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Multifunktionsspeicher im

Bericht

Multifunktionsspeicher im Oberhasli

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Projektbearbeitung geo7 AG, geowissenschaftliches Büro Neufeldstrasse 5 – 9, 3012 Bern Tel. +41 (0)31 300 44 33

P. Mani, Geograf, lic. phil. nat. C. Berger, Geografin, Dr. phil. nat. U. Caduff, Geograf, M.Sc. E. Schönthal, Geografin, M.Sc.

Änderungskontrolle

Version Datum Name / Stelle Bemerkungen 0.1 09.08.2016 Esther Schönthal Erstellt 0.9 17.01.2017 Peter Mani Entwurf zur Vernehmlassung AWA 0.9.1 16.03.2017 Peter Mani Überarbeitete und erweiterte Version zur Ver- nehmlassung AWA 0.9.2 10.05.2017 Peter Mani Erweiterte Version zur Schlussvernehmlassung AWA 1.0 20.07.2017 Peter Mani Definitiv

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung...... 1 1.1 Ausgangslage ...... 1 1.2 Zielsetzung ...... 1

2 Gebietsübersicht ...... 2

3 Methodik ...... 4 3.1 Überblick ...... 4 3.2 Simulationsmodell ...... 4 3.3 Modellkalibrierung und -validierung ...... 6 3.3.1 Kalibrierung für die Langzeitsimulation für Trockenheit ...... 6 3.3.2 Kalibrierung für die Ereignissimulation für Hochwasser ...... 11 3.4 Klimaszenarien ...... 11 3.5 Gletscherszenarien ...... 12 3.6 Ereignisniederschlag für Szenarien ...... 13 3.7 Berechnung Schadenpotenzial ...... 14 3.7.1 Herleitung Objektkategorien ...... 14 3.7.2 Objektkategorien ...... 14 3.7.3 Berechnung Schadenausmass ...... 15

4 Handlungsoptionen Hochwasserrückhalt ...... 16 4.1 Potenzial von Speicherseen für den Hochwasserrückhalt ...... 16 4.2 Vorgehen ...... 16 4.3 Ergebnisse ...... 17 4.3.1 Abflüsse und Speicherrückhalt ...... 17 4.3.2 Auswirkungen auf das Schadenausmass ...... 21 4.4 Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen ...... 23

5 Handlungsoptionen Wasserspeicher bei Trockenheit ...... 25 5.1 Problemstellung ...... 25 5.1.1 Literaturauswertung ...... 25 5.1.2 Datenanalyse ...... 27 5.1.3 Trockenheitsproblematik Kanton Bern ...... 30 5.2 Lösungsansätze ...... 31 5.3 Vorgehen ...... 31 5.4 Herleitung hydrometeorologische Szenarien ...... 32 5.5 Ergebnisse -Einzugsgebiet bis Brienzersee ...... 38 5.5.1 Situation ohne KWO-Infrastruktur ...... 38 5.5.2 Situation mit der aktuellen KWO-Infrastruktur ...... 41 5.5.3 Situation mit Triftsee ...... 45

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5.6 Ergebnisse Brienzersee bis Seeland ...... 52 5.7 Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen ...... 54 5.7.1 Aare bis Einmündung in den Brienzersee ...... 54 5.7.2 Brienzersee bis Seeland ...... 56

6 Zusammenfassende Beurteilung ...... 57

Anhang A Beschreibung Parameter für Schadenausmass ...... 58

Anhang B Klassierung der Bodenbedeckung ...... 59

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Übersicht über das Untersuchungsgebiet ...... 2 Abbildung 2 Fläche der Teileinzugsgebiete gemäss Abbildung 1 und aufsummierter Flächenanteil am Gesamteinzugsgebiet ...... 3 Abbildung 3 Teilgliederung der simulierten Einzugsgebiete ...... 5 Abbildung 4 Modellparameter für die Schneeschmelze: a) Windgeschwindigkeit, b) Schwellenwerte des Schneewasseräquivalents (SWE) für die Modellierung der Ausaperung ...... 6 Abbildung 5 Vergleich der simulierten Zuflüsse, Gletscher- und Schneeschmelze mit den Ergebnissen der VAW-Studie [21] ...... 7 Abbildung 6 Vergleich der Ausaperung in den Einzugsgebieten der Fassung Steingletscher und des Triftsees ...... 8 Abbildung 7 Vergleich simulierte Abflussganglinie mit Simulation VAW ...... 8 Abbildung 8 Simulierte Zuflüsse zu den Speicherseen und Fassungen verglichen mit den Daten der KWO [16] ...... 9 Abbildung 9 Vergleich der simulierten gespeicherten Wassermenge und des mittleren Monatsausflusses aus den Kraftwerken 1 und 2 mit Daten der KWO ...... 10 Abbildung 10 Vergleich der simulierten mittleren Monatsabflüsse für die Station Aare Brienzwiler mit den Daten des BAFU ...... 10 Abbildung 11 Kalibrierung Abflusssimulation Aare Brienzwiler ...... 11 Abbildung 12 Ensemble der Temperatur- (links) und Niederschlagsveränderung (rechts) für das Szenario 2060 über ein Jahr an der Station Grimsel Hospiz ...... 12 Abbildung 13 Schema für die Herleitung der 30-jährigen Szenarienreihen anhand der Temperatur für zwei Modellketten ...... 12 Abbildung 14 Gletscherrückzugsszenarien für die Szenarien 2060 und 2085 gemäss [18] ...... 13 Abbildung 15 Vergleich Gletscherrückzugsszenarien der VAW [21] (links) und des Geographischen Instituts der Universität Zürich [18] (rechts) für den Steingletscher ...... 13 Abbildung 16 Niederschlagsstundenwerte für die Ereignissimulation (Datenquelle MeteoSchweiz, IMIS) ...... 14 Abbildung 17 Abflussganglinien für die verschiedenen Konfigurationen für das Szenario 2005, Station Aare Brienzwiler ...... 18 Abbildung 18 Zuflussvolumen und Wasserrückhalt 21.8. – 24.8. im Einzugsgebiet Aare Brienzwiler für Szenario 2005, Konfigurationen 2a, 2b und 3 ...... 18 Abbildung 19 Abflussganglinien für die Konfigurationen 1, 2a und 3 für das Szenario 2085 im Vergleich mit dem Szenario 2005...... 19 Abbildung 20 Zuflussvolumen und Wasserrückhalt 21.8. – 24.8. im Einzugsgebiet Aare Brienzwiler für Szenario 2085, Konfigurationen 2a und 3 ...... 20 Abbildung 21 Entwicklung Abfluss und See Pegel Brienzer- und Thunersee für die Konfigurationen 2a und 3 im Szenario 2005 ...... 20 Abbildung 22 Vergleich Pegelstand und Ausfluss Aare Thun für verschiedene Konfigurationen und Szenario 2005 und 2085 (K: Konfigurationen)...... 21 Abbildung 23 Vergleich der betroffenen Flächen je Konfiguration und Intensitätsklasse im Gebiet zwischen und Brienzersee ...... 22 Abbildung 24 Indikator für Bewässerungsbedürftigkeit (Verhältnis Evapotranspiration zu potenzieller Evapotranspiration < 0.8) [12] ...... 25

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Abbildung 25 Maximale Länge der Trockenheitsperioden im Beobachtungszeitraum (1980 – 2006) für Ackerland (links) und Grasland (rechts) [11] ...... 26 Abbildung 26 Mittlerer jährlicher Bewässerungsbedarf Landwirtschaft 1981 - 2010 (links) und Bewässerungsbedarf Landwirtschaft im Jahr 2003 [11] ...... 26 Abbildung 27 Trendanalyse zur Länge von Trockenperioden für Ackerland 1980- 2006 [12] ...... 27 Abbildung 28 Vergleich der Abflussvolumen für die Monate Juni, Juli und August 2003 (oben) und 2015 (unten) mit dem langjährigen Mittel (Daten: BAFU) ...... 29 Abbildung 29 Gegenüberstellung Monatsmittel Abfluss im Vorfluter und Grundwasserpegel für die Grundwasser Messstationen Meiringen Nvkl. und Uttigen (Quellen: BAFU, AWA) ...... 29 Abbildung 30 Zeitlicher Verlauf Grundwasserpegel Uttigen und Abfluss Aare Thun (Quellen: BAFU, AWA) ...... 30 Abbildung 31 Grundwasserpegel Uttigen: Abweichung der Monatsmittelwerte in den Trockenjahren 2003 und 2015 von den langjährigen Monatsmittelwerten (1977 – 2015) (Quelle: AWA) ...... 30 Abbildung 32 Saisonale Temperaturszenarien für die Station Grimsel Hospiz (Median mit 2.5 % und 97.5 % Perzentil, abgeleitet aus dem Ensemble) (Datengrundlage CH2011) ...... 32 Abbildung 33 Saisonale Niederschlagsszenarien für das Grimselgebiet (Grimsel Hospiz, links) und das Seeland (Mühleberg, rechts) (Median mit 2.5 % und 97.5 % Perzentil, abgeleitet aus dem Ensemble) (Datengrundlage CH2011)...... 32 Abbildung 34 Aufteilung Schnee und Regen für das Grimselgebiet für die Referenzperiode und die Szenarien 2060 und 2085. (1. und 2. Zeile beziehen sich auf Höhe 1900 m ü.M.) (Datengrundlage CH2011) ...... 33 Abbildung 35 Anteile Regen, Schnee- und Gletscherschmelze am Gesamtwasserdargebot für die Referenzperiode und die Szenarien 2060 und 2085 ...... 34 Abbildung 36 Scatterplots für Jahresniederschlag und Jahresabfluss bei der Station Aare Brienzwiler für die Referenzperiode und die Szenarien 2060 und 2085 ...... 34 Abbildung 37 Wasserdargebot für die Referenzperiode und die Szenarien 2060 und 2085 für die Teileinzugsgebiete , Räterichsbodensee, Triftsee, Gadmerwasser ...... 35 Abbildung 38 Mittleres monatliches Wasserdargebot für die 30-Jahresperiode für die Referenzperiode und das Szenario 2085 (gesamtes Einzugsgebiet vom Brienzersee bis ins Seeland) ...... 37 Abbildung 39 Anteil Regen, Schnee- und Gletscherschmelze am Wasserdargebot für die Teileinzugsgebiete Thunersee, Aare bis Einmündung Saane und Saane für die Referenzperiode und das Szenario 2085 ...... 37 Abbildung 40 Abfluss-Szenarien für die Station Aare Brienzwiler 2060 und 2085: mittlere Monatsabflüsse (links) und monatliche Abweichungen zur Referenzperiode (rechts) ...... 38 Abbildung 41 Abfluss-Szenarien 2060 und 2085 für die Station Aare Brienzwiler mit Modellunsicherheit (abgeleitet aus den Ensembles) und Referenz...... 38 Abbildung 42 Monatliche Volumendifferenzen zwischen den Szenarien und dem Median der Referenzperiode für die Aare Brienzwiler ohne Bewirtschaftung KWO ...... 39

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Abbildung 43 Abfluss-Szenarien 2060 und 2085 für eine Situation analog 2003 für die Station Aare Brienzwiler mit Modellunsicherheit (abgeleitet aus den Ensembles) und Referenz ...... 39 Abbildung 44 Monatsmittel-Abflüsse für das Jahr 2003 für die Referenzperiode und die Szenarien 2060 und 2085 im Vergleich mit dem Median und dem 10 bzw. 90 % Perzentil der Monatsmittel aus der gesamten Referenzperiode (Konfiguration ohne KWO)...... 40 Abbildung 45 Monatliche Volumendifferenzen beim Abfluss Aare Brienzwiler für das Jahr 2003 zwischen dem Median, bzw. dem 10 % Perzentil und den Szenarien 2060 und 2085 (ohne KWO) ...... 41 Abbildung 46 Vergleich des mittleren Monatsabflusses mit und ohne KWO für die Referenzperiode ...... 41 Abbildung 47 Vergleich des mittleren Monatsabflusses für die beiden Szenarien 2060 und 2085 mit der Referenzperiode unter Berücksichtigung des Einflusses der KWO ...... 42 Abbildung 48 Monatliche Volumendifferenzen zwischen den Szenarien und dem Median der Referenzperiode für die Aare Brienzwiler mit Bewirtschaftung KWO analog heute ...... 42 Abbildung 49 Monatsmittel-Abflüsse für das Jahr 2003 für die Referenzperiode und die Szenarien 2060 und 2085 im Vergleich mit dem Median und dem 10 bzw. 90 % Perzentil der Monatsmittel aus der gesamten Referenzperiode (Konfiguration mit KWO)...... 43 Abbildung 50 Monatliche Volumendifferenzen beim Abfluss Aare Brienzwiler für das Jahr 2003 zwischen dem Median, bzw. dem 10 % Perzentil und den Szenarien 2060 und 2085 (mit KWO) ...... 44 Abbildung 51 Füllgrade der Speicherseen (ohne Triftsee) für die Szenarien 2060 und 2085 im Vergleich mit der Referenzperiode ...... 45 Abbildung 52 Monatsabflüsse für die Umlagerungsszenarien verglichen mit den Abflussmessungen bei der Station Aare Brienzwiler für die Referenzperiode ...... 45 Abbildung 53 Zielgrössen für den Abfluss an der Station Aare Brienzwiler ...... 46 Abbildung 54 Abfluss Aare Brienzwiler für die Zielgrösse Median, Referenzperiode (oben) und Szenario 2085 (unten), hydrologische Jahre 2003/2004 im Vergleich mit dem Abfluss der Referenzperiode ohne Triftsee ...... 47 Abbildung 55 Gespeichertes Wasservolumen für die Zielgrösse Median für die Referenzperiode (oben) und das Szenario 2085 (unten), hydrologische Jahre 2003/2004 (hellblau: Unsicherheitsbereich) ...... 48 Abbildung 56 Abfluss Aare Brienzwiler für die Zielgrösse Median Plus, Szenario 2085, hydrologische Jahre 2003/2004 im Vergleich mit dem Abfluss der Referenzperiode ohne Triftsee ...... 49 Abbildung 57 Gespeichertes Wasservolumen für die Zielgrösse Median Plus für das Szenario 2085, hydrologische Jahre 2003/2004 (hellblau: Unsicherheitsbereich) ...... 49 Abbildung 58 Jährliches Abflussvolumen Aare Brienzwiler für das Szenario 2085 mit Unsicherheiten ...... 50 Abbildung 59 Abfluss Aare Brienzwiler (oben) und gespeichertes Wasservolumen (unten) für das Szenario 2085, Zielgrösse Median ...... 51 Abbildung 60 Abfluss Aare Brienzwiler (oben) und gespeichertes Wasservolumen (unten) für das Szenario 2085, Zielgrösse Median Plus ...... 52 Abbildung 61 Mittleres monatliches Wasserdargebot für die 30-Jahresperiode für die Referenzperiode und das Szenario 2085 für die drei Teileinzugsgebiete ...... 53

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Abbildung 62 Monatliches Wasserdargebot für ein Trockenjahr wie 2003 für die Referenzperiode und das Szenario 2085 für die drei Teileinzugsgebiete im Vergleich zum langjährigen Monatsmittel der Referenzperiode (mit 10 bzw. 90 % Quantil) ...... 53 Abbildung 63 Differenz im Wasserdargebot zwischen einem Trockenjahr wie 2003 im Szenario 2085 und dem Monatsmittel der Referenzperiode für das gesamte Einzugsgebiet zwischen Brienzersee und Seeland...... 54 Abbildung 64 Turbinierte monatliche Wasservolumen in den Zentralen Innertkirchen 1 und 2 im Jahr 2003 verglichen mit dem Mittelwert der Jahre 1980 bis 2009 ...... 54 Abbildung 65 Grundwasserkarte Talboden Meiringen bis Brienzersee (Quelle: AWA) ...... 55

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Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Vergleich Zuflüsse mit den Ergebnissen der KWO-Studie [16] ...... 8 Tabelle 2 Datengrundlagen Schadenausmass ...... 15 Tabelle 3 Objektkategorien ...... 15 Tabelle 4 Ausgangsfüllgrade 21.8.2005 0:00 Uhr für die verschiedenen Konfigurationen ...... 17 Tabelle 5 Abflusskennwerte für die verschiedenen Konfigurationen für das Szenario 2005 im Bereich zwischen Meiringen und Brienzersee ...... 18 Tabelle 6 Abflusskennwerte für die verschiedenen Konfigurationen für das Szenario 2085 (in Klammer Szenario 2005) im Bereich zwischen Meiringen und Brienzersee ...... 19 Tabelle 7 Übersicht betroffene Fläche im Bereich Meiringen – Brienzersee ...... 22 Tabelle 8 Schadenausmass pro Objektkategorie im Bereich Meiringen – Brienzersee ...... 23 Tabelle 9 Saisonaler Bewässerungsbedarf in Mio. m³ für die Regionen 26 und 28 für mittlere Verhältnisse und das Trockenjahr 2003 [11] ...... 26 Tabelle 10 Saisonale Niederschlagssummen 2003 und 2015 verglichen mit der Referenzperiode aus CH2011 (Quellen: MeteoSchweiz, CH2011) ...... 27 Tabelle 11 Eigenschaften der Teileinzugsgebiete und Veränderung des Wasserdargebotes in den Szenarien 2060 und 2085 ...... 35 Tabelle 12 Massgebende Empfindlichkeitswerte für die verschiedenen Objektkategorien ...... 58 Tabelle 13 Zuordnung der Bodenbedeckung zur Objektkategorie Schadenpotenzial ...... 59

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Referenzierte Dokumente

[1] Anderson, E.A. (1973): National Weather Service River Forecast System – Snow Accumulation and Ablation Model. NOAA Tech. Memo. NWS. U.S. Dep. of Commerce, Silver Spring. [2] BAFU (Hrsg.) (2012): Auswirkungen der Klimaänderung auf Wasserressourcen und Gewässer. Synthesebericht zum Projekt «Klimaänderung und Hydrologie in der Schweiz» (CCHydro). Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Wissen Nr. 1217. [3] BAFU (Hrsg.) (2016): Hitze und Trockenheit im Sommer 2015. Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern. Umwelt-Zustand Nr. 1629. [4] Bezzola G. R. und Hegg C. (Ed.) (2007): Ereignisanalyse Hochwasser 2005, Teil 1 – Prozesse, Schäden und erste Einordnung. Bundesamt für Umwelt BAFU, Eidgenössische Forschungsanstalt WSL. Umwelt-Wissen Nr. 0707. [5] Braun, L. (1985): Simulation of Snowmelt-Runoff in Lowland and Lower Alpine Regions of Switzerland. Zürcher Geographische Schriften, Heft 21, Geographisches Institut der ETH Zürich. [6] Bründl, M., Ettlin, L., Burkard, A., Oggier, N., Dolf, F. und Gutwein, P. (2016): EconoMe – Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit von Schutzmassnahmen gegen Naturgefahren. Formelsammlung. 56 S. [7] Bundesrat, S. (2012): Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz. Aktionsplan 2014- 2019. 2. Teil der Strategie des Bundesrates vom, 9. April 2014 [8] CH2011 (2011): Swiss Climate Change Scenarios CH2011. Published by C2SM, MeteoSwiss, ETH, NCCR Climate, and OcCC. Zurich, Switzerland. [9] CH2011, in Rev: Projections of Extreme Precipitation in Switzerland. CH2011 Extension Series. [10] EPFL und e-dric.ch (2009): Hochwasser 2005. Hydrologisch-hydraulische Simulation unter Berücksichtigung verschiedener Füllgrade der Speicherseen KWO. [11] Fuhrer, J. (2012): Bewässerungsbedarf und Wasserdargebot unter heutigen und künftigen Klimabedingungen. Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART. [12] Fuhrer, J., Jasper, K. (2009): Bewässerungsbedürftigkeit in der Schweiz. Schlussbericht. Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART. [13] geo7 AG, IUB, Hunziker, Zarn und Partner, Emch und Berger AG (2007): Extremhochwasser im Einzugsgebiet der Aare. Studie im Auftrag des Tiefbauamtes und des Wasserwirtschaftsamtes des Kantons Bern. [14] geo7, 2011: Gefahrenhinweiskarte Überflutung Kanton Bern. Tiefbauamt des Kantons Bern. [15] Gurtz, J., Baltensweiler, A., Lang, H., Menzel, L. und Schulla, J. (1997): Auswirkungen von klimatischen Variationen auf Wasserhaushalt und Abfluss im Flussgebiet des Rheins. Projektschlussbericht im Rahmen des nationalen Forschungsprogramms „Klimaänderungen und Naturkatastrophen in der Schweiz“ NFP 31. vdf Hochschulverlag AG, Zürich. [16] KWO (2011): Wasserhaushalt der KWO 1997 – 2009. [17] KWO (2014): Hydraulische Anlagen der KWO. Schema der Wasserführung und der Haupt-Absperrorgane. KWO Plannummer 8736. [18] Linsbauer, A., Paul, F., Machguth, H. und Haeberli, W. 2013: Comparing three different methods to model scenarios of future glacier change for the entire Swiss Alps. Annals of Glaciology, 54 (63), 241-253.

