellere Planverfahren. Und – einrichtungen, sei es für die Digitalisierung oder sei es für (C) ich wiederhole hier noch mal das, was mein Fraktions- eine klimafreundliche Weise des Wirtschaftens. Wir vorsitzender während der Haushaltsberatungen gesagt könnten auch heute schuldenbremsenkonform mehr In- hat –: Wir Grünen sind auch bereit, dazu in gemeinsame vestitionsgesellschaften nutzen. Öffentliche Unterneh- Gespräche mit der Großen Koalition zu treten. Zu lange men, die heute schon kreditär investieren, dürfen das – Planungsverfahren, zu viele Umsetzungsschwierigkeiten ein Glück; das wird auch in den Kommunen gemacht. hemmen die Investitionen. Sie hemmen auch das Vertrau- en in die Umsetzungsfähigkeit von Politik. Das meinen Dann lassen Sie uns in einem zweiten Schritt in Ruhe wir sehr wohl ernst. darüber reden: Lohnt es sich nicht vielleicht doch, die Schuldenbremse weiterzuentwickeln zu einer atmenden (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schuldenbremse gemäß den europäischen Regeln, sodass Außerdem halten wir es für ganz falsch, in eine viel zu wir den Gesamtschuldenstand, der so stark abgesunken schlichte Polarisierung zu gehen. Wir halten es für falsch, ist, zu einer Maßgabe machen, inwieweit wir, und zwar einfach zu sagen, die Schuldenbremse müsse weg. Die begrenzt, bei gesunden wirtschaftlichen Verhältnissen Schuldenbremse hat in den letzten Jahren zu einem steti- noch deutlicher in die Zukunft investieren dürfen? Auch gen Abbau unserer Gesamtverschuldung beigetragen. dazu fordern uns die Erfinder der Schuldenbremse auf. Das hat das Vertrauen in die Politik gestärkt. Wir hatten Das sollten wir uns trauen. Dafür stehen wir Grünen. mit einer gesamtstaatlichen Verschuldung von über Dafür haben wir zum Glück viel Unterstützung. Das wäre 80 Prozent einen viel zu hohen Wert. Jetzt, nach nur eine positive Nachricht für die Bürgerinnen und Bürger. knapp einem Jahrzehnt, liegt dieser Wert bei unter 60 Pro- Das braucht auch ein fortschrittliches und gutes Europa. zent. Ich ergänze noch: In den 2020er-Jahren werden wir auch neue und andere Herausforderungen haben. Keiner (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) von uns kann sie verlässlich voraussehen. Aber wir haben jeden Grund zu der Annahme, dass die demografische Vizepräsident Thomas Oppermann: Entwicklung unseres Landes dann auch viel Druck auf Vielen Dank. – Als Nächster spricht der Kollege die öffentlichen Haushalte ausüben wird; denken wir nur Dr. André Berghegger für die Fraktion der CDU/CSU. an unsere sozialen Sicherungssysteme. Deswegen wäre die Erwartung, „Schuldenbremse weg“ werde automa- (Beifall bei der CDU/CSU) tisch zur Lösung von Problemen führen, falsch. Wir Grü- nen meinen: „Schuldenbremse weg“ ist keine Antwort. Das wollen wir auch nicht. Dr. André Berghegger (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und (B) Wenn die Schuldenbremse wegfällt, führt das auch Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir beraten hier (D) nicht automatisch zu zusätzlichen Investitionen; denn drei Anträge. Den der FDP haben wir schon im Haus- man kann auch investieren, ohne Kredite zu machen. haltsausschuss abgelehnt. Deswegen beziehe ich mich Aber wenn man das Vermögen des Gesamtstaates ver- auf die beiden Anträge der Linken. mehrt, dann sollte man dies zum Teil sehr wohl – und das wäre ökonomisch sinnvoll – kreditär finanzieren kön- (Otto Fricke [FDP]: Aber im Ausschuss hattet nen. ihr keine Begründung!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich habe mir die Mühe gemacht, sie intensiv zu lesen. Deswegen plädieren wir Grünen dafür, die schwarze Null Wir haben auch vor einiger Zeit intensiv darüber disku- nicht wie eine Monstranz vor sich herzutragen. Das hat tiert. Die Linken erwecken mit ihrem Antrag „Öffentliche die Große Koalition bisher getan, auch mit der SPD; Herr Infrastruktur erhalten – Investitionspflicht einführen“ den Schwarz hat das noch ein bisschen zelebriert. Jetzt muss Eindruck, der Bund müsse nur die Ansätze erhöhen und die SPD umdenken, weil die neue Parteiführung der SPD müsse mehr Geld zur Verfügung stellen, dann werde sich das genaue Gegenteil will. die Infrastruktur in Deutschland automatisch verbessern. Ganz so einfach ist es nicht. Sie beziehen sich in Ihrem Also, was müssen wir eigentlich tun? Ich frage uns Antrag auf das KfW-Kommunalpanel und beschreiben Politiker, die wir das professionell betreiben: Was ist die Situationen in den Kommunen. Darin stimmen wir eigentlich so schwer daran, achtsam mit unserer Verfas- in der Analyse noch überein. Wir sagen, dass die größten sung umzugehen? Die Verfassung muss mit Zweidrittel- Investitionsrückstände bei Schulen, bei Straßen und bei mehrheit geändert werden. Deswegen müssen wir uns den Verwaltungsgebäuden vorherrschen – so weit, so gut. erst mal verfassungskonform verhalten. Viele Wissen- Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die KfW sagt, woran schaftler, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände fordern das liegt, was also die Ursachen dafür sind. Die Ursachen, uns auch viel differenzierter auf, zu sehen: Die schwarze warum Investitionen vor Ort nicht umgesetzt werden, Null ist das eine; die Schuldenbremse in der Verfassung sind die drei Punkte: die Kapazitäten am Bau, zu wenig ist das andere. – Deswegen plädieren wir Grünen dafür: Personal und die Kostensteigerungen am Bau, und gerade Lassen Sie uns doch die vorhandenen Spielräume, die die nicht die fehlenden Finanzmittel auf irgendeiner staatli- Schuldenbremse uns gibt, für mehr Investitionen nutzen. chen Ebene. Das zu verschweigen, ist unvollständig und, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) so würde ich sagen, unseriös. Dann könnten wir schon im nächsten Jahr deutlich mehr (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- in öffentliche Infrastruktur investieren, sei es in Bildungs- ordneten der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16719

Dr. André Berghegger (A) Der zweite Antrag „Investitionsstau beenden – Schul- höhere Planzahlen ins Fenster zu stellen. Vielmehr müs- (C) denbremse aus Grundgesetz streichen“ bezieht sich auf sen wir an die Ursachen heran; den Jahresbericht des Sachverständigenrates 2007. Sie schreiben, kreditfinanzierte öffentliche Investitionen (Beifall bei der CDU/CSU) seien sinnvoll und als obere Grenze für Neuverschuldung sonst würden bei einer höheren Summe an bewilligten biete sich die goldene Regel der Finanzpolitik an, dass Geldern lediglich die Preise steigen, und im Zweifel wür- Kredite maximal in Höhe der Investitionen aufzunehmen de sogar die Qualität bei der Aufgabenerfüllung sinken. seien. Das Problem an der Sache ist nur: Die Schulden- bremse gilt erst seit 2009, und Sie beziehen sich auf ein Wir haben es vorhin schon gehört: Die Investitionen Sachverständigengutachten von 2007. Das halte ich für von Privaten sind viel bedeutsamer. Im öffentlichen Be- ziemlich absurd. Der Sachverständigenrat konnte sich zu reich werden im Jahr ungefähr 80 Milliarden Euro inves- der Regel noch gar nicht äußern. tiert, 40 Milliarden Euro auf der Bundesebene und 40 Mil- liarden Euro gemeinsam von Ländern und Kommunen. (Beifall bei der CDU/CSU) Fast das Achtfache davon, 630 Milliarden Euro, gibt es an Wenn Sie sich die Mühe gemacht und das aktuelle privaten Investitionen. Das heißt, wir müssen die Rah- Jahresgutachten des Sachverständigenrates, das Jahres- menbedingungen für private Investitionen deutlich ver- gutachten 2019/2020, gelesen hätten, hätten Sie Erstau- bessern und uns dem widmen. Hier zitiere ich noch mal nliches festgestellt. In dem Gutachten heißt es: Statt den Sachverständigenrat: Steuersenkungen sind ein ge- Schulden werden zur Erhöhung der Wachstumspotenzia- eignetes Mittel. – Ich glaube, für eine Unternehmens- le Steuersenkungen empfohlen, um kurzfristige Impulse teuerreform ist jetzt ein geeigneter Zeitpunkt. zu erzielen. – Na bitte: Steuersenkungen! (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Ihr letztes Argument, Zinsen seien so niedrig, das Geld Weiterhin wird ausdrücklich betont, dass zur Erhöhung liege auf der Straße – so ähnlich habe ich es vorhin ge- der Wachstumspotenziale keine Änderung der Schulden- hört –, hört sich zwar ganz gut an, aber Schulden bleiben bremse und somit keine Erhöhung der Verschuldensmög- Schulden, und man muss sie zurückzahlen, auch wenn die lichkeiten des Staates nötig sind. – Wie deutlich brauchen Zinsen noch so niedrig sind. Wir stehen dafür, Schulden Sie es denn noch? Es wurde – ganz im Gegenteil – gesagt, zu vermeiden und die nächste Generation nicht zu belas- dass im vorhandenen System der Schuldenbremse ten. Das ist generationengerecht. Stabilisierungsfaktoren enthalten sind; wir haben es ge- rade schon gehört. Wir können unter dem bestehenden (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist generationengerecht, eine (B) Regime im Zweifelsfalle 0,35 Prozent des BIP als (D) Schulden aufnehmen. All das hat Vorrang, bevor man schlechte Infrastruktur zu hinterlassen?) das System nach zehn Jahren gänzlich infrage stellt. Ge- Der Sachverständigenrat sagt dazu ausdrücklich – aber ben Sie sich also ein bisschen mehr Mühe bei der Erstel- das aktuelle Gutachten haben Sie ja nicht gelesen –: Die lung der Anträge. Üben Sie etwas mehr Sorgfalt. Ausweitung der öffentlichen Verschuldung kann nicht Zur Sache. Sie argumentieren in den Diskussionen mit dem Argument der niedrigen Zinsen begründet wer- makroökonomisch immer sehr theoretisch. Aber in der den. Er sagt weiterhin, die Rückführung der Schulden sei Praxis haben wir viele Argumente gehört, die ich an die- ein glaubwürdiges, wichtiges Signal für die Finanzmärkte ser Stelle wiederholen möchte: Wir haben kein Einnah- und andere europäische Mitgliedstaaten. Diesem Urteil meproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Wir haben kann ich mich nur anschließen. Rekordeinnahmen bei den Steuern. Die Rücklagen sind Sie argumentieren in der Vergangenheit, wir verweisen auf Höchststände gestiegen. Wir haben Spielräume durch auf die Zukunft. Wir werden die Anträge ablehnen. niedrige Zinsen erwirtschaftet. Die Belastung hier ist in den letzten zehn Jahren von 40 auf 12 Milliarden Euro Vielen Dank fürs freundliche Zuhören. gesunken. Der Bund hat im nächsten Jahr das erste Mal weniger Steuereinnahmen als Länder und Kommunen (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. zusammen. Der Bund unterstützt mit dieser kommunal- Andreas Schwarz [SPD]) freundlichen Regierung und denen davor massiv die fi- nanzschwachen Kommunen: im öffentlichen Nahver- Vizepräsident Thomas Oppermann: kehr, beim Kitaausbau, beim DigitalPakt Schule, beim Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der sozialen Wohnungsbau usw. usf. FDP der Kollege Karsten Klein. Aber die Gelder fließen eben nicht in ausreichendem Maße ab. Die Ausgabereste steigen auf rund 20 Milliarden (Beifall bei der FDP) Euro, davon alleine 4 Milliarden Euro beim Breitband- ausbau; darauf rekurrieren Sie ja auch immer. Wenn Sie Karsten Klein (FDP): das KfW-Kommunalpanel richtig gelesen hätten, hätten Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Sie auch festgestellt, dass ein Drittel der Investitionen, die Kollegen! Die Debatte könnte einen falschen Eindruck in den Kommunen geplant sind, nicht umgesetzt werden erzeugen. Deshalb will ich am Anfang klipp und klar können, und zwar aus den Gründen, die ich vorhin ge- sagen: Die Schuldenbremse ist ein Erfolgsmodell. Ich nannt habe. Es liegt also nicht am fehlenden Geld, son- sage das deshalb so gerne, weil wir Freie Demokraten dern an anderen Restriktionen. Es macht gar keinen Sinn, als erste politische Kraft in Deutschland 1997 die Schul- 16720 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Karsten Klein (A) denbremse über die Wiesbadener Grundsätze eingefor- ein Grund dafür, die Schuldenregel zu reformieren und (C) dert haben. die Schuldenbremse einzuführen. Deshalb ist dieser Weg der richtige Weg. Alle Infragestellungen von der linken Die Schuldenbremse ist ein richtiges Signal an die Fi- Seite dieses Hauses sind wirklich ein Anschlag auf die nanzmärkte. Sie sorgt dafür, dass wir äußerst niedrige Generationengerechtigkeit. Zinsen, zum Teil sogar Negativzinsen, zahlen dürfen, und sie ist ein wichtiger Baustein für die Generationen- Vielen Dank. gerechtigkeit. Deshalb ist alles, was die Schuldenbremse infrage stellt – egal wie die Grünen, die Linken und der (Beifall bei der FDP) neue Bundesvorsitzende der SPD das so schön ausformu- lieren –, ein Anschlag auf die Generationengerechtigkeit, Vizepräsident Thomas Oppermann: auf den Generationenvertrag und auf eine solide und Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion nachhaltige Haushaltsführung. der SPD der Kollege Bernhard Daldrup. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der SPD) Vielmehr wären folgende Maßnahmen nötig: Erstens müssen wir dafür sorgen, dass endlich auch Bernhard Daldrup (SPD): Schattenhaushalte von der Schuldenbremse umrissen Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu- sind. nächst einmal bin ich Eckhardt Rehberg nicht nur dafür sehr dankbar, dass er mich erwähnt hat, Zweitens müssen wir dafür sorgen, dass auch die im- plizite Staatsverschuldung eingegrenzt wird. Die Große (Lachen des Abg. Peter Boehringer [AfD]) Koalition hat mit der Einführung der Rente mit 63 und der sondern auch dafür, dass er sozusagen die Arbeitsteilung Mütterrente, mit der Haltelinie von 48 Prozent und durch einhält. Er hat ein bisschen auf die Vergangenheit hinge- die Grundrente dafür gesorgt, dass die implizite Verschul- wiesen, und dann ist es jetzt mein Teil, ein bisschen in die dung zulasten zukünftiger Generationen weiter angestie- Zukunft zu gucken. Das ist die Arbeitsteilung. gen ist. Deshalb muss endlich eine entsprechende Rege- lung auf den Weg gebracht werden. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der FDP) Mit Blick auf die Vergangenheit stelle ich fest: Es war Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schuldenbremse nicht alles falsch. Aber es ist immer so eine Sache, wenn ist erfolgreich. Lassen Sie mich deshalb an dieser Stelle man mit einem Nordrhein-Westfalen redet. Norbert (B) mit ein paar Gerüchten aufräumen; einige Kollegen haben Walter-Borjans hatte tatsächlich verfassungswidrige (D) das vorhin schon formuliert. Es ist eine Mär, dass die zu Haushalte, weil er die Hinterlassenschaften von Linssen niedrigen Investitionen in der Vergangenheit irgendetwas regeln musste. mit der Schuldenbremse zu tun haben. Selbst der Bundes- (Lachen bei der FDP sowie bei Abgeordneten rechnungshof – Kollege Rehberg hat es schon angeführt – der CDU/CSU – Otto Fricke [FDP]: Sieben hat gesagt, dass es dafür keine Belege gibt. Also, hören Jahre lang!) Sie von den Grünen doch auf, dieses Schreckgespenst an die Wand zu malen. – Ja, das war nicht unerheblich. Das war eine Menge. Manche Länder sind mit ihren Strukturproblemen tat- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten sächlich überfordert. Herr Fricke, ich greife gleich auf, der CDU/CSU) was Sie gesagt haben; denn Ihr Hinweis war gar nicht so Sie vermischen eine Diskussion über Investitionen mit falsch. einer Diskussion über die Schuldenbremse und stellen Einen Punkt muss man auch erwähnen. Norbert Behauptungen auf, die absolut unzulässig und nicht Walter-Borjans hat nicht nur zur Ausgabe-, sondern zur belegbar sind. Einnahmesituation des Staates ein gutes Verhältnis. Es Ein weiterer Punkt ist – das unterstützt meine Argu- war gut, dass er Steuerhinterziehung, Steuerbetrug und mentation –: Die Schuldenbremse wurde zwar 2009 ins Steueramnestie im Zusammenhang mit Geld auf Schwei- Gesetz geschrieben, aber sie wirkt erst seit 2016 für den zer Bankkonten verhindert hat und 7 Milliarden Euro für Bund und erst ab nächstem Jahr für die Länder. Sie wollen dieses Land eingespielt hat. Das muss man mit erwähnen. etwas reformieren, was noch nicht mal so richtig durch Darüber sind wir sehr froh. eine Krise gegangen ist. Das ist also der völlig falsche (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Zeitpunkt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. der LINKEN) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Ein weiterer Punkt. Wir reden heute einerseits auf An- der CDU/CSU) trag der FDP darüber, die Schuldenbremse zu verschär- Noch ein Wort zum Thema goldene Regel. Liebe Kol- fen, und andererseits auf Antrag der Linken darüber, die legen der Linken, Sie fordern die Wiederherstellung der Schuldenbremse aufzugeben. Das Ganze ist garniert mit Vorgaben Stand 2009. Dabei hat Herr Hüther 2010 fest- der schwarzen Null, neuerdings mit einer Lack- und Le- gestellt, dass im Zeitraum zwischen 1990 und 2010, in dermütze und dem Bekenntnis seitens der CDU/CSU: diesen 20 Jahren, 14-mal gegen diese Regel verstoßen „Wir stehen zu unserem Fetisch.“ So steht es auf einem worden ist – politisch, in diesem Haus. Das war damals CDU-Plakat. Ich finde das ganz witzig, und auch der Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16721

Bernhard Daldrup (A) FDP-Antrag, der sich ja gegen Lobbypolitik wendet, wir eigentlich nicht wollen können –, und wir haben mas- (C) zeigt, dass Sie alle die Fähigkeit zur Selbstironie haben. sive Umsetzungsprobleme. All die Flaschenhälse, die hier beschrieben worden sind, lassen sich durch zusätz- (Beifall bei der SPD) liche Investitionen nicht einfach beseitigen. Eins ist aber falsch, nämlich dass die schwarze Null (Beifall bei Abgeordneten der FDP) etwas mit Generationengerechtigkeit zu tun hat. Unter- lassene Investitionen gehen in der heutigen Zeit zulasten Deswegen ist die Frage: Was muss man tun, um die Hand- künftiger Generationen. Unterlassene Investitionen sind lungsfähigkeit, also die Investitionsfähigkeit, zu verbes- die Schulden von morgen. Schon deshalb – und übrigens sern? Wenn wir wissen, dass 60 Prozent der Investitionen auch, weil alle seriösen Fraktionen den Antrag der FDP von Kommunen und Gebietskörperschaften getätigt wer- ablehnen – will ich mich damit gar nicht weiter beschäf- den, müssen wir die Frage stellen: Wie ist die Investi- tigen. tionsfähigkeit der Kommunen zu verbessern? (Otto Fricke [FDP]: Das würde Ihnen aber An dieser Stelle will ich auf einen Punkt hinweisen. Ich guttun!) bin Olaf Scholz sehr dankbar dafür, dass er im Zusam- menhang mit dem Ziel der Beseitigung der Ungleichheit Der Verzicht auf öffentliche Investitionen ist eigentlich von Lebensbedingungen über die Altschuldenproblema- nur dann zu rechtfertigen, wenn die damit verbundenen tik gesprochen hat; denn sie verhindert, im Großen und Kredite so hohe Zinslasten verursachen, dass sie die Ganzen jedenfalls, dass gleichwertige Lebensbedingun- Handlungsfähigkeit künftiger Generationen behindern. gen vorliegen. Deswegen misst sich die Fähigkeit von „Hohe Zinsen bezahlen vor allem die Armen“, hat Oskar Politik heute daran, ob Bund, Länder und Gemeinden in Lafontaine vor zehn Jahren gesagt. Und er hatte durchaus der Lage sind, ein solches Problem solidarisch zu lösen, recht damit, auch gemeinsam mit den Ländern – den süddeutschen Ländern beispielsweise –, die nicht unmittelbare Vorteile (Beifall der Abg. Michael Schrodi [SPD] und davon haben. Das ist die Aufgabe. Das ist die Bewäh- Fabio De Masi [DIE LINKE]) rungsprobe. Wenn wir diese Handlungsfähigkeit der weil wir zum damaligen Zeitpunkt über 40 Milliarden Kommunen wiederherstellen, dann werden Investitionen Euro Zinsen zahlen mussten. Heute – darauf hat der Kol- auch greifen, dann werden sie umgesetzt. lege Rehberg eben auch hingewiesen – bewegen wir uns auf 10 Milliarden Euro zu. Die Differenz geht in Investi- tionen, jedenfalls nicht an die Banken, und das ist ver- Vizepräsident Thomas Oppermann: nünftig. Und das war jetzt der Schlusssatz. (B) (D) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Bernhard Daldrup (SPD): Deshalb haben wir einen Haushalt auf Rekordniveau, was Alles andere allein ist leider nicht genug. die Investitionen angeht. Ich finde, es ist wichtig, das an Herzlichen Dank. dieser Stelle zu sagen. (Beifall bei der SPD) Das alles geschieht ohne Neuverschuldung. Die Frage lautet: Ist das eigentlich ein Problem? Die schwarze Null ist zweifellos überhaupt kein Selbstzweck. Das bestätigt Vizepräsident Thomas Oppermann: nicht nur Norbert Walter-Borjans, sondern auch der Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist der Bundesfinanzminister. Keine schwarze Null, also neue Kollege Alois Rainer für die Fraktion der CDU/CSU. Schulden, ist aber auch kein Selbstzweck. Das muss (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) man sagen. Dennoch ist die Frage berechtigt: Gibt es eigentlich Spielräume für den Bund? Die Antwort lautet: Alois Rainer (CDU/CSU): Ja. Man kann auf die Schuldenstandsquote zu sprechen Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und kommen, man kann auf die Staatsquote insgesamt zu Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um sprechen kommen, man kann beispielsweise auch auf es mal gleich vorwegzunehmen: Als ich den Antrag ge- die Spielräume, die die Schuldenbremse heute noch bie- lesen habe, tet, zu sprechen kommen. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Da haben (Otto Fricke [FDP]: 6 Milliarden!) Sie sich schon gefreut!) Da sind durchaus noch Milliardenbeträge drin, wenn man war ich schon etwas überrascht. das wollte. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nein, da (Otto Fricke [FDP]: 6,2 Milliarden!) haben Sie sich gefreut!) – In der Tat. Das ist richtig. Aber eigentlich ist es immer die gleiche Schallplatte, die hier aufgelegt wird. Man könnte da überall noch etwas tun. Aber was spricht dagegen? Das ist eben dargestellt worden: Da sind Wir haben vor zwei Wochen einen Bundeshaushalt mit zum einen die ausgelasteten Kapazitäten, zum anderen ist Mitteln beschlossen, mit denen Rekordinvestitionen ge- da die Tatsache, dass staatliche Investitionen in der Bau- tätigt werden können, nämlich mit 43 Milliarden Euro. wirtschaft direkt in die Preise gehen – das ist etwas, was Der öffentliche Investitionshaushalt beträgt laut Statisti- 16722 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Alois Rainer (A) schem Bundesamt circa 80 Milliarden Euro. Ich finde es aus Krediten auszugleichen sind. Das geht jetzt, in einer (C) spannend, dass immer wieder gesagt wird: Bei den Kom- guten Zeit, sehr gut. Die Einhaltung der Neuverschul- munen ist ein großer Investitionsstau. – Ja, das mag dungsgrenze durch Bund und Länder trägt zu einer deut- durchaus sein. Lieber Kollege Daldrup, da Sie in diesem lichen und nachhaltigen Rückführung der gesamtstaatli- Zusammenhang von der Altschuldenproblematik gespro- chen Schuldenstandsquote bei. Auch für die kommenden chen haben, muss ich Ihnen eines sagen: Manche Bun- Jahre wird von einer sinkenden Schuldenstandsquote aus- desländer haben es verschlafen, sich um ihre Kommunen gegangen. zu sorgen. Die Südländer haben das nicht gemacht. In meinem Wahlkreis gibt es Kommunen an der Grenze Wir dürfen nicht vergessen, dass der Großteil der In- zur Tschechei, vestitionen in unserem Land – das wurde heute schon angesprochen – im privaten Sektor durchgeführt wird. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: „Tsche- Wir können nicht alles öffentlich schultern. Wir sollten chei“? „Tschechien“ heißt das jetzt!) den privaten Investoren die Möglichkeit geben, vernünf- tig zu investieren. Aber hier haben wir ähnliche Proble- die ähnliche Probleme haben. Sie wurden vom Freistaat me: Es kann einfach nicht abgearbeitet werden. Wir be- massiv unterstützt. Aber diese Kommunen müssen ihre finden uns in einem Investitionshochlauf. Warum geht es Hausaufgaben machen; erst dann bekommen sie Unter- beim Breitbandausbau oft nicht weiter? Weil die Baufir- stützung. Und jetzt sollen wir als Bund Milliarden dafür men keine Kapazitäten dafür haben. Das ist das andere zur Verfügung stellen? Ich werde dafür mit Sicherheit Thema. Wenn noch mehr Geld in den Topf kommt, even- nicht meine Hand heben. Dafür sind wir nicht zuständig. tuell noch mehr Geld ins Schaufenster gestellt wird, was (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – passiert dann am Ende des Tages? Ich gönne es jeder Bernhard Daldrup [SPD]: Die Werftenkrise Firma, dass sie viel Geld verdient; aber die Projekte kos- war von Bayern weit weg!) ten Unsummen, sodass Ausschreibungen zum Teil zu- rückgezogen werden. Das ist nicht nur beim Bund und Wenn man über Investitionen spricht, dann muss man nicht nur bei den Ländern so, das ist auch bei den Kom- folgende Problematik ansprechen: Ich freue mich, wenn munen so, auch dort werden viele Ausschreibungen zu- die Grünen jetzt sagen, dass sie uns dabei unterstützen rückgezogen. wollen, schneller zu Baurecht zu kommen; das hat der Fraktionsvorsitzende in seiner Rede zum Haushalt ge- Lassen Sie mich abschließend noch Folgendes sagen: sagt. Man muss aber auch sagen: Drei Wochen vorher Wenn ich die Anträge in Gänze lese – ich bin ein großer kritisierte er noch den Bundesverkehrsminister, er würde Freund des Föderalismus –, dann kommt mir eigentlich Turbobaurecht einführen. Meine Damen und Herren, nur ein Gedanke: Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen (B) wenn es beim jetzigen Stand bleibt, dann sind wir zufrie- von den Linken, denken an einen Zentralstaat, den wir (D) den, und wir führen das Turbobaurecht zusammen mit in dieser Form nicht wollen. Die Anträge sind in Gänze den Grünen ein. Dann kommen wir bei den Investitionen abzulehnen. ein großes Stück weiter, und zwar in allen Bereichen, auf Danke schön. der Schiene, auf der Straße und auf den Wasserwegen. Wenn wir da weiterkommen, freuen wir uns sehr. Dann (Beifall bei der CDU/CSU) können unsere Mittel gut verwendet werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Thomas Oppermann: Vielen Dank. – Ich möchte die Gelegenheit nutzen, die Meine Damen und Herren, noch einmal kurz zurück zu Zuhörer auf den Tribünen zu begrüßen, ganz besonders den Kommunen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in eine Delegation aus dem Parlament der Republik Kroa- der letzten Legislaturperiode zweimal 3,5 Milliarden Eu- tien. Herzlich willkommen im Deutschen Bundestag! ro zur Verfügung gestellt haben, einmal 3,5 Milliarden Euro für Kommunen, die finanziell schwächer sind, und (Beifall) dann noch einmal 3,5 Milliarden Euro für die Sanierung von Schulgebäuden, obwohl wir dafür nicht zuständig Als letzter Redner in der Debatte hat das Wort der Ab- sind. Wir geben für den Kitaausbau 4,4 Milliarden Euro geordnete Michael Schrodi für die SPD. aus. Meine Damen und Herren, ich wäre sogar dafür, dass (Beifall bei der SPD) wir da noch ein Stück weit nachbessern, weil wir – das muss man sagen – die Forderungen stellen und die Kom- Michael Schrodi (SPD): munen sie umsetzen müssen. Da bin ich dabei; man muss Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da- darüber diskutieren, ob man da ein Stück weit nachbes- men und Herren! Mit Finanzminister Olaf Scholz haben sern kann. Ich nenne den DigitalPakt Schule, den sozialen wir die Rekordinvestition von 43 Milliarden Euro auf den Wohnungsbau, die Umsatzsteuerpunkte und vieles mehr. Weg gebracht. Deutschland steht finanziell gut da, weil Sogar für die Ganztagsschulbetreuung werden wir ein wir Sozialdemokraten regieren und den Finanzminister Sondervermögen von 2 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Das ist erst mal eine gute Nachricht; das muss stellen. man an dieser Stelle auch deutlich sagen. Meine Damen und Herren, ich bin ganz froh, dass in (Beifall bei der SPD) der Föderalismusreform II diese Schuldenregel gesetzlich verankert worden ist, die vorschreibt, dass die Haushalte Wir können aber auch feststellen, dass DGB und BDI von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen gemeinsam sagen – das können wir auch in der Bevölke- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16723

Michael Schrodi (A) rung feststellen –: Wir haben einen Investitionsstau. Es ist (Widerspruch des Abg. Otto Fricke [FDP]) (C) schon gesagt worden: Bei den Kommunen sind es das weiß ich aus der Veranstaltung –: 140 Milliarden Euro. DGB und BDI gemeinsam fordern deshalb ein großes Investitionsprogramm von 450 Mil- Das Unterlassen der gebotenen Investitionen seitens liarden Euro. Meine Partei hat gesagt: Wir sehen die des Staates würde unter den Zinsbedingungen und Problematik ähnlich. Wir wollen auch ein großes Investi- den skizzierten Produktivitätseffekten ... die Gene- tionsprogramm. Wir bleiben aber nicht bei einer Be- rationengerechtigkeit verletzen. schreibung stehen. Wir arbeiten an Lösungen. Das sagt der BDI: Wenn wir Investitionen unterlassen Klar: Es geht um die Frage, Altschulden bei den Kom- würden, würde das die Generationengerechtigkeit verlet- munen abzubauen. Da gibt es einen, wie ich finde, sehr zen. guten Vorschlag von Finanzminister Olaf Scholz. Herr Rainer, die Werftenkrise und die Kohlekrise hat Bayern (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der gut überstanden. Klar, das Problem hatten wir nämlich LINKEN – Karsten Klein [FDP]: Hat aber nicht. mit der Schuldenbremse nichts zu tun!) Die Ökonomen Michael Hüther vom Institut der deut- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) schen Wirtschaft und Jens Südekum von der Universität Also sollten wir mit ein bisschen mehr Demut auf die Düsseldorf plädieren dafür, die Schuldenbremse nicht ab- Kommunen in den davon betroffenen Regionen schauen zuschaffen, sondern zu reformieren. Das sagen welche, und ihnen helfen, dass sie investieren können; denn das die eigentlich Ihnen nahestehen. Das müsste Ihnen zu Geld muss zu den Kommunen, damit die Mittel abfließen grübeln geben. können. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Vordergrund steht für uns aber die Einnahmeseite. Stellt sich nur die Frage: Was will die SPD?) Deswegen war es gut, dass wir den Soli für Bezieher Wir jedenfalls werden darüber nicht hinwegsehen. unterer und mittlerer Einkommen abgebaut haben, aber dass ihn die Spitzenverdiener weiterhin zahlen. Wir wol- Lassen Sie mich eins verdeutlichen: Schulden sind len mit diesem Geld in die Zukunft unserer Gesellschaft nicht per se gut. Sie sind aber auch nicht per se schlecht. investieren. Deswegen war es gut, wie wir das gemacht Sie können volkswirtschaftlich sinnvoll sein und auch haben. generationengerecht. Deswegen wollen wir die Debatte führen – aus Verantwortung für unser Land, damit es ein (Beifall bei der SPD) soziales, ein wirtschaftlich starkes und ein sicheres Land (B) Genauso müssen wir über den Spitzensteuersatz und über bleibt. Deswegen brauchen wir Investitionen, langfristig (D) die Vermögensteuer nachdenken, weil wir die Einnahmen und unabhängig von der konjunkturellen Lage, in Bahn, für Investitionen brauchen. Das ist kein Selbstzweck. in Bildung, in bezahlbaren Wohnraum, in Klimaschutz. Ich lade alle ein, diese Debatte zu führen: sachorientiert, Auf der anderen Seite höre ich von der CDU/CSU fundiert und undogmatisch. mehrmals, die wollen Steuern senken und gleichzeitig Deswegen machen wir heute keinen Schnellschuss. mehr investieren, zum Beispiel in Rüstung oder in Flug- Wir lehnen den Antrag der Linken ab. Übrigens müssen zeugträger, wie man von manchen hört. Das wäre eine Sie auch selbst mal erklären, wohin Sie wollen. Der ehe- tolle Nummer: aus Mindereinnahmen einerseits und malige linke Finanzminister in kritisiert Mehrausgaben andererseits solide Haushaltspolitik zu ganz scharf die Aufnahme neuer Schulden der Kenia- machen. Das wäre wahre Magie, vielleicht auch schwarze Koalition in Brandenburg. Magie. Die ist mit uns aber nicht zu machen. (Victor Perli [DIE LINKE]: Die falschen Viel eher sähe das Haus Deutschland in 20 Jahren, Schulden!) wenn wir so weitermachen würden, folgendermaßen aus: Nachdem das Dach wegen zu geringer Investitionen Da müssen Sie auch mal sagen, was Sie an dieser Stelle undicht ist, scheitert der Versuch, den Handwerker anzu- wollen. rufen, weil immer noch kein ausreichendes Handynetz da Aber wir werden diese Debatte führen müssen, wenn es ist und auch der Breitbandausbau nicht funktioniert. notwendig ist, auch die Rahmenbedingungen so gestal- Wenn der Handwerker dann kommen will, dann schafft ten, dass wir investieren können. Ich hoffe, dass die er es nicht bis zum Haus, weil Straßen und Brücken ma- Union, wie Michael Hüther es sagt, sich nicht weiter ein- rode sind oder die Bahn nicht fährt. Das wollen wir nicht. mauert, sondern diese Debatte ganz offen führt, damit wir Deswegen wollen wir weiterhin investieren und mehr in gemeinsam in eine gute Zukunft gehen und in die Zukunft die Zukunft unserer Gesellschaft investieren. dieses Landes investieren können. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Danke schön für die Aufmerksamkeit. Deshalb nehmen wir die Debatte auf, die in der Bevöl- (Beifall bei der SPD) kerung, aber auch unter Ökonominnen und Ökonomen geführt wird. DGB und BDI führen sie genauso. Es sind nämlich nicht, Herr Fricke, unsere Worte, nicht unser Vizepräsident Thomas Oppermann: Wunsch. Ich zitiere Ihnen jetzt den BDI – das tut Ihnen Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht besonders weh, vor. Ich schließe die Aussprache. 16724 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf eines Gesetzes zur Bereinigung arbeits- (C) den Drucksachen 19/14424 und 19/14375 an die in der rechtlicher Regelungen (Arbeitsrechtsbe- Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – reinigungsgesetz) Weitere Überweisungsvorschläge sehe ich nicht. Dann verfahren wir so. Drucksache 19/15786 Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Haushalt- Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) sausschusses zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz dem Titel „Schuldenbremse stärken und keine Lobby- Politik zulasten kommender Generationen“. Der Aus- e) Erste Beratung des von der Bundesregierung schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Drucksache 19/15159, den Antrag der Fraktion der FDP Durchführung der Verordnung (EU) 2017/ auf Drucksache 19/10616 abzulehnen. Wer stimmt für 821 des Europäischen Parlaments und des diese Beschlussempfehlung? – Das sind die Koalitions- Rates vom 17. Mai 2017 zur Festlegung fraktionen, Bündnis 90/Die Grünen und die Linken. Wer von Pflichten zur Erfüllung der Sorgfalts- stimmt dagegen? – Die Fraktion der FDP. Wer enthält pflichten in der Lieferkette für Unionsein- sich? – Bei Enthaltung der AfD und gegen die Stimmen führer von Zinn, Tantal, Wolfram, deren der FDP ist mit der übrigen Mehrheit des Hauses die Erzen und Gold aus Konflikt- und Hoch- Beschlussempfehlung angenommen. risikogebieten sowie zur Änderung des Bundesberggesetzes Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 a bis 31 m sowie Zusatzpunkte 3 a bis 3 e auf. Drucksache 19/15602 31 a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Roman Müller-Böhm, Stephan Thomae, Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Grigorios Aggelidis, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Ent- f) Erste Beratung des von der Bundesregierung wurfs eines Gesetzes zur Modernisierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur des Rechtsdienstleistungsrechts beschleunigten Beschaffung im Bereich der Verteidigung und Sicherheit und zur Drucksache 19/9527 Optimierung der Vergabestatistik Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Drucksache 19/15603 (B) Ausschuss Digitale Agenda (D) Überweisungsvorschlag: b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Stephan Brandner, Roman Johannes Reusch, Verteidigungsausschuss Jens Maier, weiteren Abgeordneten und der g) Erste Beratung des von der Bundesregierung Fraktion der AfD eingebrachten Entwurfs ei- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur nes … Gesetzes zur Änderung des Kredit- Umsetzung der technischen Säule des vier- wesengesetzes (Gesetz zur Sicherstellung ten Eisenbahnpakets der Europäischen der Verbraucherrechte bei Sparkassen- Union nutzung) Drucksache 19/15661 Drucksache 19/11943 Überweisungsvorschlag: Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Finanzausschuss (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz h) Erste Beratung des von der Bundesregierung c) Erste Beratung des von den Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stephan Brandner, Roman Johannes Reusch, Einführung von Sondervorschriften für Jens Maier, weiteren Abgeordneten und der die Sanierung und Abwicklung von zent- Fraktion der AfD eingebrachten Entwurfs ei- ralen Gegenparteien und zur Anpassung nes Gesetzes zur Änderung des Gesetzes des Wertpapierhandelsgesetzes an die Un- über die Entschädigung für Strafverfol- terrichtungs- und Nachweispflichten nach gungsmaßnahmen – Gesetz zur Moderni- den Artikeln 4a und 10 der Verordnung sierung des Entschädigungsrechts für zu (EU) Nr. 648/2012 Unrecht erlittene Haft Drucksache 19/15665 Drucksache 19/15785 Überweisungsvorschlag: Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz d) Erste Beratung des von den Abgeordneten i) Beratung des Antrags der Abgeordneten Stephan Brandner, Tobias Matthias Peterka, Frank Schäffler, Christian Dürr, Dr. Florian Marc Bernhard, weiteren Abgeordneten und Toncar, weiterer Abgeordneter und der Frak- der Fraktion der AfD eingebrachten Entwurfs tion FDP Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16725

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) Kunden von Restschuldversicherungen Kooperation mit Mitteleuropa braucht (C) besser schützen neue Dynamik Drucksache 19/9276 Drucksache 19/14933

Überweisungsvorschlag: Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Auswärtiger Ausschuss (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss Digitale Agenda Ausschuss für Arbeit und Soziales b) Beratung des Antrags der Abgeordneten j) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. , Alexander Graf Margarete Bause, Kai Gehring, Filiz Polat, Lambsdorff, Grigorios Aggelidis, weiterer weiterer Abgeordneter und der Fraktion Abgeordneter und der Fraktion der FDP BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schutz der Soldatinnen und Soldaten der Rechte indigener Völker stärken – ILO- Bundeswehr durch die Beschaffung von Konvention 169 ratifizieren – Koalitions- bewaffneten Drohnen stärken vertrag umsetzen Drucksache 19/15675

Drucksache 19/14107 Überweisungsvorschlag: Verteidigungsausschuss (f) Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (f) Haushaltsausschuss Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Renata Alt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP k) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD China auf Augenhöhe begegnen – Multila- terale Klage vor der WTO anstrengen Sicherer Radverkehr für Vision Zero im Straßenverkehr Drucksache 19/15764 Drucksache 19/15779 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (B) Überweisungsvorschlag: (D) Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen Dr. Marco Buschmann, Stephan Thomae, Haushaltsausschuss Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter l) Beratung des Antrags der Abgeordneten und der Fraktion der FDP Roman Müller-Böhm, Stephan Thomae, Mehr Transparenz bei Lobbyismus her- Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter stellen und der Fraktion der FDP Drucksache 19/15773 Neuheitsschädlichkeit von Gebrauchs- mustern Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Drucksache 19/15760 e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Überweisungsvorschlag: Bettina Stark-Watzinger, Christian Dürr, Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP m) Beratung der Unterrichtung durch die Bun- desregierung Transparenz ist keine Einbahnstraße – Offenlegungsstandards für Sustainable Bericht der Bundesregierung für die Ach- Finance-Beirat der Bundesregierung te Überprüfungstagung zum Übereinkom- men über nukleare Sicherheit im März/ Drucksache 19/15769 April 2020 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Drucksache 19/11455 Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Überweisungsvorschlag: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (f) Auswärtiger Ausschuss Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. ZP 3 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renata Alt, Alexander Graf Lambsdorff, Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu und der Fraktion der FDP überweisen. Gibt es weitere Überweisungsvorschläge? – 16726 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so, wie ich fehlung gegen die Stimmen der AfD mit der übrigen (C) vorgeschlagen habe. Mehrheit des Hauses angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 32 a bis 32 t sowie Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c Zusatzpunkt 4 auf. Es handelt sich um die Beschlussfas- seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags sung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgese- der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/ hen ist. 6426 mit dem Titel „Ein weltoffenes Land für freie Wis- senschaft“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Tagesordnungspunkt 32 a: Das sind die Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und der Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- AfD. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen regierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Wer enthält Gesetzes zur Änderung des Konsulargesetzes sich? – Das ist die FDP. Damit ist die Beschlussempfeh- lung mehrheitlich angenommen. Drucksache 19/13455 Tagesordnungspunkt 32 c: Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärti- gen Ausschusses (3. Ausschuss) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Ausschusses für Verkehr und digitale Drucksache 19/15496 Infrastruktur (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Der Auswärtige Ausschuss empfiehlt in seiner Be- Abgeordneten Bernd Reuther, Frank Sitta, schlussempfehlung auf Drucksache 19/15496, den Ge- , weiterer Abgeordneter und der setzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 19/ Fraktion der FDP 13455 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz- entwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer Abladeoptimierung Mittel- und Niederrhein stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Mit den Stimmen mittels Maßnahmengesetz schneller vorantrei- aller Abgeordneten des Hauses ist der Entwurf damit in ben zweiter Beratung angenommen. Drucksachen 19/11111, 19/14075 Dritte Beratung Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem lung auf Drucksache 19/14075, den Antrag der Fraktion Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Jetzt der FDP auf Drucksache 19/11111 abzulehnen. Wer müssen Sie sich folgerichtig alle erheben. – Wer stimmt stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind die dagegen? – Enthaltungen? – Einstimmig angenommen. Fraktionen CDU/CSU, Grüne und SPD. Wer stimmt da- (B) Damit ist der Gesetzentwurf so beschlossen. gegen? – Das sind FDP und AfD. Wer enthält sich? – Die (D) Linke. Damit ist die Beschlussempfehlung mit Mehrheit Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 32 b: angenommen. Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Tagesordnungspunkt 32 d: richts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener- – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Michael gie (9. Ausschuss) zu dem Antrag des Bundes- Espendiller, Dr. Götz Frömming, Nicole ministeriums für Wirtschaft und Energie Höchst, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der AfD Vertrag gemäß Artikel 1 § 6 des Gesetzes zur Neuordnung der ERP-Wirtschaftsförderung Wissenschaftlichem Nachwuchs in in der im Jahr 2019 novellierten Fassung Deutschland eine Perspektive geben (Durchführungsvertrag 2019) – zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Einholung eines zustimmenden Beschlusses Gehring, Dr. Anna Christmann, Ekin des Deutschen Bundestages gemäß § 6 Absatz 3 Deligöz, weiterer Abgeordneter und der des ERP-Verwaltungsgesetzes Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksachen 19/14744, 19/15872 Ein weltoffenes Land für freie Wissen- schaft Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- lung auf Drucksache 19/15872, dem Antrag des Bundes- Drucksachen 19/6424, 19/6426, 19/13678 ministeriums für Wirtschaft und Energie auf Drucksache Buchstabe a und Buchstabe c 19/14744 zuzustimmen. Wer stimmt für diese Beschluss- Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be- empfehlung? – Das sind alle Fraktionen des Hauses. Ge- schlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak- genstimmen? – Sehe ich nicht. Enthaltungen? – Auch tion der AfD auf Drucksache 19/6424 mit dem Titel nicht. Damit ist die Beschlussempfehlung einstimmig an- „Wissenschaftlichem Nachwuchs in Deutschland eine genommen. Perspektive geben“. Wer stimmt für diese Beschlussemp- Tagesordnungspunkt 32 e: fehlung? – Das sind alle Fraktionen mit Ausnahme der AfD. – Wer stimmt dagegen? – Das ist die AfD selbst. – Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist die Beschlussemp- richts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16727

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) gie (9. Ausschuss) zu der Verordnung der Bun- ist die Fraktion Die Linke. Enthaltungen? – Die Grünen. (C) desregierung Damit ist die Sammelübersicht 412 mit Mehrheit ange- nommen. Verordnung zu den Innovationsausschreibun- gen und zur Änderung weiterer energiewirt- Tagesordnungspunkt 32 j: schaftlicher Verordnungen Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Drucksachen 19/14065, 19/14232 Nr. 2, ausschusses (2. Ausschuss) 19/15874 Sammelübersicht 413 zu Petitionen Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- lung auf Drucksache 19/15874, der Verordnung der Bun- Drucksache 19/15548 1) desregierung auf Drucksache 19/14065 zuzustimmen. Wer stimmt dafür? – Das sind alle Fraktionen mit Aus- Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind nahme der AfD. Wer stimmt dagegen? – Die AfD. Ent- die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? – Das haltungen? – Sehe ich nicht. Damit ist die Sammelüber- sind alle Oppositionsfraktionen. Damit ist die Beschluss- sicht 413 mit Mehrheit angenommen. empfehlung mehrheitlich angenommen. Tagesordnungspunkt 32 k: Tagesordnungspunkte 32 f bis 32 t. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses in Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Sammelübersichten. ausschusses (2. Ausschuss) Tagesordnungspunkt 32 f: Sammelübersicht 414 zu Petitionen Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Drucksache 19/15549 ausschusses (2. Ausschuss) Wer stimmt dafür? – Das sind die Koalitionsfraktionen Sammelübersicht 409 zu Petitionen und die FDP. Wer stimmt dagegen? – Die Linke und die Drucksache 19/15544 AfD. Enthaltungen? – Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist die Sammelübersicht 414 ebenfalls mehrheitlich ange- Wer stimmt dafür? – Alle Fraktionen. Gegenstim- nommen. men? – Keine. Enthaltungen? – Damit ist die Sammel- übersicht 409 angenommen. Tagesordnungspunkt 32 l: Tagesordnungspunkt 32 g: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- (B) ausschusses (2. Ausschuss) (D) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 415 zu Petitionen Sammelübersicht 410 zu Petitionen Drucksache 19/15550 Drucksache 19/15545 Wer stimmt dafür? – Alle Fraktionen. Wer stimmt da- Wer stimmt dafür? – Wiederum alle Fraktionen. Ge- gegen? – Enthaltungen? – Auch nicht erkennbar. Damit genstimmen? – Enthaltungen? – Nicht erkenntlich. Die ist die Sammelübersicht 415 einstimmig angenommen. Sammelübersicht 410 ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 32 m: Tagesordnungspunkt 32 h: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) ausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 416 zu Petitionen Sammelübersicht 411 zu Petitionen Drucksache 19/15551 Drucksache 19/15546 Wer stimmt dafür? – Alle Fraktionen mit Ausnahme Wer stimmt dafür? – Wiederum einstimmig. Gegen- der Fraktion Die Linke. Wer stimmt dagegen? – Die Lin- stimmen? – Sehe ich nicht. Enthaltungen? – Auch nicht. ke. Enthaltungen? – Sehe ich nicht. Damit ist die Sam- Damit ist die Sammelübersicht 411 angenommen. melübersicht 416 mit Mehrheit angenommen. Tagesordnungspunkt 32 i: Tagesordnungspunkt 32 n: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) ausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 412 zu Petitionen Sammelübersicht 417 zu Petitionen Drucksache 19/15547 Drucksache 19/15552 Wer stimmt dafür? – Das sind die Fraktionen AfD, Wer stimmt dafür? – Das sind die Koalitionsfraktionen, FDP, CDU/CSU und SPD. Wer stimmt dagegen? – Das Grüne, Linke und AfD. Wer stimmt dagegen? – Die Frak- tion der FDP. Damit ist die Sammelübersicht 417 mehr- 1) Anlage 2 heitlich angenommen. 16728 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) Tagesordnungspunkt 32 o: Tagesordnungspunkt 32 t: (C) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) ausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 418 zu Petitionen Sammelübersicht 423 zu Petitionen Drucksache 19/15553 Drucksache 19/15558 Wer stimmt dafür? – Das sind alle Fraktionen mit Aus- Wer stimmt dafür? – Die Koalitionsfraktionen. Wer nahme der AfD. Wer stimmt dagegen? – Die AfD. Ent- stimmt dagegen? – Alle vier Oppositionsfraktionen. Da- haltungen? – Keine. Sammelübersicht 418 ist mehrheit- mit ist die Sammelübersicht 423 mehrheitlich angenom- lich angenommen. men. Zusatzpunkt 4: Tagesordnungspunkt 32 p: Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- richts des Ausschusses für Verkehr und digitale ausschusses (2. Ausschuss) Infrastruktur (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Sammelübersicht 419 zu Petitionen Abgeordneten , Daniela Wagner, Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Drucksache 19/15554 Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wer stimmt dafür? – Das sind alle Fraktionen mit Aus- Verkehrswende in Städten, mehr Raum für nahme der Fraktion Die Linke und Bündnis 90/Die Grü- das Rad – Einführung von Fahrradstraßen er- nen. Wer stimmt dagegen? – Diese beiden Fraktionen. leichtern und Fahrradzonen etablieren Enthaltungen? – Sehe ich nicht. Sammelübersicht 419 ist mehrheitlich angenommen. Drucksachen 19/5893, 19/14674 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- Tagesordnungspunkt 32 q: lung auf Drucksache 19/14674, den Antrag der Fraktion Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/5893 abzu- ausschusses (2. Ausschuss) lehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind die Koalitionsfraktionen, FDP und AfD. Wer Sammelübersicht 420 zu Petitionen stimmt dagegen? – Linke und Grüne. Damit ist die Be- schlussempfehlung mehrheitlich angenommen. (B) Drucksache 19/15555 (D) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf: Wer stimmt dafür? – AfD, CDU/CSU und SPD. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Wahlvorschlag der Fraktion der AfD Linke. Sammelübersicht 420 ist mehrheitlich angenom- men. Wahl eines Stellvertreters des Präsidenten (3. Wahlgang) Tagesordnungspunkt 32 r: Drucksache 19/14946 Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Die Fraktion der AfD schlägt auf Drucksache 19/14946 ausschusses (2. Ausschuss) den Abgeordneten Paul Viktor Podolay vor. Sammelübersicht 421 zu Petitionen Die Wahl erfolgt mit verdeckten Stimmkarten, also ge- Drucksache 19/15556 heim. Der Bewerber ist nach unserer Geschäftsordnung im dritten Wahlgang gewählt, wenn er die Mehrheit der Wer stimmt dafür? – Die Koalitionsfraktionen und die abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt, also die Zahl FDP. Wer stimmt dagegen? – AfD, Bündnis 90/Die Grü- der Jastimmen größer ist als die Zahl der Neinstimmen. nen und Die Linke. Damit ist die Sammelübersicht 421 Enthaltungen bleiben unberücksichtigt. mehrheitlich angenommen. Für diese Wahl benötigen Sie Ihren grünen Wahlaus- Tagesordnungspunkt 32 s: weis aus Ihrem Stimmkartenfach in der Lobby. Die für die Wahl eines Vizepräsidenten gültige grüne Stimmkarte Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- und den amtlichen Wahlumschlag erhalten Sie von den ausschusses (2. Ausschuss) Schriftführerinnen und Schriftführern an den Ausgabeti- Sammelübersicht 422 zu Petitionen schen oben neben der Wahlkabine. Drucksache 19/15557 Die Wahl ist geheim. Sie dürfen Ihre Stimmkarte daher nur in der Wahlkabine ankreuzen und müssen die Stimm- Wer stimmt dafür? – Die Koalitionsfraktionen und karte ebenfalls noch in der Wahlkabine in den Umschlag Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Mit legen. Ich weise explizit darauf hin, dass das Fotografie- der Mehrheit von Bündnis 90/Die Grünen und den Koa- ren oder Filmen der ausgefüllten Stimmkarte einen Ver- litionsfraktionen gegen die Stimmen der AfD, der Linken stoß gegen das Wahlgeheimnis darstellt und die Ordnung und der FDP ist Sammelübersicht 422 mehrheitlich an- und Würde des Hauses verletzt. Für den Fall, dass ich von genommen. solchen Verstößen gegen das Wahlgeheimnis in dieser Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16729

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) Sitzung oder später Kenntnis erlange, behalte ich mir Für die nun folgende Wahl brauchen Sie die rote (C) schon jetzt vor, Ordnungsmaßnahmen zu ergreifen. Die Stimmkarte für Ihren roten Wahlausweis. Schriftführerinnen und Schriftführer sind verpflichtet, Auf Drucksache 19/14934 schlägt die Fraktion der diejenigen, die ihre Stimmkarte außerhalb der Wahlkabi- AfD den Abgeordneten Marcus Bühl vor. ne kennzeichnen oder in den Umschlag legen, zurückzu- weisen. Die Stimmabgabe kann in diesem Fall jedoch Diese Wahl findet offen statt. Die Stimmkarte können vorschriftsmäßig wiederholt werden. Sie also an Ihrem Platz ankreuzen. Bitte geben Sie an der Urne zuerst Ihren roten Wahlausweis ab, bevor Sie Ihre Gültig sind nur Stimmkarten mit einem Kreuz bei ent- rote Stimmkarte einwerfen. weder „ja“, „nein“ oder „enthalte mich“. Ungültig sind Stimmen auf nichtamtlichen Stimmkarten sowie Stimm- Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die karten, die mehr als ein Kreuz, kein Kreuz, andere Namen vorgesehenen Plätze einzunehmen. Ist das überall der oder Zusätze enthalten. Bevor Sie die Stimmkarte in die Fall? – Dann eröffne ich den Wahlgang. Wahlurne werfen, müssen Sie der Schriftführerin oder Haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schriftfüh- dem Schriftführer an der Wahlurne Ihren grünen Wahl- rerinnen und Schriftführer, ihre Stimmkarte abgegeben? – ausweis übergeben. Die Abgabe des Wahlausweises dient Dann schließe ich den Wahlgang. Das Ergebnis der Aus- als Nachweis für die Beteiligung an der Wahl. Kontrol- zählung wird Ihnen später bekannt gegeben.2) lieren Sie daher bitte, ob der Wahlausweis Ihren Namen trägt; man muss an alles denken. Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 14 b: Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer, Wahlvorschlag der Fraktion der AfD die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Auf der rechten Wahl von Mitgliedern des Gremiums gemäß Seite des Hauses fehlt noch ein Schriftführer oder eine § 3 des Bundesschuldenwesengesetzes Schriftführerin, auf der linken Seite auch. Hier vorne feh- len beide. Schriftführer, bitte hervortreten. – Alle vorge- Drucksache 19/14935 sehenen Plätze sind besetzt. Wir können mit dem Wahl- gang beginnen. Ich eröffne die Wahl. Für die Wahl der Mitglieder benötigen Sie nun eine gelbe Stimmkarte und Ihren gelben Wahlausweis. Haben alle Mitglieder des Hauses an der Wahl teilge- Auf Drucksache 19/14935 schlägt die Fraktion der nommen? – Dann schließe ich den Wahlgang. Das Er- AfD die Abgeordneten Albrecht Glaser und Volker Münz gebnis der Wahl wird Ihnen später bekannt gegeben.1) vor. Wir kommen jetzt zu weiteren Wahlen, Tagesord- Sie können bei beiden Kandidaten entweder „ja“, (B) (D) nungspunkte 14 a bis 14 e sowie Zusatzpunkt 5. „nein“ oder „enthalte mich“ ankreuzen. Auch diese Wahl Wir kommen zunächst zu drei Wahlen zu Gremien, findet offen statt; das heißt, es kann wieder am Platz ge- davon eine geheime Wahl, jeweils mit Stimmkarte und wählt werden. Denken Sie an die Abgabe Ihres gelben Wahlausweis. Danach folgen drei Wahlen mittels Hand- Wahlausweises vor dem Einwurf der gelben Stimmkarte. zeichen. Bitte nehmen Sie dafür nach der geheimen Wahl Die Schriftführer sind am Platz; das sind die gleichen wieder Ihre Plätze ein. wie eben. – Das ist überall der Fall. Dann eröffne ich den Sie benötigen jetzt drei Wahlausweise in den Farben Wahlgang. Rot, Gelb und Rosa. Die Wahlen werden einzeln aufge- Haben alle Mitglieder ihre Stimmkarte abgegeben? – rufen und durchgeführt. Die Stimmkarten für die offenen Ich sehe keinen Widerspruch. Dann schließe ich den Wahlen in den Farben Rot und Gelb wurden bereits aus- Wahlgang. Das Ergebnis wird Ihnen später bekannt ge- gegeben. Wer noch keine Stimmkarte hat, kann diese jetzt geben.3) noch von den Plenarassistentinnen und Plenarassistenten erhalten. Gewählt ist jeweils, wer die Mehrheit der Stim- Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 14 c: men der Mitglieder des Bundestages auf sich vereint, das Wahlvorschlag der Fraktion der AfD heißt, wer mindestens 355 Stimmen erhält. Sie können zu jedem Kandidatenvorschlag entweder „ja“, „nein“ oder Wahl von Mitgliedern des Sondergremiums „enthalte mich“ ankreuzen. gemäß § 3 Absatz 3 des Stabilisierungsmecha- nismusgesetzes Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 14 a: Drucksache 19/14936 Wahlvorschlag der Fraktion der AfD Wir wählen ein ordentliches Mitglied und ein stellver- Wahl eines Mitglieds des Vertrauensgremiums tretendes Mitglied. Auf Drucksache 19/14936 schlägt die gemäß § 10a Absatz 2 der Bundeshaushalts- Fraktion der AfD als Mitglied den Abgeordneten Peter ordnung Boehringer und als stellvertretendes Mitglied die Abge- ordnete Dr. Birgit Malsack-Winkemann vor. Drucksache 19/14934 Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für ergänzende Hin- Das Vertrauensgremium entscheidet über den Haushalt weise zum Wahlverfahren. Für diese Wahl benötigen Sie der Nachrichtendienste.

2) Ergebnis Seite 16744 D 1) Ergebnis Seite 16744 D 3) Ergebnis Seite 16745 A 16730 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) Ihren Wahlausweis in der Farbe Rosa. Weiterhin benöti- Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? – Das ist die (C) gen Sie eine Stimmkarte in der Farbe Rosa sowie einen Fraktion der AfD. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Wahlumschlag. Diese Unterlagen erhalten Sie von den Fraktionen der FDP, der CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grü- Schriftführern und Schriftführerinnen an den Ausgabeti- nen, SPD und Linke. Enthaltungen? – Damit ist der Wahl- schen vor den Wahlkabinen. Zeigen Sie dort bitte Ihre vorschlag bei einigen Enthaltungen aus der CDU/CSU rosa Wahlausweise vor. Sie können bei beiden Kandida- gegen die Stimmen der AfD mit der Mehrheit des Hauses ten entweder „ja“, „nein“ oder „enthalte mich“ ankreu- angenommen. zen. (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zurufe: Die Wahl ist geheim. Das heißt, Sie dürfen Ihre Stimm- Abgelehnt!) karte nur in der Wahlkabine ankreuzen und müssen die Stimmkarte ebenfalls noch in der Wahlkabine in den Um- – Der Wahlvorschlag ist abgelehnt, Entschuldigung. Herr schlag legen. Gauland, zu früh gefreut. Der Wahlvorschlag ist mit den genannten Mehrheiten abgelehnt, sorry. Ich weise nochmals explizit darauf hin, dass das Foto- grafieren und Filmen der ausgefüllten Stimmkarten einen Wir kommen zum Zusatzpunkt 5: Verstoß gegen das Wahlgeheimnis darstellt und die Ord- Wahlvorschlag der Fraktion der AfD nung und Würde des Hauses verletzt. Für den Fall, dass ich von solchen Verstößen gegen das Wahlgeheimnis in Wahl der Mitglieder des Kuratoriums der Stif- dieser Sitzung oder später Kenntnis erlange, behalte ich tung „Deutsches Historisches Museum“ mir schon jetzt vor, Ordnungsmaßnahmen zu ergreifen. Drucksache 19/14332 Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, Ihre Plätze einzunehmen. – Das ist der Fall. Dann eröffne ich Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? – Das ist die den Wahlgang. Fraktion der AfD. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, SPD, Linke, FDP Wir kommen langsam zum Ende des Wahlgangs. Ich und Teile der CDU/CSU. Enthaltungen? – Damit ist der bitte diejenigen, die gewählt haben, Platz zu nehmen; Wahlvorschlag abgelehnt bei einigen Enthaltungen aus denn wir haben gleich noch drei Abstimmungen über der CDU/CSU. Personalvorschläge. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Jetzt haben wir Haben jetzt alle ihre Stimmkarte abgegeben? – Dann es!) schließe ich den Wahlgang und bitte die Schriftführerin- Ich rufe den Zusatzpunkt 15 auf: nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. (B) 1) (D) Wir werden Ihnen das Ergebnis später mitteilen. Aktuelle Stunde Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 14 d: auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und Wahlvorschlag der Fraktion der AfD SPD Wahl eines Mitglieds des Kuratoriums der Zu den Ergebnissen des Normandie-Gipfels „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden zur Überwindung des Konflikts mit Russland Europas“ in der Ostukraine Drucksache 19/14330 Erster Redner in der Debatte ist Bundesaußenminister Heiko Maas für die Bundesregierung. Wer stimmt für diesen Vorschlag? – Das ist die Frak- tion der AfD. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Frak- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten tion Die Linke, Fraktion der SPD, Bündnis 90/Die Grü- der CDU/CSU) nen und einige Stimmen der CDU/CSU sowie alle Stimmen der FDP. Enthaltungen? – Bei einigen Enthal- Heiko Maas, Bundesminister des Auswärtigen: tungen in der CDU/CSU ist der Wahlvorschlag mit der Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Mehrheit des Hauses angenommen. Kollegen! Mehrere Kilometer läuft die Ukrainerin Anna Iwanowna aus dem Separatistengebiet auf die ukrainische (Zurufe: Abgelehnt!) Seite und wieder zurück – bei Kälte, bei Frost, jeden Tag. – Entschuldigung: abgelehnt und die damit vorgeschlage- Anna Iwanowna ist eine von rund 200 000 Personen, die ne Person auch. jeden Monat, wöchentlich, täglich die Kontaktlinie über die Brücke von Stanyzja Luhanska überqueren, um zur Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 14 e: Bank zu gehen, Medikamente zu kaufen oder Verwandte zu besuchen. Dutzende, besonders ältere Menschen sind Wahlvorschlag der Fraktion der AfD auf dem beschwerlichen Weg, der viele Jahre nur über Wahl von Mitgliedern des Kuratoriums der eine unsichere Holzrampe führte, sogar gestorben. Inzwi- „Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“ schen ist diese Holzrampe verschwunden. Sie ist ersetzt worden durch eine neue Brücke. Seit November fahren Drucksache 19/14331 dorthin sogar Shuttlebusse. Das alles klingt wie ein klei- ner Schritt, aber es ist auch ein Symbol. Und für Tausende 1) Ergebnis Seite 16745 A Menschen, die diese Brücke täglich nutzen können, ist es Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16731

Bundesminister Heiko Maas (A) noch mehr als das; für sie ist es ein gewaltiger, ein großer beitragen; auch das ist dort sehr konkret vereinbart wor- (C) Schritt. den. Die OSZE-Sonderbeobachtungsmission in der Ost- ukraine mit ihren knapp 800 Beobachtern – darunter sind Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir heute hier im Übrigen 40 Deutsche – ist oft behindert worden; auch über den Konflikt in der Ostukraine reden, dann reden wir da haben wir Vereinbarungen getroffen, damit das in Zu- nicht nur über einen Krieg in unserer unmittelbaren Nach- kunft unterbleibt. barschaft – allein das wäre schon schlimm genug –; wir sprechen über mittlerweile 13 000 Tote, 30 000 Verletzte Ein wichtiges humanitäres Anliegen ist schon immer und über 1 Million Flüchtlinge. Wir reden über 2 Millio- ein umfassender Gefangenenaustausch gewesen; auch nen Menschen, die Gefahren von Minen und Kampfmit- das haben wir vereinbart, und zwar soll er noch vor Jah- telresten ausgesetzt sind. Wir reden über die Millionen resende stattfinden. Möglichst viele Gefangene sollen das von Menschen im Donbass, die den sechsten Kriegswin- Neujahrsfest zu Hause zusammen mit ihren Familien ver- ter vor sich haben. Es geht zuallererst um diese Men- bringen können. schen, wenn wir über die Ostukraine reden, wenn wir Für die Verbesserung der Lebenslage vor Ort sollen vor allen Dingen zusammen mit Frankreich im Norman- weitere Übergangsstellen über die Kontaktlinie sorgen – die-Format bei der Konfliktlösung zwischen der Ukraine so wie die Brücke, die ich eben erwähnt habe; auch das ist und Russland vermitteln, und das seit Jahren. Es ist für in Paris vereinbart worden. diese Menschen auch ein Hoffnungssignal gewesen, dass am Montag in Paris erstmals seit 2016 wieder ein Gipfel- Die Gipfelvereinbarungen enthalten außerdem Punkte treffen im Normandie-Format stattgefunden hat. Und: zum weiteren politischen Prozess. Zum Beispiel sollen Wir haben darauf lange hingearbeitet. Rechtsfragen zum Sonderstatusgesetz für die derzeit nicht regierungskontrollierten Gebiete geklärt werden. Ich sage aber auch: Am Ende war es vor allem Staats- Zudem hat sich die Ukraine verpflichtet, die sogenannte präsident Selenskyj, der durch seinen Friedenskurs neue Steinmeier-Formel in ukrainisches Recht umzusetzen. Bewegung in die Umsetzung des Minsker Abkommens All das sind wichtige Schritte. Es ist auch ein politischer gebracht hat. Das ist uns, als wir zur Vorbereitung im Erfolg, zu dem Deutschland und Frankreich beigetragen November in der Ukraine gewesen sind, noch einmal haben. Es ist vor allen Dingen aber ein spürbarer Erfolg ganz besonders deutlich geworden. Präsident Selenskyj für die Menschen vor Ort. Wir wollen weiter dafür kämp- hat ukrainische Soldaten aus drei Entflechtungszonen in fen, dass das, was auf dem Papier steht, jetzt auch umge- der Ostukraine abgezogen. Um das umzusetzen, ist er setzt wird, dass es bei den Menschen, die schon viel zu persönlich dort vor Ort gewesen. lange unter diesem Krieg leiden, endlich ankommt. (Beifall der Abg. [DIE LINKE]) (B) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (D) Gefangene wurden ausgetauscht, und es gab eine Eini- Meine Damen und Herren, wir werden das weiter be- gung auf die sogenannte Steinmeier-Formel. Deshalb gleiten; auch dafür sind konkrete Schritte vereinbart wor- muss man, glaube ich, feststellen, dass die Ukraine in den, zum Beispiel weitere Treffen auf der Ebene der den letzten Wochen und Monaten mutige Schritte unter- Berater im Normandie-Format. Wir werden uns eventuell nommen hat, und zwar auch gegen den politischen Wider- auch auf Außenministerebene schon zu Beginn des stand im Inland, und damit ganz maßgeblich die Grund- nächsten Jahres noch einmal zusammensetzen – der lage dafür geschaffen hat, dass wir wieder über den nächsten Gipfel findet bereits in vier Monaten statt; so politischen Prozess bei der Beseitigung des Konfliktes haben wir es vereinbart –, um alle noch nicht geklärten in der Ostukraine sprechen. Fragen einer Lösung zuführen zu können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Aber allen Beteiligten ist klar, was auf dem Spiel steht, der CDU/CSU und der LINKEN) und das geht über die Ostukraine und die Ukraine hinaus. Meine Damen und Herren, aber der Frieden im Don- Frieden in der Ukraine spielt auch für die Beziehungen bass erfordert mehr als nur den Willen der ukrainischen Europas zu Russland eine wichtige Rolle. Denn diese Regierung. Deshalb haben wir uns am Montag in diesem Beziehungen werden sich nur dann verbessern, wenn Format zusammengesetzt, um weitere operative Schritte die Minsker Vereinbarungen endlich umgesetzt werden und, besonders wichtig, konkrete Fristen für die Umset- und die Souveränität der Ukraine wiederhergestellt ist. zung zu verabreden. Denn Vereinbarungen gibt es aus dem Minsker Abkommen wahrlich genug. Das Problem (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie war, dass sie in den letzten Jahren nicht mehr umgesetzt bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE worden sind. GRÜNEN) Meine sehr verehrten Damen und Herren, Russland hat Am wichtigsten ist, dass keine weiteren Menschen seinen Beitrag in diesen Verhandlungen erbracht; aber ich sterben, dass nicht mehr geschossen wird. Selbst an will die Gelegenheit nutzen, noch eines zu sagen: Die dem Tag, als wir in Paris verhandelt haben, sind drei heutige Entscheidung Russlands, zwei deutsche Diplo- ukrainische Soldaten gestorben. Deshalb ist ein umfas- maten auszuweisen, kommt für uns alles andere als über- sender Waffenstillstand vereinbart worden; er soll vor raschend. Aber dennoch: Diese Entscheidung sendet das Jahresende stehen und dauerhaft halten – im Gegensatz falsche Signal, und sie ist mit Blick auf die Sache völlig zu denen, die es in der Vergangenheit gegeben hat. ungerechtfertigt. Wir erwarten deshalb weiterhin von Die weitere Entminung und drei weitere Entflech- Russland, dass man sich ernsthaft und unverzüglich an tungszonen sollen zur Entspannung der Sicherheitslage der Aufklärung des Mordfalls im Tiergarten beteiligt und 16732 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Bundesminister Heiko Maas (A) daran mitwirkt. Wir werden das Verfahren beim General- (Beifall bei der AfD) (C) bundesanwalt verfolgen, und wir werden uns auch weite- Der französische Staatspräsident hat gezeigt, wie man re Schritte vorbehalten. Türen öffnet, wie man Perspektiven aufzeigt, und er hat (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie erkannt, dass Druck und Sanktionspolitik besonders ge- bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE genüber Russland zu keinerlei Erfolg führen. GRÜNEN) (Beifall des Abg. Dr. Alexander Gauland Meine Damen und Herren, auch dieser Vorfall zeigt, [AfD]) dass noch ein langer und mühsamer Weg vor uns liegt. Deutsche Diplomatie – Fehlanzeige. Viele Fragen sind noch nicht beantwortet worden. Wie können demokratische Lokalwahlen im Konfliktgebiet Herr Selenskyj hat sich gut geschlagen. Er hat die stattfinden? Wie kann die Ukraine die vollständige Kon- Sorge konterkariert, dass er von Herrn Putin, dem erfah- trolle über die eigene Grenze zurückgewinnen? Aber ei- renen Politiker, über den Tisch gezogen wird. Das ist nes kann man sagen: dass wir am Montag in Paris alldem nicht der Fall gewesen. Die jetzigen Beschlüsse – Gefan- einen wesentlichen Schritt nähergekommen sind. Die genenaustausch, weitere entmilitarisierte Zonen – bieten Wahl von Präsident Selenskyj hat viel Bewegung in den eine Chance, in der Tat. Prozess gebracht, und es war richtig, diese Dynamik für Vor allem aber ist es entscheidend für die Lösung des einen neuen Aufbruch im Normandie-Format zu nutzen. Konfliktes, dass in vier Schritten vorgegangen werden Wohin dieser Aufbruch nun führen kann, dafür steht viel- muss: die Entwicklung von gegenseitigem Verstehen, leicht sinnbildlich die Brücke von Stanyzia Luhanska. Sie die Entwicklung von gegenseitigem Respekt, die Ent- ist jetzt gut passierbar geworden, nicht nur für Fußgänger, wicklung von gegenseitiger Rücksichtnahme und – das sondern im Notfall auch für Rettungswagen. Die Brücke ist das allerwichtigste Instrument in der Diplomatie – die wurde von beiden Seiten so gebaut, dass sie zu schmal ist, Entwicklung von gegenseitigem Vertrauen, meine Damen als dass in Zukunft Panzer noch darüber fahren können. und Herren; das ist die Grundlage allen diplomatischen Als Anna Iwanowna gefragt wurde, was die Menschen Handelns. in der Ostukraine jetzt noch brauchen, sagte sie: Frieden. – (Beifall bei der AfD) Ja, meine Damen und Herren, Frieden in der Ukraine ist möglich. Die Brücke von Stanyzia Luhanska sollte uns Der ukrainische Konflikt – das muss man sich immer allen Mut machen, daran mitzuwirken, genau wie es An- wieder in Erinnerung rufen – ist nicht entstanden; er wur- fang der Woche in Paris geschehen ist. Wir werden weiter de herbeigeführt. Er wurde herbeigeführt durch eine fal- dafür arbeiten, dass dieser Konflikt in unserer Nachbar- sche deutsche Außenpolitik, und er wurde herbeigeführt (B) (D) schaft ein Ende findet und dass der sechste Kriegswinter durch eine falsche europäische Außenpolitik. Eine ag- für die Menschen in der Ostukraine ihr letzter Kriegswin- gressive Expansionspolitik der Europäischen Union war ter gewesen ist. der Auslöser des Ukraine-Konfliktes, meine Damen und Herren. Vielen Dank. (Beifall bei der AfD – (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) [CDU/CSU]: So ein Quatsch! Schon mal was von Souveränität gehört? -Jürgen Hardt [CDU/ Vizepräsidentin : CSU]: Von Tätern zu Opfern!) Vielen Dank, Minister Maas. – Ihnen, liebe Kollegin- Russlands Interessen und Einflusszonen wurden mit Fü- nen und Kollegen, einen schönen Nachmittag! – Nächster ßen getreten. Geheime Zusatzabkommen – das wissen Redner oder erster Redner aus den Reihen der Abgeord- auch Sie, Herr Hardt –, auch auf militärischem Gebiet, neten: Armin-Paulus Hampel für die AfD-Fraktion. wurden geschlossen sowie Zollabkommen, (Beifall bei der AfD) (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Die Ukrai- ne ist ein souveräner Staat! – Gegenruf des Armin-Paulus Hampel (AfD): Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ja, ja!) Vielen Dank. – Frau Vorsitzende! die die Russen nicht akzeptieren konnten. Damit haben Sie das Feuer in der Ukraine erst entfacht. (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: „Frau Prä- sidentin!“, wenn schon!) (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das ist eine falsche Politik!) Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Liebe Gäste im Deutschen Bundestag und zu Hause an den Bildschir- Eine Lösung gemeinsam mit Russland muss nicht nur men! Große Schritte, Herr Außenminister, haben wir uns ukrainische Interessen berücksichtigen, sondern auch rus- schon lange gewünscht, nur hat es nicht Berlin gemacht – sische. es waren nicht die Deutschen –, es war der französische Staatspräsident, der das gemacht hat, was wir in Berlin (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- hätten schon längst machen sollen. Macron hat das Heft NEN]: Fragen wir Frankreich, wenn wir was des Handelns in dem Ukraine-Konflikt in die Hand ge- machen?) nommen, nicht Berlin. Wir hätten uns gewünscht, Frau Dies erfordert Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten. Merkel und Sie, Herr Maas, hätten das längst getan. Die verfassungsgemäß garantierte Autonomie des Don- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16733

