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MA-Verlag Elektronische Zeitung Schattenblick Montag, 9. Juli 2012

Bagger fressen Erde auf

Interview mit Mona und Nelly vom Lausitzer Klima­ und Energiecamp am 14. Juni 2012 in Berlin

Förderbrücke F60 im Tagebau führt. Das Betreiberunternehmen Bereits im Oktober 2011 hatte der Jänschwalde in Betrieb Vattenfall beabsichtigt nun, einen Schattenblick die Lausitz aufge- Foto: A. Gutwein weiteren Tagebau aufzuschließen - sucht, um in dem ebenfalls von der (CC­BY­SA­3.0­unported) Jänschwalde-Nord -, dem die Dör- Abbaggerung bedrohten Welzower fer Kerkwitz, Atterwasch und Ortsteil Proschim mit Vertretern ei- Vom 11. - 19. August dieses Jahres Grabko geopfert werden sollen. ner Bürgerinitiative gegen den wird von Aktivistinnen und Akti- Rund 900 Einwohner müßten um- Braunkohletagebau zu sprechen. Die visten in der Lausitz ein Klima- siedeln. Viele von ihnen wollen alte Bergbaustadt Welzow liegt und Energiecamp aufgebaut. Als das nicht, doch allen Protesten zum knapp 70 Kilometer südwestlich je- Standort wurde wie im vergange- Trotz würde letztlich das Bundes- nes geplanten Tagebaus Jänschwal- nen Jahr Jänschwalde ausgesucht land Brandenburg seine gesetzlich de-Nord. [1]. In jener Region wird aktiv abgesicherte Verfügungsgewalt Braunkohle abgebaggert und gegenüber den Menschen ausspie- Am 14. Juni 2012 unternahm das gleich darauf dem örtlichen Koh- len, damit der Konzern Vattenfall SB-Team eine Nachlese-Reise in die lekraftwerk Jänsch- walde zuge- Kohle machen kann. Lausitz, um zunächst in Atterwasch,

SCHACH / SPHINX SPORT / BOXEN POLITIK / KOMMENTAR

Bent Larsens Mißgeschicke Wladimir Klitschkos Physis über- "Bye-bye, Miss American Pie" - Bent Larsen war zu seinen besten fordert Tony Thompson Abgesang auf verwehte Hoffnungen Zeiten einer der gefürchtesten An- US­Amerikaner unterliegt dem Welt­ Wenn US-Außenministerin Hillary griffsspieler der Welt. Sein Wage- meister in der sechsten Runde Clinton behauptet, ihre Regierung mut, seine Entschlossenheit und die Die seit geraumer Zeit erfolgreich denke nicht einmal daran, Afghani- Art, wie er in jeder Stellung den praktizierte Strategie der Klitschkos, stan allein zu lassen, so dürfte das von Rammbock ansetzte, trugen dazu in die Jahre gekommene Konkurren- seiner Bevölkerung nicht nur als bei, daß er lange Jahre als heißester ten dank ihrer überlegenen Physis in freundliche Zuwendung verstanden Kandidat auf dem Weltmeisterthron die Schranken zu weisen und den werden. Auch die Aufnahme des gehandelt wurde. Doch seine über- noch nicht gereiften Nachwuchs früh- Landes in den Kreis der "wichtigen aus tollkühne Spielweise erwies sich zeitig abzuernten, hat einmal mehr Nicht-NATO-Verbündeten" durch die zuletzt ... (S. 11) zum absehbaren Resultat ... (S. 12) US-Regierung wird nicht ... (S.10) Elektronische Zeitung Schattenblick später dann in Berlin mit Menschen wollen, daß die reichen Länder die chen versucht, daß beides gleich- zu sprechen, die jeder auf seine Wei- Verantwortung für ihr Tun überneh- zeitig nicht geht. Ich würde der Re- se Gründe haben, die Braunkohle- men. Dabei belassen es die beiden gierung Brandenburgs schon abneh- verstromung abzulehnen. Nach dem nicht mit Appellen an die Regierung, men, daß sie es ernst meint mit dem Gespräch mit der brandenburgischen um politisch Einfluß zu nehmen, Umstieg auf einhundert Prozent Er- CDU-Landtagsabgeordneten Moni- sondern bemühen sich, persönliche neuerbare, so wie offiziell auch die ka Schulz-Höpfner und dem Pfarrer Konsequenzen zu ziehen und anders Bundesregierung. Doch an irgendei- Mathias Berndt - beide aus Atter- zu leben. nem Punkt muß man sich wegen dem wasch und damit direkt von der Ver- Systemkonflikt zwischen erneuerba- treibung betroffen -, traf sich das Über ihr Engagement, ihre Vorstel- ren und fossilen Energien entschei- SB-Team in Berlin zunächst mit der lung von einem anderen Leben jen- den. brandenburgischen Landtagsabge- seits des wachstumsgetriebenen ordneten