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[19] Mani, P. (2000): Schneeschmelz- und Abflussprognose für das Berner Oberland im Frühling 1999. Wasser, Energie, Luft. 92. Jahrgang, Heft 3/4. [20] Meteotest (2016): Windpotentialanalyse für Windatlas.ch. Jahresmittelwerte der modellierten Windgeschwindigkeit und Windrichtung. Schlussbericht. Studie im Auftrag des Bundesamtes für Energie. [21] VAW (2014): Gletscher- und Abflussentwicklung im Einzugsgebiet Wenden, Stein und Trift 1930 – 2100. Studie im Auftrag der AG. [22] WEA (1994): Hydrogeologie Haslital, zwischen Innertkirchen und Brienzer See.

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1 Einleitung 1.1 Ausgangslage Im Zusammenhang mit dem Klimawandel werden wesentliche Veränderungen im Wasserkreis- lauf erwartet. Dies betrifft insbesondere auch den Alpenraum, da die Schneefallgrenze anstei- gen wird und die Gletscher stark zurückschmelzen werden. Damit wird in Zukunft die wichtige saisonale Speicherung von Wasser in Schnee und Eis nur noch in beschränktem Umfang zur Verfügung stehen. Der Klimawandel kann aber auch zu intensiveren Starkniederschlagsereig- nissen führen. Im Aktionsplan 2014 - 2019 des Bundesrates [7] wird deshalb unter anderem vorgeschlagen, Stauseen als Multifunktionsspeicher zu bewirtschaften, so dass sie für die saiso- nale Umlagerung des Niederschlags bei Trockenheit und für zusätzlichen Rückhalt für den Schutz vor Hochwasser genutzt werden können. Dass die Schutzwirkung im Hochwasserfall wesentlich sein kann, hat das Ereignis vom August 2005 gezeigt: Durch den Wasserrückhalt in den Speicherseen der Kraftwerke Oberhasli (KWO) im Grimselgebiet wurde die Abflussspitze in der Aare bei der Messstation Aare Brienzwiler um einen Viertel reduziert, wobei die These im Raum steht, dass in den Stauseen wegen Revisionsarbeiten ausserordentlich grosse Speichervo- lumen zur Verfügung standen [4]. Die kantonale Verwaltung des Kantons Bern erwartet die Einreichung eines Konzessionsge- suchs für einen neuen Stausee im Gebiet Trift im Gadmertal. Eventuell sollen auch die gesam- ten KWO-Anlagen vorzeitig einer Neukonzessionierung unterzogen werden. Damit die Fach- stellen und die Regierung des Kantons die Interessen des Kantons definieren können, benöti- gen sie entsprechende Entscheidungsgrundlagen. Diese sollen insbesondere Auskunft geben über die Auswirkungen der Stauseen auf die Hochwassersicherheit entlang der Aare bis Bern, aber auch über die Nutzungen als Wasserspeicher bei Trockenheit. 1.2 Zielsetzung Für die Diskussion mit dem Regierungsrat, allenfalls auch mit dem Grossen Rat sollen grund- sätzliche Überlegungen zu Möglichkeiten und Grenzen der Bewirtschaftung der Speicherseen im Oberhasli als Multifunktionsspeicher im Hinblick auf Hochwasser und Trockenheit zusam- mengestellt werden. Untersucht werden sollen die Situation mit der heutigen Kraftwerkinfra- struktur, die heutige Infrastruktur ergänzt mit dem geplanten Triftstausee und eine Situation ohne die Kraftwerke der KWO. Folgende Fragen sollen dabei behandelt werden: § Welchen Beitrag können Multifunktionsspeicher zur Verbesserung der Hochwassersicher- heit leisten? Dabei sollen auch die zu erwartenden Veränderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel und die Auswirkungen auf das Schadenpotenzial berücksichtigt werden. § Welchen Beitrag können Multifunktionsspeicher zur Lösung von Trockenheitsproblemen, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel vermehrt zu erwarten sind, leisten? Aus diesen Analysen sollen Handlungsoptionen für den Kanton aufgezeigt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Ziel der KWO die Stromproduktion ist.

1 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

2 Gebietsübersicht

Das Untersuchungsgebiet der vorliegenden Studie umfasst das Einzugsgebiet der Aare bis zum Kraftwerk Hagneck (Abflussmessstation Aare Hagneck). Darin enthalten sind sowohl die Ein- zugsgebiete, die von der KWO bewirtschaftet werden, als auch die Gebiete, die potenziell von der Bewirtschaftung durch die KWO beeinflusst werden könnten. Unterhalb des Bielersees ist der Einfluss der Bewirtschaftung durch die KWO vernachlässigbar. In Abbildung 1 ist das Untersuchungsgebiet in verschiedene Kategorien unterteilt. Zuoberst im Oberhasli befinden sich die Zuflussgebiete zu den Speicherseen und Fassungen. Daran schlies- sen die weiteren Einzugsgebiete bis Aare Hagneck an. Bezogen auf das ganze Untersuchungs- gebiet beträgt der Flächenanteil der direkten Zuflussgebiete zu den heutigen Speicherseen 2.7 %, mit dem geplanten Triftsee 3.4 % (Abbildung 2). Nimmt man die Zuflussgebiete zu den weiteren Fassungen hinzu, beträgt der Flächenanteil 5.6 %. Darin nicht berücksichtigt sind die tiefergelegenen Fassungen im Gadmertal und im Haslital unterhalb Handegg, da diese direkt den Zentralen Innertkirchen 1 und 2 zufliessen und damit analog dem direkten Gerinneabfluss wirken. Bis zur Einmündung in den Brienzersee beträgt der Flächenanteil am Untersuchungsge- biet 10.9 %, beim Ausfluss aus dem Thunersee knapp 50 %. Das Einzugsgebiet der Saane macht knapp 40 % des Untersuchungsgebietes aus. Daraus wird ersichtlich, dass der Anteil der durch die KWO bewirtschafteten Einzugsgebiete klein ist, gemessen am gesamten Untersu- chungsgebiet.

Abbildung 1 Übersicht über das Untersuchungsgebiet

2 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 2 Fläche der Teileinzugsgebiete gemäss Abbildung 1 und aufsummierter Flächenanteil am Gesamteinzugsgebiet

3 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

3 Methodik 3.1 Überblick Um die in Kapitel 1.2 aufgeführten Ziele zu erreichen, werden drei verschiedene Konfiguratio- nen des Kraftwerkeparks betrachtet und drei Klimaszenarien analysiert: § Konfigurationen Kraftwerkepark: ohne KWO, Situation KWO heute, KWO mit Triftsee § Klimaszenarien, basierend auf CH2011 [8]: Referenzperiode 1980 – 2009, Szenario 2060, Szenario 2085 Die Szenarien werden mit Hilfe eines Systemmodells auf Basis von Powersim® simuliert. Das Systemmodell ist eine Weiterentwicklung des Modells, das für die Zuflussprognose zum Thunersee im Frühling 1999 [19] entwickelt und dann für die Studie Extremhochwasser im Ein- zugsgebiet der Aare [13] weiterentwickelt wurde. Klimaszenarien sind aufgrund der natürlichen Variabilität und der Modellunsicherheit mit Unsi- cherheiten behaftet. Die Szenarien CH2011 basieren deshalb auf einem Ensemble bestehend aus 10 Members. Für die vorliegende Studie werden die Simulationen für alle 10 Members ein- zeln durchgeführt. So können für die wichtigsten Grössen quantitative Aussagen zur Unsicher- heit gemacht werden. Für die Analyse der Wirkung der Multifunktionsbecken bei Hochwasserereignissen wird das Er- eignis vom August 2005 beigezogen und unter Annahme verschiedener Ausgangsbedingungen simuliert. Zusätzlich werden im Niederschlagsereignis selbst mögliche Veränderungen, die sich durch den Klimawandel ergeben können, berücksichtigt. Des Weiteren wird für die Ereignissze- narien analysiert, wie sich das Schadenpotenzial unter Berücksichtigung des Hochwasserrück- halts in den Speichern verändert. Die Auswirkungen der Trockenheit und mögliche Anpassungsmassnahmen darauf werden mit Hilfe von Langzeitsimulationen über 30-Jahresperioden und anhand von Simulationen für ein- zelne Trockenjahre analysiert. 3.2 Simulationsmodell Das Simulationsmodell beschränkt sich auf das Aare-Einzugsgebiet bis zum Zusammenfluss von Aare und Saane. Die Einzugsgebietsgliederung wird aus der Extremhochwasserstudie [13] übernommen. Unterhalb der Einmündung der Aare in den Brienzersee wird jedoch nur das Wasserdargebot simuliert (Meteoszenarien, Schneedecke und Gletscherschmelze). Für die Ana- lyse des Einflusses der Bewirtschaftung durch die KWO muss diese Gliederung oberhalb Innert- kirchen verfeinert werden (Abbildung 3). Für jeden Seespeicher und für jede Fassung werden die entsprechenden Einzugsgebiete ausgeschieden. Eine Ausnahme bilden tieferliegende Fas- sungen, deren Wasser nicht einem Speichersee zugeführt werden kann. Diese werden nicht se- parat ausgeschieden. Das in der Studie verwendete Simulationsmodell umfasst folgende Teilmodelle: § Meteoszenarien: In diesem Teilmodell werden basierend auf den CH2011 Szenarien für die 10 Members Zeitreihen für Temperatur und Niederschlag berechnet. Dabei werden so- wohl für die Temperatur als auch für den Niederschlag Höhengradienten berücksichtigt. Für die Temperatur wird der Höhengradient für die höher gelegenen Gebiete für jeden Tag aus den Tagesmitteltemperaturen der Stationen Grimsel Hospiz und Jungfraujoch berechnet. Für die tiefer gelegenen Gebiete werden die Stationen Meiringen und Grimsel Hospiz ver- wendet. Dies gilt für das Gebiet oberhalb des Brienzersees. Für die unterhalb liegenden Ge- biete wird das gleiche Verfahren mit anderen Stationen verwendet (vgl. Kapitel 5.4). Für den Niederschlag wird der Höhengradient auf Grund von Stationsdaten und Angaben aus der Literatur festgelegt. Unterhalb von 2000 m ü.M. wird ein Gradient von 0.025 mm pro 100 m, oberhalb ein Gradient von 0.05 mm pro 100 m verwendet. Diese Gradienten gelten auch für die Gebiete, für die nur das Wasserdargebot berechnet wird.

4 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

010 Oberaarsee 011 Grimselsee 012 Bächlital 013 Räterichsbodensee 014 Gruben 015 Handegg 016 Gelmersee 017 Mattenalpsee 020 Triftsee 021 untere Trift 022 Steingletscher 023 Stein 024 Wendengletscher 025 Wenden 026 Engstlenalp 101 Gadmerwasser 102 Aare Innertkirchen 103 Aare Brienzwiler

Abbildung 3 Teilgliederung der simulierten Einzugsgebiete

§ Schneedecke: Im Teilmodell Schneedecke wird der Schneedeckenaufbau und -abbau ab- gebildet. Für die Aufteilung zwischen Fest- und Flüssigniederschlag wird die Grenze auf 0 °C festgelegt. Das Schneeschmelzmodell basiert auf einem von Anderson in [1] beschrie- benen Ansatz, der in verschiedenen Gebieten in der Schweiz erfolgreich angewendet wur- de (vgl. [5] und [15]). Im Modell wird zwischen Strahlungsschmelze und advektiver Schmel- ze unterschieden. Für die Strahlungsschmelze wird ein mittlerer Taggradfaktor von 3 mm/°C verwendet. Bei der advektiven Schmelze spielt die mit der Höhe zunehmende Windgeschwindigkeit eine bedeutende Rolle. Aus den Messdaten der Station Grimsel Hos- piz (1990 m ü.M.) von MeteoSchweiz wurde für die Jahre 2006 – 2010 eine mittlere jährli- che Windgeschwindigkeit von 4.9 m/s berechnet. Die Höhengradienten für die Windge- schwindigkeit wurden von der Website wind-data.ch übernommen. Zwischen 2000 und 1000 m ü.M. wurde ein Gradient von 0.1 m/s pro 100 Höhenmeter, unterhalb 1000 m ü.M. ein solcher von 0.35 m/s pro 100 Höhenmeter verwendet. Da eine Extrapolation der Werte oberhalb von 2000 m ü.M. nicht mehr sinnvoll ist, wurde hier der Gradient aus dem Vergleich der Stationen Grimsel-Hospiz und Jungfraujoch bestimmt. Dies ergibt einen Wert von 0.05 m/s pro 100 Höhenmeter. Die so hergeleiteten Windgeschwindigkeiten in Abhän- gigkeit der Höhenstufe sind in Abbildung 4a) dargestellt. In höheren Lagen wird nicht der gesamte Schnee geschmolzen sondern verwandelt sich in Firn und Eis. Da dieser Prozess im Modell nicht abgebildet wird, wird der Schneespeicher Ende September auf null gesetzt und der Schmelzprozess somit gestoppt. Andernfalls wür- de die Schneemächtigkeit über die Jahre immer mehr zunehmen. Auf diese Weise kann die Akkumulation von Gletschereis abgebildet werden. Für das Wasserangebot aus der Schneeschmelze spielt neben der Schneehöhe auch der An- teil der schneebedeckten Fläche eine wichtige Rolle. Da entsprechende Daten fehlen, wird der Ausaperungsprozess mit einem einfachen Modellansatz abgebildet. Ab einem höhen- abhängigen Schwellenwert des Schneewasseräquivalents nimmt der Anteil der schneebe- deckten Fläche proportional zum Schneewasseräquivalent ab. Die aus [21] abgeleiteten

5 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Schwellenwerte sind in Abbildung 4b) dargestellt. Die Gradienten für die Windgeschwindigkeit und die Ausaperung wurden für das ganze Untersuchungsgebiet ohne Veränderung übernommen. § Gletscherschmelze: Für die Simulation des Wasseranfalls aus der Gletscherschmelze wird ein einfaches Taggradmodell verwendet. Die Gletscherflächen werden für die jeweiligen Szenarienzeitpunkte heute (Referenz), 2060 und 2085 aus den am Geographischen Institut der Universität Zürich berechneten Gletscherrückzugsszenarien [18] übernommen. § Abflussbildung: Im Teilmodell Abflussbildung werden die Wasserangebote aus der Schnee- und Gletscherschmelze sowie vom Regen zusammengefasst und mittels zwei Ein- zellinearspeicher (schnell und langsam) in den Abfluss umgewandelt. § Seespeicher und Wasserfassungen: Die Seespeicher und Wasserfassungen werden in ei- nem Teilmodell basierend auf den technischen Grundlagen der KWO abgebildet ([16], [17]). Für die Seespeicher werden neben dem Speichervolumen die Kapazitäten für die Turbinie- rung bzw. für Überleitungen in andere Speicher sowie für den Grundablass abgebildet. Bei den Wasserfassungen wird die Fassungskapazität abgebildet. Für die Langzeitsimulation der Klimaszenarien musste das Modell vereinfacht werden. Dazu wurden die Speicher im Grim- selgebiet zu einem einzigen Speicher zusammengefasst. Im Modell nicht abgebildet wird die Verdunstung. Dazu wäre eine detailliertere Gebiets- gliederung aufgrund der Bodennutzung notwendig, was einen wesentlichen Mehraufwand bedingen würde. Aus den Simulationen der VAW [21] geht jedoch hervor, dass die Ver- dunstung unter heutigen Bedingungen zwischen 50 und 100 mm/Jahr liegt, was 2.5 bis 5 % des Jahresniederschlags entspricht. Ende des 21. Jahrhunderts beträgt die Verduns- tung ca. das Doppelte und macht dann 5 bis 10 % des Jahresniederschlags aus. Dies ent- spricht ungefähr der Unsicherheit in den Niederschlagsszenarien. a) b)

Abbildung 4 Modellparameter für die Schneeschmelze: a) Windgeschwindigkeit, b) Schwellenwerte des Schneewasseräquivalents (SWE) für die Modellierung der Ausaperung

3.3 Modellkalibrierung und -validierung Die Modellkalibrierung umfasst zwei Teile. Einerseits muss das Modell für die Langzeitsimula- tionen, die für die Analyse der Handlungsoptionen im Zusammenhang mit Niedrigwasser benö- tigt werden, kalibriert werden. Dabei bilden Gletscher- und Schneeschmelze eine zentrale Rolle. Andererseits muss das Modell für die Ereignissimulation in Bezug auf Hochwasser kalibriert werden. Hier sind der Bodenspeicher und die Fliesszeiten von zentraler Bedeutung, da Abfluss- spitzen und Ereignisvolumen hier die entscheidenden Grössen sind. 3.3.1 Kalibrierung für die Langzeitsimulation für Trockenheit Für die Modellkalibrierung werden verschiedene Grundlagen verwendet. Für die Gletscher- schmelze können die Daten, die von der VAW [21] mit dem hydroglaziologischen Modell GERM für den Trift- und den Steingletscher berechnet und für die vorliegende Studie zur Verfügung gestellt wurden, verwendet werden. Die Daten erlauben auch eine Überprüfung der Schnee- schmelze und des gesamten Wasseranfalls aus den beiden Einzugsgebieten (Abbildung 5).