Armin-Paulus Hampel (A) bass muss darin stehen und eine faire Abstimmung, übri- wir sie davon überzeugen, dass das die Macht des Fakti- (C) gens auch auf der Krim. schen ist. Wir werden es nicht mehr ändern können. Ich sage Ihnen eins: Das, was Sie alle hier Ihren ukrai- (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Krieg ist die nischen Freunden nicht zu sagen wagen, man muss es den Macht des Faktischen! Das ist ja unglaublich!) Ukrainern sagen: Die Krim ist für die Ukraine verloren. Sie wird nie wieder zur Ukraine zurückkehren. Und jeder von Ihnen, der behauptet: „Die Krim wird noch mal zur Ukraine zurückkommen“, sagt den Ukrainern – (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Schlimm! das wissen Sie ganz genau – die Unwahrheit. Einfach nur schlimm, was Sie erzählen!) (Beifall bei der AfD – Gunther Krichbaum Das wäre Ehrlichkeit gegenüber unseren ukrainischen [CDU/CSU]: Der Aggressor kann sich alles Freunden. nehmen, was er will! Super! Der Bundestag hat auch einen Friedensauftrag!) (Beifall bei der AfD – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Das ist einfach nur schlimm und Da spielen wir nicht mit. geschichtsvergessen! – Frank Steffel [CDU/ Nutzen wir also die Perspektiven, die durch den fran- CSU]: Unerträglich!) zösischen Staatspräsidenten, nicht durch Frau Merkel, in – Das ist Realpolitik, Herr Kollege, und keine Traum- dieser Diskussion entstanden sind! Verhandeln wir, wie politik. Herr Macron es richtig erkannt hat, mit Herrn Putin über die Situation! Das einzig Deutsche in den gesamten Dis- (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Das ist ge- kussionen der letzten Tage, die ich gehört habe, war der schichtsvergessen, was Sie hier bringen! – Ge- Begriff, der mit dem Namen eines deutschen Politikers genruf des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD]: verbunden ist: Steinmeier-Formel. Alles andere war nicht Was hat denn das mit Geschichtsvergessenheit deutsch, war französisch und russisch. zu tun! Verdammt noch mal! – Gegenruf des Abg. Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Das ist (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Sie wissen wider das Völkerrecht!) nicht, wo das Copyright liegt für Normandie! Aus dieser Perspektive ergeben sich Chancen. Wir ha- Nicht mal das wissen Sie! Erschreckend!) ben nämlich genau das Gleiche gemacht, als wir das Ko- Und wir haben wieder mal am Katzentisch gesessen, mei- sovo von Serbien abgetrennt haben, und die UN-Resolu- ne Damen und Herren. Das muss sich schleunigst ändern. tion 1244 sagt heute noch – sie besteht noch –, dass die territoriale Integrität Serbiens anerkannt werden muss. Wir wollen wieder eine eigene, nationale deutsche Au- (B) Das haben Sie in den vergangenen Wochen hier immer ßenpolitik im deutschen Interesse (D) wieder durch Ihre Abstimmungen ignoriert. (Beifall bei der AfD) (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Sie – das ist das Entscheidende –, auch gegenüber unseren schmeißen alles durcheinander! Von Völker- russischen und ukrainischen Freunden. recht keine Ahnung! Erschreckend! – Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Un- Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren. glaublich!) (Beifall bei der AfD) Das wäre der Ansatzpunkt, um mit Russland zu einer Verständigung zu kommen. Die Macht des Faktischen ist, Vizepräsidentin Claudia Roth: wie sie ist: Das Kosovo wird nicht zu Serbien zurück- Vielen Dank, Armin-Paulus Hampel. – Nächster Red- kommen; das wissen wir. – Es wäre ein Ansatzpunkt, ner: für die CDU/CSU-Fraktion Jürgen Hardt. den Russen anzubieten, dass wir das akzeptieren, und zu sagen: Ein Teil, die serbische Zone, kommt zu Serbien, (Beifall bei der CDU/CSU) und der Rest – das wissen wir – wird irgendwann bei Albanien landen. Jürgen Hardt (CDU/CSU): (Renata Alt [FDP]: Thema!) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Rede hat sich der Kollege der AfD für einen Genauso wird es mit der Krim sein. Sie wird bei Russland Job bei Russia Today empfohlen bleiben. (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Quatsch, Herr (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Da wird Hardt! Das wissen Sie auch!) Krieg noch gerechtfertigt durch Sie! Also ist Krieg ein Mittel der Politik für Sie! Das ist im Anschluss an seine Bundestagskarriere, die hoffent- ein Eingeständnis!) lich bald zu Ende ist. Aber: Dafür gibt es eine Garantie, dass der Donbass und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Luhansk in der ukrainischen Verwaltung bleiben und die SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- Russen aus dieser Region ihre Einflusskräfte und militär- NEN – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Dann ischen Kräfte zurückziehen. Das wäre eine Lösung, mit kommen Sie zum „Posemuckeler Anzeiger“, der auch die Ukrainer vielleicht leben können. Wenn wir Herr Hardt! Ja, die Rollenverteilung wäre viel- ehrlich sind mit unseren ukrainischen Freunden, müssen leicht ganz gut!) 16734 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Jürgen Hardt (A) Wenn wir auf die sechsjährige leidvolle Geschichte sich einen Zugang zur Grenze zu verschaffen, sind mäch- (C) dieses Konflikts blicken, müssen wir uns immer vor Au- tige Fortschritte. Die Entflechtung wird zur Umsetzung gen führen: Wer ist hier Aggressor, und wer ist Opfer? des Waffenstillstands sicherlich positiv beitragen. (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: So ist es!) Was nach wie vor eine Forderung von Minsk II ist, die so noch nicht erfüllt ist und die vielleicht auch aufgrund Wir reden auch im Normandie-Format häufig darüber, der Vereinbarung so nicht erfüllt wird, ist der komplette dass beide Seiten sich bewegen müssen. Das ist natürlich Abzug schwerer Waffen auf der ostukrainischen Seite. richtig, wenn es um ein Verhandlungsergebnis geht. Dass dazu im Augenblick nicht so viel gesagt wird, Aber es ist schon angebracht, sich die Ereignisse vom stimmt mich etwas argwöhnisch im Blick auf die Frage, März 2014 in Erinnerung zu rufen, ob uns diese Beschlüsse von Paris auch der Umsetzung von Minsk II wirksam näher bringen. (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Nicht nur März 2014! Bisschen früher!) Ich glaube, dass wir spätestens in vier Monaten diese Frage schwer ins Auge nehmen müssen, und ich glaube, als tatsächlich russische Truppen auf der Krim auf jedem dass ganz konkret die Frage der Demilitarisierung dieses ukrainischen Militärstützpunkt die russische Fahne hiss- Gebietes, der Entwaffnung in den russisch kontrollierten ten und dann wenige Wochen später in der Ostukraine Gebieten ganz wichtige Punkte sind. Auch wenn das, was aktiv wurden. Russland hat lange bestritten, sich in ir- in Paris beschlossen wurde, vollständig umgesetzt wird, gendeiner Weise einzumischen. Lawrow hat dann am En- sind wir noch nicht wirklich da, wo Minsk II uns hin- de zugegeben, dass es mit den „kleinen grünen Männ- bringen sollte. chen“ eine direkte Militärintervention in der Ostukraine gegeben hat. Die vollständige Erfüllung von Minsk II ist die Voraus- setzung für die Aufhebung der Sanktionen gegenüber (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Sie lassen die Russland. Deswegen muss man leider auch nach Paris Vorgeschichte aus!) sagen: Dafür gibt es zum jetzigen Zeitpunkt seitens der Leider sind 13 000 Menschen – mindestens EU keinen Anlass. Deswegen werden die Sanktionen 13 000 Menschen! – diesem Konflikt zum Opfer gefallen. auch in Kraft bleiben. Deswegen ist es gut, dass die deutsche Bundeskanzlerin Russland betreibt, wie ich finde, auch eine bedenkliche und der französische Staatspräsident, der Politik im Hinterland und hinter den Kulissen. Wenn, wie Vorgänger des amtierenden und auch der jetzige Staats- wir hören, 125 000 Menschen in der Ostukraine mit ei- präsident Macron, es als eines ihrer vornehmsten außen- nem russischen Pass ausgestattet wurden, politischen Themen ansehen, über das N4-Format, das (B) Normandie-Format, eine Lösung des Konflikts anzustre- (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Machen (D) ben. die Ungarn auch! Was sagen Sie dazu?) Das, was wir in Paris erlebt haben, ist allein angesichts so ist das etwas, das zumindest gegen den Geist von der vielen Opfer, die dieser Konflikt mit sich gebracht hat, Minsk verstößt und im Übrigen ein klarer Verstoß gegen ein Erfolg. Wenn wir tatsächlich einen Waffenstillstand das Völkerrecht ist. Damit tut der russische Staat etwas erreichen – das heißt, es muss keiner mehr sterben in auf fremdem Staatsgebiet, was er so nicht tun darf. Inso- diesem Konflikt –, wenn wir tatsächlich den Austausch fern ist auch das ein Punkt, der mich nachdenklich von festgesetzten Personen, wie es, glaube ich, im Doku- stimmt. ment heißt – ich sage jetzt mal: von Gefangenen auf bei- den Seiten, die als solche entsprechend identifiziert sind –, Dennoch: Die beste Hoffnung begleitet uns, dass die erreichen, ist das schon als Erfolg zu werten. Menschen in der Ostukraine zum ersten Mal seit sechs Jahren wieder ein einigermaßen friedliches Weihnachts- Jetzt haben wir mit Blick auf den Ukraine-Konflikt und fest erleben dürfen. mit Blick auf Zusagen insbesondere des russischen Präsi- denten natürlich leidvolle Erfahrungen. Vor drei Jahren Danke schön. hier in Berlin bei dem letzten Gipfel im N4-Format ist (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- auch einiges zugesagt worden. Doch die Tatsache, dass neten der SPD – Armin-Paulus Hampel [AfD]: die vier verabredet haben, sich bereits in vier Monaten Amen!) wiederzusehen, öffnet ja vielleicht die Perspektive, dass sie im Hinterkopf haben, dass sie dann liefern müssen, dass sie etwas mitbringen müssen. Deswegen glaube ich, Vizepräsidentin Claudia Roth: dass wir es schon als positives Signal der Selbstbindung Vielen Dank, Jürgen Hardt. – Nächste Rednerin: für die der Hauptakteure sehen dürfen, wenn sie sagen: Wir sind FDP-Fraktion Renata Alt. bereit, in vier Monaten zusammenzukommen und auf den (Beifall bei der FDP) Tisch zu legen, was wir auf Basis der Vereinbarung er- reicht haben. Renata Alt (FDP): Waffenstillstand, Gefangenenaustausch, der Zugang Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen internationaler Beobachter der OSZE zu dem gesamten und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach drei Gebiet, nicht nur dann, wenn es den russischen Vasallen Jahren gibt es endlich Bewegung im russischen Krieg in der Ostukraine gefällt, sondern immer dann, wenn es gegen die Ukraine. Einige, auch hier aus dem Haus, spra- die OSZE für richtig hält, sich eine Stellung anzuschauen, chen schnell von einem Durchbruch. Zugegeben: Es tut Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16735

Renata Alt (A) sich was. Die Bürger in der Ukraine werden ein etwas Meine Damen und Herren, Sie haben es bereits er- (C) leichteres Leben haben durch zusätzliche Grenzübergän- kannt: Echten Fortschritt kann es nur durch Sicherheit ge, durch die Räumung von Minen und durch den Ge- geben. Es muss aber auch geklärt werden, wer in der fangenenaustausch. Aber trotzdem: Meine Euphorie hält Ostukraine wählen darf. Wenn es freie Wahlen gibt, dann sich im Moment immer noch in Grenzen. müssen auch Binnenvertriebene wählen dürfen. Die Ideen Russlands zum weiteren Verlauf sind jedoch völlig (Beifall bei der FDP) illusorisch. Wie soll politischer Wettbewerb stattfinden, Die Region befindet sich in einem dramatischen Aus- wenn russische Kämpfer die Bevölkerung einschüchtern? nahmezustand. Es ist noch immer de facto ein Protektorat Wie sollen sich Wähler unabhängig informieren, wenn in der Ostukraine. Jetzt mal ehrlich: Wir können hier doch russische Propaganda die einzige Informationsquelle nicht von einem wahren Durchbruch sprechen. ist? Und wie sollen Waffenabzug und Feuerpause über- wacht werden, wenn OSZE-Beobachter bedrängt, be- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten schossen und bei der Arbeit behindert werden? Das sind der CDU/CSU) zentrale Fragen, die immer noch offen sind. Hier ist auch das diplomatische Geschick Deutschlands gefragt. Die Geben wir uns keiner Illusion hin: Präsident Putin wird Ukraine zählt auf Sie, liebe Bundesregierung. Bohren seinen Griff nach der Ukraine nicht freiwillig lockern. Er Sie die dicken Bretter, von denen die Bundeskanzlerin nutzt jede Schwachstelle, um Druck auszuüben, und und auch Sie persönlich, Herr Maas, gesprochen haben; stellt, wie auch gerade jetzt geschehen, einfach neue For- denn sonst liegt das Schicksal der Ukraine weiterhin in derungen. Wladimir Putin will eine Verfassungsänderung Russlands Händen, und das dürfen wir nicht zulassen. in der Ukraine. Er will die Ukraine von Europa fernhal- ten. Das geht gar nicht. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der FDP) der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Wir dürfen weder Putin noch seinen Marionettenre- Vielen Dank, Renata Alt. – Nächster Redner: für die publiken im Osten der Ukraine nachgeben. Für uns Freie Fraktion Die Linke Andrej Hunko. Demokraten ist die territoriale Integrität der Ukraine nicht verhandelbar. (Beifall bei der LINKEN)

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE): der CDU/CSU – Zuruf von der FDP: Bravo!) (B) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden (D) Gerade jetzt braucht Präsident Selenskyj unsere volle hier über die Ergebnisse des Normandie-Gipfels am Mon- Unterstützung. Europa darf nicht blauäugig sein. Sie, lie- tag und über deren Bewertung. Die Frage, wie man das be Bundesregierung, müssen Russland und die Ukraine bewertet, ist letztlich auch immer eine Frage der Perspek- auf die gemachten Zusagen verpflichten: beim ungehin- tive, und zwar auch der historischen Perspektive. Wenn derten Zugang der OSZE-Beobachter im gesamten Don- wir vor zehn Jahren hier über die Lösung für einen Krieg bass, beim Abzug der russischen Kämpfer an der Kon- mitten in Europa mit über 13 000 Toten diskutiert hätten – taktlinie und beim Gefangenenaustausch. Politische der Donbass liegt ja mitten in Europa –, dann wäre man Häftlinge dürfen nicht weiter als Druckmittel genutzt wahrscheinlich für verrückt erklärt worden. Aus dieser werden. größeren historischen Perspektive sind die Ergebnisse von Paris natürlich ernüchternd, weil die zentrale Frage, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten wie das Ganze politisch gelöst werden soll, noch nicht der CDU/CSU) beantwortet ist. Aber aus der Perspektive der letzten drei, vier Jahre, denke ich, ist es ein großer Fortschritt gewe- So testen wir, ob es Russland wirklich ernst meint mit sen, sind es große Schritte gewesen in die richtige Rich- dem Frieden. Erst dann wissen wir, ob Russland das zu- tung, und Die Linke unterstützt jeden dieser Schritte. rückgibt, was der Ukraine gehört. Die Bundeskanzlerin sprach über die Flexibilisierung des Minsker Maßnah- (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. menpakets. Sie sprach über die Ausdehnung des OSZE- Johannes Schraps [SPD]) Mandats auf den gesamten Donbass. Das freut mich; denn Wir haben ja schon in den letzten Monaten positive das sind gerade zentrale Gedanken unseres Antrags, mit Entwicklungen gesehen. Wir haben einen Gefangenen- dem die FDP-Fraktion schon im Mai neue Impulse für austausch gesehen. Wir haben in der Ukraine militärische den Frieden in der Ukraine gefordert hat. Sehr geehrter Entflechtungen an drei Punkten gesehen. Das alles ist ja Herr Bundesminister, ich hoffe, Sie lesen jetzt auch noch erst möglich geworden durch einen neuen Präsidenten in den Rest unseres Antrags. der Ukraine. Vorher hieß es immer, Herr Außenminister, (Beifall bei der FDP) unter Poroschenko: All das ist nicht möglich. – Auf ein- mal ist es möglich geworden. Dafür will ich Herrn Se- Wir Freie Demokraten sind gerne Impulsgeber für gute lenskyj auch noch mal nachträglich gratulieren und dan- Außenpolitik. ken, dass hier eine neue Perspektive eingenommen wurde. (Zustimmung des Abg. Grigorios Aggelidis [FDP]) (Beifall bei der LINKEN) 16736 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Andrej Hunko (A) In Paris sind jetzt zusätzliche Punkte vereinbart wor- ist der eigentliche Inhalt der Steinmeier-Formel. Es wäre (C) den, sehr konkret vereinbart worden. Es ist ein Gefange- dann sozusagen die Aufgabe des nächsten Gipfels, das nenaustausch, alle gegen alle, geplant. Alle Gefangenen tatsächlich in die Tat umzusetzen. Dafür wünschen wir sollen ausgetauscht werden. Es sind weitere konkrete dann auch viel Erfolg. Entflechtungspunkte benannt worden. Es ist ein vollstän- Einen letzten Satz will ich aber noch sagen: Dass diese diger und umfassender Waffenstillstand vereinbart wor- positive Entwicklung jetzt durch den Tiergarten-Mord den, und – vielleicht am wichtigsten – es ist ein konkreter überlagert wird – es ist ja nicht nur so, dass die russische Folgegipfel vereinbart worden – er soll in vier Monaten Seite heute zwei Diplomaten ausgewiesen hat, sondern stattfinden – auf der Ebene der Staats- und Regierungs- auch die deutsche Seite hat im Vorfeld zwei russische chefs, der sozusagen den Druck macht, dass diese Punkte Diplomaten ausgewiesen –, umgesetzt werden. Ich glaube, es ist unglaublich wichtig, dass es zu einer Umsetzung kommt, weil das sozusagen (Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Was richtig war!) die Vertrauensbildung schafft für die eigentlich große Aufgabe von Minsk II, nämlich die politische Lösung wobei die Bundeskanzlerin zu dem Ganzen sagte: „Wir des Konflikts im Donbass. haben im Augenblick einen Anfangsverdacht des Gene- ralbundesanwalts, nicht mehr und nicht weniger“, halte (Beifall bei der LINKEN) ich für eine unglückliche, um es sehr freundlich zu for- mulieren, Überlagerung dieses Prozesses. Auch hier muss Ich denke, angesichts dieser Fortschritte – Angela die Unschuldsvermutung gelten wie in jedem Rechts- Merkel sprach ja in Paris sogar von einem Durchbruch – staatsprozess. sollte man wirklich darüber nachdenken, ob man nicht die jetzt anstehende Verlängerung der Sanktionen gegen (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und Russland infrage stellt. der AfD) (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Deswegen, denke ich, wären keine weitere diplomatische Eskalation und Kooperation von allen Seiten in dieser Denn diese Sanktionen wurden ja explizit immer mit der Frage wünschenswert. Frage der Umsetzung von Minsk II in Verbindung ge- bracht. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Der vollständigen (Beifall bei der LINKEN) Umsetzung!) Hier gibt es jetzt Bewegung, und da wäre es natürlich Vizepräsidentin Claudia Roth: (B) auch sinnvoll, dass es Bewegung in dieser Frage gibt. Vielen Dank, Andrej Hunko. – Nächster Redner: für (D) Bündnis 90/Die Grünen Manuel Sarrazin. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Einen Punkt will ich auch noch ansprechen: Die Men- schen im Donbass sind in diesem Prozess ja weitgehend Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Objekte. Sie sitzen nicht mit am Tisch. Herr Maas, Sie Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! haben sehr eindrücklich Einzelschicksale dargestellt. Ich In der Ostukraine herrscht seit fünf Jahren ein grausamer finde, man müsste auch schauen, wie die Menschen im Krieg, ein Krieg, der vom Zaun gebrochen wurde durch Donbass hier möglichst politisch partizipieren können. den Kreml, der als Interventionskrieg mit regulären russi- Das fände ich auch sehr wichtig. schen Truppen geführt wurde und heute komplett von (Beifall bei der LINKEN) Putins engstem Umfeld, von Herrn Surkow und den von Putin abhängigen Warlords in Donezk und Luhansk, Ein weiterer Punkt. Wenn wir hier Fortschritte konsta- gesteuert wird, gegen einen souveränen unabhängigen tieren, sollte bei den folgenden Reisen des Bundestages europäischen Staat, gegen die Ukraine, im Jahre 2020 – es stehen ja einige an – die Frage be- rücksichtigt werden, ob wir nicht explizit auch in die (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Denken Region fahren, um dort ein Signal zu setzen. Sie einmal an 1999!) (Johannes Schraps [SPD]: Ja! Aber nicht wie- dessen Grenzen Russland selber im Jahr 1994 garantiert der über Rostow am Don!) hat. – Das kann man ja hinkriegen. Wenn Sie, Herr Hampel, sagen, das Ergebnis dieses Krieges zu akzeptieren, sei Realpolitik, Es ist hier oft die Steinmeier-Formel angesprochen worden. Ich glaube, das ist das eigentlich dicke Brett, (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Die Vorge- von dem hier die Rede war, das eigentliche Problem, schichte ist entscheidend!) das gelöst werden muss. Sie beinhaltet ja drei Punkte: dann befinden Sie sich nicht nur in sehr schlechter histo- erstens einen Sonderstatus für den Donbass – dazu rischer Kontinuität mit anderen deutschen Parteien, dann braucht es eine Verfassungsänderung; das ist keine neue säen Sie auch den Samen aus für neue Kriege und neues Forderung –, zweitens Wahlen unter OSZE-Beaufsichti- Leid. Das ist die Politik der AfD in diesem Haus. gung und drittens die Wiedererlangung der Grenzkontrol- le durch die Ukraine. Das muss natürlich in einem ent- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- sprechenden Maße aneinander gekoppelt werden, und das wie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16737

Manuel Sarrazin (A) SPD und des Abg. Frank Müller-Rosentritt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- (C) [FDP]) wie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Frank Müller-Rosentritt [FDP]) Das Leid der Menschen an der Kontaktlinie ist ganz Was die Bundesregierung außerdem machen muss, ist, einfach zu beschreiben. Es ist nicht so, dass die positiven dass sie jetzt Herrn Selenskyj politisch den Rücken stärkt. Erfolge, die wir jetzt haben, ohne Probleme sind. Wenn In den Gasverhandlungen mit Russland muss Selenskyj ein Dorf wie Solote-4 entflechtet wird, heißt das, dass in jetzt darauf bauen können, dass Deutschland hinter ihm dem Ort keine Sicherheit durch das Militär mehr gewähr- steht, sowohl, um weiterhin einen relevanten Transit von leistet ist. Aber wir haben schon heute keine Polizei dort. Gas durch die Ukraine zu gewährleisten, als auch bei den Wenn jetzt in Solote-4 eine Frau vergewaltigt wird, gibt Reformen sowie den Bemühungen, dem Osten die Hand es keine Polizei, keine Staatsanwaltschaft, keine Gerich- auszustrecken; dabei geht es um humanitäre Hilfe entlang te. Wir weiten durch die Entflechtung – zum Glück, damit der Kontaktlinie und die Frage, wie die Ukraine die weniger geschossen wird – die Graue Zone auf. Aber Renten auch in den besetzten Gebieten auszahlen kann. schon jetzt zeigt sich: Die Frage, wie Sicherheit und Wir müssen uns fragen, wie man gemeinsam – Deutsch- Rechtsstaatlichkeit dann garantiert werden sollen, ist land, die EU – der Ukraine die Hand ausstrecken kann, wirklich drängend. Das wird bei der Frage, wie man Wah- sodass die Menschen in den Gebieten im Osten der Uk- len organisiert, erst recht drängend werden. Wir müssen raine wissen: Ihr müsst euch nicht auf Putin verlassen, wir in die Situation kommen, dass, wenn wir Richtung Frie- denken auch an euch. – Ich würde mir wünschen, dass den gehen, die Menschen im Donbass eine Antwort auf Deutschland hier eine Rolle spielt, und ich hoffe auf Ihre die Frage erhalten, wie dann ihre Sicherheit gewährleistet Arbeit, Herr Außenminister, und natürlich auch der ge- werden wird. Das ist eine drängende Frage. Ich glaube, samten Regierung. dass wir da in den kommenden Monaten auch deutsches Engagement brauchen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eins ist noch ganz wichtig: Wenn wir wirklich dazu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kommen wollen, wie Andrej Hunko gesagt hat, in diesem sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Prozess eine Vertretung der Menschen im Donbass zu haben statt dieser kriminellen Warlords, die sich heute Die Sicherheit wird im Moment zwar durch das Verhalten als Staatsoberhäupter bezeichnen, der ukrainischen Seite verbessert, aber die russische Seite hat bisher noch nichts in den Prozess investiert. (Zaklin Nastic [DIE LINKE]: Schauen Sie ein- mal in den Kosovo und zu den dortigen Kriegs- (B) Die sogenannten Volksrepubliken haben letzte Woche verbrechern!) (D) beschlossen, ihre Staatsgrenzen seien die Grenzen der die nichts anderes machen, als die Menschenrechte mit Oblaste Donezk und Luhansk, lägen damit also weit in Füßen zu treten und geheime Folterknäste bei sich zu bisher regierungskontrolliertem Gebiet. Die Beschuss- haben, ohne jede Rechtsstaatlichkeit, dann müssen wir zahlen haben im Vorfeld der Verhandlungen deutlich zu- dafür sorgen, dass Wahlen stattfinden. Aber Wahlen um genommen. Die Ausgabe russischer Pässe hat zugenom- jeden Preis sind keine Wahlen, die Frieden bringen. Es men. Die ökonomische Verquickung der Assets in den müssen freie, faire, demokratische Wahlen sein, bei denen besetzten Gebieten mit russischen Oligarchen aus dem jeder kandidieren darf, bei denen jeder seine Zettel ver- Umfeld von Herrn Putin hat zugenommen. Herr Putin teilen darf – von den Kommunisten bis zu Selenskyj –, setzt darauf, dass nur Selenskyj sich bewegt, wartet ab, und nicht Wahlen, wie wir sie in Moskau oder St. Peters- spielt den Nice Guy, sitzt am Tisch und zeigt allen: Ich bin burg in diesem Jahr erlebt haben. Ich habe großen Zweifel ja willig. – Aber liefern tut er bisher nicht. Das dürfen wir daran, dass Herr Putin in der Lage sein wird, diesen Herrn Putin auf Dauer so nicht durchgehen lassen. Schritt mit uns zu gehen. Deswegen ist ein gesundes Maß an Skepsis sicherlich richtig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Danke sehr. Abg. Frank Müller-Rosentritt [FDP]) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Dazu gehört, darauf zu achten, dass die Zusage, die die wie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des russische Seite gemacht hat, bezüglich des Waffenstill- Abg. Frank Müller-Rosentritt [FDP]) standes und des Mandates der OSZE, eingehalten wird. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ein Waffenstillstand Vizepräsidentin Claudia Roth: vereinbart wurde. Es ist auch nicht das erste Mal, dass Vielen Dank, Manuel Sarrazin. – Nächste Rednerin: für betont wurde, dass die OSZE überall hinkommen darf. die SPD-Fraktion Dr. Barbara Hendricks. Wir werden mit spitzem Finger darauf achten, ob das passiert. Ich bin gespannt, ob die Jungs in Luhansk die (Beifall bei der SPD) OSZE-Beobachter wirklich in die Häfen am Asowschen Meer lassen. Ich wette mit Ihnen, das wird nicht statt- Dr. Barbara Hendricks (SPD): finden. Dann müssen auch wir aus Berlin das klar benen- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! nen und bei Putin vorstellig werden und sagen: Jetzt haltet Nach meiner Auffassung können die Ergebnisse der Ge- euch daran. Es darf nicht mehr geschossen werden, und spräche in Paris durchaus als Erfolg gewertet werden. ihr müsst die OSZE ihre Arbeit machen lassen. Nach drei Jahren, in denen es keinen Austausch in diesem 16738 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Dr. Barbara Hendricks (A) sogenannten Normandie-Format gab, konnten in dieser eigentlich nicht geht, wie es dort gehandhabt wird. Es (C) Woche auf Betreiben Deutschlands und Frankreichs wird nur ein bisschen erleichtert. wichtige Schritte hin zu einem dauerhaften Frieden er- reicht werden. Herr Abgeordneter Hampel, es ist gut, dass Ebenso einigte man sich darauf, die Minenräumung Deutschland und Frankreich dabei zusammenarbeiten. Es voranzutreiben. geht auch nicht um eine nationale Außenpolitik, sondern Die Maßnahmen lösen zwar den eigentlichen Konflikt es geht um ein gemeinsames europäisches Wirken in den nicht, machen jedoch das Leben für die Menschen in der Bereichen, in denen wir als Europäer gebraucht werden. Region erträglicher. (Beifall bei der SPD – Armin-Paulus Hampel Nicht nur für die Bevölkerung in den umkämpften Ge- [AfD]: So macht man Politik!) bieten ist dauerhafter Frieden in der Region von elemen- tarer Bedeutung. Auch die zukünftige Zusammenarbeit Seit nunmehr fünf Jahren herrscht Krieg im Osten der mit Russland und die weitere Ausgestaltung der Sicher- Ukraine. Dabei sind die Dimensionen des Konfliktes heitsarchitektur Europas werden vom Ausgang des Kon- komplex und – wir sollten uns nichts vormachen – nur fliktes beeinflusst werden. Das Erreichte mag vor dem durch Beharrlichkeit und beständige Ausdauer in Ver- Hintergrund der festgefahrenen Lage nur ein kleiner handlungen zu lösen. Mit den nun vereinbarten Zwi- Schritt sein. Es zeigt aber, dass es sowohl vonseiten Russ- schenergebnissen, muss man sagen, sind die Ukraine lands als auch der Ukraine offenbar die Bereitschaft gibt, und Russland dennoch einen wichtigen Schritt in Rich- den Status quo zu verändern; wir hoffen jedenfalls, dass tung Frieden gegangen. das für beide Seiten gilt. Gleichzeitig zeigen die Ergeb- Bis Ende des Jahres wird es einen Gefangenenaus- nisse auch, dass Deutschland und Frankreich zusammen tausch nach dem Motto „Alle gegen alle“ geben, also eine Außenpolitik der Diplomatie bestreiten, die das Ziel beide Konfliktparteien werden alle Gefangenen zurück- von Sicherheit und Stabilität in Europa hat. kehren lassen. Überwacht und durchgeführt wird der Keine Frage: Es wird noch viel Zeit und erhebliche Austausch über das Internationale Komitee vom Roten diplomatische Kraftanstrengungen erfordern, bis der Kreuz. Donbass befriedet ist. Ich sehe die Region nach den Ge- Bis zum Jahreswechsel soll auch ein vollständiger sprächen in Paris immerhin auf einem besseren Weg als in Waffenstillstand durchgesetzt werden, der künftig rund den vergangenen Jahren. um die Uhr überwacht werden wird. Ich hoffe sehr, dass Herzlichen Dank. der Waffenstillstand durch eine engere Überwachung sei- tens der OSZE diesmal von Dauer sein wird. Was wir (Beifall bei der SPD) (B) dazu beitragen können, auch im Rahmen der OSZE, wer- (D) den wir natürlich zur Verfügung stellen. Letztlich sind es Vizepräsidentin Claudia Roth: aber die Konfliktparteien, die dafür Sorge zu tragen ha- Vielen Dank, Barbara Hendricks. – Nächster Redner: ben, dass die Kämpfe endlich aufhören. für die AfD-Fraktion: Dr. Anton Friesen. Zur Einhaltung des Waffenstillstands soll auch die wei- (Beifall bei der AfD) tere Truppenentflechtung entlang der Frontlinie bis Ende März dienen. Ja, Herr Kollege Sarrazin, ich stimme Ihnen Dr. Anton Friesen (AfD): zu: Diese Entflechtung darf nicht dazu dienen, dass es Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen Zonen ohne Sicherheit gibt, sondern an die Stelle müssen und Herren Abgeordnete! Liebe Bürger! Deutschland natürlich anerkannte Sicherheitskräfte treten. Auch dort spielt für die Ukraine als wichtiger Partner eine besondere kann die OSZE hilfreich sein. Rolle – bei der Anerkennung der ukrainischen Unabhän- Besonders die Zivilbevölkerung im Donbass und in gigkeit vor über 100 Jahren genauso wie heute. Diesen den weiteren Teilen der östlichen Ukraine leidet unter Worten des ukrainischen Botschafters Dr. Andrij Melnyk der Auseinandersetzung. Wir alle kennen die Ausmaße, kann man nur zustimmen. die das zum Teil angenommen hat. Ich will das den Bür- Deutschland hat ein grundlegendes Interesse an einer gerinnen und Bürgern noch einmal an einem Beispiel er- stabilen Ukraine und an einer europäischen Friedensord- klären: Da der Geldverkehr zwischen der Ukraine und nung mit Russland. Alle politischen Entwicklungen soll- den selbsternannten Volksrepubliken Luhansk und Do- ten sich an diesem Maßstab orientieren. Bei den Ergeb- nezk eingestellt ist, müssen zum Beispiel Rentnerinnen nissen des jüngsten Normandie-Gipfels kann man in und Rentner weite Wege auf sich nehmen. So müssen sie diesem Sinne vorsichtig optimistisch sein. Zunächst ein- jeden Monat den von den Separatisten kontrollierten Teil mal ist es ein Erfolg, dass die beiden Seiten überhaupt des Landes verlassen und die Frontlinie überqueren, um miteinander sprechen. Das letzte Treffen im Normandie- ihre Rente an ukrainischen Geldautomaten abheben zu Format fand bekanntlich im Oktober 2016 statt. Damals können. Bislang ist dies ein äußerst mühsames Unterfan- hieß der ukrainische Präsident Petro Poroschenko. Unter gen, da es nur wenige Möglichkeiten gibt, diese abtrün- der Deckung der Vereinigten Staaten und seiner persön- nigen Provinzen an Checkpoints zu verlassen. Daher wur- lichen Freundin Frau Merkel gelang es Poroschenko, jeg- de jetzt in Paris beschlossen, innerhalb der kommenden liche Fortschritte bei der Umsetzung von Minsk II zu 30 Tage weitere Übergangsmöglichkeiten für Zivilisten verhindern. zu öffnen. Also: Das wird den Rentnerinnen und Rent- nern helfen, obwohl es immer noch sehr mühsam ist und (Beifall bei der AfD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16739

Dr. Anton Friesen (A) Aus dieser selbstverschuldeten Sackgasse befreite sich (Beifall bei der AfD) (C) und sein Land der neue Präsident Selenskyj. Er war es, der bereits im Wahlkampf den Herzenswunsch der über- Vizepräsidentin Claudia Roth: wältigenden Mehrheit des ukrainischen Volkes nach Frie- Vielen Dank, Dr. Friesen. – Nächster Redner: für die den in der Ostukraine aufgriff. CDU/CSU Frank Steffel. (Armin-Paulus Hampel [AfD]: So ist es!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Innerhalb eines halben Jahres gelangen unter seiner Füh- rung mehr Fortschritte bei der Konfliktlösung als in fünf Frank Steffel (CDU/CSU): Jahren Poroschenko: Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der AfD) Mehr als fünf Jahre nach Ausbruch des Krieges in der Ostukraine lassen die Bemühungen – das wurde zu Recht der ukrainisch-russische Gefangenenaustausch, die ange- mehrfach betont – um eine Konfliktlösung in der Tat kündigte Umsetzung der Steinmeier-Formel und natür- hoffen. Für die Menschen in der Ostukraine können die lich auch der Normandie-Gipfel. Wie so oft bei interna- Beschlüsse des Gipfels vom Montag eine Erleichterung tionalen Verhandlungen über Friedensprozesse sind es sein: Waffenstillstand noch in diesem Jahr, weitere Ent- kleine Schritte, die von allen Seiten gemeinsam gegangen flechtung, der Rückzug von Truppen und schwerer Waf- werden müssen. Dazu zählen natürlich die Ausdehnung fen. Auch der Austausch von Gefangenen macht Hoff- der OSZE-Beobachtermission, die Truppenentflechtung, nung. Auf den ersten Blick ist das zweifelsfrei eine der Gefangenenaustausch und nicht zuletzt auch der Nor- positive Entwicklung, und wir hoffen, dass sich nun end- mandie-Gipfel, der innerhalb von vier Monaten hier in lich einmal alle Beteiligten, insbesondere die russische Berlin stattfinden soll und bei dem es vor allem um die Seite, an diese Verabredungen halten. Durchführung von Regionalwahlen im Donbass gehen wird. Insbesondere in Richtung der Kollegen der AfD möch- te ich aber sagen: Es ist blanker Zynismus, wenn Sie und Hier steckt der Teufel jedoch im Detail: Laut dem auch Putin beteuern, Russland werde alles tun, um einen Minsker Abkommen sollen die Wahlen vor der Übernah- Frieden zu erreichen. Russland und Putin persönlich tra- me der Grenzkontrolle durch die Ukraine stattfinden. Aus gen die Hauptverantwortung dafür, dass der Krieg in der ukrainischer Sicht sollte es genau umgekehrt sein. Ein Ukraine mehr als 13 000 Menschenleben gefordert und Kompromiss könnte darin bestehen, eine neue Spezial- über 1 Million Menschen zur Flucht gezwungen hat. mission der OSZE einzurichten, die die Grenzkontrolle (B) wahrnimmt, wie es auch der ukrainische Außenminister (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (D) vorgeschlagen hat. des Abg. Frank Müller-Rosentritt [FDP] – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Auch Sie lassen (Beifall bei der AfD) die Vorgeschichte aus!) Dies wäre sicherlich auch für die russische Seite gesichts- Der russische Schachweltmeister Garri Kasparow hat mit wahrend. Blick auf seinen Präsidenten zu Recht gesagt: Diktatoren fragen nie: Warum? Sie fragen immer nur: Warum Der Donbass ist und bleibt ein integraler Bestandteil nicht? – Der Schlüssel für einen Frieden – darauf will der Ukraine. Damit er wieder vollständig in den ukraini- ich heute hier ausdrücklich hinweisen, auch nach den Ge- schen Staat integriert wird, braucht es jedoch nicht nur sprächen vom Montag – liegt unverändert und weiterhin Fortschritte auf internationaler Ebene. Der ehemalige in Moskau. Auf dieses Ziel muss und sollte sich die eu- polnische Außenminister Waszczykowski hat es auf den ropäische Verhandlungsstrategie konzentrieren, nicht auf Punkt gebracht: Zentral ist die wirtschaftliche und soziale ein Nachgeben der Ukraine; das wird im Zweifelsfall Attraktivität der Ukraine selbst. Hierzu hat der Ost-Aus- ohnehin stattfinden. schuss – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft – kürzlich wichtige Vorschläge gemacht wie die Einrich- (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Aha!) tung einer Sonderwirtschaftszone in der Ostukraine, eine Vielmehr sollte man sich darauf konzentrieren, dass internationale Investitionskonferenz und einen internatio- Russland seinen Beitrag leistet. nalen Wiederaufbaufonds. Präsident Selenskyj wiederum hat angekündigt, den Bezug von Renten auch den vielen Die Sanktionen, Herr Hampel, sind zweifelsfrei rich- Senioren im Donbass zu ermöglichen. Die Blockadepo- tig, litik Poroschenkos, welche nur die Spaltung der Ukraine verschärft hat, ist damit endgültig passé. (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Klar!) aber alleine sie sind noch keine Strategie; da sind wir uns, (Beifall bei der AfD) glaube ich, in diesem Hause einig. Die Frage ist nur: Was Deutschland sollte Selenskyj bei seinen konstruktiven wäre die Alternative? Was würden wir überhaupt tun au- und mutigen Schritten unterstützen. Wir sollten auf jeden ßer reden, wenn andere Länder angegriffen werden und Fall darauf hinwirken, dass mit den Fortschritten bei der vor unserer Haustür Truppen einmarschieren? Denn wäh- Umsetzung von Minsk II auch die Sanktionen schrittwei- rend der Ukraine, dem Opfer der Aggression, unverändert se aufgehoben werden. viel abverlangt wird – Selenskyj war dazu ja auch bereit –, wird der Angreifer von Zumutungen weitgehend ver- Vielen Dank. schont. 16740 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Frank Steffel (A) Ich möchte auch das heute ausdrücklich noch einmal Vizepräsidentin Claudia Roth: (C) sagen: Die Forderung nach dem Abzug der russischen Herr Steffel, bitte. Truppen findet sich auch dieses Mal in der Pariser Er- klärung nicht. Dabei müsste das in einer Situation wie Frank Steffel (CDU/CSU): in der Ostukraine eigentlich völlige Normalität sein. Es Sofort, Frau Präsidentin. gibt auch kein Wort zur Krim, außer den sehr zynischen Worten, die die AfD-Fraktion hier eben verbreitet hat. Hier scheint die Europäische Gemeinschaft auch einfach Vizepräsidentin Claudia Roth: einmal darüber hinwegzusehen, dass vor einigen Jahren Ja, sofort! russische Truppen in ein fremdes Land einmarschiert sind und wir alle uns schlicht und ergreifend kaum noch trau- Frank Steffel (CDU/CSU): en, darüber laut zu sprechen. Schuld sind für Putin immer die anderen. Er definiert sein eigenes Recht, hält sich nicht an Vereinbarungen und (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Sie schauen hält auch die Grenzen anderer Staaten nicht ein. doch im Kosovo auch weg, Herr Steffel!) Das größte Hindernis, nämlich der Einmarsch der russi- (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Schuld für schen Truppen und der damit verbundene Abzug der rus- Sie ist immer Putin!) sischen Truppen, wird in dem Dokument mit keinem Wie verhandelt man mit so einem? Das kommentiert die Wort erwähnt. „Süddeutsche Zeitung“ heute, wie ich glaube, zu Recht Für die Ukrainer ist der Krieg ein Hindernis auf dem so: Indem man genau das alles beim Verhandeln nicht Weg, ein wirtschaftlich und sozial erfolgreicher Teil Eu- vergisst. ropas zu werden. Für Russland hingegen, meine Damen Vielen Dank. und Herren, ist der Krieg das Mittel, genau diesen wirt- schaftlichen und sozialen Erfolg in der Ukraine zu ver- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. hindern. Ein Erfolg der Ukraine würde das System Putin Frank Müller-Rosentritt [FDP]) nämlich in Russland auf innenpolitischer Ebene heraus- fordern. Eine positive Entwicklung der Ukraine als ehe- Vizepräsidentin Claudia Roth: maliger Flächenstaat der Sowjetunion zu einem erfolg- Vielen Dank, Kollege Steffel. – Nächster Redner: für reichen Nationalstaat würde deutlich machen, wozu die die SPD-Fraktion Johannes Schraps. russische Politik für die russische Bevölkerung führt und wozu Europa in der Lage ist, wenn es in freien und ge- (Beifall bei der SPD – Manuel Sarrazin (B) heimen Wahlen Demokratie nicht nur organisiert, son- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vermutlich (D) dern sie danach auch marktwirtschaftlich und mit allen wird er den Außenminister loben! – Gegenruf Menschenrechten so durchsetzt, wie wir das in Europa des Abg. Josip Juratovic [SPD]: Nein! Das ma- tun. che ich! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Johannes Schraps (SPD): Ein Erfolg der Ukraine, meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol- würde übrigens auch die europäische Sicherheitsordnung legen! Ein knappes Jahr ist es jetzt her, da war ich ge- verändern, ja, das wäre vielleicht gerade ein Schlüssel meinsam mit meinem Kollegen auf einer dazu. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, emp- Delegationsreise in der Ukraine. Wir haben dort unter fehle ich auch uns Europäern, unsere Ostpolitik in der anderem den Übergangspunkt Majorske, direkt an der Ukraine kritisch zu überdenken und die Ukraine nicht Kontaktlinie zu den Separatistengebieten, besucht und wie alle anderen Länder östlich von uns zu behandeln, haben vor Ort einen Eindruck davon gewinnen können, sondern uns der strategischen Bedeutung und der Verant- was es bedeutet, mitten in einem bewaffneten Konflikt wortung sehr bewusst zu sein. unterwegs zu sein: Putin deutet alles in seiner ideologischen Weise um. Wir haben dort lange Schlangen mit Tausenden Men- Die Entscheidung der Welt-Anti-Doping-Agentur, Russ- schen erlebt, die zu Fuß am Checkpoint auf den Übertritt lands Staatsdoping zu sanktionieren, hat aus seiner Sicht über eine Grenze gewartet haben, die es vorher nicht gab. ausschließlich politische Gründe. Nach dem Tod der Ehe- Wir mussten Granateinschläge erleben, nur wenige frau, des Sohnes, des Bruders bezeichnete Putin die bei- Hundert Meter entfernt von uns, die uns ziemlich haben nahe tödliche Vergiftung des ehemaligen russischen Ge- zusammenzucken lassen. Der Kommentar der begleiten- heimdienstmitarbeiters Skripal und seiner Tochter in den Militärs: Machen Sie sich mal keine Sorgen. Die Großbritannien als inszenierte Aktion der Briten. Und wollten nur zeigen, dass Sie wissen, dass sie da sind. – ganz aktuell: Die Vorwürfe, der russische Geheimdienst Im Gegensatz zu uns sind die Menschen, die in den habe einen Auftragskiller nach Berlin geschickt, streitet Schlangen an dem Checkpoint gewartet haben, nicht zu- Putin gar nicht ab, sondern er beschreibt stattdessen das sammengezuckt, überhaupt nicht. Für sie waren die Opfer als Terroristen und Banditen und begründet indi- Kampfgeräusche ganz offensichtlich Alltag. rekt, warum es eigentlich richtig wäre, diesen Menschen, wo immer er sich auch befindet, einfach mal umzubrin- Diese Erlebnisse am Checkpoint Majorske haben mich gen. tief erschüttert und nachhaltig Eindruck hinterlassen, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16741

Johannes Schraps (A) auch weil sie so deutlich vor Augen führen, wie fragil das Drittens. Die Bestätigung der Steinmeier-Formel, die (C) friedliche Umfeld ist, in dem wir uns auch hier in hier schon mehrfach angesprochen worden ist, ist aus Deutschland so selbstverständlich bewegen: dieser Frie- meiner Sicht ein Signal, dass man ganz rational einen den, der Kunst und Kultur möglich macht, wie zum Bei- Plan verfolgen möchte, um gemeinsam zu Lösungen zu spiel die tollen Aufführungen der Freilichtbühne Oster- kommen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. Natür- wald in meinem Wahlkreis im Weserbergland. Das lich liegt hier die Schwierigkeit im Detail; das wissen wir. Ensemble ist hier zu Gast und hat gerade auf der Tribüne Bei der Interpretation der Steinmeier-Formel gehen die Platz genommen. Meinungen der Ukraine und Russlands an einem maßge- blichen Punkt auseinander: Die Ukraine hält Wahlen erst Die ausgelassene Stimmung, die man noch vor einigen nach Abzug aller ausländischen Truppen, im Rahmen Jahren in der Ukraine in einem friedlichen Umfeld bei der ukrainischer Gesetzgebung und unter Kontrolle der Fussballeuropameisterschaft, die gemeinsam mit Polen OSZE für möglich. Putin wiederum will zuerst in der ausgerichtet wurde, erleben durfte, ist heute, liebe Kolle- Region abstimmen lassen und der Ukraine dann erst wie- ginnen und Kollegen, zumeist Frust und Resignation ge- der die Kontrolle über ihre Grenzen gewähren. – Die wichen. Es wäre deshalb schlimm, wenn wir die Situation konkrete Durchführung von Wahlen im Donbass ist unter in der Ukraine einfach so hinnehmen würden, wenn der diesen Umständen schwierig. Das stellt, glaube ich, kei- Krieg in der Ostukraine als Frozen Conflict langfristig ner infrage. Dennoch ist es wichtig, dass es eine konkrete Bestand hätte, ohne Perspektive auf Veränderung und Zielformulierung gibt, Wahlen durchführen zu wollen ohne Perspektive auf Verbesserung. Dieser Konflikt ist und auch weiter darüber zu verhandeln. gar nicht so frozen, weil – das hat der Außenminister zu Recht gesagt – immer noch jeden Tag geschossen wird. Mit dem neuen ukrainischen Präsidenten ist bei aller Skepsis, die ihm gerade auch zu Beginn seiner Amtszeit Auch deshalb halte ich es für ungemein wichtig, dass entgegengebracht wurde, wieder Bewegung in die festge- nach mehr als drei Jahren endlich wieder ein Treffen im fahrene Sache gekommen. Selenskyj hatte bereits wäh- Normandie-Format stattgefunden hat. rend seines Wahlkampfes angekündigt, dass er in direkte (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Verhandlungen mit Putin eintreten möchte. Das macht er jetzt. Das ist anzuerkennen und aus meiner Sicht auch Alleine die Tatsache, dass die Regierungschefs der Uk- ganz klar zu begrüßen. raine und Russlands wieder an einem Tisch sitzen, ist ein wichtiges Zeichen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten der SPD) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es gibt starke Stimmen des Protests in der Ukraine – (B) das sollten wir nicht vergessen –, was jedweden mögli- (D) Es ist gut, dass wieder über eine friedliche Lösung des chen Kompromiss mit Russland angeht. Und wenn dem- Donbass-Konflikts gesprochen wird. Und ich bin Bun- nächst wieder unpopuläre innenpolitische Reformen in desaußenminister Heiko Maas wirklich dankbar – du hast der Ukraine anstehen, dann könnte natürlich auch Selens- recht, Manuel Sarrazin, natürlich lobe ich den Außenmi- kyj unter Druck geraten. Eine instabile Regierung in der nister –, weil er einen maßgeblichen Anteil daran hatte, Ukraine ist aber ganz sicher nicht im europäischen Inte- dass diese Gespräche zustande kamen, liebe Kolleginnen resse. und Kollegen. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege. Revolutionär oder ein Durchbruch, liebe Kollegin Alt, waren die Ergebnisse des Gipfels sicherlich nicht. Das hat der Außenminister hier aber auch gar nicht behauptet. Ich Johannes Schraps (SPD): glaube, in Anbetracht der aktuellen politischen Lage Wir sollten den Kurs – damit komme ich zum Ende, konnte das auch niemand erwarten. Dennoch gab es eini- Frau Präsidentin – des ukrainischen Präsidenten deshalb, ge positive Aspekte – viele davon sind hier schon ange- so wie es der Außenminister in den letzten Tagen enga- sprochen worden –: giert getan hat, unbedingt auf allen diplomatischen We- gen unterstützen und uns gemeinsam mit unseren europä- Zum einen sind sicher der vereinbarte Gefangenenaus- ischen Partnern für eine nachhaltige Konfliktlösung tausch und die weitere Truppenentflechtung an drei ganz einsetzen. konkreten Punkten entlang der Konfrontationslinie zu nennen. Auch wenn es keine Einigung auf eine Entmilita- Ich danke für die Aufmerksamkeit. risierung der Pufferzone gab, kann der erreichte Kompro- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Gunther miss das Ziel einer vollständigen Waffenruhe im Donbass Krichbaum [CDU/CSU]) doch ein wenig näher bringen.

Zum Zweiten ist es wichtig, dass sich alle Seiten darauf Vizepräsidentin Claudia Roth: verständigt haben, den Verhandlungsprozess weiter auf- Vielen Dank, Johannes Schraps. – Nächster Redner in rechtzuerhalten. In spätestens vier Monaten will man sich der Debatte: Alexander Radwan für die CDU/CSU-Frak- erneut zusammensetzen und zu einem Gipfel treffen. tion. Dann wird es hoffentlich weitere konkrete Ergebnisse geben. (Beifall bei der CDU/CSU) 16742 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

(A) Alexander Radwan (CDU/CSU): manitäre Unterstützung, mit der den Menschen vor Ort (C) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir spre- hoffentlich geholfen werden kann. chen heute über das Normandie-Format. Über die betei- ligten Personen möchte ich vorab sprechen: Ich fand die (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Da sind wir ei- Bemerkungen zu Beginn schon bemerkenswert. An den ner Meinung!) Gesprächen haben ja auf ukrainischer Seite Präsident Se- Es muss in unserem Fokus stehen, den Menschen vor Ort lenskyj und auf russischer Seite Präsident Putin teilge- im Umgang mit einem Gesprächspartner zu helfen, den nommen. Präsident Selenskyj hat ja versucht, Vorleistun- Sie ja regelmäßig loben. gen zu erbringen, ein Stück weit die Brücke zu bauen, Jetzt stehen natürlich politische Fragen im Raum, etwa damit man in diesen Gesprächen produktiv weiterkommt. Und auf der anderen Seite stand der russische Präsident die Fragen: Wie ist zukünftig der rechtliche Status dieser Putin. Lassen Sie mich in Erinnerung bringen: Putin steht Region? Wird es zu Kommunalwahlen kommen? Wenn ja, in welcher Form? Wir werden innerhalb von vier Mo- für mehrere Themen in der Welt. Er steht für das Thema Syrien, wo er auch nicht gerade dafür bekannt ist, einen naten wieder zusammentreffen – die vier Monate sind Friedensprozess zu befördern, sondern eher genau das hoffentlich ein Druckmittel –, um hier ein Stück weit voranzukommen und Signale zu senden. Gegenteil. Putin steht dafür, den INF-Vertrag schleichend zu unterlaufen. Es muss unsere klare Aussage sein: Der Umgang und die Weiterentwicklung der Ukraine sind für uns für den (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Wer hat ihn zukünftigen Umgang mit Russland essenziell. Wir kön- denn gekündigt?) nen schlicht und ergreifend nicht sagen: Wie es mit Russ- – Herr Hampel, ich komme gleich zu Ihnen. – Und zu- land weitergeht, ist unabhängig von der Ukraine. – So letzt, neben den Verhandlungen mit der Ukraine, hatten habe ich es bei der Darlegung Ihrer Außenpolitik sowohl wir gerade den Todesfall im Tiergarten, die Tötung im mit Blick auf die Ukraine als auch mit Blick auf Syrien Tiergarten. Präsident Putin war über diese Situation bes- wahrgenommen. tens informiert. Eines müssen wir aus dieser Situation auch lernen: Der Wissen Sie, was all dem die Krone aufsetzt, Herr Konflikt ist in Europa. Es ist symbolhaft: Gott sei Dank Hampel? Dass Sie in Ihrer Rede sagen, Grundlage von sind es Frankreich und Deutschland, Deutschland und Diplomatie ist Vertrauen, Frankreich, die hier die Initiative ergreifen. Das führt uns vor Augen: Wir müssen in Europa auch zukünftig (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Sehr richtig!) Schritte gehen und eigene Verantwortung für unsere Nachbarschaft übernehmen, für den Frieden in Europa. (B) und damit in die Richtung des Außenministers der Bun- (D) desregierung deuten, aber mit keinem Wort erwähnen, Darum gilt auch in diesem Rahmen die aktuelle dass die Aktionen der Russen in den letzten Jahren nach NATO-Doktrin: Dialog und Abschreckung. Dialog ist Ihrer Definition jegliche Diplomatie eigentlich unmög- notwendig. Aber wir müssen auch die Kapazitäten bilden, lich gemacht haben, weil jede Handlung letztendlich Ver- meine Damen und Herren, jemandem wie Putin entspre- trauen zerstört hat. chend zu begegnen. Das werden aus meiner Sicht die Aufgabe und die Aufforderung an die nächste Kommis- (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Sie haben die sion sein. Zeichen der Zeit nicht erkannt!) Wenn Sie einen solchen Satz in den Mund nehmen, würde Sanktionen sind ein Schwert, das wir auf der wirt- ich erwarten, dass Sie sowas hier auch ansprechen und schaftlichen Seite haben. Aber, meine Damen und Her- dies nicht verschweigen, meine Damen und Herren. ren, das reicht nicht; da schaue ich gerade nach rechts. Appelle allein werden zukünftig nicht reichen, sondern (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. wir brauchen Verantwortung. Da ist Europa gefordert. Da Josip Juratovic [SPD]) müssen wir erwachsen werden und entsprechend han- deln. Das muss für uns der Auftakt für die zukünftige Lassen Sie mich noch etwas anderes erwähnen, weil Außenpolitik sein. Sie gefragt haben: Wo ist denn die Bundesregierung in diesem ganzen Prozess gewesen? Es war das Normandie- Besten Dank. Format und es war der Minsker Prozess, den Kanzlerin Merkel angestoßen hat – vielleicht haben Sie das verges- (Beifall bei der CDU/CSU) sen - Vizepräsidentin Claudia Roth: (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Lange her!) Vielen Dank, Alexander Radwan. – Nächster Redner und den sie seitdem regelmäßig begleitet. Sie arbeitet für die SPD-Fraktion: Josip Juratovic. daran, ihn weiterzuentwickeln. (Beifall bei der SPD) Jetzt hatten wir die Gespräche. Es sind kleine Schritte in diesem Bereich. Es müssen kleine Schritte sein, mit Josip Juratovic (SPD): denen wir Stück für Stück vorankommen. Es wurde ja Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und angesprochen: Das ist der Waffenstillstand, der hoffent- Kollegen! Am 6. Juni 2014 fand das erste Treffen auf der lich dieses Jahr greift. Das ist die militärische Entflech- Regierungsebene zwischen Deutschland, Frankreich, tung. Und es sind der Gefangenenaustausch und die hu- Russland und der Ukraine statt. Anfang dieser Woche Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16743

Josip Juratovic (A) kamen die Regierungschefs der beteiligten Länder – Se- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (C) lenskyj, Putin, Macron und Bundeskanzlerin Merkel – im der CDU/CSU) sogenannten Normandie-Format wieder zusammen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist auch Seit mehr als fünf Jahren tobt in der Ostukraine der ein Verdienst der unermüdlichen diplomatischen An- Konflikt mit mehr als 13 000 Todesopfern, darunter fast strengungen von Bundesaußenminister Heiko Maas und 3 500 Zivilisten. Weitere 30 000 Menschen wurden in Bundeskanzlerin Merkel. Auch dem Bundespräsidenten dieser Zeit verwundet, ein knappes Drittel davon eben- Frank-Walter Steinmeier gilt Dank für seine jahrelangen falls Zivilisten. Rund 1,5 Millionen Menschen haben ihre Bemühungen um den Frieden dieser Region Europas Heimat in den Konfliktregionen verlassen und sind auf während seiner Amtszeit als Außenminister. humanitäre Unterstützung durch die ukrainische Regie- Es ist die außenpolitische Leitlinie der Bundesrepublik rung und internationale Organisationen angewiesen. Deutschland und auch der Europäischen Union, dass Die Menschen vor Ort versuchen, in diesem Kriegsall- Konflikte nur diplomatisch zu lösen sind. Diplomatie tag irgendwie zu überleben. Unsere Aufgabe als Europäer und Kompromissbereitschaft brauchen einen langen ist es, den Menschen in der Ostukraine wieder Hoffnung Atem, aber sie sind unumgänglich. 1 000 Tage Verhand- auf Frieden zu geben. Dieses Zusammentreffen auf höch- lung sind besser als ein Tag Krieg! ster Regierungsebene war daher mehr als nötig. Dieser (Beifall bei der SPD) sinnlose Krieg dauert schon viel zu lange. Die Menschen sind ausgelaugt und wollen endlich Frieden. Das Normandie-Format liefert hierfür ein gutes Bei- spiel. In einer Welt, in der die Autokraten und säbelras- Das erste persönliche Aufeinandertreffen zwischen selnden Akteure immer mehr an Aufmerksamkeit gewin- den Präsidenten Putin und Selenskyj und die dabei erziel- nen und ihre Interessen mit Gewalt durchzusetzen te Einigung vom Wochenende geben in diesem Kontext versuchen, ist dieses Signal der friedenstiftenden Diplo- Anlass für vorsichtige, aber doch neue Hoffnung. matie von großer Bedeutung. Ich kann daher die Aussage von unserem Außenminister Heiko Maas an dieser Stelle (Beifall bei der SPD) nur wiederholen: Neben einem klaren, erneuten grundsätzlichen Bekennt- Wir übernehmen Verantwortung ... wenn es darum nis zum Plan von Minsk einigten sich die Beteiligten nun geht, am Verhandlungstisch nachhaltig Frieden zu mit der sogenannten Steinmeier-Formel auf eine Reihen- sichern ... und nicht auf den Schlachtfeldern dieser folge für dessen Implementierung. Bis Ende des Jahres Welt. sollen nun alle notwendigen Maßnahmen für einen Waf- (B) fenstillstand getroffen werden sowie ein Truppenabzug Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (D) aus einigen Gebieten der Ostukraine und ein großer Ge- fangenenaustausch stattfinden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Langfristiges Ziel bleibt das Inkrafttreten eines Son- derstatusgesetzes für die nicht von der Regierung kontrol- Vizepräsidentin Claudia Roth: lierten Gebiete der östlichen Regionen Luhansk und Do- Vielen Dank, Josip Juratovic. – Letzter Redner in der nezk. Es soll die Durchführung von Lokalwahlen und den Aktuellen Stunde: Dr. Andreas Nick für die CDU/CSU- vollständigen Rückzug von Truppen und Geräten der Fraktion. Konfliktparteien beinhalten. (Beifall bei der CDU/CSU) Während hierzu am Wochenende keine Übereinkunft gefunden werden konnte, sind die nun beschlossenen Dr. Andreas Nick (CDU/CSU): Maßnahmen wichtige Schritte der Vertrauensbildung. Sollte ihre Implementierung gelingen, formen sie eine Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! starke Grundlage für weiter gehende Schritte beim nächs- Das Treffen im Normandie-Format am Montagabend in Paris war ein wichtiger Schritt nach vorne. Zunächst mal ten Zusammentreffen im Normandie-Format in vier Mo- ist es ein Riesenfortschritt, dass nach über drei Jahren ein naten. solches Gipfeltreffen wieder stattgefunden hat. Aber bereits jetzt senden die Beschlüsse vom Wochen- Es konnten konkrete Schritte zur weiteren Umsetzung ende ein starkes und lebensnotwendiges Signal für die des Minsker Abkommens verabredet werden. Diese sind Menschen in der Ukraine. Es ist ein Signal, das ankommt. nicht nur in einem Abschlusskommuniqué festgehalten, Vertreter aller politischen Lager der Ukraine äußerten sondern dieses ist auch erstmals in diesem Format ver- sich in den letzten Tagen vorsichtig optimistisch über öffentlicht worden. Dass ein Folgetreffen innerhalb von die Ergebnisse des Gipfels. Entgegen aller Propaganda vier Monaten verabredet ist, gibt der Vereinbarung ein von einer faschistischen Machtübernahme infolge der höheres Maß an Verbindlichkeit, als wir das bisher im Maidan-Proteste, einer Verschwörungstheorie, die auch Minsk-Prozess gesehen haben. von einigen von ganz links wie ganz rechts hier im Hause immer wieder verbreitet wird, halten die Demokraten der Damit sind aber auch klare Erwartungen auf der Zeit- Ukraine im Ringen um eine friedliche Zukunft für ihr achse verbunden. Es ist schon angesprochen worden: der Land in einem geeinten Europa zusammen. Wir wün- Austausch und die Freilassung aller verbliebenen Gefan- schen ihnen dabei allen Erfolg und stehen fest an ihrer genen nach dem Grundsatz „alle gegen alle“ bis Ende Seite. dieses Jahres, die vollständige Umsetzung des Waffen- 16744 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Dr. Andreas Nick (A) stillstandes und die weitere Entflechtung von Truppen Ich will daran erinnern: Im kommenden Jahr begehen (C) und militärischem Gerät bis Ende März 2020. wir nicht nur den 30. Jahrestag der Deutschen Einheit, sondern auch den 30. Jahrestag der Charta von Paris der Lassen Sie mich festhalten: Unsere Position zum Kon- OSZE. Diese bleibt für uns der zentrale Bezugspunkt der flikt in der Ostukraine und zur Annexion der Krim ist europäischen Friedensordnung und Sicherheitsarchitek- unverändert und völlig klar. Deshalb bleiben die EU- tur von Vancouver bis Wladiwostok, die durch den Kon- Sanktionen auch in Kraft und werden erneut verlängert. flikt in und um die Ukraine nachhaltig verletzt ist und Mit der Wahl von Präsident Selenskyj in der Ukraine bleibt. Es ist deshalb nicht nur im dringenden Interesse hat sich aber in den letzten Monaten ein neues Fenster der betroffenen Menschen vor Ort, sondern ein zentrales geöffnet, um Fortschritte bei der Lösung des Konflikts Anliegen aller Europäer, diesen Konflikt schrittweise zu erreichen zu können. Präsident Selenskyj verdient dabei lösen und seine Ursachen zu überwinden. unsere Unterstützung. Wir würden es begrüßen, wenn (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ihm diese schwierige Aufgabe auch in der innenpoliti- ordneten der SPD) schen Diskussion der Ukraine nicht noch schwerer ge- macht würde, als sie ohnehin schon ist. Bereits im Sep- Deshalb ist es gut und richtig, dass sich die Bundes- tember ist ein erster Gefangenenaustausch gelungen. Mit kanzlerin und der französische Präsident persönlich in so der Freilassung der 24 ukrainischen Seeleute wurde eine hohem Maße im Normandie-Format engagieren. Denn der Kernforderungen erfüllt, die die Parlamentarische nur so können wir den Weg dafür freimachen, dass Euro- Versammlung des Europarates im Januar in einer Dring- pa in seiner Gesamtheit zu einem Raum der Menschen- lichkeitsdebatte erhoben hat. Ich war damals der zustän- rechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie wird, dige Berichterstatter. ein gemeinsamer Raum, in dem es keine Zonen unter- schiedlicher Sicherheit und Souveränität geben darf und Zum Kontext, der diese Entwicklung erst möglich ge- der Chancen zu wirtschaftlicher Entwicklung und Pros- macht hat, gehört aber auch die durchaus schwierige Ent- perität für alle bietet. Das ist der Auftrag unserer Genera- scheidung, die wir im Juni getroffen haben: die Rückkehr tion, und dafür lohnt es sich zu arbeiten. Russlands in die Parlamentarische Versammlung des Eu- roparates zu ermöglichen. Dafür haben insbesondere wir Vielen Dank. und unsere französischen Partner erhebliches politisches Kapital investiert. Damit ist aber auch eine klare Erwar- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- tungshaltung gegenüber der Russischen Föderation ver- ordneten der SPD) bunden. Vizepräsidentin Claudia Roth: (B) Im Rahmen ihrer Möglichkeiten ist die Parlamentari- (D) sche Versammlung als umfassende und inklusive Dialog- Vielen Dank, Dr. Andreas Nick. – Damit ist die Ak- plattform auch bereit, zur Wiederherstellung von Frieden tuelle Stunde beendet. in der Ukraine beizutragen. Einen entsprechenden Antrag Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, haben wir bereits im Oktober auf den Weg gebracht. Wir liebe Kolleginnen und Kollegen, gebe ich Ihnen die von appellieren daher an das ukrainische Parlament, die ja den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Er- bereits benannte neue Delegation in der Januarsitzung gebnisse der Wahlen bekannt. der Parlamentarischen Versammlung in Straßburg auch endlich akkreditieren zu lassen, damit Dialog in diesem Protokoll über den dritten Wahlgang eines Stellvertre- Format auch möglich ist und bleibt. ters des Präsidenten des 19. Deutschen Bundestages. Ab- gegebene Stimmzettel: 631. Ungültige Stimmzettel: Fragen der Menschenrechte und der humanitären Si- 1. Mit Ja haben gestimmt 197 Abgeordnete. Mit Nein cherheit bilden für den Europarat einen Kernbereich. Es haben gestimmt 397 Abgeordnete. Enthaltungen: 36. muss zunächst darum gehen, für die Menschen in der Der Abgeordnete Paul Viktor Podolay hat die erforder- Ostukraine eine konkrete Verbesserung der Situation liche Mehrheit nicht erreicht. Er ist zum Stellvertreter des und humanitäre Erleichterungen zu erreichen. Das ist Präsidenten damit nicht gewählt.1) schon angesprochen worden. Dazu müssen das Interna- tionale Komitee vom Roten Kreuz und andere Hilfsorga- Protokoll über die Wahl eines Mitglieds des Ver- nisationen uneingeschränkten und sicheren Zugang zu trauensgremiums gemäß § 10a der Bundeshaushaltsord- den Konfliktgebieten erhalten. Insbesondere die trilatera- nung. Mitgliederzahl: 709. Abgegebene Stimmzettel: le Kontaktgruppe und die Sonderbeobachtermission der 628. Ungültige Stimmzettel: 2. Mit Ja haben gestimmt OSZE müssen, wie am Montag vereinbart, endlich alle 163 Abgeordnete. Mit Nein haben gestimmt 433 Abge- Möglichkeiten ausschöpfen können, die in ihrem Mandat ordnete. Enthaltungen: 30. Der Abgeordnete Marcus jeweils vorgesehen sind. Bühl hat die erforderliche Mehrheit von mindestens 355 Stimmen nicht erreicht. Er ist als Mitglied des Ver- Der am Montag wiederangestoßene Prozess muss auch trauensgremiums gemäß Artikel 10a der Bundeshaus- durch die Einbettung in weitere multilaterale Formate haltsordnung nicht gewählt.2) verstetigt werden. Keine Frage: Wir werden am Ende bei der Umsetzung der Steinmeier-Formel um die Lösung der Frage, wie die Grenze zwischen der Ukraine und 1) Namensverzeichnis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Wahl siehe Anlage 3 Russland durch mögliche internationale Bemühungen 2) Namensverzeichnis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Wahl verstärkt abgesichert werden kann, nicht herumkommen. siehe Anlage 4 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16745