Sabine Niels von den Grü- Wirtschaftens und über vieles mehr SB: Wie sähe für euch die sogenann- nen und abschließend mit den beiden sprachen Mona und Nelly ausführ- te Brückentechnologie, von denen Aktivistinnen Mona und Nelly, die lich und freimütig an einem milden offiziell immer die Rede ist, zu den am Klima- und Energiecamp in der Sommerabend des 14. Juni 2012 in Erneuerbaren aus? Fordert ihr einen Lausitz teilnehmen. Berlin mit dem Schattenblick. sofortigen Stopp der Braunkohlever- stromung oder würdet ihr sie bis zu Sie sind ebenfalls betroffen. Nicht so einem bestimmten Zeitpunkt noch wie Schulz-Höpfner und Berndt, die auslaufen lassen? ihre Heimat verlieren könnten, aber sehr wohl persönlich betroffen von Mona: Keine neuen Tagebaue, das ist den Folgen, daß Deutschland nach wichtig, und auch kein neues Kraft- wie vor Braunkohle zur Energiever- werk Jänschwalde. Denn das liefe sorgung einsetzt und dabei ungeheu- dann noch vierzig, fünfzig Jahre. Das re Mengen CO2-Emissionen produ- lehnen wir ganz strikt ab! Die Frage, ziert. Den wissenschaftlichen Pro- was mit den bereits laufenden Tage- gnosen zufolge verstärken diese bauen geschehen soll, ist natürlich Emissionen den Treibhauseffekt, ganz schwierig zu beantworten. Weil was sich unmittelbar gegen die Le- vor allem die Einwohner vor Ort, mit bens- und Überlebensinteressen vor denen wir auch beim Klimacamp zu- allen Dingen der ärmsten der Armen sammenarbeiten, einen sozialver- in der Welt richtet. Im Unterschied träglichen Umbau fordern, damit zu den Industriestaaten haben die nicht alle Leute ihren Job verlieren. meisten Länder des Südens kaum die Möglichkeit, die im Zuge der Erder- Ich sehe allerdings das Problem, daß wärmung im wachsenden Ausmaß viel zu oft weiter an dem alten fest- von Extremen bestimmten Klima- Foto: www.lausitzcamp.info/ gehalten wird, weil es keine Alterna- verhältnisse - mehr Dürreperioden, tiven gibt. Statt dessen sollte man Überflutungen, Wirbelstürme und Schattenblick: Die Regierung Bran- ernsthaft sagen: Okay, dieser Umbau andere Naturgewalten - zu überste- denburgs hat vor einigen Monaten kommt, es gibt keinen anderen Weg hen, ohne daß es dabei zu enormen die "Energiestrategie 2030" aufge- und deswegen müssen wir jetzt da- menschlichen Verlusten kommen legt. Wie bewertet ihr die Politik der mit anfangen. Wohingegen die Poli- wird. rot-roten Landesregierung speziell tiker und Politikerinnen, die gewählt mit Blick auf die Braunkohle? werden wollen, keine unangenehmen Ein steter Quell dieser Verluste bil- Wahrheiten verkünden wollen. Ich det der Wohlstand in den Industrie- Mona: Also, ich hätte es gern anders fürchte, das ist eine unangenehme staaten. Es waren nicht die ärmeren gesehen. Das ist nichts Halbes und Wahrheit: Die Braunkohleverstro- Länder, welche die Treibhausgase nichts Ganzes. Sie versuchen zu sa- mung wird irgendwann vorbei sein produziert haben und noch heute gen: Wir setzen natürlich auf Erneu- und dann ist es eigentlich besser, hauptsächlich produzieren. Mona erbare Energien - Brandenburg ist ja, jetzt mit dem Ausstieg anzufangen, und Nelly (und sicherlich die mei- was die Erneuerbaren betrifft, ganz als später. sten Teilnehmerinnen und Teilneh- vorne an -, aber gleichzeitig sagen mer des Klima- und Energiecamps) sie: Und wir setzen irgendwie auch Nelly: Man muß die Leute abholen. halten das für ungerecht. Sie spre- noch weiter auf die Braunkohle. Da- So ein Strukturwandel, wie ihn die chen von Klimagerechtigkeit und gegen haben wir immer klarzuma- Vision von hundert Prozent Erneuer-

Seite 2 www.schattenblick.de Mo. 9. Juli 2012 Elektronische Zeitung Schattenblick bare voraussetzt, kann nicht von heu- te auf morgen passieren. Die Men- schen, die womöglich seit Genera- tionen an den Abbau und die Ver- brennung der Braunkohle, an diese Art der Energieerzeugung gebunden sind, die damit aufgewachsen sind und für die sie ein Teil ihres natürli- chen Umfelds ist, muß man mitneh- men. Die sollen beim Umbau nicht hintendran bleiben.