6 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Die Zuflüsse zum Triftsee und zur geplanten Fassung Steingletscher können mit dem hier ver- wendeten Modell gut nachgebildet werden. Die Gletscherschmelze wird im Vergleich zur VAW- Studie um gut 20 % überschätzt. Der Grund dafür ist, dass im verwendeten Taggradverfahren der Albedo-Effekt nicht explizit berücksichtigt wird, was sich vor allem im Herbst auswirkt. Grössere Differenzen zeigen sich bei der Schneeschmelze, insbesondere beim Einzugsgebiet des Triftgletschers. Dies ist auf die unterschiedliche Behandlung des Flüssigniederschlags im Zu- sammenhang mit der Schneedecke zurückzuführen. Beim Modell von geo7 wird alles Wasser, das aus der Schneedecke austritt, der Schneeschmelze zugewiesen (also auch durch flüssigen Niederschlag generiertes Wasser), beim Modell der VAW hingegen nur der Anteil aus der effek- tiven Schneeschmelze. Da der Gesamtwasseranfall im Steingletscher- und Triftgebiet jedoch gut übereinstimmt, kann davon ausgegangen werden, dass die unterschiedliche Implementation in den Modellen der Hauptgrund für die Differenz ist. Dies wird durch die gute Übereinstimmung bei der mit Schnee bedeckten Fläche während der Schneeschmelze bestätigt (Abbildung 6). Auch in der Ganglinie der Tagesabflüsse zeigt sich die gute Übereinstimmung zwischen der Si- mulation für die vorliegende Studie und der Simulation der VAW [21] (Abbildung 7). Die Amplituden der Ganglinien aus der vorliegenden Studie sind zwar etwas grösser als die der VAW-Simulation, zeitlich stimmen sie aber gut überein. Die stärkere Amplitude dürfte durch das einfachere Speichermodell begründet sein, das vor allem keine Speicherung von Wasser im Gletscher beinhaltet.

Abbildung 5 Vergleich der simulierten Zuflüsse, Gletscher- und Schneeschmelze mit den Ergebnissen der VAW-Studie [21]

7 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 6 Vergleich der Ausaperung in den Einzugsgebieten der Fassung Steingletscher und des Triftsees

Abbildung 7 Vergleich simulierte Abflussganglinie mit Simulation VAW

Die simulierten Zuflüsse zu den Speicherseen und Fassungen wurden für die Periode 1997 – 2009 mit den Werten aus dem KWO-Bericht „Wasserhaushalt der KWO 1997 – 2009“ [16] verglichen. Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 zusammengestellt. In Abbildung 8 werden zusätz- lich für einige Gebiete die simulierten monatlichen Zuflüsse mit den Daten der KWO verglichen.

Tabelle 1 Vergleich Zuflüsse mit den Ergebnissen der KWO-Studie [16]

Einzugsgebiet Simulation geo7 Daten KWO [16] Differenz Abweichung [m³/Jahr] [m³/Jahr] [m³/Jahr] [%] Oberaarsee 48'470'000 45'130'000 3'340'000 7.4 Grimselsee 201'300'000 177'370'000 23'930'000 13.5 Räterichsbodensee 20'530'000 24'390'000 -3'860'000 -15.8 Bächlital 19'900'000 19'310'000 590'000 3.1 Gruben 13'000'000 10'010'000 2'990'000 29.9 Gelmersee 31'150'000 35'330'000 -4'180'000 -11.8 Mattenalpsee 90'910'000 90'620'000 290'000 0.3 Wenden 33'530'000 32'920'000 610'000 1.8 Stein 83'290'000 82'300'000 990'000 1.2 Untere Trift 111'010'000 106'990'000 4'020'000 3.8 Total 653'090'000 624'370'000 28'720'000 4.6

8 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 8 Simulierte Zuflüsse zu den Speicherseen und Fassungen verglichen mit den Daten der KWO [16]

Die Vergleiche zeigen im Allgemeinen eine gute Übereinstimmung, auch im zeitlichen Verlauf. Die grösste absolute Abweichung ergibt sich für den Grimselsee, wo der Zufluss im Vergleich zur Studie KWO um 13.5 % überschätzt wird. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die Glet- scherschmelze überschätzt wird, da bedeutende Teile des Gletschers effektiv mit Schutt be- deckt sind und damit die Schmelze kleiner ist, als im Modell angenommen. Beim Räterichsbo- den- und beim Gelmersee werden die Zuflüsse unterschätzt. Beide Gebiete weisen eine Ver- gletscherung von unter 10 % auf. Somit muss die Differenz bei diesen beiden Seen

9 Multifunktionsspeicher im Oberhasli wahrscheinlich mit dem Niederschlag und allenfalls mit der Schneeschmelze zusammenhängen. Für eine noch detailliertere Analyse fehlen jedoch die Datengrundlagen. Als weiteres wird die Speicherbewirtschaftung verglichen, einerseits die gespeicherte Wasser- menge, andererseits der Ausfluss aus den beiden Kraftwerken Innertkirchen 1 und 2 (Abbildung 9). Für die Ausflüsse aus den beiden Kraftwerken wurden von der KWO tägliche Abflusswerte zur Verfügung gestellt. Die gespeicherte Wassermenge wurde aus [16] abgeleitet. Die gespeicherte Wassermenge wird im Zeitraum 1997 - 2009 gut nachgebildet, was auch da- rauf zurückzuführen ist, dass die Speicherdaten für die Kalibrierung des Modells verwendet wurden. Beim Ausfluss der beiden Kraftwerke wird in der Simulation das Volumen in den Mo- naten Mai bis August unterschätzt. Grund dafür ist, dass die tiefer gelegenen Fassungen im Gadmertal und im Haslital im Modell nicht berücksichtigt werden (vgl. Abbildung 1). Diese Zu- flüsse werden deshalb als Gerinneabfluss simuliert, was vor allem in der Zeit der Schneeschmel- ze zu einem reduzierten Ausfluss aus den Kraftwerken führt. Dass dies kein Problem darstellt, zeigt der Vergleich der simulierten mittleren Monatsabflüsse für die Aare in Brienzwiler mit den Messwerten des BAFU (Abbildung 10). Diese zeigen eine sehr gute Übereinstimmung.

Abbildung 9 Vergleich der simulierten gespeicherten Wassermenge und des mittleren Monatsausflusses aus den Kraftwerken Innertkirchen 1 und 2 mit Daten der KWO

Abbildung 10 Vergleich der simulierten mittleren Monatsabflüsse für die Station Aare Brienzwiler mit den Daten des BAFU

10 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

3.3.2 Kalibrierung für die Ereignissimulation für Hochwasser Für die Simulation von Hochwasserereignissen wird das gleiche Modell verwendet, wie für die Langzeitsimulation. Da jedoch die Bewirtschaftung einzelner Speicher und Fassungen bei der Ereignissimulation relevant ist, wurden diese im Modell detaillierter abgebildet. Während des Ereignisses im August 2005 wurde Wasser turbiniert und vom Grimselsee in den Oberaarsee gepumpt. Die verschobenen Wassermengen wurden basierend auf den Turbinie- rungssequenzen, die von der KWO für die Zeitperiode vom 21. – 25. August 2005 zur Verfü- gung gestellt wurden, in das Modell eingebaut. Für die Ereignissimulation mussten einige Mo- dellparameter gegenüber der Langzeitsimulation angepasst werden, damit die Abflussspitze nachgebildet werden konnte. Mit dieser Anpassung konnte eine gute Übereinstimmung mit den vom BAFU an der Station Aare Brienzwiler gemessenen Werten erreicht werden (Abbildung 11). Die simulierte höhere und später auftretende Abflussspitze hängt damit zu- sammen, dass in der Simulation auch das Wasser, das in Realität aufgrund der Überschwem- mung neben der Abflussmessstation abfloss, enthalten ist und damit den Wert der Messstation übersteigt. Schälchli, Abegg + Hunzinger (zitiert in [10]) haben in ihren Untersuchungen einen Spitzenabfluss von 520 m³/s rekonstruiert.

Abbildung 11 Kalibrierung Abflusssimulation Aare Brienzwiler

Das Abflussvolumen gemäss den Abflussmessungen des BAFU beträgt für die Periode vom 21. – 24. August 66.43 Mio. m³, aus der Simulation resultieren 71.43 m³. Das Volumen wird in der Simulation um 7.5 % überschätzt. Der Grund dafür dürfte auch hier die Berücksichtigung der aus dem Gerinne ausgetretenen Wassermenge sein. 3.4 Klimaszenarien Basierend auf den Grundlagen, die aus dem Projekt CH2011 [8] zur Verfügung stehen, wurden für die Stationen Meiringen, , Grimsel Hospiz und Jungfraujoch 30-jährige Datenreihen für die Referenzperiode 1980 – 2009 und für die Szenarienzeitpunkte 2060 und 2085 berech- net. Die stationsbezogenen CH2011-Daten umfassen 10 Members, die durch die Kombinatio- nen von verschiedenen globalen und regionalen Klimamodellen zu Modellketten entstanden sind (Abbildung 12). Für die Berechnung der Szenarienreihen wird das vom Projekt CH2011 empfohlene Delta- Change Verfahren angewendet. Dabei werden die Werte der Referenzperiode mit den Verän- derungen der Temperatur bzw. des Niederschlags kombiniert und zwar für jedes Member (Abbildung 13). Für die Station Jungfraujoch liegen nur Daten zur Temperatur vor. Für die rest- lichen Stationen wurden die Reihen für Temperatur und Niederschlag berechnet.

11 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 12 Ensemble der Temperatur- (links) und Niederschlagsveränderung (rechts) für das Szenario 2060 über ein Jahr an der Station Grimsel Hospiz

Abbildung 13 Schema für die Herleitung der 30-jährigen Szenarienreihen anhand der Temperatur für zwei Modellketten

3.5 Gletscherszenarien Um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gletscher in den Szenarien zu berücksichtigen, werden für die Szenarienzeitpunkte 2060 und 2085 die Gletscherflächen aus den Gletscher- rückzugsszenarien der Universität Zürich [18] übernommen (Abbildung 14). Diese Simulationen basieren auf einem Gleichgewichtsmodell. Für den Trift- und den Steingletscher liegen zusätzlich auch Szenarien der VAW [21] vor, die mit einem Massenhaushaltsmodell berechnet wurden. Mit einem solchen Modell lässt sich der zeit- liche Verlauf der Gletscherflächen grundsätzlich besser abbilden. Ein Vergleich am Steinglet- scher zeigt, dass mit dem Gleichgewichtsmodell grössere Gletscherflächen resultieren als mit dem Massenhaushaltsmodell (Abbildung 15), wobei der Unterschied beim Szenario 2060 ge- ringer ist als beim Szenario 2085. Das heisst, dass mit dem Gleichgewichtsmodell der Universi- tät Zürich der Gletscherrückzug weniger rasch abläuft als mit dem Massenhaushaltsmodell der VAW. Da die Simulationen der VAW nur für das Sustengebiet vorliegen, werden in der vorlie- genden Studie für das ganze Gebiet die Szenarien der Universität Zürich verwendet.

12 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 14 Gletscherrückzugsszenarien für die Szenarien 2060 und 2085 gemäss [18]

Abbildung 15 Vergleich Gletscherrückzugsszenarien der VAW [21] (links) und des Geographischen Instituts der Universität Zürich [18] (rechts) für den Steingletscher

3.6 Ereignisniederschlag für Szenarien Für die Analyse des Rückhalts bei Hochwasserereignissen wird das Niederschlagsereignis vom August 2005 verwendet. Zur Verfügung stehen die Niederschläge der Stationen Grimsel Hos- piz, Gadmen und Meiringen. Dabei liefert nur die Station Grimsel Hospiz Stundenwerte, wie sie

13 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

für die Simulation von Hochwasserereignissen benötigt werden. Für die beiden anderen Statio- nen werden die Tageswerte mit Hilfe der Stundenwerte der IMIS-Stationen Gschletteregg (Gadmen) und Rotschalp (Meiringen) auf Stundenwerte umgelegt. Die so hergeleiteten Nieder- schlagsverläufe sind in Abbildung 16 dargestellt.

Abbildung 16 Niederschlagsstundenwerte für die Ereignissimulation (Datenquelle MeteoSchweiz, IMIS)

Die Temperaturen werden aus der Referenzperiode übernommen und für die Initialisierung des Schneespeichers werden die Daten für Mitte August aus der Langzeitsimulation übernommen. Um die Auswirkungen des Klimawandels auf Hochwasserereignisse abzuschätzen, wird ein Meteoszenario auf der Basis des Szenarios 2085 aus CH2011 [8] und für die Starkniederschläge aus CH2011+ [9] definiert. Der Niederschlag wird dabei um 12 % erhöht und entspricht dem Anstieg für ein 100-jährliches Ereignis für den Herbst. Für den Sommer wird keine Veränderung erwartet. Da das Ereignis im August stattfand, ist es zulässig, den Herbstwert für die Herleitung eines Szenarios zu verwenden. Der Schneespeicher und die Gletscherflächen werden aus der Langzeitsimulation übernommen. 3.7 Berechnung Schadenpotenzial

3.7.1 Herleitung Objektkategorien Grundsätzlich wurden die Bodenbedeckungsarten gemäss der Tabelle 12 im Anhang B den ein- zelnen Objektkategorien zugeordnet. Objektkategorie Strassen In der Bodenbedeckung sind die Strassenflächen nicht weiter charakterisiert. Um zwischen Na- tionalstrassen, Kantonsstrassen, wichtige Gemeindestrassen und übrige Strassen unterscheiden zu können, wurde der SNBE Datensatz zu Hilfe genommen. Die entsprechenden Strassenach- sen wurden aus dem SNBE übernommen und gepuffert (Nationalstrassen 10m, Kantons- und wichtige Gemeindestrassen 6m). Mit den gepufferten Flächen wurden anschliessend die Stras- senflächen der Bodenbedeckung in die vier Strassenobjektkategorien unterteilt. Objektkategorie Siedlungsgebiet / Bauzonen Die Siedlungsgebietsfläche wurde aus den Bodenbedeckungsarten gemäss der Tabelle 13 im Anhang B erstellt. Diese wurde zusätzlich mit Bauzonen ausserhalb dieser Flächen ergänzt. 3.7.2 Objektkategorien Für die Berechnung des Schadenausmasses werden die in Tabelle 3 aufgeführten Objektkate- gorien unterschieden. Es wird nur das Schadenausmass der Sachobjekte berechnet. Das Scha- denausmass für Personen wird nicht untersucht. Als Basis für die Objektkategorisierung wurden die in Tabelle 2 zusammengestellten Daten- grundlagen verwendet.

14 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Tabelle 2 Datengrundlagen Schadenausmass

Datenbestand Datenquelle Datenstand Bodenbedeckung: Ebene BBF aus dem Geoprodukt MOPUBE Nachführung 27.7.2016 MOPUBE_BBF (AGI): Amtliche Vermessung vereinfacht des Kantons Bern Bauzonen: Aus dem Geoprodukt UZP (AGI): Übersichtszo- Nachführung 1.4.2016 PLVE_STNE_ACHSEN nenplan des Kantons Bern 1:25‘000 Strassennetz: Aus dem Geoprodukt SNBE (AGI): Strassennetz Nachführung 4.12.2013 KSKATAAU des Kantons Bern. KSKATAMI KSKATB KSKATC KSWIGS NSMI3KL NSAU12KL

Tabelle 3 Objektkategorien

Objektkategorien Klasse Beschreibung 1 Gebäude 2 Siedlungsgebiet / Bauzonen 3 Flugplatz 4 Nationalstrassen (25 m breit) 5 Kantonsstrassen (12 m breit) 6 Wichtige Gemeindestrassen (8 m breit) 7 Übrige Strassen (durchschn. 4 m breit) 8 Eisenbahn (durchschn. 8 m breit) 9 Übrige Flächen (Landwirtschaft / Wald) 10 Gewässer

3.7.3 Berechnung Schadenausmass Der Datensatz mit den Objektkategorien wird mit den Überflutungsflächen und unter Berück- sichtigung der Intensitäten verschnitten. Aus der Kombination dieser beiden Datensätze lässt sich anschliessend das Schadenausmass gemäss der Formel 1 berechnen. Die Berechnung er- folgt grundsätzlich nach EconoMe4.0 [1]. Vom Gefahrenpotenzial werden nur der Prozesstyp und die Prozessintensitäten berücksichtigt. Die eingesetzten Werte für die Schadenempfindlich- keit und Objektwerte sind in Anhang A aufgeführt.

() = () ∗ () ∗

Aw(Obj)j Schadenausmass Objekt in Szenario j

SE(Obj)j Schadenempfindlichkeit des Objektes in Abhängigkeit der Intensität des Prozesses 2 2 W(Obj)j Wert des Objektes pro m (CHF/m )

Fj gefährdete Fläche in Szenario j Formel 1: Berechnungsformel Schadenausmass

15 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

4 Handlungsoptionen Hochwasserrückhalt 4.1 Potenzial von Speicherseen für den Hochwasserrückhalt Das Potenzial von Multifunktionsspeichern im Zusammenhang mit Hochwasserereignissen be- steht unter anderem darin, dass Wassermassen in den Speicherbecken zurückgehalten werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass genügend freie Speicherkapazität vorhanden ist. Dies kann durch entsprechende Vereinbarungen sichergestellt werden. Dabei können saisonale Un- terschiede in der Hochwassergefährdung berücksichtigt werden. Wenn solche Vereinbarungen Teil von Konzessionen sind, gelten diese normalerweise für lange Zeiträume. Deshalb muss be- rücksichtigt werden, dass sich im Zusammenhang mit dem Klimawandel das saisonale Auftre- ten von Hochwasserereignissen verändern kann. Die Stärke des Dämpfungseffektes hängt neben dem vorhandenen Speichervolumen davon ab, wie gross die Fläche ist, von der Wasser zurückgehalten werden kann. Dabei ist zu berücksich- tigen, dass Wasserfassungen, von denen unter normalen Bedingungen Wasser in die Speicher- seen geleitet wird, im Hochwasserfall wegen des erhöhten Geschiebeanfalls geöffnet werden und das Wasser dann durch die natürlichen Gerinne abfliesst. Relevant für die Dämpfung ist daher nur der Anteil der Zuflüsse, der im Hochwasserfall direkt in die Speicherseen fliesst. 4.2 Vorgehen Im Gegensatz zu Hochwasserereignissen in kleinen Einzugsgebieten, die eher durch kurze Starkregen sehr hoher Intensität ausgelöst werden, entstehen Hochwasser in grösseren Fluss- gebieten durch grossflächige, länger andauernde Starkregen, allenfalls verstärkt durch Schnee- schmelze. Dies trifft auch für das Hochwasser vom August 2005 zu. Beim Ereignis vom August 2005 konnten grosse Wassermengen in den Stauseen der KWO zurückgehalten werden. Ge- mäss [4] waren es gut 18 Mio. m³, wobei darauf hingewiesen wird, dass der Füllgrad der Seen vor dem Ereignis wegen Bauarbeiten ausserordentlich tief war. Trotzdem wurden an den Stati- onen Aare Brienzwiler und Aare Ringgenberg die höchsten je gemessenen Abflussspitzen regis- triert. An den Messstationen Aare Thun und Aare Schönau Bern waren es die zweithöchsten Werte, an der Station Aare Hagneck wiederum der höchste. Dies führte zu entsprechend ho- hen Schäden im Haslital, auf dem Bödeli zwischen Thuner- und Brienzersee, in Thun und in Bern. Damit stellen sich im Zusammenhang mit dem Wasserrückhalt in den Speicherseen der KWO folgende Fragen: § Wie gross war die zurückgehaltene Wassermenge? § Welche Abflüsse hätten bei einem normalen Füllgrad der Speicherseen resultiert? § Wie gross ist die Schutzwirkung gegenüber einer Situation ohne Rückhalt in Speicherseen? § Welche zusätzliche Schutzwirkung würde der geplante Triftsee bringen? § Welche Veränderungen bei den Hochwasserabflüssen sind im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu erwarten? Aus den Antworten zu diesen Fragen lassen sich Handlungsoptionen für den Hochwasserrück- halt in den Speicherbecken ableiten. Für die Analyse wird als Szenario vom Hochwasserereignis im August 2005 ausgegangen. Für dieses Meteoszenario werden 4 Konfigurationen durchge- rechnet, die zum Teil aus [10] abgeleitet wurden. § Konfiguration 1: Situation ohne Speicher und Fassungen der KWO § Konfiguration 2a: Normale Füllgrade für die Situation Mitte August (vgl. Tabelle 4) gemäss Erfahrungswerten KWO § Konfiguration 2b: Füllungsgrad der Stauseen analog August 2005. Wegen Revisionsarbei- ten war der Füllungsgrad des Grimselsees und des Räterichsbodensees wesentlich geringer, als in normalen Jahren (vgl. Tabelle 4). In der Summe waren die vier grossen Speicher (Oberaar, Grimsel, Räterichsboden, Gelmer) nur zu 57 % gefüllt. In normalen Jahren be-

16 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

trägt der Füllgrad zu dieser Zeit ca. 84 %. Damit lag das gespeicherte Wasservolumen gut 50 Mio. m³ unter dem normalen Wert. § Konfiguration 3: Analog Konfiguration 2a aber mit Triftsee. Zusätzliches Speichervolumen 85 Mio. m³, Bewirtschaftung analog Grimselsee Zusätzlich wird für die Konfigurationen 1, 2a und 3 das Meteoszenario 2085 simuliert.