Vizepräsidentin Claudia Roth (A) Protokoll über die Wahl von zwei Mitgliedern des Gre- Drucksache 19/15877 (C) miums gemäß § 3 des Bundesschuldenwesengesetzes. Mitgliederzahl: 709. Abgegebene Stimmzettel: 622. b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Von den abgegebenen Stimmen entfielen auf Albrecht Berichts des Ausschusses für Gesundheit Glaser 144 Jastimmen, 453 Neinstimmen, 22 Enthaltun- (14. Ausschuss) gen. Es gab 3 ungültige Stimmen. Auf den Abgeordneten – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias Volker Münz entfielen 175 Jastimmen, 418 Neinstimmen. W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwi- Es gab 22 Enthaltungen und 7 ungültige Stimmen. Die ckau), Fabio De Masi, weiterer Abgeord- Abgeordneten Albrecht Glaser und Volker Münz haben neter und der Fraktion DIE LINKE die erforderliche Mehrheit nicht erreicht.1) Gerechte Krankenversicherungsbeiträ- Protokoll über die Wahl eines ordentlichen Mitglieds ge für Betriebsrenten – Doppelverbei- des Sondergremiums gemäß § 3 Absatz 3 des Stabilisie- tragung abschaffen rungsmechanismusgesetzes. Abgegebene Stimmzettel: 632. Ungültige Stimmzettel: 3. Mit Ja haben gestimmt – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias 190 Abgeordnete. Mit Nein haben gestimmt 418 Abge- W. Birkwald, Dr. Achim Kessler, Harald ordnete. Es gab 21 Enthaltungen. Der Abgeordnete Peter Weinberg, weiterer Abgeordneter und der Boehringer hat die erforderliche Mehrheit von mindes- Fraktion DIE LINKE tens 355 Stimmen nicht erreicht. Er ist als Mitglied des Doppelverbeitragung konsequent been- Sondergremiums gemäß § 3 Absatz 3 des Stabilisierungs- den – Versicherte entlasten mechanismusgesetzes nicht gewählt.2) Drucksachen 19/242, 19/15436, 19/15877 Protokoll über die Wahl eines stellvertretenden Mit- glieds des Sondergremiums gemäß § 3 Absatz 3 des Sta- c) Beratung des Antrags der Abgeordneten bilisierungsmechanismusgesetzes. Abgegebene Stimm- Detlev Spangenberg, Jörg Schneider, zettel: 632. Ungültige Stimmzettel: 1. Mit Ja haben Dr. Robby Schlund, weiterer Abgeordneter gestimmt 165 Abgeordnete. Mit Nein haben gestimmt und der Fraktion der AfD 436 Abgeordnete. Es gab 30 Enthaltungen. Die Abgeord- Systemfehler beseitigen – Betriebliche Al- nete Dr. Birgit Malsack-Winkemann hat die erforderliche tersvorsorge attraktiver gestalten Mehrheit von mindestens 355 Stimmen nicht erreicht. Sie ist als stellvertretendes Mitglied des Sondergremiums Drucksache 19/15788 nicht gewählt.3) Überweisungsvorschlag: (B) Ausschuss für Gesundheit (f) (D) Vielen Dank. – Das waren die Ergebnisse der Wahlen. Ausschuss für Arbeit und Soziales Haushaltsausschuss Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 9 a bis 9 c auf: Zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und a) – Zweite und dritte Beratung des von den der SPD liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- FDP vor. brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Freibetrages in der Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten be- gesetzlichen Krankenversicherung zur schlossen. – Ich bitte die Kollegen und Kolleginnen, für Förderung der betrieblichen Altersvor- die Aussprache Platz zu nehmen. sorge (GKV-Betriebsrentenfreibetrags- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die CDU/ gesetz – GKV-BRG) CSU-Fraktion der Kollege Rudolf Henke. Drucksache 19/15438 (Beifall bei der CDU/CSU) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Rudolf Henke (CDU/CSU): eines Gesetzes zur Einführung eines Frau Präsidentin! Liebe Zuschauerinnen und Zu- Freibetrages in der gesetzlichen Kran- schauer! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Leistungen kenversicherung zur Förderung der der betrieblichen Altersversorgung sind in der gesetzli- betrieblichen Altersvorsorge(GKV-Be- chen Krankenkasse als sogenannte Versorgungsbezüge triebsrentenfreibetragsgesetz – GKV- beitragspflichtig. Auf Versorgungsbezüge werden Kran- BRG) kenversicherungsbeiträge nach dem allgemeinen Bei- Drucksache 19/15659 tragssatz und im Fall der Fälle auch der kassenindividuel- le Zusatzbeitragssatz erhoben. Betriebsrentnerinnen und Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- -rentner haben diese Beiträge in der Regel allein zu tra- schusses für Gesundheit (14. Ausschuss) gen. Das ist eine Belastung für die Attraktivität von Betriebsrenten und führt heute vielfach dazu, dass Arbeit- 1) Namensverzeichnis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Wahl nehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber entsprechen- siehe Anlage 5 den Angeboten zurückhaltend sind. Die Erhebung von 2) Namensverzeichnis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Wahl Krankenkassenbeiträgen auf Versorgungsbezüge stellt al- siehe Anlage 5 3) Namensverzeichnis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Wahl so ein gewisses Hindernis für den weiteren Auf- und Aus- siehe Anlage 6 bau der betrieblichen Altersversorgung dar. 16746 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Rudolf Henke (A) Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines stellen die ganz große Anzahl der entsprechenden Zahl- (C) Freibetrages in der gesetzlichen Krankenversicherung zur ungen zügig abgerechnet werden kann. Förderung der betrieblichen Altersvorsorge entlasten wir einen großen Teil der Beitragszahler. Mit der Einführung Insofern glaube ich, dass das nach vielen Jahren der eines monatlichen Freibetrages in Höhe von 159,25 Euro Debatte über das, was wir 2003 mit dem Gesundheitsmo- ab dem 1. Januar 2020 sorgen wir für diese Entlastung. dernisierungsgesetz erlebt haben, und nach vielen Jahren der Suche nach einer gangbaren Lösung jetzt einen prag- (Beifall der Abg. Karin Maag [CDU/CSU]) matischen Weg darstellt. Von diesem Freibetrag werden ab 2020 Rentnerinnen und Rentner profitieren, deren Rentenbezug vor 2020 Vizepräsidentin Claudia Roth: begonnen hat oder deren Kapitalauszahlung 2020 weni- Herr Henke, „zügig“ war das Stichwort. ger als zehn Jahre zurückliegt. Der Freibetrag ist dann in Zukunft an die Entwicklung der sozialversicherungs- Rudolf Henke (CDU/CSU): rechtlichen Bezugsgröße gekoppelt und steigt damit jähr- Ja. – Er wird nicht jeden vollständig glücklich machen, lich in etwa mit der durchschnittlichen Lohnentwicklung aber es ist eine pragmatische Lösung, die vielen hilft und an. die die Attraktivität des Betriebsrentensystems steigert. Das ist der wesentliche Charakter der Neuregelung, (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE und diese Neuregelung führt dazu, dass auch Betriebs- GRÜNEN]: Zulasten der GKV-Beitragszah- renten oberhalb der bisherigen Freigrenze finanziell ent- ler!) lastet werden. Denn bisher musste bei dem geringsten Überschreiten der Freigrenze der volle Beitrag auf die Ich empfehle Ihnen deswegen die Zustimmung zu diesem gesamte Betriebsrente gezahlt werden. Bezieherinnen Gesetzentwurf. und Bezieher von Betriebsrenten ab einer Höhe von 159,25 Euro erhalten jetzt mit der Neuregelung eine Ent- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- lastung von rund 300 Euro im Jahr. ordneten der SPD)

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Vizepräsidentin Claudia Roth: ordneten der SPD) Vielen Dank, Herr Henke. – Ich bitte, liebe Kollegin- Das bedeutet: 60 Prozent der betroffenen Personen zahlen nen und Kollegen: Halten Sie die Redezeit ein. Sonst künftig maximal die Hälfte des bisherigen Beitrags. ziehe ich es bei Ihren Kollegen ab. Das ist so. – Nächster Redner: Detlev Spangenberg für die Fraktion der AfD. (B) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das sind (D) alte Zahlen!) (Beifall bei der AfD) Insgesamt werden die Betriebsrentnerinnen und Betriebs- rentner so jedes Jahr um mindestens 1,2 Milliarden Euro Detlev Spangenberg (AfD): entlastet. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Systemfehler beseitigen – Betriebliche Altersvorsorge (Beifall der Abg. Karin Maag [CDU/CSU]) attraktiver gestalten“ – so der Titel unseres Antrags –, Von dem Wechsel von der Freigrenze zum neuen Frei- im Rahmen des GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetzes. betrag profitieren auch die rund 4 Millionen pflichtver- Der Ansatz ist grundsätzlich richtig. Wir haben das im sicherten Betriebsrentner oberhalb der bisherigen Frei- Ausschuss ja auch besprochen. Das ist eine tolle Sache; grenze. Auch sie haben in Zukunft rund 300 Euro mehr das ist der richtige Weg, meine Damen und Herren. Aber pro Jahr. Sie müssen natürlich gleich wieder einen Schritt zurück- gehen: Die Pflegeversicherung haben Sie außen vor ge- Für 2020 werden die Mittel vollständig aus der Liqui- lassen. ditätsreserve des Gesundheitsfonds übernommen, dann schrittweise durch abnehmende Beiträge aus demselben Die Gründe, warum es überhaupt notwendig ist, dass Fonds in Höhe von 900 Millionen Euro 2021, 600 Millio- wir das Ganze jetzt im Sinne der Beitragszahler wieder nen Euro 2022 und 300 Millionen Euro 2023 finanziert. zurückfahren, gehen eigentlich auf SPD und Grüne 2003 Ab 2024 wären die Beitragsausfälle in voller Höhe durch zurück. Damals hat die SPD ihre sogenannte Klientel, die die Kassen zu tragen. Arbeitnehmer, total verlassen. Sie sind gar keine Arbeit- nehmerpartei. Sie haben sie richtig abgezockt, kann man Mit dem Gesetz wird die bisherige Mindestreserve des sagen. Und die Grünen haben sich sowieso nicht für diese Gesundheitsfonds von 25 Prozent auf 20 Prozent einer Menschen interessiert. Denn diese Zielgruppe spart an; Monatsausgabe gesenkt. Die Krankenkassen haben in sie klettert nicht auf Bäume oder kettet sich an Eisenbahn- der Anhörung erklärt, dass das eine für sie tragbare und schienen an. Also war das auch für Sie uninteressant, gangbare Lösung ist. meine Damen und Herren. In den Beratungen des Ausschusses haben wir dann Durch die Gesetzesänderung wurden sehr viele mit ei- noch einen Änderungsantrag eingebracht, der dazu die- ner sogenannten Doppelverbeitragung belastet. Diese ist nen soll, das Verfahren so zu beschleunigen, dass keine durch das neue Gesetz zurückgefahren worden, aber sie umständlichen Anträge und keine umständlichen Zinsbe- bleibt bestehen. Sie entfaltet nur nicht mehr eine so große rechnungen notwendig sind, sondern dass bei den Zahl- nachteilige Wirkung. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16747

Detlev Spangenberg (A) Die Kritikpunkte an dem Gesetzentwurf sind zunächst Rentenbeiträge führen; das sagte ich schon. Und wir er- (C) einmal, dass Sie keine eindeutige Abkehr von einer mög- warten eine eindeutige vollständige Abkehr von einer so- lichen Doppelverbeitragung erklären. Auch haben Sie die genannten Doppelverbeitragung. Einmalauszahlung nicht angegriffen. Es bleibt also bei den 120 Monaten. Auch wenn jemand die Summe auf Eine Entschädigung für Doppeltverbeitragte wurde einmal erhält, wird das über 120 Monate verbeitragt. von Ihnen ebenfalls nicht angesprochen. Hier erwarten Das kritisieren diejenigen, die die Versicherung abge- wir, dass Sie noch einmal in diese Richtung nachdenken. schlossen haben, nach wie vor. Das Problem ist: Sie haben damals, 2004, Vertrauen Sie erwähnen auch nicht die Betroffenen, die auf die verspielt. Die Menschen hatten keine Planungssicherheit. Verträge von bis 2002 gebaut haben. Sie hatten eine Le- Viele beziehen sich bei dieser Angelegenheit sogar auf bensplanung. Was sie in dieser Form so hart getroffen hat, Artikel 20 Grundgesetz. Die Betroffenen sehen sich ge- war, wie gesagt, das Gesundheitsmodernisierungsgesetz. täuscht. Sie hätten in vielen Fällen die Verträge gar nicht Damals war die Begründung, die Leistungsfähigkeit die- abgeschlossen, wenn sie gewusst hätten, wie Sie mit den ser Leute würde das hergeben. Meine Damen und Herren, Beitragszahlern, mit diesen Sparern, umgehen. wer will denn das beurteilen? Die Menschen haben das meist deswegen gemacht, Vizepräsidentin Claudia Roth: damit sie im Alter die Annuitätendarlehen für ihre Häus- Herr Spangenberg, kommen Sie bitte zum Ende. chen abzahlen konnten. Und jeder, der ein bisschen weiter denkt, weiß, dass er als Rentner kaum die Möglichkeit Detlev Spangenberg (AfD): hat, eine Arbeit aufzunehmen, wenn er in Probleme fi- Jawohl. Ein letzter Satz. – Jetzt frage ich Sie konkret: nanzieller Art gerät. Wenn Sie diesen Leuten mit höheren Wer garantiert denen, die heute Verträge abschließen, Beiträgen die Annuitätenzahlung erschweren, dann ist dass Sie nicht wieder Recht brechen und dass Sie ihnen das einfach unfair. Es ist nicht sauber, meine Damen nicht wieder die Freibeträge wegnehmen, wenn es gerade und Herren. mal passt? Das können Sie nicht garantieren; Sie haben (Beifall bei der AfD) schon mal sehr, sehr unseriös gehandelt. Eine nicht nachvollziehbare Begründung für eine In diesem Fall können wir uns, weil einige gute Ansät- nachträgliche Verbeitragung war ja auch das umstrittene ze dabei sind, bei der Abstimmung über den Antrag nur Rückwirkungsverbot. Da haben Sie noch die Justiz mit enthalten. ins Boot geholt, um das irgendwie zu begründen. Vielen Dank. (B) Ein weiterer Trick ist: Niedrige Rentenbeiträge entste- (D) hen bei der Entgeltumwandlung. Auch das sollte nicht (Beifall bei der AfD) sein. Das wird ebenfalls von den bisher über 6 Millionen Betroffenen kritisiert. Einige werden jetzt aufgrund Ihrer Vizepräsidentin Claudia Roth: Änderung, die ja positiv ist, herausfallen. Aber Sie ma- Vielen Dank, Detlev Spangenberg. – Nächste Redne- chen das ja nicht, um den Leuten zu helfen, sondern weil rin: für die SPD-Fraktion Sabine Dittmar. Sie Angst haben, dass diese 6 Millionen plus Familien- angehörige Ihnen als Wähler verloren gehen. Das ist der (Beifall bei der SPD) einzige Grund, den ich hier sehe – und nicht, weil Sie den Menschen helfen wollen. Sabine Dittmar (SPD): (Beifall bei der AfD – Harald Weinberg [DIE Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Für die LINKE]: Alles verstanden!) betriebliche Altersvorsorge ist heute ein guter Tag. Mit dem GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetz, das wir heute – Das hoffe ich. verabschieden, stärken wir zum einen die betriebliche Auch die Einkommensersatzleistung, wie gesagt, ist Altersvorsorge, wir heilen zum anderen aber auch endlich nicht nachvollziehbar, wenn der Arbeitnehmer die Bei- eine alte Wunde des Gesundheitsmodernisierungsgeset- träge gezahlt hat, aber der Arbeitgeber Versicherungsneh- zes. mer war, und er dann schließlich, wenn er Pech hat, auch 2004 gab es viele nachvollziehbare Gründe für das noch den Arbeitgeberbeitrag weiter zahlen muss, wenn es GMG: 5 Millionen Arbeitslose; die Sozialkassen waren zur Auszahlung kommt. leer; die Sozialversicherungsbeiträge galoppierten davon. Wir fordern als AfD, dass wir den Freibetrag, der ja wirklich gut ist, auf 200 Euro erhöhen, um damit mög- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da bin lichst viele Beitragszahler zu erreichen - ich anderer Ansicht!) Deshalb hat auch eine breite parlamentarische Mehrheit (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist Verantwortung übernommen: SPD, Grüne, CDU/CSU. der Freibetrag bis 2021!) Auch wenn das GMG höchstrichterlich abgeklärt wurde das würde die Attraktivität noch mehr begründen –, und und die Verbeitragung der Betriebsrenten seinerzeit ein Neuverträge erst dann zu verbeitragen, wenn die Rendite notwendiger Schritt war, um die gesetzliche Krankenver- des eingesetzten Kapitals erwirtschaftet wurde. Die Ent- sicherung zu stabilisieren, so schauen auch wir Sozial- geltumwandlung darf nicht zu einer Verringerung der demokraten kritisch auf dieses Gesetz zurück. 16748 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Sabine Dittmar (A) Ich bin froh, dass wir die Union davon überzeugen tersvorsorge heute wieder attraktiver und ein Stück weit (C) konnten, gesetzgeberisch tätig zu werden. gestärkt. Damit setzen wir ein Signal, dass sich Vorsorge lohnt und sinnvoll ist. (Lachen des Abg. Alexander Krauß [CDU/ CSU]) (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht Aufgabe der GKV!) Sie sehen, meine Damen und Herren, wir können auch Dinge behandeln und lösen, die im Koalitionsvertrag Klar ist aber auch: Die Entlastung der Betriebsrentner noch nicht vereinbart wurden. muss gegenfinanziert werden. Die Entlastung der Be- triebsrentner schlägt ab 1. Januar 2020 mit rund 1,2 Mil- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) liarden Euro pro Jahr zu Buche. Die Mittel werden in der Es ist gut, dass wir heute nach langen und intensiven Umstellungsphase bis 2023 mit Zuschüssen aus der Li- Verhandlungen eine wirklich gute Lösung für die Be- quiditätsreserve des Gesundheitsfonds kofinanziert und triebsrentnerinnen und Betriebsrentner verabschieden. sind deshalb für den Zusatzbeitrag nicht relevant. Mit der Umwandlung der Freigrenze in einen echten Frei- Heute, Kolleginnen und Kollegen, haben wir eine Ge- betrag sorgen wir dafür, rechtigkeitslücke im Beitragsrecht geschlossen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Freibetrag ist zusätzlich!) NEN]: Und zwei neue aufgerissen! Mindes- dass alle Empfänger von Betriebsrenten, die in der ge- tens!) setzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, ab Die wiederholten Reparaturbemühungen zeigen aber dem 1. Januar 2020 finanziell entlastet werden. auch, dass wir eine grundlegende Reform im Beitrags- recht benötigen. Uns geht die Arbeit also nicht aus. Aber (Beifall bei Abgeordneten der SPD) heute entlasten wir erst einmal die Betriebsrentner. Ich Das gilt im Übrigen auch für die Empfänger von Renten bitte daher um Zustimmung für das gelungene Gesetz. und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alters- sicherung der Landwirte. Danke für die Aufmerksamkeit. Die Entlastung wird automatisch erfolgen, ohne dass (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) extra ein Antrag gestellt werden muss. Der Freibetrag gilt ab dem 1. Januar 2020, ganz egal, ob man die monatliche Vizepräsidentin Claudia Roth: oder die einmalige Auszahlung wählt. Aufgrund der Um- Vielen Dank, Sabine Dittmar. – Nächste Rednerin: für (B) stellungsphase kann es allerdings zu einer Verzögerung die FDP-Fraktion Christine Aschenberg-Dugnus. (D) der Umsetzung in den ersten Monaten kommen. Zu viel gezahlte Beiträge werden aber auf jeden Fall zurücker- (Beifall bei der FDP) stattet, Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ohne Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr Zinsen!) geehrte Delegation des Vereins der Direktversicherungs- ohne dass die Betroffenen selbst aktiv werden müssen. geschädigten auf der Besuchertribüne! Konkret bedeutet die Neuregelung, dass Betriebsrent- (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der ner künftig monatlich um circa 25 Euro entlastet werden – LINKEN) oder, bei Einmalzahlung, um gut 3 000 Euro für die Lauf- Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ziel des von Ihnen vor- zeit. Wenn Sie beispielsweise 300 Euro Betriebsrente be- gelegten Gesetzes ist es, die betriebliche Altersvorsorge ziehen, sind derzeit 46,50 Euro Krankenversicherungs- attraktiver zu gestalten. Leider bleiben Sie hinter diesen beiträge fällig, ab 1. Januar 2020 nur noch 21,82 Euro. hohen Erwartungen weit zurück. Da hilft auch Ihre Oder, noch sehr viel krasser, das Beispiel aus dem gest- Schönrederei hier nichts. Denn Ihre Entlastung findet ja rigen „Morgenmagazin“: Bei einer Betriebsrente von nur bis zu einem Beitrag von 159 Euro statt; alles, was 160 Euro zahlen Sie aktuell 24,80 Euro Beitrag, ab dem darüber hinausgeht, muss ja weiter doppelt verbeitragt 1. Januar 2020 sind es nur noch 11 Cent. werden. Im Ergebnis wird Ihr Vorschlag dazu führen, dass Sie sehen, wir entlasten alle pflichtversicherten Be- eine betriebliche Altersvorsorge über den Freibetrag hi- triebsrentner, aber ganz besonders die Rentner mit klei- naus gar nicht mehr attraktiv ist. Und diejenigen, die in nen und mittleren Betriebsrenten, der Vergangenheit bewusst mehr eingezahlt haben, um hinterher auch mehr Betriebsrente zu erhalten, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) (Alexander Krauß [CDU/CSU]: Die bekom- men auch mehr!) und das sind über 60 Prozent der Bezieher von Betriebs- die sind weiter die Gekniffenen. renten. Auch für Betriebsrentner, die ihre Einmalauszah- lung bereits erhalten haben, gilt der Freibetrag für die (Beifall bei der FDP) Restlaufzeit. Ihr Vorschlag schafft den fatalen Fehlanreiz, nur bis zur Sehr geehrte Damen und Herren, mit dem GKV-Be- Höhe des Freibetrags vorzusorgen. Meine Damen und triebsrentenfreibetragsgesetz wird die betriebliche Al- Herren, wir finden, das ist ein falsches Zeichen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16749

Christine Aschenberg-Dugnus (A) Was wir dringend benötigen, ist eine einfache, nach- (Beifall bei der LINKEN) (C) vollziehbare, transparente private Altersvorsorge. Der Entschließungsantrag, den wir eingebracht haben, hat so Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): eine einfache Regelung zum Inhalt: keine Krankenkas- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- senbeiträge bei der Auszahlung, wenn bereits in der An- ren! Die Misere begann im Jahr 2001, als SPD und Grüne sparphase Krankenversicherungsbeiträge abgeführt wor- das Niveau der gesetzlichen Rente in den Sinkflug den sind. schickten. Anschließend wurden die Menschen mit Steuervorteilen massiv in überwiegend selbstfinanzierte (Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie Betriebsrenten, Direktversicherungen und vor allem in bei Abgeordneten der AfD – Matthias W. schlechte Riester-Verträge gedrängt, um die Rentenlücke Birkwald [DIE LINKE]: Das ist aus unserem zu schließen. Antrag!) Und ohne jeden Vertrauensschutz haben dann Ulla Das bedeutet konkret: Diejenigen, die etwas verbeitragt Schmidt, SPD, und Horst Seehofer, CSU, ab 2004 Millio- eingezahlt haben, können sich darauf verlassen, dass sie nen von Versicherten fast 20 Prozent des Wertes ihrer am Ende nicht noch ein Fünftel ihrer Erträge abgezogen Direktversicherungen und Betriebsrenten wieder wegge- bekommen. Finanziert werden muss das selbstverständ- nommen. Völlig willkürlich wurde auf einmal der Kran- lich aus Steuermitteln und nicht auf dem Rücken der kenversicherungsbeitrag verdoppelt. Zwei Parteien GKV-Beitragszahler! stimmten damals gegen diesen Unsinn: die FDP und die Uns ist auch ganz wichtig, dass unser Vorschlag – im PDS – danke dafür! Gegensatz zu dem der Regierung – eben nicht diejenigen (Beifall bei der LINKEN und der FDP) benachteiligt, die mehr Vorsorge betreiben wollen. Für Sie – für die Regierung – ist die Doppelverbeitragung Von der Doppelverbeitragung sind sehr viele Men- bis 159 Euro der falsche Weg, bei allem, was darüber schen betroffen, die schon auf ihre Einzahlungen Kran- hinausgeht, aber komischerweise der richtige Weg – das kenkassenbeiträge gezahlt hatten und bei denen der Ar- erklären Sie mal den Menschen! Wir können es nicht. beitgeber keinen Cent dazubezahlt hat – von wegen Betriebsrente! Viele Betroffene sagen: Erst wurden wir (Beifall bei der FDP – Ralf Kapschack [SPD]: mit den Steuervorteilen angelockt und dann mit den vol- Das ist kein Wunder!) len Krankenkassenbeiträgen abgezockt. Ich kann gut ver- Ich muss noch einmal darauf hinweisen: Der Grund für stehen, dass sie sauer sind; denn ihr Geld wäre in vielen die bis heute anhaltende ungerechtfertigte Mehrfachver- Fällen auf dem Sparbuch besser aufgehoben gewesen. beitragung ist das im Jahr 2003 eingeführte GKV-Mo- Eine 21-jährige Frau nannte die Doppelverbeitragung in (B) (D) dernisierungsgesetz. Ich kann immer nur wiederholen: einer Mail mit Blick auf die Betriebsrente ihres Groß- Dieses Gesetz hat Rot-Grün eingeführt, die CDU/CSU vaters Unsinn – recht hat sie! hat zugestimmt. Die FDP-Fraktion hat damals als Einzige (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- nicht zugestimmt, neten der FDP) (Beifall bei der FDP – Alexander Krauß [CDU/ Viele Direktversicherungsgeschädigte wollen aber CSU]: Als Sie den Gesundheitsminister gestellt nicht länger zwei- oder dreimal Krankenversicherungs- haben, haben Sie nichts geändert!) beiträge zahlen. Darum hat Die Linke 2015, 2017 und 2018 insgesamt drei Anträge in den Bundestag einge- und das aus gutem Grund: Wir wussten, dass die Unge- bracht, um diesen Unsinn zu beenden. rechtigkeit vorprogrammiert ist, meine Damen und Her- ren. Nun ist die Koalition endlich aufgewacht: Ab kom- mendem Jahr werden viele Direktversicherte und Be- Was wir an dem Gesetzentwurf außerdem noch kriti- triebsrentner um rund 25 Euro im Monat entlastet, weil sieren, ist: Warum setzen Sie bei der Aufteilung der Ka- es zusätzlich zur Freigrenze einen Freibetrag von pitalauszahlung zehn Jahre als Berechnungsfrist an und 159,25 Euro geben wird. Damit werden die Krankenkas- nicht 20 Jahre? Auch das erklärt sich uns nicht. senbeiträge bei Betriebsrenten zwischen knapp 160 Euro Unser Vorschlag ist der richtige Schritt, die betriebli- und rund 318 Euro de facto halbiert. Ja, rund 25 Euro che Altersvorsorge tatsächlich einfach und verständlich mehr im Monat sind ein erster Schritt in die richtige Rich- zu stärken. Wir werden uns bei diesem Gesetz enthalten, tung, weil wir anerkennen, dass wenigstens eine kleine Entlas- (Beifall bei der LINKEN) tung darin enthalten ist. Ich danke Ihnen. Die anderen Anträge werden wir ablehnen. vor allem für Menschen mit kleinen Betriebsrenten und Direktversicherungen. Das ist ein Erfolg der Betroffenen, Vielen Dank. der Linken, der Gewerkschaften, der Sozialverbände und der Vernünftigen in Ihren Parteien. (Beifall bei der FDP) Das Problem ist damit aber höchstens zu 20 Prozent Vizepräsidentin Claudia Roth: gelöst. Wir Linken fordern: Vielen Dank, Christine Aschenberg-Dugnus. – Näch- Erstens. Die Entgeltumwandlung muss abgeschafft ster Redner: für die Fraktion Die Linke Matthias W. werden. Volle Beitragspflicht beim Ansparen und Bei- Birkwald. tragsfreiheit bei der Rentenauszahlung! 16750 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Matthias W. Birkwald (A) (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (C) Zweitens. Auf Direktversicherungen, die vor 2004 ab- Der allgemeine Freibetrag, der jetzt eingeführt wird, geschlossen wurden, wird gar kein Beitrag mehr erho- befriedet höchstens teilweise – Sie erreichen noch nicht ben – auch keiner für die Pflegeversicherung. mal, dass sozusagen der politische Protest aufhört – und belastet alle Beitragszahlerinnen und Beitragszahler in (Beifall bei der LINKEN – Markus Kurth der gesetzlichen Krankenversicherung – und genau auch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wer zahlt diejenigen, die überhaupt gar keine Betriebsrente haben. das?) Drittens. Betriebsrentnerinnen und -rentner und Di- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 5 Euro rektversicherte mit Renten oberhalb des Freibetrags soll- bei einem Durchschnittsverdienenden!) ten grundsätzlich nur den halben Beitragssatz zahlen Die Friseurin und die Kassiererin im Supermarkt zahlen müssen. also den Freibetrag mit, den ein möglicherweise früherer leitender Angestellter erhält, der weit entfernt von irgend- (Beifall bei der LINKEN) welchen Niedriglohn- oder Armutsproblemen ist. Das ist Viertens. Der Freibetrag muss auch für die Pflegever- nicht gerecht. sicherung gelten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Fünftens. Krankenkassenbeiträge für Kapitalauszah- lungen sollten auf 240 Monate gestreckt werden. Sie schaffen an der Stelle einfach auch neue Unge- rechtigkeiten, und es wird in Zukunft sogar eine Gruppe Dieses Maßnahmenpaket kostet Durchschnittsverdie- geben, die überhaupt gar keine Beiträge mehr zahlt – we- nende nur gut 5 Euro im Monat. der während der Einzahlungsphase noch während der Herr Minister Spahn, Die Linke hat gute Vorschläge Auszahlungsphase –, nämlich die Gruppe derjenigen – gemacht. Legen Sie nun bald den nächsten Gesetzentwurf das gilt ja jetzt für alle und nicht nur für diejenigen, die vor! Ich weiß, Sie schaffen das. vor 2004 aus eigener Tasche gezahlt haben –, die über die sogenannte beitragsfreie Entgeltumwandlung in die Be- Danke schön. triebsrente einzahlen, also während der Einzahlungsphase keine Sozialversicherungsbeiträge abführen – weder vom (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN) Arbeitgeber noch selbst. Diese wird in Zukunft in der Auszahlungsphase ebenfalls von diesem Freibetrag pro- Vizepräsidentin Claudia Roth: fitieren. Wie geht das denn, dass man weder während der Vielen Dank, Kollege Birkwald. – Keine Sorge, wir Einzahlungsphase noch während der Auszahlungsphase (B) (D) achten hier akribisch auf die Redezeiten, und beim nächs- Beiträge zahlt? Das ist doch vollkommen widersinnig und ten Redner werden wir das auch tun. – Der nächste Red- systematischer Unsinn! ner ist Markus Kurth für Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Man muss an der Stelle auch sagen: Das hat im Übrigen Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Sind Sie nicht nichts mit der Solidargemeinschaft zu tun. Diesen Griff in der hämische Zwischenrufer?) die Sozialkassen kennen wir von der Mütterrente und von der Arbeitslosenversicherung. Meine Damen und Herren Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): von der Union, ich sage Ihnen eines: Wenn es mit uns Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In noch mal zu Gesprächen über eine Regierungsbildung meiner ersten Wahlperiode – im Jahre 2004; ich glaube, kommen sollte es war auch Jens Spahns erste Wahlperiode; wir waren damals beide Mitglied im Ausschuss für Gesundheit – (Zurufe von der SPD: Oh!) habe ich dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz in der – könnte ja sein –, dann tun Sie eines nicht: Reden Sie Tat zugestimmt – Sie ebenfalls. nicht mehr von höchstens 40 Prozent Gesamtsozialver- (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Wir sicherungsbeitrag! Halten Sie da den Mund. Das haben nicht!) Sie hier selbst mit solchen Schritten ruiniert. Dabei ist uns etwas unterlaufen, was tatsächlich korrigiert (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – gehört: Diejenigen, die vor 2004 aus eigenen Nettogel- Alexander Krauß [CDU/CSU]: Dann sagen Sie dern, also bereits verbeitragten Geldern, ganz alleine eine doch, dass Sie an der Stelle keine Entlastung Betriebsrente angespart haben, sahen sich in der Auszah- wollen!) lungsphase mit den doppelten Beiträgen konfrontiert und mussten die entsprechenden Beiträge zahlen. Vizepräsidentin Claudia Roth: In der Tat: Für diese klar umrissene Gruppe müsste es Vielen Dank, Markus Kurth. – Nächster Redner: Jens eine Vertrauensschutzregelung geben. Ich habe auch kein Spahn für die Bundesregierung. Problem damit, zuzugeben, dass wir da was anders ma- chen müssen. Das Sinnvolle und Zielgenaue wäre gewe- (Beifall bei der CDU/CSU) sen, eine Antragslösung einzuführen, dass also genau die- se Gruppe auf Antrag hin keine Beiträge mehr zahlen Jens Spahn, Bundesminister für Gesundheit: muss. Das wäre sauber gewesen. Frau Präsidentin! Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16751

Bundesminister Jens Spahn (A) ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: triebliche Altersvorsorge, aber es geht auch um Vertrauen (C) Herr Spahn will ja gar nicht mit uns koalieren!) in die Entscheidungskraft und in den Entscheidungswil- – Bitte? len der Bundesregierung; auch das ist mir sehr, sehr be- wusst. CDU/CSU und SPD als die diese Koalition tragen- (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: den Parteien haben nämlich jeweils entschieden und „Hauptgegner“!) beschlossen, dass sie an dem heutigen Zustand etwas ver- ändern wollen, und ich finde, es reicht nicht, nur auf – „Haupt“ nicht; so viel Ehre wollte ich dem Ganzen auch Parteitagen etwas zu beschließen, sondern das muss dann nicht geben. eben auch gemeinsam zügig umgesetzt und ins Gesetzes- (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: blatt gebracht werden. Das tun wir mit diesem Gesetzent- Steht aber in Ihrem Interview!) wurf. Unabhängig davon, Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- und Kollegen, glaube ich, der politische Wettbewerb ordneten der SPD) schadet nicht. Deswegen war es mir eben auch wichtig, es zügig zu (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE machen, nachdem wir uns vor wenigen Wochen darauf GRÜNEN]: Wenn er so teuer ist, dann muss geeinigt hatten, dass wir es jetzt in dieser Koalition tat- man mal darüber nachdenken!) sächlich angehen, das zum 1. Januar 2020 im wahrsten Sinne des Wortes spürbar zu machen – im Sinne von ge- Ich glaube, wenn Menschen zur Wahl gehen, wollen Sie ringeren Beiträgen für die Betriebsrentnerinnen und Be- auch eine Auswahl haben, und deswegen schadet es nicht, triebsrentner. wenn man ab und zu auch mal einen Unterschied merkt. Frau Lemke, ich glaube, zwischen Ihnen und mir – bei Und, ja, etwa ein Drittel der Betriebsrentnerinnen und aller Wertschätzung im Persönlichen – gibt es halt ein Betriebsrentner zahlt weiterhin keinen Beitrag zur gesetz- paar inhaltliche Unterschiede. lichen Krankenversicherung; das sind diejenigen, die heute schon unter der Freigrenze liegen. Ein weiteres (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Drittel wird maximal den halben Beitragssatz zahlen; Ich bin mir da ganz sicher!) die allermeisten deutlich weniger als den halben Beitrags- satz. Das muss doch auch gar nicht schlimm sein. Deswegen kann man ja trotzdem eine gute Debatte miteinander füh- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die ren, und man muss auch nicht immer alles irgendwie Quoten zweifel ich an! Die Zahlen sind fünf (B) gleichmachen, sondern es ist gut, auch Unterschiede raus- Jahre alt! Das kriegt ihr nie auf 60 Prozent!) (D) zuarbeiten. Ich glaube, es tut dem politischen Betrieb und übrigens auch der Akzeptanz von Politik insgesamt gut, Herr Kurth sagte gerade, das sei doch nur ein kleiner wenn man Unterschiede merkt – auch in der Debatte. Unterschied. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: neten der AfD – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/ Hat er nicht gesagt! Bewusste Falschinterpre- DIE GRÜNEN]: Da müssen Sie in der Klima- tation!) politik nicht viel für tun!) – Doch, hat er wohl gesagt. – Nein, damit ist im Kern den Jetzt aber zum eigentlichen Punkt. Ich glaube, es gibt über 60 Prozent, die bisher den vollen Beitragssatz zahlen ein Thema, bei dem den allermeisten Kolleginnen und mussten, geholfen. Kollegen in ihren Wahlkreisen nicht Unterschiedliches, sondern sehr Ähnliches widerfährt. Wir alle haben näm- (Alexander Krauß [CDU/CSU]: Richtig!) lich in den letzten Jahren in vielen Gesprächen mit Bür- Das nächste Thema: Ja, wir haben ein weiteres Drittel, gerinnen und Bürgern erlebt, dass dort viel Wut, viel Frust für die es dann nicht der halbe Beitragssatz, sondern mehr und viel Vertrauensverlust ist: zum einen bei denjenigen, ist. Aber auch diese haben immerhin noch eine Entlastung die sich heute und in den vergangenen Jahren als Be- um 300 Euro im Jahr. Ich finde – auch mit Blick auf die triebsrentner durch das, was geregelt worden ist, be- Maßnahmen, die wir hier sonst miteinander vereinbaren –, schwert und vielfach betrogen fühlten und fühlen – das eine Entlastung bzw. Verbesserung um 300 Euro im Jahr ist gerade schon dargestellt worden; insbesondere für die ist durchaus eine spürbare Summe. Bezieher mittlerer Betriebsrenten ist dieser finanzielle Beitrag spürbar –, und zum anderen – und das ist für mich (Beifall bei der CDU/CSU) mindestens genauso wichtig – bei möglichen, potenziel- len künftigen Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentnern, Ich kenne das ja: Warum nicht mehr? Klar kann man jungen Menschen, die vor der Frage stehen: Lohnt es sich die Frage stellen, warum es nicht mehr an Entlastung als überhaupt, einen Vertrag zur betrieblichen Altersvorsorge diese 1,2 Milliarden Euro gibt. Es ist aber doch bezeich- abzuschließen? Debatten über dieses Thema hat jeder von nend genug, dass bei diesem Thema FDP und PDS, wie uns Abgeordneten in den letzten Jahren nicht nur hier, Sie so schön gesagt haben – die Linkspartei –, gemeinsam sondern vor allem auch vor Ort erlebt. klatschen. Es geht im Kern um Vertrauen, um Vertrauen in den (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Links- Staat, in die Entscheidungen des Staates und in die be- partei und PDS gibt es nicht mehr! Die Linke!) 16752 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Bundesminister Jens Spahn (A) Sie machen hier nämlich einen Wettbewerb miteinander, (Beifall bei der SPD) (C) wer allen mehr verspricht, ohne jemals zu sagen, wie das bezahlt werden muss. Ralf Kapschack (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der CDU/CSU – Christine Vor ein paar Monaten schien es noch ausgeschlossen, Aschenberg-Dugnus [FDP]: So ein Quatsch!) dass wir bei diesem Thema etwas hinbekommen; denn Sie machen typische Oppositionsarbeit: Wir versprechen es gibt dazu keine Vereinbarung im Koalitionsvertrag. allen alles, aber wir erklären niemandem, wer das bezah- Der ein oder andere erinnert sich auch an das kategorische len muss. Nein der Bundeskanzlerin. Jetzt haben wir einen großen Schritt vereinbart, der viele Betriebsrentner deutlich ent- (Beifall bei der CDU/CSU – Christine lastet, und das ist gut so. Aschenberg-Dugnus [FDP]: Wir haben davor gewarnt! Das ist doch Quatsch!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Den Teil vergessen Sie dann immer. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten Sie haben fünf schöne Punkte aufgezählt, Herr steht die gesetzliche Rente im Mittelpunkt der Altersver- Birkwald; den sechsten Punkt haben Sie leider vergessen, sorgung, und die beste Ergänzung dazu ist die betrieb- liche Altersversorgung; deshalb wollen wir sie attraktiver (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Steht in un- machen. Das haben wir bereits in der vergangenen Wahl- serem Antrag!) periode mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz gemacht. dass das nämlich am Ende entweder Steuerzahler oder Ich erinnere an den Freibetrag in der Grundsicherung und Beitragszahler finanzieren müssen. an den BAV-Förderbetrag. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist Aber es gibt nach wie vor einen großen Hemmschuh, nicht wahr! Ich habe gesagt: 5 Euro für den der die Attraktivität von Betriebsrenten schmälert, und Durchschnittsverdiener!) das ist die volle Verbeitragung. Derzeit werden Betriebs- renten, die über 155,75 Euro liegen, um knapp ein Fünftel Deswegen: Es geht um einen sauberen Ausgleich von gekürzt. Unser Ziel – ich will das noch mal sagen, und Interessen, und genau das machen wir mit diesem Gesetz- auch deutlich sagen – war der halbe Beitrag, so wie wir entwurf. ihn auch aus der gesetzlichen Rente kennen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE (B) Denn es geht zum Ersten vor allem auch um Fairness LINKE]) (D) innerhalb der Beitragszahler heute. Es ist ein Grund- Als einen ersten Schritt haben wir zusätzlich gefordert, prinzip der gesetzlichen Krankenversicherung, dass hö- einen Freibetrag einzuführen; denn davon profitieren vor here Einkommen in den Aufwendungen auch mehr zur allem kleine und mittlere Betriebsrenten. Diesen ersten gesetzlichen Krankenversicherung beitragen. Ich dachte Schritt gehen wir jetzt mit dem Gesetz, das wir heute immer, dass höhere Betriebsrenten ein Stück mehr bei- beschließen. tragen als kleinere oder mittlere Betriebsrenten, wäre ein Grundprinzip, das Sie richtig finden. (Beifall bei der SPD) Zum Zweiten geht es auch um Fairness zwischen den Mit dem Freibetrag, der jährlich angepasst wird, errei- Generationen. Ich dachte, auch das ist ein Prinzip, das chen wir das Ziel des halben Beitrags für circa 60 Prozent Ihnen immer so wichtig war, wenn es um die Frage geht: der Betriebsrenten. Das ist schon mehrfach gesagt wor- Wer trägt eigentlich welchen Beitrag zu den Aufwendun- den; aber ich glaube, man muss das noch mal unterstrei- gen der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt? chen. Aber auch die restlichen 40 Prozent profitieren; denn der Freibetrag wird immer beitragsfrei bleiben. Des- Deswegen ist das ein in sich ausgewogenes Paket, halb wirkt der Freibetrag auch bei Einmalzahlung. Das ist aus unserer Sicht ein großer Schritt, und deshalb können (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Nein, wir diesen Kompromiss auch gut vertreten. leider nicht!) Es gab in der Union lange das Argument: Am besten ein zügig umgesetztes und damit aus meiner Sicht ein machen wir gar nichts bei diesem Thema; denn wir kön- entscheidungs- und zustimmungsfähiges Paket. nen nicht alle zufriedenstellen. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Max Nur falsch finanziert!) Straubinger!) Darum bitte ich Sie heute um Zustimmung für dieses Wenn wir diese Argumentation zur Leitlinie unseres po- Gesetz. litischen Handelns machen, dann können wir eigentlich relativ wenig machen; denn alle zufriedenstellen werden (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) wir relativ selten. Es ist gut, dass die Union ihren Wider- stand aufgegeben hat. Das, was jetzt zur Verabschiedung Vizepräsidentin Claudia Roth: ansteht, ist der Kompromiss, das ist das, was jetzt möglich Vielen Dank, Jens Spahn. – Nächster Redner: für die ist. Das heißt natürlich nicht, dass wir das Nachdenken SPD-Fraktion Ralf Kapschack. einstellen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16753

Ralf Kapschack (A) Die Direktversicherten sind mit dem Kompromiss und rund 40 Prozent haben künftig weniger Ausgaben für (C) nicht zufrieden; das kann ich nach der Vorgeschichte, die Krankenversicherung bei der Auszahlung ihrer Be- die zur Doppelverbeitragung geführt hat, auch nachvoll- triebsrente. Diejenigen, deren Betriebsrenten oberhalb ziehen. Was ich allerdings nicht nachvollziehen kann und des Freibetrags von 160 Euro liegen, werden ab 2020 auch nicht akzeptiere – das will ich an dieser Stelle auch mit rund 300 Euro im Jahr entlastet. Im Vergleich zu sagen –, ist der Ton, in dem viele der Direktversiche- anderen Maßnahmen ist das schon was. Es ist ein gutes rungsgeschädigten uns alle, vermutlich täglich, angehen. Gesetz, das wir hier auf den Weg bringen, und es spiegelt Das finde ich nicht akzeptabel. auch die Ungerechtigkeit wider, die empfunden wird, gibt eine Antwort darauf, dass rückwirkend die Spielregeln (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem geändert wurden, damit Menschen, die während ihres BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Arbeits- und Erwerbslebens auf Konsum verzichtet ha- Wir haben jetzt etwas auf den Weg gebracht, das nicht ben, bei der Auszahlung nicht noch doppelt gestraft sind. alle zufriedenstellt – okay –, das aber einen Großteil der Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentner deutlich bes- Es stärkt aber auch die betriebliche Altersversorgung serstellt. Einer der Sachverständigen hat es bei der Anhö- für die Zukunft. Es ist also ein ganz klares Signal, dass wir rung am Montag auf den Punkt gebracht: Es ist keine als Politik Vertrauen zurückgewinnen wollen. Deswegen perfekte Lösung; es ist ein pragmatischer Kompromiss. – gilt mein Dank unserem Gesundheitsminister Jens Spahn, Ich hoffe, dass zumindest Teile der Opposition diesem der hier wirklich was Gutes auf den Weg gebracht hat, guten Vorschlag auch zustimmen. aber auch den Kollegen Carsten Linnemann und Ralf Kapschack. Wir haben auch vonseiten der Mittelstands- Herzlichen Dank. union der CSU in Bayern beim Parteitag Anträge einge- bracht. Es ist ganz klar nicht nur ein Interesse der Arbeit- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) nehmer, hier etwas zu verbessern, sondern auch der Arbeitgeber; denn der Mittelstand bei uns daheim, die Vizepräsidentin Claudia Roth: Unternehmer haben ein Interesse daran, dass die Beschäf- Vielen Dank, Ralf Kapschack. – Letzte Rednerin in tigten, die für sie gearbeitet haben, im Alter auch eine dieser Debatte: Emmi Zeulner für die CDU/CSU-Frak- gute Versorgung haben. tion. Zum Schluss möchte ich sagen: Die FDP hat im Wahl- (Beifall bei der CDU/CSU) kampf getitelt mit „Mehr Mut“. Deswegen finde ich es erneut ganz, ganz schade, dass Sie diesen Mut bei den Emmi Zeulner (CDU/CSU): Koalitionsverhandlungen zu Beginn der Legislatur nicht (B) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und bewiesen haben. (D) Kolleginnen! Frau Präsidentin, Sie stellen mich mit zwei Minuten Redezeit vor große Herausforderungen, aber ich (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das werde es versuchen zu meistern. können wir langsam nicht mehr hören! – Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Da haben Sie leider nicht gewollt!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Daran sind aber Ihre Kollegen schuld. Es gilt für den Soli, aber es gilt auch hier bei der Ab- schaffung der Doppelverbeitragung. Emmi Zeulner (CDU/CSU): Es war 2017, als mich in Königsfeld in meiner Heimat Vizepräsidentin Claudia Roth: jemand angesprochen und gesagt hat: Emmi, bei den Di- Frau Kollegin. rektversicherungen, bei den Betriebsrenten, da liegt was im Argen. Hör dich mal um! Was ist denn da die Stim- mung bei euch in der Fraktion? – Wie der Minister schon Emmi Zeulner (CDU/CSU): angesprochen hat, geht es ganz vielen Kollegen so. Die- Und dass die Grünen heute nicht zustimmen, obwohl ses Thema stand auf der Agenda und hat uns bewegt. sie damals maßgeblich Verantwortung getragen haben, finde ich einfach schlechten Stil. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da hat- ten wir schon zwei Anträge dazu eingebracht! (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ralf Guten Morgen!) Kapschack [SPD]) Deswegen bin ich froh, dass wir heute einen entsprech- enden Gesetzentwurf auf den Weg bringen, um diese klaf- Vizepräsidentin Claudia Roth: fende Wunde, die bei den Betroffenen vorhanden ist, Frau Kollegin. wirklich zu schließen, eine Antwort zu geben und zukünf- tig die Betriebsrentner signifikant zu entlasten. Zukünftig werden 60 Prozent maximal nur noch die Emmi Zeulner (CDU/CSU): Hälfte vom Krankenversicherungsbeitrag zahlen, Deswegen bin ich froh, dass wir das hier für die Union und die SPD gemeinsam machen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die 60 Prozent werdet ihr nicht schaffen!) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) 16754 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

(A) Vizepräsidentin Claudia Roth: Tagesordnungspunkt 9 b. Der Ausschuss für Gesund- (C) Vielen Dank, Emmi Zeulner. – Damit schließe ich die heit empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussemp- Aussprache. fehlung auf Drucksache 19/15877 die Ablehnung des An- trags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/242 mit Wir kommen zur Abstimmung. Tagesordnungs- dem Titel „Gerechte Krankenversicherungsbeiträge für punkt 9 a. Betriebsrenten – Doppelverbeitragung abschaffen“. Wer Zur Abstimmung liegt uns eine Erklärung nach § 31 stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt Absatz 1 unserer Geschäftsordnung vor.1) dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben die Fraktionen von Es geht um die Abstimmung über den von den Frak- SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und FDP. Da- tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Ge- gegengestimmt hat die Fraktion der Linken, und enthalten setzentwurf zur Einführung eines Freibetrages in der ge- hat sich die AfD-Fraktion. setzlichen Krankenversicherung zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt unter Buch- der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/15436 mit dem stabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/ Titel „Doppelverbeitragung konsequent beenden – Ver- 15877, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU sicherte entlasten“. Wer stimmt für diese Beschlussemp- und SPD auf Drucksache 19/15438 in der Ausschussfas- fehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – sung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz- Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt entwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, jetzt haben die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP. Da- um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- gegengestimmt hat die Fraktion der Linken, und enthalten hält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Bera- haben sich die Fraktionen von AfD und Bündnis 90/Die tung angenommen. Zugestimmt haben die Fraktionen der Grünen. Linken, der SPD, der CDU/CSU. Dagegengestimmt hat niemand. Enthalten haben sich die Fraktionen der AfD, Tagesordnungspunkt 9 c. Interfraktionell wird Über- der FDP und Bündnis 90/Die Grünen. weisung der Vorlage auf Drucksache 19/15788 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla- Dritte Beratung gen. Gibt es weitere Überweisungsvorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir wie vorgeschlagen. und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Dann danke ich Ihnen. Bis später heute Abend! Ich Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz- übergebe an meinen Kollegen. (B) entwurf ist angenommen. Zugestimmt haben die Fraktio- (D) nen von CDU/CSU, SPD und Linken. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (Beifall des Abg. Ralf Kapschack [SPD]) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf: Dagegengestimmt hat keine Fraktion. Enthalten haben Beratung des Antrags der Abgeordneten sich die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, FDP Johannes Vogel (Olpe), Michael Theurer, und AfD. Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- der Fraktion der FDP ßungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache Fairness für Selbstständige – Statusfeststel- 19/15889. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – lungsverfahren reformieren, Altersvorsorge Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Ent- ermöglichen, Kranken- und Arbeitslosenversi- schließungsantrag ist abgelehnt. Zugestimmt haben die cherung öffnen Fraktionen der FDP und der AfD. Dagegengestimmt ha- ben die Fraktionen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/ Drucksache 19/15232 Die Grünen. Enthalten hat sich die Fraktion der Linken. Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Wir setzen die Abstimmungen zu der Beschlussemp- Ausschuss Digitale Agenda fehlung des Ausschusses für Gesundheit auf Drucksache 19/15877 fort. Es sind 30 Minuten Aussprache beschlossen. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Be- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege schlussempfehlung, den gleichlautenden Gesetzentwurf Johannes Vogel von der FDP-Fraktion. der Bundesregierung auf Drucksache 19/15659 für erle- (Beifall bei der FDP) digt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- lung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Johannes Vogel (Olpe) (FDP): Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben die Fraktionen der Linken, der SPD, Bündnis 90/ Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grünen, CDU/CSU und FDP. Dagegengestimmt hat Letzte Sitzungswoche war ich auf einem Podium beim die Fraktion der AfD. Selbstständigentag 2019. (Dr. [CDU/CSU]: Anstatt in 1) Anlage 7 der Sitzung zu sein!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16755

Johannes Vogel (Olpe) (A) Ein Kollege der Koalition wurde dort gefragt, warum aus (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Jörn König (C) seiner Sicht die Gründungsquote in Deutschland eigent- [AfD] – Gabriele Katzmarek [SPD]: Mir kom- lich immer weiter sinke. Seine ernstgemeinte Antwort men die Tränen!) war: Weil der Arbeitsmarkt brummt und jede und jeder jetzt eine gute Anstellung findet; da will sich niemand Deshalb schlagen wir Freie Demokraten hier eine kon- selbstständig machen. krete Agenda für Selbstständigkeit vor. Ich nenne drei Beispiele: Liebe Kolleginnen und Kollegen, da steckt eine ganze Menge drin. Selbstständige sind aber keine Erwerbstäti- Erstens: ein modernes Statusfeststellungsverfahren. gen zweiter Klasse. Das klingt megakompliziert, und das Problem ist: Genau das ist es heute auch. Es ist bürokratisch, unzuverlässig, (Beifall bei der FDP) schwer kalkulierbar Ich habe zu oft bei den Debatten hier im Haus das Gefühl, (Dr. Martin Rosemann [SPD]: Gucken Sie mal dass große Teile immer noch von einer vermeintlichen in den Koalitionsvertrag!) Norm geprägt sind, nämlich Vollzeit, sozialversiche- rungspflichtig angestellt, nicht Zeitarbeit. Alles, was und schon in der Theorie grotesk; denn heute kann Selb- nicht dieser Norm entspricht, ist dann ganz schnell aty- ständigkeit in Deutschland rechtlich gesehen nur festge- pisch, und aus atypisch wird dann in der politischen De- stellt werden, indem man beweist, dass man nicht ange- batte ganz schnell prekär. stellt ist. Das ist doch absurd, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Dr. Martin Rosemann [SPD]: Bei Ihnen viel- leicht! Bei uns nicht!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Das hat aber mit der Realität von Selbstständigen und der AfD – Dr. Martin Rosemann [SPD]: Dann Freelancern in diesem Land nichts zu tun. gehen wir den Koalitionsvertrag durch!) (Beifall bei der FDP) Da brauchen wir ein modernes, digitales und eben ver- lässliches Verfahren. In Großbritannien gibt es ein On- Ein positives Bild von Selbstständigkeit? Fehlanzeige! linetool, mit dem man in 10 Minuten unbürokratisch fest- Das wollen wir heute ändern. stellen kann, dass man selbstständig ist. Wenn die Briten (Dr. Martin Rosemann [SPD]: Na gut!) das schaffen, dann schaffen wir das in Deutschland doch auch. Lassen Sie uns doch die Chancen der modernen Ar- beitswelt endlich mutig umarmen! Das betrifft ja nicht (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Martin (B) (D) nur das Thema Selbstständigkeit. Wo bleiben denn das Hebner [AfD] – Dr. Matthias Zimmer [CDU/ moderne Arbeitszeitgesetz und der Rechtsrahmen für CSU]: Die kriegen ja noch nicht mal den Brexit Homeoffice und mobiles Arbeiten, liebe Kolleginnen hin!) und Kollegen von der Koalition? Zweitens: echte Wahlfreiheit bei der Altersvorsorge. (Beifall bei der FDP) Selbstständige sorgen schon heute weit überwiegend gut für das Alter vor, und das sollen künftig alle. Aber Wo ist der Sozialstaat, der zur modernen Arbeitswelt was planen CDU, SPD, Grüne und Linke? Sie wollen eine passt und zum Beispiel auch Zickzacklebensläufe, das Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversiche- heißt den Wechsel von einer Anstellung in die Selbstän- rung, mit ein bis zwei Ausnahmen. digkeit und Gründung zurück in die Anstellung, einfacher macht? Fehlanzeige, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Nicht die Menschen in unserem Land sind zu vielfältig, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE sondern die Regeln sind zu starr. Das müssen wir ver- GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LIN- ändern, liebe Kolleginnen und Kollegen. KE]: Gute Idee! – Weiterer Zuruf von der LIN- KEN: Sehr gut! Bravo! – Matthias W. Birkwald (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten [DIE LINKE]: Dich wollen wir da auch drin der AfD) haben, Johannes!) Und wo sind die Maßnahmen für eine neue Gründ- erzeit und eine Kultur der Selbstständigkeit? Es ist doch – Ja, da klatschen Sie. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Frage der Selbstbestimmung, dass die Menschen frei Selbstständige entscheiden so viele Fragen in unterneh- entscheiden wollen, merischer Freiheit selbst; sie können auch selbst entschei- den, wie sie fürs Alter vorsorgen. Deshalb brauchen wir (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Können sie Wahlfreiheit. doch!) (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Jörn König wann, von wo und wie sie arbeiten. Das ist aber auch eine [AfD] – Zuruf von der FDP: So ist es! – Frage der Innovationskraft unserer Gesellschaft. Umfra- Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Auch gen zeigen, dass heute schon Firmen in diesem Land we- Bundestagsabgeordnete in die Rentenversiche- gen der Rechtsunsicherheit davon absehen, IT-Freelancer rung! – Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE] zu beschäftigen. Da müssen wir endlich aufhören, den meldet sich zu einer Zwischenfrage]) Menschen Steine in den Weg zu legen, liebe Kolleginnen und Kollegen. – Ich nehme gern eine Zwischenfrage an, Herr Präsident. 16756 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

(A) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Fällen höhere Beiträge zahlen müssen als identisch ver- (C) Wenn Sie eine zulassen, dann soll sie gestellt werden. – dienende Angestellte? Lieber Kollege Dehm. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Deswe- gen wollen wir ja auch eine solidarische Bür- Johannes Vogel (Olpe) (FDP): gerversicherung!) Er hat sich gemeldet. Wir müssen doch alle Erwerbsformen materiell gleich- behandeln, Herr Kollege. Das können wir gerne schaffen. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Aber dann müssen wir die Schlechterbehandlung an ganz Natürlich. vielen anderen Stellen in der Sozialversicherung endlich beenden. Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Das klingt genau nach dem unerbittlichen Freiheitsbe- (Beifall bei der FDP) griff der FDP. Haben Sie mal erlebt, wie es Solo-Selbst- Das sind drei Eckpunkte unserer Agenda für Selbst- ständigen geht, wenn sie nach einer gewissen Zeit mer- ständigkeit. Das ist der Beitrag, den wir als Arbeitsmarkt- ken, dass sie kein Geld in der Alterssicherung haben? und Sozialpolitiker ganz konkret für eine neue Kultur der Haben Sie mal erlebt, was es heißt, wenn man – das trifft Selbstständigkeit leisten können. Uns als Freien Demo- auf jede Selbstständigentätigkeit zu, auch auf das Hand- kraten ist ganz egal, wie jemand selbstständig ist. Ob das werk – nur eine Krankheit von der Armutsgrenze entfernt die wachstumsorientierte Start-up-Gründerin ist, ob das ist? Ich meine, wovon reden Sie? Sie reden von Unter- der gemeinwohlorientierte Social Entrepreneur ist oder nehmern, die so erfolgreich sind, dass sie es sich leisten die Freelancerin mit einer genialen Produktidee oder ei- können, FDP zu wählen; aber ich glaube, der Großteil der ner besonderen Fähigkeit: Selbstständigen braucht den Rest des demokratischen Hauses. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit der Paketbranche?) (Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) Sie alle sollen Möglichkeiten haben. Von der Politik brau- chen sie dafür endlich Fairness und eine Politik, die die Johannes Vogel (Olpe) (FDP): moderne Arbeitswelt und ihre Lebensrealität versteht. „Unerbittliche Freiheit“, das ist schon eine ganz be- Dafür stimmen Sie gerne unserem Antrag zu, liebe Kol- merkenswerte Aussage, lieber Herr Kollege Dehm von leginnen und Kollegen! (B) den Linken. Reden wir doch mal über die Realität! Wir (Beifall bei der FDP – [SPD]: (D) wollen ja, dass es eine Pflicht zur Vorsorge gibt; da ist sich Nee, ganz sicher nicht!) das Haus weitestgehend einig. Aber die Frage ist doch: Ist es bei der Gruppe der Selbstständigen, die so vielfältig ist, richtig, vorzuschreiben, auf welchem Weg das passieren Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: soll? Vielen Dank, Kollege Vogel. – Der nächste Redner ist Wilfried Oellers von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD – Zuruf des Abg. Dr. Martin (Beifall bei der CDU/CSU) Rosemann [SPD]) Und ist es auf der anderen Seite noch zeitgemäß – um das Wilfried Oellers (CDU/CSU): klar zu beantworten, Herr Kollege –, dass wir gleichzeitig Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- Selbstständigen zum Beispiel verbieten, zu riestern? nen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Her- ren Zuhörer! Wir beraten heute einen Antrag der FDP zur (Dr. Martin Rosemann [SPD]: Aber Riester ist Selbstständigkeit mit dem Titel „Fairness für Selbststän- doch kein Ersatz! Das ist doch eine Ergän- dige – Statusfeststellungsverfahren reformieren, Alters- zung!) vorsorge ermöglichen, Kranken- und Arbeitslosenversi- Deswegen kann man heute, wenn man von der Anstellung cherung öffnen“. Ich teile die Auffassung, dass gerade bei in die Selbstständigkeit wechselt, oft seine Altersvorsorge den Solo-Selbstständigen in jüngster Vergangenheit si- nicht mitnehmen. Das ist doch absurd! cherlich eher Unsicherheit entstanden ist oder in der Ver- gangenheit Unsicherheit bestand im Hinblick auf die Fra- (Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Matthias ge: Sind sie wirklich Selbstständige, oder sind sie W. Birkwald [DIE LINKE]) Arbeitnehmer? Drittens und letztens, Herr Kollege Dehm: Ist es Da bin ich auch schon beim Statusfeststellungsverfah- eigentlich noch zeitgemäß – ein weiteres Beispiel dafür, ren, Herr Kollege Vogel, das Sie angesprochen haben. Da dass wir Selbstständige in diesem Land schlechter behan- haben wir in der Tat eine Problemlage. Ich schicke aller- deln –, dings gleich vorweg, dass wir sie im Koalitionsvertrag erwähnt haben und auch an Lösungen arbeiten. Ja, Sie (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Nein!) kommen mit dem Antrag etwas früher als wir mit unseren dass Selbstständige, wenn sie sich freiwillig für die ge- Ausarbeitungen. Das hat aber auch damit zu tun, dass das setzliche Krankenversicherung entscheiden, in vielen Verfahren sehr kompliziert und sehr komplex ist. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16757