Mona: Aber wir machen natürlich nicht nur ein Braunkohle-, sondern auch ein Klimacamp, und da gibt es noch einen anderen Aspekt. Wir müs- sen nicht nur grundsätzlich für das Wohl der ganzen Welt aufhören, Braunkohle und überhaupt Kohle zu verstromen, sondern wir müssen auch daran arbeiten, insgesamt weniger diesem Gesichtspunkt auch sein oder Wachstum beruht auf Zerstörung Strom und Energie zu verbrauchen. auch vorleben und vermitteln? Tagebau und Kohlekraftwerk Und mit dem Dilemma wollen Politi- Jänschwalde kerinnen und Politiker noch viel we- Nelly: Du hast es gerade schon ge- Foto: © 2012 by Schattenblick niger zu tun haben. Die Idee der sagt, wir wollen etwas vermitteln Energieeffizienz ist genauso wichtig und vorleben. Dabei geht es uns auch da? Dann aber auch in Verbindung wie die des erneuerbaren Pfads. Er- sehr stark um einen edukativen Pro- mit den größeren Visionen solche neuerbare gibt es schon seit den sieb- zeß. Die Vision der vollständigen Fragen: Wie erleben wir selbst den ziger Jahren, und wir sind auf diesem Umstellung auf erneuerbare Energi- Bau von Kompostklos und Solar- Gebiet weiter als die wildesten Träu- en soll nicht von außen aufgestülpt, öfen und sozusagen die nachhalti- me der Leute damals. Bei der Energie- sondern mit den Leuten zusammen gen Arten des Zusammenlebens? effizienz jedoch hinken wir total erarbeitet und für alle praktikabel ge- Was für gesellschaftliche und wirt- hinterher! Das funktioniert nicht, und macht werden. schaftliche Strukturen brauchen wir, ich würde sagen, es funktioniert des- um so etwas überhaupt möglich zu wegen nicht, weil es im Kapitalismus Mona: Zum Beispiel wollen wir mit machen? nicht funktionieren kann. Menschen gemeinsam an Fragen ar- beiten: Wie würde ein Leben ausse- Ich denke, es ist wichtig zu sagen, SB: Sprichst du den Rebound-Effekt an? hen, das nicht ständig auf neuen daß wir gerade erst anfangen. Wir technologischen Errungenschaften alle können uns fast gar nicht mehr Mona: Ja, den auch. Aber vor allem aufbaut, die jeder sofort haben will vorstellen - also, ich vielleicht noch, spreche ich an, daß die Produktion und haben muß? Wie könnten wir aber die meisten Leute in den Kli- und der Kapitalismus gezwungen uns ein gutes Leben vorstellen, das macamps sind jünger -, daß es zu sind zu wachsen. Und damit wächst nicht auf ständig wachsende Innova- dem System, in dem wir leben, auch der Energieverbrauch. Ich hal- tionen und wirtschaftlichen Leistun- überhaupt eine Alternative gibt. Ei- te es für ganz schwierig, wenn man gen basiert? Unsere Idee dabei gentlich ist es das wichtigste an sol- keine systemischen Veränderungen lautet: Okay, wir schauen uns an, wie chen Camps, daß die Menschen erst macht, zu glauben, daß man einfach demokratische Strukturen funktio- einmal auf die Idee kommen, es nur alles auf hundert Prozent Erneu- nieren und wie sie anders funktionie- könnte anders sein. Wie das genau erbare umstellen muß und dann ren könnten. Auch das gehört dazu. aussieht, dafür müssen wir erst mal wächst man und wächst man und Wie organisieren wir uns? Welche die Strukturen schaffen, um das er- wächst man weiter und dann ist ir- Formen von Politik brauchen wir, arbeiten zu können. Deshalb die gendwie alles gut. Das stimmt leider um vielleicht kleinteiliger leben zu Idee, daß man selbstorganisierte auch nicht. können? Wollen wir beispielsweise Strukturen schafft, wo Menschen mit dem Konsensprinzip arbeiten? dann auch auf Ideen kommen. Wir SB: Was wäre die Alternative? Was Wie funktioniert das in größeren müssen keine fertigen Antworten kann und will das Klimacamp unter Gruppen? Wie organisiert man sich liefern.