Tabelle 4 Ausgangsfüllgrade 21.8.2005 0:00 Uhr für die verschiedenen Konfigurationen

Stausee Stausee Stausee Stausee Total Total Oberaar Grimsel Gelmer RäBo Volumen Konfiguration 2a 80 % 88 % 91 % 72 % 84 % 158 Mio. m³ Konfiguration 2b 85 % 35 % 92 % 57 % 57 % 108 Mio. m³

4.3 Ergebnisse

4.3.1 Abflüsse und Speicherrückhalt Für die oben beschriebenen Konfigurationen werden die Abflussspitzen, die Abflussvolumen und die Austrittsvolumen, berechnet aufgrund der Abflusskapazität des Gerinnes im Bereich der Aare zwischen Meiringen und Brienzwiler ausgewertet. In Abbildung 17 sind die Abflussgangli- nien für die verschiedenen Konfigurationen, in Abbildung 18 das Zuflussvolumen und der Was- serrückhalt für die verschiedenen Konfigurationen dargestellt. Die Simulation mit der Konfiguration 2b entspricht der Kalibrierung des Modells anhand der re- alen Situation im August 2005. Die Simulation der Konfiguration 2a zeigt, dass auch bei einem für Mitte August normalen Füll- grad die gleiche Wassermenge in den Speicherseen zurückgehalten werden kann, wie dies im August 2005 bei reduziertem Füllgrad der Fall war. Abflussganglinie, Abflussspitze, Abflussvo- lumen und Austrittsvolumen sind daher identisch. Ohne die Einrichtungen der KWO (Konfigura- tion 1) wäre der Spitzenabfluss jedoch knapp 100 m³/s, d.h. 12 % höher als mit den Speicher- seen. Das Abflussvolumen wäre knapp 16 Mio. m³ (15 %) grösser und das Austrittsvolumen im Aaretal zwischen Meiringen und Brienzwiler um 7 Mio. m³ oder 120 % grösser. Die Wirkung der Speicherseen ist demnach beim Austrittsvolumen am grössten. Für die Beurteilung der Wirkung des Triftsees (Konfiguration 3) wird davon ausgegangen, dass der Speicher zu Beginn des Ereignisses zu 88 % gefüllt ist (Bewirtschaftung gemäss KWO ana- log Grimselsee) und dass nur der direkte Zufluss zum See zurückgehalten werden kann. Damit nicht grosse Mengen Schwebstoff und Geschiebe in das System gelangen, würden die Fassun- gen Steingletscher und Wendengletscher im Ereignisfall geöffnet. Unter diesen Voraussetzun- gen wird die Abflussspitze an der Aare Brienzwiler gegenüber der Situation vom August 2005 um 35 m³/s reduziert, das Abflussvolumen ist um gut 6 Mio. m³ und die Austrittmenge um 1.6 Mio. m³ kleiner, was einer Reduktion um einen Drittel entspricht. Die Gegenüberstellung der Zuflüsse im ganzen Einzugsgebiet der Aare Brienzwiler und der zu- rückgehaltenen Wassermengen zeigt, dass 2005 in der Zeit vom 21.8. 0:00 Uhr bis 25.8. 0:00 Uhr ca. 85 Mio. m³ Wasser zuflossen (Abbildung 18). Davon wurden gemäss der Simulationen mit der Konfiguration 2b ca. 13.5 Mio. m³ oder 16 % zurückgehalten. Mit dem Triftsee (Konfi- guration 3) wären es gut 20 Mio. m³ oder ca. 24 %, die zurückgehalten werden. Die Stauseen konnten die gesamten Zuflüsse zum Oberaar-, Grimsel- und Räterichsbodensee zurückhalten. Einzig beim Gelmersee genügte die freie Kapazität nicht, um den gesamten Zufluss zurückzu- halten. Der Zufluss lag um 0.57 Mio. m³ über dem freien Speichervolumen von 1.17 Mio. m³ (Konfiguration 2a und 2b ergeben ähnlich Werte).

17 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Tabelle 5 Abflusskennwerte für die verschiedenen Konfigurationen für das Szenario 2005 im Bereich zwischen Meiringen und Brienzersee

Abflussspitze Abflussvolumen Austrittvolumen [m³/s] [Mio. m³] [Mio. m³] Konfiguration 1, ohne KWO 593 82.756 10.368 Konfiguration 2a, Füllgrad „normal“ 503 71.561 4.682 Konfiguration 2b, Füllgrad 2005 503 71.561 4.682 Konfiguration 3, KWO mit Trift 468 65.006 3.089

Abbildung 17 Abflussganglinien für die verschiedenen Konfigurationen für das Szenario 2005, Station Aare Brienzwiler

Abbildung 18 Zuflussvolumen und Wasserrückhalt 21.8. – 24.8. im Einzugsgebiet Aare Brienzwiler für Szenario 2005, Konfigurationen 2a, 2b und 3

18 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Der relativ grosse Anteil des gesamten Zuflusses, der in Brienzwiler abfliesst, widerspiegelt den grossen Flächenanteil, der nicht in die Speicherseen entwässert. In der Konfiguration 2a und 2b sind es 75 % des Einzugsgebietes Aare Brienzwiler, in der Konfiguration 3 knapp 70 %. Die Ergebnisse für das Szenario 2085, angewendet auf die Konfigurationen 1, 2b und 3 sind in Tabelle 6 und in Abbildung 19 zusammengestellt. Der Spitzenabfluss liegt bei der Konfiguration 2a rund 120 m³/s über dem Wert des Szenarios 2005, bei der Konfiguration 3 sind es 110 m³/s. Ohne die Speicherbecken der KWO wäre der Spitzenabfluss im Szenario 2085 knapp 150 m³/s höher als im Szenario 2005. Eine vertiefte Analyse zeigt, dass auch unter den Bedingun- gen des Szenarios 2085 in der Konfiguration 2b alles Wasser aus den Zuflussgebieten zum Oberaarsee, Grimselsee und Räterichsbodensee zurückgehalten werden kann. Bei den Abflussvolumen liegen die Differenzen zwischen den beiden Szenarien zwischen 7 und 12 Mio. m³. Die Austrittsvolumen nehmen um 80 bis 150 % zu. Der höhere Abfluss stammt aus den Gebieten, die unterhalb der Speicherseen liegen. In der Konfiguration 3 kann auch un- ter Bedingungen des Szenarios 2085 im Triftsee alles Wasser, das dem See zufliesst, zurückge- halten werden.

Tabelle 6 Abflusskennwerte für die verschiedenen Konfigurationen für das Szenario 2085 (in Klammer Szenario 2005) im Bereich zwischen Meiringen und Brienzersee

Abflussspitze Abflussvolumen Austrittvolumen [m³/s] [Mio. m³] [Mio. m³] Konfiguration 1: ohne KWO 739 (593) 94.783 (82.756) 18.932 (10.368) Konfiguration 2b: Füllgrad „normal“ 626 (503) 80.020 (71.561) 10.240 (4.682) Konfiguration 3: KWO mit Trift 576 (468) 72.860 (65.006) 7.633 (3.089)

Abbildung 19 Abflussganglinien für die Konfigurationen 1, 2a und 3 für das Szenario 2085 im Vergleich mit dem Szenario 2005

Im Szenario 2085 beträgt der gesamte Zufluss im Einzugsgebiet Aare Brienzwiler im Zeitraum vom 21.8. 0:00 Uhr bis 25.8. 0:00 Uhr knapp 92 Mio. m³ (Abbildung 20). Beim Wasserrückhalt geht der Anteil am gesamten Zufluss um 2 % auf 14 % bzw. 22 % zurück. Die bisherigen Aussagen beziehen sich nur auf das Gebiet bis zur Einmündung der Aare in den Brienzersee. Von Interesse ist aber auch, welche Schutzwirkung der Wasserrückhalt in den Speicherseen unterhalb des Thunersees ausübt. Dazu wird beim Thuner- und Brienzersee von einem mittleren Seestand für den August ausgegangen und für die wichtigsten Zuflüsse zu den

19 Multifunktionsspeicher im Oberhasli beiden Seen (Lütschine, Simme und Kander) wird der mittlere Monatsabfluss für den August angenommen. So kann die Dämpfungswirkung der Seen auf den Abfluss der Aare isoliert ana- lysiert werden.

Abbildung 20 Zuflussvolumen und Wasserrückhalt 21.8. – 24.8. im Einzugsgebiet Aare Brienzwiler für Szenario 2085, Konfigurationen 2a und 3

Abbildung 21 zeigt den Zufluss zum Brienzersee für die mittlere Situation August (Konfiguration 2a) und die Situation mit Triftsee (Konfiguration 3) für das Szenario 2005 sowie den Seespie- gelanstieg in den beiden Seen und der Ausfluss aus den Seen. Die Simulationen zeigen, dass in der Konfiguration 2a der Anstieg des Abflusses in der Aare Brienzwiler um 400 m³/s (von 100 auf 500 m³/s) nach dem Brienzersee auf ca. 130 m³/s (von 100 auf 230 m³/s) reduziert wird. Der Thunersee bewirkt nur noch eine schwache Dämpfung. Der Anstieg reduziert sich um 10 m³/s auf 120 m³/s. Der Seespiegel steigt in der Konfiguration 2a im Brienzersee um ungefähr einen Meter an, im Thunersee noch um 14 cm.

Abbildung 21 Entwicklung Abfluss und See Pegel Brienzer- und Thunersee für die Konfigurationen 2a und 3 im Szenario 2005

20 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

In der Konfiguration 3 mit dem Triftsee beträgt der Anstieg beim Zufluss in den Brienzersee 390 m³/s, beim Ausfluss aus dem Brienzersee noch 125 m³/s und beim Ausfluss aus dem Thunersee noch 110 m³/s. Der Spiegel des Brienzersees steigt um 90 cm an, der Anstieg des Thunerseepegels ist mit 13 cm fast gleich gross wie in der Konfiguration 2a. In Abbildung 22 werden die Konfigurationen 1, 2a, und 3 für das Szenario 2005 und die Konfi- guration 3 für das Szenario 2085 einander gegenübergestellt. Die Konfiguration 1 ohne Spei- cherseen liefert die höchsten Werte beim Seepegel (558 m ü.M.) und beim Ausfluss aus der Aa- re (300 m³/s). Die niedrigsten Werte liefert die Konfiguration 3 für das Szenario 2005 (vgl. oben). Das Szenario 2085 ergibt sowohl beim Seepegel als auch beim Ausfluss aus dem Thunersee Werte, die mit der Konfiguration 2a im Szenario 2005 vergleichbar sind. Das bedeu- tet, dass mit dem Triftsee die Klimawandel bedingte Zunahme bei den Niederschlägen kom- pensiert werden kann.

Abbildung 22 Vergleich Pegelstand und Ausfluss Aare Thun für verschiedene Konfigurationen und Szenario 2005 und 2085 (K: Konfigurationen) 4.3.2 Auswirkungen auf das Schadenausmass Wie die Ergebnisse der Simulationen zeigen, ist eine grössere Abflussreduktion durch die Spei- cherseen nur oberhalb des Brienzersees gegeben. Deshalb wird die Abschätzung des Scha- denausmasses nur für dieses Gebiet vorgenommen. Für die Abschätzung wird das simulierte Austrittsvolumen (Tabelle 5) dem Volumen, das sich aus der Überflutungstiefe der Gefahren- hinweiskarte Überflutung [14] berechnen lässt, gegenübergestellt. Das Austrittsvolumen ergibt sich aus der aufsummierten Differenz zwischen dem simulierten Abfluss und der Abflusskapazi- tät des Gerinnes. Für das Volumen aus der Gefahrenhinweiskarte wird die Überflutungstiefe mit der Fläche multipliziert. Das aus der Gefahrenhinweiskarte berechnete Volumen beträgt 12.7 Mio. m³ und liegt damit 2.7 mal höher als das Austrittsvolumen. Grund dafür ist, dass in der Gefahrenhinweiskarte die Summe aller möglichen Ereignisse dargestellt wird. Deshalb wer- den für die Berechnung des Schadenausmasses nur die relativen Veränderungen betrachtet. Die Differenz zwischen den Konfigurationen 2a und 3 ergibt eine Reduktion der Überflutungstiefe in der Gefahrenhinweiskarte von 45 cm. Für die Konfiguration 1 ohne Speicherseen ergibt sich eine Erhöhung der Überflutungstiefe von 145 cm. Die so ermittelten Flächen nach Intensitäts- klasse sind für die Konfigurationen 2a bis 3 in Abbildung 23 zusammengestellt. Die Auswertung zeigt, dass ohne die Speicherseen (Konfiguration 1) gut 200 ha mehr betroffen wären, als unter heutigen Bedingungen. Hinzu kommt, dass der Anteil der Fläche mit starker Intensität knapp 7 Mal so hoch ist, wie unter heutigen Bedingungen. In der Konfiguration 3 mit dem Triftsee sind fast keine Flächen mehr von starker Intensität betroffen und die betroffene Fläche ist 200 ha kleiner als unter heutigen Bedingungen.

21 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 23 Vergleich der betroffenen Flächen je Konfiguration und Intensitätsklasse im Gebiet zwischen Meiringen und Brienzersee

Eine detailliertere Zusammenstellung nach Objektkategorie und Intensitätsklasse in Tabelle 7 zeigt, dass der grösste Anteil der betroffenen Fläche in den Objektkategorien Siedlungsge- biet/Bauzonen und „übrige Flächen“ liegt. In der Konfiguration 3 liegt der Anteil der betroffe- nen Gebäude und der Siedlungsgebiete/Bauzonen an der gesamten betroffenen Fläche deutlich höher, als bei den beiden andern Konfigurationen. Bei der Konfiguration 4 wird die betroffene Fläche der Objektkategorie Gebäude gegenüber heute fast halbiert. Das Schadenausmass (Tabelle 8) beträgt in der Konfiguration 2a knapp 350 Mio. CHF. In der Konfiguration 1 ohne KWO ist es gut 3 Mal höher als unter heutigen Bedingungen und in der Konfiguration mit dem Triftstausee liegt das Schadenpotenzial ca. 40 % tiefer als unter heuti- gen Bedingungen. Der weitaus grösste Teil der Schäden stammt mit ca. 70 % von den Gebäu- den, gefolgt von der Eisenbahn.

Tabelle 7 Übersicht betroffene Fläche im Bereich Meiringen – Brienzersee

Konfiguration 1 Konfiguration 2a Konfiguration 3 Gefährdungssituation ha pro Intensität Total ha pro Intensität Total ha pro Intensität Total schwach mittel stark [ha] schwach mittel stark [ha] schwach mittel stark [ha] Gebäude 4.32 22.53 7.96 34.81 8.06 8.27 0.23 16.56 4.71 4.87 0.00 9.58 Siedlungsgebiet / Bauzonen 13.13 97.46 52.86 163.45 35.93 47.78 8.17 91.88 25.26 30.52 4.77 60.55 Flugplatz 0.20 3.44 15.39 19.03 2.25 15.46 0.13 17.84 1.36 14.43 0.00 15.79 Nationalstrassen 0.17 2.99 2.06 5.22 1.91 2.16 0.03 4.1 1.21 1.23 0.00 2.44 Kantonsstrassen 0.41 3.66 5.18 9.25 2.11 5.00 0.28 7.39 1.70 3.89 0.07 5.66 Übrige Strassen 2.11 19.16 14.22 35.49 8.38 13.35 1.51 23.24 6.21 9.24 0.40 15.85 Eisenbahn 0.70 5.17 4.25 10.12 2.42 3.30 0.82 6.54 2.13 2.11 0.59 4.83 Übrige Flächen 20.66 289.01 663.86 973.53 143.60 580.18 101.29 825.07 166.59 512.78 20.62 699.99

gesamte betroffene Fläche 41.7 443.42 765.78 1250.9 204.66 675.5 112.46 992.62 209.17 579.07 26.45 814.69

Flächenanteil in % 3.3 35.4 61.2 100 25.7 71.1 3.2 100 20.6 68.1 11.3 100

22 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Tabelle 8 Schadenausmass pro Objektkategorie im Bereich Meiringen – Brienzersee

Konfiguration 1 Konfiguration 2a Konfiguration 3 Schadenausmass Mio. CHF in % Mio. CHF in % Mio. CHF in % Gebäude 792 73.9 249 71.6 141 68.8 Siedlungsgebiet / Bauzonen 41 3.8 15 4.3 10 4.9 Flugplatz 21 2.0 4 1.1 3 1.5 Nationalstrassen (25m breit) 3 0.3 1 0.3 0 0.0 Kantonsstrassen (12m breit) 9 0.8 2 0.6 2 1.0 Übrige Strassen (durchschn. 4m) 26 2.4 8 2.3 5 2.4 Eisenbahn (durchschn. 8m breit) 89 8.3 46 13.2 32 15.6 Übrige Flächen (Landwirtschaft / Wald) 89 8.3 0 0.0 12 5.9

Gesamtes Schadenausmass 1071 100% 348 100% 205 100%

4.4 Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen Aus der Analyse der potenziellen Schutzwirkung durch den Hochwasserrückhalt in den Spei- cherseen der KWO lassen sich folgende Schlussfolgerungen ableiten: § Der Hochwasserrückhalt in den Speicherseen beschränkt sich auf 25 % der Einzugsgebiets- fläche der Aare Brienzwiler, wenn davon ausgegangen wird, dass im heutigen System KWO die Fassungen im Ereignisfall geöffnet werden. § Mit dem geplanten Triftsee erhöht sich der Flächenanteil auf 30 %. § Mit einer Speicherreserve von gut 20 Mio. m³ oder gut 10 % des heutigen Nutzvolumens lassen sich die Zuflüsse zu den Speicherseen in der Grössenordnung des Ereignisses vom August 2005 vollständig zurückhalten. Einzig beim Gelmersee könnte mit einer grösseren Reserve im Umfang von ca. 12 % des Speichervolumens (August 2005 8 %) der Rückhalt verbessert werden. § Mit dem geplanten Triftsee kann mit einer Speicherreserve von knapp 10 % des Nutzvolu- mens der gesamte Seezufluss bei einem Hochwasserereignis analog August 2005 zurück- gehalten werden. § In den höher gelegenen, heute stärker vergletscherten Gebieten führt die höhere Intensität bei den Niederschlägen, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel erwartet wird, nur zu unwesentlich höheren Zuflüssen zu den Speicherseen und Fassungen, da zugleich weni- ger Wasser aus der Gletscherschmelze anfällt. § Trotz der beschränkten Wirkung bezüglich Hochwasserrückhalt ist die Auswirkung auf die Überflutungsgefährdung im Aareboden zwischen Meiringen und Brienzersee bedeutend. Durch den Hochwasserrückhalt in den Speicherbecken werden vor allem die Flächen mit hoher Überflutungsintensität deutlich reduziert. § Mit dem geplanten Triftsee kann die Überflutungsgefährdung im Aareboden nochmals be- deutend reduziert werden. § Unterhalb des Brienzer- bzw. Thunersees sind die Auswirkungen durch den Hochwasser- rückhalt im KWO-System gering. Hier hat die Dämpfung der beiden Seen eine bedeutend grössere Wirkung, insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass auch aus den Einzugsge- bieten der Lütschine, der Kander und der Simme grosse Zuflüsse hinzukommen können. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Kraftwerkinfrastruktur zu einer bedeu- tenden Reduktion der Hochwassergefährdung im Gebiet Meiringen-Brienzwiler führt. Unter- halb vmn Brienzer- und Thunersee ist die Pufferung durch diese beiden Seen von viel grösserer Bedeutung.