Wilfried Oellers (A) Sie kommen jetzt daher und sagen: Dann muss man Ergebnis. Das heißt, Kriterienkataloge helfen dabei in (C) einfach mal entscheiden, und dann ist das eben so; man meinen Augen nicht weiter. kann ja auch vorab entscheiden. – Sie schreiben in den Antrag hinein: Wir können das, wenn das einmal festge- Sie fordern, künftig den Status nach einem Feststell- stellt worden ist, ja einfach unbefristet für die Zukunft ungsverfahren zeitlich unbefristet aussprechen zu können festmachen. – Nein, so geht es nicht. Es geht deswegen und nur bei wesentlichen Abweichungen der Umstände nicht, weil wir akzeptieren müssen, dass wir die Frage, ob eine Änderung vorzunehmen. Das ist, wie ich eben schon jemand sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist oder gesagt habe, zu kurz gesprungen, weil man sich immer nicht und sich damit in einem Arbeitnehmerverhältnis separat das Verhältnis anschauen muss, man muss erfas- befindet oder selbstständig ist, leider Gottes meistens erst sen, wie es tatsächlich gelebt wird, und das können wir im Nachhinein beantworten können. Erst dann können erst im Nachhinein. wir sagen, wie das Vertragsverhältnis tatsächlich gelebt Ich will einen weiteren Vorschlag aufgreifen; Sie sag- worden ist. Das ist genau das Problem, vor dem wir ste- ten: Man braucht eine neutrale Stellung. – Dem kann ich hen. einiges abgewinnen, vor allen Dingen weil wir im medi- zinischen Bereich, im Medizinischen Dienst, hingegan- Rechtssicherheit – da bin ich mit Ihnen sofort einer gen sind, das in eine Anstalt des öffentlichen Rechts zu Meinung – wünsche ich mir in diesem Punkt auf jeden überführen. Natürlich kommt man damit dem Vorwurf, in Fall. eigener Sache zu entscheiden, etwas entgegen; aber an (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Positivkrite- der Stelle muss man aufpassen. rien!) Zunächst einmal ist wichtig, mehr Personal in diesen Ich würde viel dafür tun. Wir tun auch alles dafür, mehr Stellen zu bekommen. Rechtssicherheit herzustellen. Nur: Mit den von Ihnen (Martin Hebner [AfD]: Warum nicht mehr vorgeschlagenen Maßnahmen wird das in meinen Augen Beamte? Wir brauchen eine klare Regelung!) nicht ganz funktionieren. Für die Verfahrensbeschleunigung muss nicht nur mehr Ich nehme das Beispiel Positivkatalog, den Sie ange- Personal in diese Clearingstellen kommen, sondern auch sprochen haben. Sie erinnern sich vielleicht noch an die die Möglichkeit einer mündlichen Anhörung im Verfah- Zeit um 2002, 2003. Damals hat die rot-grüne Bundesre- ren eröffnet werden; denn nur nach reiner Faktenlage zu gierung versucht, das Thema Scheinselbstständigkeit entscheiden, wird den Tatsachen nicht gerecht. Dazu ge- besser in den Griff zu bekommen; so wurde ein Krite- hört auch eine mündliche Anhörung. Und vor allen Din- rienkatalog in den § 7 SGB IV eingeführt. Man hat den gen: Wenn die Clearingstellen einmal entschieden haben, (B) Kriterienkatalog nachher wieder aus dem Gesetz genom- dann sollte diese Entscheidung für alle Sozialversiche- (D) men, weil er nicht funktioniert hat. Warum nicht? Weil rungsträger gelten, sodass nicht jede Versicherung neu gerade die Kriterien, die man eingeführt hat, wiederum zu entscheiden kann; denn das führt auch zu mehr Unsicher- mehr Rechtsunsicherheit führten und mehr Auslegungs- heit. möglichkeiten bestanden. Letztes Beispiel – ich komme zum Schluss, Herr Präsi- Deswegen halte ich, ehrlich gesagt, einen schlanken dent – ist, dass auch Betriebsprüfungen, die beanstan- Katalog für besser, der vor allen Dingen auf eine Vielzahl dungsfrei gelaufen sind, durchaus zur Rechtssicherheit von Lebensverhältnissen angewandt werden kann. Natür- beitragen können. Man könnte sagen: Bis jetzt ist alles lich muss das durch die Rechtsprechung entsprechend gut gelaufen und weiter in die Vergangenheit gehen wir ausgelegt werden. Manche sagen: Man kann das doch nicht, auch wenn das ein wirtschaftliches Risiko birgt. nicht der Rechtsprechung überlassen. – Doch, dafür ist die Rechtsprechung in meinen Augen da. Gerade die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass einige Entschei- Wir nehmen den Antrag gerne zur Kenntnis, werden dungen des Bundessozialgerichtes gezielt dazu geführt ihn mit beraten. Aber an den Vorschlägen als solche muss haben, dass mehr Rechtssicherheit entstand und Fälle ent- man noch ein bisschen arbeiten. schieden werden konnten. Deswegen wird – egal ob wir den Kriterienkatalog positiv oder negativ nennen – dieser Danke schön. keine Lösung sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Ich nenne ein Beispiel. Wir haben in der letzten Legis- ordneten der SPD) laturperiode den § 611a BGB eingeführt, den Arbeitneh- merbegriff. Da war auch die Frage: Was ist eigentlich ein Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Arbeitsvertrag, und was ist Selbstständigkeit? Damals Für die AfD-Fraktion hat das Wort der Kollege Martin gab es eine Diskussion über einen Kriterienkatalog, mit Hebner. dem man versuchte, das voneinander abzugrenzen. Wenn man sich diesen Kriterienkatalog nahm und ihn auf die (Beifall bei der AfD) Rechtsprechung projizierte, dann kam man zu dem Er- gebnis, dass in einem Fall fünf Kriterien aus dem Katalog Martin Hebner (AfD): erfüllt waren, ein Kriterium jedoch nicht. Jetzt hätte man Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr sagen müssen: „Dann hätte es ein Arbeitsverhältnis sein Oellers, man muss jetzt ganz klar sagen: Das war ja schon müssen“; aber die Rechtsprechung kam zu einem anderen fast peinlich. – Denn Sie haben gerade klar gesagt: Hier 16758 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Martin Hebner (A) sind Unsicherheiten entstanden. – Bitte schön, wenn Sie bis fünf Jahre rückwirkend mit entsprechenden Zahlun- (C) das erkennen, warum regeln Sie das nicht? gen. Diese Unsicherheit – das ist nicht nur Unsicherheit, das ist eine komplette Rechtsunsicherheit und Verunsi- (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf der cherung – der Personen, die unsere Wirtschaft am Laufen Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/ halten, ist untragbar. DIE GRÜNEN]) Ich will Ihnen jetzt noch ganz klar sagen: Ich gehe Ich meine, wir haben ja komplettes Verständnis dafür, davon aus, dass Sie wahrscheinlich auch von der norma- dass Sie Rücksicht auf Ihren Koalitionär, die SPD, neh- len beruflichen Praxis gerade im IT-Bereich wenig men. Aber Sie müssen doch auch genauso versuchen, Kenntnis haben. Ein Beispiel: Sie haben ein IT- Projekt- Ihrem gesunden Menschenverstand zu folgen. geschäft. Dieses Projektgeschäft erfordert neben firmen- Wir kennen doch alle die Zahlen der Wissensträger, die eigenem Personal – Projekte sind Weiterentwicklungen – jedes Jahr aus diesem Land abwandern. Ja, dann regeln den Zukauf von Know-how. Diese zusätzlich benötigten Sie doch mal, dass diese nicht noch in ihrer Berufsaus- Kräfte hat keine Firma vor Ort verfügbar. Dieser Zukauf übung behindert werden. Man kann ganz klar sagen: Die ist eine Tätigkeit auf Zeit. Ich möchte Sie nicht überfor- eingeschleusten Migranten werden diese Menschen nicht dern, aber bitte stellen Sie sich vor: ersetzen. Wir müssen schauen, dass wir die Personen, die (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Sie über- hier Wissensträger sind, im Lande halten. Anders geht’s fordern doch schon Ihre eigenen Leute! nicht. Es gibt in diesem Bereich Personen, die nicht in Organi- (Beifall bei Abgeordneten der AfD – sationen eingegliedert werden wollen, sondern selbstän- Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Die treiben dig tätig sind und die definitiv ihren Marktwert kennen Sie doch raus!) und definitiv sagen können, welchen Preis sie für ihre Selbstständige in Deutschland sind in dem Falle bei Arbeit verlangen. dieser Regierung, aber leider auch schon bei der Vorgän- (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Ihre eige- gerregierung – fast immer, könnte man sagen – eine ver- nen Leute klatschen nicht! Reden Sie lieber folgte Beschäftigtengruppe. Das ist nun leider so. Im Üb- über Flüchtlinge!) rigen, liebe FDP, wurde auch in den Jahren 2009 bis 2013 daran nicht viel geändert. Da haben Sie auch nicht viel Ich kann Sie beruhigen, die Personen, die Sie unter- dazu beigetragen, dass sich das entspannt; denn Klientel stützen wollen – es ist fast eine vergiftete Förderung; ich sind allenfalls Arbeitnehmer. nenne als Beispiel einen Orga-DBa, einen Datenbankad- ministrator –, verdienen definitiv mehr als Sie, wahr- (B) Nur: Jedem selbstständig Berufstätigen oder, noch viel scheinlich mehr als das Doppelte. Solche Personen sind (D) schlimmer, jedem selbstständig Denkenden wird hier in selbständige Wissensarbeiter, und die müssen wir in diesem Lande misstraut. Das Misstrauen geht so weit, Deutschland unterstützen. Wir dürfen sie nicht weiter dass man Bewertungsmaßstäbe, sogenannte Statusfest- gängeln und auch noch mit einer rechtlichen Unsicherheit stellungsverfahren, mit Kriterien aus dem 19. Jahrhundert rückwirkend belasten. Im Übrigen sieht die jetzige Praxis nimmt. Bitte schön, schauen Sie sich doch mal die Krite- vor, dass sie auch noch rückwirkend als Scheinselbstän- rien an; die sind doch für die heutige berufliche Praxis dige eingeordnet werden. Das ist nicht tragbar. Hier ist völlig untauglich. So können wir doch nicht weiter- etwas zu ändern, und hier stehen wir auch den Kollegen machen, und das ist uns allen bewusst. Zeigen Sie doch von der FDP, aber auch den Kollegen von der Union, die bitte mal etwas mehr Courage, und ändern Sie das, was da mutwillig rangehen, gerne für Abstimmungen zur Ver- auch Sie festgestellt haben. fügung. (Wilfried Oellers [CDU/CSU]: Schauen Sie Herzlichen Dank. sich die Rechtslage an! Dann nehmen Sie das zurück, was Sie sagen! Das ist falsch, was Sie (Beifall bei der AfD – Dr. Matthias Zimmer sagen!) [CDU/CSU]: Endlich klatscht die AfD mal!) Denn – das kann man ganz klar an Ihrem Koalitionär sehen – mangels eigener beruflicher Praxis glaubt man, Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Selbstständige kontrollieren oder sogar noch gängeln zu Die Kollegin Gabriele Hiller-Ohm hat das Wort für die müssen. Man muss ganz klar sagen: Es ist interessant, SPD-Fraktion. dass Menschen, die in ihrem Leben noch nie eine Be- (Beifall bei der SPD) schäftigung – natürlich außerhalb der parlamentarischen Tätigkeit – ausgeübt haben, anderen vorschreiben wollen, Gabriele Hiller-Ohm (SPD): wie sie ihre Arbeit durchzuführen haben. Es ist einfach hanebüchen, was hier passiert in diesem Lande. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kol- leginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Kollege Wir müssen bei den Kriterien des Statusfeststellungs- Vogel! Ich fange einmal mit dem Positiven an: Ich finde verfahrens ganz klar auf die heutige berufliche Praxis es gut, dass wir uns hier und heute mit der Situation von Rücksicht nehmen; denn es kann nicht sein, dass jemand, Selbstständigen beschäftigen und nach Wegen suchen, der jahrelang erfolgreich selbstständig war, plötzlich als auch für Selbstständige eine bessere soziale Absicherung Scheinselbstständiger eingeordnet wird – und das, meine hinzubekommen. Denn es ist ja richtig, dass sich in der Damen und Herren, als Gipfel des Ganzen auch noch vier modernen Arbeitswelt Arbeit und damit auch Arbeitsver- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16759

Gabriele Hiller-Ohm (A) hältnisse weiter verändern. Die Übergänge zwischen Da wird wieder einmal deutlich, für wen Sie, liebe (C) Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung werden Kolleginnen und Kollegen der FDP, Politik machen: immer fließender werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, lieber Herr mit Sicherheit nicht für Menschen, die in die Schein- Vogel, die Große Koalition hat deshalb schon 2007 auch selbstständigkeit getrieben werden, damit Arbeitgeberin- Selbstständige verpflichtet, sich gegen Krankheit zu ver- nen und Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge sparen sichern, um im Ernstfall somit den vollen Schutz der können. Leider wurden und werden die Grauzonen zwi- Krankenversicherung in Anspruch nehmen zu können. schen selbstständiger und nichtselbstständiger Beschäfti- Damit vor allem Solo-Selbstständige an dieser Stelle gung zulasten der Beschäftigten ausgenutzt. Deshalb for- nicht überlastet werden, haben wir die Mindestbeitrags- dert die SPD einen guten sozialen Schutz für alle, auch für bemessungsgrundlage halbiert und damit die Beiträge für Selbstständige. Der Sozialstaat muss für alle da sein. Da- Solo-Selbstständige bezahlbarer gemacht. Das ist auf Ini- für kämpft die SPD. tiative der SPD passiert. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. (Beifall bei der SPD) Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU] – Das war ein erster wichtiger Schritt. Jetzt soll ein Gesetz Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Wir auch!) zur Alterssicherung für Selbstständige folgen. Das hat unser Arbeitsminister Hubertus Heil bereits angekündigt, Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: und das Ministerium, so habe ich erfahren, arbeitet mit Vielen Dank, Frau Kollegin. – Die nächste Rednerin ist Hochdruck an einem entsprechenden Gesetzentwurf. Wir für die Fraktion Die Linke die Kollegin Jessica Tatti. brauchen Ihren Antrag an dieser Stelle also überhaupt nicht. (Beifall bei der LINKEN)

(Beifall bei der SPD) Jessica Tatti (DIE LINKE): Sie fordern in Ihrem Antrag darüber hinaus, dass das Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Prüfverfahren, ob es sich bei einer Arbeit um selbststän- Kollegen! Lieber Johannes Vogel, dige oder abhängige Beschäftigung handelt, reformiert wird. Das ist das sogenannte Statusfeststellungsverfah- (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Oh! Jetzt ren, das von der Deutschen Rentenversicherung kostenlos wird es spannend!) durchgeführt wird. ich hätte ja nicht gedacht, dass ich das je sagen würde, (B) aber eigentlich kann ich Ihren Antrag in relevanten Teilen (D) (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Das ist schon unterstützen. das Problem, dass die Rentenversicherung das macht!) (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Nein?) Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, auch mit dieser Sie schreiben, dass eine gesetzliche Neuregelung des Forderung kommen Sie zu spät. Wir haben mit unserem Statusfeststellungsverfahrens auf das Ziel gerichtet sein Koalitionspartner eine Überprüfung und Vereinfachung muss – ich zitiere wörtlich –,„dass Auftraggeber sich im Koalitionsvertrag bereits festgeschrieben. nicht aus der sozialen Verantwortung stehlen und etwa Mindestlöhne durch Scheinselbständigkeit umgehen“. (Beifall bei der SPD) Zudem fordern Sie eine Vorsorge, die zu Renten oberhalb Auch das ist auf Druck der SPD so in den Koalitionsver- der Grundsicherung führt. Diesen Tenor habe ich in Ihrer trag hineinverhandelt worden; Rede vermisst. Ihr Antrag ist auf jeden Fall besser als die Rede, die Sie hier gehalten haben. (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Läuft für die Selbstständigen in der GroKo!) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten der SPD) Kollege Oellers hat schon ausgiebig darauf hingewiesen, wie das einmal aussehen kann. Herr Vogel, ich gratuliere Ihnen, dass Sie zumindest in der schriftlichen Version Ihres Antrags in der Realität Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, Sie wollen, angekommen sind und sich den Positionen meiner Frak- dass zukünftig nicht mehr die Deutsche Rentenversiche- tion angeschlossen haben. rung prüft. Sie wollen damit auch Steuerberaterinnen und Steuerberater beauftragen. (Beifall bei der LINKEN – Johannes Vogel [Ol- pe] [FDP]: Da habe ich Diether Dehm aber an- (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Nein, nein, ders verstanden! – Dr. Florian Toncar [FDP]: nein!) Was sagt denn Diether Dehm dazu?) – Das steht in Ihrem Antrag. – Die werden sich, liebe Begrüßenswert ist trotz der schlechten Rede, Herr Vogel, Kolleginnen und Kollegen, über Ihre Initiative wirklich dass Sie Selbstständige endlich differenzierter betrach- sehr freuen, da bin ich mir sicher; denn umsonst werden ten; denn natürlich gibt es viele hochqualifizierte und die Steuerberater diesen Job nicht machen wollen. hochdotierte Selbstständige, die ihre Tätigkeit selbstbe- stimmt ausüben, und das ist auch gut so. (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Lesen! Die beraten!) (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) 16760 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Jessica Tatti (A) Wir haben aber ein Problem damit, dass immer mehr Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) Beschäftigte aus reiner Profitgier der Unternehmen in die Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir, Selbstständigkeit gedrängt werden, und das oft, ohne dass Bündnis 90/Die Grünen, wollen Selbstständigkeit ermög- sie es wollen. Oftmals leisten sie als Selbstständige wei- lichen. Wir wollen die Freiheit, Risiken eingehen zu kön- terhin die gleiche Arbeit wie zuvor als Angestellte, mit nen, stärken, und darum wollen wir gerade Gründerinnen dem gravierenden Unterschied, dass sie als Solo-Selbst- und Gründer von bürokratischen Verfahren wie dem Sta- ständige keinen Anspruch auf eine vom Arbeitgeber mit- tusfeststellungsverfahren entlasten. finanzierte Rente und Krankenversicherung haben. Sie haben keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krank- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – heitsfall, keine gesetzlichen Urlaubsansprüche, keine Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Dann könnt ihr Mitbestimmung und keinen Anspruch auf den Mindest- ja zustimmen!) lohn. Denken wir an den prominenten Fall des Essens- Wir wollen das stärken, woran es der FDP vor zwei lieferdienstes Deliveroo in Köln, der kurzerhand kom- Jahren gemangelt hat und auch heute wieder mangelt. Wir plett auf Solo-Selbstständige umstellte, nachdem die wollen Mut stärken und Mut machen. Beschäftigten einen Betriebsrat gegründet hatten. Das ist ein trauriges Beispiel dafür, wie ungeniert sich Arbeit- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) geber ihren sozialen Pflichten für die Gesellschaft ent- Da muss man aber auch sagen: Zur Freiheit, Risiken ein- ziehen. Dem müssen wir endlich einen Riegel vorschie- zugehen, gehört eben auch soziale Sicherheit; denn wenn ben. ich mich auf ein Fundament verlassen kann, kann ich auch unternehmerisch besser tätig werden. Da gehören (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- zwei Dinge zusammen; die stehen nicht gegeneinander. NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- ten der SPD) Neben dem oder der kreativen Selbstständigen, der oder die dieses Land voranbringt, gibt es eben auch leider Für viele sind Phasen prekärer Selbstständigkeit Pha- Auftraggeberinnen und Auftraggeber, die diese Form von sen ohne Absicherung fürs Alter. Ein großer Teil der So- Selbstständigkeit ausnutzen und Menschen in prekäre Si- lo-Selbstständigen verdient weniger als den gesetzlichen tuationen drängen, um zu vermeiden, Sozialversiche- Mindestlohn. Da bleibt kaum etwas übrig. So kommt es, rungsabgaben zahlen oder den Mindestlohn einhalten zu dass heute nur rund ein Viertel aller Solo-Selbstständigen müssen. Ich spreche zum Beispiel von Kurierfahrern – eine Altersvorsorge haben. Diesen Zustand werde ich, meistens sind es Männer –, die 16 Stunden am Tag arbei- wird meine Fraktion nicht akzeptieren. ten, in ihrem Lieferwagen schlafen müssen und auf Stun- denlöhne von 2 Euro kommen. Das gibt es auch. (B) (Beifall bei der LINKEN – Matthias W. (D) Birkwald [DIE LINKE]: Niemals!) Viele von den erfolgreichen Gründerinnen und Gründ- ern und Selbstständigen ärgern sich ja selbst über diese Mit Ihren Ideen, Kolleginnen und Kollegen der FDP, ausbeuterischen Praktiken, weil das nämlich leider dann zum Beispiel die Riester-Rente auch für Selbstständige zu auf sie zurückfällt. Ich glaube, so differenziert dürfen wir fördern, sind Sie völlig auf dem Holzweg. Der Bund der die Debatte sehen. Versicherten sagt: Geld fürs Alter ist unterm Kopfkissen besser angelegt als in einem Riester-Vertrag. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD]) (Beifall bei der LINKEN) Frau Tatti hat hier gerade – das ist angesichts der kur- zen Redezeit vielleicht doch einen Vorteil – aufgezählt, Deshalb ist unsere Lösung die richtige. Wir wollen, dass welches Leistungsspektrum und welche Renditen bei- alle, auch die Selbstständigen, grundsätzlich in die ge- spielsweise eine Rentenversicherung bieten kann. Ich fin- setzliche Rentenversicherung einzahlen, und zwar zuBe- de, wir müssen darauf tatsächlich einen unverstellten iträgen, die sie sich leisten können. Blick haben. (Beifall bei der LINKEN) Johannes Vogel, du hast behauptet, dass die Vielfalt der Selbstständigkeit so groß sei, dass man das doch nicht mit Davon profitieren auch alle. 2017 lag die Rendite der einer einheitlichen Sozialversicherung abdecken könnte. gesetzlichen Rente bei über 5 Prozent. Vergleichen Sie Was ist denn das – frage ich mal umgekehrt – für ein Bild das einmal mit den derzeitigen Garantiezinsen der priva- von abhängiger Beschäftigung? ten Vorsorge. Falls Sie, Johannes Vogel, lernfähig sind, nehmen Sie das als Hausaufgabe mit. Bis dahin macht die (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Linke weiterhin die bessere Politik. SES 90/DIE GRÜNEN) Laufen denn da alle in grauen Mao-Jäckchen herum und (Beifall bei der LINKEN) tun dasselbe?

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort der Kollege der SPD) Markus Kurth. Abhängige Beschäftigung ist sehr vielfältig. Gerade weil (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sie so vielfältig ist, weil die Erwerbs- und Einkommens- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16761

Markus Kurth (A) situation so unterschiedlich sein kann, braucht es ein Das gibt es auch. Das kann passieren. Ich sage nicht, dass (C) großes Risikokollektiv, eine große Solidargemeinschaft; es bewusst gemacht wird; aber man hat solche Fälle ge- denn diese kann Vielfalt am besten absichern. habt. Deshalb ist ein Statusfeststellungsverfahren unbe- dingt notwendig, um Rechtssicherheit zu haben für alle (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Seiten, lieber Johannes Vogel. Man sollte hier nicht nur SES 90/DIE GRÜNEN) sozusagen grenzenlose Freiheit propagieren, die hinterher Das gilt übrigens auch für den Wechsel zwischen Selbst- dann doch in irgendeinen Rahmen gesetzt werden muss. ständigkeit und abhängiger Beschäftigung, was auch im- mer häufiger vorkommen kann. Spielen Sie das nicht ge- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: geneinander aus! Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kollegen Vogel? und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Max Straubinger (CDU/CSU): Ich glaube, so differenziert sollten wir uns mit der Fra- Ja, selbstverständlich. ge „soziale Absicherung von Selbstständigkeit“ ausei- nandersetzen; Johannes Vogel (Olpe) (FDP): Ja, lieber Max Straubinger, sehr geehrter Herr Kollege, (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Ist der Antrag ja habe ich das gerade richtig verstanden? Das erste Bei- auch!) spiel, das du in deiner Rede erwähnst, sind Selbstständi- denn sonst wird man den dynamischen Gründerinnen und ge, die sich in Betriebe einschleichen, um dann doch noch Gründern nicht gerecht, und man hilft auch denjenigen irgendwie angestellt werden zu können? Ist das wirklich nicht, die in prekäre Verhältnisse gedrängt worden sind. das Bild der Koalition von Selbstständigen in diesem Land? Vielen Dank. Max Straubinger (CDU/CSU): (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nein. Das ist nicht das Bild der Koalition und auch nicht unser Bild. Vielleicht ist der Ausdruck jetzt auch Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: im Überschwang etwas unglücklich gewesen. Das gebe Für die CDU/CSU-Fraktion ist der nächste Redner der ich ja zu. Kollege Max Straubinger. (Heiterkeit bei der FDP sowie bei Abgeordne- (B) (D) (Beifall bei der CDU/CSU) ten der SPD) Es gibt das aber natürlich. Das sollte man nicht verken- Max Straubinger (CDU/CSU): nen, lieber Johannes Vogel. Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die FDP beglückt uns heute ja mit einem Antrag, der zwei- Es geht beim Statusfeststellungsverfahren um Rechts- geteilt ist. Erstens geht es darum, das Statusfeststellungs- sicherheit – für beide Seiten. Ich glaube nicht, dass mit verfahren zu reformieren, und zweitens soll der Antrag diesen Vorstellungen, die die FDP in ihrem Antrag ge- die Altersvorsorge für die Selbstständigen besser ins biert, vollendete Rechtssicherheit gewährt werden kann Blickfeld rücken. Das sind ja beides auch wesentliche und sich nicht auch wieder Abgrenzungsfragen stellen. Ziele der Koalitionsvereinbarung, die wir getroffen ha- ben, in der wir uns dazu bekennen, beim Statusfeststel- Wenn ich in Ihrem Antrag lese, dass ein Positivkatalog lungsverfahren, wenn es notwendig ist, entsprechende formuliert werden soll, der zum Beispiel einen Mindest- Änderungen herbeizuführen und gleichzeitig vor allen stunden- oder Mindesttagessatz enthalten soll, frage ich Dingen die Vorsorgeverpflichtung für Selbstständige zu mich: Was stellt sich die FDP vor? Einen Stundensatz von formulieren, entsprechend auszugestalten und in ein Ge- 200 Euro? Oder darf es ein bisschen mehr sein? setz zu gießen. So weit, so gut. (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Es ist ein Es ist aber auch festzustellen, dass das Statusfeststel- mögliches Kriterium! Ein ergänzendes!) lungsverfahren nicht nur eine Gängelung bzw. die Ver- 300 oder 400 Euro? Oder – gehen wir ein bisschen nach hinderung des Sich-selbstständig-Machens ist, wie es unten – sind es 50 Euro? Wo ist die konkrete Antwort, Johannes Vogel versucht zu insinuieren. Vielmehr ist es was hier letztendlich die Grundlage sein soll? Ich glaube, ja entscheidend für alle Seiten, nämlich einmal für den, dass man der Realität damit nicht gerecht werden kann. der sich selbstständig macht, aber auch für denjenigen, der später an einen sogenannten Selbstständigen Aufträge Die FDP sagt dann auch noch, dass eine ausreichende vergibt. Es gibt auch die umgekehrte Situation, dass sich Altersvorsorge vorhanden sein muss. Das muss man mal plötzlich jemand als Selbstständiger vielleicht in einen einem abverlangen, der sich gerade selbstständig ge- Betrieb einschleicht und sich später aufgrund seiner Ar- macht hat. Er soll dann, bevor er sich selbstständig macht, beit und seiner Tätigkeit, die er ausgeführt hat, feststellen nachweisen, dass er eine ausreichende Altersvorsorge lässt, dass er Arbeitnehmer ist. hat. Das steht in eurem FDP-Antrag. Das ist nicht meine Vorstellungswelt. Wenn sich jemand selbstständig macht, (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: „Einschleicht“? kann es nicht sein, dass er als Erstes nachzuweisen hat, Was hast du gerade gesagt? „Einschleicht“?) dass er eine ausreichende Altersvorsorge hat. 16762 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Max Straubinger (A) (Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Vogel Dr. Martin Rosemann (SPD): (C) [Olpe] [FDP]: Er schleicht sich ein!) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mei- Dann soll das besondere betriebliche Know-how, das ne sehr geehrten Damen und Herren! Als Allererstes mei- er vorzuweisen hat, geprüft werden. Ich bin ja mal ge- nen Respekt an alle, die selbstständig sind, die sich selbst- spannt, wer das prüft. Die FDP vielleicht in ihrer Groß- ständig machen wollen, die gründen oder sich artigkeit? entscheiden, einen Betrieb zu übernehmen. Ja, sie leisten einen wertvollen Beitrag, einen wichtigen Beitrag für den (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU Wohlstand in diesem Land und für Innovationen in und der SPD) Deutschland. Oder vielleicht Bündnis 90/Die Grünen? Oder wir als (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie CDU/CSU? Wir könnten es natürlich; das sage ich ganz bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. offen. Johannes Vogel [Olpe] [FDP]) (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU Wir haben, meine Damen und Herren, seit etwa zwei und der FDP) Jahrzehnten ein verändertes Bild der Selbstständigkeit. Für den, der dieses besondere Know-how – vielleicht Die Hälfte der Selbstständigen sind Solo-Selbstständige auch noch ein Politikberater – festzustellen hat, wird es ohne Beschäftigte. Wir haben eine große Spanne beim interessant. Darauf freue ich mich schon; das wird eine Einkommen. Nicht alle Selbstständigen haben heute die tolle Nummer. dicken Einkommen oder das große Vermögen. Ganz im Gegenteil: Das Armutsrisiko ist im Alter unter Selbst- Schließlich komme ich noch zu dem „erklärten Partei- ständigen sogar höher. Die Abgrenzung zwischen abhän- willen“. Ja, gut, wenn der Parteiwille allein ein positives giger Beschäftigung und Selbstständigkeit wird schwieri- Kriterium ist, dann brauche ich überhaupt kein Statusfest- ger, und die Übergänge haben zugenommen. Die stellungsverfahren; denn wenn der Parteiwille allein ent- Digitalisierung wird die Erwerbsformen weiter flexibili- scheidet, dann ist das nicht nötig. Lieber Johannes Vogel, sieren. „Plattformarbeit“ ist nur ein Stichwort. Auch die das ist dünne Suppe, was ihr da aufgeschrieben habt. Das abhängige Beschäftigung verändert sich. Meine Damen muss ich wirklich sagen. und Herren, all das spricht doch für eine verbindliche (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Absicherung in unseren solidarischen Systemen der so- neten der SPD – Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: zialen Sicherung, im Übrigen nicht nur für Solo-Selbst- Deine Rede ist dünne Suppe!) ständige. (B) Da hätte ich euch beim Überlegen schon etwas mehr zu- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (D) getraut. der LINKEN) Ich komme zum zweiten Teil des Antrags: die schöne Ich sage es auch noch mal grundsätzlicher: Für uns als Pflicht zur Vorsorge. Wir sind uns einig, dass Selbststän- Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist es ein dige Vorsorge leisten müssen. Dass aber die FDP gleich Wert, dass wir die großen Lebensrisiken in diesem Land als Erstes anbietet, alle, die jetzt der gesetzlichen Renten- solidarisch absichern und dass eben nicht jeder für sich versicherung als Selbstständige, also Handwerker, aber verantwortlich ist. auch Freiberufler – sie haben ja nur ein berufsständisches Versorgungswerk –, unterworfen sind, aus der gesetzli- (Beifall bei der SPD) chen Rentenversicherung herauszunehmen und von die- sem Joch zu befreien, ist allerhand. Sie fordern, dass alle Deshalb ist unser Weg auch die Einbeziehung von Selbst- eine Altersvorsorge betreiben müssen, nehmen aber ständigen in die gesetzliche Rentenversicherung. Das gleichzeitig die Selbstständigen heraus, die sich dann ent- würde im Übrigen auch die Frage der Abgrenzung im scheiden können, ob sie irgendeine Vorsorge betreiben Statusfeststellungsverfahren deutlich entschärfen. Im wollen, etwa in obskuren Anlagemöglichkeiten, mögli- Koalitionsvertrag haben wir uns für ein Opt-out-Modell cherweise im eigenen Unternehmen, das dann unter Um- entschieden – das war der Kompromiss mit dem Koali- ständen nichts mehr wert ist. Liebe Kollegen von der tionspartner –, ein Modell, das aber eng begrenzt ist auf FDP, da müsste man schon etwas näher an der Realität eine geeignete insolvenzsichere Vorsorge, eine Rente, die bleiben, statt im Wolkenkuckucksheim irgendwelche in der Regel oberhalb der Grundsicherung liegt. Das er- Dinge zu gebären. füllt für viele wahrscheinlich nur die Rürup-Rente. Ich glaube – Max Straubinger hat darauf hingewiesen –, dass Wir werden diesen Antrag natürlich bestens beraten. es gut ist, da auch eng zu definieren. Wir hatten hier im Aber ich habe nicht den Eindruck, dass er sehr zielfüh- Deutschen Bundestag einen Kollegen, dessen Vater ge- rend geschrieben worden ist. plant hatte, dass sein Unternehmen seine Altersvorsorge sein werde. Das Unternehmen war dann irgendwann weg, (Beifall bei der CDU/CSU) und die Folge war Altersarmut. Deswegen müssen wir da sehr genau hingucken, meine Damen und Herren. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Dabei ist natürlich wichtig, wenn wir Selbstständige in Dr. Martin Rosemann. stärkerem Maße einbeziehen, dass wir dann auch die So- zialversicherungen auf die besondere Situation von (Beifall bei der SPD) Selbstständigen einstellen, auf ihre schwankenden Ein- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16763

Dr. Martin Rosemann (A) nahmen, und auch der Situation von Gründerinnen und Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin (C) Gründern besonders Rechnung tragen. Dr. Wiebke Esdar von der SPD-Fraktion. Meine Damen und Herren, wir wollen den Weg ge- (Beifall bei der SPD) meinsam mit den Selbstständigen gehen. Dass wir als SPD das können, das haben wir im Übrigen gezeigt, als Dr. Wiebke Esdar (SPD): wir die Halbierung der Mindestbeiträge in der gesetzli- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einsatz chen Krankenversicherung ganz am Anfang dieser Koali- gegen Steuertrickserei ist keine Frage von links gegen tion durchgesetzt haben. rechts, sondern es ist eine Frage von anständig gegen unanständig. (Beifall bei der SPD) Zum Schluss, meine Damen und Herren: Wir wollen (Beifall bei der SPD) Schutz und Chancen durch den Sozialstaat als Partner in Das sage nicht nur ich. Das sagen inzwischen ganz viele. einer veränderten Arbeitswelt für alle Beschäftigten in Das sagt auch schon lange unser neuer Parteivorsitzender Deutschland, auch für Selbstständige. Norbert Walter-Borjans. Und ich sage: Er hat recht damit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei Abgeordneten der SPD) der CDU/CSU) Denn während die Anständigen, also die große Mehrheit der Menschen, penibel und genau und ehrlich ihre Steuer Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: zahlen, gibt es Unanständige, die meinen, sie könnten von Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich schließe die Aus- all der Infrastruktur des Staates profitieren, ohne ihren sprache zu diesem Tagesordnungspunkt. eigenen Anteil dazu beizutragen. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf (Dr. h. c. [Univ Kyiv] [CDU/ Drucksache 19/15232 an die in der Tagesordnung aufge- CSU]: Ist das anständig?) führten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es andere Über- weisungsvorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ver- Das reicht dann von aggressiver Steuergestaltung und fahren wir wie vorgeschlagen. dem Verschieben von Gewinnen in Niedrigsteuerländer bis zum Ausrauben der öffentlichen Kassen à la Cum/ Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 sowie den Zusatz- Cum und Cum/Ex. Darum, meine Damen und Herren, punkt 7 auf: zeigen wir mit dem vorgelegten Gesetz klare Kante gegen Steuertrickserei und Steuerbetrug; denn niemand darf 17 Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- (B) sich seiner Mitverantwortung für ein solide finanziertes (D) regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Gemeinwesen entziehen. zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen (Beifall bei der SPD) Drucksachen 19/14685, 19/15117, 19/15584 Wo aber diese simple Steuermoral fehlt, da werden wir Nr. 1.4 zukünftig stärker und konsequenter auf die Einhaltung der Spielregeln achten. Dazu benötigen wir jetzt in einem Beschlussempfehlung und Bericht des Finanz- ersten Schritt weitreichende und präzise Informationen ausschusses (7. Ausschuss) über die Methoden und Praktiken dieser Steuertrickser Drucksache 19/15876 und Steuervermeider. Mit dem jetzt vorliegenden Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüber- ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten schreitender Steuergestaltungsmodelle etablieren wir Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, Frank ein Frühwarnsystem in der Europäischen Union. Schäffler, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP (Beifall bei der SPD) Die Finanzbehörden der Mitgliedstaaten sollen sich Berücksichtigung von Negativzinsen im zukünftig gegenseitig über unerwünschte Steuerumge- Steuerrecht hung informieren können. Sie sollen sich austauschen Drucksache 19/15771 können und sollen dann wirksame Schritte zur Schlie- ßung von Steuerlücken und von Steuerschlupflöchern Überweisungsvorschlag: abstimmen können. Es ist ein Erfolg der SPD-Bundes- Finanzausschuss tagsfraktion, dass aufgenommen wurde, dass der Finanz- Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen ein ausschuss zukünftig regelmäßig darüber informiert wird; Änderungsantrag der Fraktion Die Linke, ein Änderungs- denn die Verantwortung, dagegen gesetzlich vorzugehen, antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ein Ent- liegt doch bei uns, beim Parlament. schließungsantrag der Fraktion der FDP sowie ein Ent- schließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Der vorliegende Gesetzentwurf, meine Damen und vor. Herren, ist Teil eines umfassenden Maßnahmenbündels der Bundesregierung; denn wir haben bereits die Perso- Für die Aussprache sind 30 Minuten beschlossen. – nalausstattung des Zolls gestärkt, um Steuer- und Sozial- Wenn Sie sich jetzt entscheiden, ob Sie hierbleiben wol- versicherungsbetrug zu bekämpfen. Die Umsetzung der len oder rausgehen wollen, machen Sie das bitte zügig. Fünften EU-Geldwäscherichtlinie haben wir bereits be- 16764 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Dr. Wiebke Esdar (A) schlossen und damit den Kampf gegen Geldwäsche durch (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Nicht viel ge- (C) zahlreiche Maßnahmen verbessert. Zudem beraten wir lesen!) derzeit auch einen Gesetzentwurf gegen die missbräuch- Der Steuerbürger wird nicht in der Lage sein, diese Rege- liche Steuervermeidung bei Immobiliengeschäften, den lung überhaupt nur zu verstehen, und Fachleute werden sogenannten Share Deals. Während wir heute für das an der Komplexität verzweifeln. Parlament, für den Finanzausschuss, das Frühwarnsystem etablieren, hat bereits die Exekutive unter Olaf Scholz In der Anhörung haben sich unzählige Kritikpunkte gehandelt und eine Taskforce für den Kampf gegen und Schwachstellen ergeben. Zugegebenermaßen wurden Steuergestaltungsmodelle angekündigt. einige davon im Rahmen der Beratungen mit 13 Umdru- cken durch die Koalitionsfraktionen beseitigt, was wir (Beifall bei der SPD) begrüßen. Was bleibt, ist trotzdem ein Gesetzesmonster Meine Damen und Herren, Sie sehen: Klare Kante ge- mit unzähligen, unbestimmten Rechtsbegriffen, unzähli- gen Steuertrickserei und Steuerbetrug. Die Bundesregie- gen Querverweisen und auslegungsbedürftigen Formu- rung handelt in diesem Sinne, und das ist gut. lierungen. Herzlichen Dank. (Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Liegt in der Sa- che!) (Beifall bei der SPD) So gilt als ein Merkmal einer Steuergestaltung, wenn ein Hauptvorteil eine steuerliche Ersparnis darstellt. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der nächste Redner: für (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Unter ande- die AfD-Fraktion der Kollege Albrecht Glaser. rem!) (Beifall bei der AfD) Die Erbschaft aus Irland, das vermietete Ferienhäuschen in Dänemark oder die Entsendung eines Montagemitar- Albrecht Glaser (AfD): beiters nach Nahost sind alles Vorgänge, die teilweise auf Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- standardisierten Rechtsvorgängen beruhen und allein we- ren! Wir sprechen über den Entwurf eines Gesetzes zur gen der Unterschiede der jeweiligen Steuersätze in den Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschrei- verschiedenen Ländern eine Anzeigepflicht auslösen. tender Steuergestaltungen. Mit Trickserei, wie gerade (Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Aber dafür gibt es eben ausgeführt worden ist, hat das, worum es hier im die Whitelist!) Kern geht, eigentlich nichts oder mindestens wenig zu (B) tun. – Die Whitelist gibt es nicht. Das wissen Sie ja. (D) (Fritz Güntzler [CDU/CSU]: So! Nicht ver- (Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Natürlich!) standen!) Die viel beklagte Politikverdrossenheit stellt sich wie- Es geht um die Umsetzung einer EU-Richtlinie des der ein; denn der normale Steuerbürger wird ohne Berater letzten Jahres. Da Weihnachten vor der Tür steht, wurden nicht auskommen, und dieser wird ihm zureden, im Zwei- einige kleine Aufmerksamkeiten in dem Gesetz unterge- fel anzuzeigen, weil die Nichtanzeige mit hohem Bußgeld bracht, zum Beispiel eine Beschränkung der Verlustver- bewehrt ist. Für international agierende Konzerne in rechnung bei Einkünften aus Termingeschäften und aus Deutschland, die tagtäglich rechtliche oder finanzielle dem Ausfall von Kapitalanlagen in Privatvermögen. Es Transaktionen mit ausländischen Tochtergesellschaften dürfen demzufolge Verluste aus Kapitalvermögen aus der oder Betriebsstätten durchführen, müssen die Anzeige- Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung nur in Höhe pflichten Albträume auslösen. In einer entsprechenden von 10 000 Euro mit Einkünften aus Kapitalvermögen Stellungnahme der deutschen Industrie heißt es: ausgeglichen werden. Damit werden Gewinne und Ver- Es ist zu befürchten, dass es ... zu einer Flut von luste aus Kapitalvermögen steuerlich unterschiedlich be- Meldungen ... kommen wird, die erkennbar weder handelt. Hierdurch soll eine entgegenstehende Rechtspre- missbräuchlich noch aggressiv sind. chung des BFH teilweise ausgehebelt werden. Das ist eine milde Umschreibung. Aber nun zum Hauptanliegen des Gesetzentwurfs. Durch die neue Melde- und Anzeigepflicht sollen die Da jede Nichtanzeige mit einem hohen Bußgeld be- Finanzbehörden umfassende Informationen über alle als wehrt ist, wird man in der Steuerverwaltung Tausende relevant eingestuften Steuergestaltungen, die mehrere von Anzeigen erhalten – welcher Personalaufwand! Steuerrechtsordnungen betreffen, erlangen. Bei den Zie- Man wird feststellen, dass die hochkarätigen Fachleute, len und den Grundsätzen zur Bekämpfung der Steuerhin- die man braucht, um diese Steuermodelle zu überprüfen, terziehung sind wahrscheinlich alle einer Meinung. Der gar nicht vorhanden sind. Es werden viele Fachleute ein- Zweck heiligt jedoch nicht alle Mittel. gestellt werden müssen, und man muss überlegen, woher man sie bekommt. (Beifall bei der AfD) Jedes demokratische nationale Parlament, das noch Die vorgelegte Legislation wird durch eine Richtlinie Rückkoppelung zu seiner Wahlbevölkerung hat, würde der EU erzwungen. Sie ist an Komplexität jedoch nicht zu sich weigern, ein solches Gesetz zu beschließen. übertreffen. Es ist die komplexeste Rechtsnorm, die ich je in meinem Leben gelesen habe. Herzlichen Dank. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16765

Albrecht Glaser (A) (Beifall bei der AfD) nommen werden. Die Anzeigepflicht sollte sich auf mo- (C) dellhafte und gewerblich entworfene aggressive Steuer- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: gestaltungen beschränken und nicht auf das ganz normale steuerberatende Tagesgeschäft. So sieht es übrigens auch Der Kollege Sebastian Brehm hat das Wort für die die EU-Richtlinie vor. CDU/CSU-Fraktion. Aus diesem Grund haben wir in das Gesetz eine Öff- (Beifall bei der CDU/CSU) nungsklausel hineinverhandeln können, eine sogenannte Whitelist. Diese Whitelist wird erstellt in Form eines Sebastian Brehm (CDU/CSU): BMF-Schreibens, das bis zur Scharfstellung des Gesetzes Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und zum 1. Juli 2020 erscheinen soll. Ich hoffe, dass wir in die Kollegen! Im Rahmen des gemeinsamen Projekts der Erstellung großzügig eingebunden werden. Wir haben OECD und der G-20-Länder im Kampf gegen Gewinn- auch schon entsprechende Vorschläge gemacht, dass die verkürzung und Gewinnverlagerung – Base Erosion and laufenden Steuergestaltungen, die eine normale Steuer- Profit Shifting, kurz: BEPS – ist einer der wesentlichen beratung darstellen, aus dieser Anzeigepflicht herausge- Punkte die Nummer 12 dieses Plans: nommen werden. Das sind zum Beispiel ganz normale Entwicklung von Offenlegungsregelungen für ag- Bankgeschäfte. Das sind die gerade genannten Geschäfte gressive Steuerplanungen von Leasingunternehmen, aber auch die ganz normalen Steuerberatungstatbestände. Diese Whitelist bezieht sich Mit dem heutigen Entwurf eines Gesetzes zur Einfüh- auf alle Kennzeichen, auf alle Hallmarks, die in der Richt- rung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender linie genannt sind. Deswegen ist es wichtig, diese zu er- Steuergestaltungen setzen wir dieses Ziel in nationales stellen, damit wir nur diejenigen herausfiltern, die anzei- Recht um, das in der Richtlinie (EU) 2018/822 verankert gepflichtig sind, die aggressiv sind und die wir nicht in ist, und zwar fristgerecht, so wie es sich gehört, bis zum unserem Steuerrecht sehen wollen. Jahresende. Mit dieser Umsetzung setzen wir ein klares Zeichen gegen aggressive Steuerplanung, gegen Gewinn- (Beifall bei der CDU/CSU) verlagerung in Niedrigsteuerländer und für mehr Trans- Ein weiterer wichtiger Punkt, liebe Kolleginnen und parenz. Kollegen, sind die sogenannten Intermediäre. Grund- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) sätzlich sieht die Richtlinie vor, dass die Intermediäre, also diejenigen, die die Steuergestaltungen erstellen oder Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir setzen aber auch zur Umsetzung bereitstellen, anzeigepflichtig sind. Wir ein Zeichen der Vernunft. Hätte man den ursprünglichen haben in Deutschland eine Besonderheit, etwas, was in (B) Gesetzesvorschlag des Finanzministers eins zu eins um- Europa anders ist. Wir haben in Deutschland die Steuer- (D) gesetzt, wäre zu der grenzüberschreitenden Anzeige- berater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer, die als Or- pflicht auch noch eine Anzeigepflicht für nationale gan der Steuerrechtspflege zur Verschwiegenheit ver- Steuergestaltungen hinzugekommen. Das hätte dazu ge- pflichtet sind. Sie sind mitwirkungspflichtig bei einer führt, dass wir Millionen von Meldungen an das Bundes- rechtlich korrekten Erhebung der Steuern. Das ist anders zentralamt für Steuern geschickt hätten – eine überbor- als in anderen Ländern, in denen das Kammersystem dende Bürokratie. Die gezielte Filterung der eigentlich nicht gegeben ist. Wir hätten in Deutschland eine Riesen- wichtigen Informationen aus der grenzüberschreitenden problematik für die zur Verschwiegenheit verpflichten- Steuergestaltung wäre verloren gegangen. Deswegen ha- den Berufe – Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsan- ben wir uns von Anfang an dagegen gewehrt und konnten wälte –, wenn die Mitteilungspflicht über die uns auch in der Koalition durchsetzen. Verschwiegenheitspflicht hinausgegangen wäre. Insofern (Beifall bei der CDU/CSU) bin ich dankbar, dass wir am Schluss bei den Verhandlun- gen erreichen konnten, dass, wenn eine Entbindung von Wenn man national mehr Informationen erhalten will, der Verschwiegenheit nicht erfolgt, die Meldepflicht auf dann geht das durch zeitnahe Betriebsprüfungen oder den Nutzer übergeht. Somit haben wir die verfassungs- durch die Einführung einer veranlagungsbegleitenden rechtlich geschützte Verschwiegenheit auch für diese Be- Betriebsprüfung, also einer Betriebsprüfung, die schon rufsgruppen entsprechend schützen können. im Veranlagungszeitraum stattfindet. Hier liegen die Da- ten transparent vor. Das haben wir auch in unserem CDU/ (Beifall bei der CDU/CSU) CSU-Steuerpapier so gefordert, und das werden wir in Das ist eine gute Lösung. den nächsten Wochen und Monaten noch mal konkreti- sieren. Ein weiterer Punkt, den wir erreichen konnten, ist, dass wir nur für einen gewissen Zeitraum, bis 2021, eine An- Die Frage des Erfüllungsaufwandes, also der Bürokra- zeige in der Steuererklärung kenntlich machen. Wenn der tiekosten für Wirtschaft und Verwaltung, war von Anfang elektronische Abgleich erfolgt, dann kann eine Anzeige an bedeutsam und wurde zu Recht auch durch den Nor- auch in der Steuererklärung unterbleiben. Das funktio- menkontrollrat thematisiert. Es geht darum, die relevan- niert dann automatisch. Auch das ist ein Beitrag für weni- ten Fälle grenzüberschreitender Steuergestaltungen von ger Bürokratie und für elektronische Verfahren in der vornherein herauszufiltern. In der Anhörung hat der Chef Verwaltung. der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Herr Eigenthaler, gesagt, es gehe um 10 bis 15 Fälle in fünf Jahren. Die Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will eins sagen: anderen Fälle müssten aus der Anzeigepflicht herausge- Frau Esdar, Sie haben von Steuertricksereien und Steuer- 16766 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Sebastian Brehm (A) betrug gesprochen. Sie machen den Eindruck, dass der keine nationale Anzeigepflicht gibt und dass man nicht (C) Mittelstand und die Industrie in Deutschland Steuertrick- über die Richtlinie hinausgeht, sondern sich strikt auf die sereien und Steuerbetrug machen. Das muss man mal Umsetzung beschränkt. Aber auch so, wie Sie es ma- entschieden zurückweisen. Es sind ein paar wenige. Es chen – sage ich Ihnen voraus –, werden wenige ihre Freu- geht um die 10 bis 15 Fälle in fünf bis zehn Jahren. Des- de daran haben. wegen muss man sagen: Steuergestaltung ist in unserem Gesetz so vorgesehen; ansonsten müssten wir eine Flat (Beifall bei der FDP) Tax einführen. Das wären 10 oder 15 Prozent Tax für alle. Dann wären aber genau die Dinge, die wir im Steuerrecht Zweitens. Ein Ziel der Richtlinie war ausdrücklich berücksichtigt wissen wollen – Anzahl der Kinder, Behin- auch, dass die steuerliche Veranlagung durch die Anzei- dertenpauschbetrag, Alleinerziehendenpauschbetrag – al- gepflichten erleichtert wird. Natürlich soll der Gesetzge- le weg. Es wäre nicht ein soziales Steuersystem. ber, soll das Finanzministerium erkennen: Gibt es in ir- gendeinem Bereich der Steuergesetzgebung eine Wir stehen zu unserem Steuersystem und sagen: Anwendung in der Praxis, die nicht gewollt ist? Dann Steuergestaltung ist durchaus gewollt. Aber diejenige kann man sie durch entsprechende Rechtsetzung korrigie- Steuergestaltung, die dazu führt, dass Steuer in Niedrig- ren. Das ist ein Ziel der Richtlinie. Ein zweites, gleich- steuerländer verschoben wird oder ungewollt ins Ausland berechtigtes Ziel ist, dass es für die Steuerpflichtigen Er- gebracht wird, wollen wir mit der Umsetzung der Richt- leichterungen bei der steuerlichen Veranlagung gibt, dass linie packen. Deswegen setzen wir es heute um. das schneller geht und man auch schneller eine Rückmel- Ich danke herzlich für die gute Besprechung und die dung bekommt: Ist in einem angewandten Modell eine gute Kooperation in diesem Fall. steuerliche Gestaltung so oder so zu würdigen? Das ge- nau wird in der Umsetzung überhaupt nicht beachtet. Wir Danke schön. fordern Sie auf, so schnell wie möglich die Veranlagungs- unterstützung zum Teil des Gesetzes zu machen. Wenn (Beifall bei der CDU/CSU) man den Steuerpflichtigen neue Pflichten auferlegt, ist es nur recht und billig, dass die Veranlagung schneller und Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: verbindlicher geschehen kann. Für die FDP hat das Wort der Kollege Dr. Florian Toncar. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Dritter Punkt. Mit dem vorliegenden Gesetz einigen Sie sich auf die Lösung eines Koalitionskonflikts, der (B) Dr. Florian Toncar (FDP): im Zusammenhang mit der Besteuerung von Verlusten (D) Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und aus Termingeschäften und anderen Kapitalanlagen seit Kollegen! Wir diskutieren heute über die Umsetzung ei- Wochen schwelt. Die Lösung, die Sie jetzt ins Gesetz ner europäischen Richtlinie. Insofern muss etwas im Zu- schreiben, ist, dass der Gewinn aus solchen Geschäften sammenhang mit der Anzeige grenzüberschreitender steuerlich voll erfasst wird, aber Verluste nur begrenzt Steuergestaltungen gemacht werden. Aber die Art und steuermindernd erfasst werden können. Es gibt von der Weise, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koali- Systematik her keinen einzigen Grund, diese Regelung so tionsfraktionen, wie Sie das umsetzen wollen, wird in der zu beschließen. Sie ist systemwidrig und falsch. Auch das Praxis große Rechtsunsicherheit bei den Betroffenen hin- muss man sagen: Wenn das jetzt die neue Politik der terlassen. Union ist – Dienstag kriegt Herr Scholz die Finanztran- saktionsteuer von der Bundeskanzlerin, und Mittwoch Was ist eigentlich anzuzeigen? Es gibt 21 zum Teil sehr kriegt die SPD eine begrenzte Berücksichtigung von Ver- auslegungsfähige Kennzeichen eines solchen Modells. lusten im Steuerrecht –, Die Praxis muss fast auf sich allein gestellt bestimmen, was ihre Pflicht ist. Sie wollen das lösen durch eine weiße (Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Heute ist Don- Liste, die das klarstellen soll. Mal sehen, ob das gelingt. nerstag!) Aber in jedem Fall glaube ich, dass eine ganze Menge fehlen wird: wenn diese Art von Gefälligkeiten zur Erhaltung der Koa- lition so weitergeht, wäre das ganz bestimmt der falsche Erstens müsste es möglich sein, dass man Modelle, die Weg. schon zigfach angezeigt worden sind, nicht weiter anzei- gen muss. So etwas müsste eigentlich ausgenommen wer- (Beifall bei der FDP) den. Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus den genannten (Beifall bei der FDP) Gründen lehnen wir das Gesetz ab. Wir haben heute einen Es ist zum Beispiel auch so, dass der wirtschaftliche eigenen Antrag zur Berücksichtigung von Negativzinsen Wert einer Gestaltung, der regelmäßig angezeigt werden im Steuerrecht vorgelegt. Darüber werden wir im Aus- muss, noch nicht klar definiert ist. Das sind Dinge, mit schuss diskutieren. Auf die Beratung freue ich mich; denn denen die Praxis in wenigen Monaten alleingelassen wer- es ist ein wichtiger Punkt, dass Steuerzahler auf Negativ- den wird. Das wird – das sage ich jetzt schon voraus – zinsen nicht auch noch Steuern zahlen müssen. große Unordnung und große Unsicherheit bei den Betrof- fenen verursachen. Daher ist es umso wichtiger, dass es (Beifall bei der FDP) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16767

(A) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Internetkonzerne behutsam zu besteuern. Donald Trump (C) Für die Fraktion Die Linke hat das Wort der Kollege hat jetzt Strafzölle gegen Frankreich angekündigt. Die Fabio De Masi. Bundesregierung hat sich versteckt. So geht Europa nicht. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Fabio De Masi (DIE LINKE): Wir brauchen endlich Quellen- und Strafsteuern auf Fi- Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Die Lu- nanzflüsse in Steueroasen. Das ist im Übrigen auch mög- xemburg Leaks zeigten, wie Amazon, Google und Co. lich, weil Apple seine iPhones nicht in Luxemburg oder ihre Steuern durch Steuertricks auf bis zu unter 1 Prozent Malta, sondern vor allem in Deutschland und Frankreich der Gewinne drückten. Grenzüberschreitende Steuerge- verkaufen möchte. staltungen sollen Steuerbehörden zukünftig gemeldet werden. Das ist gut, aber nicht gut genug. Uns stören an Zum Schluss eine Denksportaufgabe. Ab welchem Be- dem vorliegenden Gesetzentwurf folgende drei Punkte: trag müsste man bei einer Flat Tax den Spitzensteuersatz zahlen? Ab dem ersten verdienten Euro. Das ist grob un- Erstens. Eine nationale Meldepflicht ist nicht vorgese- gerecht. Deswegen ist das kein seriöser Vorschlag. hen. Steuertricks mit Aktiendeals wie Cum/Ex oder Cum/ Cum wären so nicht entdeckt worden. Auch Gestaltungen Vielen Dank. bei der Erbschaftsteuer wären weiterhin möglich. Die (Beifall bei der LINKEN) Steuergewerkschaft, Kollege Brehm, hat sich explizit für eine solche nationale Anzeigepflicht ausgesprochen, das heißt, sie war nicht besorgt, dass sie überflutet werden Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: mit Anzeigen. Wir brauchen aber natürlich mehr Personal Die Kollegin Lisa Paus hat nun das Wort für Bünd- in den Finanzbehörden, damit endlich Waffengleichheit nis 90/Die Grünen. mit der Steuerindustrie herrscht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der LINKEN) Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zweitens. Wir sind von den vorgeschlagenen Bußen Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass wir nicht überzeugt. Maximal 25 000 Euro bei Verstößen ge- heute das vorliegende Gesetz verabschieden, haben wir gen die Meldepflicht sind nichts im Vergleich zu den der Europäischen Union zu verdanken. Es geht um die Milliarden, die durch Steuertricks erwirtschaftet werden Anzeigepflicht betreffend grenzüberschreitender, aggres- können. Das schreckt nicht ab. Der Verweis darauf, dass siver Steuergestaltung. Es ist gut, dass wir das heute vor- (B) Verstöße gegen Meldepflichten nur eine Ordnungswid- (D) liegen haben; denn aggressive Steuergestaltung schadet rigkeit und keine Straftat darstellen und man deswegen dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und der Wirt- nicht höher gehen könnte, überzeugt mich nicht. Wir wer- schaft. Wenn das Café um die Ecke 30 Prozent Steuern den das mit unserem Starjuristen zahlen muss, aber Starbucks null Prozent, dann zerstört eingehend beraten. das den gesellschaftlichen Zusammenhalt. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Auch im Geldwäschebereich gibt es durchaus höhere bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Sanktionen, und auch da haben wir es ja mit Ordnungs- Dr. Florian Toncar [FDP]) widrigkeiten zu tun. Dass wir das Gesetz erst heute, auf den letzten Drücker, Gut ist, dass Sie die Steuergestaltung von Familienstif- verabschieden – das ein Beispiel für ein Gesetz, bei dem tungen per Änderungsantrag eingrenzen und unsere Fi- es keine Eins-zu-eins-Umsetzung der europäischen nanzbehörden durch eine Whitelist, eine Weiße Liste Richtlinie gibt –, liegt in der Tat insbesondere an der harmloser und legitimer Steuergestaltungen, entlasten. Union, die über zwei Jahre lang mit Unterstützung von Fatal ist es allerdings, die Finanzverwaltung abzuschot- massivem Lobbyeinfluss der Big Four und anderen alles ten. Natürlich müssen Steuerbehörden geschützt diskutie- versucht hat, um das Gesetz weiter auszuhöhlen. Das ist ren können. Das ist aber bereits heute über Ausnahmen nicht gut an diesem Gesetz. vom Informationsfreiheitsgesetz möglich. Sie haben im Jahressteuergesetz aber nun einen Passus eingefügt, der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Diskussionen von Steuerbehörden weiter abschottet. Dies Es ist ein umfangreiches Gesetz. Der Vorsitzende der verhindert, dass die politische Verantwortung für Steuer- Deutschen Steuer-Gewerkschaft hat es in folgendes Bild skandale wie Cum/Ex selbst Jahre später aufgeklärt wird. gekleidet: Dieses Gesetz schafft tatsächlich, dass wir Wir legen dazu heute einen entsprechenden Änderungs- Milch in relevanter Menge in eine Milchkanne bekom- antrag vor. men. Dann gibt es aber einen Paragrafen, das ist der § 138d, und der hat tatsächlich das Potenzial, die ganze Zum Schluss. Um die Steuertricks der Konzerne ein- Milchkanne mit einem Schlag wieder auszukippen. Das zuhegen, sind internationale Mindeststandards, wie sie ist das Problem an diesem Gesetz. derzeit bei der OECD diskutiert werden, ein bedeutender Fortschritt, aber nicht hinreichend; denn dort sitzen die Sie haben zwar einen Änderungsantrag gemacht, in Steueroasen immer mit am Tisch. Die USA – die größte dem Sie sagen, eine Whitelist solle vorgelegt werden, Steueroase der Welt – boykottiert selbst die Vorschläge, aber diese Whitelist liegt uns bisher nicht vor. Deswegen 16768 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Lisa Paus (A) können wir das heute nicht beurteilen, und wir haben Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (C) große Bauchschmerzen bei der Umsetzung dieses Geset- Der Kollege Lothar Binding hat jetzt das Wort für die zes. SPD-Fraktion. Außerdem haben Sie tatsächlich nationale Steuerge- (Beifall bei der SPD) staltungen ausgenommen, obwohl es dafür einen fertigen Gesetzentwurf und eine Mehrheit der Finanzminister im Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Bundesrat gab. Auch das ist auf Widerstand der Union Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Lie- gestoßen und deshalb nicht Teil des Gesetzes. be Kolleginnen und Kollegen! Liebe Lisa, „geschmug- gelt“ wurde gar nichts. Das Jahressteuergesetz ist für alle (Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Nur im Aus- Leute öffentlich, auch für alle in diesem Raum, auch für schuss, nicht im Bundesrat!) dich. Da wurde nichts „geschmuggelt“. Noch etwas: Es gibt Vorgänge, bei denen man es besser erst mal für sich Auch das ist nicht gut, aber das können Sie heute wieder behält, dass man sie untersucht. Denn wenn man diesen ändern. Wir haben einen entsprechenden Änderungsan- Sachen nachgeht und es bekannt wird, dann kannst du gar trag vorgelegt. Wir können das nicht goutieren. Es wäre nicht so schnell gucken, wie der Markt diese Gestaltung viel besser, wenn wir nationale Steuergestaltungen mit aufnimmt und sie gegen uns wendet. Es ist klug, dass aufnehmen würden; denn es gibt sie in Deutschland. man, wenn man bestimmte Dinge untersucht, das zu- Um zwei Beispiele zu nennen: Das erste Beispiel sind nächst für sich behält. Das ist richtig gut. die Share Deals. Laut Schätzungen haben wir wegen die- ser Steuergestaltung 1 Milliarde Euro an Steuerausfällen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ein zweites Beispiel ist die Erbschaftsteuer. In der letzten der CDU/CSU) Woche wurde bekannt, dass allein im letzten Jahr 26 Deut- Ich will noch etwas zu Florian Toncar sagen. Er hat sche mehr als 1 Million Euro geerbt haben, aber dafür gesagt, der Steuerpflichtige soll nicht durch weitere nicht einen Euro Steuern gezahlt haben. Das sind Gestal- Pflichten belastet werden. tungsmodelle, die es gibt, die wir aber gerne noch besser verstehen würden. Dafür bräuchten wir das. (Dr. Florian Toncar [FDP]: Nein!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist eine gute Idee. Aber dieses spezielle Gesetz er- möglicht es doch, sich ganz vieler Pflichten zu entledi- Sie von der Union haben das verhindert. gen, (Dr. Florian Toncar [FDP]: Alles okay!) (B) (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: So ein (D) Quatsch!) indem man einfach auf die Gestaltung verzichtet. Stell dir mal vor, man würde auf die unendlich vielen Gestaltun- Das ist weiterhin nicht anzeigepflichtig. gen verzichten, welchen Bürokratieabbau das bedeuten würde, welche Entlastungen sich der Steuerpflichtige da- Schließlich haben Sie – es wurde erwähnt – bereits im mit verschaffen könnte, und zwar durch eigenes Zutun! November in das Jahressteuergesetz reingeschmuggelt, dass die Auskunftsrechte, die die Bürgerinnen und Bürger (Beifall bei Abgeordneten der SPD – durch das Informationsfreiheitsgesetz haben, bei Steuer- Dr. Florian Toncar [FDP]: Er soll eine verbind- fragen nicht mehr gelten sollen. Wenn der Bund und die liche Auskunft bekommen!) Länder zu Steuerfragen zusammensitzen und ihre Strate- gien miteinander besprechen, ob man noch etwas ändern Eine kleine Sache hat mich an den Ausführungen von soll oder nicht, dann ist das nicht mehr öffentlich. Sebastian Brehm gewundert. Er hat das Gesetz gelobt, weil es mehr Transparenz bringt – im internationalen Fall. (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Gott sei Er hat dann aber gesagt, die nationale Anzeigepflicht sei Dank!) nicht so gut. Du hast weiter gesagt, ihr hättet euch dage- gen gewehrt. Das kann ich gar nicht verstehen, weil du Das scheint eine Reaktion auf die Untersuchungen und doch gerade noch für Transparenz warst. Wir sind für Aufdeckungen im Zusammenhang mit Cum/Ex zu sein; Transparenz, auch im nationalen Fall. denn da waren diese Dokumente wichtig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Das ist doch ein der LINKEN – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Framing!) Welcher Fall denn?) Insofern: Dieser kleine Punkt bleibt noch offen. Ihre Konsequenz ist nicht, das tatsächlich aufzuarbeiten, sondern, stattdessen die Informationsrechte zu reduzie- Wir setzen einen großen Teil des BEPS-Projekts, un- ren. Auch das finden wir nicht in Ordnung. Deswegen seres großen Projektes zur Vermeidung von Steuergestal- werden wir uns bei der Abstimmung über das Gesetz tung, um. Jeder weiß, dass Steuergestaltung zu Wettbe- enthalten. Mit unseren Anträgen geben wir Ihnen noch werbsstörungen führt, weil derjenige, der geschickt eine letzte Möglichkeit, diese gewichtigen Fehler zu kor- gestaltet, einen Wettbewerbsvorteil hat. Das führt zur rigieren. Erosion der Unternehmensbesteuerung, was ein großes Problem ist. Und das führt – Wiebke Esdar hat darauf (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hingewiesen – zur Untergrabung der Moral und der Ver- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16769

Lothar Binding (Heidelberg) (A) antwortung. Auch das ist eine Sache, die wir bei Steuer- (Beifall bei der CDU/CSU) (C) gestaltung und Steuerzahlung berücksichtigen müssen. Fritz Güntzler (CDU/CSU): Es stimmt: Die Richtlinie, die wir umsetzen, hat den Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin- Mangel des unbestimmten Rechtsbegriffs. Aber ich frage nen und Kollegen! Nun haben wir die Anzeigepflichten. mal, ob jemand hier überhaupt ein Gesetz im deutschen Wie Kollege Brehm zu Recht ausgeführt hat, haben wir Rechtsraum nennen kann, in dem es keine unbestimmten sie zum Glück nur für grenzüberschreitende Steuergestal- Rechtsbegriffe gibt. tungen. (Dr. Florian Toncar [FDP]: Aber so viele!) Ziel ist es, Steuervermeidungstaktik, Steuergestaltun- Rechtsanwälte, Steuerberater und auch wir Parlamenta- gen, Gewinnverlagerungen zeitnah zu identifizieren und rier können damit umgehen. Gleichwohl war es eine rich- zu verringern; denn wir wissen alle nicht zuletzt seit Ver- tig große Schwierigkeit, das ein bisschen einzudämmen. öffentlichung der Panama Papers und Paradise Papers im Deshalb finde ich die Idee der Whitelist, über die im Jahr 2016, dass in bis dahin unbekannter Dimension Geld Gesetz steht, dass wir sie brauchen, sehr gut. Die White- in der Welt durch die Gegend geschoben wurde, um indi- list beinhaltet ja das Gegenteil von den Dingen, die wir viduelle Steuerlasten zu minimieren. Aggressive Steuer- anzeigen sollen. Darin ist das aufgeschrieben, was wir sparmodelle waren die Grundlage dafür. nicht anzeigen sollen, damit der Steuerberater – wir sagen Für uns erschreckend war aber nicht nur, dass Steuer- „Intermediär“ – oder das Rechtsanwaltsbüro weiß, was gestaltung in diesem Ausmaß stattgefunden hat, sondern nicht getan werden soll. Das ist schon mal eine ganz gute auch, dass sie systematisch und standardisiert stattgefun- Sache. Aber jeder, der sagt: „Das ist damit noch nicht den hat, dass es einen ganzen Markt gab, auf dem Inter- eineindeutig definiert“, hat recht. Damit müssen wir le- mediäre diese Dinge angeboten haben. Von daher glaube ben. ich, dass man in diesen grenzüberschreitenden Fällen eine Anzeigepflicht braucht, und auch, dass man eine Sank- Ich glaube, im Laufe der Jahre wird man rausfinden, tionierung braucht, wenn ihr nicht nachgekommen wird. was meldepflichtig ist und was nicht. Modellfabriken je- denfalls, die sozusagen mäanderartig um die Gesetzge- (Beifall bei der CDU/CSU) bung herumfließen, um eine Gestaltung zu entwickeln, Der Kollege Glaser von der AfD wohnt der Debatte sind – das weiß jeder – anzeigepflichtig. Wenn das Mo- leider nicht mehr bei, obwohl er das Thema ja so komplex dell verkauft wird, dann muss jemand dafür bezahlen, und findet. Er hätte hier ja vielleicht noch ein paar Erkenntnis- der weiß auch, warum, weil er nämlich Steuern damit se gewinnen können. spart. Was nicht gemeint ist, ist die normale Steuerbera- (B) tung. Dabei geht es um normale Wahlrechte, um das, was (Zuruf der Abg. Dr. [AfD]) (D) üblicherweise passiert. Ich will es ganz kurz machen, weil Das ist bedauerlich. Ich wundere mich schon, dass bei die Zeit knapp ist: Wer bisher Anteile überträgt, der kann jedem Gesetz gegen Steuermissbrauch, gegen nicht er- das nach § 8c KStG machen, riskiert dann den Verlust- laubte Steuergestaltung, das wir hier beraten, die AfD untergang. Oder er macht das nach § 8d KStG und hat dagegen ist. Das war bei einem Gesetz zum Umsatz- dann eine fortführungsgebundene Verlustbehandlung; die steuerbetrug bei Onlineplattformen so; jetzt ist das wieder ist dann gut. Das ist die freie Wahlentscheidung des so. Ich meine, Kolleginnen und Kollegen von der AfD, Steuerberaters. Diese Freiheit hat er jetzt immer noch. Sie machen sich zunehmend zum Handlanger von Steuer- Den Hinweis auf die Verschwiegenheitspflicht habe tricksern in Deutschland. Das akzeptieren wir nicht. Wir ich nicht ganz verstanden. Da ist jemand; der geht zum sind da der genau anderen Auffassung. Steuerberater und wird beraten. Jetzt ist die Frage: Wer (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, meldet eigentlich dieses Modell? Jetzt entbindet der Kun- der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE de den Steuerberater, seinen ihm vertrauten Steuerberater, GRÜNEN) der ja tiefe Einblicke in seine Lebenslage bekommt, da- von, es zu melden; er will es selber melden. Was ist das Wir setzen die Richtlinie eins zu eins um; denn die für ein Vertrauensverhältnis? Das verstehe ich gar nicht. nationale Anzeigepflicht, die hier schon eine gewisse Der kann das doch gar nicht selber, ohne Steuerberater, Rolle gespielt hat, ist nicht Bestandteil dieser Richtlinie. machen. Ich glaube, da besteht eine übertriebene Angst, Das Ministerium unter der damaligen Führung von die man nicht zu haben braucht. Wolfgang Schäuble und Staatssekretär hat immer gesagt: Lasst uns doch erst mal die grenzüber- Insofern ist klar: Dieses Gesetz bringt eine wunderbare schreitende Anzeigepflicht umsetzen und gucken, ob sie Entlastung für den Steuerpflichtigen, es ist eine wunder- wirkt; dann können wir immer noch über eine nationale bare Möglichkeit, uns von Bürokratie zu entlasten, und es Anzeigepflicht nachdenken. – Die Bereitschaft dazu be- ist eine wunderbare Möglichkeit, Transparenz zu schaf- steht auch bei uns. Aber bis jetzt gibt es keine Antwort auf fen – drei gute Gründe, das Gesetz anzunehmen. die Frage, was in Vergangenheit gemeldet worden wäre, wenn es die nationale Anzeigepflicht gegeben hätte. Alle (Beifall bei der SPD) Dinge, über die wir reden – Cum/Ex, Cum/Cum, „Gold- finger“, alles, was man sich vorstellen kann –, laufen nur Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: grenzüberschreitend. Die nationale Gestaltung, die tat- Der letzte Redner zu diesem Punkt ist der Kollege Fritz sächlich anzeigepflichtig gewesen wäre, kenne ich bis Güntzler, CDU/CSU-Fraktion. jetzt nicht. Die liegt nicht auf dem Tisch. 16770 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Fritz Güntzler (A) (Zuruf der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE darüber nachdenken, ob wir nicht zu diesem fairen Aus- (C) GRÜNEN]) gleich kommen können, wenn die Anzeigepflicht weiter- besteht und zum Erfolg führt. Von daher wird hier ein Phantom aufgebaut. Von daher sage ich: Lassen Sie uns erst mal den Anfang machen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Wenn es denn notwendig ist, können wir weitergucken. der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Von daher werden wir heute diesem Gesetz zustimmen. Wir sind alle aufgefordert, das zu beobachten. Wir haben Ich finde es aufgrund der Rechtsunsicherheit, die tat- über einen Umdruck einen Änderungsantrag des Inhalts sächlich besteht, wichtig, dass wir die Steuergestaltung eingebracht, dass wir uns im Finanzausschuss regelmäßig erst einmal über die Anzeigepflicht erkennen. Wir kennen berichten lassen: Das Gesetz soll kein Bürokratiemonster die Art der Steuergestaltung jetzt ja nicht. Von daher be- werden, es soll angemessen sein, und es soll dazu führen, darf es der Umschreibung möglicher Sachverhalte, die dass die wirklichen Fälle gemeldet werden. Wie Kollege eine Steuergestaltung darstellen können. Und von daher Brehm schon gesagt hat, werden es gar nicht so viele sein, sind das unbestimmte Rechtsbegriffe, die ausgelegt wer- wie manche glauben; denn die Mehrheit der Deutschen ist den müssen. Für uns ist aber auch wichtig, dass nicht steuerehrlich, und das ist auch gut so. Alltagsfälle anzeigepflichtig werden. Von daher ist die Whitelist eine gute Lösung. Die muss jetzt zeitnah vom Herzlichen Dank. BMF vorgelegt werden, damit die Nutzer und die Inter- mediäre wissen, was anzuzeigen ist und was nicht anzu- (Beifall bei der CDU/CSU) zeigen ist. Von daher muss das schnell kommen. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Ich sage: Wir gehen mit den Steuerpflichtigen fair um. Die wenigsten wissen vielleicht – diejenigen, die heute Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache. zuhören, wissen es, nachdem ich es gesagt habe –, dass Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- Gestaltungen seit dem 25. Juni 2018 grundsätzlich anzei- desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Einfüh- gepflichtig sind und diese Anzeigen bis zum 30. August rung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender 2020 zu erfolgen haben. Wir wollen die Anzeigen haben, Steuergestaltungen. Der Finanzausschuss empfiehlt in aber da Unsicherheit besteht, haben wir sie nicht mit seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/15876, Sanktionen belegt – das gilt nur für die neuen Gestaltun- den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache gen –, um die Chance zu bieten, sich in dem neuen System 19/14685 und Drucksache 19/15117 in der Ausschussfas- zurechtzufinden. sung anzunehmen. Hierzu gibt es zwei Änderungsanträ- ge. Über die stimmen wir zuerst ab. (B) Dass wir uns noch andere Dinge hätten vorstellen kön- (D) nen, ist klar. Die Verschwiegenheitsverpflichtung ist an- Zunächst der Änderungsantrag der Fraktion Die Linke gesprochen worden. Die Richtlinie hat eine Möglichkeit auf Drucksache 19/15885. Wer stimmt für diesen Ände- vorgesehen, dass Intermediäre, die zur Verschwiegenheit rungsantrag? – Das sind Die Linke und die Grünen. Wer verpflichtet sind, grundsätzlich raus sind, dass die Pflicht stimmt dagegen? – Das sind alle übrigen Fraktionen. Ent- beim Nutzer liegt und sie nur bei Freigabe übergehen haltungen? – Keine. Der Änderungsantrag ist damit ab- kann. Das hat Deutschland sogar in die Richtlinie rein- gelehnt. verhandelt. Der Gesetzentwurf sah dann anders aus. Das ist dann so. Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/15886. Wer stimmt für diesen Ände- Noch zwei andere Dinge, die mir persönlich wichtig rungsantrag? – Das sind Bündnis 90/Die Grünen und sind, sind bereits angesprochen worden: Linke. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Koalition und die AfD. Enthaltungen? – Die FDP. Damit ist der Ich glaube, wir müssen mehr darüber nachdenken, wie Änderungsantrag abgelehnt. wir zu einer zeitnahen Betriebsprüfung kommen, wie wir zu einer kooperativen Betriebsprüfung wie in Österreich Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf auf kommen, damit die Finanzverwaltung viel schneller die Drucksachen 19/14685 und 19/15117 in der Ausschuss- Fälle erkennt, ohne Anzeigepflicht, sodass wir als Gesetz- fassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Das geber darauf reagieren können, aber auch in der Veranla- ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Das sind AfD gung. und FDP. Enthaltungen? – Grüne und Linke. Der Gesetz- entwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir kommen zur Den zweiten Punkt hat der Kollege Toncar angespro- chen. Dieser Punkt ist sehr wichtig. Wenn man sich damit dritten Beratung beschäftigt, dann weiß man, dass es von Professor Schön und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem vom MPI für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – München ein Gutachten dazu gibt. Er hat gesagt: Wir Das ist wieder die Koalition. – Dagegen stimmen AfD können Anzeigepflichten machen, aber dann muss das und FDP. Enthaltungen? – Linke und Grüne. Der Gesetz- fair sein. Also: Der Steuerpflichtige meldet etwas, aber entwurf ist damit angenommen. der Staat muss dann auch sagen können, was in Ordnung ist und was nicht in Ordnung ist. Man braucht also eine Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Entschlie- verbindliche Auskunft. Ich glaube, wir sollten noch mal ßungsanträge. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16771