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SB: Im Klima- und Energiecamp Gefühl, daß die meisten Leute, die Camp in diesem Jahr zu ihnen baut ihr auch Dinge wie zum Bei- letztes Jahr beim Klimacamp waren, kommt. Wir haben uns aber noch- spiel Kompostklos? damit weggegangen sind, daß ihnen mals für Jänschwalde entschieden, das einen Schub gegeben hat, daß ein weil das näher am Kraftwerk liegt. Mona: Ja, genau. Bei uns bedeutet Leben in so einem Camp auch was Workshop tatsächlich, daß Hand an- ganz Besonderes ist. Das gibt einem SB: Hinsichtlich eurer kapitalismus- gelegt wird. In diesem Sinne ist es ei- auch das Gefühl: Ja, man hat auch kritischen Position bin ich nicht si- ne Werkstatt, da baut man Zelte auf, Kraft für Ideen und Freude, um poli- cher, ob sich die auch nur ansatz- da baut man ein Kompostklo, da baut tisch weiterzuarbeiten. Und ich ma- weise bei den einzelnen Lausitzern man Solarduschen. Das alles gehört che schon seit 2008 Klimacamps. wiederfinden läßt, auch wenn sie von mit dazu. dem Punkt, gegen Braunkohle zu SB: Sind im letzten Jahr auch altein- sein, keinen Deut breit abweichen Nelly: Natürlich gehört auch die gesessene Lausitzer aus Proschim, würden. Gab es trotzdem etwas Ge- kommunikative Ebene dazu. Letztes Kerkwitz und anderswo zu euch ins meinsames, was man entwickeln Jahr im Klimacamp haben wir große Klimacamp gezogen und haben ge- konnte und das die Leute dann zu Plenen durchgeführt mit wechseln- sagt: Jetzt will ich es wissen! Oder sich nach Hause mitnahmen? der Moderation, wo sich jeder ein- reicht dann die Brücke "Eigene Be- bringen konnte. Es gab auch offene troffenheit" doch nicht so weit, daß Mona: Ich denke schon. Daß sorbi- Slots [Anm. d. SB-Red.: Zeitfen- ein Bündnis geschlossen wird mit sche Dörfer abgebaggert werden, hat ster], um Wünsche, Bedürfnisse, Leuten, von denen sie zuvor viel- ja auch mit Kapitalismus und damit neue Anregungen einzubringen. Au- leicht gesagt haben, daß die "so ko- zu tun, daß man glaubt, mit Regionen, ßerdem haben wir versucht, durch- mische Dinge" machen? die als nicht so dicht besiedelt und gängig mit dem Konsensprinzip zu wirtschaftlich abgehängt gelten, so arbeiten. Was heißt "versucht" - dar- Nelly: Sicherlich gab es einige Vor- umgehen zu können. Natürlich stellt auf war alles aufgebaut. Leute, die urteile im Vorfeld, von beiden Seiten, sich die Frage, ob man mit so großen davor noch wenig Kontakt damit würde ich sagen. Also von uns aus Wörtern wie "Kapitalismus oder hatten, wurden damit wirklich inten- genauso wie von Leuten aus dem nicht" um sich werfen muß. Ich glau- siv in Kontakt gebracht. einheimischen Umfeld. Aber ich be aber, daß das, was dahinter steht, denke, daß es uns schon bis zu einem also die zerstörerische Kraft des Ka- SB: Habt ihr die Erfahrungen, die ihr gewissen Grad sehr