23 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Für den Kanton Bern bedeutet dies, dass er sich im Hinblick auf die Hochwassersicherheit im Oberhasli für den Erhalt der heutigen Speicherinfrastruktur der KWO einsetzen sollte und dass im Betrieb, analog zur heutigen Bewirtschaftung, ein freies Speichervolumen von 10 % in den Seen zur Verfügung steht. Ein grösseres freies Speichervolumen in den bestehenden Seen führt bei einem Ereignis analog 2005 zu keiner zusätzlichen Dämpfung des Hochwassers. Eine zusätzliche Verbesserung der Hochwassersicherheit kann mit dem Triftsee erreicht werden, da im Sustengebiet heute bei Hochwasserereignissen kein Wasser zurückgehalten werden kann. Für den Kanton Bern bedeutet dies, dass er sich bei einem Ausbau der Speicherkapazitä- ten im Oberhasli für den Bau des Triftstausees einsetzen sollte. Durch das zusätzliche Stauvo- lumen im Gadmertal können im Hochwasserfall die Auswirkungen des Klimawandels auf den Seepegel und den Ausfluss aus dem Thunersee annähernd kompensiert werden. Mit diesen Massnahmen können auch die Veränderungen in den Zuflüssen zu den Speicher- seen, die infolge des Klimawandels zu erwarten sind, abgepuffert werden. Die erhöhten Zuflüs- se unterhalb der Speicherseen führen jedoch trotz der Speicherseen zu grösseren Hochwasser- spitzen, grösseren Abflussvolumen und grösseren Überflutungsflächen.

24 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

5 Handlungsoptionen Wasserspeicher bei Trockenheit 5.1 Problemstellung 5.1.1 Literaturauswertung Wasserknappheit infolge Trockenheit wirkt sich in verschiedenen Bereichen aus. Im Vorder- grund stehen die Trinkwasserversorgung und die Landwirtschaft, aber auch Wasser als Lebens- raum für Tiere und Pflanzen oder als Transport- und Kühlmedium wird durch Trockenheit be- einträchtigt. Neben der geringeren Wasserführung in Fliessgewässern wirkt sich Trockenheit auch auf das Grundwasser aus, wobei die Koppelung zwischen Fliessgewässer und Grundwas- ser nicht überall gleich stark ist. Grundwasser ist in vielen Gebieten der Schlüsselfaktor für die Trinkwasserversorgungen. Für die Landwirtschaft ist neben dem Grundwasser auch der Abfluss in den Gerinnen relevant, da für die Bewässerung häufig Wasser aus den Bächen und Flüssen verwendet wird. Die Bewässerungsbedürftigkeit unter heutigen Bedingungen (1980 – 2006) wird in [12] umfas- send beschrieben. Als Kriterium für die Bewässerungsbedürftigkeit wurde festgelegt, dass das Verhältnis Evapotranspiration zu potenzieller Evapotranspiration unter 0.8 liegt und dass des- halb mit sinkenden Erträgen gerechnet werden muss. Aus der Studie geht hervor, dass im Un- tersuchungsgebiet der Schwellenwert für Bewässerungsbedürftigkeit im Seeland grossflächig in einem Drittel der Zeit unterschritten wird (Abbildung 24). Teilweise ist dies auch im Aaretal zwi- schen Thun und Bern sowie im Haslital der Fall. Die maximale Dauer von Trockenperioden lag in der analysierten Periode im Seeland bei über 200 Tagen, im Aaretal und im Haslital bei 100 – 150 Tagen (Abbildung 25).

Abbildung 24 Indikator für Bewässerungsbedürftigkeit (Verhältnis Evapotranspiration zu potenzieller Evapo- transpiration < 0.8) [12]

25 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 25 Maximale Länge der Trockenheitsperioden im Beobachtungszeitraum (1980 – 2006) für Ackerland (links) und Grasland (rechts) [11]

In [11] wird der Bewässerungsbedarf für grössere Regionen quantifiziert. Für die Regionen Haslital-Lütschinentäler und Aaretal-Seeland (Regionen 26 und 28 in Abbildung 26) resultiert ein mittlerer jährlicher Bewässerungsbedarf von 0.8 bzw. 4.3 Mio. m³ Wasser. In einem Tro- ckenjahr steigt der Bedarf auf 2.7 bzw. 19.8 Mio. m³ (Tabelle 9). Für die Sommermonate im Jahr 2003 resultiert für die Region Aaretal-Seeland ein Wasserbedarf von 19.3 Mio. m³. Dieser Wert ist gut 5 Mal höher als der mittlere Bewässerungsbedarf. Im Zusammenhang mit dem Klimawandel wird davon ausgegangen, dass die Häufigkeit und die Dauer von Hitze- und Trockenperioden zunehmen werden [8]. Die Auswertungen in [12] zeigen in verschiedenen Regionen bereits heute einen Trend hin zu längeren Trockenperioden. Dies trifft u.a. für das Aaretal zwischen Thun und Bern zu, nicht aber für das Seeland (Abbildung 27).

Abbildung 26 Mittlerer jährlicher Bewässerungsbedarf Landwirtschaft 1981 - 2010 (links) und Bewässerungs- bedarf Landwirtschaft im Jahr 2003 [11]

Tabelle 9 Saisonaler Bewässerungsbedarf in Mio. m³ für die Regionen 26 und 28 für mittlere Verhältnisse und das Trockenjahr 2003 [11]

Region DJF MAM JJA SON Jahr Mittel 2003 Mittel 2003 Mittel 2003 Mittel 2003 Mittel 2003 26 0.0 0.0 0.0 0.0 0.6 2.7 0.2 0.0 0.8 2.7 28 0.0 0.0 0.5 0.4 3.5 19.3 0.1 0.1 4.3 19.8

26 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 27 Trendanalyse zur Länge von Trockenperioden für Ackerland 1980-2006 [12]

5.1.2 Datenanalyse Im Untersuchungsgebiet der vorliegenden Studie zeichneten sich die Jahre 2003 und 2015 durch ausserordentliche Trockenheit aus. Die Auswertung der Niederschläge an den vier Stati- onen Grimsel Hospiz, Meiringen, Thun und Aarberg zeigen, dass im Winter 2003 v.a. im unte- ren Aare-Einzugsgebiet deutlich weniger Niederschlag fiel als in der Referenzperiode 1980 – 2009 (Tabelle 10).

Tabelle 10 Saisonale Niederschlagssummen 2003 und 2015 verglichen mit der Referenzperiode aus CH2011 (Quellen: MeteoSchweiz, CH2011)

Station DJF MAM JJA SON 2003 Ref 2003 ∆% Ref 2003 ∆% Ref 2003 ∆% Ref 2003 ∆% Grimsel Hospiz 582 596 +2.4 536 290 -45.9 422 233 -44.8 451 418 -7.3 Meiringen 276 210 -23.9 332 201 -39.5 472 383 -18.9 296 291 -1.7 Thun 147 61 -58.5 234 256 +9.4 387 367 -5.2 214 198 -7.5 Aarberg 239 126 -47.3 256 180 -29.7 310 256 -17.4 268 215 -19.8 2015 Ref 2015 ∆% Ref 2015 ∆% Ref 2015 ∆% Ref 2015 ∆% Grimsel Hospiz 582 600 +3.1 536 690 +28.7 422 367 -13.0 451 355 -21.3 Meiringen 276 205 -25.7 332 370 +11.4 472 324 -31.4 296 243 -17.9 Thun 147 131 -10.9 234 326 +39.3 387 279 -27.9 214 165 -22.9 Aarberg 239 192 -19.7 256 258 +0.8 310 239 -22.9 268 200 -25.4

Im Frühling resultierten für das Haslital Niederschlagsdefizite im Bereich von 40 %. Auch im Sommer lagen die Niederschläge an allen vier Stationen unter den Werten der Referenzperiode,

27 Multifunktionsspeicher im Oberhasli am deutlichsten an der Station Grimsel Hospiz. Damit resultierten für das Grimselgebiet die niedrigsten Frühlings- und Sommer-Niederschlagssummen in der 30-jährigen Referenzperiode. Bezogen auf das hydrologische Jahr (Oktober 2002 – September 2003) war es bezüglich des Niederschlags das fünfttrockenste in der Referenzperiode 1980 - 2009. Im Jahr 2015 war der Winter etwas weniger trocken als im Jahr 2003. Im Frühling resultierten an allen Stationen Niederschlagsüberschüsse, im Sommer dann aber wiederum Defizite, wobei diese in den tiefer gelegenen Stationen höher waren als im Jahr 2003. Dafür war das Defizit an der Station Grimsel Hospiz deutlich weniger gross. Im Herbst resultierten, anders als im Jahr 2003, für alle Stationen recht grosse Defizite. Diese Niederschlagsarmut und die hohen Temperaturen im Sommer 2003 wirkten sich auch auf die Abflüsse in der Aare und auf ihre Zuflüsse aus. Ein Vergleich der Abflussvolumen im Som- mer 2003 mit dem langjährigen Mittel zeigt, dass bei der Aare Brienzwiler ein Überschuss von gut 50 Mio. m³ resultierte (Abbildung 28 oben). Auch bei der Lütschine Gsteig resultierte ein Überschuss. In beiden Fällen war das Plus hauptsächlich auf die verstärkte Gletscherschmelze zurückzuführen. Die Zuflüsse von Kander und Simme lagen unter dem langjährigen Mittel. Hier trug die Gletscherschmelze nur noch wenig zum Wasserdargebot bei. Unterhalb des Thuner- sees stiegen die Defizite von gut 100 Mio. m³ bei der Station Aare Thun auf mehr als 400 Mio. m³ bei der Station Aare Hagneck an. Im Sommer 2015 resultierte für die Station Aare Brienzwiler nur noch ein gering höheres Ab- flussvolumen, als im langjährigen Mittel und für die Lütschine ein kleines Defizit (Abbildung 28 unten). Der Grund, dass anders als im Jahr 2003 in den Sommermonaten in der Aare Brienzwi- ler nur ein geringer Überschuss und in der Lütschine ein Defizit resultierte, ist wahrscheinlich in der Schneebedeckung zu suchen. Die grossen Niederschlagsmengen im Frühling und das frühe Einschneien im August (vgl. [3]) sorgten für eine hohe Albedo und zu einer reduzierten Glet- scherschmelze. Die Werte für die Kander und die Simme lagen im gleichen Bereich wie 2003. Für die Aare Thun war jedoch das Defizit mit gut 200 Mio. m³ fast doppelt so hoch wie 2003. An der Station Aare Bern Schönau lag der Wert im Sommer 2015 im gleichen Bereich wie 2003, an der Station Aare Hagneck gut 150 Mio. m³ tiefer. Der Vergleich der beiden Jahre zeigt, dass dank der hohen Niederschlagsmengen im Frühling 2015 die Trockenheit im Sommer weniger gravierend war als im Jahr 2003. Der gleiche Schluss wird auch in [3] gezogen. Dort wird auch darauf hingewiesen, dass im Jahr 2015 die Trocken- heit noch bis in den Herbst hinein andauerte und die Abflüsse vor allem in nicht vergletscherten Gebieten tiefer lagen, als im Jahr 2003. Teilweise sind Grundwasserkörper mit Vorflutern gekoppelt. Wie eingangs erwähnt, wirkt sich die Trockenheit auch auf das Grundwasser aus. Niedrige Abflüsse im Vorfluter führen in sol- chen Fällen zu einem niedrigen Grundwasserstand. Die Gegenüberstellung von Abfluss und Grundwasserpegel in Abbildung 29 zeigt eine Abhängigkeit zwischen den beiden Grössen, wo- bei diese für Meiringen weniger deutlich ist als für Uttigen. Der zeitliche Verlauf des Grundwas- serpegels Uttigen (Abbildung 30) zeigt grundsätzlich eine Koppelung von Grundwasser und Ab- fluss im Vorfluter. Niedrige Abflüsse im Winter korrelieren mit einem niedrigen Grundwasser- stand. Eine detailliertere Sicht zeigt jedoch, dass der Zusammenhang nicht streng linear ist. So lag der Grundwasserpegel im Hitzesommer 2003 höher als normal, dies obwohl der Abfluss in der Aare tiefer war als normal (Abbildung 31). Für den Sommer 2015 resultiert ein tieferer Grundwasserpegel als im Sommer 2003, dies obwohl der Abfluss im Frühsommer höher war, als im Jahr 2003. Dass der Zusammenhang komplex ist, zeigt auch der Sommer 2011: Hier wurde der höchste Grundwasserstand in der analysierten Periode registriert, gleichzeitig resul- tierte für den Abfluss der niedrigste Sommerwert.

28 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 28 Vergleich der Abflussvolumen für die Monate Juni, Juli und August 2003 (oben) und 2015 (unten) mit dem langjährigen Mittel (Daten: BAFU)

Abbildung 29 Gegenüberstellung Monatsmittel Abfluss im Vorfluter und Grundwasserpegel für die Grundwasser Messstationen Meiringen Nvkl. und Uttigen (Quellen: BAFU, AWA)

29 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 30 Zeitlicher Verlauf Grundwasserpegel Uttigen und Abfluss Aare Thun (Quellen: BAFU, AWA)

Abbildung 31 Grundwasserpegel Uttigen: Abweichung der Monatsmittelwerte in den Trockenjahren 2003 und 2015 von den langjährigen Monatsmittelwerten (1977 – 2015) (Quelle: AWA)

5.1.3 Trockenheitsproblematik Kanton Bern Gemäss der Wasserknappheitshinweiskarte aus dem Jahr 2015 besteht im Kanton Bern ein ho- her Handlungsbedarf bezüglich der folgenden Punkte: § Trinkwasserversorgung im Jura und § landwirtschaftliche Bewässerung im Seeland West § Verdünnung von eingeleitetem Abwasser an der Unteren Emme und im Oberaargau. Bezogen auf diese Liste ist klar, dass die Bewirtschaftung der Speicherbecken im Oberhasli höchstens auf die landwirtschaftliche Bewässerung im Seeland einen Einfluss haben kann. Wie aus dem Kapitel 5.1.1 hervorgeht, wird in Zukunft auch das Aaretal zwischen Thun und Bern verstärkt unter Trockenheit zu leiden haben. Aufgrund der Klimaszenarien ist ausserdem generell in den Sommermonaten mit trockeneren Verhältnissen zu rechnen.

30 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

5.2 Lösungsansätze Als ein mögliches Mittel, um die Wasserknappheit zu reduzieren, werden Multifunktionsspei- cher gesehen [7]. Das Potenzial von Multifunktionsspeichern besteht darin, dass Wasser in Zei- ten mit einem hohen Wasseranfall zurückgehalten und in Zeiten mit einem geringen Was- serdargebot und grossem Wasserbedarf wieder abgegeben werden kann. Dabei muss zwischen saisonaler und interannueller (über mehrere Jahre) Umlagerung unterschieden werden. Wel- ches Potenzial Speicherseen dabei entfalten können, hängt primär vom Wasservolumen, das in den Seen gespeichert werden kann, ab. In der Schweiz werden Speicherseen bisher nicht explizit für die Erhöhung des Wasserdargebo- tes in Fliessgewässern eingesetzt. Die Bewirtschaftung der Speicherbecken fokussiert auf die Stromproduktion und eine möglichst hohe Wertschöpfung. Dass wirtschaftliche Stromproduk- tion und erhöhte Abgabe von Wasser aus Speicherseen bei Trockenheit kein Widerspruch sein muss, zeigen die Auswertungen zum Hitzesommer 2015 [3]. Während in den Laufwasserkraft- werken im Sommer-Herbst 2015 wegen der niedrigen Abflüsse weniger Strom produziert wur- de als in einem normalen Jahr, wurde in den Speicherkraftwerken im Jahr 2015 12 % mehr Strom produziert. Insbesondere im Herbst wurden wegen der hohen Strompreise früh grössere Mengen des gespeicherten Wassers verarbeitet. Im Oktober lag die Produktion 40 % über dem Mittel der Jahre 2000 bis 2014. Dadurch wurde der Abfluss in den unterliegenden Flüssen er- höht, was sich auch positiv auf die Stromproduktion in den Laufwasserkraftwerken auswirkte. Mit einer reinen Erhöhung des Abflusses in den Gewässern kann jedoch nur eine beschränkte Reduktion der Trockenheit in den unterliegenden Gebieten erreicht werden. Deshalb kommen in Gebieten, wo Speicherseen für die Erhöhung des Wasserdargebotes bei Trockenheit einge- setzt werden (z.B. Spanien oder USA), zusätzlich spezifische Infrastrukturen wie Speicherbecken und Kanäle in den Bewässerungsgebieten oder Anlagen zur Grundwasseranreicherung zum Einsatz. Ohne solche Anlagen sind sehr grosse Wasserreserven notwendig, um die Auswirkun- gen von längeren Trockenphasen massgeblich zu reduzieren. Die Evaluation von solchen zu- sätzlichen Massnahmen ist jedoch nicht Teil der vorliegenden Studie 5.3 Vorgehen Für die Herleitung der Handlungsoptionen zur Trockenheit werden neben der aktuellen Situa- tion auch die Klimaszenarien berücksichtigt. Dazu werden in einem ersten Schritt ausgehend von den Szenarien CH2011 [8] hydrometeorologische Szenarien für das Untersuchungsgebiet berechnet. Diese umfassen neben den meteorologischen Szenarien auch Szenarien für das Wasserdargebot. Auf dieser Basis werden die Auswirkungen der Trockenheit unter Berücksich- tigung des Klimawandels analysiert und Handlungsoptionen aufgezeigt, wobei nicht das ganze Untersuchungsgebiet in der gleichen Tiefe bearbeitet wird. Das Einzugsgebiet der Aare bis zur Einmündung in den Brienzersee wird detailliert bearbeitet. Im Vordergrund stehen hier die Handlungsoptionen, die sich aus einer Veränderung der Bewirtschaftung der KWO- Speicherseen ergeben. Diese Analysen werden für drei Konfigurationen durchgeführt: § Konfiguration 1: Situation ohne KWO-Infrastruktur § Konfiguration 2: Situation mit der aktuellen KWO-Infrastruktur § Konfiguration 3: Situation aktuelle KWO-Infrastruktur mit dem geplanten Triftsee Für diese Konfigurationen werden einerseits die mittleren Verhältnisse der 30-jährigen Szenari- enperioden betrachtet, andererseits eine extreme Trockenperiode. Grundlage für letzteres bil- det das Trockenjahr 2003. Daraus werden Handlungsoptionen für den saisonalen Ausgleich hergeleitet. Für die Konfiguration 3 wird zusätzlich noch eine transiente Analyse über die 30- jährigen Szenarienperioden durchgeführt, um mehrere Jahre umfassende Handlungsoptionen zu analysieren (interannuelle Umlagerung). Für die unterhalb liegenden Gebiete bis ins Seeland wird eine vereinfachte Analyse durchge- führt. Grund dafür ist, neben der aufwändigen Kalibrierung der Teilmodelle für eine Lang- zeitsimulation die Tatsache, dass im verwendeten Modell keine Interaktion zwischen Fliessge- wässer und Grundwasser abgebildet wird. Diese kann jedoch bei Niedrigwasser eine entschei-

31 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

dende Rolle spielen. Die Analyse erfolgt deshalb für diese Gebiete nur bis und mit dem Was- serdargebot, beinhaltet jedoch keine Aussagen zu den Abflüssen. 5.4 Herleitung hydrometeorologische Szenarien Als Grundlage für die Evaluation von Handlungsoptionen werden neben den aktuellen Bedin- gungen aus CH2011 [8] abgeleitete hydrometeorologische Szenarien verwendet (vgl. Kap. 3.4). Neben der Temperatur und dem Niederschlag werden Zuflussszenarien zu den Speicherseen und Fassungen berechnet. Die Klimaszenarien zeigen, dass die Jahresmitteltemperatur auf 1900 m ü.M. (entspricht unge- fähr der Höhe der Station Grimsel Hospiz) im Szenario 2060 gegenüber der Referenzperiode um 2.3 °C ansteigen wird, im Szenario 2085 um knapp 3.5 °C (Abbildung 32). Der Anstieg ist im Sommer mit 2.8 bzw. 4 °C am grössten, im Frühling am geringsten (1.8 bzw. 2.7 °C). Auch unter Berücksichtigung der Unsicherheiten ist daher mit einem deutlichen Temperaturanstieg zu rechnen. Beim Niederschlag ist vor allem eine Abnahme im Sommer zu erwarten (Abbildung 33). Im See- land ergeben beide Szenarien in den übrigen Jahreszeiten eine leichte Zunahme. Im Grimselge- biet beschränkt sich die Zunahme auf den Winter und hier auch nur im Szenario 2085. Die Ver- änderungen liegen zum grössten Teil im Bereich der Unsicherheit des Ensembles.