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich (A) Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Druck- Verbindliche patienten- und aufgabenge- (C) sache 19/15887. Wer für diesen Entschließungsantrag rechte Personalvorgaben für alle im Kran- stimmt, den bitte ich ums Handzeichen. – Das sind die kenhaus tätigen Bezugsgruppen einführen FDP, die AfD und Die Linke. Gegenprobe! – Die Koali- tion und die Grünen. Enthaltungen? – Keine. Der Ent- Drucksache 19/15790 schließungsantrag ist damit abgelehnt. Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/15888. Wer stimmt dafür? – Für die Aussprache sind wieder 30 Minuten beschlos- Das sind die Grünen und die Linken. Wer stimmt dage- sen. gen? – Das sind alle übrigen Fraktionen. Der Entschlie- Wir beginnen mit der Aussprache. Ich erteile das Wort ßungsantrag ist abgelehnt. der Kollegin Karin Maag für die CDU/CSU-Fraktion. Zusatzpunkt 7. Interfraktionell wird Überweisung der (Beifall bei der CDU/CSU) Vorlage auf Drucksache 19/15771 an den Finanzaus- schuss vorgeschlagen. Gibt es andere Überweisungsvor- Karin Maag (CDU/CSU): schläge? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir wie Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! vorgeschlagen. Beim Wettbewerb zwischen den Kassen soll es um die Ich rufe die Tagesordnungspunkte 18 a bis 18 d auf: beste Versorgung, um den besten Service und um die beste Qualität für die Patienten gehen. Mit dem Fairer- a) Erste Beratung des von der Bundesregierung Kassenwettbewerb-Gesetz sorgen wir dafür, dass die eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes für Kassen zielgenau auch die dafür notwendigen Mittel er- einen fairen Kassenwettbewerb in der ge- halten. setzlichen Krankenversicherung (Fairer- Kassenwettbewerb-Gesetz – GKV-FKG) Die Patienten und Versicherten müssen sich zum einen darauf verlassen können, dass mit ihren Beiträgen weder Drucksache 19/15662 Juliustürme angehäuft werden noch an notwendiger Ver- sorgung gespart werden muss. Zum anderen müssen sie Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit (f) sich natürlich auch darauf verlassen können, dass die Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Kassen ihre Kunden nicht nach guten oder schlechten b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gesundheitsrisiken auswählen. Maria Klein-Schmeink, Dr. Kirsten Das dafür notwendige Instrument, der sogenannte Ri- (B) Kappert-Gonther, Kordula Schulz-Asche, sikostrukturausgleich, hat sich grundsätzlich bewährt. Er (D) weiterer Abgeordneter und der Fraktion war aber immer als lernendes System gedacht. Nun haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fehlanreize und Wettbewerbsverzerrungen über die Jahre Mehr Qualitätstransparenz für Versicher- dazu geführt, dass die Zuweisungen an die Kassen für te, mehr Anreize für bessere Versorgung – einige Versichertengruppen die tatsächlichen Ausgaben Solidarische Wettbewerbsordnung in der übersteigen und bei anderen die Zuweisungen nicht aus- gesetzlichen Krankenversicherung weiter- kömmlich sind. Das führt dazu, dass die systematisch entwickeln unterdeckten Kassen im Wettbewerb bestraft werden. Das heißt, sie müssen höhere Zusatzbeiträge erheben. Drucksache 19/9565 Für uns heißt das: Der Finanzausgleich muss zielgenauer werden. Deshalb machen wir mit dem neuen Gesetz die Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit Zuweisungen für unsere Versicherten besser, genauer und damit auch insgesamt gerechter. c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Detlev Spangenberg, Dr. Robby Schlund, Konkret stärken wir zum Beispiel die Prüfungskompe- Paul Viktor Podolay, weiterer Abgeordneter tenz beim Bundesversicherungsamt, damit von dort aus und der Fraktion der AfD Manipulationen, die es gegeben hat, erfolgreicher unter- bunden werden können. Künftig wird es auch eine soge- Lieferengpässe bei Arzneimitteln wirksam nannte Manipulationsbremse geben, die sicherstellt, dass begrenzen, Abhängigkeit der Arzneimit- es sich für einige schwarze Schafe unter den Kassen nicht telversorgung vom Nicht-EU-Ausland ab- mehr lohnt, Ärzte ausschließlich für die Dokumentation bauen von Diagnosen zu bezahlen, um sich so ungerechtfertigt Drucksache 19/15789 höhere Zuweisungen zu erschleichen. Aber selbstver- ständlich – das sei auch hier angesprochen – wollen wir Überweisungsvorschlag: gute Versorgungsverträge nicht verhindern, die dann na- Ausschuss für Gesundheit (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz türlich an Diagnosen gekoppelt sind. Darüber werden wir Ausschuss für Wirtschaft und Energie in den nächsten Wochen reden müssen. Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union d) Beratung des Antrags der Abgeordneten (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Detlev Spangenberg, Dr. Robby Schlund, Wir wollen, dass die Bundes- und Länderaufsicht besser Paul Viktor Podolay, weiterer Abgeordneter kooperieren; denn auch unterschiedliches Aufsichtshan- und der Fraktion der AfD deln führt zu Wettbewerbsverzerrungen. 16772 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Karin Maag (A) (Beifall des Abg. Dr. Roy Kühne [CDU/CSU]) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (C) Mit dem neuen Gesetz führt es vor allen Dingen auch Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der nächste Redner: für kleinere Kassen nicht mehr an den Rand des Ruins, wenn die AfD-Fraktion der Kollege Dr. Robby Schlund. ihre Versicherten bei einmaligen und kurzfristigen Be- (Beifall bei der AfD) handlungen teure Medikamente benötigen. Mit einem Hochrisikopool werden künftig 80 Prozent der Leistungs- Dr. Robby Schlund (AfD): ausgaben, die über einem Schwellenwert von 100 000 Eu- Herr Präsident! Werte Kollegen! Liebe Gäste auf den ro liegen, erstattet. Rängen, besonders von der BPA-Gruppe aus meinem Wir schaffen auch einen Anreiz für die Krankenkassen, Wahlkreis! Herzlich willkommen! Wir reden heute über sich dafür einzusetzen, dass ihre Versicherten mehr Vor- ein Gesundheitsthema. Das Fairer-Kassenwettbewerb- sorge- und Früherkennungsmaßnahmen in Anspruch neh- Gesetz ist aber nichts weiter als ein Sammelsurium ver- men. schiedener Stellschrauben, mit dem Fehler der Vergan- genheit und auch aus dieser Legislatur nachjustiert wer- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) den sollen. Wir stärken diese Kassen, die dafür sorgen, dass Krank- Herr Spahn, auch hier gilt: Nach fest kommt lose. Ja, heit gar nicht erst entsteht. Dass die Krankheiten abhän- Fehler müssen korrigiert werden. Aber bitte vermischen gig vom Alter der Patienten zu unterschiedlichen Behand- Sie nicht alles. Man bekommt dann sehr schnell den Ein- lungskosten führen, wird künftig ebenso berücksichtigt, druck, es solle etwas vertuscht werden. Machen Sie nicht wie zum Beispiel positive Effekte von strukturierten Be- mit der einen Hand ein neues Gesetz, während Sie mit der handlungsprogrammen berücksichtigt werden. anderen die Probleme Ihres Pflegepersonal-Stärkungsge- setzes korrigieren wollen! Denn wer die Hände voll hat, Die hausärztliche Versorgung, meine Damen und Her- kann nichts Neues mehr tragen. Das, meine Damen und ren, führt bei vielen Krankheiten zu niedrigeren Ausga- Herren, ist altbekannt. ben als die Versorgung über die Fachärzte. Deswegen werden künftig Zuschläge für eine Kasse abhängig davon (Beifall bei der AfD – Karin Maag [CDU/ gezahlt, ob die Diagnose vom Hausarzt oder vom Fach- CSU]: Und was soll das heißen, Herr Kollege?) arzt gestellt wurde. Zum Beispiel sollen auf der einen Seite die Geldzuwei- (Sabine Dittmar [SPD]: Hochgefährlich!) sungen unter den gesetzlichen Krankenkassen neu gere- gelt werden. Auf der anderen Seite aber sollen Arznei- Der Risikostrukturausgleich wird überdies um eine Re- mittelrabatte weiter verreguliert werden. Damit wollen (B) gionalkomponente erweitert. Das ist umstritten. Der Wis- Sie wirklich Wettbewerbsverzerrungen vermeiden? Ehr- (D) senschaftliche Beirat beim Bundesversicherungsamt will lich, gerade die Rabattverträge sind es, die Kostendruck damit einer Marktkonzentration vorbeugen, die sich in und Lieferengpässe verursachen sowie den Wettbewerb einigen Bundesländern zugunsten einer Kassenart sehr in der Tat verzerren. Damit, liebe Kolleginnen und Kol- deutlich herausgestellt hat. Wir werden hierbei natürlich legen, machen wir Deutschland erpressbar und abhängig, auch darauf achten, dass ein etwaiger Ausgleich nicht weil wir Arzneimittel aus Schwellenländern beziehen zulasten innovativer und effizienter Gesundheitssysteme müssen. an anderer Stelle geht. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Von der einstmaligen „Apotheke der Welt“ sind wir Schließlich werden wir uns in unserem weiteren Ver- nun Arzneistoffimporteur mit allen zugehörigen negati- fahren auch mit den Änderungen bei den Strukturen des ven Folgen geworden: erstens Lieferengpässe für Blut- GKV-Spitzenverbands beschäftigen: Mit einem neuen druckmittel, Antidepressiva und das Schmerzmittel Lenkungs- und Koordinierungsausschuss führen wir ein Ibuprofen sowie zweitens Abhängigkeit von chinesischen Mitspracherecht der versorgenden Kassen ein. Bei den und indischen Pharmaprodukten. Entscheidungen sollen so die Interessen der Versicherten, der Patienten, besser berücksichtigt werden. (Marianne Schieder [SPD]: Geht’s noch schlimmer?) (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Durch die Sprechen wir dabei nicht von den Umweltverschmutzun- Vorstände der Kassen? Na ja, das sind ja auch gen des Ganges mit pharmazeutischen Chemikalien, die Versicherte!) die Menschen vor Ort krank machen, und sprechen wir Die vorgesehenen Maßnahmen gegen die Liefereng- bitte auch nicht von den lebensgefährlichen Verunreini- pässe im Arzneimittelbereich wird der Kollege Hennrich gungen in chinesischen Arzneimitteln. beurteilen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinpro- Ich freue mich jetzt auf die weiteren Beratungen zu dukte führt aktuell 529 Arzneimittel auf, die nicht binnen einem guten Gesetzentwurf. zwei Wochen zu bekommen sind. Innerhalb der letzten vier Jahre – stellen Sie sich das einmal vor! – stiegen die Herzlichen Dank. Engpässe um sage und schreibe 700 Prozent. Selbst Not- fallmedikamente sind zum Teil nicht mehr erhältlich. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) (Norbert Kleinwächter [AfD]: Unglaublich!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16773

Dr. Robby Schlund (A) Deshalb fordert die AfD-Fraktion erstens die Modifizie- krankung diskriminiert wird. Der Rosinenpickerei wird (C) rung der Rabattverträge, zweitens Zuschläge an mindes- durch einen funktionierenden Risikostrukturausgleich tens zwei Anbieter. Drittens. Einer dieser Anbieter soll ein Riegel vorgeschoben. das Fertigarzneimittel und den Wirkstoff in der EU her- stellen lassen. (Beifall bei der SPD) Hier zeigt sich auch, wie weit das System der gesetz- (Beifall bei der AfD) lichen Krankenversicherung dem privaten Krankenversi- Aber wir fordern vor allem eines: mehr Qualität statt cherungssystem voraus ist. Quantität. Meine Damen und Herren, das sind wir unse- (Beifall bei der SPD) ren Bürgern schuldig, die jeden Tag ihr Bestes für unser Land geben. Aus den zahlreichen Bürgerbriefen, die mich täglich er- reichen, weiß ich, wie viele Privatversicherte händerin- (Beifall bei der AfD) gend in die Solidargemeinschaft zurückkehren wollen. Sie geben den Kliniken in den kommenden Jahren un- Der Kitt, der diese Solidargemeinschaft zusammenhält, bürokratisch 250 Millionen Euro für die Pflege aus den ist der Risikostrukturausgleich. Im Koalitionsvertrag ha- Liquiditätsreserven des Gesundheitsfonds. Wie sieht es ben wir vereinbart, dass wir den Finanzausgleich unter aber mit den Personalkosten von zum Beispiel Ärzten, Berücksichtigung der Gutachten des Wissenschaftlichen Physiotherapeuten oder Ergotherapeuten aus, die im Beirats beim Bundesversicherungsamt mit dem Ziel eines Trümmerhaufen des völlig überholten Fallpauschalensys- fairen Wettbewerbs weiterentwickeln und ihn vor Mani- tems verblieben sind? pulationen schützen werden. Das gehen wir mit dem vor- liegenden Gesetzentwurf an. Wir gehen dabei in die rich- Wir, die AfD, fordern deshalb, dass ein Gesetzentwurf tige Richtung. vorgelegt wird, in dem die Kosten aller Berufsgruppen aus den Fallpauschalen entflochten werden. Aber ehrlich In den vergangenen Jahren gab es zwischen den ver- gesagt: Besser noch ist es, Sie schaffen einfach dieses alte schiedenen Kassenlagern heftige Auseinandersetzungen Fallpauschalensystem ab und ersetzen es durch ein Capi- um den RSA. Ein Auftragsgutachten löste das andere ab. tation-Modell mit Regionalfaktor. – Einer Überweisung Dabei ist manchmal der differenzierte Blick dafür ver- in den Gesundheitsausschuss stimmen wir zu. lorengegangen, dass auch innerhalb der Kassenarten die Finanzergebnisse sehr unterschiedlich sind. Zukünftig Vielen Dank, meine Damen und Herren. wird der Wissenschaftliche Beirat regelmäßig eine Eva- luation durchführen. Die Kassen können sich dann wieder (Beifall bei der AfD) ihrem Kerngeschäft, der guten Versorgung, zuwenden. (B) (D) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Kollegin Sabine Mir ist wichtig: Es geht beim Risikostrukturausgleich Dittmar. nicht um den Ausgleich von Finanzergebnissen. Es geht um den Ausgleich von unterschiedlichen Risiken und um (Beifall bei der SPD) die Schaffung gleicher und fairer Wettbewerbsbedingun- gen für alle. Sabine Dittmar (SPD): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Schön, (Beifall bei der SPD) dass wir nach den langen Ressortabstimmungen nun end- Deshalb, Kolleginnen und Kollegen, müssen wir ord- lich das Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz im parlamenta- nungspolitisch sauber vorgehen. Hierfür sind die Emp- rischen Verfahren beraten können. Sie wissen: Auslöser fehlungen des Wissenschaftlichen Beirats eine gute für die monatelangen Verzögerungen waren die umstritte- Grundlage. Handlungsleitend muss sein, dass der RSA nen Vorschläge zum Organisationsrecht der Kassen. Nun noch zielgenauer und manipulationsresistent wird. Kas- liegt ein Gesetzentwurf vor, der die Kassenfinanzierung sen sollen Anreize haben, sich um gute Versorgung zu umfassend reformieren soll. Das bedeutet viel Detailar- kümmern, statt mit fragwürdigen Satzungsleistungen beit. Kassenfinanzierung und Risikostrukturausgleich um junge gesunde Versicherte zu buhlen. sind eher „Feinschmeckerthemen“. Diskutiert wird darü- ber oft in einem kleinen Zirkel der betroffenen Kranken- (Beifall bei der SPD) kassen. Über- und Unterdeckungen gibt es in den verschiede- Deshalb möchte ich hier zunächst herausstellen, wie nen Versichertengruppen immer noch. Die müssen wir immens wichtig der Risikostrukturausgleich für die ge- abbauen. Deshalb werden wir die im Gesetzentwurf vor- setzliche Krankenversicherung, für die Stabilität der Bei- geschlagenen Maßnahmen im parlamentarischen Verfah- tragssätze und vor allem für eine gute Versorgung der ren sehr genau prüfen und ihre Wirkung hinterfragen. Das über 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten ist. gilt genauso für die Nichtberücksichtigung der Erwerbs- minderungsrentner wie für die Ausgestaltung des Hoch- ([Beifall bei der SPD) risikopools oder die Regionalkomponente. Das geht mir in der Debatte allzu oft unter. Für uns Sozial- Für uns Sozialdemokraten ist es außerdem sehr wich- demokraten stellt der Risikostrukturausgleich sicher, dass tig, den Finanzausgleich immun zu machen gegen Mani- kein einziger Versicherter von seiner Krankenkasse auf- pulationsversuche. Der Gesetzentwurf setzt hier gute grund seines Alters, seines Geschlechts oder seiner Er- Akzente. Es ist richtig, die Prüfkompetenzen des Bundes- 16774 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Sabine Dittmar (A) versicherungsamtes zu verstärken und eine noch engere sind, hätten wir lieber in der Patientenversorgung gese- (C) Abstimmung der Aufsichtsbehörden und damit ein ein- hen. heitlicheres Aufsichtshandeln zu erreichen. Im Übrigen hege ich auch Sympathie für den Vorschlag, die Finanz- (Beifall bei der FDP) aufsicht beim Bund und die Versorgungsaufsicht beim Die angestrebte Reform ist also ein wichtiger und rich- Land für alle Kassen zu verorten. Die Vertragstranspa- tiger Schritt. Wir begrüßen zum Beispiel auch die Ein- renzstelle, die bereits beschlossenen Kodierrichtlinien führung einer Regionalkomponente, weil dadurch regio- und die Einführung einer zertifizierten Praxissoftware nale Unterschiede ausgeglichen werden. Ebenso ist die werden die Manipulationsresistenz sicher weiter erhöhen. Einführung eines Risikopools für Hochkostenfälle sach- Es gibt jedoch auch Maßnahmen, deren Effizienz und gerecht, weil insbesondere kleine Krankenkassen da- deren Auswirkungen sich mir nicht erschließen. Ich spre- durch spürbar entlastet werden können. che zum einen von der Manipulationsbremse: Wie ist ihre Auswirkung auf die Morbiditätsorientierung des RSA? Auch dass Präventionsangebote im RSA jetzt besser Kann sie überhaupt präventiv wirken, oder sanktioniert abgebildet werden, ist sehr erfreulich. Dass dies notwen- sie nur kollektiv? Zum anderen spreche ich vom geplan- dig ist, haben wir seit Jahren auf jeder Podiumsdiskussion ten Diagnoseverbot in Versorgungsverträgen. Be- angemahnt. Insofern freuen wir uns, dass mit der Vorsor- treuungsstrukturverträge, die reine Vergütung für Diag- gepauschale das Ziel erreicht ist, Präventionsmaßnahmen nosen vorsahen, sind bereits seit drei Jahren verboten. auch langfristig attraktiver zu machen. Das ist auch gut so. Aber wie ein Vertrag aussehen soll, der ärztliche Leistung ohne irgendeinen Diagnosebezug Wir kommen also dem Ziel näher. Ob möglicherweise vergütet, hat man mir noch nicht schlüssig darlegen kön- noch mehr geht, werden wir in der Anhörung klären. nen. Für mich als Ärztin ist die Diagnose die Sprache der Nächstes Thema. Die geplante Ersetzung des ehren- Medizin. Deshalb werden wir in den anstehenden Bera- amtlichen Verwaltungsrates durch hauptamtliche Kassen- tungen sorgfältig darauf achten, dass bewährte Versor- vorstände wurde aufgrund der Proteste Gott sei Dank aus gungsstrukturen nicht zerstört und innovative Versor- dem Gesetzentwurf gestrichen. Herr Minister, da wurden gungskonzepte nicht unmöglich gemacht werden. Sie zu Recht von den eigenen Leuten oder von Ihrem (Beifall bei der SPD) Koalitionspartner zurückgepfiffen, und das ist auch gut so. Der neu vorgesehene Lenkungs- und Koordinierungs- Den Fokus werden wir auch auf den geplanten Lenk- ausschuss aus hauptamtlichen Vorständen der Kranken- ungs- und Koordinierungsausschuss richten. Der Spitzen- kassen birgt aber unseres Erachtens genauso gut die Ge- verband darf nicht durch Gremienvorbehalte in seiner fahr, die Sozialpartner zu schwächen. (B) Arbeit eingeschränkt werden. Wir werden deshalb kri- (D) tisch nachhaken, welche Verbesserungen ein solches Gre- (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Achim mium mit sich bringen soll. Kessler [DIE LINKE]) Ich freue mich auf die parlamentarischen Beratungen, Es handelt sich hier um ein völlig systemfremdes Gre- danke für die Aufmerksamkeit bei dieser knochentrocke- mium, für das überhaupt keine Notwendigkeit besteht. nen Materie und wünsche noch einen schönen Abend! Deswegen sagen wir: Das muss weg.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der FDP) der CDU/CSU) Nächster Punkt. Es war richtig, von einer bundesweiten Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Öffnung der AOKen abzusehen. Dennoch wünschten wir uns ein Mehr an einheitlichem Aufsichtshandeln. Meine Für die FDP-Fraktion hat das Wort die Kollegin Damen und Herren, die Genehmigung von Hausarztver- Christine Aschenberg-Dugnus. trägen oder Verträgen zur integrierten Versorgung müssen (Beifall bei der FDP) im Sinne der Patientinnen und Patienten von den Auf- sichten in Bund und Ländern gleich bewertet werden. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Nur wenn die Regeln für alle identisch sind, ist ein fairer Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Wettbewerb sichergestellt. Kollegen! Die beabsichtigten Neuregelungen beim Risi- Letzter Punkt. Auch wir werden in der Anhörung ganz kostrukturausgleich begrüßen wir ausdrücklich; denn ei- genau nachfragen, ob durch das Gesetz mit seinem Verbot ne Reform des „morbiditätsorientierten Risikostruktu- rausgleichs“ – ich sage das nur einmal, dann nicht von spezifischen Behandlungsdiagnosen innovative Ver- sorgungsformen verhindert werden, so wie es die Allianz mehr – haben wir als FDP immer gefordert. Als Fraktion deutscher Ärzteverbände vermutet. Das wollen wir nicht. der Freien Demokraten sind wir der festen Überzeugung, dass die Krankenkassen in einem fairen und transparenten Das wäre auch nicht im Patientenwohl. Wettbewerb miteinander stehen müssen. Die bestehenden Ich freue mich auf die Diskussion und die weitere Be- Regelungen ermöglichen das nicht, und das ist uns auch ratung. allen bewusst. Ursächlich für die jetzige Misere ist die derzeitige Ausgestaltung des RSA. Er ist nämlich mani- Vielen Dank. pulationsanfällig und setzt Fehlanreize, Stichwort „Upco- ding“. Die Milliarden, die in das Upcoding geflossen (Beifall bei der FDP) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16775

(A) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: gen aus ihren Beiträgen finanziert, deren Nutzen – wie (C) Der nächste Redner für die Fraktion Die Linke: der zum Beispiel bei der Homöopathie – wissenschaftlich Kollege Dr. Achim Kessler. nicht nachgewiesen ist. Meine Damen und Herren, das ist Unsinn, und das muss beendet werden. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Dr. Achim Kessler (DIE LINKE): Die Kassen bekommen Geld für die Krankheitsdiagno- Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe sen ihrer Versicherten, und nicht für die tatsächlichen Gäste auf der Tribüne! Herr Minister Spahn, schon 2012 Kosten, die sich aus der Behandlung ergeben. Solange haben Sie vom „einheitlichen Versicherungsmarkt“ als das so ist, wird es Manipulationsversuche geben. Nie- Ihrer Zukunftsvision gesprochen. Nach Ihrer Vorstellung mand käme auf die Idee, Schulen nach den Noten ihrer sollen sich die gesetzliche und die private Krankenver- Schülerinnen und Schüler, niemand käme auf die Idee, sicherung angleichen – in einem, wie Sie sagen, „offenen die Polizei nach der Anzahl ihrer Festnahmen zu finan- Wettbewerbssystem“. zieren. Aber bei den Krankenkassen soll das funktionie- ren? Meine Damen und Herren, das ist absurd. Mit dem vorliegenden Gesetz kommen Sie dieser Hor- rorvision wieder ein Stück näher. Noch unterliegt die ge- (Beifall bei der LINKEN) setzliche Krankenversicherung dem Sozialrecht. Aber erstmals schreiben Sie den Wettbewerb in das fünfte So- Hören Sie auf, immer mehr Markt und Wettbewerb in zialgesetzbuch. Schritt für Schritt bereiten Sie vor, dass die Gesundheitspolitik zu bringen! Das schadet den Ver- die gesetzliche Krankenversicherung wie die private dem sicherten. Wettbewerbsrecht und damit letztendlich dem EU-Recht Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. unterworfen wird. Dem stellt sich Die Linke konsequent entgegen. (Beifall bei der LINKEN)

(Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Herr Minister, Sie untergraben die Selbstverwaltung Die Kollegin Maria Klein-Schmeink hat das Wort für durch Gewerkschaften und Arbeitgeber, indem Sie dem Bündnis 90/Die Grünen. betriebswirtschaftlichen Management der Kassenvor- stände mehr Macht geben. – Jetzt hätte ich eigentlich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Applaus von der FDP erwartet. – Aus Krankenkassen, die den Versicherten gehören, werden Unternehmen, die Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (B) aus den Bedürfnissen ihrer Kunden Profit schlagen. Mei- NEN): (D) ne Damen und Herren, Sie müssen sich entscheiden: Wol- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und len Sie entweder den Wettbewerb, oder wollen Sie einen Kollegen! Wir sind froh, dass man insbesondere bei der funktionsfähigen Sozialstaat? Beides zusammen geht CDU/CSU, aber auch, glaube ich, bei der SPD endlich zu nicht. der Einsicht gekommen ist, dass man beim Finanzaus- gleich zwischen den Kassen etwas tun muss. (Beifall bei der LINKEN – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das sehen wir an- Wir haben bereits im August 2016 einen entsprechen- ders!) den Antrag in den Bundestag eingebracht. Jetzt ist es vier Jahre später, und wir kommen endlich – endlich! – dazu, Die Linke jedenfalls will einen Sozialstaat, auf den sich dass die Vorschläge, die – größerenteils jedenfalls – aus die Menschen auch wirklich verlassen können. dem Gutachten der Sachverständigen kommen, jetzt für Aber ein wenig scheint auch Ihnen zu dämmern, dass die Weiterentwicklung des Finanzausgleichs zwischen Markt und Gesundheit nicht zusammenpassen; denn in den Kassen vorgelegt werden. Das ist gut so, aber es ist diesem Gesetz stehen auch Maßnahmen, die einige Aus- auch mehr als überfällig. wüchse des Wettbewerbs immerhin begrenzen sollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir begrüßen, dass Sie endlich eine seit zehn Jahren von der Linken vorgetragene Forderung umsetzen. Statt Überfällig ist es nicht einfach aus abstrakten Gründen, wie bisher nur 80 sollen künftig alle Krankheiten zur Be- sondern weil diese Schieflage im Finanzausgleich gravie- rechnung der Erstattungen an die Kassen herangezogen rende Folgen für die einzelnen Kassen hat. Zwischen den werden. Das ist ein Fortschritt. Aber, meine Damen und Zusatzbeiträgen haben wir eine Spreizung von 0,2 Prozent Herren, das reicht nicht aus; bis 2,5 Prozent. Das ist erheblich. Wir haben Kassen, die deutlich mit dem Rücken an der Wand stehen und deshalb (Beifall bei der LINKEN) ihre Leistungen für die Patientinnen und Patienten ein- schränken. Das können wir nicht wollen. denn weiterhin profitieren solche Kassen im Wettbewerb, die viele Ablehnungsbescheide verschicken und Filialen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vor Ort schließen, und es gewinnen diejenigen, die mit Hochglanzwerbebroschüren und oft unsinnigen freiwilli- Von daher ist es höchste Zeit, dass Sie endlich in die gen Leistungen Versicherte ködern. Gänge kommen und dass der Minister – vielleicht auf Druck der Koalition – seinen Streit mit den Ländern bei- Die Versicherten müssen Brillen und Zahnersatz zum seitegepackt hat und wir hier jetzt etwas vorliegen haben. großen Teil selbst bezahlen. Gleichzeitig werden Leistun- Wir müssen etwas tun, auch deshalb, weil, wie wir wis- 16776 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Maria Klein-Schmeink (A) sen, ein enormer Ausgabenberg auf die Kassen zukommt, Das ist vielleicht auch ein Grund dafür, dass wir jetzt (C) was zu weiteren Beitragserhöhungen führen wird. Wenn beim Thema Morbi-RSA eine Regelung gefunden haben, das noch auf der gleichen Grundlage wie heute im Fi- die weitestgehend akzeptiert wird. Es gibt immer noch nanzausgleich passiert – das wird für das nächste Jahr Befindlichkeiten; aber in groben Zügen ist Übereinstim- so sein –, dann wird sich die Diskrepanz zwischen den mung da. Kassen verschärfen. Deshalb ist das mehr als überfällig. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das zweite Thema, das Sie angesprochen haben, ist das Um einen fairen Kassenwettbewerb zu haben, brau- Thema „Streit mit den Ländern“. Ich gebe ganz offen zu, chen wir in der Tat ein einheitliches Aufsichtshandeln. dass ich ein großer Fan einer bundesweiten Öffnung der Aber das brauchen wir nicht auf Bundesebene, sondern AOKen gewesen wäre. Warum soll denn der Versicherte wir brauchen ein unterschiedliches Aufteilen von Auf- in Mecklenburg-Vorpommern nicht an dem Hausarztver- sichtszuständigkeiten für die Versorgungsebene, da ist trag in Baden-Württemberg teilnehmen? Warum soll der ganz klar die Länderebene gefragt, und für die Finanz- Versicherte in Baden-Württemberg nicht an einem spezi- ebene, da wäre der Bund gefragt. Eine solche Lösung ist ellen Diabetesprogramm teilnehmen, das es in einem an- leider nicht gefunden worden – obwohl sie schon lange deren Bundesland gibt? Das sind Fragen, die die Versi- vorgeschlagen wird –, unter anderem deshalb, weil der cherten bewegen und bei denen die veröffentlichte Minister es vorgezogen hat, in den Streit mit den Ländern Meinung, die Sachverständigen uns alle gesagt haben: zu gehen, statt konstruktiv nach Wegen für eine vernünf- Das wäre der richtige Weg. tige Aufsicht zu suchen. Schade, Chance vertan! Doch die Chefs und die Minister auf Landesebene ha- Weiter wurde die Chance vertan, einen Qualitätswett- ben sich vor ihre AOKen gestellt – ich sage aber eines bewerb voranzubringen. Wir haben Ihnen einen Antrag auch: Sie sind auch zuständig für Versicherte anderer vorgelegt, damit es endlich möglich wird, nicht nur den Krankenkassen – und haben das unmöglich gemacht. Zusatzbeitrag zu vergleichen, sondern zu sehen: Was tut Ihr Vorschlagen – ich sage das ganz offen – zu einer ge- eigentlich meine Kasse für mich? Wie geht sie mit meinen trennten Aufsicht beim Thema Finanzen und beim Thema Anträgen um? Das muss sichtbar sein, es muss vergleich- Versorgung, den Sie vor einigen Wochen im „Ärzteblatt“ bar sein, und es muss ein Anreiz da sein, dass die Kassen gehabt haben, habe ich mich gar nicht mehr an die Presse dann auch wirklich mit ihren Leistungen punkten können. zu bringen getraut, weil das Konsens zwischen allen Be- teiligten ist. Überzeugen Sie Ihren Minister von den Grü- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nen in Baden-Württemberg, den Herrn Lucha, dass wir Weiterhin haben Sie, zum Glück, eine Regelung ge- dieses Modell machen, und ich sichere Ihnen zu, dass wir (B) funden, endlich die Repräsentanz von Frauen in den Auf- das auch umsetzen werden; da bin ich sicher. (D) sichtsgremien zu stärken. Da kommen Sie uns sehr ent- gegen. Wir haben viele Initiativen in dieser Richtung (Beifall bei der CDU/CSU) unternommen, die Spitzenfrauen im Bereich der Gesund- Jetzt komme ich noch ganz kurz zu den Arzneimittel- heit ebenso. Da können Sie auch noch nachlegen. Ich themen. Ich bin Ihnen, Herr Minister Spahn, dankbar da- hoffe, dass im Anhörungsprozess da noch einiges geklärt für, dass Sie unsere Initiative aus dem September aufge- wird. griffen haben, dass wir über das Thema Lieferengpässe (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) diskutieren und schauen, was die richtigen Maßnahmen sind. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die verbindliche In diesem Sinne: Nutzen Sie die Chance, sich mit un- Meldepflicht einführen, dass wir mehr Transparenz über seren Anträgen auseinanderzusetzen! die Liefersituation bekommen, dass wir uns mit der Frage auseinandersetzen: Was machen wir mit Bevorratungs- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) pflichten, wo siedeln wir die an?

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Natürlich gehört auch dazu, dass wir uns mit den Ra- Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege battverträgen auseinandersetzen. Es ist keine komfortable Michael Hennrich. Situation, dass es Parteien im Parlament gibt, die die Ab- schaffung der Rabattverträge wollen. Das wollen wir (Beifall bei der CDU/CSU) nicht. Ich glaube, dass die Rabattverträge in der Tat ein hohes Einsparpotenzial gebracht haben. Aber wir müssen Michael Hennrich (CDU/CSU): darüber nachdenken, ob wir die Rabattverträge modifi- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und zieren, ob wir da etwas verändern. Ich glaube, da sind wir Kollegen! Eigentlich wollte ich schwerpunktmäßig etwas in einem guten Prozess. Das schauen wir uns genauer an: zu den Arzneimittelthemen sagen. Aber, liebe Frau Kol- ob wir Vergabekriterien diskutieren, ob wir zur Mehr- legin Klein-Schmeink, Sie haben eine Antwort provo- fachvergabe kommen. Das ist ein Schwerpunkt in diesem ziert. Sie haben zum einen gesagt, das habe so lange ge- Gesetzgebungsverfahren. Ich bin Ihnen, wie gesagt, Herr dauert, und zum Zweiten den Streit mit den Ländern Minister, dankbar, dass Sie die Initiative aufgegriffen ha- erwähnt. ben. Wir haben Lösungsansätze. Wir werden die ergän- zen. Aber das wird das Verfahren bringen. Ich möchte zum Thema Verfahrensdauer sagen: Wir haben ganz bewusst entsprechende Gutachten in Auftrag Ich freue mich auf eine konstruktive Debatte und auf gegeben. Wir haben das sehr, sehr ausführlich diskutiert. gute Beratungen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16777

Michael Hennrich (A) Herzlichen Dank. Stephan Pilsinger (CDU/CSU): (C) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der solida- (Beifall bei der CDU/CSU) rische Wettbewerb zwischen den Krankenkassen ist einer der Grundpfeiler unseres Gesundheitssystems, eines Sys- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: tems, das auf den Wettbewerb um Qualität und Wirt- Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat das Wort die schaftlichkeit ausgerichtet ist. Kollegin Martina Stamm-Fibich. Der vor über 25 Jahren eingeführte Risikostrukturaus- (Beifall bei der SPD) gleich sorgt seitdem für einen fairen Wettbewerb zwi- schen den Krankenkassen, er gleicht die unterschiedli- Martina Stamm-Fibich (SPD): chen Risikostrukturen zwischen den Kassen aus und Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin- verhindert, dass es zu einem schädlichen Wettbewerb nen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich um junge und gesunde Versicherte kommt. mache jetzt noch ein bisschen mit den Arzneimitteln Um Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Kranken- weiter. Leider sind Arzneimittellieferengpässe in unse- kassen auch in Zukunft zu verhindern, müssen wir den rem Land keine Seltenheit mehr. Im letzten Jahr wurden Risikostrukturausgleich stets den Entwicklungen im Ge- sage und schreibe 268 Lieferengpässe gemeldet. Liefer- sundheitsweisen anpassen, und das tun wir nun auch. engpässe schränken die Qualität der Gesundheitsversor- Eine grundlegende Anpassung haben wir zuletzt im Jahr gung in unserem Land ein, und sie tragen vor allem zur 2009 vorgenommen, mit der Einführung des Gesund- Verunsicherung der Bevölkerung bei. Das darf in einem heitsfonds und der direkten Morbiditätsorientierung des reichen Industrieland wie Deutschland nicht geschehen! Risikostrukturausgleichs. In den vergangenen Jahren hat (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin sich jedoch gezeigt, dass eine faire Zuweisung der Mittel Maag [CDU/CSU]) trotz der Nachbesserung nicht immer gegeben ist. So konnte es in einigen Fällen dazu kommen, dass Zuwei- Wir sind wirklich froh, dass wir mit dem vorliegenden sungen aus dem Gesundheitsfonds die Ausgaben für be- Gesetz schnell handeln können. Mit den fachfremden stimmte Versicherungsgruppen überstiegen oder nicht Änderungseinträgen, die wir einbringen, ergreifen wir ausreichten. Aufgrund der regional unterschiedlichen Maßnahmen, um dieses Problem zeitnah anzugehen. Zu Ausgabenstruktur der Krankenkassen konnte es darüber diesen Maßnahmen gehören Regelungen zur Austausch- hinaus zu erheblichen Ungleichgewichten zwischen re- barkeit von Arzneimitteln in der Apotheke, zur Markt- gional begrenzten und bundesweit geöffneten Kranken- überwachung sowie zur Bevorratung von wichtigen Me- kassen kommen. dikamenten. (B) Genau diese Ungerechtigkeiten in den wettbewerbli- (D) Hierbei möchte ich insbesondere die Erweiterung der chen Rahmenbedingungen der Krankenkassen beseitigen Meldepflichten erwähnen. Aktuell zeigt sich, dass die wir mit dem vorgelegten Gesetz dauerhaft. Unsere syste- bisherigen Meldepflichten nicht funktionieren. Deshalb matische und zielgenaue Weiterentwicklung des Risi- müssen wir dort ganz dringend nachschärfen, sowohl kostrukturausgleichs umfasst drei wesentliche Punkte. den Großhandel als auch die pharmazeutischen Hersteller dazu verpflichten, dass diese Engpässe gemeldet werden. Als erste Maßnahme werden wir künftig das gesamte Eine bessere Datenlage – da sind wir uns, glaube ich, Krankheitsspektrum im Risikostrukturausgleich berück- einig – wird zur Verbesserung der Situation beitragen sichtigen, nicht nur die höchstens 80 Krankheiten. und uns allen etwas bringen. Deshalb müssen wir darauf Zweitens schaffen wir eine Regionalkomponente im hinarbeiten, da schnell zu einer Lösung zu kommen. Finanzausgleich. Damit sollen die bestehenden regiona- Der Beirat Lieferengpässe beim BfArM ist beauftragt, len Über- und Unterdeckungen abgebaut werden. Zudem eine Liste der versorgungskritischen Arzneimittel aufzu- wirken wir einer Machtkonzentration einzelner Kassen stellen. Wir wissen alle, dass die Natur dieses Problems entgegen. wirklich komplex ist. Die einfachen Lösungen, die hier Drittens. Mit dem neuen Risikopool werden die finanz- vorgetragen wurden, werden diesem Problem nicht ge- iellen Belastungen, die sich aus Hochkostenfällen erge- recht. Ich glaube, wir sind in diesem parlamentarischen ben, besser abgefedert. Das ist insbesondere aufgrund der Verfahren auf einem guten Weg, beim Thema Engpässe wachsenden Bedeutung hochpreisiger Therapien wichtig. etwas zu machen. Wir können uns noch die eine oder andere Maßnahme vorstellen. Ich freue mich auf das Ver- (Beifall bei der CDU/CSU) fahren, dass wir dieses Problem angehen. In einigen Bereichen müssen wir den bestehenden Ent- Vielen Dank. wurf jedoch nachbessern. Zahlreiche besondere Versor- gungsformen in der GKV basieren auf Regelungen, die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten von der Dokumentation ärztlicher Diagnosen abhängig der CDU/CSU) sind. Ein Beispiel ist die hausarztzentrierte Versorgung. Gerade in diesem Bereich greift der aktuelle Entwurf aus Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: meiner Sicht etwas zu weit. Wir haben bereits mit dem Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz 2017 Regelungen der Kollege Stephan Pilsinger, CDU/CSU-Fraktion. eingeführt, die Manipulation in der selektivvertraglichen Versorgung erfolgreich verhindern. Der vorliegende Ent- (Beifall bei der CDU/CSU) wurf hat hier das Ziel, bestimmte Mittelzuweisungen aus 16778 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Stephan Pilsinger (A) dem Gesundheitsfonds für einige Vertragsformen gänz- Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten vor- (C) lich auszuschließen. Zudem wird im vorliegenden Ent- gesehen. – Ich höre und sehe keinen Widerspruch. wurf darüber nachgedacht, Diagnosen von Hausärzten und Fachärzten künftig unterschiedlich zu bewerten. Da- Ich bitte, Platz zu nehmen, und eröffne die Aussprache. rüber werden wir noch einmal reden müssen, wie die Das Wort hat Ulle Schauws für Bündnis 90/Die Grünen. Kollegin Maag bereits ausgeführt hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich finde, wir sind auf einem guten Weg. Ich freue mich, in den Beratungen dieses Gesetz gemeinsam mit Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihnen zum Abschluss zu bringen. Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol- Vielen Dank. legen! Am 25. November war der Internationale Tag ge- gen Gewalt an Frauen. Wie jedes Jahr wurde wieder be- (Beifall bei der CDU/CSU) klagt, dass es um den Gewaltschutz für Frauen immer noch schlecht bestellt ist, dass die Kapazitäten zur Unter- stützung von Frauen in den Frauenhäusern, in den Vizepräsidentin Claudia Roth: Frauenberatungsstellen und bei Notrufen bei Weitem Vielen Dank, Kollege Pilsinger. – Damit schließe ich nicht ausreichen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich die Debatte. will nicht mehr klagen. Ich will, dass sich endlich etwas Schönen guten Abend, liebe Kolleginnen und Kolle- ändert - gen, von mir! Interfraktionell wird Überweisung der Vor- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lagen auf den Drucksachen 19/15662, 19/9565, 19/15789 und bei der LINKEN) und 19/15790 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Es gibt keine weiteren für die betroffenen Frauen, für die mitbetroffenen Kinder Überweisungsvorschläge. Dann verfahren wir, wie vor- und auch für die überlasteten Mitarbeiterinnen in Frauen- geschlagen. häusern und Frauenberatungsstellen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19 a und 19 b sowie Wir haben uns als Staat mit der Istanbul-Konvention Zusatzpunkt 8 auf: verpflichtet, Gewalt gegen Frauen viel stärker zu be- kämpfen. Der Bund ist hier zusammen mit den Ländern 19 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulle und Kommunen gefragt. Weiter die Schultern zu zucken Schauws, Annalena Baerbock, Katja Dörner, und beim Gewaltschutz für Frauen allein die Länder für weiterer Abgeordneter und der Fraktion verantwortlich zu erklären, geht nicht mehr, und das wis- (B) (D) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sen Sie alle. Verantwortung für Frauen in Frauenhäu- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sern übernehmen Wir Grünen legen heute daher zwei wegweisende An- Drucksache 19/15380 träge vor, die die notwendige Verantwortungsübernahme Überweisungsvorschlag: und Finanzierung von Gewaltschutz auch durch den Bund Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) ermöglichen. Wir wollen, dass Gewaltschutz dauerhaft Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz und besser finanziert wird. b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulle Schauws, Annalena Baerbock, Katja Dörner, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) weiterer Abgeordneter und der Fraktion An jedem dritten Tag wird eine Frau von ihrem Partner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN oder Ex-Partner ermordet. Das macht mehr als deutlich, wie nötig bessere Prävention, Intervention und Unterstüt- Beratungsangebote für gewaltbetroffene zung sind. Gerade hier spielen die Frauenberatungsstellen Frauen stärken eine zentrale Rolle. Sie sind Anlaufstelle für gewaltbed- Drucksache 19/15379 rohte und -betroffene Frauen und Mädchen, aber auch für Angehörige und Fachkräfte, und darin wollen wir sie mit Überweisungsvorschlag: unserem Antrag zukünftig stärker unterstützen. Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicole Bauer, , Daniel Föst, weiterer Abge- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn eine Frau ordneter und der Fraktion der FDP Schutz vor Gewalt in einem Frauenhaus braucht, dann darf es keine Hürden geben. Das darf nicht scheitern an Frauenhäuser als Teil des staatlichen Schutz- der Finanzierung, am Platzangebot, am Wohnort oder am auftrages wahrnehmen Status der Betroffenen. Gewaltschutz geht vor. Drucksache 19/15770 (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Gülistan Yüksel [SPD]) Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Und – das sage ich mit Nachdruck – dies muss der Staat Haushaltsausschuss gewährleisten. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16779

Ulle Schauws (A) Jede Frau, die von häuslicher oder partnerschaftlicher Die kürzlich veröffentlichten Zahlen des Bundeskrimi- (C) Gewalt betroffen ist, erhält nach unserem Vorschlag – nalamtes zur Partnerschaftsgewalt im Jahr 2018 sind für unabhängig vom Einkommen und Vermögen, vom Her- uns alle alarmierend. Die Anzahl der Opfer von partner- kunftsort, von der Wohnsituation oder vom Aufenthalts- schaftlicher Gewalt ist im Vergleich zum Vorjahr erneut status – einen Rechtsanspruch auf eine Geldleistung für gestiegen. Im Jahr 2014 belief sich die Anzahl der Opfer den Zweck des Aufenthalts in einem Frauenhaus oder in auf 126 230. Vier Jahre später waren bereits 140 755 einer vergleichbaren Schutzeinrichtung. Das gilt für eine Personen betroffen. Über 80 Prozent dieser Opfer von geflüchtete Frau aus einer Unterkunft genauso wie für häuslicher Gewalt waren im Jahr 2018 Frauen. eine Studentin. Dieser Rechtsanspruch gilt für alle Frauen – ausnahmslos. Es ist wichtig, dass wir über häusliche Gewalt spre- chen, öffentliche Kampagnen unterstützen und keine Ta- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- bus akzeptieren, wenn es um Aufklärung und Hilfe geht. wie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN) (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Genau!) Es darf keine Zugangsvoraussetzungen beim Gewalt- schutz geben. Wir bieten derzeit ein Bündel verschiedener Maßnahmen gegen Gewalt an, und viele von uns fragen sich, wieso die Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Rechtsan- Anzahl der festgestellten Opfer von häuslicher Gewalt spruch stärkt Frauen, und er erzeugt Druck. Und der ist weiter steigt. auch notwendig. Die Länder sind weiter in der Pflicht, den Aus- oder Umbau von Plätzen in Frauenhäusern vo- Eine Antwort könnte sein, dass sich die Scheu, diese ranzutreiben – insbesondere von Plätzen für Frauen mit Gewalttaten anzuzeigen, verringert hat. Eine andere Er- Behinderung, für Mütter mit älteren Söhnen und anderen. klärung könnte sein, dass die Kritik der Soziologin Necla Zu oft müssen Frauen derzeit von Frauenhäusern abge- Kelek von Terre des Femmes zutrifft, die uns vorwirft, die wiesen werden. Wir brauchen endlich gleichwertige und kulturellen, religiösen und ethnischen Gründe dieser Ge- bedarfsgerechte Standards, und zwar bundesweit. walttaten gegen Frauen nicht ausreichend zu beleuchten. Wenn dem so wäre, benötigten wir eventuell andere Ant- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) worten und müssten wir mehr Prävention anbieten, um gegenzusteuern. Der Clou am Grünen-Vorschlag ist, dass der Bund 100 Prozent der Leistungen für die Unterbringung im Mit dem bundesweiten Hilfetelefon gegen Gewalt an Frauenhaus finanziert. Die Länder werden dadurch ent- Frauen haben wir ein notwendiges und wichtiges nieder- lastet. Sie müssen ihrerseits die Verantwortung überneh- (B) schwelliges Angebot geschaffen. Dort können sich die (D) men und die freiwerdenden Mittel in mehr Plätze und vor Opfer zu jeder Zeit anonym, vertraulich, kompetent, si- allem in angemessenere Personalkosten investieren. So cher, barrierefrei beraten lassen – telefonisch, per Mail schaffen wir es schrittweise, bundesweit Unterstützungs- und Chat, kostenfrei in 17 Sprachen. Auf Wunsch kann angebote für Gewaltschutz auszubauen. eine Weitervermittlung an erreichbare Unterstützungsein- richtungen vor Ort erfolgen. Das Hilfetelefon berät über- Zum Schluss: Wir begrüßen es, dass die Ministerin wiegend weibliche, aber auch männliche Opfer. 30 Millionen Euro investive Mittel im Jahr einsetzt, aber da geht mehr. Der Bund steht in der politischen Verant- Das 2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz wortung, gemeinsam mit den Ländern dauerhaft und aus- schützt Opfer häuslicher Gewalt durch die Möglichkeit, reichend Gewaltschutz zu finanzieren. erst einmal die eigene Wohnung zu nutzen, ohne sie mit der gewalttätigen Person teilen zu müssen und in Ruhe zu In diesem Sinne: Lassen Sie uns gemeinsam gute Lö- überlegen, was zu tun ist. Die Polizei kann dem Täter sungen finden! Ich freue mich auf die Beratung. einen Platzverweis aus der Wohnung von bis zu 14 Tagen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteilen. Zudem können Opfer von häuslicher Gewalt per sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Eilverfahren die vorläufige Zuweisung der gemeinsamen Wohnung beim zuständigen Familiengericht beantragen. Ist der Täter oder die Täterin allein an der Wohnung be- Vizepräsidentin Claudia Roth: rechtigt, so beträgt der Zeitraum der Zuweisung bis zu Vielen Dank, Ulle Schauws. – Nächste Rednerin: für sechs Monate. Gelingt es dem Opfer während dieser Zeit die CDU/CSU-Fraktion Sylvia Pantel. nicht, eine Ersatzwohnung zu finden, kann das Gericht (Beifall bei der CDU/CSU) die Frist um höchstens sechs weitere Monate verlängern. 2016 haben wir mit der Reform des Sexualstrafrechts Sylvia Pantel (CDU/CSU): weitere Verschärfungen im Strafrecht in Bezug auf se- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und xuelle Übergriffe gegenüber Frauen erreicht. In diesem Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder Jahr wurden außerdem zwei wichtige Maßnahmen be- einzelne Angriff und jede einzelne Gewalttat gegen einen schlossen, erstens dass eine diskrete Spurensicherung anderen Menschen ist zu verabscheuen und durch nichts bei Misshandlungen und sexualisierter Gewalt von den zu rechtfertigen; darin sind wir uns alle einig. Besonders gesetzlichen Krankenkassen finanziert wird und zweitens schlimm ist die Gewaltausübung in der Familie oder in dass Traumaambulanzen für die von sexueller oder psy- der familiären Umgebung. Leider findet Gewalt häufig chischer Gewalt Betroffenen zeitnah eingeführt werden gerade in aktuellen oder ehemaligen Partnerschaften statt. sollen. 16780 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Sylvia Pantel (A) Um den Opfern besser helfen zu können, hat der Bund Vizepräsidentin Claudia Roth: (C) das Bundesinvestitionsprogramm „Gemeinsam gegen Kommen Sie bitte zum Ende. Gewalt an Frauen“ mit der Beteiligung der Länder ins Leben gerufen. In diesem Zusammenhang hat es bereits Sylvia Pantel (CDU/CSU): mehrere Treffen gegeben. Ziel des runden Tisches ist der Sie haben gehört, dass wir eine ganze Menge verein- bedarfsgerechte Ausbau von Frauenhäusern und ambu- bart und auch schon beschlossen haben, dass die Maß- lanten Hilfs- und Betreuungseinrichtungen für von Ge- nahmen jetzt greifen, wir die Gelder zur Verfügung ge- walt betroffene Frauen und ihre Kindern. stellt haben. Wir sehen die Not der Frauen, und wir helfen (Beifall bei der CDU/CSU) und arbeiten daran, Verbesserungen mit den Ländern ge- meinsam auf den Weg zu bringen. Für den Ausbau von Frauenhäusern und Beratungsstel- len stellt der Bund in seinem Programm in den nächsten Herzlichen Dank. vier Jahren insgesamt 120 Millionen Euro bereit. Mit den (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Ländern soll geprüft werden, ob und inwieweit analog ordneten der SPD) zum Unterhaltsvorschussgesetz eine vorläufige Übernah- me der Kosten bei gleichzeitigem Übergang der Unter- haltsforderungen auf den Kostenträger verankert werden Vizepräsidentin Claudia Roth: kann, um die Frauenhausbetreiber nicht auf den Kosten Vielen Dank, Sylvia Pantel. – Nächste Rednerin: für sitzen zu lassen. Diese Maßnahmen sollen weitere Lü- die AfD-Fraktion Mariana Harder-Kühnel. cken im Hilfesystem schließen und den Zugang für die (Beifall bei der AfD) Opfer verbessern. Die Bundesmittel für den Ausbau von zusätzlichen Frauenhausplätzen sollen auch den barriere- Mariana Iris Harder-Kühnel (AfD): freien Ausbau von Frauenhäusern voranbringen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen Im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Herren! Gewalt gegen Frauen ist ein großes Problem, und Jugend stehen aktuell 16 Stellen für den Schutz von und sie nimmt in den letzten Jahren dramatisch zu. Jede Frauen vor Gewalt zur Verfügung. Derzeit wird durch das dritte Frau in Deutschland ist in ihrem Leben mindestens Deutsche Institut für Menschenrechte eine Konzeption einmal von Gewalt betroffen. In jeder Stunde wird eine für die Ausgestaltung und das Aufgabenprofil einer unab- Frau hierzulande Opfer von Gewalt, und an jedem dritten hängigen Monitoringstelle zur Umsetzung der Istanbul- Tag stirbt eine Frau an den Folgen dieser Gewalt. Oft gibt Konvention erarbeitet. Diese Monitoringstelle soll nach es nur einen Zufluchtsort: Frauenhäuser. Jährlich finden aktuellem Stand in 2020 seine Arbeit aufnehmen. rund 16 000 Frauen hier Schutz, und sie bringen etwa (B) ebenso viele Kinder mit, die leider oft selbst Opfer wur- (D) (Beifall bei der CDU/CSU) den. Zudem haben wir durch die intensiven Gespräche mit Aber nicht immer wird diese Zuflucht gewährt. Es feh- dem federführenden Bundesinnenministerium erreicht, len Zehntausende von Plätzen, und dieser Platzmangel ist dass die Adressen für schutzsuchende Frauen in Frauen- häufig tödlich. Grund: fehlende räumliche Kapazitäten, häusern einer automatischen Auskunftssperre unterlie- fehlende Finanzierung, bürokratischer Ballast. Nun stellt gen. sich die Frage, wie man diese eklatanten Probleme lösen Wir haben zusätzliche Mittel zur Errichtung einer di- kann. Man kann natürlich immer mehr finanzielle Mittel gitalen Plattform zur besseren Vermittlung von Frauen- für Frauenhäuser, einen Rechtsanspruch auf zusätzliche hausplätzen eingesetzt. Die Umsetzung ist deshalb Geldmittel für die betroffenen Frauen und immer mehr schwierig, da die Frauenhäuser in der Zuständigkeit der Bürokratie fordern – kann und muss man kurzfristig auch, Länder liegen, und wir sind auch da auf die freiwillige um den betroffenen Frauen und Kindern Schutz zu ge- Mitwirkung dieser angewiesen. währen. (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der AfD) NEN]: Entschuldigung, haben Sie den Antrag Aber dies wird an den Ursachen für die steigende Ge- gelesen?) walt gegenüber Frauen und Kindern nichts ändern. Man – Ja, den haben wir gelesen, na selbstverständlich. muss die Probleme an der Wurzel packen, indem man ein gesellschaftliches Klima schafft, in dem nicht immer (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- mehr und mehr Frauen mit ihren Kindern gezwungen NEN]: Ich dachte nur – –) sind, Zuflucht in Frauenhäusern zu suchen. Wir zeigen hier auf, dass wir nicht untätig sind, dass wir (Beifall bei der AfD) eine ganze Menge an Maßnahmen getroffen haben. Ich war auch bei den Gesprächen dabei und habe gesehen, Das langfristige Ziel sollten nicht mehr und mehr wie schwierig es ist, die Interessen der unterschiedlichen Frauenhausplätze sein. Das langfristige Ziel sollte sein, Länder zusammenzuführen, und das machen wir gerade. dass immer weniger Frauenhausplätze benötigt werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Katja (Beifall des Abg. Martin Reichardt [AfD]) Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Des- Denn jede Frau, die mit ihren Kindern in einem Frauen- wegen machen wir ja einen konkreten Vor- haus Schutz suchen muss, ist ein Zeichen der Kapitulation schlag, der funktioniert!) unserer Gesellschaft vor Schlägern und vor Mördern. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16781

Mariana Iris Harder-Kühnel (A) (Beifall bei der AfD – Marianne Schieder (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C) [SPD]: Das sind Flüchtlinge, oder?) NEN]: Es gibt keine „Ehrenmorde“!) Und es ist Ihre Politik, die ein Klima der Gewalt gegen Auch und vor allem deshalb platzen Frauenhäuser aus Frauen massiv begünstigt. allen Nähten. (Ulli Nissen [SPD]: Jetzt geht es wieder los!) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Zuerst diese Hetze und dann das Wort – Hören Sie gut zu! Wer Frauen schützen will, der muss „Ehrenmorde“!) sich auch ideologiefrei mit den Ursachen für die angestie- gene Gewalt gegenüber Frauen und Kindern in Deutsch- Wer aus Gründen devoter Kultursensibilität, politischer land auseinandersetzen. Korrektheit oder schlicht ideologischer Feigheit absicht- lich ganze Tätergruppen und deren kulturelle und religi- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ideolo- öse Hintergründe ausblendet, der befördert eine Kultur giefrei? Ihr wisst gar nicht, wie das geht! Da der Gewalt gegen Frauen. würde ich sagen: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Atombomben werfen!) (Beifall bei der AfD) Die Fakten liegen auf dem Tisch: Gegen Frauen ge- Also hören Sie endlich auf mit Ihrer verlogenen Multi- richtete Gewalt wird stark überproportional von Migran- kulti-Romantik! Gerade diejenigen auf der linken Seite, ten begangen. die sich so gerne als Frauenrechtlerinnen bezeichnen, be- treiben eine Politik, die archaische Vorstellungen und die (Beifall bei der AfD – Widerspruch bei Abge- Unterdrückung der Frau millionenfach nach Deutschland ordneten der CDU/CSU, der SPD, der LIN- holt. KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN) (Beifall bei der AfD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was haben Sie denn geraucht?) Bei einem Ausländeranteil von nur 12 Prozent an der Gesamtbevölkerung sind 33 Prozent der Täter häuslicher Sie gefährden damit unsere über Jahrhunderte erkämpften Gewalt Migranten, und dabei wird die Zahl deutscher Freiheiten. Staatsbürger mit Migrationshintergrund noch nicht ein- (Kerstin Tack [SPD]: Aufhören! Aufhören!) mal erfasst. Weitere Fakten gefällig? Fast 70 Prozent der Frauen in Vizepräsidentin Claudia Roth: Frauenhäusern haben Migrationshintergrund. Kommen Sie bitte zum Schluss. (B) (D) (Marianne Schieder [SPD]: Und wenn sie nicht Mariana Iris Harder-Kühnel (AfD): gestorben sind, so leben sie noch morgen!) Wachen Sie endlich auf! Vor sieben Jahren waren es nicht einmal die Hälfte. Es ist Ihre Politik der grenzenlosen Migration, die millionen- (Beifall bei der AfD – Kerstin Tack [SPD]: fach archaische Vorstellungen nach Deutschland gebracht Mann!) hat, Vizepräsidentin Claudia Roth: (Beifall bei der AfD) Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Gülistan die Mädchen und Frauen zu Menschen zweiter Klasse Yüksel. degradiert – Menschen zweiter Klasse, die nach Belieben begrapscht, geschlagen und zur Verteidigung der soge- (Beifall bei der SPD) nannten Familienehre sogar getötet werden dürfen und Gülistan Yüksel (SPD): deshalb Schutz suchen müssen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten (Sönke Rix [SPD]: Wie kommen Sie eigentlich Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! zu „grenzenloser Migration“?) Ich glaube, diese Rede muss man nicht mehr kommentie- ren. Nun werfen Sie mir bitte nicht vor, ich würde mit Fak- ten hetzen. Selbst die grüne Heinrich-Böll-Stiftung gibt (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, unumwunden zu, dass beispielsweise fast alle Ehrenmor- der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE de auf das Konto von Migranten gehen. GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Nein, stimmt! Es war die Wahrheit! – Weiterer Zuruf von der (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- AfD: Wird Hundertausende Mal angeschaut, NEN]: Es gibt keine „Ehrenmorde“! – Gegen- wetten?) ruf des Abg. Frank Pasemann [AfD]: Hören Sie doch mal zu! Mein Gott!) Gewalt gegen Frauen wird zu oft immer noch als eine Privatsache gesehen, weil sie meist hinter verschlossenen Also seien Sie nicht realitätsferner als Ihre eigene Stif- Türen stattfindet. Ich sage: Gewalt ist kein Privatproblem. tung! Kinderehen, Zwangsehen, Ehrenmorde, Genital- Gewalt geht uns alle an, meine Damen und Herren. verstümmelungen – all das, meine Damen und Herren, hat mit Migration aus archaisch geprägten Kulturen zu (Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf tun. von der AfD: Kümmert euch doch mal drum! – 16782 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Gülistan Yüksel (A) Weiterer Zuruf von der AfD: Das haben Sie die Einsatz und die Einberufung des runden Tisches an dieser (C) ganze Zeit nicht gemacht!) Stelle ganz herzlich danken. – Hören Sie einfach mal zu! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Martin Reichardt [AfD]: Nein, das haben Sie doch auch nicht gemacht! Warum sollen wir Endlich sitzen Bund, Länder und Kommunen an einem das machen?) Tisch, um gemeinsam den Ausbau und die finanzielle Absicherung der Arbeit von Frauenhäusern und ambulan- – Ich habe die ganze Zeit zugehört. Wenn Sie geguckt ten Hilfs- und Betreuungseinrichtungen anzugehen. Zent- hätten, hätten Sie es gesehen. rales Ziel der Gespräche sind Selbstverpflichtungen aller (Martin Reichardt [AfD]: Dann gucken Sie mal Beteiligten zur Weiterentwicklung der Unterstützungsan- in Ihre Fraktion! – Weiterer Zuruf von der AfD: gebote. Dabei sollen auch weiter gehende bundesgesetz- Hören Sie auf, zu pöbeln!) liche Lösungen für ein einheitliches Vorgehen im Notfall gemeinsam geprüft werden, zum Beispiel in Form einer Ich sage: Gewalt gegen Frauen, ob physische oder psy- Kostenübernahme für die Unterbringung im Frauenhaus chische, ist eine der schwersten Menschenrechtsverlet- oder in Form eines Rechtsanspruches auf Schutz und Be- zungen und eine der am weitesten verbreiteten Straftaten. ratung. Dazu gehört auch die digitale Gewalt. Im Netz sind (Martin Hebner [AfD]: Und was ist mit Pro- besonders Frauen Zielscheibe von Hassrede und Beleidi- phylaxe?) gungen, von Rufschädigung und Erpressung. Wir alle sind aufgerufen, den betroffenen Mädchen und Frauen Hierbei bedarf es einer sorgfältig geprüften und vorbe- beizustehen. Wir müssen eine starke Stimme sein für eine reiteten Lösung seitens aller Beteiligten. Wir brauchen gesellschaftliche und rechtliche Gleichstellung und die eine gemeinsame Strategie, um im Sinne der Frauen tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen. und Mädchen zu handeln. Die Anträge heben zu Recht hervor, dass wir nur mit den Ländern und Kommunen Gestern haben wir uns im Familienausschuss mit einer etwas erreichen können, da sie in unserem föderalen Sys- Vertreterin der Gewaltschutzambulanz der Charité ausge- tem dafür zuständig sind. tauscht. Uns wurden Zahlen vorgelegt, dass nur etwas mehr als die Hälfte aller Frauen, die Opfer von Gewalt Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolle- wurden, ihre Täter anschließend anzeigen. Warum? Sie ginnen und Kollegen, 2017 hat Deutschland die Istanbul- scheuen den Gang zu einer Behörde oder der Polizei aus Konvention ratifiziert. Sie ist das wichtigste internationa- zwei Gründen: aus Angst vor dem Täter und aus Scham. le Rechtsinstrument gegen Gewalt an Frauen in Europa. (B) Mit ihr verpflichten wir uns, ausreichende Maßnahmen (D) Die vom Bundeskriminalamt vorgelegten Zahlen zu zur Bekämpfung von Gewalt unter anderem in den Be- Gewalt in der Partnerschaft legen nahe, dass wir alle eine reichen Prävention, Schutz, Beratung, Strafverfolgung Frau kennen, die von Gewalt betroffen ist. Wir müssen und Monitoring zu ergreifen. Strukturen schaffen, um Strafverfolgung durchzusetzen. Wir müssen den Frauen die Angst und die Scham nehmen Wir haben in den letzten Jahren zusammen im Kampf und ihnen helfen, die Gewaltspirale zu durchbrechen. gegen die Gewalt einiges erreicht. Durch unseren uner- müdlichen Einsatz wird nun eine unabhängige Monito- (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem ringstelle eingerichtet. Im Bundeshaushalt sind hierfür BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 800 000 Euro bereitgestellt worden. Diese Stelle über- wacht die Maßnahmen der Gewaltbekämpfung und des Wir müssen sie ermutigen, das Schweigen zu brechen, Gewaltschutzes und schlägt gegebenenfalls Verbesserun- sich Hilfe zu holen und Gewalt anzuzeigen. Es ist in gen vor. Die Arbeit der Monitoringstelle ist menschen- meinen Augen unerlässlich, dass wir hier über Partei- rechtsbasiert, das heißt, sie stellt immer die betroffenen und Ländergrenzen hinweg zusammenarbeiten. Gewalt Frauen als Rechteträgerinnen in den Mittelpunkt. gegen Frauen muss von uns allen, Politik und Gesell- schaft, gemeinsam bekämpft werden. Wir haben ein niedrigschwelliges und barrierefreies Hilfetelefon eingerichtet – ich glaube, das kann man ganz (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten deutlich sagen –: 08000 116 016. der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der AfD: Dann tut es doch!) (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Bettina Margarethe Wiesmann [CDU/CSU]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns einig: Keine Frau darf wegen Platzmangels an einem Frauen- Wir haben das Sexualstrafrecht reformiert hin zum Prin- haus abgewiesen werden. zip „Nein heißt Nein“, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD) DIE GRÜNEN) und wir haben die Kostenübernahme für Leistungen der Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben, anonymisierten Spurensicherung abgesichert. einen runden Tisch einzuberufen, um von Gewalt betrof- fenen Frauen und Kindern den gesicherten Zugang zu (Beifall des Abg. Sönke Rix [SPD]) Schutz und Beratung in Frauenhäusern zu ermöglichen. Zudem fördert der Bund seit 2017 ein Modellprojekt, Ich möchte unserer Frauenministerin Giffey für ihren welches die Länder dabei unterstützt, die bestehenden Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16783