gut gelungen ist, pitalismus, die Leute am eigenen Leib im Camp gemacht habt, auch wieder eine Brücke zu schlagen, die dann spüren. Von daher habe ich eigentlich mit zurück in eure Alltagswelt ge- auch von beiden Seiten begangen überhaupt keine Ängste, daß es da nommen? Habt ihr da vielleicht be- wurde. Wir haben sowohl aktive große Gräben geben könnte. stimmte Vorstellungen, wie das Teilnehmer oder selbst Mitgestalter gehen könnte oder sollte? Wenn ich gehabt als auch spontanen Besuch Wenn man darüber redet, was man an die frühere Anti-Akw-Bewegung aus der Dorfgemeinschaft, der ein- sonst in seinem Leben macht oder denke, da war das auch schon mal fach auch neugierig war. Wir wollten wovor man Angst hat, mag sich das mit der Frage beispielsweise der Le- nicht so aus dem Nichts kommen, teilweise unterscheiden. Aber wenn bensform verbunden. Ist das heute uns dahin setzen und nach zwei Wo- man genauer hinschaut, haben die noch so? Gibt es da eine Bewegung chen wieder gehen. Wir möchten da Leute oft ähnliche Probleme. So ha- in jene Richtung? auch was anstoßen und uns offen zei- ben wir auch hier Berlin das Pro- gen, um Kontakte zu knüpfen. Des- blem, daß immer mehr Menschen Mona: Ganz sicher, das hat Konti- wegen waren wir im Vorfeld auch ein weichen müssen, da sie nicht mehr nuitäten. Es gibt immer noch viele paar Mal hingefahren. ganz der Verwertungslogik entspre- Leute, die gerade auch hier in Berlin chen. Deshalb können die Leute in Hausprojekte gründen oder in ehe- Mona: Wir waren beim Feuerwehr- Berlin verstehen, wie es den Leuten mals besetzten Häusern leben und fest im Nachbardorf, haben ein Fuß- in den Braunkohlerevieren gehen mit unterschiedlichen Formen von ballspiel Dorf gegen Camp muß. Konsensstrukturen oder anderen ba- organisiert ... sisdemokratischen Umgangsformen SB: Auf der Website www.gegen- arbeiten. Es gibt auch Leute, die im Nelly: ... und die Küche stand mit den stromberlin.net ist zu lesen, daß ihre Umfeld von Berlin in Kommunen ansässigen Hausfrauen in einem regen soziale Gerechtigkeit fordert. Was ziehen und da neue Dinge aufbauen. Austausch über sorbische Rezepte. versteht ihr darunter? Aber natürlich versuchen wir auch in unserer Gruppe, Gegenstrom Berlin Mona: Eine Frau Penck aus dem Nelly: Ich finde es generell ein biß- [2], das umzusetzen. Ich hatte das Dorf Schleife wollte sogar, daß das chen schwierig, das auf zwei Sätze

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'Daß sorbische Dörfer abgebaggert werden, hat ja auch mit Kapitalismus und damit zu tun, daß man glaubt, mit Regionen, die als nicht so dicht besiedelt und wirtschaftlich abge­ hängt gelten, so umgehen zu können' (Mona) Protestplakat im von der Abbagge­ rung bedrohten Kerkwitz: "Ohne Heimat sein ­ heißt leiden!" Foto: © 2012 by Schattenblick SB: Gibt es dazu schon Vorbilder?