Abbildung 32 Saisonale Temperaturszenarien für die Station Grimsel Hospiz (Median mit 2.5 % und 97.5 % Perzentil, abgeleitet aus dem Ensemble) (Datengrundlage CH2011)

Abbildung 33 Saisonale Niederschlagsszenarien für das Grimselgebiet (Grimsel Hospiz, links) und das Seeland (Mühleberg, rechts) (Median mit 2.5 % und 97.5 % Perzentil, abgeleitet aus dem Ensemble) (Datengrundlage CH2011)

32 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Von Interesse wären die Veränderungen bei der Dauer von Trockenphasen. Dazu lassen sich jedoch aus den Szenariendaten keine Angaben ableiten, da mit der Delta Change Methode keine Veränderung in der Abfolge von Tagen mit und ohne Niederschlag abgebildet werden kann. Deutliche Veränderungen sind beim Verhältnis zwischen Schnee und Regen, mit einer Ver- schiebung zu mehr Niederschlag in Form von Regen zu erwarten, wie die Auswertung der Kli- maszenarien für die Station Grimsel Hospiz zeigt (Abbildung 34). In der Referenzperiode 1980 – 2009 beträgt der Schneeanteil auf 1900 m ü.M. im Mittel rund 62 %, im Szenario 2060 noch 50 % und im Szenario 2085 nur noch 46 %.

Abbildung 34 Aufteilung Schnee und Regen für das Grimselgebiet für die Referenzperiode und die Szenarien 2060 und 2085. (1. und 2. Zeile beziehen sich auf Höhe 1900 m ü.M.) (Datengrundlage CH2011)

Die saisonale Betrachtung (Abbildung 34 Mitte) zeigt, dass in der Referenzperiode im Winter auf 1900 m ü.M. fast der ganze Niederschlag in Form von Schnee fällt, im Szenario 2060 be- trägt der Regenanteil ca. 10 %, im Szenario 2085 bereits knapp 20 %. Auch im Frühling und insbesondere im Herbst wird der Regenanteil deutlich ansteigen. Während der Anteil Schnee im Herbst in der Referenzperiode noch 50 % beträgt, geht er im Szenario 2060 auf einen Drittel zurück, im Szenario 2085 auf einen Viertel. Bezogen auf die Höhenlage sind die Veränderungen

33 Multifunktionsspeicher im Oberhasli vor allem unterhalb 2000 m ü.M. relevant (Abbildung 34, unterste Zeile). Auf 2900 m ü.M. steigt der Regenanteil zwischen der Referenzperiode und dem Szenario 2085 nur noch um 9 % auf 26 %. Basierend auf den Klimaszenarien und den Gletscherrückzugsszenarien (vgl. Kap. 3.5) werden die Abflussbildung und die Zuflussszenarien zu den Speicherseen und Fassungen berechnet. Die Betrachtung der Komponenten für das Gesamtwasserdargebot im Einzugsgebiet Aare Brienzwi- ler (Abbildung 35) zeigt, dass in der Referenzperiode der Regen 29 % der Gesamtsumme aus- macht. Beim Szenario 2060 steigt dieser Wert auf 38 % und beim Szenario 2085 auf 45 %. Umgekehrt geht der Anteil aus der Gletscherschmelze von 12 % in der Referenzperiode auf 5 % im Szenario 2085 und die Schneeschmelze von 59 % auf 50 % zurück. Das bedeutet, dass der Anteil des direkt abfliessenden Gesamtwasserdargebots in Form von Regen um ca. 15 % zunimmt. Dies zeigt auch die Gegenüberstellung von Niederschlag und Abfluss für die Refe- renzperiode und die beiden Szenarien (Abbildung 36). Der Zusammenhang zwischen (flüssi- gem) Niederschlag und Abfluss wird immer enger, da die Speicherung von Wasser in der Schneedecke und im Gletscher zurückgeht (Konfiguration ohne KWO).

Abbildung 35 Anteile Regen, Schnee- und Gletscherschmelze am Gesamtwasserdargebot für die Referenzperiode und die Szenarien 2060 und 2085

Abbildung 36 Scatterplots für Jahresniederschlag und Jahresabfluss bei der Station Aare Brienzwiler für die Referenzperiode und die Szenarien 2060 und 2085

Abhängig von den Eigenschaften der Teileinzugsgebiete ergeben sich aus den Klimaszenarien unterschiedliche Auswirkungen. Dies zeigt die Gegenüberstellung der beiden Szenarien mit der Referenzperiode für die 4 Teileinzugsgebiete Grimselsee, Räterichsbodensee, Triftsee und Gad- merwasser (Abbildung 37). In Tabelle 11 sind die Mittlere Höhe der Teileinzugsgebiete und der Gletscheranteil sowie die Veränderungen beim Wasserdargebot zusammengestellt. Die Verän- derungen im monatlichen Wasserdargebot sind für den Grimselsee, den Räterichsbodensee und den Triftsee ähnlich. In allen drei Gebieten kommt es zu einem früheren Anstieg des Was- serdargebotes, wobei das maximale Wasserdargebot im ähnlichen Bereich liegt wie bei der Re- ferenzperiode. Beim Grimselsee und beim Triftsee ist im Szenario 2060 der absteigende Teil der Kurve des Wasserdargebotes vergleichbar mit der Referenzperiode. Im Szenario 2085 setzt der Abstieg jedoch früher ein, so dass für die Monate Juli und August deutlich tiefere Werte resul- tieren. Beim Räterichsbodensee tritt dieser starke Rückgang bereits beim Szenario 2060 auf.

34 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Beim Gadmerwasser liegt das maximale Wasserdargebot in den beiden Szenarien wie in der Referenzperiode im Mai, die Spitzen fallen jedoch deutlich tiefer aus. Dafür ist das Dargebot im Winter höher. Diese Veränderungen des Wasserdargebotes widerspiegeln die Einzugsgebietseigenschaften (vgl. Tabelle 11). Im Szenario 2060 resultiert für das Gebiet Grimselsee und Triftsee eine Zu- nahme des Wasserdargebotes um gut 15 %, was auf den hohen Vergletscherungsgrad in den beiden Gebieten zurückzuführen ist. Mit den stark reduzierten Gletscherflächen im Szenario 2085 resultiert hier nur noch eine geringe Zunahme bzw. eine Abnahme. Beim Räterichsboden- see liegen die Wasserdargebote für beide Szenarien im gleichen Bereich wie in der Referenzpe- riode. Die Verschiebungen sind hier durch die frühere Schneeschmelze bedingt und die fehlen- den Gletscher führen zu einem raschen Rückgang des Wasserdargebotes im Sommer. Beim Gadmerwasser ist in beiden Szenarien eine Abnahme des Wasserdargebotes zu erwarten. Durch die tiefere Lage nimmt hier der Schneeeinfluss ab, wodurch das Dargebot im Winter aufgrund der grösseren Regenmenge zunimmt, im Sommer aber wegen reduzierter Schnee- schmelze deutlich abnimmt.

Abbildung 37 Wasserdargebot für die Referenzperiode und die Szenarien 2060 und 2085 für die Teileinzugsgebiete Grimselsee, Räterichsbodensee, Triftsee, Gadmerwasser

Tabelle 11 Eigenschaften der Teileinzugsgebiete und Veränderung des Wasserdargebotes in den Szenarien 2060 und 2085

Parameter Grimselsee RäBoSee Triftsee Gadmerwasser Mittlere Höhe 2664 2294 2664 1633 Gletscheranteil 34.1 % 1.6 % 46.0 % 0.0 % Veränderung Wasserdargebot Szenario 2060 +16.5 % -1.2 % +15.5 % -4.6 % Szenario 2085 -4.8 % -1.0 % +1.8 % -5.2 %

35 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Wie in Kapitel 5.3 beschrieben, wird für die Einzugsgebiete ab dem Brienzersee bis ins Seeland nur das Wasserdargebot für die Referenzperiode und das Szenario 2085 berechnet. Dazu kommt das gleiche Simulationsmodell mit den gleichen Parametern und Gradienten zum Ein- satz, wie für die Gebiete oberhalb des Brienzersees. Einzig die Temperaturgradienten werden basierend auf anderen Stationen berechnet: § Einzugsgebiete Brienzersee (Abbildung 1): Grimsel Hospiz / Jungfraujoch § Einzugsgebiet Thunersee: Adelboden / Jungfraujoch § Einzugsgebiet Saane: Plaffeien / Moléson § Einzugsgebiet Aare bis Einmündung Saane: Bern / Plaffeien

Bei der Berechnung der Gradienten gibt es im Winter in den beiden tiefer gelegenen Einzugs- gebieten Probleme wegen der Inversionslagen. Die Temperaturen in höheren Lagen werden dann überschätzt. Dies wirkt sich vor allem auf die Schneeschmelze aus, was jedoch bei der langfristigen Betrachtung nur einen geringen Einfluss hat. Bei der Schnee/Regen-Aufteilung spielt dies kaum eine Rolle, da bei Niederschlagssituationen kaum Inversionslagen auftreten. Die Resultate werden für die folgenden Teileinzugsgebiete aggregiert: § Brienzersee ohne Aare – Brienzwiler bis Ausfluss Thunersee § Aare Thun bis Einmündung Saane § Saane

Im langjährigen Mittel ergeben sich für alle drei Teileinzugsgebiete für das Szenario 2085 leicht höhere Wasserdargebote als für die Referenzperiode (ca. 5 % höher). Demgegenüber resultier- te in der BAFU-Studie, die die Auswirkungen der Klimaänderung auf die Wasserressource und Gewässer beschreibt für die Aare Hagneck eine Abnahme des Abflusses um 2.9 % [2]. Der Un- terschied könnte daher rühren, dass in der BAFU-Studie die Veränderung bei der Verdunstung berücksichtigt wird. Bei der vorliegenden Berechnung des Wasserdargebotes wird diese jedoch nicht berücksichtigt. Weiter besteht eine Unsicherheit, wie sich die Übertragung der Nieder- schlagsgradienten aus dem östlichen Berner Oberland in die übrigen Regionen auswirkt. In Abbildung 38 wird der mittlere Jahresverlauf des Wasserdargebotes für die 30-Jahresperiode im Szenario 2085 mit der Referenzperiode für das gesamte Gebiet vom Brienzersee bis ins See- land verglichen. Der Vergleich zeigt, dass in den Monaten Juni bis August das Wasserdargebot im Szenario 2085 unter dem der Referenzperiode liegt. Im Juli ist die Differenz mit gut 25 % am grössten, was hauptsächlich auf niedrigere Niederschlagsmengen und auf den Rückgang bei der Gletscherschmelze zurückzuführen ist. Vom Oktober bis April liegt das Wasserdargebot im Szenario 2085 über dem der Referenzperiode. In den Monaten Mai und September ist es in beiden Perioden ungefähr gleich. Die Auswertung der Komponenten des Gesamtwasserdargebotes in Abbildung 39 zeigt, dass der Anteil des Regens am Gesamtwasserdargebot in allen Teileinzugsgebieten zunimmt, am wenigsten im Teileinzugsgebiet Aare bis Einmündung Saane. Hier ist bereits in der Referenzpe- riode der Schnee kaum von Bedeutung. Am grössten ist die Veränderung im Teileinzugsgebiet Thunersee. Hier nimmt vor allem die Bedeutung der Schneeschmelze deutlich ab. Gletscher sind in diesem Einzugsgebiet von untergeordneter Bedeutung, in den beiden anderen Gebieten kommen sie nicht vor.

36 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 38 Mittleres monatliches Wasserdargebot für die 30-Jahresperiode für die Referenzperiode und das Szenario 2085 (gesamtes Einzugsgebiet vom Brienzersee bis ins Seeland)

Abbildung 39 Anteil Regen, Schnee- und Gletscherschmelze am Wasserdargebot für die Teileinzugsgebiete Thunersee, Aare bis Einmündung Saane und Saane für die Referenzperiode und das Szenario 2085

37 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

5.5 Ergebnisse Aare-Einzugsgebiet bis Brienzersee

5.5.1 Situation ohne KWO-Infrastruktur Mit der ersten Konfiguration werden die Auswirkungen des Klimawandels analysiert, die sich alleine aus den Veränderungen beim Niederschlag, bei der Schneeschmelze und bei der Glet- scherschmelze ergeben. Dazu werden Simulationen der 30-jährigen Reihen für die Referenzpe- riode und die Szenarien 2060 und 2085 durchgeführt und daraus die Veränderungen im Ab- fluss Aare Brienzwiler abgeleitet. Die Resultate zeigen, dass sich in beiden Szenarien der höchs- te Monatsabfluss gegenüber der Referenzperiode vom Juni auf den Mai vorverschiebt und der Abfluss im Juli und August vor allem beim Szenario 2085 um mehr als 30 m³/s auf unter 50 m³/s zurückgeht (Abbildung 40). Im September beträgt der Rückgang noch 10 m³/s. Die Ver- schiebung der Abflussspitze ist durch die frühere Schneeschmelze begründet und der niedrigere Abfluss in den Monaten Juli, August und September ist auf die reduzierte Gletscherschmelze zurückzuführen. In den übrigen Monaten liegt der Abfluss bei den Szenarien über der Refe- renzperiode, im Szenario 2085 im Mai knapp 25 m³/s. Das mittlere Abflussvolumen pro Jahr nimmt im Szenario 2060 um gut 4 % oder knapp 50 Mio. m³ zu. Im Szenario 2085 resultiert ein Rückgang von ca. 2.5 % oder knapp 30 Mio. m³. In Abbildung 41 sind die neben den Mo- natsmitteln (Median) auch die 2.5 und 97.5 % Perzentile der Ensembles für die Szenarien 2060 und 2085 dargestellt. Die Gegenüberstellung mit den Werten aus der Referenzperiode zeigt, dass die Veränderungen in den Monaten Juli bis September ausserhalb der Perzentile liegen und sich damit nicht mit der Modellunsicherheit erklären lassen.

Abbildung 40 Abfluss-Szenarien für die Station Aare Brienzwiler 2060 und 2085: mittlere Monatsabflüsse (links) und monatliche Abweichungen zur Referenzperiode (rechts)

Abbildung 41 Abfluss-Szenarien 2060 und 2085 für die Station Aare Brienzwiler mit Modellunsicherheit (abgeleitet aus den Ensembles) und Referenz

Übertragen auf das Abflussvolumen resultieren im Szenario 2060 zwischen Oktober und Mai Überschüsse und im Juli und August Defizite. In der Summe resultiert für das erste Halbjahr ein Überschuss von 100 Mio. m³, über das ganze Jahr ein solcher von 50 Mio. m³. Im Szenario

38 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

2085 resultieren im Sommer mit 90 bzw. 100 Mio. m³ deutlich höher Defizite. Im Mai resultiert ein Überschuss von 65 Mio. m³. Die Überschüsse reichen in der Summe jedoch nicht aus, um die Defizite zu decken. Dieses beträgt über das Jahr ca. 25 Mio. m³.

Abbildung 42 Monatliche Volumendifferenzen zwischen den Szenarien und dem Median der Referenzperiode für die Aare Brienzwiler ohne Bewirtschaftung KWO

Die bisherigen Aussagen beziehen sich auf die mittleren Werte der 30-Jahresperioden für die Referenzperiode und die beiden Szenarien 2060 und 2085. Im Folgenden wird das Trockenjahr 2003 in die beiden Szenarien 2060 und 2085 übertragen. Dabei wird wiederum eine Situation ohne die Installationen der KWO simuliert. Der Vergleich der Monatsmittel für die beiden Sze- narien 2060 und 2085 mit der Referenzperiode zeigt wiederum, dass die Veränderungen aus- serhalb der Perzentile, welche die Modellunsicherheit abbilden, liegen (Abbildung 43) und so- mit nicht durch die Modellunsicherheit begründet sind. Im Szenario 2060 trifft dies für die Mo- nate Juni bis August zu, im Szenario 2085 zusätzlich für den Monat September. Die Spitzen treten in den gleichen Monaten auf wie in der Referenzperiode, liegen jedoch tiefer. (Im Szena- rio 2060 ca. 20 m³/s, im Szenario 2085 ca. 40 m³/s).

Abbildung 43 Abfluss-Szenarien 2060 und 2085 für eine Situation analog 2003 für die Station Aare Brienzwiler mit Modellunsicherheit (abgeleitet aus den Ensembles) und Referenz

In einem weiteren Vergleich werden die Monatsabflüsse Aare Brienzwiler des Jahres 2003 für die Referenzperiode und die beiden Szenarien den Medianwerten und dem 10 % bzw. dem 90 % Perzentil aus der gesamten Referenzperiode gegenübergestellt (Abbildung 44). Der Ver- gleich des Jahres 2003 aus der Referenzperiode mit dem Medianwert der Gesamtperiode zeigt,

39 Multifunktionsspeicher im Oberhasli dass der Anstieg des Abflusses in beiden Fällen im Mai einsetzt, dann im Trockenjahr aber stei- ler verläuft und die Abflussspitze einen Monat früher auftritt als im Mittel der Referenzperiode. Die Spitze liegt etwas über dem 90 % Perzentil der Monatsmittel der Referenzperiode. Der ab- steigende Ast der Kurve liegt im Juli unter dem Medianwert und verläuft im August und Sep- tember etwas unter dem 10 % Perzentil.