Gülistan Yüksel (A) Hilfesysteme zu optimieren und an Bedarfe anzupassen; sie bräuchten überhaupt keine Frauenhausplätze. Wachen (C) der Abschlussbericht wird im nächsten Frühjahr vorge- Sie endlich auf, meine Damen und Herren! legt. Vor zwei Wochen ist die bundesweite Öffentlich- keitskampagne „Stärker als Gewalt“ gestartet. Außerdem (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten wird der Bund in den kommenden vier Jahren insgesamt der SPD – Marianne Schieder [SPD]: Sie ken- 120 Millionen Euro in ein Bundesförderprogramm inves- nen den Föderalismus?) tieren. Dabei geht es um die Sanierung und den Ausbau Ein entschiedenes Nein zu jeglicher Form von Gewalt, von Frauenhäusern, insbesondere um den barrierefreien das erwarte ich mir, auch trotz Föderalismus, Ausbau, neue räumliche Kapazitäten sowie innovative Wohnformen. (Beifall bei der FDP) Sie sehen: Viele der von Ihnen hier geforderten Punkte und dazu konkrete Lösungen: gehen wir bereits an. Erstens. Wir müssen die massive Unterversorgung an- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten gehen. Wir brauchen mehr Frauenhausplätze, und zwar der CDU/CSU) regional verteilt und an den wirklichen Bedarfen orien- tiert. 2,5 Plätze pro 10 000 Einwohner, das ist eine klare Lassen Sie uns also gemeinsam dafür kämpfen, dass Ge- Zielgröße. Es geht aber weiter: Mehr Frauenhausplätze walt – in welcher Form auch immer – in unserer Gesell- erfordern zugleich mehr Personal; wir kennen das aus schaft keinen Platz hat. dem Kitabereich. Frauen haben besondere Bedürfnisse. Herzlichen Dank. Das ist also die Voraussetzung, damit wir eine gute und individuelle Unterstützung gewährleisten können, und (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten deshalb setzen wir uns dafür ein. der CDU/CSU – Ulli Nissen [SPD]: Sehr gut!) (Beifall bei der FDP)

Vizepräsidentin Claudia Roth: Zweitens muss Frau Giffey endlich die Ergebnisse des Vielen Dank, Gülistan Yüksel. – Nächste Rednerin: für runden Tisches vorlegen. Die eklatanten Finanzierungs- die FDP-Fraktion Nicole Bauer. fragen sind aktuell nicht geklärt. Gewalt macht nun ein- mal nicht an den Ländergrenzen halt. (Beifall bei der FDP sowie der Abg. [CDU/CSU]) (Beifall bei der FDP) Wir brauchen deshalb ein einheitliches System der Kos- (B) Nicole Bauer (FDP): tenerstattung. (D) Montags, donnerstags, sonntags – jeden dritten Tag Und wir brauchen – drittens – vor allem eine ganzheit- wird eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. liche Strategie des Bundes zur Bekämpfung von Gewalt Schwere Misshandlungen und andere körperliche Verlet- gegen Frauen in unserer Gesellschaft, inklusive Koordi- zungen finden jeden Tag mehrmals statt, mitten in unserer nierung, Monitoring und Präventionsarbeit. Dann – und Gesellschaft. Das ist eine unvorstellbare Größenordnung nur dann – haben wir einen ersten großen Schritt erreicht für ein modernes Land wie Deutschland. Dabei ist das nur und können uns über einen Rechtsanspruch unterhalten. die Spitze des Eisbergs. Die Demütigungen, die verbalen Erniedrigungen, die Spyware auf dem Handy – all das (Beifall bei der FDP) beginnt schon lange, lange vorher. Gewalt hat also viele Gesichter, und jede hinterlässt Vizepräsidentin Claudia Roth: Spuren. Das eigene Zuhause ist für viele Frauen ein ge- Vielen Dank, Nicole Bauer. – Nächste Rednerin: fährlicher Ort, die Flucht ins Frauenhaus oft der einzige Cornelia Möhring für die Fraktion Die Linke. Ausweg und gleichzeitig der erste Schritt aus der häus- lichen Gewalt – wenn, ja wenn dort ein Platz frei ist. (Beifall bei der LINKEN) Aktuell wird jede zweite Frau abgewiesen. Diesen Zu- stand, meine Damen und Herren, müssen wir schnellstens Cornelia Möhring (DIE LINKE): beenden. Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal Danke an die Grünen, dass (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten ihr den TOP „Frauenhausfinanzierung“ auf die Tagesord- der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- nung holt. Ob allerdings euer Vorschlag eines einklagba- NEN) ren Rechtsanspruchs wirklich die Lösung ist, da bin ich Menschen, die häusliche Gewalt erleben und Schutz sehr skeptisch. Aber das werden wir ja im Ausschuss suchen, müssen Schutz finden. Wir dürfen hier als Politik weiter beraten. nicht länger versagen. Für Die Linke ist klar: Alle – und zwar wirklich alle – (Beifall bei der FDP) Frauen, die von Partnerschaftsgewalt betroffen sind, und ihre Kinder brauchen einen Platz im Frauenhaus, und Die Bundesregierung kommt ihrer Aufgabe bei der Um- zwar unbürokratisch, barrierefrei, sicher und schnell. setzung der Istanbul-Konvention nicht nach. Es gibt im- mer noch Landkreise im ganzen Bundesgebiet, die sagen, (Beifall bei der LINKEN) 16784 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Cornelia Möhring (A) Die Pflichtaufgabe des Staates, Bürgerinnen vor Gewalt Vizepräsidentin Claudia Roth: (C) zu schützen, wird hier ganz offensichtlich nicht ausrei- Denken Sie an die Redezeit. chend erfüllt. Auch die Umsetzung der Istanbul-Konven- tion des Europarats läuft eher schleppend an und hat mit der Einrichtung der Monitoringstelle und der Zurverfü- Cornelia Möhring (DIE LINKE): gungstellung von Geldern gerade erst begonnen. Es gibt Ja, ich komme zum letzten Satz. – Die bedarfsgerechte also keinen Grund, sich dafür jetzt schon abzufeiern, wie Finanzierung der Frauenhäuser ist ein sehr wichtiger Bau- ich finde. stein für die Lösung. (Beifall bei der LINKEN) Vielen Dank. Ja, es gibt das Gewaltschutzgesetz, es gibt das Hilfe- (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sönke telefon, es gibt Mittel im Haushalt für dringende Investi- Rix [SPD]) tionen und auch wieder eine neue Kampagne gegen Ge- walt. Das ist alles sinnvoll; überhaupt keine Frage. Es Vizepräsidentin Claudia Roth: fehlen allerdings mindestens 15 000 Frauenhausplätze, und auch die anderen notwendigen Bereiche des Hilfe- Vielen Dank, Cornelia Möhring. – Letzte Rednerin in systems wie Beratungsstellen oder Gewaltschutzambu- dieser Debatte: Silvia Breher für die CDU/CSU-Fraktion. lanzen sind am Limit und müssen jedes Jahr erneut um (Beifall bei der CDU/CSU) ihre Existenz bangen. Jetzt haben wir schon einige Zahlen gehört, aber ich Silvia Breher (CDU/CSU): kann es Ihnen nicht ersparen, sie zu wiederholen und noch Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und einen draufzusetzen; denn Deutschland ist im europä- Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ganz ehrlich: ischen Vergleich ein überdurchschnittlich gefährliches Erst mal vielen Dank für diese Debatte; denn wir alle sind Land für Frauen. gemeinsam stark gegen Gewalt an Frauen. Diese Debatte, (Martin Hebner [AfD]: Seit wann?) dieses Thema gehört einfach in die Öffentlichkeit. Das ist so ein wichtiges Thema, und – es wurde schon gesagt – Wir haben gehört: Jeden dritten Tag wird eine Frau ge- das findet hinter verschlossenen Türen statt. Das findet in tötet, jeden Tag gibt es einen Tötungsversuch. Im Jahr den eigenen vier Wänden statt. Die Frauen, die betroffen 2018 gab es 9 324 Opfer von Vergewaltigung, sexueller sind in diesem Land, haben es verdient, dass wir darüber Nötigung oder schweren sexuellen Übergriffen. Das sind ganz laut und deutlich sprechen und dass die Debatte in 25 Taten täglich! Die Täter sind Männer, und sie kommen diesem Haus stattfindet. (B) meist aus dem sogenannten Nahfeld der Frauen. Es sind (D) Männer aus allen Berufen, Einkommensgruppen, aller (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie Bildungshintergründe und Nationalitäten. Männer quälen bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNIS- und schlagen ihre Frauen, mit Folgen bis hin zum Tod. Es SES 90/DIE GRÜNEN) handelt sich dabei nicht um Familientragödien oder Eifer- suchtsdramen. An dieser Stelle möchte ich mich bedanken, bedanken bei den vielen Mitarbeitern in den Frauenhäusern und in Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben ein mas- den verschiedenen Beratungseinrichtungen für von Ge- sives strukturelles Problem mit Gewalt gegen Frauen in walt betroffene Frauen – sei es hauptamtlich oder ehren- unserer Gesellschaft. Diese Gewaltstrukturen werden amtlich –, wie auch bei mir im Wahlkreis im Frauenhaus auch von Personen aufrechterhalten, zum Beispiel immer in Vechta mit den Frauen des SkF. Diese vielen Ehren- dann, wenn Richter Verständnis mit dem mordenden amtlichen und auch Hauptamtlichen leisten einen riesigen Mann haben und Eifersucht als strafmildernd und nicht Dienst für die Frauen. An dieser Stelle ein ganz großes als strafverschärfend ansehen, immer dann, wenn Medien Dankeschön für ihre Arbeit! verharmlosend über einen Mord als „Familientragödie“ schreiben, immer dann, wenn Frauen von Polizei und (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Staatsanwaltschaft eine Mitschuld unterstellt wird. Und ordneten der SPD und der FDP) wenn die Politik nicht genug tut, dann wird diese Gewalt Die Kriminalstatistik wurde schon genannt. Jede vierte zu institutioneller Gewalt und damit außerordentlich ge- Frau – laut offizieller Statistik – wird in ihrem Leben fährlich. einmal Opfer von Partnerschaftsgewalt. Die Dunkelziffer (Beifall bei der LINKEN) ist wesentlich höher. Jede vierte Frau! Wenn wir hier durch die Reihen gucken, können wir feststellen – das Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei einem garantiere ich Ihnen –: Auch eine der Frauen, die hier solch krassen gesellschaftlichen Problem wie diesem wä- sitzen, wird davon betroffen sein. – Diese Frauen sind re es jetzt wirklich an der Zeit, dass die Regierung ressort- zu 70,6 Prozent – die offizielle Zahl – deutsche Staatsan- übergreifend gemeinsam handelt und das beschleunigt, gehörige. Frau Kollegin Harder-Kühnel, ganz ehrlich: (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Ihre Rede verhöhnt die Opfer. neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LIN- und zwar unter anderem mit der konsequenten Umset- KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zung der Istanbul-Konvention; die muss nämlich Aufga- sowie bei Abgeordneten der FDP – Wider- be der gesamten Regierung und des Parlamentes sein. spruch bei der AfD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16785

Silvia Breher (A) Niemand von uns in diesem Haus grenzt irgendein (Martin Reichardt [AfD]: Phrasensammeln ist (C) Opfer aus. das hier!) (Martin Reichardt [AfD]: Ja, selbstverständlich Wir wollen uns aber auch um eine Lösung kümmern, grenzen Sie aus! Sie sagen nicht die Wahrheit!) wenn es so nicht klappt; ich bin dabei. Dann machen wir den Unterhaltsvorschuss analog für die Frauen, die ins Niemand von uns in diesem Haus grenzt irgendetwas bei Frauenhaus gehen. Das ist ein Thema der Zukunft. Aber diesem Thema aus. Die Einzige, die heute Abend etwas wir versuchen, das hinzubekommen. ausgegrenzt hat, sind Sie, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LIN- der SPD) KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich kann natürlich Ihre Ungeduld bei diesem Thema sowie bei Abgeordneten der FDP – Martin verstehen. Absolut! Ich bin auch total ungeduldig bei Reichardt [AfD]: Sie wollen doch nur billige diesem Thema. Aber ein Beispiel: die digitale Plattform. PR, indem Sie die Wahrheit verschweigen! – Die Frauenhäuser wissen nämlich nicht: Wo ist ein freier Gegenruf der Abg. Marianne Schieder [SPD]: Platz? Sie müssen abtelefonieren, mühsam suchen, wo Solch eine Aggressivität bei so einem Thema ein freier Platz ist. Ja, es gibt einzelne Bereiche, in denen von einem Mann!) das geht; aber in der Regel geht es nicht. Dafür wollen wir indem Sie einfach nur den Blick auf die Täter richten, diese digitale Plattform in Kooperation mit den Bundes- einen kleinen Bruchteil der Täter, und das lassen wir nicht ländern. zu. Ich bin nicht bereit, wir alle in diesem Haus – bis auf Ich kann echt nur an Sie alle, die in Regierungsverant- Sie – sind nicht bereit, dieses Problem hinzunehmen. Wir wortung in den Ländern sind, appellieren: Ich weiß nicht, sehen uns alle Frauen an, die betroffen sind von partner- was daran so schwer ist. Eine Ampel mit rot, grün und schaftlicher Gewalt. gelb ist doch einfach einzurichten. Aber die Bundesländer scheinen dafür ein bisschen länger zu brauchen und an- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) dere Vorstellungen zu haben. Insofern: Helfen Sie mit, Ich freue mich und bin wirklich dankbar, dass die Bun- dass wir diese Themen auf den Weg bekommen! All die desregierung mit unserer Ministerin das Aktionspro- Dinge, die Sie angesprochen haben, haben wir angescho- gramm auf den Weg gebracht hat, und zwar mit einer ben, sind auf dem Weg. umfassenden Strategie zu Prävention, Unterstützung der von Gewalt betroffenen Frauen, aber eben auch der Kin- ( [AfD]: Auf einem guten Weg!) (B) der, und Verbesserung der gesamten Hilfsstrukturen. Und (D) ja, wir brauchen mehr Frauenhäuser. Wir brauchen mehr Ganz zum Schluss noch ein kurzes Wort: Es gibt auch Plätze für Frauen und ihre Kinder. von partnerschaftlicher Gewalt betroffene Männer. Auch wenn es heute nicht das Thema ist: Das ist nicht zu unter- (Martin Reichardt [AfD]: Ihr seid in der Regie- schätzen. Das werden wir im Blick behalten, und auch rung! – Weiterer Zuruf von der AfD: Dann darum werden wir uns kümmern. mach doch mal!) (Enrico Komning [AfD]: Männerhäuser schaf- Aber das haben wir auf den Weg gebracht, was Sie wüss- fen!) ten, wenn Sie beim Haushalt aufgepasst hätten. Wir haben vieles auf den Weg gebracht. Wir haben (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie diese Themen im Blick. Deswegen lassen Sie uns ge- bei Abgeordneten der LINKEN) meinsam dafür streiten, dass wir Besserungen auf den Weg bekommen. Jeweils 30 Millionen Euro in den nächsten vier Jahren! Damit werden neue Plätze geschaffen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Und ja, es gibt ein Problem bei der Kostenübernahme, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie wenn Frauen von einem Bundesland ins nächste gehen. bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE Und ja, es gibt ein Problem, das organisatorisch hinzube- GRÜNEN) kommen. Aber auch daran arbeiten wir. Da spielen näm- lich die verschiedenen Ebenen eine Rolle: Bund, Länder, Vizepräsidentin Claudia Roth: Kommunen. Genau dafür haben wir den runden Tisch Vielen Dank, Silvia Breher. – Ich schließe die Aus- eingerichtet, und das ist richtig so. Denn da geht es da- sprache. rum: Wie führen wir einen bedarfsgerechten Ausbau durch in den nächsten Jahren? Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 19/15380, 19/15379 und 19/15770 an (Martin Reichardt [AfD]: Bedarfsgerechter die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge- Ausbau! Runder Tisch! Ganz genau!) schlagen. Gibt es weitere Überweisungsvorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir wie vorgeschla- Insbesondere geht es darum, die Bundesländer mit an den gen. Tisch zu holen, um zu klären: Wie schaffen wir es, dass die Gelder über Bundeslandgrenzen erstattet werden? Ei- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 sowie Zusatz- ne Mustervereinbarung ist in der Diskussion. punkt 9 auf: 16786 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Vizepräsidentin Claudia Roth (A) 20 Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- ren mit der – unerwünschten – Folge, dass die Verwandt- (C) gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umset- schaft des Kindes zu beiden bisherigen Eltern erlischt. zung der Entscheidung des Bundesverfas- sungsgerichts vom 26. März 2019 zum Diese Rechtslage, meine Damen und Herren, hat das Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehe- Bundesverfassungsgericht als Verstoß gegen den lichen Familien Gleichheitsgrundsatz gewertet, da Kinder in nichteheli- chen Stieffamilien gegenüber Kindern in ehelichen Stief- Drucksache 19/15618 familien ohne ausreichenden Grund benachteiligt wer- den. Zwar sei es legitim, eine Stiefkindadoption nur Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) zuzulassen, wenn die Beziehung zwischen Eltern- und Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Stiefelternteil längeren Bestand verspricht, aber auch ZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin nichteheliche Stieffamilien könnten langfristig angelegt Helling-Plahr, Stephan Thomae, Grigorios und stabil sein. Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Frak- Die Bundesregierung legt nun einen Gesetzentwurf tion der FDP vor, mit dem der Gesetzgeber dem Auftrag des Bundes- Modernes Adoptionsrecht schaffen – Gemein- verfassungsgerichts nachkommen kann. Die Stiefkind- same Adoption für nichteheliche Paare sowie adoption wird nun auch in nichtehelichen Familien Einzeladoption für Ehegatten ermöglichen ermöglicht. Gesetzestechnisch wird dies über eine Gene- ralverweisung gelöst, nach der die Vorschriften über die Drucksache 19/15772 Annahme des Kindes des anderen Ehegatten für Personen Überweisungsvorschlag: in einer verfestigten Lebensgemeinschaft entsprechend Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) anwendbar sind. Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Voraussetzung für die Stiefkindadoption ist, dass die Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten be- Partner in einem gemeinsamen Haushalt leben. Beide schlossen. Personen sollen sich um die Kinder kümmern. Ferner Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, Platz zu neh- sieht der Gesetzentwurf zwei Regelbeispiele vor, die die men, vielleicht auch ein bisschen zügig Platz zu nehmen. verfestigte Lebensgemeinschaft verdeutlichen: Zusam- menleben von mindestens vier Jahren oder Zusammen- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parla- leben mit einem gemeinsamen Kind. Durch diese Regel- mentarische Staatssekretär Christian Lange für die Bun- ungen soll weiter sichergestellt werden, dass die desregierung. Adoption eines Kindes nur in Stabilität versprechenden (B) (D) (Beifall bei der SPD) Lebensgemeinschaften zugelassen und so dem Kindes- wohl schon bei Eröffnung der Adoptionsmöglichkeit ne- Christian Lange, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- ben der zusätzlich durchzuführenden Einzelfallprüfung ministerin der Justiz und für Verbraucherschutz: Rechnung getragen wird. Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen Mit der Änderung geht im Übrigen auch eine Anpas- und Kollegen! Ich bringe heute einen Gesetzentwurf der sung des internationalen Privatrechts einher. Bundesregierung ein, den man am besten mit einem Bei- spielsfall erläutert: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Ihre Zu- stimmung. Der Vater zweier Kinder war verstorben. Seine Witwe lebte mit ihrem neuen Partner in nichtehelicher Lebens- Herzlichen Dank. gemeinschaft zusammen. Das Paar hatte ein gemeinsa- mes Kind. Alle fünf – die Witwe, ihr neuer Partner, ihr (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) gemeinsames Kind und die beiden Kinder der Witwe – lebten glücklich und zufrieden zusammen. Folgerichtig Vizepräsidentin Claudia Roth: wollte der neue Partner nun irgendwann die beiden Kin- Vielen Dank, Christian Lange. – Nächster Redner: der der Witwe als Stiefkinder adoptieren. Aber durch die Fabian Jacobi für die AfD-Fraktion. Adoption wäre nach geltendem Recht die Elternschaft der Mutter zugunsten der alleinigen Elternschaft des Stiefva- (Beifall bei der AfD) ters beseitigt worden. Das wollten die Beteiligten natür- lich nicht. Die Mutter sollte in jedem Fall rechtliche Mut- Fabian Jacobi (AfD): ter bleiben. Der nichteheliche Stiefvater sollte nur Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das zusätzlicher Elternteil werden. Adoptionsrecht, also die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die rechtliche Annahme eines Kindes Der Fall kam bis zum Bundesverfassungsgericht, das als eigenes, stammt im Wesentlichen aus dem Jahr 1976, feststellte, dass der Ausschluss der Stiefkindadoption als dieses Rechtsgebiet zuletzt grundlegend neu geordnet in nichtehelichen Familienkonstellationen gegen das wurde. Seitdem stellt das Gesetz weniger die Interessen Grundgesetz verstößt. Bislang ist eine zur gemeinsamen der beteiligten Erwachsenen als die des betroffenen Kin- Elternschaft führende Adoption eines Stiefkindes nur des in den Mittelpunkt. möglich, wenn der Stiefelternteil mit dem rechtlichen Elternteil verheiratet ist. In einer nichtehelichen Stieffa- Das tut auch die Entscheidung des Bundesverfassungs- milie kann der Stiefelternteil das Kind nur allein adoptie- gerichts vom 26. März 2019, zu deren Umsetzung das Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. 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Fabian Jacobi (A) heute in erster Lesung behandelte Gesetz dienen soll. Das (Beifall bei der AfD) (C) Gericht hatte über folgende Situation zu entscheiden: Ei- Einstweilen steht zu hoffen, dass trotz der Kürze der ne Witwe mit zwei Kindern lebt mit einem neuen Partner Zeit – die Gesetzesänderung soll spätestens im März be- und dem dritten, gemeinsamen Kind zusammen. reits in Kraft treten – eine sorgfältige Erörterung möglich (Marianne Schieder [SPD]: Das wissen wir sein wird. Schauen wir mal! schon! Haben wir schon gehört!) Vielen Dank. Die beiden älteren Kinder sollten von dem neuen Lebens- (Beifall bei der AfD) partner und Vater des jüngsten Kindes adoptiert werden. Es stellte sich allerdings heraus, dass die bisherige Fas- sung des BGB dies nur in der Weise zuließe, dass der Vizepräsidentin Claudia Roth: Adoptivvater zwar rechtlich Vater wird, zugleich aber Vielen Dank, Fabian Jacobi. – Nächster Redner in der die Mutter die rechtliche Elternschaft verliert – ein offen- Debatte: Thorsten Frei für die CDU/CSU-Fraktion. kundig absurdes Ergebnis. Eine Adoption als gemeinsa- (Beifall bei der CDU/CSU) mes Kind wäre nur dann möglich, wenn die beteiligten Erwachsenen auch heirateten. Damit hängt hier die Mög- Thorsten Frei (CDU/CSU): lichkeit der Kinder, durch Adoption wieder zwei recht- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! liche Elternteile zu erhalten, davon ab, ob die beteiligten Wenn man sich den Koalitionsvertrag von Union und Erwachsenen vor der Adoption eine Ehe schließen. SPD anschaut, dann findet man genau zwei Sätze, die Das Gericht hat nun verneint, dass die Erwachsenen sich mit der Adoption beschäftigen. Zum einen wollen durch diese Rechtslage in Grundrechten verletzt seien; wir das Adoptionswesen in Deutschland modernisieren wohl aber hat es eine Grundrechtsverletzung der Kinder und zum anderen auch die Strukturen für Beratung und bejaht. Zwar könne eine Ehe als positives Zeichen für die Vermittlung im Adoptionsverfahren verbessern. Der ak- zu erwartende Stabilität der Beziehung der Erwachsenen tuelle Gesetzentwurf zur Stiefkindadoption – das ist in gelten; der Umkehrschluss allerdings, wonach dann ohne der Debatte schon deutlich geworden – ist allerhöchstens Heirat eine gemeinsame Elternschaft durch Stiefkind- mittelbar aus diesen zwei programmatischen Sätzen ab- adoption immer ausgeschlossen sei, benachteilige die da- leitbar, wenngleich es natürlich so ist, dass wir ein Stück von betroffenen Kinder in gleichheitswidriger Weise. weit auch die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten in unserem Land, in unserer Gesellschaft, unterschiedliche Der Bundestag als Gesetzgeber ist nun gefordert, die- Lebensentwürfe in das Gesetz übernehmen und damit sem Grundrechtsverstoß durch Änderung des Gesetzes Wirklichkeit abbilden. Es hat also auch etwas mit Moder- (B) abzuhelfen. Die Bundesregierung hat dazu einen Gesetz- nisierung zu tun. (D) entwurf vorgelegt, der sich recht eng an die Vorgaben und Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entschei- die Begründung des Verfassungsgerichts hält und der da- dung vom 26. März dieses Jahres sehr klare Leitplanken mit im Grundsatz zustimmungsfähig erscheint. Im Ein- gesetzt, als es formuliert hat, dass durch den generellen zelnen gibt es sicher noch Formulierungsfragen. So Ausschluss der Stiefkindadoption für nichteheliche Fami- schlägt etwa der Notarverein in seiner Stellungnahme lien eine Ungleichbehandlung im Sinne von Artikel 3 Ab- zum Referentenentwurf vor, anstelle der verfestigten Le- satz 1 des Grundgesetzes besteht. Ich finde dabei wirklich bensgemeinschaft besser von der eheähnlichen Gemein- interessant, welche Perspektive das Verfassungsgericht schaft zu sprechen, da die erstere Formulierung in einen eingenommen hat, nämlich explizit nicht die Perspektive unterhaltsrechtlichen Kontext gehöre. Auch weitere An- der Erwachsenen. Es geht also überhaupt nicht darum, regungen aus den zahlreichen Stellungnahmen zu dem dass ein Kinderwunsch erfüllt werden soll. Es geht über- Referentenentwurf erscheinen bedenkenswert; darüber haupt nicht darum, dass Partnerschaften in nichtehelicher wird im Ausschuss zu sprechen sein. Gemeinschaft gleichbehandelt werden sollen mit Partner- Allerdings gibt es auch bereits das Ansinnen, diesen schaften in ehelicher Gemeinschaft. Vielmehr wurde ein- vorliegenden Gesetzentwurf noch deutlich auszuweiten. deutig die Perspektive der Kinder eingenommen und des- In diesem Sinne haben sich zwei Ausschüsse des Bundes- halb die Frage beantwortet, ob eine Ungleichbehandlung rates geäußert; noch offen ist, ob sich der Bundesrat selbst besteht, wenn Kindern unter den vorgetragenen Kautelen dies in seiner nächsten Sitzung zu eigen machen wird. eine Adoption in einer nichtehelichen Gemeinschaft nicht ermöglicht wird. In dieselbe Richtung zielt der heute hier vorliegende, Ich glaube, dass der Gesetzentwurf, den die Bundes- erkennbar etwas hektisch zusammenkopierte Antrag der regierung hier vorgelegt hat, nicht nur die sehr kluge FDP-Fraktion. Dabei geht es jeweils darum, über die Fäl- Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abbildet, le der Stiefkindadoption hinaus, von denen die Entschei- sondern auch sehr gut die Leitplanken des Verfassungs- dung des Bundesverfassungsgerichts handelt, pauschal gerichts übernimmt. Ich halte das für absolut richtig. Und für unverheiratete Paare die Möglichkeit der gemeinsa- ich halte es auch für richtig, dass viele Erwägungen, die men Adoption auch fremder Kinder zu schaffen. Die The- man im Vorfeld dieses Gesetzentwurfs angestellt hat, se, auch eine solche viel weiter gehende Änderung werde nicht in den eigentlichen Text übernommen worden sind. durch die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungs- gerichts gefordert, erscheint uns auf den ersten Blick we- Ich glaube, es ist wichtig, an dieser Stelle festzustellen, nig überzeugend. Diesen weiter gehenden Forderungen dass das Gericht – das tut auch der Gesetzentwurf – weiter werden wir uns deshalb wohl nicht anschließen. am Leitbild der Ehe als einer auf Lebenszeit ausgerichte- 16788 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Thorsten Frei (A) ten und abgeschlossenen Gemeinschaft festhält. Deswe- (Beifall bei der FDP) (C) gen ist es richtig, im Sinne des Kindeswohls die Frage zu stellen, wann denn von einer gefestigten Lebensgemein- Katrin Helling-Plahr (FDP): schaft auszugehen ist. Anders als bei der Ehe ist diese Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und nicht einfach dadurch gegeben, dass es eine solche Ver- Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen bindung gibt, sondern es braucht zusätzliche Erkenntnis- Koalition! Am 26. März dieses Jahres hat Ihnen das Bun- beispiele. desverfassungsgericht mit seinem Urteil zur Stiefkind- Hier arbeitet der Gesetzentwurf mit zwei Regelbeispie- adoption in nichtehelichen Familien wieder einmal be- len, die das, glaube ich, sehr gut abbilden. Regelbeispiele scheinigt: Ihr Familienbild ist antiquiert, Ihre Politik zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht zu 100 Prozent mutlos. und kumulativ gegeben sein müssen; vielmehr sind sie – Nun tun Sie gezwungenermaßen das laut expliziter Ur- in diesem Fall – Beispiele dafür, wann eine gefestigte teilsfeststellung im Mindesten Nötige und ermöglichen Lebensgemeinschaft anzunehmen ist. Ich glaube, es ist die Stiefkindadoption auch unverheirateten Paaren. Aber richtig, dass man mit vier Jahren als Indizwirkung eine Sie gehen auch nicht einen einzigen Schritt weiter. nicht zu kurze Dauer gewählt hat. Diese Zahl kann im Einzelfall auch unterschritten werden, bietet aber eben Es ist in Deutschland zwischenzeitlich nicht nur gesell- eine hinreichende Gewähr dafür, dass diese Lebensge- schaftliche Realität, sondern längst Normalität, eine Fa- meinschaft gefestigt ist und damit auch die richtige milie zu gründen, ohne zu heiraten. In mehr als jeder Grundlage nicht nur für eheähnliches Zusammenleben, zehnten Familie wachsen Kinder bei unverheirateten El- sondern eben auch für Stabilität für das in dieser Bezie- ternteilen auf. Und es gibt natürlich keinen Hinweis da- hung lebende Kind oder die in dieser Beziehung lebenden rauf, dass es diesen Kindern irgendwie schlechter geht. Kinder schafft. Da können Sie, je nach Couleur aus Überzeugung oder Koalitionsräson, versuchen, die Augen davor zu ver- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) schließen, wie Sie wollen; das ändert nichts. Ein weiterer Punkt ist, glaube ich, auch eine Selbstver- ständlichkeit. Wenn zwei Menschen mit einem gemein- Warum ermöglichen Sie unverheirateten Paaren nicht samen Kind zusammenleben, ist es, glaube ich, eine auch, gemeinsam ein fremdes Kind zu adoptieren, ge- Selbstverständlichkeit, anzunehmen, dass automatisch meinsam Verantwortung zu übernehmen? Und wenn mehr als eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft wir einmal dabei sind: Warum ist eine Einzeladoption, vorliegt. Auch das übernimmt der Gesetzentwurf. Des- wenn man heiratet, plötzlich nicht mehr möglich? Jeder halb, glaube ich, ist das ein guter Ansatz. Adoption hat ohnehin eine intensive Kindeswohlprüfung (B) vorauszugehen. Wird ohne Ansehung der konkreten Um- (D) Zuletzt ist eben auch klar – es ist, finde ich, wichtig, stände des Einzelfalls eine Adoption von vornherein ver- dass das im Gesetzentwurf festgestellt wird –, dass dann, wehrt, bleiben dem Kind die mit der Adoption verbunde- wenn eine dieser beiden Personen mit einer dritten Person nen Entwicklungschancen von vornherein verschlossen, verheiratet ist, automatisch eben keine gefestigte Lebens- und zwar ohne dass es überhaupt zu einer Prüfung der beziehung angenommen werden kann. Es ist, glaube ich, Vor- und Nachteile der Adoption im konkreten Fall in Respekt vor den ganz individuellen Lebensumständen kommt. Das, finde ich, ist nicht haltbar. von jedem Einzelnen wichtig und entscheidend, dass wir klarstellen, dass das eine nicht ohne das andere geht. (Beifall bei der FDP) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, der Ge- Und genau so hat ja auch das Bundesverfassungsge- setzentwurf, der uns vorliegt, ist ein guter Gesetzentwurf. richt in dem ihm vorliegenden Fall argumentiert. Was Das wird uns auch erlauben, Herr Jacobi, in guter Bera- glauben Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der tung bis zum Ende des ersten Quartals zum Abschluss der Großen Koalition, wie das Bundesverfassungsgericht ur- parlamentarischen Beratungen zu kommen. Aus meiner teilen wird, wenn es über einen Fall eines Adoptionsbe- Sicht gibt es da nicht wirklich viel zu verbessern. gehrens einer Pflegefamilie mit unverheirateten Eltern- teilen zu entscheiden hat? Wir können sicher sein, dass Das ist ein sehr, sehr guter Ansatz, der für etwa 250 bis das Gericht den Pflegekindern die mit einer Adoption 300 Kinder in Deutschland für deutlich bessere Rahmen- einhergehenden Chancen nicht vorenthalten wird. Aber bedingungen und Verhältnisse sorgen wird. Ich glaube, Sie tun das weiterhin. Kindeswohlorientierte Politik sieht für jedes einzelne dieser Kinder, die da möglicherweise in anders aus. einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft adoptiert wer- den können, ist es ein guter Schritt, heute das Gesetzge- (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Katja bungsverfahren zu eröffnen. Deswegen hoffe ich, dass Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) wir das auch so im Verfahren durchsetzen können. Das Bundesverfassungsgericht wird Sie ein weiteres Herzlichen Dank. Mal zum Jagen tragen müssen – leider –; es sei denn, Sie kommen doch noch zur Vernunft und stimmen dem (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) von uns heute hier vorgelegten Antrag zu. Ich bin ge- spannt. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Thorsten Frei. – Nächste Rednerin: für die FDP-Fraktion Katrin Helling-Plahr. (Beifall bei der FDP) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16789

(A) Vizepräsidentin Claudia Roth: tionen und -vorstellungen, die weiterhin auf rechtlicher (C) Vielen Dank, Frau Helling-Plahr. – Nächste Rednerin: Ebene verankert sind, nicht im Wege stehen. Entschei- für die Fraktion Die Linke Gökay Akbulut. dend ist, dass das Kind rechtlich abgesichert ist und dass unabhängig von der jeweiligen Partnerschaftsform für (Beifall bei der LINKEN) das Kind gesorgt wird; denn für uns als Linke steht nach wie vor das Kindeswohl im Mittelpunkt. Gökay Akbulut (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Der Gesetzentwurf ist ein Schritt in die richtige Rich- Kollegen! Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner tung. Dennoch bezieht er nicht die wichtigen Erwägun- Entscheidung vom 26. März 2019 den Gesetzgeber dazu gen ein, die wir aus der Anhörung und den zahlreichen verpflichtet, die Ungleichbehandlung im Bereich der Stellungnahmen der Fachverbände mitgenommen haben. Stiefkindadoption durch verfassungskonforme Regelun- Der Gesetzentwurf geht im Grunde genommen am Ziel, gen zu beheben. Der von der Bundesregierung vorge- das Kindeswohl zu schützen, vorbei; denn das Kindes- schlagene Gesetzentwurf, insbesondere die Einfügung wohl wird nicht durch Konstruktionen wie eheähnliche von § 1766a BGB, trägt zwar dazu bei, dennoch handelt Partnerschaften geschützt, sondern durch Personen, die es sich hierbei nur um eine Minimallösung. Es müsste die Verantwortung für die Erziehung des Kindes überneh- mindestens noch der § 1741 Absatz 2 BGB zur Klarstel- men. lung geändert werden, so wie es auch die FDP in ihrem Vielen Dank. kurzfristig vorgelegten Antrag fordert, was auch wir aus- drücklich unterstützen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten der FDP) Vizepräsidentin Claudia Roth: Als Linke sehen wir bei dem Gesetzentwurf der Bun- Danke schön, Gökay Akbulut. – Nächste Rednerin: für desregierung ein zentrales Problem: Insgesamt ist das Bündnis 90/Die Grünen Katja Dörner. Adoptionsrecht immer noch ehezentriert, und das muss (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sich grundlegend ändern. (Beifall bei der LINKEN) Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eine Annahme von Kindern ist nach diesem Gesetzent- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Lie- wurf nur für zwei Personen möglich, die in einer verfes- be Kollegen! Für eine wachsende Zahl von Familien trifft das klassische Bild der Eheleute mit Kind oder Kindern (B) tigten Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haus- (D) halt leben. Dort steht ausdrücklich, dass eine verfestigte heute nicht mehr zu. Familien sind vielfältig. Es gibt Lebensgemeinschaft vorliegt, wenn die Personen seit höchst unterschiedliche Familienkonstellationen. Die mindestens vier Jahren oder als Eltern eines gemeinsa- Ehe ist längst nicht mehr das einzige Familienmodell, men Kindes mit diesem in einem eheähnlichen Verhältnis und sie ist auch kein Garant für Dauerhaftigkeit. Das kann zusammenleben. Die Bezugnahme auf die Eheähnlichkeit man bedauern oder auch nicht, aber die Zahlen sprechen als entscheidendes Zugangskriterium für die Stiefkind- da eine ganz klare Sprache. adoption ist aber mit der Lebensrealität in Deutschland Genauso wenig definiert sich Familie ausschließlich heutzutage nicht mehr vereinbar. über genetische Abstammung. Familie bedeutet vielmehr, Diese grundlegende Kritik stammt nicht nur von uns, Verantwortung füreinander zu übernehmen. Unser Fami- sondern findet sich auch in zahlreichen Stellungnahmen lienrecht muss die Vielfalt der Familienkonstellationen der Fachverbände wie des Paritätischen Gesamtverban- abbilden und diesen Rechnung tragen. Es muss dabei des, aber auch des Deutschen Juristinnenbundes zum Re- insbesondere das Wohl und die Interessen der Kinder in ferentenentwurf. Maßstab der Zugangsbedingung für die den Mittelpunkt stellen. Ermöglichung einer Stiefkindadoption sollte nicht die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eheähnlichkeit als formales Konstrukt sein. Das Formale entscheidet nämlich nicht darüber, ob das Kind unter tat- Leider hinkt unser Familienrecht vielen gesellschaft- sächlich guten Bedingungen aufwächst oder nicht. lichen Entwicklungen hinterher. Ich will hier nur die Si- tuation der Kinder, die in eine lesbische Ehe hineinge- Entscheidend für die Kindeswohlperspektive ist, dass boren werden, nennen oder die rechtliche Absicherung es eine Verantwortungsgemeinschaft für das Kind gibt, in von Patchworkfamilien. Immer wieder muss die Bundes- der es geliebt und gefördert wird, unabhängig davon, ob regierung vom Bundesverfassungsgericht in die richtige eine Ehe oder Eheähnlichkeit besteht oder nicht. Und wer Richtung geschubst werden. So war es 2009, 2010, 2012 bestimmt denn darüber, wie eheähnlich eine Partnerschaft und 2013 gleich zweimal bei der Frage der rechtlichen ist? Gleichstellung lesbischer und schwuler Paare in eingetra- (Beifall bei der LINKEN) genen Lebenspartnerschaften im Beamten-, Steuer- und Adoptionsrecht, und so war es eben jetzt auch mit Blick Es gibt viele Personen, die in ganz unterschiedlichen auf die Stiefkindfamilien. Es wäre besser, wenn die Bun- Konstellationen leben, diese Verantwortung übernehmen desregierung endlich mal von sich aus den Mumm hätte, wollen und dies auch können, wie wir vielfach sehen, das Familienrecht zu modernisieren. gerade in unserer vielfältigen, modernen Lebens- und Arbeitswelt. Dem sollten traditionelle Familienkonstruk- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 16790 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Katja Dörner (A) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir begrüßen es, Für die Kinder ist das Kriterium der Ehelichkeit … (C) dass das Bundesverfassungsgericht erneut die Vielfalt nicht verfügbar. Es liegt allein in der Macht des El- von Familienmodellen als Tatsache anerkannt hat und ternteils und des Stiefelternteils, die Ehe zu die Richterinnen und Richter im vergangenen März ent- schließen. Die Kinder haben keinen Einfluss da- schieden haben, dass die Ungleichbehandlung zwischen rauf … Kindern in nichtehelichen Familien gegenüber Kindern in ehelichen Familien aufzuheben ist. Es ist natürlich gut, Aber um genau sie, um die Kinder, geht es bei der dass die Bundesregierung sich nun bemüht, diesen Be- Adoption. Und da geht es nicht nur um die Fürsorge, schluss umzusetzen. Paare in einer verfestigten Lebens- sondern auch um die soziale und wirtschaftliche Absiche- gemeinschaft werden mit Ehepaaren gleichgestellt. Das rung der Kinder. Denn zunehmend entscheiden sich El- ist aus unserer Sicht auch überfällig. ternpaare tatsächlich gegen die Ehe, aber für Kinder; Frau Helling-Plahr hat das vorhin schon erwähnt. Inzwischen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sind in 12 Prozent der Familien mit Kindern die Eltern nicht verheiratet. Im Osten sind es übrigens sogar 26 Pro- Beseitigt wird jedoch ausschließlich die diskriminie- zent der Eltern. rende Rechtslage im Hinblick auf die Stiefkindadoption. Das ist ein Schritt, aber doch ein sehr zaghafter. Die Ent- Was kann das Kind dafür, ob die Eltern verheiratet sind scheidung des Bundesverfassungsgerichts hat mehr Po- oder nicht? Das Bundesverfassungsgericht hat uns daher tenzial, und ihre Umsetzung sollte nicht bei der Beseiti- also völlig zu Recht den Auftrag erteilt, die nichteheli- gung der diskriminierenden Rechtslage mit Blick auf die chen Stiefkinder den ehelichen Stiefkindern gleichzustel- Stiefkindadoption enden. Bei Fremdkindadoptionen soll len. Dies tun wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf. sich leider weiterhin nichts ändern. Braucht es erst eine Dies ist zwar ein wichtiger Schritt, mit dem wir als Ge- weitere Klage, damit der Gesetzgeber aktiv wird? Ich setzgeber dem modernen Familienbild den Weg ebnen, finde, das wäre doch ein Armutszeugnis. aber wir sollten uns fragen: Inwieweit wollen wir nicht- eheliche Lebensgemeinschaften zukünftig anerkennen? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bisher haben sie nämlich praktisch ganz viele Pflichten, aber kaum Rechte. Uns geht der vorgelegte Gesetzentwurf daher nicht weit genug. Schauen wir uns mal im Sozialrecht um: Als Bedarfs- gemeinschaft wird heutzutage schon zusammengewür- Der Antrag der FDP geht in die richtige Richtung. Wir felt, wer auch nur in einer Wohngemeinschaft lebt, und werden uns im weiteren Verfahren ebenfalls mit konkre- man muss füreinander einstehen, wenn es um SGB II oder ten Vorschlägen einbringen. SGB XII geht. Aber wenn es um Steuerrecht geht, wenn (B) es um Erbschaften geht, wenn es bisher um die Adoption (D) Vor dem Hintergrund danke ich für die Aufmerksam- ging, muss man sagen: Da sind die nichtehelichen Le- keit und freue mich auf die weitere Debatte zu diesem bensgemeinschaften im Gesetz gar nicht erst vorgesehen. wichtigen Thema. Deshalb ist es an der Zeit, auch diese Familien zu stärken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dann ist es auch an der Zeit, tatsächlich generell die Adoption von Kindern für nichteheliche Paare zu öffnen, Vizepräsidentin Claudia Roth: also auch dann, wenn die Kinder von keinem Elternteil Vielen Dank, Katja Dörner. – Nächste Rednerin: für die abstammen. Wir haben das vorhin „fremde Kinder“ ge- SPD-Fraktion Sonja Amalie Steffen. nannt. Das ist ein schwieriger Begriff. Es ist schwer zu verstehen, dass bis zum heutigen Tag nur Ehepaare und (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Jan- übrigens auch Einzelpersonen Kinder adoptieren dürfen, Marco Luczak [CDU/CSU]) aber nichteheliche Lebensgemeinschaften zusammen keine Kinder adoptieren können. Sonja Amalie Steffen (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Vizepräsidentin Claudia Roth: Kollegen! Liebe Frau Dörner, auch wir von der SPD- Kommen Sie bitte zum Schluss. Fraktion begrüßen, dass das Bundesverfassungsgericht im März dieses Jahres eine sehr fortschrittliche und sehr Sonja Amalie Steffen (SPD): lebensmoderne Entscheidung getroffen und richtigerwei- Ja, ich komme zum Schluss. – Deshalb hoffe ich, dass se – Herr Frei hat das vorhin auch gesagt – tatsächlich aus wir im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vielleicht der Sicht des Kindes entschieden hat. Es hat gesagt, dass noch ein bisschen Schwung in die Debatte bringen. unser jetziges Recht gegen Artikel 3 Absatz 1 Grund- gesetz verstößt, also gegen den Gleichheitsgrundsatz, (Marianne Schieder [SPD]: Genau!) weil es Kinder in nichtehelichen Stiefkindfamilien gegen- In guter Eintracht übrigens mit dem Deutschen Anwalt- über Kindern in ehelichen Stiefkindfamilien ohne aus- verein werden wir uns weiterhin für eine große Lösung reichenden Grund benachteiligt. Das heißt also, ein Stief- einsetzen, die sowohl die Stiefkindadoption als auch die kind kann nur adoptiert werden, wenn der Stiefelternteil Volladoption für verfestigte Lebensgemeinschaften er- mit der Mutter oder dem Vater verheiratet ist. Das Bun- möglicht. desverfassungsgericht hat das übrigens auch wunderbar begründet – ich zitiere –: Vielen Dank. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16791

Sonja Amalie Steffen (A) (Beifall bei der SPD) einer ehelichen Lebensgemeinschaft jedwede Adoption (C) faktisch ausgeschlossen ist. – Ich finde gerade diese zwei- Vizepräsidentin Claudia Roth: te Hälfte der Entscheidung durchaus bemerkenswert. Vielen herzlichen Dank, Sonja Amalie Steffen. – Letz- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will hier in der ter Redner in dieser Debatte: Alexander Hoffmann für die Runde auch mal postulieren: Ich glaube, dass wir schon CDU/CSU-Fraktion. die Aufgabe haben, die Rolle der Institution Ehe zu stär- ken. Und deswegen, glaube ich, ist es sehr gut, wenn wir (Beifall bei der CDU/CSU) das eine vom anderen unterscheiden. Es ist ja auch immer sehr schön herausgearbeitet worden, wo gerade die Un- Alexander Hoffmann (CDU/CSU): terschiede zwischen einer nichtehelichen Lebensgemein- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen schaft und einer Ehe liegen. und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon angeklungen: Wir setzen die Bundesverfas- Ich darf auch mal an die Debatte erinnern, die wir zur sungsgerichtsentscheidung vom 26. März 2019 um. Das Ehe für alle geführt haben. Da war doch dann auch immer Problem ist in der Tat, dass es in Deutschland zwar kein die Argumentation: Die Ehe ist eine so einmalige und Verbot – das will ich klarstellen – der Stiefkindadoption großartige Institution, dass wir sie jetzt auch für gleich- für nichteheliche Lebensgemeinschaften gibt, aber doch geschlechtliche Partnerschaften öffnen wollen. Und jetzt einen faktischen Ausschluss. Der sieht nämlich so aus: plötzlich, wo wir über die Adoption reden, verschiebt Wenn einer der Partner ein Kind mit in diese Gemein- sich – Entschuldigung – ein bisschen die Perspektive. schaft bringt und der andere Partner es adoptieren möch- Es geht nach meiner Wahrnehmung ein bisschen zu viel te, dann geht das eben letztendlich nur unter Wegfall des um Selbstverwirklichung, als darum, dass wir schauen, Verwandtschaftsverhältnisses zum realen Elternteil. Das dass die Ehe nach wie vor eine wichtige und eine einzig- ist also ein realer Ausschluss, und das Bundesverfas- artige Institution bleibt. sungsgericht sagt: Das ist ein Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen. Die Neuregelung, die wir jetzt auf dem Tisch haben, ist Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. auch schon skizziert worden. Sie ermöglicht jetzt eine (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Adoption, wenn eine sogenannte verfestigte Lebensge- [SPD]) meinschaft vorliegt, und die ist in der Regel dann gege- ben, wenn die Partner mindestens vier Jahre zusammen- Vizepräsidentin Claudia Roth: (B) leben oder ein gemeinsames Kind vorhanden ist und die (D) Partner mit diesem Kind zusammenleben. Dabei ist wich- Vielen Dank, Alexander Hoffmann. – Damit schließe tig, dass keiner der Partner mit einer weiteren Person ver- ich die Aussprache. heiratet ist. Damit ist zunächst einmal gewährleistet, dass die Adoption nur dann möglich ist, wenn eine Verbindung Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf vorliegt, die eine gewisse Stabilität verspricht. den Drucksachen 19/15618 und 19/15772 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Ich glaube, es ist richtig, dass wir bei der Frage „Ab Da es keine weiteren Überweisungsvorschläge gibt, ist wann können wir von einer gewissen Stabilität ausge- das Verfahren so beschlossen. hen?“ nicht von zwei Jahren ausgehen, sondern von vier Jahren. Das kann man sogar sozialwissenschaftlich be- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 a und 21 b auf: gründen. Es gibt sozialwissenschaftliche Untersuchun- a) Beratung des Antrags der Abgeordneten gen, nach denen in Stiefkindfamilien dieses Gefühl von Pascal Meiser, Susanne Ferschl, Matthias Familienverbundenheit ab einem Zeitfenster von drei bis W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und fünf Jahren entsteht. Auch Fachkräfte in Adoptionsver- der Fraktion DIE LINKE mittlungsstellen gehen von Stabilität, im Übrigen auch bei einer Ehe, bei einem Zeitfenster von drei bis fünf Tarifverträge bescheren Weihnachtsgeld – Jahren, die eine Beziehung Bestand hat, aus. Allgemeinverbindlichkeit erleichtern Wenn es jetzt um die Frage geht: „Wäre denn eine Drucksache 19/15776 weitreichendere Öffnung noch möglich?“, dann ist es ja immer relativ populär zu sagen: Das Bundesverfassungs- b) Beratung der Beschlussempfehlung und des gericht will doch eigentlich mehr. – Da empfehle ich Berichts des Ausschusses für Arbeit und So- schon, dass man mal einen genauen Blick in die Entschei- ziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Ab- dung wirft. Beim Durchlesen wird man dann nämlich ein geordneten Pascal Meiser, Susanne Ferschl, ganzes Stück schlauer. Das Bundesverfassungsgericht Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordne- schreibt ausdrücklich, dass es legitim ist, die Adoption ter und der Fraktion DIE LINKE nur bei Beziehungen zu ermöglichen, die eine gewisse Stabilität versprechen. Und dann geht das Bundesverfas- Tarifbindung stärken sungsgericht sogar noch einen Schritt weiter und sagt: Es Drucksachen 19/8963, 19/14415 ist sogar auch legitim, vor allem die Ehelichkeit als einen wesentlichen Indikator für Stabilität heranzuziehen. Al- Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten vor- lerdings darf es umgekehrt nicht so sein, dass außerhalb gesehen. 16792 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Vizepräsidentin Claudia Roth (A) Ich bitte die Kollegen, Platz zu nehmen, und die Kol- chung der Gewerkschaften durch die Agenda 2010 und (C) leginnen auch. deren Folgen nicht schweigen. Ich gebe als erstem Redner das Wort Pascal Meiser für (Beifall bei der LINKEN) die Fraktion Die Linke. Fakt ist jedoch, dass es diese Bundesregierung bisher (Beifall bei der LINKEN) weitestgehend bei wohlklingenden Appellen an die Tarif- partner belassen hat. Fakt ist auch, dass Sie damit billi- gend in Kauf nehmen, dass Millionen Beschäftigte in Pascal Meiser (DIE LINKE): nichttarifgebundenen Unternehmen von der Entwicklung Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lange der Tariflöhne abgekoppelt werden. Warum sorgen Sie vor den ersten Tarifverträgen gab es im Schusterhand- also nicht endlich dafür, dass die anhaltende Tarifflucht werk den Brauch, dass der Meister seinem Gesellen gestoppt wird? Warum erleichtern Sie nicht endlich die zum Weihnachtsfest ein Stück Leder schenkte. Der Möglichkeit, Tarifverträge für alle Unternehmen der je- Meister wollte sich damit für die geleistete Arbeit er- weiligen Branche für allgemeinverbindlich zu erklären? kenntlich zeigen. Der Geselle konnte sich daraus zu Nur so können doch auch diejenigen Unternehmen ge- Weihnachten ein paar Schuhe fertigen. schützt werden, die einen anständigen Tariflohn zahlen. (Bernd Rützel [SPD]: Das habe ich auch ge- Als Linke haben wir dazu heute wieder konkrete Vor- lesen!) schläge vorgelegt. Dazu gehört, die Antragstellung für die Viele Jahre später entstand aus dieser Tradition das Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen zu erleich- sogenannte Weihnachtsgeld. Immerhin 76 Prozent aller tern. Beschäftigten, die unter den Schutz eines Tarifvertrages (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- fallen, erhalten heute zum Jahresende eine solche Sonder- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) zahlung. Im Durchschnitt sind das rund 2 600 Euro brutto, die nicht nur gut gebrauchen kann, wer zusätzliche Auf- Dazu gehört auch, das Vetorecht der Arbeitgeberverbän- wendungen für Weihnachten hat und seine Liebsten be- de gegen solche Allgemeinverbindlichkeitserklärungen schenken möchte. Ich finde, ein solches Weihnachtsgeld zu streichen. ist das Mindeste, das Beschäftigte am Jahresende als An- erkennung verdient haben. (Beifall bei der LINKEN – Lachen des Abg. Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]) (Beifall bei der LINKEN) Ich freue mich, dass auch die SPD auf ihrem jüngsten (B) Klar ist aber auch: Das Weihnachtsgeld bringt nicht der Parteitag einen gleichlautenden Beschluss gefasst hat. (D) Weihnachtsmann oder das Christkind, sondern nur ein Aber dann handeln Sie jetzt bitte auch entsprechend! guter Tarifvertrag. Denn von den Beschäftigten, die nicht unter den Schutz eines Tarifvertrages fallen, erhalten le- (Beifall bei der LINKEN) diglich 42 Prozent eine solche Sonderzahlung. Ich weiß natürlich auch, dass einige von Ihnen gleich wieder versuchen werden, mit Verweis auf die Tarifauto- (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Bezahlen nomie ihre eigene Untätigkeit zu kaschieren. Sie Ihren Leuten eigentlich Weihnachtsgeld?) (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Ja, damit Die Zahl der Unternehmen, die sich durch Tarifflucht habt ihr ein Problem!) ihrer sozialen Verantwortung entziehen, nimmt bedroh- lich zu. Waren vor 15 Jahren immerhin noch rund sieben Deswegen klar und deutlich: Ja, die Tarifautonomie ist von zehn Beschäftigten von einem Tarifvertrag geschützt, ein hohes Gut, auch für uns als Linke. so ist es heute noch mehr als jeder Zweite. Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen wird durch diese Ta- (Beifall bei der LINKEN – Dr. Matthias rifflucht Tür und Tor geöffnet. Meine Damen und Herren, Zimmer [CDU/CSU]: Grundgesetzlich ge- ich finde, das ist und bleibt eine völlig inakzeptable Ent- schützt!) wicklung. Aber Tarifautonomie bedeutet auch, Verantwortung zu übernehmen für eine funktionierende Sozial- und Wirt- (Beifall bei der LINKEN) schaftsordnung. Deshalb haben auch all diejenigen, die in diesen Tagen zum Beispiel beim Onlinehändler Amazon oder bei Kar- (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Wo steht stadt bzw. Kaufhof für einen Tarifvertrag streiten, unser das denn?) aller Solidarität mehr als verdient. Wenn jedoch ein wachsender Teil der Unternehmen diese Verantwortung nicht mehr länger wahrnehmen möchte (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- und keine Tarifverträge mehr akzeptiert, dann muss das neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Tarifvertragssystem gesetzlich gestützt werden. Doch auch die Bundesregierung muss endlich ihrer (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Verantwortung nachkommen, allein schon, weil die Poli- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) tik der vergangenen 15 Jahre eine maßgebliche Mitver- antwortung für diese Entwicklung trägt. Denn wer vom So war das übrigens – das können Sie nachlesen – bei der Rückgang der Tarifbindung redet, darf von der Schwä- Entstehung unseres modernen Tarifvertragssystems vor Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16793

Pascal Meiser (A) rund 100 Jahren. Und anders wird es – das zeigt die Ent- bei der Allgemeinverbindlichkeit, die eingefordert wur- (C) wicklung der letzten Jahre – aktuell nicht gehen. de, die eine Tarifseite die andere Tarifseite de facto er- pressen könnte. Das heißt, eine Tarifseite würde aus- Deshalb: Hören Sie auf, bei diesem Thema den Kopf in geschaltet mit ihren Interessen. Das ist nicht den Sand zu stecken! Unterstützen Sie unsere Vorschläge! Waffengleichheit, das ist auch nicht Augenhöhe, sondern Sorgen Sie also mit dafür, dass Millionen Menschen in das ist ein Stück weit ein Verstoß gegen die Grundsätze diesem Land künftig einen anständigen Tariflohn bekom- des Bundesarbeitsgerichtes. men und am Ende des Jahres dann auch ein Weihnachts- geld! (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der Vielen Dank. LINKEN) Wir sind für eine starke Tarifautonomie. Deswegen (Beifall bei der LINKEN – Dr. Matthias haben wir in der letzten Legislaturperiode mit dafür ge- Zimmer [CDU/CSU]: Bezahlen Sie Ihren Mit- sorgt, dass das Tarifautonomiestärkungsgesetz verankert arbeitern Weihnachtsgeld?) wurde.

Vizepräsidentin Claudia Roth: (Zuruf des Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE]) Vielen Dank, Pascal Meiser. – Nächster Redner: für die Wir wollen jetzt die Tariflöhne in der Pflege durch eine CDU/CSU-Fraktion Uwe Schummer. Allgemeinverbindlicherklärung auf alle Pflegebedienste- te erstrecken. Wir haben auch im Koalitionsvertrag ver- (Beifall bei der CDU/CSU) einbart, dass wir die Tarifautonomie, aber auch die be- triebliche Mitbestimmung stärken. Wir wissen – das ist Uwe Schummer (CDU/CSU): ein Nachteil, den wir korrigieren wollen –, dass in Öster- Verehrtes Präsidium! Meine lieben Kolleginnen und reich nicht darüber diskutiert wird, ob der gesetzliche Kollegen! Damen und Herren! Tarifautonomie kommt Mindestlohn bei 12, 11 oder 10 Euro liegen soll, weil es aus dem Griechischen und bedeutet: nach eigenen Geset- in Österreich eine 90-prozentige Tarifbindung gibt. Bei zen lebend. Wer Tarifautonomie will, will auch starke uns liegt die Tarifbindung bei 54 Prozent. Wir wollen sie Gewerkschaften, starke Arbeitgeberverbände, und er will wieder in Richtung 90 Prozent bringen. auch, dass das, was miteinander verhandelt wird, respek- tiert wird. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schön wäre es! Die Richtung ist ja eine andere seit (Beifall bei der CDU/CSU) mehreren Jahren!) Wir haben seit 1949 soziale Marktwirtschaft. Soziale (B) Darüber sollten wir diskutieren und dafür sorgen, damit (D) Marktwirtschaft bedeutet eben auch, dass die inneren die Selbststeuerung der Wirtschaft und der Arbeitnehmer- Steuerungskräfte entsprechend der Tarifautonomie ihre verbände wieder funktioniert. Das ist das Ziel. In dem Geschicke möglichst autonom organisieren. Im Grunde Ziel sind wir uns einig, auch im Koalitionsvertrag. ist es nach dem Subsidiaritätsprinzip die Verantwortung der betroffenen Arbeitgeberverbände und der betroffenen Wir wissen auch, dass die Tarifbindung in den Unter- Fachgewerkschaften, für den gerechten Ausgleich zu sor- nehmen am stärksten ist, die betriebliche Mitbestimmung gen. haben. Wir wollen die betriebliche Mitbestimmung auch durch die Gründung von Betriebsräten erleichtern, indem Es gibt eine produktive Kraft des sozialen Friedens in wir das einfache Wahlverfahren ausweiten und indem wir Deutschland. Bei uns gehen mehr Arbeitstage durch Fest- die Initiatoren bei der Bildung eines Betriebsrates in den reden verloren als durch Arbeitskämpfe. ersten drei, vier Wochen schützen. Letztendlich wollen (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU so- wir auch die Welten von betrieblicher Mitbestimmung – wie bei Abgeordneten der SPD) Stichwort „Betriebsverfassung“ – und Digitalisierung zu- sammenführen – es arbeiten 2 Millionen Beschäftigte in Es gibt kein Land in Europa, in dem weniger gestreikt der Plattformökonomie –, indem wir sie vernetzen und wird als in Deutschland. Auch das muss man einmal fest- sich nicht parallel entwickeln lassen. Dort, wo betrieb- halten. liche Mitbestimmung herrscht, liegt die Tarifbindung bei (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Der Vati- 70 Prozent. Dort, wo keine betriebliche Mitbestimmung kan hat weniger!) herrscht, liegt die Tarifbindung bei 25 Prozent. Deshalb stehen beide Themen so elementar zueinander. – Beim Vatikan mag es noch etwas anders aussehen. Es ist aber kein Modell für uns; denn dort gilt der Zölibat. Wir sind am Ende des Jahres, aber nicht am Ende dieser Koalition. Diese beiden Themen werden uns nächstes (Heiterkeit bei der CDU/CSU) Jahr sehr zentral beschäftigen. Das Bundesarbeitsgericht hat für Verhandlungen im (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Zuge der Tarifautonomie festgelegt, dass auf beiden Sei- Sönke Rix [SPD]) ten – bei den Arbeitgebern und bei den Gewerkschaftern – Augenhöhe, also partnerschaftlicher Umgang, und Waf- fengleichheit herrschen muss. Das ist das Problem bei Vizepräsidentin Claudia Roth: dem Antrag, den Sie, Herr Meiser, vorgestellt haben. Vielen Dank, Uwe Schummer. – Nächster Redner: für Bei der Lösung, die Sie vorschlagen, wäre es so, dass die AfD-Fraktion Jürgen Pohl. 16794 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Vizepräsidentin Claudia Roth (A) (Beifall bei der AfD) echte Arbeitnehmervertreter. Sie waren ein starker Part in (C) der Sozialpartnerschaft. Jürgen Pohl (AfD): (Zurufe von der SPD) Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kollegen! Die Tarifbindung ist bekanntlich ein we- Sie haben damals starke Tarifverträge verhandelt: gut für sentlicher Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft. Die die Arbeitnehmer, gut für den Wohlstandszuwachs, gut einen wollen sie lockern, die anderen wollen sie stärken; für den sozialen Frieden in unserem Land. so weit alles normal. Interessant ist allerdings, wie dies- mal versucht wird, die eigenen Interessen durchzusetzen. (Beifall bei der AfD) Während die Regierungskoalition in der Vergangenheit Auch Ihre zweite Forderung nach Schaffung eines Ta- moderate Eingriffe in die Tarifbindung vorgenommen riftreuegesetzes ist reine Augenwischerei. Fakt ist, dass hat – Stichwort „Allgemeinverbindlicherklärung“ –, wol- wir in fast allen Bundesländern, außer in Bayern und len die Kollegen von der Linken den vollen staatlichen Sachsen, bereits Tariftreueverpflichtungen der öffentli- Eingriff. Sie verzichten auf den Arbeitskampf und setzen chen Hand haben, und von den Landesvergabegesetzen auf staatliche Kontrolle. Wenn man sich den Antrag ganz spricht auch keiner. Was wollen Sie mit so einem Gesetz genau durchliest, wird man feststellen, dass hier die Uhr bewirken? Wir haben ein Mindestlohngesetz, wir haben bis zur Planwirtschaft zurückgedreht werden soll. Tariftreueverpflichtungen auf Länderebene, wir haben ein Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Durch Letzteres wer- (Beifall bei der AfD – Zuruf von der LINKEN: den sogar Löhne gezahlt, die oberhalb des Mindestlohns Bullshit!) liegen. Das eigentliche Problem ist nicht die Vergabepra- – Na! – Es wird gefordert, dass Tarifverträge nur noch mit xis der öffentlichen Hand, da haben wir Regularien. Mehrheit im Tarifausschuss abgelehnt werden können. Meine Herren und Damen von den Linken, das eigent- Das bedeutet im Umkehrschluss: Bei Stimmengleichheit liche Problem – Sie haben es selber angesprochen – sind oder fehlender Mehrheit wird der Tarifvertrag automa- die prekären Arbeitsverhältnisse und die Löhne, die ein tisch, also staatlich verordnet, angenommen. würdiges Leben unmöglich machen. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin ein An- hänger und großer Verfechter von Arbeitnehmerrechten. (Beifall bei der AfD) Daran zeigt sich nämlich das ganze Versagen der Bun- (Widerspruch bei der SPD und der LINKEN – desregierung, aber auch der restlichen Altparteien. Eine Zurufe von der CDU/CSU) Arbeitsmarkt- und Lohnpolitik, die solche prekären Be- (B) Aber unser Arbeits- und Tarifrecht funktionierte in der schäftigungsverhältnisse schafft und fördert, ist das Kern- (D) Vergangenheit deshalb so gut, weil wir ein gut austarier- problem, die eigentliche Katastrophe. tes Verhältnis von Parität hatten. Ich habe es Ihnen bereits in der ersten Lesung gesagt: Das Dilemma mit fehlenden (Beifall bei der AfD) Branchen- und Flächentarifverträgen ist bei den Linken Ehrlich, das eigentliche Ziel Ihres Antrages hätte sein und Sozialdemokraten hausgemacht. Gewerkschaften, sollen: weg von prekär bezahlten Arbeitsverhältnissen die als Handlanger linker politischer Wirrköpfe dienen, hin zu vernünftigen Löhnen. vertreten keine Arbeitnehmerinteressen und verhandeln keine anständigen Tarifverträge. Ich sage zum Schluss noch eines: Lassen Sie den Weihnachtsmann und das Weihnachtsgeld außen vor. Er (Beifall bei der AfD) hat zwar einen roten Mantel, aber mir ist in der Tarif- politik ein beherzter Arbeiter im blauen Arbeitsanzug Solche Gewerkschaften haben abgewirtschaftet genau lieber. wie die hier vor mir sitzenden Parteien. (Zuruf von der SPD: Setzen! Sechs!) (Beifall bei der AfD – Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD) Wir werden den Antrag ablehnen. Es heißt Tarifau-to-no-mie: Die Tarifparteien sollen Danke schön. sich selber einigen. Jeder Eingriff von außen sollte eine Ausnahme bleiben und nicht zum Regelfall werden. (Beifall bei der AfD) Wir als AfD, als die neue Arbeitnehmer- und Volks- Vizepräsidentin Claudia Roth: partei, fordern: Vielen Dank, Jürgen Pohl. – Nächster Redner für die (Beifall bei der AfD – Lachen bei Abgeordne- SPD-Fraktion: Bernd Rützel. ten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – (Beifall bei der SPD) Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ihr wollt die Rente abschaffen! Das glauben Sie doch im Bernd Rützel (SPD): Traum nicht!) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Pohl, Wir brauchen Gewerkschaften, die sich auf ihre Kernauf- gabe konzentrieren, Gewerkschaften wie ALARM! oder (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Lohnt sich AVA. Die Gewerkschaften, die wir damals hatten, waren nicht!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16795