Nelly: Im kleineren Rahmen gibt es auf jeden Fall schon Vorbilder, auch hier vor Berlins Haustür. Vielleicht erfüllen die jetzt nicht unbedingt ei- ne hunderprozentige Vorbildfunkti- on, aber aufjeden Fall kann man sich an ihnen orientieren. Außerdem gibt runterzubrechen. Beim sozialen Ge- Dafür ist so ein Camp gut, da kann es auch größere Visionen im globa- rechtigkeitsanspruch geht es auch man nämlich erleben, daß man auch len Kontext. um die Frage, wie der Zugang zu was dafür bekommt, wenn man es Ressourcen gerecht verteilt wird. anders versucht. Die Leute sollen er- Mona: Zum Beispiel halte ich die Wie verteile ich gerecht die Besänf- leben, daß es eine Alternative gibt. Regierung und die Bevölkerung von tigung meiner Bedürfnisse und wie Obwohl ich auf Dinge verzichten Ecuador für ein Vorbild. Sie sagen: macht es das auch für die Gemein- muß, ist genau das vielleicht auch ei- Wir wollen das Erdöl unter dem Ya- heit verträglich. Momentan haben ne Lösung für Probleme wie totale suni-Nationalpark nicht extrahieren, wir Ungleichgewicht, da geht ganz Überarbeitung, nicht genügend Frei- weil wir glauben, daß das für die viel zu wenigen. Aber wie kann man zeit, immer das Gefühl haben, daß ganze Welt schlecht ist. Aber wir das auspendeln, damit nicht so viel man neue Statussymbole, die man im brauchen die Solidarität des Restes Defizit auf der anderen Seite besteht. Endeffekt vielleicht doch gar nicht der Welt dafür, um das zu tun. Das Das ist die Frage. braucht, kaufen muß. halte ich für einen Versuch zu sagen: Wir gehören alle zusammen, müssen Mona: Uns ist auch der globale Blick SB: Wie steht ihr vor dem Hinter- gemeinsam daran arbeiten und dann wichtig. Soziale Gerechtigkeit kann grund der sozialen Gerechtigkeit zu überlegen, was entgeht uns, wenn nicht nur für Menschen in Deutsch- regenerativen Energien? Denkt man wir zum Beispiel auf dieses Öl und land gelten. Zum einen ist es wich- beispielsweise an Windräder, für die diese Bodenschätze verzichten, aber tig, daß wir die Leute in der Lausitz, in China Neodym, oder Akkus, für was gewinnen wir dadurch auch. Das die wirtschaftlich und sozial abge- die in Bolivien Lithium abgebaut meine ich mit globaler Verzahnung. hängt werden, nicht vergessen. Zum wird. Arbeitet ihr auch an Fragen zu anderen besteht eben auch die Frage: den Produktionsverhältnissen? Man kann auch im kleinem Maßstab Was heißt es denn, wenn wir einfach was tun. Zum Beispiel gibt es die so weitermachen wie bisher? Was Mona: Ich würde schon sagen, daß Kampagne "Vattenfall in die Tonne" heißt das für die ganze Welt? Wie un- man vergleichen muß, was schlimmer [3] und den Berliner Energietisch gerecht ist das? Was können wir da- ist. Gleichzeitig aber kommen wir [4], an dem auch wir beteiligt sind. gegen tun? Da kommen wir zu nicht drum herum zu sagen, daß wir Wir können hier in Berlin sagen, wir unserem Lebensstil. Aus Klima- insgesamt weniger verbrauchen müs- wollen eine dezentrale, von uns mit- schutzgründen dürften wir eigentlich sen. Auch die regenerativen Energien beeinflußte Energieversorgung ha- nicht mehr als zwei Tonnen Co2 pro schaffen Rohstoffverbrauch, den wir ben und dafür machen wir einen Person und Jahr emittieren. Das wür- uns dauerhaft auf diese Weise nicht Volksentscheid, dafür setzen wir uns de aber bedeuten, daß sich die mei- leisten können. Was wir eigentlich ler- ein, dafür machen wir Kampagnen. sten Menschen hier sehr stark nen müssen, ist im Gleichgewicht mit verändern müßten, was Ängste er- der Welt um uns herum zu leben, und SB: Zählt ihr die Rekommunalisie- zeugt. Das ist total verständlich. zwar mit der ganzen Welt. rung dazu?