Abfluss Aare Brienzwiler: Szenarien Jahr 2003 vs. Monatsmittel Referenzperiode (ohne KWO) 140

120

100

80

60 fluss [m³/s]

Ab 40

20

0 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Median 10 % Perzentil 90 % Perzentil Referenz, Jahr 2003 Szenario 2060, Jahr 2003 Szenario 2085, Jahr 2003

Abbildung 44 Monatsmittel-Abflüsse für das Jahr 2003 für die Referenzperiode und die Szenarien 2060 und 2085 im Vergleich mit dem Median und dem 10 bzw. 90 % Perzentil der Monatsmittel aus der gesamten Referenzperiode (Konfiguration ohne KWO).

Im Szenario 2060 verläuft der Anstieg ab Mai noch steiler als in der Referenzperiode. Die Spitze wird wie in der Referenzperiode im Juni erreicht, liegt aber 20 m³/s tiefer. Im absteigenden Ast liegt der Abfluss ab Juli bis September deutlich unter dem 10 % Perzentil. Im Szenario 2085 verläuft der Anstieg ähnlich wie im Szenario 2060. Die Spitze wird ebenfalls im Juni erreicht, wobei der Wert nur wenig über dem Mai-Abfluss liegt. Im absteigenden Ast liegen die Werte deutlich unter dem 10 % Perzentil. Im August fällt der Abfluss unter die Hälfte des 10 % Perzentils und beträgt noch 30 % des Medianwertes der gesamten Referenzperiode. Diese Vergleiche zeigen, dass ohne die Speicherung in den Stauseen die Veränderungen in einem Trockenjahr im Vergleich mit der Referenzperiode, aber auch unter den verschiedenen Szenari- en sehr markant sind. In Abbildung 45 sind die Volumendifferenzen für die beiden Szenarien im Vergleich zum Medi- an und zum 10 % Perzentil für die Aare Brienzwiler zusammengestellt. Daraus geht hervor, dass im Szenario 2060 im Vergleich mit dem Medianwert bis Ende Juni ein Volumenüberschuss von knapp 125 Mio. m³ resultiert und bis Ende August aufgezehrt wird. Im Szenario 2085 liegt der maximale Überschuss etwas höher. Ab Juli resultiert jedoch ein Defizit, das im September einen Wert von 200 Mio. m³ erreicht.

40 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 45 Monatliche Volumendifferenzen beim Abfluss Aare Brienzwiler für das Jahr 2003 zwischen dem Median, bzw. dem 10 % Perzentil und den Szenarien 2060 und 2085 (ohne KWO)

5.5.2 Situation mit der aktuellen KWO-Infrastruktur Im Folgenden wird der Einfluss der Speicherbewirtschaftung durch die KWO auf den Abfluss analysiert. Der Vergleich der mittleren monatlichen Abflüsse für die Referenzperiode mit und ohne KWO für die Aare Brienzwiler in Abbildung 46 zeigt, dass Wasser in den Monaten Mai bis August zurückgehalten und ab Oktober bis April abgegeben wird. Der September ist annä- hernd ausgeglichen. Der Rückhalt erreicht in den Monaten Juni und Juli Werte von gut 30 m³/s. In den Wintermonaten werden im Mittel ca. 14 m³/s aus den Speichern abgegeben. Dieser Ver- lauf entspricht der klassischen Bewirtschaftung der Speicherseen in den Alpen.

Abbildung 46 Vergleich des mittleren Monatsabflusses mit und ohne KWO für die Referenzperiode

Wie im Kapitel 5.4 gezeigt wurde, werden sich die Zuflüsse zu den Speicherseen im Zusam- menhang mit dem Klimawandel verändern. Unter der Annahme, dass die heutige Speicherbe- wirtschaftung durch die KWO beibehalten wird, ergeben sich für die beiden Szenarien 2060 und 2085 die in Abbildung 47 dargestellten Veränderungen des Abflusses in der Aare Brienzwi- ler. Diese beziehen sich auf die mittleren Verhältnisse der 30-Jahresperioden. In den Monaten Juli bis September werden die Abflüsse im Szenario 2085 stark zurückgehen, in den übrigen Monaten aber zunehmen. Im Szenario 2060 resultiert ein ähnliches Bild, wobei nur im August

41 Multifunktionsspeicher im Oberhasli ein starker Rückgang des Abflusses resultiert.

Abbildung 47 Vergleich des mittleren Monatsabflusses für die beiden Szenarien 2060 und 2085 mit der Referenzperiode unter Berücksichtigung des Einflusses der KWO

Bezogen auf das Abflussvolumen ergeben sich die in Abbildung 48 dargestellten Veränderun- gen. Im Szenario 2060 werden im Vergleich zur Referenzperiode pro Jahr gut 92 Mio. m³ mehr abfliessen, im Szenario 2085 nur noch gut 18 Mio. m³ (Abbildung 48). Im Jahresverlauf resul- tiert für das Szenario 2060 zwischen Januar und Juni ein Überschuss von knapp 100 Mio. m³. Dieser wird in den folgenden 3 Monaten um ca. 40 Mio. m³ reduziert. Anders sieht es im Szenario 2085 aus. Hier resultiert in den ersten 6 Monaten ein Überschuss von knapp 130 Mio. m³, der in den beiden Folgemonaten vollständig abgebaut wird. Für den September und den Oktober resultiert insgesamt ein Defizit, im Jahresmittel ist die Bilanz aber immer noch ausgeglichen. Im Szenario 2060 resultiert sogar ein Überschuss von knapp 100 Mio. m³.

Abbildung 48 Monatliche Volumendifferenzen zwischen den Szenarien und dem Median der Referenzperiode für die Aare Brienzwiler mit Bewirtschaftung KWO analog heute

Entscheidender als die mittleren Bedingungen sind jedoch die Verhältnisse in einem Trocken- jahr. Wie in Kapitel 5.3 gezeigt wurde, können extreme Trockenjahre deutlich von den mittle- ren Verhältnissen abweichen. Deshalb wird zusätzlich ein extremes Trockenjahr analog dem Jahr 2003 detaillierter analysiert. Dieses war bezogen auf das hydrologische Jahr (Oktober 2002 – September 2003) das fünfttrockenste Jahr in der Referenzperiode 1980 - 2009. Beim Jahres-

42 Multifunktionsspeicher im Oberhasli abfluss liegt es jedoch auf Rang 3, da die hohen Temperaturen zu einer intensiveren Gletscher- schmelze führten. In den Klimaszenarien ergibt sich ein anders Bild: Im Szenario 2060 erreicht der Jahresabfluss noch Rang 13 und im Szenario 2085 noch Rang 19. Durch den Rückgang der Gletscher kann auch bei sehr hohen Temperaturen weniger Eis geschmolzen werden. Für die Analyse werden die Monatsmittel der Abflüsse für die Referenzperiode und die Szenari- en 2060 und 2085 wiederum mit dem Median und dem 10 bzw. 90 % Perzentil der gesamten Referenzperiode verglichen, dies bezogen auf das Jahr 2003 (Abbildung 49). Für die Simulatio- nen wird davon ausgegangen, dass die Speicherbewirtschaftung gegenüber heute unverändert ist. Der Vergleich zeigt, dass für die Referenzperiode der Abfluss im Mai und Juni über dem 90 % Perzentil der Gesamtperiode liegt. Im Juli liegt er im Bereich des Median und ab August bis No- vember im Bereich des 10 % Perzentil. Im Szenario 2060 liegt der Abfluss ab Mai bis zur Spitze im Juni deutlich über dem 90 % Perzentil. Ab Juli bis September liegt er unter dem 10 % Perzentil. Im Szenario 2085 ist die Abflussspitze wesentlich tiefer und wird bereits im Mai er- reicht. Im Juni geht der Abfluss leicht, anschliessend stark zurück und liegt dann ab Juli bis Sep- tember deutlich unter dem 10 % Perzentil. Das bedeutet, dass in Zukunft in einem extremen Trockenjahr wie 2003 im Spätsommer und Herbst ohne Massnahmen der Abfluss der Aare im Haslital nur noch ein Drittel des durchschnittlichen Abflusses betragen würde. Dieser Effekt ist mit und ohne KWO-Speicherbecken zu beobachten.

Abbildung 49 Monatsmittel-Abflüsse für das Jahr 2003 für die Referenzperiode und die Szenarien 2060 und 2085 im Vergleich mit dem Median und dem 10 bzw. 90 % Perzentil der Monatsmittel aus der gesamten Referenzperiode (Konfiguration mit KWO).

Die Volumenbetrachtung (Abbildung 50) zeigt, dass beim Szenario 2060 im Vergleich mit dem Median der Gesamtperiode in den Monaten Juli bis September ein Defizit von 112 Mio. m³ re- sultiert. Dies entspricht den Überschüssen aus den Vormonaten. Bezogen auf das 10 % Perzentil beschränkt sich das Defizit auf die Monate August und September und beträgt nur noch 40 Mio. m³. Für das Szenario 2085 beträgt die Differenz zum Mittel 255 Mio. m³ und umfasst die Monate Juli bis Oktober. Hier reichen die Überschüsse der Vormonate nicht aus, um das Defizit zu decken. In der Summe beträgt das Defizit zum Median gut 100 Mio. m³. Im Vergleich zum 10 % Perzentil beträgt das Defizit in den Monaten Juli bis September noch 136 Mio. m³.

43 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 50 Monatliche Volumendifferenzen beim Abfluss Aare Brienzwiler für das Jahr 2003 zwischen dem Median, bzw. dem 10 % Perzentil und den Szenarien 2060 und 2085 (mit KWO)

Vergleicht man die Auswirkungen des Klimawandels auf den Abfluss für die Situationen ohne und mit KWO dann zeigt sich, dass sowohl bei den mittleren Verhältnissen der 30- Jahresperiode (Abbildung 42 und Abbildung 48) als auch beim Trockenjahr (Abbildung 45 und Abbildung 50), mit der heutigen Bewirtschaftung eine Reduktion der Defizite im Sommer und Herbst erreicht wird. Für die Sommermonate resultieren für die Klimawandelszenarien jedoch immer noch grosse Defizite. Die Frage stellt sich deshalb, was diese Defizite bewirken und mit welchen Anpassungen eine Umlagerung der Überschüsse aus dem Winter und Frühling in den Sommer erreicht werden könnte. In Abbildung 51 sind für die beiden Szenarien 2060 und 2085 mögliche Anpassungen der Speicherbewirtschaftung dargestellt, mit denen erreicht werden kann, dass sich der Abfluss in der Aare Brienzwiler im Jahresverlauf nicht wesentlich ändert. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein minimaler Füllgrad der Seen von ca. 20 % analog den heutigen Füllgradkurven nicht unterschritten werden sollte. Die Auswertung zeigt, dass dieses Ziel im Szenario 2060 ohne allzu grosse Veränderungen er- reicht werden kann. Der maximale Füllgrad wird mit dem zusätzlichen Wasser im Frühling be- reits im Juli erreicht, so dass ab August Wasser abgegeben werden kann. Im Szenario 2085 sind grössere Umlagerungen notwendig. Der maximale Füllgrad muss hier im Juni erreicht wer- den. Anschliessend erfolgt in den Monaten August und September eine starke Absenkung. Mit diesen Speicherverläufen können die Abflussverhältnisse analog der heutigen Situation erhalten werden (Abbildung 52). Die Abflüsse liegen im Sommer und Herbst leicht über den heute ge- messenen Abflusswerten. Damit ist jedoch der Handlungsspielraum, zumindest im Szenario 2085, weitgehend erschöpft. Für die Stromproduktion im Winter würde nur noch ca. die Hälfte des Speichervolumens zur Verfügung stehen. Ob eine solche Bewirtschaftung aus betrieblicher und wirtschaftlicher Sicht machbar und aus ökologischer Sicht sinnvoll ist, kann im Rahmen dieser Studie nicht geprüft werden. Immerhin hat die Analyse des Hitzesommers 2015 gezeigt, dass unter den damaligen Bedingungen eine frühere Abarbeitung der gespeicherten Wassermengen wirtschaftlich interessant war (vgl. Kap. 5.1).

44 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 51 Füllgrade der Speicherseen (ohne Triftsee) für die Szenarien 2060 und 2085 im Vergleich mit der Referenzperiode

Abbildung 52 Monatsabflüsse für die Umlagerungsszenarien verglichen mit den Abflussmessungen bei der Station Aare Brienzwiler für die Referenzperiode

5.5.3 Situation mit Triftsee Mit dem zusätzlichen Speichervolumen des Triftsees eröffnen sich neue Möglichkeiten für die saisonale und interannuelle Umlagerung von Wasser. Dabei wird nicht untersucht, ob eine sol- che Umlagerung mit dem Ziel, die Auswirkungen des Klimawandels zu reduzieren, aus ökologi- scher Sicht sinnvoll ist oder sonst im öffentlichen Interesse liegt. Im Folgenden werden neben der Analyse von extremen Trockenjahren die Möglichkeiten der Umlagerung über die gesamte 30-jährige Szenarienperiode analysiert. Im Gegenzug wird auf eine Analyse der mittleren Ver- hältnisse in der 30-jährigen Periode verzichtet. Für die Analyse der extremen Trockenjahre werden die hydrologischen Jahre 2003 und 2004 betrachtet. Diese umfassen den Zeitraum vom 1. Oktober 2002 bis 30. September 2004. Als Zielgrösse dient dabei nicht mehr wie in der vorherigen Analyse der Füllgrad der Seen, sondern der Abfluss an der Station Aare Brienzwiler. Das bedeutet, dass die Seen so bewirtschaftet werden, dass die Zielgrösse erreicht wird. Für folgende zwei Zielgrössen wird die Analyse durchgeführt (Abbildung 53): § Zielgrösse Median: Median der monatlichen Abflüsse für die Referenzperiode § Zielgrösse Median Plus: 90 % Perzentil der monatlichen Abflüsse für die Referenzperiode im Sommer, 10 % Perzentil für den Winter und in der Übergangszeit der Medianwert Mit der ersten Zielgrösse soll erreicht werden, dass im Fall von Trockenheit die Situation durch verminderten Zufluss aus dem Oberhasli nicht zusätzlich verschärft wird. Mit der zweiten Ziel-

45 Multifunktionsspeicher im Oberhasli grösse sollen die verminderten Zuflüsse aus den unterliegenden Gebieten teilweise kompensiert werden.

Abbildung 53 Zielgrössen für den Abfluss an der Station Aare Brienzwiler

Um diese Zielgrössen zu erreichen werden als erstes die Zuflüsse berücksichtigt, die unterhalb der Speicherseen und Fassungen liegen. Der fehlende Anteil wird den Speicherseen entnom- men. In Abbildung 54 sind die Abflüsse an der Aare Brienzwiler resultierend aus der Zielgrösse Median für das Trockenjahr dargestellt. Für die Referenzperiode resultiert ein maximaler Ab- fluss, der über der Zielgrösse liegt. Grund dafür ist, dass die Speicherkapazität der Seen im Juli ausgeschöpft ist und das überschüssige Wasser turbiniert werden muss (Abbildung 55 oben). In den Monaten Juli bis November liegt der Abfluss über dem Abfluss, wie er im Jahr 2003 effek- tiv aufgetreten ist. Der Abfluss im Szenario 2085 entspricht ziemlich genau der Zielgrösse Me- dian (Abbildung 54 unten). In Abbildung 55 ist das gespeicherte Wasservolumen im Vergleich mit dem aus dem „heutigen“ Füllgradverlauf abgeleiteten Wasservolumen (Normkurve REFE) dargestellt, wobei beim heuti- gen Füllgradverlauf auch das Speichervolumen des Triftsees mit einem analogen Füllgradverlauf wie beim Grimselsee berücksichtigt ist. Zusätzlich wird für das Szenario 2085 die Unsicherheit, die sich aus den Klimaszenarien ergibt, dargestellt. Die Auswertungen zeigen, dass sowohl in der Referenzperiode als auch im Szenario 2085 das maximale gespeicherte Wasservolumen früher erreicht wird als in der Normkurve. Die Abarbeitung der gespeicherten Wasservolumen beginnt bereits im Juli (Szenario 2085) bzw. im August (Referenzperiode) und nicht erst im Ok- tober wie unter heutigen Bedingungen. Das minimal gespeicherte Volumen wird im April oder Mai des Folgejahres erreicht und liegt mit ca. 25 Mio. m³ unter dem Wert der Normkurve. Trotzdem wird diese im August (Referenz) bzw. im Mai (Szenario 2085) wieder erreicht. Der Abfluss Aare Brienzwiler für die Zielgrösse Median Plus im Szenario 2085 ist in Abbildung 56 dargestellt, die Entwicklung des gespeicherten Wasservolumens in Abbildung 57. Auch hier zeigt sich, dass die Zielgrösse erreicht werden kann. Die gespeicherte Wassermenge sinkt dabei jedoch bereits im August unter 50 Mio. m³ und verharrt bis in den März auf tiefem Niveau. Da- bei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Unsicherheit aufgrund der Klimaszenarien in die- sem Zeitraum sehr gross ist.

46 Multifunktionsspeicher im Oberhasli ³/s] [m

Abbildung 54 Abfluss Aare Brienzwiler für die Zielgrösse Median, Referenzperiode (oben) und Szenario 2085 (unten), hydrologische Jahre 2003/2004 im Vergleich mit dem Abfluss der Referenzperiode ohne Triftsee

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Abbildung 55 Gespeichertes Wasservolumen für die Zielgrösse Median für die Referenzperiode (oben) und das Szenario 2085 (unten), hydrologische Jahre 2003/2004 (hellblau: Unsicherheitsbereich)

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Abbildung 56 Abfluss Aare Brienzwiler für die Zielgrösse Median Plus, Szenario 2085, hydrologische Jahre 2003/2004 im Vergleich mit dem Abfluss der Referenzperiode ohne Triftsee

Abbildung 57 Gespeichertes Wasservolumen für die Zielgrösse Median Plus für das Szenario 2085, hydrologische Jahre 2003/2004 (hellblau: Unsicherheitsbereich)

Die Auswertung der Szenarien für das Trockenjahr 2003 zeigt, dass es mit dem in den Spei- cherseen der KWO inkl. Triftsee gespeicherten Wasser möglich ist, in der Aare bis zum Brien- zersee das Defizit in einem extremen Trockenjahr unter Bedingungen der Klimaänderung aus- zugleichen und sogar zusätzliches Wasservolumen zu liefern. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass der Herbst 2002 niederschlagsreich war und so weniger Wasser aus den Seen abgegeben werden musste, um die Zielgrösse zu erreichen. Dies macht deutlich, dass auch der interannuelle Ausgleich berücksichtigt werden muss. Dies zeigt auch die Abbildung 58: die jähr- lichen Abflussvolumen weisen beträchtliche Unterschiede auf, wobei die interannuellen Schwankungen ca. doppelt so gross sind wie die Unsicherheit aufgrund der Klimaszenarien. Für das Szenario 2085 reichen die jährlichen Abflussvolumen von 920 Mio. m³ bis 1433 Mio. m³. Damit besteht grundsätzlich das Potenzial, Reserven über mehrere Jahre anzulegen.