Bernd Rützel (A) mit Ihrem Hetzen versuchen Sie, zu verbergen, dass Sie doppelt das Nachsehen: zum einen, weil sie weniger ver- (C) blank sind, dienen, und zum anderen, weil sie am Jahresende oft leer ausgehen. Oft bekommen sie zudem auch keine Über- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN- stunden ausbezahlt. Sie haben schlechtere Rahmenbedin- KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gungen bei Arbeits- und Urlaubszeiten. Bei der Alters- was das Wissen um die Bedingungen der Menschen in vorsorge sieht es nicht so gut aus für die, die keinen unserem Land, die arbeiten, die jeden Tag aufstehen, die Tarifvertrag haben. Viele bekommen auch kein Urlaubs- um ihren Lohn kämpfen müssen, betrifft. geld, wenn es nicht durch Tarifvertrag vorgesehen ist. Deshalb ist es der SPD so wichtig, dass wir die Tarifbin- (Martin Reichardt [AfD]: Sie müssen um ihren dung stärken. Wir wollen auch die Allgemeinverbindlich- Lohn kämpfen, weil Sie ihn kaputtgemacht ha- erklärung von Tarifverträgen erleichtern, weil es eben den ben!) Menschen besser geht, die in tarifgebundenen Unterneh- Sie haben denen nichts zu bieten. Es nützt auch nichts, men arbeiten. Wer unter einen Tarifvertrag fällt, hat ein dass Sie hier über alles hetzen. Die Menschen wissen besseres Leben, der hat bessere Arbeitsbedingungen. genau, wem Sie vertrauen können. Sie verweisen auf die Tarifbilanz 2019, die in dieser (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Woche vom WSI – das ist ein Institut in der Hans- der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜND- Böckler-Stiftung – vorgestellt worden ist. Anhand dieser NISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der Tarifbilanz kann man sehen, dass die Löhne in tarifge- AfD) bundenen Unternehmen in diesem Jahr im Durchschnitt um 3 Prozent gestiegen sind. Die Tariflöhne sichern den Liebe Kolleginnen und Kollegen, Pascal Meiser hat Beschäftigten eben Reallohnzuwächse, die in die private richtig angefangen mit seinem Beispiel von dem Nachfrage fließen können. Schuster, der ein Stück Leder zu Weihnachten verschenkt. Die Anfänge des Weihnachtsgeldes liegen in der Zeit der Ich will an dieser Stelle erneut sagen – wir haben oft Industrialisierung im 19. Jahrhundert. darüber gesprochen –, dass wir, dass unsere Koalition in der letzten Legislaturperiode und auch in dieser viel für (Martin Reichardt [AfD]: Sie sind der Mär- die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen getan chenerzählerklub!) hat. Wir haben bei allen Vorhaben, die wir hatten – ob Gerade vor Weihnachten regte sich bei den Fabrikbesit- das der Mindestlohn war, ob das die Leiharbeit war, ob zern ihr soziales bzw. ihr schlechtes Gewissen. Sie gingen das die Werkverträge waren –, in die Gesetze hineinge- durch ihre Fabrikhallen und verteilten Lebensmittel, Ge- schrieben, dass Flexibilität im Gegenzug zu Sicherheit zu (B) schenke oder auch ein Geldstück. Es war eine freiwillige haben ist, dass Abweichungen nur möglich sind, wenn es (D) Spende, in gewisser Weise waren das Almosen, was ver- Tarifverträge gibt. Das stärkt das Ganze. teilt worden ist. Niemand konnte den Fabrikbesitzer da- rauf verpflichten. Die Arbeiter schuldeten ihm dafür (Beifall bei der SPD – Dr. Matthias Zimmer Dank. [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Erst in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts hat die Wir haben am vergangenen Wochenende auf unserem ÖTV – die Älteren von uns erinnern sich an die Gewerk- Parteitag beschlossen – das ist auch den Kollegen der schaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr –, Linken nicht entgangen; darüber freue ich mich –, dass wir Gewerkschaftsmitglieder steuerlich besserstellen (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Heinz wollen und dass wir auch tarifgebundene Unternehmen Kluncker!) steuerlich besserstellen wollen. Wir wollen und werden und zwar erstmals 1952, den Anspruch auf Weihnachts- das Vetorecht der Arbeitgeber bei Allgemeinverbindli- zuwendung per Tarifvertrag durchgesetzt. cherklärungen abschaffen. Das hat nichts damit zu tun, dass man das aus der Balance bringt. Nein, das würde (Beifall bei der SPD) gleiche Bedingungen schaffen, das würde Augenhöhe herstellen. Deswegen muss dieses Vetorecht weg. Aus der gönnerhaften Geste war ein Anrecht für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geworden, wenn (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) auch nicht für alle und auch nicht in gleicher Höhe. Auf die Zahlung des Weihnachtsgeldes konnte man sich aber Und der Tarifvertrag muss auch bei Betriebsübergängen nun verlassen. Das ist dem Tarifvertrag zu verdanken. weiterhin gelten, muss auch bei Abspaltungen von Abtei- Von daher ist es richtig und gut, dass Sie von den Linken lungen und von Betrieben fortgelten; denn das wird im- heute den Antrag auf die Tagesordnung gesetzt haben, mer mehr und nicht weniger. Ich will auch noch sagen, auch wenn ich schon sagen muss, dass er etwas dünn dass wir die Tariftreue unbedingt bei Auftragsvergaben ist; da könnte man viel mehr machen. durch den Bund berücksichtigt wissen wollen. Selbst der Inhalt stammt von der Hans-Böckler-Stif- Der Tarifvertrag beschert den Menschen weitaus mehr tung; aber nichtsdestotrotz ist er ja richtig. Sie haben es als nur Weihnachtsgeld. Das ist aber wichtig. Deshalb selbst gesagt: 76 Prozent der Beschäftigten mit Tarifver- sage ich jetzt schon: Frohe Weihnachten! trag bekommen Weihnachtsgeld, bei Beschäftigten, die durch keinen Tarifvertrag geschützt werden, sind es nur (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten 42 Prozent. Die Beschäftigten ohne Tarifvertrag haben der CDU/CSU) 16796 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

(A) Vizepräsidentin Claudia Roth: (Beifall bei der FDP) (C) Vielen Dank, Bernd Rützel. – Nächster Redner: für die Sie schreiben im Antrag, die Tarifbindung befinde sich Fraktion der FDP Carl-Julius Cronenberg. „im freien Fall“. Laut IAB-Betriebspanel, aus dem Sie (Beifall bei der FDP) selbst zitieren, arbeiteten 2009 21,1 Millionen Beschäf- tigte tarifgebunden. 2017 waren es 21,7 Millionen, also Carl-Julius Cronenberg (FDP): 600 000 mehr als vor zehn Jahren. Wo ist denn da bitte schön der „freie Fall“? Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Wochen vor Ostern forderte Die Linke (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Die Rela- mehr allgemeinverbindliche Tarifverträge, zur Not auch tion zu den Gesamtbeschäftigten!) ohne Zustimmung der Sozialpartner. Jetzt, zwei Wochen vor Weihnachten, wiederholt sie fast wortgleich diesen Richtig ist allerdings auch, dass in derselben Zeit 5 Mil- Antrag. Dass Sie sich beim Einbringen Ihrer Anträge an lionen neue Jobs außerhalb der Tarifbindung entstanden christlichen Feiertagen orientieren, begrüßen wir. sind. Woran liegt das? Offensichtlich waren die Tarifver- träge nicht attraktiv, weder für traditionelle Unternehmen (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der noch für Start-ups, im Bereich Maschinenbau beispiels- CDU/CSU – Dr. Matthias Zimmer [CDU/ weise. Warum man jetzt aber unattraktive, oft überkom- CSU]: Der war gut!) plizierte und unflexible Tarifverträge politisch für allge- Dass Sie jedoch das Grundprinzip der christlichen Sozial- meinverbindlich erklären will, erschließt sich mir nicht. lehre, die Subsidiarität, zu missachten bereit sind, lehnen (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Aus Wett- wir ab. bewerbsgründen!) Sie stellen zu Recht fest: Das Weihnachtsgeld kommt Drehen wir lieber den Spieß um. Sorgen wir dafür, dass nicht vom Weihnachtsmann. Falsch ist die Behauptung, Tarifverträge wieder attraktiver werden. Die Freien De- nur ein guter Tarifvertrag beschere Weihnachtsgeld. Zahl- mokraten setzen auf Öffnungsklauseln, zum Beispiel auf reiche Unternehmen im Sauerland berichten mir, dass sie die Befreiung von Dokumentationspflichten für tarifge- auch ohne Tarifbindung Weihnachtsgeld nach Tarif zah- bundene Unternehmen. len oder sogar mehr. Dem Antrag der Linken stimmen wir zu, wenn Ostern (Zuruf des Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE]) und Weihnachten zusammenfallen. Ansonsten freuen wir Sie schreiben ja selbst, dass über 40 Prozent der Beschäf- uns auf die Beratung im Ausschuss. (B) tigten ohne Tarifvertrag Weihnachtsgeld erhalten. Sie las- (D) sen auch außer Acht, dass am Jahresende nur verteilt Vielen Dank. werden kann, was übers Jahr erwirtschaftet wurde. Das (Beifall bei der FDP) hängt also auch davon ab, wie leistungsstark die Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter waren. Kurz: Das Weih- nachtsgeld kommt zuallererst von der Wettbewerbsfähig- Vizepräsidentin Claudia Roth: keit und nicht vom Weihnachtsmann. Vielen Dank, Carl-Julius Cronenberg. – Nächste Red- nerin: für Bündnis 90/Die Grünen Beate Müller- (Beifall bei der FDP) Gemmeke. Die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland ist nicht (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schlecht. Wie sonst hätten wir mit über 46 Millionen Er- werbstätigen dieses Jahr einen neuen Beschäftigungsre- kord erzielen können? Wie sonst hätten wir die Arbeits- Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- losenquote seit 2009 halbieren können? Und wie sonst NEN): hätten wir über 5 Millionen neue sozialversicherungs- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kol- pflichtige Jobs geschaffen? Das alles übrigens bei Lohn- legen! Sehr geehrte Gäste! Die Tarifbindung muss unbe- steigerungen von immerhin 4 Prozent per anno im Mittel dingt gestärkt werden. Das fordern wir Grünen schon der letzten fünf Jahre. lange. Deshalb ist es gut, dass wir heute erneut über das Thema diskutieren. Das Thema Tarifbindung ist wichtig Wer Subsidiarität und Tarifautonomie achtet, schafft für die Menschen, aber auch für den Zusammenhalt in mehr Gemeinwohl und Zusammenhalt, liebe Kolleginnen unserer Gesellschaft. und Kollegen. Wer jedoch anstelle der Sozialpartner Löh- ne und Standards staatlich festlegt, der darf sich nicht Bei der Tarifbindung geht es natürlich nicht nur um das wundern, wenn es mit der Tarifbindung weiter nach unten Weihnachtsgeld, sondern es geht vor allem um höhere geht. Löhne. Tarifverträge regeln auch Arbeitszeit, Urlaub, Weiterbildung und beispielsweise auch die betriebliche (Beifall bei der FDP) Altersvorsorge. All das müssen die Beschäftigten eben Wenn der Staat sich einmischt, kommt meistens eh nur nicht alleine, individuell für sich erkämpfen, sondern Mumpitz dabei raus. Der Staat weiß eben nicht besser, das sind kollektive sozialpartnerschaftliche Regelungen. was gut für Unternehmen und Beschäftigte ist. Deshalb Wenn diese Tarifpartnerschaft nicht mehr funktioniert, sind wir klug beraten, an den hohen Hürden für die All- dann muss das Tarifvertragssystem politisch gestützt gemeinverbindlichkeit festzuhalten. und auch gestärkt werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16797

Beate Müller-Gemmeke (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, serer sozialen Marktwirtschaft ist. Sie hat uns groß ge- (C) bei der SPD und der LINKEN) macht und gerade auch durch schwierige Situationen ge- Deshalb fordern auch wir schon lange, dass Tarifver- führt. Ich denke da zum Beispiel an die Jahre 2008 und träge leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden 2009 zurück, in denen wir in einer wirtschaftlich wirklich können. Heute können diese Anträge blockiert werden. schwierigen Situation waren. Da waren es gerade die Ta- Das wird im vorliegenden Antrag ausgeführt. Diese Veto- rifpartnerschaften, die gute Übergangslösungen gefunden möglichkeit muss natürlich abgeschafft werden; denn die haben. Auch die Tatsache, dass wir hier in Deutschland zuständigen Tarifpartner sollen selber entscheiden kön- die wenigstens Streiktage haben, ist besonders hervorzu- nen, ob in ihren Branchen Allgemeinverbindlicherklärun- heben. Deswegen ist diese Tarifpartnerschaft hoch zu gen notwendig sind oder nicht. schätzen und auch zu würdigen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gabriele Hiller-Ohm [SPD]) sowie des Abg. Bernd Rützel [SPD]) Dass die Tarifbindung abnimmt, ist ein Punkt, der nicht Das allein reicht aber nicht aus. Studien zeigen, dass in nur zu bedauern ist, sondern dem man als Gesetzgeber Betrieben mit Betriebsrat die Tarifbindung höher ist. Das auch entgegentreten muss. ist auch nachvollziehbar; denn wenn die Beschäftigten gut von einem Betriebsrat vertreten werden, dann moti- (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE viert das natürlich auch, sich gewerkschaftlich zu organi- GRÜNEN]: Wann machen Sie denn das?) sieren – gegen Tarifflucht oder für einen Tarifvertrag. Deshalb müssen wir auch die Mitbestimmung stärken. Ich denke aber, dass wir das in der letzten Legislaturpe- riode schon gemacht haben, Herr Meiser. Wenn Sie die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Allgemeinverbindlicherklärungen ansprechen – das ist ja und bei der LINKEN sowie des Abg. Bernd auch ein maßgeblicher Punkt Ihres Antrages –, dann muss Rützel [SPD]) man sagen: Mit dem Streichen der 50-Prozent-Grenze, die ja immer der entscheidende Faktor dafür war, ob ein Wenn es um Löhne geht, dann müssen wir auch über Tarifvertrag überhaupt für allgemeinverbindlich erklärt die öffentliche Auftragsvergabe reden; denn hier geht es werden kann, haben wir eine maßgebliche Erleichterung immerhin um 400 bis 500 Milliarden Euro im Jahr. Mit geschaffen. diesem öffentlichen Geld werden heute die Unternehmen belohnt, die billiger sind, weil sie beispielsweise unter An diese Stelle ist das öffentliche Interesse getreten. Tarif bezahlen. Damit muss Schluss sein. Auch Tarif- Dieses öffentliche Interesse wird dadurch deutlich, wenn treueregelungen sind ein effektives politisches Instru- Tarifverträge eben eine überwiegende Bedeutung haben (B) ment, um die Tarifbindung zu stärken. oder – ich zitiere jetzt noch mal aus dem Tarifvertragsge- (D) setz – „die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertra- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN glichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher und bei der LINKEN) Fehlentwicklung“ zu befürchten ist. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere Ein weiterer Punkt ist, dass wir natürlich im Gesetzge- der Union, Sie reden viel und häufig mit großen Worten bungsverfahren oft mit tariflichen Öffnungsklauseln ar- über die Sozialpartnerschaft. Aber die Entwicklung hin beiten und da natürlich die Tarifpartnerschaft genug Luft zur Tarifflucht ignorieren Sie. Reden Sie nicht nur über hat, Dinge zu regeln, was in meinen Augen die Tarifpart- die Sozialpartnerschaft, sondern schaffen Sie dafür auch nerschaft attraktiver macht. gute gesetzliche Rahmenbedingungen; denn die Beschäf- tigten haben faire Löhne verdient, und damit meine ich Aber wenn Sie jetzt in Ihrem Antrag fordern, dass An- tarifliche Löhne. träge, die zunächst mal gemeinsam an den Tarifausschuss zu stellen sind, dort nur noch mit Mehrheit abgelehnt Vielen Dank. werden können, anstatt mit Mehrheit angenommen zu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden, dann verdrehen Sie hier Voraussetzungen in ei- und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten ner Art und Weise, die nicht zu akzeptieren sind. der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU) Das ist ja quasi eine Beweislastumkehr, nach dem Motto: Vizepräsidentin Claudia Roth: Wenn man doch einen gemeinsamen Antrag gestellt hat – Vielen Dank, Beate Müller-Gemmeke. – Nächster so schreiben Sie es ja in Ihrem Antrag –, dann könnte man Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Wilfried Oellers. ihn nur noch mit Mehrheit ablehnen, weil man ihn ja (Beifall bei der CDU/CSU) schon gemeinsam gestellt hat. Aber wenn Sie das so sehen, verkennen Sie allerdings Wilfried Oellers (CDU/CSU): die Aufgabe des Tarifausschusses. Der Tarifausschuss hat Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten nämlich zu prüfen, ob Tarifkollisionen bestehen. Ein Ta- Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrte Damen und rifvertrag, der für allgemeinverbindlich erklärt wird, egal Herren auf den Besuchertribünen! Wir beraten heute den ob er vor oder nach kollidierenden Tarifverträgen abge- Antrag der Linken, die Tarifbindung zu stärken. An der schlossen ist, hat erst mal Vorrang. Damit kommt hier Stelle muss ganz deutlich hervorgehoben werden, dass natürlich Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes schon die Tarifpartnerschaft in unserem Land das Rückgrat un- deutlich zur Anwendung. Deswegen ist ganz zwingend 16798 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Wilfried Oellers (A) und dringend zu prüfen, ob tarifvertragliche Kollisionen (Bernd Rützel [SPD]: Die Tarifbindung in (C) vorliegen. Das ist ja auch der häufigste Grund, warum Bayern ist die schlechteste unter allen Bundes- derartige Anträge nicht durch den Tarifausschuss kom- ländern!) men: weil nämlich Tarifkollisionen bestehen. Wir haben also keine Verwerfungen auf dem Arbeits- Die Auswirkungen solcher Tarifkollisionen konnte markt oder zwischen den Sozialpartnern. man an dem damaligen Verfahren sehen, das wir mit den Sozialkassensicherungsgesetzen hatten. Die Ent- Der vorliegende Antrag zeigt vielmehr, was uns wirk- scheidung des Bundesarbeitsgerichtes, die dem damals lich unterscheidet. Wir denken die Politik vom Menschen vorausging, hatte in ihrer Streitigkeit Abgrenzungen be- her und orientieren uns weniger an Zahlen oder Begriffen. züglich der Tätigkeiten und Branchen. So etwas möchte Der Großteil der Menschen in unserem Land kommt ich hier in Deutschland nicht haben. Deswegen ist Ihr ziemlich gut damit zurecht, wie es derzeit auf dem Ar- Antrag abzulehnen. beitsmarkt läuft: Der Durchschnittslohn hat sich um 30 Prozent erhöht, seit Angela Merkel Bundeskanzlerin Die Tariftreuegesetze – nur ein letzter Satz – sind eu- ist. Dafür müssen die Menschen deutlich weniger arbei- roparechtlich auch sehr umstritten. Deswegen muss man ten. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit ist gesun- auch an dieser Stelle aufpassen. ken. Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Herzlichen Dank. Wiedervereinigung. Und immer mehr Menschen möch- ten zu uns nach Deutschland zum Leben und auch zum (Beifall bei der CDU/CSU) Arbeiten kommen – Zeit, sich darüber zu freuen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Vizepräsidentin Claudia Roth: Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE Vielen Dank, Wilfried Oellers. – Letzte Rednerin in GRÜNEN]) dieser Debatte: Dr. Astrid Freudenstein für die CDU/ CSU-Fraktion. Ja, die Tarifbindung bringt natürlich Sicherheit für Ar- beitnehmer wie für Arbeitgeber. Das zu erreichen, ist aber (Beifall bei der CDU/CSU) auch die Aufgabe der Tarifparteien. Der Staat und die Politik setzen die Rahmenbedingungen dafür, dass die Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU): Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände diese Auf- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und gabe auch umsetzen können. Die Tarifvertragsparteien Kollegen! Liebe Gäste! Es ist wie so oft in diesem Haus, sind dann auch in guter Tradition selbst für attraktive (B) werte Kolleginnen und Kollegen der Linken: Sie nehmen und zeitgemäße Tarifverträge zuständig. (D) eine Statistik, ziehen Zahlen heraus, Noch mal ein kleiner Blick in die Praxis. In meiner (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, wir Heimatstadt zum Beispiel ist die Tarifbindung ziemlich sind gut!) hoch, weil es viele große Unternehmen gibt. Die Arbeit- und interpretieren den Untergang der Welt hinein. Jetzt nehmer haben derzeit auch keine Angst vor einer sink- muss ich doch Religionsunterricht geben: Der Advent ist enden Tarifbindung. Ich will Ihnen sagen, wovor die Ar- die Zeit der Vorfreude und nicht der Endzeitstimmung. beitnehmer derzeit Angst haben: Sie haben Angst vor einer sich abschwächenden Konjunktur. Sie haben Angst (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – vor einer Delle in der Wirtschaft, die ihre Arbeitsplätze Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Endzeit- kosten könnte. Sie haben Angst vor einer Beschädigung stimmung haben wir nicht! – Dr. Matthias der Automobilindustrie. Sie haben Angst davor, dass ihre Zimmer [CDU/CSU]: Permanente Vorfreude Arbeitsplätze nicht mehr sicher sind. Das treibt sie derzeit auf die Endzeit!) um. Deswegen zunächst zu den Fakten. Ja, die Tarifbin- dung, vor allem bei den Flächentarifverträgen, geht in Vizepräsidentin Claudia Roth: unserem Land zurück. Gleichzeitig verändert sich natür- Kommen Sie bitte zum Ende. lich unsere Arbeitswelt rasant. Und, ja, wir wollen das Gut der Tarifautonomie weiter schützen; denn eine funk- tionierende Tarifautonomie ist die beste Gewähr für Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU): Lohngerechtigkeit. Sie hat eine Schutz- und Ordnungs- Wenn Sie uns jetzt helfen, die Wirtschaft am Laufen zu funktion. Wir haben in den vergangenen Jahren auch halten, wenn Sie uns vielleicht noch helfen, eine Unter- schon einiges für die Stärkung der Tarifbindung getan. nehmensteuerreform durchzubringen, Beispiele sind das Tarifautonomiestärkungsgesetz und der Mindestlohn, der zu Recht verhindert, dass ein Wett- (Zurufe von der SPD: Ah!) bewerb auf Kosten der Löhne entsteht. dann haben wir auch alle gemeinsam Grund, uns auf Bei uns in Bayern zeigt das auch gute Wirkung. Für fast Weihnachten zu freuen. 80 Prozent der Beschäftigten gelten in Bayern direkt oder indirekt tarifvertragliche Regelungen; denn der Anteil der Herzlichen Dank. Beschäftigten mit einer Orientierung am Tarifvertrag ist in den letzten Jahren sehr deutlich gestiegen. (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16799

(A) Vizepräsidentin Claudia Roth: ZP 10 Beratung des Berichts des Ausschusses für Recht (C) Vielen Dank, Frau Freudenstein. – Damit schließe ich und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) gemäß die Aussprache. § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung zu dem von den Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Anke Wir kommen zum Antrag der Fraktion Die Linke auf Domscheit-Berg, Simone Barrientos, weiteren Drucksache 19/15776 mit dem Titel „Tarifverträge be- Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE ein- scheren Weihnachtsgeld – Allgemeinverbindlichkeit er- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Teilauf- leichtern“. Die Fraktion Die Linke wünscht Abstimmung hebung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes in der Sache, die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen Überweisung zur federführenden Beratung an Drucksachen 19/218, 19/15780 den Ausschuss für Arbeit und Soziales. ZP 11 Beratung des Berichts des Ausschusses für Recht Wir stimmen nach ständiger Übung zuerst über den und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) gemäß Antrag auf Ausschussüberweisung ab. Ich frage deshalb: § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung zu dem Wer stimmt für die beantragte Überweisung? – Wer von den Abgeordneten Stephan Brandner, stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Sehe ich keine. Dann Marcus Bühl, Joana Eleonora Cotar, weiteren Ab- ist die Überweisung so beschlossen. Zugestimmt haben geordneten und der Fraktion der AfD eingebrach- die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/ ten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des CSU und FDP, dagegengestimmt haben die Fraktion der Netzwerkdurchsetzungsgesetzes Linken und die Fraktion der AfD. Die Überweisung ist so Drucksachen 19/81, 19/14723 beschlossen. Damit stimmen wir heute über den Antrag auf Drucksache 19/15776 nicht in der Sache ab. Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten be- schlossen. Tagesordnungspunkt 21 b. Wir kommen zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für Bünd- Arbeit und Soziales zum Antrag der Fraktion Die Linke nis 90/Die Grünen Tabea Rößner. mit dem Titel „Tarifbindung stärken“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) che 19/14415, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/8963 abzulehnen. Wer stimmt für diese Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Netz- enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist angenom- werkdurchsetzungsgesetz ist ja in Bundestagsdebatten men. Zugestimmt haben die Fraktionen von SPD, CDU/ immer mal wieder Thema und wird mal mehr, mal weni- (B) CSU, FDP und AfD. Dagegengestimmt hat die Fraktion ger konstruktiv diskutiert. Es ist auch notwendig, dass wir (D) der Linken, und enthalten hat sich die Fraktion von Bünd- über das Gesetz sprechen; denn es gibt erheblichen Ver- nis 90/Die Grünen. besserungsbedarf. Die Debatte heute ist aber vor allem eines: ärgerlich. Wir debattieren heute leider nicht unse- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 a und 22 b sowie ren Antrag und die anderen Vorlagen zum Netzwerk- die Zusatzpunkte 10 und 11 auf: durchsetzungsgesetz, sondern nur einen Geschäftsord- 22 a) Beratung des Berichts des Ausschusses für nungsbericht zu unserem Antrag – und das geschieht, Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) weil die Koalition seit Wochen die Befassung in den Aus- gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung schüssen immer und immer wieder von der Tagesordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Renate nimmt. Künast, Dr. Konstantin von Notz, Tabea (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rößner, weiterer Abgeordneter und der Frak- und bei der FDP) tion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Das ist Arbeitsverweigerung und wirft ein ziemlich Netzwerkdurchsetzungsgesetz weiterent- schlechtes Bild auf Sie; denn hätten Sie gute Argumente wickeln – Nutzerrechte stärken, Mei- und Vorschläge, könnten Sie sich unserem Antrag einfach nungsfreiheit in sozialen Netzwerken si- stellen. Ziemlich blamabel, meine Damen und Herren. cherstellen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksachen 19/5950, 19/14350 und bei der FDP) b) Beratung des Berichts des Ausschusses für Gestern hat Ministerin Lambrecht gesagt, dass eine Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Novellierung im Frühjahr kommen soll. Dann verstehe gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung ich aber nicht, dass sie vorher einen Neun-Punkte-Plan zu dem von den Abgeordneten Christian präsentiert, der auch Änderungen des Netzwerkdurchset- Lindner, Stephan Thomae, Dr. Marco zungsgesetzes vorsieht. Das ist der zweite vor dem ersten Buschmann, weiteren Abgeordneten und Schritt. Da kommt man schnell ins Stolpern, und das ist der Fraktion der FDP eingebrachten Ent- bisher noch nie gut gegangen. wurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Bürgerrechte (Bürgerrechtestärkungs- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Gesetz – BüStärG) Ja, Hass und Hetze, digitale Gewalt und Rechtsextre- Drucksachen 19/204, 19/15735 mismus müssen bekämpft werden. Wenn das Internet der 16800 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Tabea Rößner (A) Kommunikationsraum ist, in dem sich immer mehr Men- Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU): (C) schen informieren, wenn im Netz gesellschaftliche De- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten batten geführt werden und der Meinungsbildungsprozess Damen und Herren! Wir haben in der Tat in den letzten stattfindet, dann dürfen digitale Gewalt, Hass und Hetze Wochen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz vielfältig dis- eben nicht dazu führen, dass Menschen sich zurückziehen kutiert, im Übrigen auch im Rechtsausschuss. Das ganze und nicht mehr an öffentlichen Debatten teilnehmen. Da- Thema zieht sich intensiv bearbeitet durch die ganzen für muss der Staat Sorge tragen. letzten sechs Monate. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Sie verweigern sowie bei Abgeordneten der FDP) sich doch jeder Debatte in den Ausschüssen!) Aber statt ein neues Gesetzespaket anzukündigen, soll- Insofern wundert es mich, Frau Kollegin Rößner, dass Sie ten Sie die Mängel des bestehenden Gesetzes erst einmal das überhaupt nicht mitbekommen haben. beheben. Jede Woche, die Sie verstreichen lassen, ist eine vertane Woche, in der Verbesserungen für die Betroffenen Wir reden heute tatsächlich über insgesamt vier An- auf den Weg gebracht werden könnten. Das ist das Tra- träge der Opposition. Aber, Hand aufs Herz: Über diese gische an der ganzen Sache. Anträge ist die Zeit hinweggegangen, und zwar nicht erst in den letzten sechs Monaten, sondern schon vor zwei Es liegen ja Konzepte auf dem Tisch. Wir haben in Jahren. unserem Antrag eine ganze Reihe von Vorschlägen ge- macht, zum Beispiel die Meldewege für Beschwerden zu (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Dann lehnen vereinfachen, die auf den Plattformen zum Teil sehr Sie doch ab! Sie können doch eine Meinung schwer zu finden sind; oder ein Put-back-Verfahren, mit dazu haben! Beraten Sie sie doch!) dem unrechtmäßig gelöschte Inhalte schnell wieder ein- gestellt werden können; oder eine Clearingstelle, an die – Stellen Sie doch eine Zwischenfrage! sich Nutzerinnen und Nutzer im Streitfall wenden kön- Ich will im Einzelnen zu den antragstellenden Fraktio- nen. All dem verweigern Sie sich. nen kommen. Der Antrag der Grünen enthält tatsächlich, Stattdessen gehen Sie jetzt mit einem „Maßnahmen- das muss man sagen, den einen oder anderen Vorschlag, paket zur Bekämpfung von Hasskriminalität und Rechts- den die Unionsfraktion auch für sinnvoll hält und im extremismus“ deutlich weiter und wollen eine Melde- Übrigen zur Diskussion gestellt hat. Sehr geehrte Frau pflicht für Diensteanbieter einführen. Die sollen Rößner, das wollen wir Ihnen gerne zugestehen. zukünftig entscheiden, ob eine Straftat vorliegt, und dann (B) sämtliche digitalen Identifikationsmerkmale wie zum Aber Sie müssen sich den Geist vergegenwärtigen, der (D) Beispiel IP-Adressen, Portnummern und sogar Passwör- auch in Ihrer Rede ein bisschen durchgeschienen ist. Ich ter ans BKA weiterleiten. Noch mal zum Mitschreiben: zitiere gerne Ihren Fraktionskollegen von Notz, der bei Private Unternehmen bekommen eine Gatekeeper-Funk- der Einführung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes von tion für eine massenhafte staatliche Datenerhebung zur massiven Schäden durch das Gesetz geredet hat. Er hat Strafverfolgung. Es ist völlig unklar, was mit den Hun- eine wesentliche Beschneidung der Meinungsfreiheit ge- derttausenden Datensätzen beim BKA passiert; von einer sehen und ein massives Overblocking vorausgesagt. Gott Löschfrist habe ich jedenfalls nichts gelesen. Das wäre sei Dank ist er nicht Wahrsager geworden. Er wäre ar- die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung durch die beitslos. All das ist nämlich nicht eingetreten, Hintertür, und das können wir nicht zulassen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ordneten der SPD) und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der um nicht zu sagen: Er lag meilenweit daneben. Und Sie LINKEN – Zuruf von der LINKEN: Wir auch lagen heute zu meiner Überraschung auch ein gutes Stück nicht!) weit daneben. Ich habe auf jeden Fall ein großes Störgefühl und be- (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zweifle, dass dies der Vorstellung eines bürgerrechtskon- NEN]: Man ist doch noch gar nicht fertig mit formen staatlichen Rechtsdurchsetzungsprozesses ent- der Analyse!) spricht. Ich appelliere daher an Sie: Machen Sie keine halbgaren Vorschläge für Maßnahmenpakete, sondern Wahrscheinlich hätten Sie – die Kollegin Künast sitzt bringen Sie endlich die dringend notwendigen Nachbes- hinter Ihnen – nach Eintritt der Causa Künast das Thema serungen auf den Weg! etwas anders anmoderiert. Sie haben die Möglichkeit, zur Koalition aufzuschließen. Vielen Dank. Im Gesetzentwurf der Linken ist die Rede von einer (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) teilweisen Abschaffung. Meine Damen und Herren, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat sich in praktisch allen Vizepräsidentin Claudia Roth: Teilen bewährt. Aber Gutes kann man besser machen. Vielen Dank, Tabea Rößner. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Carsten Müller. Ich will in aller Kürze zu der sogenannten Alternative und zu den Kollegen der FDP sagen: Wie gesagt, die Zeit ist (Beifall bei der CDU/CSU) über Ihre Ideen hinweggegangen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16801

Carsten Müller (Braunschweig) (A) (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Warum Es gilt für uns: Gesetz vor Gemeinschaftsregeln. (C) weichen Sie dann so feige aus?) Ebenfalls wichtig ist eine staatsferne Selbstregulie- Das trifft bei Ihnen ganz besonders zu, weil Sie eine Ab- rung. Wir sprechen hier von der Einrichtung der regulier- schaffung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes vor eini- ten Selbstregulierung, und wir sind sicher, dass wir mit ger Zeit vorgeschlagen hatten. Sie haben die Zeit bislang einem sehr sachlich geführten Diskurs das Netzwerk- leider nicht genutzt, diese irrigen Weichenstellungen, die durchsetzungsgesetz, das sich im Übrigen tatsächlich Sie für sich vornehmen wollen, zu korrigieren. Meine von einem Prototyp zu einem weltweit viel beachteten Damen und Herren, wir machen das. Modell entwickelt hat, erheblich verbessern können. Wir machen ein zweistufiges Verfahren. Wir reden zu- Wir werden, wie gesagt, dieses Thema in den nächsten nächst über das „Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des wenigen Wochen intensiv beraten, im Übrigen nicht nur Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ und wer- in den Fachausschüssen, sondern auch hier im Plenum. den die notwendigen Nachjustierungen im strafrechtli- Darauf freuen wir uns. chen und strafprozessualen Bereich sehr kurzfristig vor- Ich will Ihnen gerne auch noch mal zurufen: Schließen nehmen. Das basiert auf Vorschlägen des Innenministers Sie sich der hohen Geschwindigkeit der Koalition an! Sie und der Justizministerin. Meine Damen und Herren, was können es noch schaffen. Schmeißen Sie alte Anträge hat das Paket zum Inhalt? Die strafrechtlich relevanten über Bord! Diesen kann nämlich bedauerlicherweise so- Einträge sollen nicht nur gelöscht werden, sondern wir zusagen wegen sachlicher Erledigung nicht zugestimmt wollen diejenigen, die diese Hetze verfassen, konsequent werden. verfolgt sehen. Deswegen werden Diensteanbieter ver- pflichtet werden, Strafverfolgungsbehörden unverzüglich Vielen Dank. Auskunft zu erteilen und Bestandsdaten für die Ermitt- lung zu überstellen. Meine Damen und Herren, uns ist (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- wichtig, dass es sich nicht nur um eine formale Unter- ordneten der SPD) richtung der Strafverfolgungsbehörden handelt, sondern dass wir materiell etwas damit anfangen können. Diese Vizepräsidentin Claudia Roth: Meldepflicht soll sich auf Offizialdelikte erstrecken. Vielen Dank, Carsten Müller. – Nächster Redner: Tobias Matthias Peterka für die AfD-Fraktion. Meine Damen und Herren, das ist mir sehr wichtig: Wir sind darauf angewiesen, dass auch die 16 Bundesländer (Beifall bei der AfD) hierbei mitziehen und dem bestimmt nicht geringen An- fall dieser Meldungen so begegnen, dass wir personell Tobias Matthias Peterka (AfD): (B) (D) und sachlich eine hervorragende Ausstattung in den Län- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kollegen! Zuschauer! dern und bei den möglicherweise zu bildenden Schwer- punktstaatsanwaltschaften antreffen. (Marianne Schieder [SPD]: Zuschauerinnen!) Dass in einer Demokratie die Mehrheit entscheidet, sollte (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) jedem so weit klar sein. Entscheidungen des Souveräns, Meine Damen und Herren, in einem zweiten Schritt – des Volkes sind zu respektieren, auch wenn es manchem den hatten wir Ihnen in diesem Hause schon mehrfach hier im Haus wahrscheinlich langsam nicht mehr so dargelegt – kommt genau das, was wir vor zwei Jahren schmeckt, nach Trump und Brexit und, wer weiß, ganz bei der Einführung des NetzDG zugesagt haben: eine speziell auch vielleicht nach Frau Esken und Herrn Evaluierung und eine deutliche Verbesserung. Das wird Walter-Borjans. auf Drängen der Unionsfraktionen noch im ersten Quartal (Zurufe von der SPD: Hä? – Dr. Jens 2020 erfolgen. Zimmermann [SPD]: Können Sie das noch Ich will Ihnen dazu einige wenige Themen nennen. Wir mal erklären?) werden die Transparenzberichte vergleichbar und klar ge- Aber was definitiv nicht geht, ist, dieses „The Winner staltet sehen. Wir werden eine Regelung zum Put-back- takes it all“-Prinzip auf die Geschäftsordnung und den Verfahren, zum einfachen Wiedereinstellen, treffen. Wir Ablauf des Parlaments ebenfalls anzuwenden. Ein Vize- werden die Kommunikation zwischen den Beteiligten präsident für die AfD – ach, wo kommen wir denn da hin? und der Aufsichtsbehörde, dem Bundesamt für Justiz, deutlich erleichtern. Und wir werden Forscherinnen und (Marianne Schieder [SPD]: Wenn ihr keinen Forschern Zugang zu Daten gewähren, um diesen wich- Gescheiten habt!) tigen Bereich der Netzpolitik wissenschaftlich begleitet Aufsichtsgremium für Geheimdienste – lieber nicht für zu unterstützen. die AfD. Abwahl von Ausschussvorsitzenden – das wird Meine Damen und Herren, für uns ist eines klar: Wir ganz plötzlich nach 70 Jahren in der GO ausfindig ge- regeln das Verhältnis von Gemeinschaftsregeln zu gesetz- macht. lichen Regelungen, und zwar unter der großen Über- (Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Das ist peinlich! schrift, die überhaupt gar nicht verrückt werden kann: Das ist ganz schön peinlich!) Niemand steht über dem Gesetz. Reduzierung der Debattenzeit auf Kosten der Opposi- (Beifall des Abg. Alexander Hoffmann [CDU/ tion – gar kein Problem, die Mehrheit hat es ja so be- CSU]) schlossen. Wir haben es gestern gehört: Die FDP hat auch 16802 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Tobias Matthias Peterka (A) zugestimmt und sich damit eines Viertels ihrer Redezeit die Personalstellen inzwischen ausgelastet? Nehmen die (C) begeben. Gratulation für diesen vorauseilenden Gehor- Bürger die Beschwerdewege inzwischen etwas an? Keine sam an Ihre Adresse! aktuelle Auskunft dazu. (Beifall bei der AfD – Matthias W. Birkwald Ja, natürlich gab es auch einige Sachverständige, die [DIE LINKE]: Das liegt ja an euch! Ihr seid ja den ganzen Ansatz des Gesetzes super fanden: Schaffung nicht bereit, die normalen Gepflogenheiten im von Schutzzonen, frei von abweichenden Meinungen in Parlament anzunehmen!) Chat-Gruppen und sozialen Medien. Also wie erwartet: Auch bei der Anhörung standen sich apodiktische Lob- Liebe Parlamentarier hier, es ist eine Sache, die eigent- hudelei auf der einen Seite und ein freiheitlicher Ansatz lichen Inhalte mit Regierungsmehrheit niederzustimmen, auf der anderen Seite, zu dem natürlich die AfD gehört um eine politische Linie durchzusetzen. hat, gegenüber. (Marianne Schieder [SPD]: Wo sind denn Ihre (Beifall bei der AfD) Leute?) Im Zweifel soll nämlich der Einzelfall vor Gericht ent- Das ist noch die Repräsentanz hier im Bundestag, in Ord- schieden werden, und das geht auch, wenn man die Ge- nung. richte nicht komplett kaputtspart. Aber es ist etwas ganz anderes, im Maschinenraum des Wir verfolgen weiterhin den Ansatz: Abschaffung des Parlaments ebenfalls Machtpolitik zu betreiben. Hier geht NetzDG bei Erhaltung sinnvoller Vorschriften an anderer es jetzt um die Geschäftsordnung des Deutschen Bundes- Stelle wie zum Beispiel die zu Zustellungsbevollmächtig- tages, die ganz allgemein, wie sich gezeigt hat, ordentlich ten. Und vielleicht kommt ja auch mal die eigentliche reformiert gehört. Diskussion auf die Tagesordnung im Rechtsausschuss (Beifall bei der AfD – Carsten Müller [Braun- und dann auch hier wirklich offen ins Plenum – da lasse schweig] [CDU/CSU]: Verwenden Sie doch ei- ich mich gerne positiv überraschen –, vielleicht auch noch ne Minute auf das Thema!) vor den Neuwahlen. Und es ist der Umstand, wie das NetzDG hier gerade Vielen Dank. nur indirekt ins Plenum kommt. Dieser Umstand ist ja (Beifall bei der AfD – Matthias W. Birkwald nicht contra legem, er ist vielmehr die legale perfekte [DIE LINKE]: Was für Neuwahlen? – Ulli Beschreibung des Problems. Nissen [SPD]: Wie gut, dass diese Rede vorbei (Zuruf von der SPD: Das sind Sie doch! – ist!) (B) Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Wir diskutieren (D) hier doch!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Die Anträge gegen das faule Ei von Herrn Maas wur- Entschuldigen Sie, Herr Kollege Peterka, ich war noch den im federführenden Rechtsausschuss so lange, und gerade bei einer anderen Frage. – Nächster Redner: für zwar nicht nur wochenlang, sondern monatelang, von die SPD-Fraktion Florian Post. der TO runtergestimmt, dass jetzt eine Berichterstattung (Beifall bei der SPD) hier im Plenum erst erzwungen werden musste. Ist damit alles gut? Das Minderheitenrecht wurde ja Florian Post (SPD): eingehalten – pro forma vielleicht, aber ich sage: in der Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegin- Sache auf gar keinen Fall. nen und Kollegen! Herr Peterka, ich weiß nicht, wovor Sie Angst haben. Mark Twain hat mal gesagt: „Das Recht (Beifall bei der AfD – Dr. Jens Zimmermann auf Dummheit gehört zur Garantie der freien Entfaltung [SPD]: Sie könnten ja zur Sache reden!) der Persönlichkeit.“ Auch Ihnen wird dieses Recht mit Demokratietechnisch ist das ein absolutes Armutszeug- Sicherheit nicht beschnitten werden. nis, und erst diese Woche hieß es bei uns im Rechtsaus- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) schuss wieder: Wir müssen als GroKo das NetzDG noch ein wenig bewerten; wir brauchen noch mehr Informatio- Wir können ja jeden Tag im Internet sehen und verfolgen, nen dazu, wir brauchen noch ein bisschen mehr Zeit. was dort Trolle, die ich Ihrer politischen Richtung zuord- nen möchte, von sich geben. Dieses Recht bleibt unbe- Dabei gab es von beidem reichlich, und es gab dazu schnitten. Aber es gibt natürlich Grenzen, es werden rote noch obendrauf eine Anhörung zu mehreren Gesetzent- Linien aufgezeigt, und das ist auch gut so. würfen, die das NetzDG abschaffen oder reformieren wollten. Und wie schade: Die Anhörung konnte als Min- (Beifall bei der SPD) derheitenvotum nicht verhindert werden. Da war die FDP Wir haben das NetzDG verabschiedet, um ein höheres mal auf der richtigen Seite. Maß an Transparenz bei den sozialen Netzwerken zu Was ergab die Anhörung, die vor Monaten stattgefun- schaffen, Hasskriminalität zu bekämpfen den hat? Durchaus die Erkenntnis, dass das Bundesamt für Justiz gar keine sinnvollen Evaluationsfortschritte (Enrico Komning [AfD]: Aber nur von rechts!) macht. Auch heute, ein halbes Jahr später, Schweigen und Opfer von diesen Straftaten bei der Durchsetzung im Wald, was die Wirkung des NetzDG angeht. Sind ihrer Rechte zu stärken. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16803

Florian Post (A) Befürchtungen, dass ein sogenanntes Overblocking Das Bürgerrechtsstärkungsgesetz der FDP-Fraktion ist (C) stattfinden würde bzw. dass die Plattformbetreiber lieber nicht etwa seit 10 Wochen im Rechtsausschuss unberaten, zu viel als zu wenig löschen würden, haben sich nicht sondern seit mehr als 100 Wochen, bestätigt. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was?) Natürlich sehen auch wir in der Koalition weiter Ent- nämlich auf den Tag genau seit zwei Jahren. wicklungspotenzial. Auch der Antrag der Grünen leistet hier einen wichtigen Beitrag. In Ihrem Antrag sind sehr (Marianne Schieder [SPD]: Da sind auch die wohl sehr sinnvolle Punkte enthalten, die wir genauso Ferien dabei, oder? – Renate Künast [BÜND- sehen. Aber, Frau Rößner, den Vorwurf, dass wir uns NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt nur leider einer Weiterentwicklung verweigern, möchte ich ent- falsch gezählt! Sie müssen Sitzungswochen schieden zurückweisen. Wir sprechen ganz explizit eine zählen!) Verbesserung der Meldewege für die Nutzer und eine Stärkung der Nutzerrechte durch eine Pflicht zur Wieder- Seit dem 12. Dezember 2017, als dieser Gesetzentwurf einstellung bei zu Unrecht gelöschten Inhalten an. All das hier im Plenum beraten worden ist, liegt er im Rechtsaus- dient, glaube ich, der Weiterentwicklung dieses Gesetzes schuss und wird nicht beraten. Er wird von Woche zu und geht in dieselbe Richtung, auf die Ihr Antrag zielt. Woche geschoben. Das ist ein unhaltbarer Zustand, meine Damen und Herren. Ich möchte mich auch ausdrücklich beim Bundesmi- nisterium der Justiz, namentlich bei unserer Bundes- (Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie ministerin , bedanken, die hier mit bei Abgeordneten der AfD) hohem Engagement vorangeht. Das zeigt auch das zu- Denn es geht bei dem Gesetzentwurf nicht etwa um Nich- sammen mit dem Bundesinnenminister vorgelegte Maß- tigkeiten. Ein Teil des Gesetzentwurfes betrifft die Ab- nahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus schaffung der globalen, flächendeckenden, anlasslosen und der Hasskriminalität. Vorratsdatenspeicherung. All diese Initiativen zeugen davon, dass wir das Vor- Nun weiß ich, dass viele hier im Haus diese Vorrats- haben sehr ernst nehmen, und ich finde, wir sollten jetzt datenspeicherung für ein unverzichtbares Instrument der noch die wirklich wenigen Wochen bis zum Beginn des Verbrechensbekämpfung und -aufklärung halten. neuen Jahres – wir haben jetzt noch eine Sitzungswoche im alten Jahr – nutzen. Im neuen Jahr sollten dann ganz (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Kinder- konkrete Vorschläge vorgelegt werden. pornografie! Wie sieht denn Ihre Lösung aus?) Nur, drei Entscheidungen – des Bundesverfassungsge- (B) In diesem Zusammenhang freuen wir uns natürlich und (D) können es auch von unserer Seite zusagen – ich glaube, richtes und des Europäischen Gerichtshofes, von 2010, dass ich da auch im Namen des Koalitionspartners spre- 2014 und 2016 – sagen ganz klar, dass eine anlasslose chen darf –, dass wir die Vorschläge der Kolleginnen und globale Vorratsdatenspeicherung nun einmal verfas- Kollegen der Grünen mit beraten werden. sungswidrig und europarechtswidrig ist. Wie gesagt – ich wiederhole mich –, wir sollten uns (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sie haben jetzt noch diese wenigen Wochen Zeit nehmen, um dann keine Lösung!) auch wirklich etwas sehr Konstruktives, Positives und vor Dann müssen Sie sich eben einmal überlegen, wie Sie das allen Dingen Zielführendes zu verabschieden. Thema regeln wollen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP – [CDU/CSU]: Machen wir doch!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das zweite Thema ist das Netzwerkdurchsetzungsge- setz, in dem verlangt wird, dass Äußerungen im Netz, die Vizepräsidentin Claudia Roth: wir alle ablehnen – Hate Speech, Hassreden –, von den Anbietern der Internetforen innerhalb kurzer Frist ge- Vielen Dank, Florian Post. – Nächster Redner: für die löscht werden müssen. Nun sind das ja manchmal wirk- FDP-Fraktion Stephan Thomae. lich schwierige Fragen der Abwägung, wann eine Äuße- (Beifall bei der FDP) rung noch von der Meinungsfreiheit, einem wirklich wesentlichen Grundrecht, gedeckt ist und wann nicht Stephan Thomae (FDP): mehr. Solche Fragen, die auch von Gerichten manchmal Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen! nur schwer geklärt werden können, kann man nicht ein- Verehrte Kollegen! § 62 Absatz 2 unserer Geschäftsord- fach auslagern an private amerikanische Internetunter- nung sagt: Wenn eine Vorlage länger als zehn Wochen in nehmen. Diese Klärung kann man nicht privatisieren. einem Ausschuss ruht und nicht beraten bzw. behandelt (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten wird, dann kann die antragstellende Fraktion vom Aus- der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- schussvorsitzenden einen Sachstandsbericht verlangen NEN) und auch verlangen, dass dieser Bericht im Plenum des Deutschen Bundestages beraten wird. Solche wichtigen Fragen kann man nicht einfach über 100 Wochen, auf den Tag genau zwei Jahre, unbehandelt (Enrico Komning [AfD]: Immerhin!) im Rechtsausschuss liegen lassen! 16804 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Stephan Thomae (A) (Enrico Komning [AfD]: Hier ist alles mög- strafbaren Inhalten an private Konzerne wie Facebook (C) lich! – Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/ delegiert wird. Denn Rechtsdurchsetzung ist staatliche CSU]: Eine fehlerhafte Behauptung!) Aufgabe. Wir erwarten von den Regierungsfraktionen, dass sie (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. diese Vorlagen, die heute hier auch beraten werden, end- Dr. Alexander Gauland [AfD]) lich im Rechtsausschuss auf die Tagesordnung setzen, damit sie dort beraten werden können und eine Be- Unser Gesetzentwurf streicht die schädlichen Teile des schlussempfehlung für den Deutschen Bundestag abge- NetzDG und erhält seine sinnvollen Bestandteile wie die geben wird. Benennung eines Ansprechpartners mit einer zustellfähi- gen Anschrift sowie die Regeln zum Berichts- und Be- (Beifall bei der FDP – Enrico Komning [AfD]: schwerdeprozess. Wir wollen nur die Teile des NetzDG Bleibt auch 100 Wochen liegen!) streichen, bei denen die Gefahr besteht, dass es zu einem Overblocking kommt. Vizepräsidentin Claudia Roth: (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Es ist doch Vielen Dank, Stephan Thomae. – Nächster Redner in nachgewiesen, dass es dazu nicht kommt!) der Debatte für die Fraktion Die Linke: Niema Movassat. Denn ein Overblocking, also eine übermäßige Löschung (Beifall bei der LINKEN) von Beiträgen, würde die Meinungsfreiheit verletzen.

Niema Movassat (DIE LINKE): (Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Dazu ist es gar nicht gekommen! Wo haben Sie Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir als die letzten zwei Jahre verbracht?) Linke wollen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG, teilweise aufheben. Einen Gesetzentwurf dazu Ich will kurz noch etwas zu der geplanten Verschärfung haben wir vor exakt zwei Jahren eingebracht. Aber seit des NetzDG durch die Bundesregierung sagen. Laut Me- vielen Monaten verhindern CDU/CSU und SPD, dass wir dienberichten will das Justizministerium eine Regelung über Gesetzentwürfe zum NetzDG im Rechtsausschuss schaffen, nach der Facebook, Twitter und Co eine Viel- abstimmen. zahl von strafbaren Inhalten an das Bundeskriminalamt melden müssen. Das klingt zwar erst einmal nicht (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das geht schlecht; es ist immer besser, Straftaten werden verfolgt, gar nicht!) als dass Hass-Postings, wie es beim NetzDG bisher der Die Begründung ist, dass Sie erst abwarten wollen, bis die Fall ist, einfach gelöscht werden. Das erste Problem ist (B) Bundesregierung einen eigenen Entwurf zur Überarbei- aber, dass es so unfassbar viele strafbare Inhalte in den (D) tung des NetzDG vorlegt. sozialen Medien gibt, dass vermutlich die schon jetzt völ- lig überlasteten Staatsanwaltschaften der Vielzahl von (Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Sonst wür- Meldungen gar nicht nachkommen werden können. Am den wir alle Anträge von euch ablehnen! Ist Ende bleibt dann nur eine massenhafte Datenspeicherung doch gut!) beim BKA, bei der keiner weiß, was mit diesen Daten Es ist zwar durchaus üblich, ähnliche Gesetzentwürfe ge- geschieht. Einer solchen Massendatenspeicherung wird meinsam im Bundestag zu behandeln. Allerdings gibt es Die Linke niemals zustimmen. keine Ähnlichkeit zwischen dem, was wir wollen, und (Beifall bei der LINKEN) dem, was die Bundesregierung will. Meine Damen und Herren, es ist an der Zeit, dass CDU/ (Zuruf von der CDU/CSU: Genau! – Weiterer CSU und SPD ihren peinlichen Eiertanz beenden. Lassen Zuruf von der CDU/CSU: Das bleibt auch so!) Sie uns endlich über alle vorliegenden Gesetzentwürfe Denn die Bundesregierung will das NetzDG erweitern. zum NetzDG abstimmen! Lassen Sie uns vor allem über Wir wollen es weitgehend aufheben. die gesellschaftlichen Ursachen von Hass und Hetze im Internet sprechen und diese gesellschaftlichen Ursachen (Beifall bei der LINKEN) bekämpfen, statt mit zweifelhaften rechtspolitischen Mit- teln Symptome zu bekämpfen. Weil es nicht einmal im Ansatz inhaltliche Gemein- samkeit gibt, spricht sachlich nichts dagegen, den Gesetz- Danke schön. entwurf der Linken und alle anderen Gesetzentwürfe zum NetzDG endlich im Rechtsausschuss zu behandeln und (Beifall bei der LINKEN) darüber abzustimmen. Ihre Begründung für die ständige Verschiebung der Behandlung der Gesetzentwürfe der Vizepräsidentin Claudia Roth: Opposition zum NetzDG ist schlicht absurd. Vielen Dank, Niema Movassat. – Nächster Redner: (Beifall bei der LINKEN) Alexander Hoffmann für die CDU/CSU-Fraktion. Klar ist, dass die Bekämpfung von Hate Speech, also (Beifall bei der CDU/CSU) von Hass und Hetze im Internet, wichtig ist. Sie darf jedoch nicht, wie durch das NetzDG geschehen, zu einer Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Privatisierung der Rechtsdurchsetzung führen, indem die Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Verantwortlichkeit für das Erkennen und Entfernen von Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kolle- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16805

Alexander Hoffmann (A) gen! Bei der Frage „Wie aktiv geht diese Regierungskoa- dass es zu Overblocking kommen wird, all das ist nicht (C) lition mit dem Thema Netzwerkdurchsetzungsgesetz eingetreten. um?“ lohnt sich ein Blick in die Chronologie dieses Ge- setzes. Wir haben dieses Gesetz in der letzten Legislatur- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- periode auf die Schiene gesetzt, und wir haben immer ordneten der SPD) gesagt: Das ist für uns das letzte Mittel; das letzte Mittel Es hat – das will ich ehrlicherweise sagen, auch positiv deshalb, weil Gespräche mit Facebook, YouTube und Co in Ihre Richtung – bei Ihnen ja ein Lernprozess stattge- einfach nicht, trotz wiederholten Stattfindens, den ge- funden. Der Kollege Müller hat kritisch angemerkt, dass wünschten Erfolg gebracht haben – immer nur freund- Sie sicher im Lauf der Zeit noch mehr hätten zugeben liches Lächeln, freundliche Sätze, aber keinerlei Ergeb- können und auch mehr hätten lernen können. Aber ges- nisse. tern war es zum Beispiel so, dass ein Vertreter der AfD im Ausschuss sogar erklärt hat, dass man eben nicht mehr für Ich empfehle Ihnen – gerade denjenigen, die meinen, eine völlige Abschaffung des Netzwerkdurchsetzungsge- man müsse dieses Gesetz wieder abschaffen –: Unter- setzes ist. halten Sie sich einmal mit einem Betroffenen! Mir hat vor 14 Tagen ein Familienvater berichtet, dass er über (Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Hört! Hört! Monate hinweg versucht hat, verleumderische Inhalte Hört! – Ulli Nissen [SPD]: Hört! Hört!) auf YouTube löschen zu lassen. Seine Wortwahl war in- teressant, er hat gesagt: Ich habe über Monate hinweg Deswegen muss man, liebe Kolleginnen und Kollegen, YouTube angefleht – „angefleht“ war die Wortwahl –, im Ergebnis sagen, dass wir zwar Neuland betreten haben diese Inhalte herauszunehmen, auch im Interesse meiner (Zuruf) Familie, und es ist nichts passiert. – Sie waren gestern nicht dabei, als der Kollege Brandner Heute, in der Rückschau, glaube ich: Unsere Entschei- das gesagt hat –, aber wir alle haben Erfahrungen sam- dung, die wir uns nicht leicht gemacht haben, ist richtig meln können, und die ursprüngliche Idee war die richtige. gewesen. Hätten wir Ihren Intentionen am Anfang Folge geleistet, wären das jeweils übereilte Entscheidungen gewesen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Wenn wir heute zurückschauen, ist es, glaube ich, richtig, der Abg. Marianne Schieder [SPD]) dass wir Qualität vor Eile stellen. Es geht in der Tat um Wir haben es uns allein deshalb schon nicht leicht ge- wichtige Rechtsgüter wie Meinungsfreiheit. macht, weil wir von Anfang an gesagt haben: Das ist Kollege Müller hat es vorhin skizziert: Bereits in den ein komplexes Thema, das ist Neuland, es geht auch um nächsten Wochen werden wir unsere Vorschläge ins par- Meinungsfreiheit, und deswegen vereinbaren wir eine (B) lamentarische Verfahren einbringen. Wir werden das zu- (D) Evaluierung. dem um umfassende Maßnahmen zur Bekämpfung von Bei der Opposition war es aber so, ehrlich betrachtet, Hassreden im Netz ergänzen. dass Sie ab dem ersten Tag an diesem Gesetz kein gutes Wir müssen uns auch um das StGB Gedanken machen. Haar gelassen haben. Da gibt es gute Vorschläge aus Bayern. Wir müssen ein- (Anke Domscheit-Berg [DIE LINKE]: Doch, fach konstatieren, dass es etwas anderes ist, ob es zu zwei!) Beleidigungen, übler Nachrede und Verleumdungen vor sechs Personen in der analogen Welt oder eben im Inter- Bevor die ersten Ergebnisse der Evaluation überhaupt auf net kommt. Deswegen glaube ich, dass wir uns Zeit für den Tisch gekommen sind, kamen Anträge auf sofortige diese Lösungen nehmen sollten, und es gibt eigentlich Abschaffung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. überhaupt keinen Grund für diese Aufregung. Und dann kam es doch, im Mai 2019, zu einer, wie ich Ich glaube, dass das, was wir hier vorhaben – und das finde, sehr bemerkenswerten Anhörung. Diese Anhörung meine ich auch fraktionsübergreifend –, ein wichtiges ge- war allein schon deswegen bemerkenswert, weil da zeit- sellschaftspolitisches Projekt ist, weil die Gesetze am weise bestimmte Fraktionen der Opposition gar nicht ver- Ende darüber entscheiden, welche Gesellschaft wir in treten waren. der analogen Welt haben und welche Gesellschaft wir (Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Das stimmt! Ich in der digitalen Welt haben. Das ist unsere Verantwor- weiß sogar, welche! – Carsten Müller [Braun- tung, und lassen Sie uns das bitte gemeinsam gestalten. schweig] [CDU/CSU]: Das stimmt!) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Sie war aber vor allem auch deswegen bemerkenswert, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- weil alle Sachverständigen, bis auf einen, dem Grunde ordneten der SPD) nach sagten: Der Schritt zum Netzwerkdurchsetzungsge- setz ist der richtige. Es mag sein, dass in diesem Gesetz nicht alles richtig ist. Aber es ist wichtig, dass es solche Vizepräsidentin Claudia Roth: Regelungen gibt. Vielen Dank, Alexander Hoffmann. – Ich komme zum letzten Redner in dieser Debatte: Dr. Jens Zimmermann Bemerkenswert war auch, dass zutage gefördert wur- für die SPD-Fraktion. de: Das, was Sie prophezeit haben, nämlich dass das Netzwerkdurchsetzungsgesetz das Ende der Meinungs- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten freiheit im Netz sei – das war doch die Originalaussage –, der CDU/CSU) 16806 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

(A) Dr. Jens Zimmermann (SPD): Wir wollen zum Beispiel eine Schärfung bei den Vorga- (C) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unsere ben für den Zustellungsbevollmächtigten, wir wollen den Demokratie und unser Rechtsstaat brauchen Regeln. Wir Beschwerdemanagementprozess deutlich stärker definie- haben heute hier auch bei dieser Debatte ganz klarge- ren, weil wir genau wissen, dass einige Unternehmen das macht, dass wir als Deutscher Bundestag auch Regeln besser machen als andere, und wir wollen auch die Chan- haben; die sind gut und richtig. Dafür haben wir eine cen zur regulierten Selbstregulierung weiterentwickeln. Geschäftsordnung, und deswegen haben wir heute auch diese Debatte. Ich glaube, das ist ein wichtiges Thema, All das sind Themen, die diskutiert werden und die die und diese Regeln stehen allen zu. Bundesjustizministerin auch bereits am Mittwoch in der Fragestunde angesprochen hat. Deswegen: Es ist gut, dass Es ist gut, dass wir hier mal wieder über das Netzwerk- wir diese Diskussion geführt haben. Ich glaube aber, die durchsetzungsgesetz reden; denn das Netzwerkdurchset- Aufregung ist ein wenig übertrieben, weil wir zu Beginn zungsgesetz ist eben auch ein Gesetz, das Regeln für die des nächsten Jahres zu einer Lösung kommen werden, Kommunikation im Internet vorgibt, und – das ist in der wie wir das Netzwerkdurchsetzungsgesetz weiterentwi- Debatte schon gesagt worden – es ist ein Gesetz, das auch ckeln. international Signalwirkung entfaltet hat. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Was wir als Koalition schon zu Beginn gesagt und im der CDU/CSU – Abg. Stephan Thomae [FDP] Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, ist, dass wir das meldet sich zur Geschäftsordnung) Netzwerkdurchsetzungsgesetz weiterentwickeln wollen, und das sind wir auch angegangen. Es ist eben auch schon Vizepräsidentin Claudia Roth: gesagt worden: Die Bundesregierung arbeitet an dieser Vielen Dank, Dr. Zimmermann. – Ich bitte jetzt um Ihre Weiterentwicklung. Aufmerksamkeit. – Das Wort zur Geschäftsordnung hat Ich will aber doch auch mal in die Historie schauen: In der Kollege Thomae. der vergangenen Wahlperiode hätte der Antrag der Kol- leginnen und Kollegen von den Grünen wahrscheinlich Stephan Thomae (FDP): noch einen ganz anderen Titel getragen. Der hätte dann Sehr geehrte Frau Präsidentin! Da wir es hier mit Vor- wahrscheinlich „NetzDG verhindern“ geheißen. So erin- lagen zu tun haben, die schon sehr, sehr lange im Aus- nere ich mich zumindest an die Diskussion aus der letzten schuss ruhen, stelle ich hiermit gemäß § 62 Absatz 2 un- Wahlperiode; ich kann mich sehr gut daran erinnern, was serer Geschäftsordnung den Antrag, dass der Deutsche der Kollege Konstantin von Notz hier vorne alles erzählt Bundestag beschließen möge, den Ausschuss für Recht (B) hat. und Verbraucherschutz aufzufordern, bis längstens 31. Ja- (D) nuar 2020 zu den hier debattierten vier Vorlagen eine (Beifall bei der SPD – Renate Künast [BÜND- Beschlussempfehlung an das Plenum abzugeben. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Legendenbildung! Sie lügen! Wir haben nicht dagegengestimmt!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD, der LINKEN und des BÜNDNIS- Wenn ich mir Gedanken darüber mache, wie der An- SES 90/DIE GRÜNEN) trag vonseiten der FDP damals wahrscheinlich gelautet hätte, dann wäre es wahrscheinlich „Bedenken second“ gewesen, und wenn man sich den vorliegenden Antrag Vizepräsidentin Claudia Roth: der Linken anschaut, der wirklich sehr, sehr dünn ist, Gut; der Antrag hat sich hier oben schon angedeutet. – dann scheint mir dieser Antrag den Titel „Sorry, es war Wir haben jetzt folgenden Vorschlag zum Verfahren: Herr Anfang der Legislaturperiode, und wir wollten halt auch Dr. Buschmann darf ihn begründen, und die Fraktionen, noch was präsentieren“ zu tragen. Das gehört eben zu die sich dazu äußern wollen – positiv oder negativ –, dieser Debatte auch mit dazu. haben drei Minuten lang die Möglichkeit dazu. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der (Unruhe) CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LIN- – So wird es jetzt gemacht. KE]: Dann hätte eine inhaltliche Auseinander- setzung im Ausschuss darüber für Sie kein (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ Problem dargestellt! Das ist unlogisch!) DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nichtsdestotrotz ist eine Sache doch ganz klar – und das zeigt die Bandbreite der Anträge der Opposition –: Es Zuallererst hat gleich Dr. Buschmann das Wort ist notwendig, über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu diskutieren und es weiterzuentwickeln. Und bitte sagen Sie uns, welche Fraktionen sich maxi- mal drei Minuten dazu äußern wollen. Danach stimmen (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wir über den Geschäftsordnungsantrag der Fraktion der NEN]: Wir haben gute Vorschläge gemacht!) FDP ab. – Herr Dr. Buschmann. Wir haben klare Vorschläge gemacht. Dr. Marco Buschmann (FDP): (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen NEN]: Welche?) und Kollegen! Der Antrag ist erforderlich, weil seit über Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16807

Dr. Marco Buschmann (A) zwei Jahren Arbeitsverweigerung stattfindet. Das kann (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sagen (C) sich der Deutsche Bundestag nicht gefallen lassen. Sie doch, wann! – Zuruf von der AfD: Wann denn? Ihr habt doch Zeit genug gehabt! Sagen (Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Stimmt doch Sie doch mal, wann! Arbeitsverweigerer! – gar nicht! – Beifall bei der FDP sowie bei Ab- Dr. Marco Buschmann [FDP]: Anfang des Jah- geordneten der AfD) res!) Erstens. Demokratie heißt Transparenz. Man braucht Deshalb brauchen wir diese Fristsetzung überhaupt eine Meinung. Man kann eine andere Meinung haben, nicht, und wir werden den Antrag deswegen ablehnen. aber man muss der Öffentlichkeit klar sagen, was man will, und darf sich nicht wegducken. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP – Sebastian Steineke Vizepräsidentin Claudia Roth: [CDU/CSU]: Wir haben nicht zwei Jahre nicht darüber diskutiert!) Vielen Dank, Herr Kollege. – Jetzt hat das Wort der Kollege Peterka für die AfD-Fraktion. Zweitens. Der Antrag ist zulässig. Die Kommentierung besagt eindeutig, dass es einer Fraktion auch erlaubt sein Tobias Matthias Peterka (AfD): muss, Verfahrensanträge zum Umgang mit Vorlagen zu Vielen Dank. – Natürlich ist der Antrag zu begrüßen, stellen; denn sonst passiert das, was Sie vorhaben, dass und es war auch bezeichnend, dass ich hier, als ich vorhin Sie das Vorhaben nämlich auf den Sankt-Nimmerleins- mit der Kritik an der Geschäftsordnung ein bisschen län- Tag verschieben. ger ausgeholt habe, von der linken Seite komplett und Drittens. Wenn es so ist, wie Sie hier sagen, dass Sie unsäglich angegangen wurde. Anfang des kommenden Jahres, im Januar, Ihr Konzept (Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Das machen Sie vorlegen wollen, dann kann Ihnen der Antrag ja gar nicht ja nur ganz selten! – Weiterer Zuruf von der wehtun, weil wir nichts anderes verlangen, als eine Mei- SPD: Mimimi!) nungsbildung bis Ende Januar des kommenden Jahres herbeizuführen. Wenn Sie hier die Wahrheit gesagt ha- – Ja, man muss das auch mal sagen, weil man im Fern- ben, dann müssen Sie dem Antrag zustimmen. sehen gar nicht hört, was Sie hier immer reinrufen. Herzlichen Dank. Also, wie gesagt: Die Hälfte der Redner hat hier gar nicht den Punkt getroffen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (B) der AfD, der LINKEN und des BÜNDNIS- (Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: (D) SES 90/DIE GRÜNEN – Sebastian Steineke Sie doch auch nicht!) [CDU/CSU]: Das war ja noch ganz schön Es geht nämlich nicht darum, ob man für das Gesetz ist dünn! Haben wir mehr erwartet von der FDP!) oder nicht, sondern es geht darum, dass hier seit Mona- ten – bis hin zu zwei Jahren – im federführenden Aus- Vizepräsidentin Claudia Roth: schuss Anträge von der Tagesordnung gestimmt werden – und immer mit der Begründung: Wir brauchen noch mehr Wir sammeln jetzt gerade noch die Namen der Kol- Zeit. legen und Kolleginnen, die sich beteiligen wollen. – Wir fangen an mit der CDU/CSU. Herr Schnieder, drei (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sie sind Minuten! sich doch gar nicht einig, was Sie wollen! Wol- len Sie jetzt abschaffen oder beibehalten?) (Beifall bei der CDU/CSU) Bei einem Antrag auf völlige Abschaffung trifft es Patrick Schnieder (CDU/CSU): auch den Punkt nicht, wenn man sagt: Wir legen ja bald eine Reform vor. – Das hat gar nichts damit zu tun, wenn Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! die andere Seite das sowieso abschaffen will, und das Hier geht es nicht um Arbeitsverweigerung – jedenfalls wurde hier wieder nur verschleiert. nicht in Bezug auf die Frage, ob wir uns damit auseinan- dersetzen und etwas vorlegen wollen. Arbeitsverweige- (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Alexander rung hat aber offensichtlich in der Debatte stattgefunden; Hoffmann [CDU/CSU]: Was wollen Sie denn die Gründe dafür, warum wir noch etwas Zeit brau- denn? – Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Was chen, sind ausführlich dargelegt worden. Uns geht es um ist Ihre Meinung dazu?) Sorgfalt, uns geht es darum, dass wir das auf einer breiten Ebene diskutieren. – Ich sehe schon: Bei Ihnen kann ich da wohl nicht mehr durchdringen. (Zuruf von der AfD: Ein Geschäftsordnungs- Der Punkt ist: Wir wollen das Gesetz abschaffen. antrag!) Der Referentenentwurf befindet sich schon in der Res- (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Aha! – sortabstimmung. Es wäre nicht sinnvoll, wenn wir das Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Hat der nicht noch mit ausschöpfen könnten. Deshalb: Wir wer- Herr Brandner gestern nicht gesagt!) den das in Kürze – in absehbarer Zeit – ausführlich bera- – Der Herr Brandner hat genau das gesagt, was ich vorhin ten und eine Beschlussempfehlung vorlegen. auch gesagt habe. 16808 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Tobias Matthias Peterka (A) (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Nein, ge- Ich glaube, wir sollten uns Zeit lassen. (C) nau das Gegenteil! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist der eigentlich?) (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir haben uns schon ziemlich viel Zeit Im TMG wollen wir wichtige Teile aufrechterhalten. De- gelassen!) finition der sozialen Plattformen, Zustellungsbevoll- mächtigter: Das wollen wir aufrechterhalten; da haben Deswegen ist es richtig, dass wir hier in aller Ruhe dieses wir gelernt. Aber das war nur ein ganz kleiner Teil des wichtige Gesetz beraten. Wir haben ganz im Ernst schlim- ganzen Gesetzes. me Anschläge, schlimme Straftaten erleben müssen, und oft war die Ursache, dass sich die Täter im Netz radikali- Der restliche Ansatz ist kompletter Schwachsinn. Des- siert haben. Deswegen ist es wichtig, dass wir verhindern, wegen verfolgen wir die Linie weiter: Weg damit! dass sich Leute über das Netz radikalisieren und dann Vielen Dank. irgendwann auch zur Tat schreiten. (Beifall bei der AfD – Florian Post [SPD]: (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Können Sie mal Schwachsinniges Gerede!) zu § 62 Absatz 2 sprechen?) Deswegen müssen wir uns in aller Ruhe das NetzDG an- Vizepräsidentin Claudia Roth: schauen, uns mit Fachverbänden unterhalten, uns mit den Ländern austauschen, mit der Polizei, mit Verbänden und Wir sind übrigens in einer Geschäftsordnungsdebatte Organisationen, die sich hier gut auskennen, um zu einer über den Antrag der Fraktion der FDP. Dazu hat jetzt das guten Lösung zu kommen. Wort Dr. Fechner für die SPD-Fraktion. (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Ich dachte, Sie (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) würden im Januar was vorlegen!) Dr. Johannes Fechner (SPD): Das wird zu Beginn des nächsten Jahres kommen; darauf Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! können Sie sich verlassen. Auch wir lehnen diesen Antrag ab. Es wie der Vorredner als kompletten Schwachsinn zu bezeichnen, dass wir da- (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Sollen wir Ende für sorgen wollen, Februar sagen? Sie können sich doch einfach auf nichts einigen in der Koalition!) (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Zur Ge- Ich habe den Eindruck, dass Sie den Vergleich scheuen. schäftsordnung!) Offensichtlich wissen Sie genau, dass wir einen guten (B) dass Hass und Hetze im Internet nicht mehr in diesem Entwurf, der besser ist als Ihrer, präsentieren werden. (D) ekelhaften Ausmaß vorhanden sind, das kann ja wohl Deswegen haben Sie jetzt hier diesen Geschäftsordnungs- nicht wahr sein, Herr Kollege. antrag gestellt. Das machen wir nicht mit, das werden wir ablehnen, weil wir ein gutes Gesetz wollen, und das (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – braucht dann eben noch die eine oder andere Woche Vor- Enrico Komning [AfD]: Zur Geschäftsord- bereitung. nung!) Vielen Dank. Jetzt wirft uns die FDP hier Arbeitsverweigerung vor (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (Enrico Komning [AfD]: 100 Wochen!) oder dass wir die Oppositionsrechte beschneiden würden, Vizepräsidentin Claudia Roth: (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das stimmt Vielen Dank, Herr Kollege Fechner. – Für Die Linke doch!) hat Niema Movassat das Wort – zur Geschäftsordnung. dass wir Sie am Gestalten hindern. Dagegen hätte es ein (Beifall bei der LINKEN) ganz einfaches Mittel gegeben: Hätten Sie sich nicht vor der Verantwortung gedrückt, Niema Movassat (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir wer- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zu- den dem Geschäftsordnungsantrag der FDP zustimmen. rufe von der FDP: Oh!) wären Sie in die Regierung gegangen, dann hätten Sie die (Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie Vorstellungen, die Sie haben, längst umsetzen können. des Abg. Dr. [AfD]) Wenn der Rechtsausschuss nicht in der Lage ist, (Zurufe von der CDU/CSU: Arbeitsverweige- rung!) (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Mit voller Das, was Sie betrieben haben, ist Arbeitsverweigerung. Wucht! Sie sind zu fünft!) über vom Plenum überwiesene Gesetzentwürfe abzustim- (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Offenbarungs- men, dann muss das Plenum eine Entscheidung darüber eid!) treffen, bis wann der Rechtsausschuss endlich abzustim- Dass Sie hier nur mit zehn Leuten auflaufen, spricht ja für men hat. Der 31. Januar nächsten Jahres ist ein gutes sich; aber okay. Datum, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16809

Niema Movassat (A) (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sie sind Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) immer noch zu fünft!) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ist ein Datum, bei dem noch genug Zeit für Beratung ist. (Zuruf von der CDU/CSU: Die sind zu fünft! – Gegenruf des Abg. Dr. Marco Buschmann (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – [FDP]: Die Bundesregierung ist allein! Da sitzt Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Ist das Thema noch ein Sozi!) so interessant – bei fünf Leuten?) Also, ich muss mal den Koalitionsfraktionen sagen: Ir- Dann wurde gerade von Herrn Fechner gesagt: Wir gendwie klingelt es mir in den Ohren, wenn ich höre, mit wollen noch in Ruhe Experten hören. – Wir haben eine welcher Begründung Sie immer wieder das „Und jetzt Expertenanhörung gehabt zu den Gesetzentwürfen der machen wir es sorgfältig“ erfinden. Opposition. (Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Das ist ja uner- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten hört! Die Regierung macht es sorgfältig! – der AfD – Dr. Marco Buschmann [FDP]: So ist Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: So sind es! – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das reicht wir: sorgfältig! – Alexander Hoffmann [CDU/ uns nicht!) CSU]: Sie waren in der Anhörung gar nicht da!) Die Experten wurden angehört. Die Gesetzentwürfe sind – Nehmen Sie es ruhig spaßig! entscheidungsreif. Wir sind ja nicht blöd. Wir wissen, wie sorgfältig diese (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sie sind Dinge passieren. Das ganze Netzwerkdurchsetzungsge- immer noch zu fünft!) setz wurde im Jahr 2017 mit Tempo durchgezogen – unter Also, das immer weiter hinauszuschieben, ist pure Hin- Leiden von vielen CDU/CSU-Abgeordneten, die das so haltetaktik. nicht wollten; ich erinnere mich. Es hat von Anfang an Fehler gehabt, Seit über 100 Wochen sind die Gesetzentwürfe auf dem Tisch. (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Welche Fehler denn?) (Beifall bei der FDP) die wir jetzt, zwei Jahre später, immer noch in unserem Sie haben doch hier in der Debatte deutlich gemacht, dass Antrag, um den es hier geht, verbessern wollen; das wol- Sie die Gesetzentwürfe ablehnen. Ja, dann stimmen Sie len die anderen Fraktionen auch. (B) (D) doch dagegen, wenn Sie das meinen. Aber die ganze Zeit Ich weiß gar nicht, was Sie da noch in Ruhe beraten eine Hinhaltetaktik zu betreiben, ist völlig unverständlich wollen. und völlig inakzeptabel. (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Ich habe (Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem es doch vorhin erklärt!) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sie sind immer noch Die Anhörung ist schon Monate her. Sie hätten doch hin zu fünft!) und wieder mal einen Abend finden können, um die An- hörung auszuwerten. Sie machen hier eines: Für meine Und dann hier in der Debatte noch zu erzählen: „Es gibt Begriffe höhlen Sie systematisch die Rechte der Opposi- kein Overblocking“, tion aus, indem Sie, weil Sie so langsam sind und nie zueinanderfinden oder sich nicht entscheiden können, un- (Zurufe von der CDU/CSU: Gibt es ja auch sere Anträge in die Unendlichkeit vertagen. Das ist nicht nicht!) akzeptabel. setzt dem wirklich die Krone auf. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Dann ha- bei der AfD und der FDP) ben Sie in der Anhörung aber nicht zugehört!) Es ist wirklich nicht parlamentarischer Brauch, an der „Reporter ohne Grenzen“ hat schon letztes Jahr gesagt: Es Stelle zu vertagen und zu vertagen, um dann, wenn Sie gibt die Gefahr von Overblocking; es gibt reale Fälle. – Ihren Koalitionsausschuss überlebt haben, zu sagen: Deshalb gehört das NetzDG in weiten Teilen abgeschafft. Zack, zack! Nächste Woche Anhörung, zwei Tage später möglichst unter Fristverzicht, Danke schön. (Kerstin Tack [SPD]: Ihr wollt doch, dass es so (Beifall bei der LINKEN und der FDP) schnell geht! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/ CSU]: Sie müssen sich mal entscheiden!) Vizepräsidentin Claudia Roth: ohne die Anhörung auswerten zu können, dann das Ge- Vielen Dank, Kollege Movassat. – Die letzte Kollegin setz machen. zur Geschäftsordnung für Bündnis 90/Die Grünen ist Renate Künast. Nein, meine Damen und Herren! Der Kollege von der CDU hat es vorgeschlagen. Sie haben gesagt, Sie seien da (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schon weiter, wir sollten uns Ihrem Tempo anschließen. 16810 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

Renate Künast (A) Ich für meinen Teil habe nicht vor, Schneckenrennen zu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, (C) verlieren. bei der FDP und der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen herzlichen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kol- Deshalb werde ich mich Ihrem Tempo auch nicht an- legen, jetzt erkläre ich Ihnen noch einmal ganz genau – schließen. bitte nicht fotografieren; das gilt für alle –, worüber wir abstimmen. Die Fraktion der FDP hat beantragt, den Aus- Wir haben keine Zeit, meine Damen und Herren. Es ist schuss für Recht und Verbraucherschutz zu verpflichten, durchaus ein Minderheitenrecht, solche Dinge irgend- bis zum 31. Januar 2020 dem Bundestag Beschlussemp- wann zu Ende zu beraten. Wir haben keine Zeit. Warum? fehlungen zu folgenden Vorlagen vorzulegen: zu dem Weil das Netzwerkdurchsetzungsgesetz Meinungsfreiheit Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem und Persönlichkeitsrechte gegenüberstellt, übrigens auch, Titel „Netzwerkdurchsetzungsgesetz weiterentwickeln – wenn es zum Beispiel um Put-back-Verfahren geht. Da Nutzerrechte stärken, Meinungsfreiheit in sozialen Netz- haben Sie eine Verpflichtung, die Grundrechte der Men- werken sicherstellen“, zu dem von der Fraktion der FDP schen zu wahren und nicht auf dieser ganzen Geschichte eingebrachten Gesetzentwurf zur Stärkung der Bürger- sitzen zu bleiben. rechte, zu dem von der Fraktion Die Linke eingebrachten (Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Sind wir Gesetzentwurf zur Teilaufhebung des Netzwerkdurch- schon bei fünf Minuten?) setzungsgesetzes, zu dem von der Fraktion der AfD eingebrachten Gesetzentwurf zur Aufhebung des Netz- Davon unabhängig ist die Frage der Bekämpfung von werkdurchsetzungsgesetzes. Das ist der Geschäftsord- Rechtsextremismus. nungsantrag, über den wir jetzt beraten haben. (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Ist das Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Fristset- jetzt zur Geschäftsordnung?) zungsantrag. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Wir sehen keine Da sage ich Ihnen schon mal vorab: Das müssen wir Enthaltungen. Wir sind nach akribischer Zählung der später auch in Ruhe beraten, und nicht „Zack, zack!“. Auffassung, dass der Fristsetzungsantrag mehrheitlich Sonst werden Sie sich später wieder beklagen. Ich bin abgelehnt worden ist. ja froh, dass Sie gemerkt haben, dass wir beim Rechts- extremismus ein Problem haben – spät genug, und die Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord- Straftaten waren hart genug. Das ändert aber nichts daran, nung. (B) dass dieser Teil der Gesetze jetzt endlich beraten und ab- (D) geschlossen werden muss. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- tages auf morgen, Freitag, den 13. Dezember, 9 Uhr, ein. (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Ge- schäftsordnung!) Die Sitzung ist geschlossen. Deswegen schließen wir uns dem Antrag an. (Schluss: 21.38 Uhr) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16811

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Entschuldigte Abgeordnete

Abgeordnete(r) Abgeordnete(r)

Badum, Lisa BÜNDNIS 90/ Lötzsch, Dr. Gesine DIE LINKE DIE GRÜNEN Magnitz, Frank AfD Beutin, Lorenz Gösta DIE LINKE Mindrup, Klaus SPD Burkert, Martin SPD Möring, Karsten CDU/CSU Busen, Karlheinz FDP Müller, Hansjörg AfD De Ridder, Dr. Daniela SPD Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ Dürr, Christian FDP DIE GRÜNEN Föst, Daniel FDP Pellmann, Sören DIE LINKE Gabelmann, Sylvia DIE LINKE Petry, Dr. Frauke fraktionslos Gerdes, Michael SPD Pilger, Detlev SPD Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ Remmers, Ingrid DIE LINKE DIE GRÜNEN Renner, Martin Erwin AfD Grotelüschen, Astrid CDU/CSU Ruppert, Dr. Stefan FDP Grundl, Erhard BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Sauer, Stefan CDU/CSU (B) (D) Grundmann, Oliver CDU/CSU Schäffler, Frank FDP Hartmann, Verena AfD Scheer, Dr. Nina SPD Herrmann, Lars AfD Schimke, Jana CDU/CSU Heßenkemper, Dr. Heiko AfD Schulz, Martin SPD Hilse, Karsten AfD Tackmann, Dr. Kirsten DIE LINKE Hitschler, Thomas SPD Thews, Michael SPD Höchst, Nicole AfD Ulrich, Alexander DIE LINKE Irmer, Hans-Jürgen CDU/CSU Weber, Gabi SPD Jensen, Gyde FDP Weiler, Albert H. CDU/CSU Kamann, Uwe fraktionslos Weisgerber, Dr. Anja CDU/CSU Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/ Wiese, Dirk SPD DIE GRÜNEN Zimmermann (Zwickau), DIE LINKE Kiziltepe, Cansel SPD Sabine Köhler, Dr. Lukas FDP Zimmermann, Pia DIE LINKE Konrad, Carina FDP Kotting-Uhl, Sylvia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Lindner, Christian FDP 16812 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

(A) Anlage 2 (C)

Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Arnold Vaatz (CDU/CSU) zu der Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zu den Innova- tionsausschreibungen und zur Änderung weiterer energiewirtschaftlicher Verordnungen (Tagesordnungspunkt 32 e) Ich erkläre zur Abstimmung, dass ich nicht zustimme.

Anlage 3

Ergebnis und Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl eines Stellvertreters des Präsidenten des Deut- schen Bundestages teilgenommen haben (3. Wahlgang) (Tagesordnungspunkt 13) Abgegebene Stimmkarten: 631 Abgeordnete/r Ja-Stimmen* Nein-Stimmen Enthaltungen Ungültige Stimmen Paul Viktor Podolay 197 397 36 1 * Für die Wahl sind mehr Ja- als Nein-Stimmen erforderlich, Enthaltungen werden nicht berücksichtigt.

CDU/CSU Marie-Luise Dött Dr. Alexander Krauß Dr. Hansjörg Durz Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Hermann Färber (Chemnitz) Rüdiger Kruse (B) Norbert Maria Altenkamp (D) Philipp Amthor Mark Helfrich Axel E. Fischer (Karlsruhe- Rudolf Henke Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Land) Michael Hennrich Andreas G. Lämmel Thorsten Frei Dorothee Bär Thomas Bareiß Dr. Astrid Freudenstein Ansgar Heveling Ulrich Lange Dr. Hans-Peter Friedrich Dr. (Hof) Dr. (Börde) Alexander Hoffmann Hans-Joachim Fuchtel Karl Holmeier Dr. Katja Leikert Ingo Gädechens Dr. André Berghegger Dr. Dr. Dr. Christoph Bernstiel Dr. Carsten Linnemann Ursula Groden-Kranich Alois Karl Nikolas Löbel Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Torbjörn Kartes Dr. Jan-Marco Luczak Michael Brand (Fulda) Michael Grosse-Brömer Dr. Markus Grübel Dr. Stefan Kaufmann Karin Maag Silvia Breher Sebastian Brehm Monika Grütters Dr. Thomas de Maizière Fritz Güntzler Michael Kießling Dr. Dr. Dr. Hans-Georg von der Jürgen Hardt Jens Koeppen Marwitz Carsten Körber (Altötting) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16813

(A) Dr. Michael Meister Christian Lange (Backnang) (C) Björn Simon Dr. Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Sylvia Lehmann Michelbach Jens Spahn Helge Lindh Dr. Dr. Kirsten Lühmann Frank Steffel Sören Bartol Heiko Maas Dr. Bärbel Bas Isabel Mackensen Axel Müller Lothar Binding Sepp Müller (Heidelberg) Carsten Müller (Rostock) Dr. (Braunschweig) Sebastian Steineke Leni Breymaier Stefan Müller (Erlangen) Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. Dr. Andreas Nick Christian Frhr. von Stetten Dr. Falko Mohrs Bernhard Daldrup Dr. Georg Nüßlein Siemtje Möller Wilfried Oellers Max Straubinger Sabine Dittmar Bettina Müller Florian Oßner Dr. Wiebke Esdar Detlef Müller (Chemnitz) Josef Oster Dr. Michelle Müntefering Dr. Hermann-Josef Tebroke Dr. Rolf Mützenich Ingrid Pahlmann Hans-Jürgen Thies Dr. Johannes Fechner Sylvia Pantel Dr. Ulli Nissen Dr. Dr. Thomas Oppermann Dr. Joachim Pfeiffer Josephine Ortleb Stephan Pilsinger Mahmut Özdemir Dr. Christoph Ploß Dr. Volker Ullrich (Duisburg) Arnold Vaatz Angelika Glöckner Aydan Özoğuz Timon Gremmels (B) (D) Alexander Radwan (Kleinsaara) Michael Groß Sabine Poschmann Alois Rainer Florian Post Dr. Rita Hagl-Kehl (Minden) Eckhardt Rehberg Dr. Johann David Wadephul Martin Rabanus Andreas Rimkus Johannes Röring Hubertus Heil (Peine) Sönke Rix Dr. Norbert Röttgen Stefan Rouenhoff (Hamburg) Dr. Martin Rosemann Erwin Rüddel Peter Weiß (Emmendingen) René Röspel Sabine Weiss (Wesel I) Dr. Barbara Hendricks Dr. Anita Schäfer (Saalstadt) Gustav Herzog Michael Roth (Heringen) Dr. Wolfgang Schäuble Gabriele Hiller-Ohm Susann Rüthrich Dr. Eva Högl Bernd Rützel Annette Widmann-Mauz Dr. Bettina Margarethe Josip Juratovic Patrick Schnieder Wiesmann Thomas Jurk Axel Schäfer (Bochum) Nadine Schön Klaus-Peter Willsch Dr. Elisabeth Winkelmeier- Johannes Kahrs Marianne Schieder Becker Dr. Klaus-Peter Schulze Ralf Kapschack Dr. Uwe Schummer Emmi Zeulner Gabriele Katzmarek (Weil am Rhein) (Aachen) Dr. Matthias Zimmer Dr. Bärbel Kofler (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) SPD -Emre Johannes Schraps Dr. Ingrid Arndt-Brauer Christine Lambrecht 16814 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

(A) (Spandau) Katja Suding (C) Dr. Andreas Schwarz Dr. Heiko Heßenkemper (Rhein-Neckar) Stephan Thomae Rita Schwarzelühr-Sutter Manfred Todtenhausen (Südpfalz) Dr. Bruno Hollnagel Dr. Florian Toncar Sandra Bubendorfer-Licht Leif-Erik Holm Dr. Dr. Marco Buschmann Martina Stamm-Fibich Carl-Julius Cronenberg Sonja Amalie Steffen Fabian Jacobi Sandra Weeser Britta Katharina Dassler Dr. Bijan Djir-Sarai Kerstin Tack Dr. Marcus Faber Markus Töns Norbert Kleinwächter Otto Fricke DIE LINKE Carsten Träger Enrico Komning Doris Achelwilm Jörn König Gökay Akbulut Marja-Liisa Völlers Steffen Kotré Peter Heidt Simone Barrientos Dirk Vöpel Dr. Rainer Kraft Katrin Helling-Plahr Dr. Dr. Rüdiger Lucassen Matthias W. Birkwald Jens Maier Torsten Herbst -Förster Gülistan Yüksel Dr. Michel Brandt Dr. Birgit Malsack- Winkemann Dr. Manuel Höferlin Dr. Birke Bull-Bischoff Dr. Jens Zimmermann Dr. Christoph Hoffmann Jörg Cezanne Volker Münz Reinhard Houben Sevim Dağdelen AfD Sebastian Münzenmaier Fabio De Masi Dr. Bernd Baumann Dr. Diether Dehm Marc Bernhard Jan Ralf Nolte Dr. Anke Domscheit-Berg Karsten Klein Susanne Ferschl Peter Boehringer Dr. (B) (D) Stephan Brandner Frank Pasemann Jürgen Braun Tobias Matthias Peterka Dr. Marcus Bühl Paul Viktor Podolay Dr. André Hahn Matthias Büttner Jürgen Pohl Heike Hänsel Matthias Höhn Tino Chrupalla Roman Johannes Reusch Alexander Graf Lambsdorff Andrej Hunko Dr. Ulrike Schielke-Ziesing Dr. Robby Schlund (Heilbronn) Jörg Schneider Dr. Achim Kessler Berengar Elsner von Gronow Jan Korte Dr. Michael Espendiller Dr. Jürgen Martens Detlev Spangenberg Dr. Alexander Müller Dr. Anton Friesen René Springer Roman Müller-Böhm Markus Frohnmaier Beatrix von Storch Frank Müller-Rosentritt Dr. Götz Frömming Dr. Dr. Dr. Gesine Lötzsch (Lausitz) Dr. Alexander Gauland Thomas Lutze Albrecht Glaser Dr. Bernd Reuther Dr. Christian Wirth Cornelia Möhring Dr. h. c. Thomas Sattelberger Niema Movassat Dr. Norbert Müller (Potsdam) Armin-Paulus Hampel FDP Matthias Seestern-Pauly Zaklin Nastic Mariana Iris Harder-Kühnel Grigorios Aggelidis Frank Sitta Dr. Alexander S. Neu Dr. Renata Alt Christine Aschenberg- Dr. Marie-Agnes Strack- Petra Pau Martin Hebner Dugnus Zimmermann Victor Perli Udo Theodor Hemmelgarn Nicole Bauer Tobias Pflüger Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16815

(A) Dr. Franziska Brantner Manuel Sarrazin (C) Stephan Kühn (Dresden) Ulle Schauws Eva-Maria Schreiber Dr. Anna Christmann Christian Kühn (Tübingen) Dr. Dr. Petra Sitte Ekin Deligöz Renate Künast Stefan Schmidt Helin Katja Dörner Markus Kurth Charlotte Schneidewind- Katharina Dröge Hartnagel Friedrich Straetmanns Sven Lehmann Kordula Schulz-Asche Jessica Tatti Matthias Gastel Steffi Lemke Dr. Wolfgang Strengmann- Kathrin Vogler Kai Gehring Dr. Kuhn Dr. Stefan Gelbhaar Dr. Margit Stumpp Andreas Wagner Claudia Müller Harald Weinberg Anja Hajduk Beate Müller-Gemmeke Dr. Britta Haßelmann Dr. Daniela Wagner Dr. Konstantin von Notz Dr. Bettina Hoffmann Beate Walter-Rosenheimer Dr. BÜNDNIS 90/ Cem Özdemir DIE GRÜNEN Lisa Paus Fraktionslos Dr. Kirsten Kappert- Filiz Polat Annalena Baerbock Gonther Tabea Rößner Marco Bülow Margarete Bause Uwe Kekeritz Claudia Roth (Augsburg) Dr. Dr. Maria Klein-Schmeink Corinna Rüffer

Anlage 4

Ergebnis und Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl eines Mitglieds des Vertrauensgremiums gemäß (B) § 10a Absatz 2 der Bundeshaushaltsordnung t eilgenommen haben (D) (Tagesordnungspunkt 14 a) Abgegebene Stimmkarten: 628 Abgeordnete/r Ja-Stimmen* Nein-Stimmen Enthaltungen Ungültige Stimmen Marcus Bühl 163 433 30 2 * Zur Wahl sind mindestens 355 Ja-Stimmen erforderlich.

CDU/CSU Peter Bleser Thorsten Frei Christian Haase Florian Hahn Dr. Michael von Abercron Norbert Brackmann Dr. Astrid Freudenstein Michael Brand (Fulda) Dr. Hans-Peter Friedrich Jürgen Hardt Stephan Albani Dr. Reinhard Brandl (Hof) Matthias Hauer Norbert Maria Altenkamp Silvia Breher Michael Frieser Mark Hauptmann Philipp Amthor Sebastian Brehm Hans-Joachim Fuchtel Dr. Matthias Heider Artur Auernhammer Heike Brehmer Ingo Gädechens Mechthild Heil Peter Aumer Ralph Brinkhaus Dr. Thomas Gebhart Thomas Heilmann Dorothee Bär Dr. Carsten Brodesser Alois Gerig Frank Heinrich (Chemnitz) Thomas Bareiß Gitta Connemann Eberhard Gienger Mark Helfrich Norbert Barthle Astrid Damerow Eckhard Gnodtke Rudolf Henke Maik Beermann Alexander Dobrindt Ursula Groden-Kranich Michael Hennrich Manfred Behrens (Börde) Michael Donth Hermann Gröhe Marc Henrichmann Sybille Benning Marie-Luise Dött Klaus-Dieter Gröhler Ansgar Heveling Dr. André Berghegger Hansjörg Durz Michael Grosse-Brömer Christian Hirte Melanie Bernstein Thomas Erndl Markus Grübel Dr. Heribert Hirte Christoph Bernstiel Hermann Färber Manfred Grund Alexander Hoffmann Peter Beyer Uwe Feiler Monika Grütters Karl Holmeier Marc Biadacz Axel E. Fischer (Karlsruhe- Fritz Güntzler Dr. Hendrik Hoppenstedt Steffen Bilger Land) Olav Gutting Erich Irlstorfer 16816 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

(A) Thomas Jarzombek Sepp Müller Andreas Steier Lothar Binding (C) Andreas Jung Carsten Müller Peter Stein (Rostock) (Heidelberg) Ingmar Jung (Braunschweig) Sebastian Steineke Dr. Eberhard Brecht Alois Karl Stefan Müller (Erlangen) Johannes Steiniger Leni Breymaier Anja Karliczek Dr. Andreas Nick Christian Frhr. von Stetten Dr. Karl-Heinz Brunner Torbjörn Kartes Petra Nicolaisen Dieter Stier Katrin Budde Volker Kauder Michaela Noll Gero Storjohann Dr. Lars Castellucci Dr. Stefan Kaufmann Dr. Georg Nüßlein Stephan Stracke Bernhard Daldrup Esther Dilcher Ronja Kemmer Wilfried Oellers Max Straubinger Sabine Dittmar Roderich Kiesewetter Florian Oßner Karin Strenz Dr. Wiebke Esdar Michael Kießling Josef Oster Dr. Peter Tauber Henning Otte Saskia Esken Dr. Georg Kippels Dr. Hermann-Josef Tebroke Ingrid Pahlmann Yasmin Fahimi Volkmar Klein Hans-Jürgen Thies Sylvia Pantel Dr. Johannes Fechner Axel Knoerig Alexander Throm Martin Patzelt Dr. Fritz Felgentreu Jens Koeppen Dr. Dietlind Tiemann Dr. Joachim Pfeiffer Dr. Edgar Franke Markus Koob Antje Tillmann Stephan Pilsinger Ulrich Freese Carsten Körber Markus Uhl Dr. Christoph Ploß Dagmar Freitag Alexander Krauß Dr. Volker Ullrich Eckhard Pols Martin Gerster Gunther Krichbaum Arnold Vaatz Thomas Rachel Angelika Glöckner Dr. Günter Krings Oswin Veith Kerstin Radomski Timon Gremmels Rüdiger Kruse Kerstin Vieregge Alexander Radwan Kerstin Griese Michael Kuffer Volkmar Vogel (Kleinsaara) Alois Rainer Michael Groß Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Christoph de Vries Dr. Peter Ramsauer Bettina Hagedorn Andreas G. Lämmel Kees de Vries Eckhardt Rehberg Rita Hagl-Kehl Katharina Landgraf Dr. Johann David Wadephul Lothar Riebsamen Metin Hakverdi Ulrich Lange Marco Wanderwitz Dr. Silke Launert Josef Rief Sebastian Hartmann Nina Warken Jens Lehmann Johannes Röring Dirk Heidenblut Kai Wegner Hubertus Heil (Peine) (B) Paul Lehrieder Dr. Norbert Röttgen (D) Stefan Rouenhoff Marcus Weinberg Gabriela Heinrich Dr. Katja Leikert (Hamburg) Erwin Rüddel Marcus Held Dr. Andreas Lenz Peter Weiß (Emmendingen) Albert Rupprecht Wolfgang Hellmich Antje Lezius Sabine Weiss (Wesel I) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Barbara Hendricks Andrea Lindholz Ingo Wellenreuther Dr. Wolfgang Schäuble Gustav Herzog Dr. Carsten Linnemann Marian Wendt Andreas Scheuer Gabriele Hiller-Ohm Patricia Lips Kai Whittaker Tankred Schipanski Dr. Eva Högl Nikolas Löbel Annette Widmann-Mauz Bernhard Loos Dr. Claudia Schmidtke Frank Junge Bettina Margarethe Josip Juratovic Dr. Jan-Marco Luczak Patrick Schnieder Wiesmann Thomas Jurk Daniela Ludwig Nadine Schön Klaus-Peter Willsch Oliver Kaczmarek Karin Maag Felix Schreiner Elisabeth Winkelmeier- Elisabeth Kaiser Yvonne Magwas Dr. Klaus-Peter Schulze Becker Ralf Kapschack Dr. Thomas de Maizière Uwe Schummer Oliver Wittke Gabriele Katzmarek Gisela Manderla Armin Schuster (Weil am Emmi Zeulner Rhein) Lars Klingbeil Dr. Astrid Mannes Paul Ziemiak Torsten Schweiger Dr. Bärbel Kofler Matern von Marschall Dr. Matthias Zimmer Detlef Seif Daniela Kolbe Hans-Georg von der Johannes Selle Elvan Korkmaz-Emre Marwitz SPD Andreas Mattfeldt Reinhold Sendker Anette Kramme Stephan Mayer (Altötting) Dr. Patrick Sensburg Niels Annen Christine Lambrecht Dr. Michael Meister Thomas Silberhorn Ingrid Arndt-Brauer Christian Lange (Backnang) Jan Metzler Björn Simon Heike Baehrens Dr. Karl Lauterbach Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Tino Sorge Ulrike Bahr Sylvia Lehmann Michelbach Jens Spahn Nezahat Baradari Helge Lindh Dr. Mathias Middelberg Katrin Staffler Doris Barnett Kirsten Lühmann Dietrich Monstadt Frank Steffel Dr. Matthias Bartke Heiko Maas Elisabeth Motschmann Dr. Wolfgang Stefinger Sören Bartol Isabel Mackensen Axel Müller Albert Stegemann Bärbel Bas Caren Marks Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16817

(A) Katja Mast Claudia Tausend Stefan Keuter Bijan Djir-Sarai (C) Christoph Matschie Markus Töns Norbert Kleinwächter Hartmut Ebbing Hilde Mattheis Carsten Träger Enrico Komning Dr. Marcus Faber Dr. Matthias Miersch Ute Vogt Jörn König Otto Fricke Susanne Mittag Marja-Liisa Völlers Steffen Kotré Thomas Hacker Falko Mohrs Dirk Vöpel Dr. Rainer Kraft Reginald Hanke Claudia Moll Dr. Joe Weingarten Rüdiger Lucassen Peter Heidt Siemtje Möller Dirk Wiese Jens Maier Katrin Helling-Plahr Bettina Müller Gülistan Yüksel Dr. Lothar Maier Markus Herbrand Detlef Müller (Chemnitz) Dagmar Ziegler Dr. Birgit Malsack- Torsten Herbst Michelle Müntefering Stefan Zierke Winkemann Katja Hessel Dr. Rolf Mützenich Dr. Jens Zimmermann Corinna Miazga Dr. Gero Clemens Hocker Dietmar Nietan Andreas Mrosek Manuel Höferlin Volker Münz Ulli Nissen AfD Dr. Christoph Hoffmann Thomas Oppermann Sebastian Münzenmaier Reinhard Houben Dr. Bernd Baumann Josephine Ortleb Christoph Neumann Ulla Ihnen Marc Bernhard Mahmut Özdemir Jan Ralf Nolte Olaf In der Beek (Duisburg) Andreas Bleck Ulrich Oehme Dr. Christian Jung Aydan Özoğuz Peter Boehringer Gerold Otten Karsten Klein Markus Paschke Stephan Brandner Frank Pasemann Dr. Marcel Klinge Christian Petry Jürgen Braun Tobias Matthias Peterka Daniela Kluckert Sabine Poschmann Marcus Bühl Paul Viktor Podolay Pascal Kober Florian Post Matthias Büttner Jürgen Pohl Konstantin Kuhle Achim Post (Minden) Petr Bystron Stephan Protschka Alexander Kulitz Florian Pronold Tino Chrupalla Martin Reichardt Alexander Graf Lambsdorff Martin Rabanus Dr. Gottfried Curio Roman Johannes Reusch Ulrich Lechte Andreas Rimkus Siegbert Droese Ulrike Schielke-Ziesing Michael Georg Link Sönke Rix Thomas Ehrhorn Dr. Robby Schlund (Heilbronn) Dennis Rohde Berengar Elsner von Oliver Luksic (B) Jörg Schneider (D) Dr. Martin Rosemann Gronow Uwe Schulz Till Mansmann René Röspel Dr. Michael Espendiller Thomas Seitz Dr. Jürgen Martens Dr. Ernst Dieter Rossmann Peter Felser Martin Sichert Christoph Meyer Michael Roth (Heringen) Dietmar Friedhoff Detlev Spangenberg Alexander Müller Susann Rüthrich Dr. Anton Friesen Dr. Dirk Spaniel Roman Müller-Böhm Bernd Rützel Markus Frohnmaier René Springer Frank Müller-Rosentritt Sarah Ryglewski Dr. Götz Frömming Beatrix von Storch Dr. Martin Neumann (Lausitz) Johann Saathoff Dr. Alexander Gauland Dr. Harald Weyel Hagen Reinhold Axel Schäfer (Bochum) Albrecht Glaser Wolfgang Wiehle Bernd Reuther Dr. Nina Scheer Franziska Gminder Dr. Heiko Wildberg Wilhelm von Gottberg Dr. h. c. Thomas Marianne Schieder Dr. Christian Wirth Sattelberger Kay Gottschalk Udo Schiefner Uwe Witt Dr. Wieland Schinnenburg Armin-Paulus Hampel Dr. Nils Schmid Matthias Seestern-Pauly Mariana Iris Harder-Kühnel Uwe Schmidt FDP Frank Sitta Dr. Roland Hartwig Ulla Schmidt (Aachen) Judith Skudelny Dagmar Schmidt (Wetzlar) Jochen Haug Grigorios Aggelidis Renata Alt Dr. Marie-Agnes Strack- Carsten Schneider (Erfurt) Martin Hebner Zimmermann Johannes Schraps Udo Theodor Hemmelgarn Christine Aschenberg- Dugnus Benjamin Strasser Martin Schulz Waldemar Herdt Nicole Bauer Katja Suding Swen Schulz (Spandau) Martin Hess Jens Beeck Linda Teuteberg Stefan Schwartze Dr. Heiko Heßenkemper Stephan Thomae Dr. Jens Brandenburg Andreas Schwarz Martin Hohmann (Rhein-Neckar) Manfred Todtenhausen Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Bruno Hollnagel Mario Brandenburg Dr. Florian Toncar Rainer Spiering Leif-Erik Holm (Südpfalz) Dr. Andrew Ullmann Svenja Stadler Johannes Huber Sandra Bubendorfer-Licht Gerald Ullrich Martina Stamm-Fibich Fabian Jacobi Dr. Marco Buschmann Sandra Weeser Sonja Amalie Steffen Dr. Marc Jongen Carl-Julius Cronenberg Nicole Westig Mathias Stein Jens Kestner Britta Katharina Dassler Katharina Willkomm 16818 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

(A) DIE LINKE Thomas Lutze Dr. Franziska Brantner Dr. Ingrid Nestle (C) Doris Achelwilm Amira Mohamed Ali Agnieszka Brugger Dr. Konstantin von Notz Gökay Akbulut Cornelia Möhring Dr. Anna Christmann Friedrich Ostendorff Simone Barrientos Niema Movassat Ekin Deligöz Cem Özdemir Norbert Müller (Potsdam) Katja Dörner Dr. Dietmar Bartsch Lisa Paus Zaklin Nastic Katharina Dröge Matthias W. Birkwald Filiz Polat Heidrun Bluhm-Förster Dr. Alexander S. Neu Harald Ebner Tabea Rößner Michel Brandt Thomas Nord Matthias Gastel Christine Buchholz Petra Pau Kai Gehring Claudia Roth (Augsburg) Dr. Birke Bull-Bischoff Victor Perli Stefan Gelbhaar Dr. Manuela Rottmann Jörg Cezanne Tobias Pflüger Erhard Grundl Corinna Rüffer Sevim Dağdelen Martina Renner Anja Hajduk Manuel Sarrazin Fabio De Masi Bernd Riexinger Britta Haßelmann Ulle Schauws Dr. Bettina Hoffmann Dr. Diether Dehm Eva-Maria Schreiber Dr. Frithjof Schmidt Anke Domscheit-Berg Dr. Anton Hofreiter Dr. Petra Sitte Stefan Schmidt Susanne Ferschl Helin Evrim Sommer Ottmar von Holtz Dieter Janecek Charlotte Schneidewind- Brigitte Freihold Kersten Steinke Hartnagel Nicole Gohlke Friedrich Straetmanns Dr. Kirsten Kappert- Gonther Kordula Schulz-Asche Dr. Gregor Gysi Jessica Tatti Uwe Kekeritz Dr. Wolfgang Strengmann- Dr. André Hahn Kathrin Vogler Katja Keul Kuhn Heike Hänsel Dr. Sahra Wagenknecht Maria Klein-Schmeink Margit Stumpp Matthias Höhn Andreas Wagner Oliver Krischer Markus Tressel Andrej Hunko Harald Weinberg Ulla Jelpke Stephan Kühn (Dresden) Dr. Julia Verlinden Katrin Werner Kerstin Kassner Christian Kühn (Tübingen) Daniela Wagner Hubertus Zdebel Dr. Achim Kessler Renate Künast Beate Walter-Rosenheimer Katja Kipping Markus Kurth Gerhard Zickenheiner Jan Korte BÜNDNIS 90/ Monika Lazar DIE GRÜNEN (B) Jutta Krellmann Sven Lehmann (D) Fraktionslos Caren Lay Luise Amtsberg Steffi Lemke Sabine Leidig Annalena Baerbock Dr. Tobias Lindner Marco Bülow Ralph Lenkert Margarete Bause Dr. Irene Mihalic Mario Mieruch Stefan Liebich Dr. Danyal Bayaz Claudia Müller Dr. Gesine Lötzsch Canan Bayram Beate Müller-Gemmeke

Anlage 5

Ergebnis und Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl von Mitgliedern des Gremiums gemäß § 3 des Bundesschuldenwesengesetzes teilgenommen haben (Tagesordnungspunkt 14 b) Abgegebene Stimmkarten: 622 Abgeordnete/r Ja-Stimmen* Nein-Stimmen Enthaltungen Ungültige Stimmen Albrecht Glaser 144 453 22 3 Volker Münz 175 418 22 7 * Zur Wahl sind mindestens 355 Ja-Stimmen erforderlich.

CDU/CSU Peter Aumer Sybille Benning Steffen Bilger Dr. Michael von Abercron Dorothee Bär Dr. André Berghegger Peter Bleser Stephan Albani Thomas Bareiß Melanie Bernstein Norbert Brackmann Norbert Maria Altenkamp Norbert Barthle Christoph Bernstiel Michael Brand (Fulda) Philipp Amthor Maik Beermann Peter Beyer Dr. Reinhard Brandl Artur Auernhammer Manfred Behrens (Börde) Marc Biadacz Silvia Breher Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16819

(A) Sebastian Brehm Ingmar Jung Carsten Müller Peter Stein (Rostock) (C) Heike Brehmer Alois Karl (Braunschweig) Sebastian Steineke Ralph Brinkhaus Anja Karliczek Stefan Müller (Erlangen) Johannes Steiniger Dr. Carsten Brodesser Torbjörn Kartes Dr. Andreas Nick Christian Frhr. von Stetten Gitta Connemann Volker Kauder Petra Nicolaisen Dieter Stier Astrid Damerow Dr. Stefan Kaufmann Michaela Noll Gero Storjohann Alexander Dobrindt Ronja Kemmer Dr. Georg Nüßlein Stephan Stracke Michael Donth Roderich Kiesewetter Wilfried Oellers Max Straubinger Marie-Luise Dött Michael Kießling Florian Oßner Karin Strenz Josef Oster Hansjörg Durz Dr. Georg Kippels Dr. Peter Tauber Henning Otte Thomas Erndl Volkmar Klein Dr. Hermann-Josef Tebroke Ingrid Pahlmann Hermann Färber Axel Knoerig Hans-Jürgen Thies Sylvia Pantel Uwe Feiler Jens Koeppen Alexander Throm Martin Patzelt Axel E. Fischer (Karlsruhe- Markus Koob Dr. Dietlind Tiemann Land) Dr. Joachim Pfeiffer Carsten Körber Antje Tillmann Thorsten Frei Stephan Pilsinger Alexander Krauß Markus Uhl Dr. Astrid Freudenstein Dr. Christoph Ploß Gunther Krichbaum Dr. Volker Ullrich Dr. Hans-Peter Friedrich Eckhard Pols Arnold Vaatz (Hof) Dr. Günter Krings Thomas Rachel Oswin Veith Michael Frieser Rüdiger Kruse Kerstin Radomski Kerstin Vieregge Hans-Joachim Fuchtel Michael Kuffer Alexander Radwan Volkmar Vogel (Kleinsaara) Ingo Gädechens Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Alois Rainer Christoph de Vries Dr. Thomas Gebhart Andreas G. Lämmel Dr. Peter Ramsauer Kees de Vries Alois Gerig Katharina Landgraf Eckhardt Rehberg Dr. Johann David Wadephul Eberhard Gienger Ulrich Lange Lothar Riebsamen Marco Wanderwitz Eckhard Gnodtke Dr. Silke Launert Josef Rief Nina Warken Ursula Groden-Kranich Jens Lehmann Johannes Röring Kai Wegner Hermann Gröhe Paul Lehrieder Dr. Norbert Röttgen Marcus Weinberg Klaus-Dieter Gröhler Dr. Katja Leikert (B) Stefan Rouenhoff (Hamburg) (D) Michael Grosse-Brömer Dr. Andreas Lenz Erwin Rüddel Peter Weiß (Emmendingen) Markus Grübel Antje Lezius Albert Rupprecht Sabine Weiss (Wesel I) Manfred Grund Andrea Lindholz Anita Schäfer (Saalstadt) Ingo Wellenreuther Monika Grütters Dr. Carsten Linnemann Dr. Wolfgang Schäuble Marian Wendt Fritz Güntzler Patricia Lips Andreas Scheuer Kai Whittaker Olav Gutting Nikolas Löbel Tankred Schipanski Annette Widmann-Mauz Christian Haase Bernhard Loos Dr. Claudia Schmidtke Bettina Margarethe Florian Hahn Dr. Jan-Marco Luczak Patrick Schnieder Wiesmann Jürgen Hardt Daniela Ludwig Nadine Schön Klaus-Peter Willsch Matthias Hauer Karin Maag Felix Schreiner Elisabeth Winkelmeier- Becker Mark Hauptmann Yvonne Magwas Dr. Klaus-Peter Schulze Oliver Wittke Dr. Matthias Heider Dr. Thomas de Maizière Uwe Schummer Emmi Zeulner Mechthild Heil Gisela Manderla Armin Schuster (Weil am Paul Ziemiak Thomas Heilmann Dr. Astrid Mannes Rhein) Dr. Matthias Zimmer Frank Heinrich (Chemnitz) Matern von Marschall Torsten Schweiger Mark Helfrich Hans-Georg von der Detlef Seif Rudolf Henke Marwitz Johannes Selle SPD Michael Hennrich Andreas Mattfeldt Reinhold Sendker Niels Annen Marc Henrichmann Stephan Mayer (Altötting) Dr. Patrick Sensburg Ingrid Arndt-Brauer Ansgar Heveling Dr. Michael Meister Thomas Silberhorn Heike Baehrens Christian Hirte Jan Metzler Björn Simon Ulrike Bahr Dr. Heribert Hirte Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Tino Sorge Nezahat Baradari Alexander Hoffmann Michelbach Jens Spahn Doris Barnett Karl Holmeier Dr. Mathias Middelberg Katrin Staffler Dr. Matthias Bartke Dr. Hendrik Hoppenstedt Dietrich Monstadt Frank Steffel Sören Bartol Erich Irlstorfer Elisabeth Motschmann Dr. Wolfgang Stefinger Bärbel Bas Thomas Jarzombek Axel Müller Albert Stegemann Lothar Binding Andreas Jung Sepp Müller Andreas Steier (Heidelberg) 16820 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

(A) Dr. Eberhard Brecht Hilde Mattheis Ute Vogt Steffen Kotré (C) Leni Breymaier Dr. Matthias Miersch Marja-Liisa Völlers Dr. Rainer Kraft Dr. Karl-Heinz Brunner Susanne Mittag Dirk Vöpel Rüdiger Lucassen Katrin Budde Falko Mohrs Dr. Joe Weingarten Jens Maier Dr. Lars Castellucci Claudia Moll Dirk Wiese Dr. Lothar Maier Bernhard Daldrup Siemtje Möller Gülistan Yüksel Dr. Birgit Malsack- Esther Dilcher Bettina Müller Dagmar Ziegler Winkemann Sabine Dittmar Detlef Müller (Chemnitz) Stefan Zierke Corinna Miazga Dr. Wiebke Esdar Michelle Müntefering Dr. Jens Zimmermann Andreas Mrosek Saskia Esken Dr. Rolf Mützenich Volker Münz Sebastian Münzenmaier Yasmin Fahimi Dietmar Nietan AfD Dr. Johannes Fechner Ulli Nissen Christoph Neumann Dr. Bernd Baumann Dr. Fritz Felgentreu Thomas Oppermann Jan Ralf Nolte Marc Bernhard Dr. Edgar Franke Josephine Ortleb Ulrich Oehme Andreas Bleck Ulrich Freese Mahmut Özdemir Gerold Otten Dagmar Freitag (Duisburg) Peter Boehringer Frank Pasemann Martin Gerster Aydan Özoğuz Stephan Brandner Tobias Matthias Peterka Angelika Glöckner Markus Paschke Marcus Bühl Paul Viktor Podolay Timon Gremmels Christian Petry Matthias Büttner Jürgen Pohl Kerstin Griese Sabine Poschmann Petr Bystron Stephan Protschka Michael Groß Florian Post Tino Chrupalla Martin Reichardt Bettina Hagedorn Florian Pronold Dr. Gottfried Curio Roman Johannes Reusch Rita Hagl-Kehl Martin Rabanus Siegbert Droese Ulrike Schielke-Ziesing Metin Hakverdi Andreas Rimkus Thomas Ehrhorn Dr. Robby Schlund Sebastian Hartmann Sönke Rix Berengar Elsner von Jörg Schneider Gronow Dirk Heidenblut Dennis Rohde Uwe Schulz Dr. Michael Espendiller Hubertus Heil (Peine) Dr. Martin Rosemann Thomas Seitz Peter Felser Gabriela Heinrich René Röspel Martin Sichert Dietmar Friedhoff Marcus Held Dr. Ernst Dieter Rossmann Detlev Spangenberg (B) Dr. Anton Friesen (D) Wolfgang Hellmich Michael Roth (Heringen) René Springer Dr. Barbara Hendricks Susann Rüthrich Markus Frohnmaier Beatrix von Storch Gustav Herzog Bernd Rützel Dr. Götz Frömming Dr. Harald Weyel Gabriele Hiller-Ohm Sarah Ryglewski Dr. Alexander Gauland Wolfgang Wiehle Dr. Eva Högl Johann Saathoff Albrecht Glaser Dr. Heiko Wildberg Frank Junge Axel Schäfer (Bochum) Franziska Gminder Dr. Christian Wirth Josip Juratovic Dr. Nina Scheer Wilhelm von Gottberg Uwe Witt Thomas Jurk Marianne Schieder Kay Gottschalk Armin-Paulus Hampel Oliver Kaczmarek Udo Schiefner FDP Elisabeth Kaiser Dr. Nils Schmid Mariana Iris Harder-Kühnel Grigorios Aggelidis Ralf Kapschack Uwe Schmidt Dr. Roland Hartwig Renata Alt Gabriele Katzmarek Ulla Schmidt (Aachen) Jochen Haug Dagmar Schmidt (Wetzlar) Martin Hebner Christine Aschenberg- Lars Klingbeil Dugnus Carsten Schneider (Erfurt) Udo Theodor Hemmelgarn Dr. Bärbel Kofler Nicole Bauer Johannes Schraps Waldemar Herdt Daniela Kolbe Jens Beeck Swen Schulz (Spandau) Martin Hess Elvan Korkmaz-Emre Dr. Jens Brandenburg Anette Kramme Stefan Schwartze Dr. Heiko Heßenkemper (Rhein-Neckar) Christine Lambrecht Andreas Schwarz Martin Hohmann Mario Brandenburg Christian Lange (Backnang) Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Bruno Hollnagel (Südpfalz) Dr. Karl Lauterbach Rainer Spiering Leif-Erik Holm Sandra Bubendorfer-Licht Sylvia Lehmann Svenja Stadler Johannes Huber Dr. Marco Buschmann Helge Lindh Martina Stamm-Fibich Fabian Jacobi Carl-Julius Cronenberg Kirsten Lühmann Sonja Amalie Steffen Dr. Marc Jongen Britta Katharina Dassler Heiko Maas Mathias Stein Jens Kestner Bijan Djir-Sarai Isabel Mackensen Kerstin Tack Stefan Keuter Hartmut Ebbing Caren Marks Claudia Tausend Norbert Kleinwächter Dr. Marcus Faber Katja Mast Markus Töns Enrico Komning Otto Fricke Christoph Matschie Carsten Träger Jörn König Thomas Hacker Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16821

(A) Reginald Hanke Sandra Weeser Thomas Nord Katja Keul (C) Peter Heidt Nicole Westig Petra Pau Maria Klein-Schmeink Katrin Helling-Plahr Katharina Willkomm Victor Perli Oliver Krischer Markus Herbrand Tobias Pflüger Stephan Kühn (Dresden) Torsten Herbst DIE LINKE Martina Renner Christian Kühn (Tübingen) Katja Hessel Bernd Riexinger Doris Achelwilm Renate Künast Dr. Gero Clemens Hocker Eva-Maria Schreiber Gökay Akbulut Markus Kurth Manuel Höferlin Dr. Petra Sitte Simone Barrientos Monika Lazar Dr. Christoph Hoffmann Helin Evrim Sommer Dr. Dietmar Bartsch Sven Lehmann Reinhard Houben Kersten Steinke Matthias W. Birkwald Steffi Lemke Ulla Ihnen Friedrich Straetmanns Heidrun Bluhm-Förster Dr. Tobias Lindner Olaf In der Beek Jessica Tatti Dr. Christian Jung Michel Brandt Kathrin Vogler Dr. Irene Mihalic Karsten Klein Christine Buchholz Dr. Sahra Wagenknecht Claudia Müller Dr. Marcel Klinge Dr. Birke Bull-Bischoff Andreas Wagner Beate Müller-Gemmeke Daniela Kluckert Jörg Cezanne Harald Weinberg Dr. Ingrid Nestle Pascal Kober Sevim Dağdelen Katrin Werner Friedrich Ostendorff Konstantin Kuhle Fabio De Masi Hubertus Zdebel Cem Özdemir Alexander Kulitz Dr. Diether Dehm Lisa Paus Anke Domscheit-Berg Ulrich Lechte BÜNDNIS 90/ Filiz Polat Oliver Luksic Susanne Ferschl DIE GRÜNEN Tabea Rößner Till Mansmann Brigitte Freihold Luise Amtsberg Claudia Roth (Augsburg) Dr. Jürgen Martens Nicole Gohlke Annalena Baerbock Dr. Manuela Rottmann Christoph Meyer Dr. Gregor Gysi Margarete Bause Corinna Rüffer Alexander Müller Dr. André Hahn Dr. Danyal Bayaz Manuel Sarrazin Roman Müller-Böhm Heike Hänsel Canan Bayram Ulle Schauws Frank Müller-Rosentritt Matthias Höhn Dr. Franziska Brantner Dr. Frithjof Schmidt Dr. Martin Neumann Andrej Hunko Agnieszka Brugger (Lausitz) Ulla Jelpke Stefan Schmidt (B) Dr. Anna Christmann (D) Hagen Reinhold Kerstin Kassner Charlotte Schneidewind- Ekin Deligöz Hartnagel Bernd Reuther Dr. Achim Kessler Katja Dörner Kordula Schulz-Asche Dr. h. c. Thomas Katja Kipping Sattelberger Katharina Dröge Dr. Wolfgang Strengmann- Jan Korte Dr. Wieland Schinnenburg Harald Ebner Kuhn Jutta Krellmann Matthias Seestern-Pauly Matthias Gastel Margit Stumpp Caren Lay Frank Sitta Kai Gehring Markus Tressel Sabine Leidig Judith Skudelny Stefan Gelbhaar Dr. Julia Verlinden Ralph Lenkert Dr. Marie-Agnes Strack- Erhard Grundl Daniela Wagner Stefan Liebich Zimmermann Anja Hajduk Beate Walter-Rosenheimer Benjamin Strasser Dr. Gesine Lötzsch Britta Haßelmann Gerhard Zickenheiner Katja Suding Thomas Lutze Dr. Bettina Hoffmann Linda Teuteberg Amira Mohamed Ali Dr. Anton Hofreiter Fraktionslos Stephan Thomae Cornelia Möhring Ottmar von Holtz Manfred Todtenhausen Niema Movassat Dieter Janecek Marco Bülow Dr. Florian Toncar Norbert Müller (Potsdam) Dr. Kirsten Kappert- Mario Mieruch Dr. Andrew Ullmann Zaklin Nastic Gonther Gerald Ullrich Dr. Alexander S. Neu Uwe Kekeritz 16822 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

(A) Anlage 6 (C)

Ergebnisse und Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl von Mitgliedern des Sondergremiums gemäß § 3 Absatz 3 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes teilgenommen haben (Tagesordnungspunkt 14 c) Abgegebene Stimmkarten: 632 Abgeordnete/r Ja-Stimmen* Nein-Stimmen Enthaltungen Ungültige Stimmen Peter Boehringer 190 418 21 3 Dr. Birgit Malsack- 165 436 30 1 Winkelmann * Zur Wahl sind mindestens 355 Stimmen erforderlich.

CDU/CSU Dr. Hans-Peter Friedrich Anja Karliczek Hans-Georg von der (Hof) Marwitz Dr. Michael von Abercron Torbjörn Kartes Michael Frieser Andreas Mattfeldt Stephan Albani Volker Kauder Hans-Joachim Fuchtel Stephan Mayer (Altötting) Norbert Maria Altenkamp Dr. Stefan Kaufmann Ingo Gädechens Dr. Michael Meister Philipp Amthor Ronja Kemmer Dr. Thomas Gebhart Jan Metzler Artur Auernhammer Roderich Kiesewetter Alois Gerig Michael Kießling Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Peter Aumer Michelbach Eberhard Gienger Dr. Georg Kippels Dorothee Bär Dr. Mathias Middelberg Eckhard Gnodtke Volkmar Klein Thomas Bareiß Ursula Groden-Kranich Dietrich Monstadt Axel Knoerig Norbert Barthle Hermann Gröhe Elisabeth Motschmann Jens Koeppen Maik Beermann Klaus-Dieter Gröhler Axel Müller Markus Koob Manfred Behrens (Börde) Michael Grosse-Brömer Sepp Müller Carsten Körber Sybille Benning Markus Grübel Carsten Müller (B) Alexander Krauß (D) Dr. André Berghegger Manfred Grund (Braunschweig) Gunther Krichbaum Melanie Bernstein Monika Grütters Stefan Müller (Erlangen) Dr. Günter Krings Christoph Bernstiel Fritz Güntzler Dr. Andreas Nick Rüdiger Kruse Peter Beyer Olav Gutting Petra Nicolaisen Michael Kuffer Marc Biadacz Christian Haase Michaela Noll Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Steffen Bilger Florian Hahn Dr. Georg Nüßlein Andreas G. Lämmel Peter Bleser Jürgen Hardt Wilfried Oellers Norbert Brackmann Matthias Hauer Katharina Landgraf Florian Oßner Michael Brand (Fulda) Mark Hauptmann Ulrich Lange Josef Oster Dr. Reinhard Brandl Dr. Matthias Heider Dr. Silke Launert Henning Otte Silvia Breher Mechthild Heil Jens Lehmann Ingrid Pahlmann Sebastian Brehm Thomas Heilmann Paul Lehrieder Sylvia Pantel Heike Brehmer Frank Heinrich (Chemnitz) Dr. Katja Leikert Martin Patzelt Ralph Brinkhaus Mark Helfrich Dr. Andreas Lenz Dr. Joachim Pfeiffer Dr. Carsten Brodesser Rudolf Henke Antje Lezius Stephan Pilsinger Gitta Connemann Michael Hennrich Andrea Lindholz Dr. Christoph Ploß Astrid Damerow Marc Henrichmann Dr. Carsten Linnemann Eckhard Pols Alexander Dobrindt Ansgar Heveling Patricia Lips Thomas Rachel Michael Donth Christian Hirte Nikolas Löbel Kerstin Radomski Marie-Luise Dött Dr. Heribert Hirte Bernhard Loos Alexander Radwan Hansjörg Durz Alexander Hoffmann Dr. Jan-Marco Luczak Alois Rainer Thomas Erndl Karl Holmeier Daniela Ludwig Dr. Peter Ramsauer Hermann Färber Dr. Hendrik Hoppenstedt Karin Maag Eckhardt Rehberg Uwe Feiler Erich Irlstorfer Yvonne Magwas Lothar Riebsamen Axel E. Fischer (Karlsruhe- Thomas Jarzombek Dr. Thomas de Maizière Josef Rief Land) Andreas Jung Gisela Manderla Johannes Röring Thorsten Frei Ingmar Jung Dr. Astrid Mannes Dr. Norbert Röttgen Dr. Astrid Freudenstein Alois Karl Matern von Marschall Stefan Rouenhoff Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16823

(A) Erwin Rüddel Peter Weiß (Emmendingen) Wolfgang Hellmich Dr. Ernst Dieter Rossmann (C) Albert Rupprecht Sabine Weiss (Wesel I) Dr. Barbara Hendricks Michael Roth (Heringen) Anita Schäfer (Saalstadt) Ingo Wellenreuther Gustav Herzog Susann Rüthrich Dr. Wolfgang Schäuble Marian Wendt Gabriele Hiller-Ohm Bernd Rützel Andreas Scheuer Kai Whittaker Dr. Eva Högl Sarah Ryglewski Tankred Schipanski Annette Widmann-Mauz Frank Junge Johann Saathoff Dr. Claudia Schmidtke Bettina Margarethe Josip Juratovic Axel Schäfer (Bochum) Patrick Schnieder Wiesmann Thomas Jurk Dr. Nina Scheer Nadine Schön Klaus-Peter Willsch Oliver Kaczmarek Marianne Schieder Felix Schreiner Elisabeth Winkelmeier- Elisabeth Kaiser Udo Schiefner Becker Dr. Klaus-Peter Schulze Ralf Kapschack Dr. Nils Schmid Oliver Wittke Uwe Schummer Gabriele Katzmarek Uwe Schmidt Emmi Zeulner Armin Schuster (Weil am Lars Klingbeil Ulla Schmidt (Aachen) Paul Ziemiak Rhein) Dr. Bärbel Kofler Dagmar Schmidt (Wetzlar) Dr. Matthias Zimmer Torsten Schweiger Daniela Kolbe Carsten Schneider (Erfurt) Detlef Seif Elvan Korkmaz-Emre Johannes Schraps SPD Johannes Selle Anette Kramme Martin Schulz Reinhold Sendker Niels Annen Christine Lambrecht Swen Schulz (Spandau) Dr. Patrick Sensburg Ingrid Arndt-Brauer Christian Lange (Backnang) Stefan Schwartze Thomas Silberhorn Heike Baehrens Dr. Karl Lauterbach Andreas Schwarz Björn Simon Ulrike Bahr Sylvia Lehmann Rita Schwarzelühr-Sutter Tino Sorge Nezahat Baradari Helge Lindh Rainer Spiering Jens Spahn Doris Barnett Kirsten Lühmann Svenja Stadler Katrin Staffler Dr. Matthias Bartke Heiko Maas Martina Stamm-Fibich Frank Steffel Sören Bartol Isabel Mackensen Sonja Amalie Steffen Dr. Wolfgang Stefinger Bärbel Bas Caren Marks Mathias Stein Albert Stegemann Lothar Binding Katja Mast Kerstin Tack Andreas Steier (Heidelberg) Christoph Matschie Claudia Tausend Peter Stein (Rostock) Dr. Eberhard Brecht (B) Hilde Mattheis Markus Töns (D) Sebastian Steineke Leni Breymaier Dr. Matthias Miersch Carsten Träger Johannes Steiniger Dr. Karl-Heinz Brunner Susanne Mittag Ute Vogt Christian Frhr. von Stetten Katrin Budde Falko Mohrs Marja-Liisa Völlers Dieter Stier Dr. Lars Castellucci Claudia Moll Dirk Vöpel Gero Storjohann Bernhard Daldrup Siemtje Möller Dr. Joe Weingarten Stephan Stracke Esther Dilcher Bettina Müller Dirk Wiese Max Straubinger Sabine Dittmar Detlef Müller (Chemnitz) Gülistan Yüksel Karin Strenz Dr. Wiebke Esdar Michelle Müntefering Dagmar Ziegler Dr. Peter Tauber Saskia Esken Dr. Rolf Mützenich Stefan Zierke Dr. Hermann-Josef Tebroke Yasmin Fahimi Dietmar Nietan Dr. Jens Zimmermann Hans-Jürgen Thies Dr. Johannes Fechner Ulli Nissen Alexander Throm Dr. Fritz Felgentreu Thomas Oppermann AfD Dr. Dietlind Tiemann Dr. Edgar Franke Josephine Ortleb Antje Tillmann Ulrich Freese Mahmut Özdemir Dr. Bernd Baumann Markus Uhl Dagmar Freitag (Duisburg) Marc Bernhard Dr. Volker Ullrich Martin Gerster Aydan Özoguz Andreas Bleck Arnold Vaatz Angelika Glöckner Markus Paschke Peter Boehringer Oswin Veith Timon Gremmels Christian Petry Stephan Brandner Kerstin Vieregge Kerstin Griese Sabine Poschmann Jürgen Braun Volkmar Vogel (Kleinsaara) Michael Groß Florian Post Marcus Bühl Christoph de Vries Bettina Hagedorn Achim Post (Minden) Matthias Büttner Kees de Vries Rita Hagl-Kehl Florian Pronold Petr Bystron Dr. Johann David Wadephul Metin Hakverdi Martin Rabanus Tino Chrupalla Marco Wanderwitz Sebastian Hartmann Andreas Rimkus Dr. Gottfried Curio Nina Warken Dirk Heidenblut Sönke Rix Siegbert Droese Kai Wegner Hubertus Heil (Peine) Dennis Rohde Thomas Ehrhorn Marcus Weinberg Gabriela Heinrich Dr. Martin Rosemann Berengar Elsner von (Hamburg) Marcus Held René Röspel Gronow 16824 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019

(A) Dr. Michael Espendiller Thomas Seitz Till Mansmann Dr. Achim Kessler (C) Peter Felser Martin Sichert Dr. Jürgen Martens Katja Kipping Dietmar Friedhoff Detlev Spangenberg Christoph Meyer Jan Korte Dr. Anton Friesen Dr. Dirk Spaniel Alexander Müller Jutta Krellmann Markus Frohnmaier René Springer Roman Müller-Böhm Caren Lay Dr. Götz Frömming Beatrix von Storch Frank Müller-Rosentritt Sabine Leidig Dr. Alexander Gauland Dr. Harald Weyel Dr. Martin Neumann Ralph Lenkert Albrecht Glaser Wolfgang Wiehle (Lausitz) Stefan Liebich Franziska Gminder Dr. Heiko Wildberg Hagen Reinhold Dr. Gesine Lötzsch Wilhelm von Gottberg Dr. Christian Wirth Bernd Reuther Thomas Lutze Kay Gottschalk Uwe Witt Dr. h. c. Thomas Amira Mohamed Ali Sattelberger Armin-Paulus Hampel Cornelia Möhring Dr. Wieland Schinnenburg Mariana Iris Harder-Kühnel Niema Movassat FDP Matthias Seestern-Pauly Dr. Roland Hartwig Norbert Müller (Potsdam) Grigorios Aggelidis Frank Sitta Jochen Haug Zaklin Nastic Renata Alt Judith Skudelny Martin Hebner Dr. Alexander S. Neu Christine Aschenberg- Bettina Stark-Watzinger Udo Theodor Hemmelgarn Thomas Nord Dugnus Dr. Marie-Agnes Strack- Waldemar Herdt Nicole Bauer Zimmermann Petra Pau Martin Hess Jens Beeck Benjamin Strasser Victor Perli Dr. Heiko Heßenkemper Dr. Jens Brandenburg Katja Suding Tobias Pflüger Martin Hohmann (Rhein-Neckar) Linda Teuteberg Martina Renner Dr. Bruno Hollnagel Mario Brandenburg Stephan Thomae Bernd Riexinger (Südpfalz) Leif-Erik Holm Manfred Todtenhausen Eva-Maria Schreiber Sandra Bubendorfer-Licht Johannes Huber Dr. Florian Toncar Dr. Petra Sitte Dr. Marco Buschmann Fabian Jacobi Dr. Andrew Ullmann Helin Evrim Sommer Carl-Julius Cronenberg Dr. Marc Jongen Gerald Ullrich Kersten Steinke Britta Katharina Dassler Jens Kestner Johannes Vogel (Olpe) Friedrich Straetmanns Bijan Djir-Sarai Stefan Keuter Sandra Weeser Jessica Tatti Christian Dürr (B) Norbert Kleinwächter Nicole Westig Kathrin Vogler (D) Hartmut Ebbing Enrico Komning Katharina Willkomm Dr. Sahra Wagenknecht Jörn König Dr. Marcus Faber Andreas Wagner Steffen Kotré Otto Fricke DIE LINKE Harald Weinberg Dr. Rainer Kraft Thomas Hacker Katrin Werner Doris Achelwilm Rüdiger Lucassen Reginald Hanke Hubertus Zdebel Jens Maier Peter Heidt Gökay Akbulut Dr. Lothar Maier Katrin Helling-Plahr Simone Barrientos BÜ NDNIS 90/ Markus Herbrand Dr. Dietmar Bartsch Dr. Birgit Malsack- DIE GR ÜNEN Winkemann Torsten Herbst Matthias W. Birkwald Corinna Miazga Katja Hessel Heidrun Bluhm-Förster Luise Amtsberg Andreas Mrosek Dr. Gero Clemens Hocker Michel Brandt Annalena Baerbock Volker Münz Manuel Höferlin Christine Buchholz Margarete Bause Sebastian Münzenmaier Dr. Christoph Hoffmann Dr. Birke Bull-Bischoff Dr. Danyal Bayaz Christoph Neumann Reinhard Houben Jörg Cezanne Canan Bayram Jan Ralf Nolte Ulla Ihnen Sevim Dağdelen Dr. Franziska Brantner Ulrich Oehme Olaf In der Beek Fabio De Masi Agnieszka Brugger Gerold Otten Dr. Christian Jung Dr. Diether Dehm Dr. Anna Christmann Frank Pasemann Karsten Klein Anke Domscheit-Berg Ekin Deligöz Tobias Matthias Peterka Dr. Marcel Klinge Susanne Ferschl Katja Dörner Paul Viktor Podolay Daniela Kluckert Brigitte Freihold Katharina Dröge Jürgen Pohl Pascal Kober Nicole Gohlke Harald Ebner Stephan Protschka Konstantin Kuhle Dr. Gregor Gysi Matthias Gastel Martin Reichardt Alexander Kulitz Dr. André Hahn Kai Gehring Roman Johannes Reusch Alexander Graf Lambsdorff Heike Hänsel Stefan Gelbhaar Ulrike Schielke-Ziesing Ulrich Lechte Matthias Höhn Erhard Grundl Dr. Robby Schlund Michael Georg Link Andrej Hunko Anja Hajduk Jörg Schneider (Heilbronn) Ulla Jelpke Britta Haßelmann Uwe Schulz Oliver Luksic Kerstin Kassner Dr. Bettina Hoffmann Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 134. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember 2019 16825

(A) Dr. Anton Hofreiter Sven Lehmann Claudia Roth (Augsburg) Dr. Julia Verlinden (C) Ottmar von Holtz Steffi Lemke Dr. Manuela Rottmann Daniela Wagner Dieter Janecek Dr. Tobias Lindner Corinna Rüffer Beate Walter-Rosenheimer Dr. Kirsten Kappert- Dr. Irene Mihalic Manuel Sarrazin Gerhard Zickenheiner Gonther Claudia Müller Ulle Schauws Uwe Kekeritz Beate Müller-Gemmeke Dr. Frithjof Schmidt Katja Keul Fraktionslos Dr. Ingrid Nestle Stefan Schmidt Maria Klein-Schmeink Marco Bülow Dr. Konstantin von Notz Charlotte Schneidewind- Oliver Krischer Hartnagel Mario Mieruch Friedrich Ostendorff Stephan Kühn (Dresden) Kordula Schulz-Asche Christian Kühn (Tübingen) Cem Özdemir Dr. Wolfgang Strengmann- Renate Künast Lisa Paus Kuhn Markus Kurth Filiz Polat Margit Stumpp Monika Lazar Tabea Rößner Markus Tressel

Anlage 7 namisierten Freibetrag (ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV; damit liegt der Freibe- Erklärung nach § 31 GO trag 2020 bei 159,25 Euro) halte ich für eine sachgerechte und systematische Lösung, daher stimme ich dem Geset- des Abgeordneten Dr. Andreas Nick (CDU/CSU) zu zesantrag grundsätzlich zu. der Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Die Fiktion der Zehn-Jahres-Annahme bei Direkt- Gesetzes zur Einführung eines Freibetrages in der versicherten führt jedoch zur systematischen Benach- gesetzlichen Krankenversicherung zur Förderung teiligung von Direktversicherungen gegenüber anderen der betrieblichen Altersvorsorge (GKV-Betriebs- Formen der betrieblichen Altersversorgung. Bereits rentenfreibetragsgesetz – GKV-BRG) Versicherungssummen von unter 20 000 Euro liegen (Tagesordnungspunkt 9 a) außerhalb des Freibetrags (Versicherungssumme von 20 000 Euro: Fiktiver Monatsanteil bei einer Verteilung (B) Der Gesetzentwurf bildet den Kompromiss ab, den der über 10 Jahre/120 Monate ergäbe circa 166,67 Euro bei (D) Koalitionsausschuss am 10. November 2019 im Zusam- der Direktversicherung; die monatliche Betriebsrente bei menhang mit dem Thema „Grundrente“ beschlossen hat. einer Verteilung von 20 Jahren/240 Monaten läge bei Damit wird eine Veränderung an den Beiträgen zur ge- circa 83,34 Euro). setzlichen Krankenversicherung auf Leistungen der be- trieblichen Altersvorsorge geschaffen. Realistische Bezugsdauern liegen bei 15 bis 20 Jahren. Die Umwandlung der jetzigen Freigrenze für die Bei- Deshalb sind meines Erachtens hier weitere Anpassungen träge zur gesetzlichen Krankenversicherung in einen dy- notwendig. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333