49 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 58 Jährliches Abflussvolumen Aare Brienzwiler für das Szenario 2085 mit Unsicherheiten

Um das Potenzial des interannuellen Ausgleichs zu prüfen, wurden die beiden oben beschrie- benen Zielgrössen für die 30-Jahresperiode auf das Szenario 2085 angewendet. Für die Ziel- grösse Median sind die Resultate in Abbildung 59 dargestellt. Die Resultate zeigen, dass die Zielgrösse von gut 60 m³/s im Sommer in den meisten Jahren erreicht werden kann und ge- genüber dem Szenario ohne Triftsee auch kein rascher Rückgang im Sommer stattfindet (Abbildung 59 oben). Die Abflüsse, die deutlich über der Zielgrösse liegen, sind darauf zurück- zuführen, dass viel Wasser aus Gebieten unterhalb der Speicherseen und Fassungen zufliesst und so nicht gespeichert werden konnte. Die Auswertung des gespeicherten Wasservolumens (Abbildung 59 unten) zeigt, dass das Speichervolumen auch unter Berücksichtigung der Unsi- cherheit in den Klimaszenarien nie vollständig ausgeschöpft wird. Es sind jedoch beträchtliche Schwankungen zu verzeichnen. So liegt in den Jahren 1989 und 1995 das maximal gespeicher- te Volumen nur wenig über 150 Mio. m³, in anderen Jahren jedoch im Bereich der maximalen Speicherkapazität von 276 Mio. m³. Die Ergebnisse für die zweite Zielgrösse „Median Plus“ sind in Abbildung 60 dargestellt. Die Auswertung zeigt, dass auch die Zielgrösse von 80 m³/s Abfluss im Sommer in den meisten Jahren erreicht werden kann und auch hier kein frühzeitiger Rückgang des Abflusses im Som- mer auftritt. Das gespeicherte Wasservolumen unterliegt jedoch in diesem Szenario sehr gros- sen Schwankungen und die Unsicherheit ist vor allem bei niedrigen Speichervolumen sehr gross.

50 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 59 Abfluss Aare Brienzwiler (oben) und gespeichertes Wasservolumen (unten) für das Szenario 2085, Zielgrösse Median

51 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 60 Abfluss Aare Brienzwiler (oben) und gespeichertes Wasservolumen (unten) für das Szenario 2085, Zielgrösse Median Plus

5.6 Ergebnisse Brienzersee bis Seeland Wie im Kapitel 5.4 beschrieben ergeben sich beim mittleren jährlichen Wasserdargebot im Sze- nario 2085 keine grösseren Veränderungen gegenüber heute, wohl aber beim saisonalen Ver- lauf. Die Veränderungen im Verlauf sind in allen drei Teileinzugsgebieten ähnlich (Abbildung 61). Im Winter liegt das Volumen im Szenario 2085 über den Werten der Referenzperiode, in den Sommermonaten Juni bis August unterhalb. Die grösste Veränderung resultiert für den Monat Juli. Hier liegt das Wasserdargebot im Szenario 2085 in allen Teileinzugsgebieten ca. 25 % unter dem Wert der Referenzperiode. Mit Ausnahme der Monate Januar, November und Dezember liegen jedoch die Werte des Szenarios 2085 im Bereich zwischen dem 10- und dem 90 % Quantil. Wesentliche Veränderungen ergeben sich jedoch in Trockenperioden. Hierzu wurde der Verlauf des Wasserdargebotes für das Jahr 2003 für die Referenzperiode und für das Szenario 2085 be- rechnet (Abbildung 62). Im Teileinzugsgebiet Thunersee lieg das Wasserdargebot in den Mona- ten Juli und August deutlich unter dem Mittelwert der Referenzperiode, im Frühling im gleichen Bereich und im Herbst darüber. Im August liegt der Wert auch unterhalb dem 10 % Quantil. In

52 Multifunktionsspeicher im Oberhasli den beiden andern Gebieten liegt das Wasserdargebot bereits im Frühling unter dem Mittel- wert der Referenzperiode. Auch hier wird im August das 10 % Quantil knapp unterschritten. Der Zusammenzug über alle drei Teileinzugsgebiete ergibt maximale Defizite von 350 bzw. 470 Mio. m³ in den Monaten Juli und August (Abbildung 63). Die Summe der Abweichungen steigt bis September auf knapp 1‘400 Mio. m³. Dies entspricht 5 Mal der Speicherkapazität der Stauseen im Grimselgebiet, inklusive Triftsee.

Abbildung 61 Mittleres monatliches Wasserdargebot für die 30-Jahresperiode für die Referenzperiode und das Szenario 2085 für die drei Teileinzugsgebiete

Abbildung 62 Monatliches Wasserdargebot für ein Trockenjahr wie 2003 für die Referenzperiode und das Szenario 2085 für die drei Teileinzugsgebiete im Vergleich zum langjährigen Monatsmittel der Referenzperiode (mit 10 bzw. 90 % Quantil)

53 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Abbildung 63 Differenz im Wasserdargebot zwischen einem Trockenjahr wie 2003 im Szenario 2085 und dem Monatsmittel der Referenzperiode für das gesamte Einzugsgebiet zwischen Brienzersee und Seeland.

5.7 Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen 5.7.1 Aare bis Einmündung in den Brienzersee Die Analysen zeigen, dass im Szenario 2060 in stark vergletscherten Gebieten das Wasserdar- gebot im Mittel zunehmen wird. Im Szenario 2085 sind ähnliche Werte wie heute oder tiefere Wasserdargebote zu erwarten. Trockenjahre unter heutigen Bedingungen führen wegen der verstärkten Gletscherschmelze zu einem erhöhten Abfluss in der Aare bis zum Brienzersee. Die Auswertung der Turbinierungsda- ten der KWO (Abbildung 64) zeigt, dass im Sommer 2003 in den Monaten Juni bis August in den Zentralen Innertkirchen 1 und 2 gut 67 Mio. m³ mehr Wasser turbiniert wurde als in nor- malen Jahren und somit auch mehr Wasser an die Unterlieger abgegeben wurde.

Abbildung 64 Turbinierte monatliche Wasservolumen in den Zentralen Innertkirchen 1 und 2 im Jahr 2003 verglichen mit dem Mittelwert der Jahre 1980 bis 2009

Im Szenario 2085 geht in einem Trockenjahr der Abfluss jedoch deutlich zurück. In den Mona- ten Juli bis September wird in Brienzwiler ein Defizit von gut 240 Mio. m³ gegenüber dem mitt-

54 Multifunktionsspeicher im Oberhasli leren Abfluss von heute erwartet. Dies übersteigt die heutige Speicherkapazität und liegt auch nur wenig unterhalb der Speicherkapazität mit Einbezug des Triftsees (276 Mio. m³). Verglichen mit dem 10 % Perzentil der mittleren Abflussvolumen beträgt das Defizit noch knapp 140 Mio. m³. Im Einzugsgebiet bis zum Brienzersee können sich Probleme infolge Trockenheit vor allem in der Landwirtschaft ergeben. Trockenheit wie in den Jahren 1976 oder 2003 führte wegen Fut- termangel in Gebieten mit Milch-/Viehwirtschaft zu Problemen. In der Talebene zwischen Mei- ringen und Brienzersee werden 57 % der Fläche als Naturwiese genutzt, 13 % als Ackerland. Milch- und Viehwirtschaft ist vorherrschend. Eine Beeinflussung der landwirtschaftlichen Nutzung durch das Grundwasser kann vor allem im unteren Talabschnitt nicht ausgeschlossen werden. Aus der Grundwasserkarte des Gebietes (Abbildung 65) lässt sich herleiten, dass der Flurabstand des Grundwassers gegen den Brienzer- see hin 1 – 2 m, im Gebiet von Meiringen mehr als 5 m beträgt. Die Fliessrichtungen in der Grundwasserkarte zeigen jedoch, dass das Grundwasser auch aus den Talflanken gespiesen wird. Dies wird im Bericht zur Hydrogeologie Haslital [22] bestätigt. Im Bericht wird auch auf die möglichen Auswirkungen des damaligen Projektes Grimsel West Bezug genommen. In die- sem Zusammenhang wird beschrieben, dass grössere Veränderungen beim Grundwasserspiegel infolge veränderter Wasserführung in der Aare nur unterhalb von Unterheid und hier nur zwi- schen Aare und Hauptkanal zu erwarten sind.

Abbildung 65 Grundwasserkarte Talboden Meiringen bis Brienzersee (Quelle: AWA)

In Kapitel 5.5 wurde gezeigt, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf den Abfluss und damit auf das Grundwasser bis Brienzwiler auch in Trockenjahren durch eine veränderte Be- wirtschaftung der KWO-Speicher weitgehend kompensiert werden könnten. Dies gilt insbeson- dere, wenn das zusätzliche Speichervolumen des Triftsees zur Verfügung steht. Dieses Bewirt- schaftungsszenario ist jedoch wenig realistisch, da der KWO eine wichtige Rolle in der Strom- netzstabilisierung zukommt. Durch diese Rolle wird die Autonomie der KWO in der Bewirtschaftung der Speicher stark eingeschränkt. Allenfalls ergeben sich Synergien, wenn we- gen der vermehrten Netzeinspeisung von Solarstrom im Sommer mehr Regelenergie benötigt wird. Ausserdem werden Laufkraftwerke im Mittelland im Winter mehr Strom produzieren, da mehr Niederschlag als Regen fällt. Im Sommer wird die Produktion jedoch zurückgehen, insbe- sondere in Trockenjahren. Auch dies könnte es wirtschaftlich interessant machen, im Sommer mehr Wasser aus den Speicherseen abzuarbeiten. Ob dies in Zukunft auch so eintreffen wird, lässt sich heute nicht sagen. Für die Landwirtschaft, die primär von Veränderungen im Grundwasserspiegel betroffen sein könnte, besteht die Möglichkeit, in Trockenjahren Wasser für die Bewässerung direkt aus der Aare zu entnehmen. Gemäss der Karte der Wasserentnahmen aus Oberflächengewässern gibt es für die Aare zwischen Meiringen und Brienzersee keine Einschränkungen.

55 Multifunktionsspeicher im Oberhasli

Für den Kanton Bern bedeutet dies, dass es im Hinblick auf das Trockenheitsmanagement be- zogen auf das Oberhasli bis Brienzersee nicht nötig ist, Massnahmen für die Bewirtschaftung der Speicherseen einzufordern. Dies gilt sowohl für die heutigen Bedingungen wie auch unter den Bedingungen des Klimawandels. Im Talboden zwischen Meiringen und Brienzersee dürfte die Bewässerungsbedürftigkeit in der Landwirtschaft jedoch zunehmen. Um diese abzudecken, wird in Zukunft der Bedarf für die Wasserentnahme aus der Aare ansteigen.

5.7.2 Brienzersee bis Seeland Aus den Berechnungen des Wasserdargebotes in den Teileinzugsgebieten zwischen Brienzersee und Seeland geht hervor, dass in mittleren Jahren die Veränderungen in der Jahressumme ge- ring sind, saisonal aber Veränderungen auftreten. Diese liegen jedoch im Schwankungsbereich der Referenzperiode. Anders sieht es in einem Trockenjahr wie 2003 aus. In einem solchen Jahr steigt das aufsum- mierte Defizit beim Wasserdargebot gegenüber der Referenzperiode auf 1‘400 Mio. m³. Dies entspricht einer hypothetischen Seespiegeländerung der Jurarandseen um 5 Meter. Das Defizit entspricht 7 Mal dem Volumen, das mit einer Bewirtschaftung der KWO-Speicher mit der Ziel- grösse „Median Plus“ umgelagert werden könnte. Dies zeigt klar, dass das in den Speicherseen der KWO gespeicherte Wasser bei weitem nicht ausreicht, um die Defizite im Wasserdargebot in einem Trockenjahr im Seeland zu decken. Betrachtet man jedoch nur die Wassermenge, die in der Landwirtschaft für die Bewässerung benötigt wird, dann liegt diese mit 20 Mio. m³ (vgl. Tabelle 9) eine Grössenordnung tiefer, als die 200 Mio. m³, die in den Sommer umgelagert werden könnte. Im Moment wird ein Grossteil des Wassers für die landwirtschaftliche Bewässerung dem Grundwasser entnommen. Wenn als Folge des Klimawandels der Grundwasserpegel eher absinken wird, sind davon auch die Trink- wasserfassungen betroffen. Deshalb sollte in Betracht gezogen werden, zukünftig den höheren Wasserbedarf für die landwirtschaftliche Bewässerung vermehrt aus den Oberflächengewäs- sern zu decken. Die Entnahme würde ca. 1 % des Wasserdargebotes der Aare in den Monaten Juni bis August im Gesamteinzugsgebiet Brienzersee bis Seeland in einem Trockenjahr im Sze- nario 2085 entsprechen. Im Aaretal unterhalb des Thunersees befinden sich wichtige Wasserfassungen für die Trinkwas- serversorgung der Stadt Bern und Umgebung. Das Wasser wird dem Grundwasserstrom ent- nommen. Dieser ist mit der Aare gekoppelt. Sollten sich hier im Zusammenhang mit dem Kli- mawandel Probleme ergeben, besteht die Möglichkeit, Wasser aus dem Thunersee aufzuberei- ten. Das gleiche gilt im Übrigen für Biel, wo vermehrt Wasser aus dem Bielersee aufbereitet werden könnte. Die Ausführungen zeigen, dass für das Trockenheitsmanagement in den Gebieten unterhalb des Thunersees die Speichervolumen im Oberhasli viel zu klein sind, als dass sie einen substan- tiellen Beitrag leisten könnten. Es gibt jedoch Alternativen, um die absehbaren Probleme zu bewältigen. Für den Kanton Bern bedeutet dies, dass im Hinblick auf das Trockenheitsmanagement zwi- schen Brienzersee und Seeland keine Massnahmen von Seiten der KWO eingefordert werden müssen. Es sind jedoch weitere Handlungsoptionen zu prüfen, um die Auswirkungen von sub- stantiellen Veränderungen im Wasserdargebot auf die Trinkwasserversorgungen und die Land- wirtschaft im Seeland abzupuffern.

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6 Zusammenfassende Beurteilung

Mit dem Klimawandel wird die Funktion der Gletscher in Form einer verzögerten Wasserabga- be im Sommer nur noch in sehr beschränktem Mass zur Verfügung stehen und die Abflussre- gimes werden sich entscheidend verändern. Zusätzlich wird es wesentliche Veränderungen beim saisonalen Wasserdargebot geben, weil mehr Niederschlag in Form von Regen fallen wird und sich die Schneeschmelze zeitlich verschiebt. Dies hat wesentliche Auswirkungen auf den Abfluss in der Aare. Die Veränderungen wirken sich aber auch auf die Bewirtschaftung der Speicherbecken durch die KWO aus. Die Speicherseen hätten das Potenzial, einen Teil der Funktion der Schnee- und Gletscherspeicher, die als Folge des Klimawandels teilweise oder ganz wegfallen wird, zu übernehmen, indem sie das anfallende Wasser verzögert und gezielt an die Unterlieger abgeben können. Mit einer Fokussierung auf diese Funktion würde jedoch die wichtige Aufgabe bei der Netzstabilisierung und generell eine wirtschaftliche Stromproduk- tion in Frage gestellt. Die Analysen zeigen auch, dass die Hauptproblemgebiete im Hinblick auf Trockenheit im Kan- ton Bern zu weit von den Speicherbecken der KWO entfernt sind, als dass sie einen massge- benden Beitrag zum Trockenheitsmanagement leisten könnten. Ein gewisser Beitrag ist allen- falls im Gebiet zwischen Meiringen und Brienzersee möglich, wo in Zukunft Trockenheit ver- mehrt zu einem Thema werden könnte. Doch gibt es hier, wie auch in den unterliegenden Gebieten effiziente Massnahmen, um die Trockenheitsproblematik abzupuffern. Im Hinblick auf den Hochwasserschutz leisten die Speicherseen der KWO einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion der Überflutungsgefährdung im Gebiet zwischen Meiringen und Brien- zersee. Eine Vergrösserung des freien Speichervolumens in den Speicherseen des Grimselgebie- tes bringt keine weitere Reduktion der Hochwassergefährdung. Mit dem Bau des Triftsees könnte jedoch eine weitere Verbesserung im Hochwasserschutz bis Brienzwiler erreicht wer- den, da bisher im Hochwasserfall im Sustengebiet kein substanzieller Wasserrückhalt möglich ist. Unterhalb des Brienzersees ist der Einfluss des Wasserrückhalts in den Speicherseen der KWO gering. Hier ist die dämpfende Wirkung des Brienzer- und des Thunersees von wesentlich grös- serer Bedeutung.

Bern, 8. August 2017

geo7 AG

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Anhang A Beschreibung Parameter für Schadenausmass

Intensität Grundsätzlich wurden die Überflutungstiefen aus der GHK übernommen und den einzelnen In- tensitäten zugeordnet.

Überflutungstiefe Intensität < 50 cm 1 schwach 50 – 200 cm 2 mittel > 200 cm 3 stark

Schadenempfindlichkeitswerte und Basiswerte Die Schadenempfindlichkeitswerte und der jeweilige Basiswert wurden bei eindeutiger Zuord- nungsmöglichkeit von EconoMe 4.0 übernommen (vgl. Tabelle 12) oder ansonsten von ähnli- chen Objektklassen hergeleitet. Für den Basiswert für Gebäude wurde der Basiswert eines Ein- familienhauses übernommen und diesen einer Gebäudegrundfläche von 10m x10m zugewie- sen.

Tabelle 12 Massgebende Empfindlichkeitswerte für die verschiedenen Objektkategorien

Objektkategorien Basiswert Empfindlichkeit

Klasse Beschreibung CHF / m2 schwach mittel stark 1 Gebäude 6500 0.15 0.3 0.6 2 Siedlungsgebiet / Bauzonen 50 0.2 0.35 0.85 3 Flugplatz 380 0.05 0.05 0.35 4 Nationalstrassen (25m breit) 380 0.05 0.05 0.35 5 Kantonsstrassen (12m breit) 340 0.05 0.1 0.45 6 Wichtige Gemeindestrassen (8m breit) 290 0.1 0.2 0.75 7 Übrige Strassen (durchschn. 4m) 175 0.1 0.2 0.75 8 Eisenbahn (durchschn. 8m breit) 1000 0.4 0.85 1 9 Übrige Flächen (Landwirtschaft / Wald) 15 0.05 0.1 0.85 10 Gewässer - - - -

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Anhang B Klassierung der Bodenbedeckung

Tabelle 13 Zuordnung der Bodenbedeckung zur Objektkategorie Schadenpotenzial

ART Bedeutung (Objektart) Objektkategorie Schadenpotenzial 0 Gebäude 1 Gebäude 1 Strasse, Weg 4 - 7 Strassen 2 Trottoir 2 Siedlungsgebiet 3 Verkehrsinsel 2 Siedlungsgebiet 4 Bahn 8 Eisenbahn 5 Flugplatz 3 Flugplatz 6 Wasserbecken 2 Siedlungsgebiet 7 Übrige befestigte Flächen 2 Siedlungsgebiet 8 Acker, Wiese, Weide 9 Übrige Flächen 9 Reben 9 Übrige Flächen 10 Übrige Intensivkulturen 9 Übrige Flächen 11 Gartenanlage 2 Siedlungsgebiet 12 Hoch-, Flachmoor 9 Übrige Flächen 13 übrige humusierte Fläche 2 Siedlungsgebiet 14 Stehendes Gewässer 10 Gewässer 15 Fliessendes Gewässer 10 Gewässer 16 Schilfgürtel 9 Übrige Flächen 17 Geschlossener Wald 9 Übrige Flächen 18 Dichte Wytweide 9 Übrige Flächen 19 Offene Wytweide 9 Übrige Flächen 20 Übrige bestockte Fläche 9 Übrige Flächen 21 Fels 9 Übrige Flächen 22 Gletscher, Firn 9 Übrige Flächen 23 Geröll, Sand 9 Übrige Flächen 24 Abbau, Deponie 9 Übrige Flächen 25 Übrige vegetationslose Fläche 9 Übrige Flächen

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