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Mona: Ja, die Rekommunalisierung SB: Wäre man damit wieder bei der Tautropfen, das ist aber nicht das, gehört auch dazu. Wir wollen neue Struktur, weil diese Innovation, die was funktioniert, das ist klar. Aber Stadtwerke für Berlin und da etwas häufig klein anfängt, irgendwann muß man nicht Verbrauch als gelern- rückgängig machen. Gleichzeitig den Mechanismus "mehr", "größer", tes Etwas noch viel genereller be- finde ich schon, daß auch die indivi- "weiter" und "schneller" von neuem streiten, um sparen zu können? duelle Ebene wichtig ist. Beispiels- lostritt? Hätte man dann möglicher- weise ist unsere Wohngemeinschaft weise den Vorreiter gegeben für et- Mona: Ich glaube nicht, daß es funk- hier einer Food-Coop angeschlossen was, das man definitiv angetreten ist tionieren kann, Leuten zu sagen, sie und erhält regional produzierte Le- zu bestreiten? müßten von heute auf morgen nichts bensmittel direkt vom Erzeuger. Da- mehr verbrauchen. Das geht nicht. durch muß man gewisse Wege Mona: Da sehe ich durchaus eine Das würde ich von mir selber ja auch einfach mehr gehen, die man sonst Gefahr, die in der Euphorie liegt, nicht verlangen wollen, also kann ich gar nicht vermeiden kann. Das könn- Deutschland sei bei der Energiewen- es von anderen auch nicht verlangen. te ja beispielhaft sein für etwas, das de ganz vorne, wir seien mal wieder Wir müssen neue Umgangsformen möglich wäre, was aber im großen die größten und so weiter. Es sollte mit Verbrauch lernen. Wir müssen Maßstab gerade nicht so funktio- ja gerade nicht darum gehen, daß wir neue Pfade tatsächlich gehen, aber niert. Sich da Wege zu überlegen, dieses System einfach nur mit erneu- wir müssen auch in unseren Hirnen halte ich für wichtig. erbaren Energien immer weiterfüh- neue Pfade einrichten, um anders da- ren, sondern daß wir mit etwas mit umzugehen. Bei der Hirnfor- SB: Du sagtest "vor den Toren Ber- anfangen, das ich vernetztes Denken schung wird immer klarer, daß sich lins". Hast du da an ein konkretes nennen würde. Was Nelly eben sag- Genetik während des Lebens verän- Beispiel im Sinn? te: Zu schauen, wie die Dinge inein- dert. Wir müssen uns als menschli- andergreifen können, so daß es che Wesen tatsächlich verändern. Nelly: Ja. In den Medien wird ger- insgesamt nicht dauernd mehr, son- Wir müssen die Art, wie wir denken, ne Feldheim hochgehalten, als er- dern weniger wird. Vielleicht sollte wie wir leben, wie wir essen, wie wir stes autarkes Dorf Deutschlands. man die Aufgabe, wer am besten we- produzieren, wir müssen eigentlich Ich sehe da auch viele Kritikpunk- niger verbrauchen kann, nach ganz alles verändern. Das ist ja auch was te, aber die versuchen zumindest vorne stellen und bei den Kindern total Spannendes und Aufregendes. schon mal, einen in sich geschlos- anfangen, das mit denen gemeinsam Ich finde es ganz toll, an einem Punkt senen Energiezyklus aufzubauen, einzuüben. Ich glaube, wenn Leute zu stehen, wo es gar nicht mehr an- und fragen, was es für Möglichkei- ganz jung damit anfangen, gehen sie ders geht - das Problem ist, kriegen ten mit den Technologien, die be- auch ganz anders damit um. wir es schnell genug hin? Das ist im- reits auf dem Markt, gibt. Wir mer die Schwierigkeit. träumen von der Zukunft, in der al- Deswegen finde ich zum Beispiel les noch effizienter wird und mit diesen Pfeiler des Klimacamps mit SB: In England gibt es schon seit noch weniger Ressourcenverbrauch der Bildung gut. Dahin kommen sehr längerem eine Art Klimapranger im erneuerbare Energien hergestellt viele ganz junge Leute, 16-, 17jähri- Internet, wo Wärmebilder der Häu- werden - wir hoffen, daß wir da bald ge, die sich fragen, was mit ihrer Zu- ser zu sehen sind und man schon ge- hinkommen -, aber dennoch gibt es kunft ist. Wenn man wie ich 45 Jahre nau sehen kann, wer sein Haus nicht ja schon eine ganze Palette an Mög- alt ist, dann kann man vielleicht noch genug isoliert hat. In der Ökobewe- lichkeiten, wo zum Beispiel auch sagen, naja, 40 Jahre geht's vielleicht gung allgemein sind Tendenzen mit Biomasse gearbeitet wird, in noch gut, danach sieht's dann wahr- sichtbar, daß sie auf auf eine Form Kombination mit Windkraft, in scheinlich richtig schlimm aus. Das hinauslaufen können, bei der Um- Kombination mit ein bißchen Solar sage ich zwar nicht, aber das ist noch weltschutz von herrschenden Inter- für den Eigenverbrauch und eben im Bereich des Möglichen. Aber die essen okkupiert wird - Stichwort einer Nahwärmeversorgung. Leute, die jetzt 17 sind, die können Ökofaschismus. Wird bei auch im sich nur ausmalen, daß es nicht so Klimacamp über die Gefahr einer In- Das sind kleinere Energiesysteme, gut aussehen wird. strumentalisierung individueller die man schon mal betrachten könn- Maßnahmen gegen Klimaschutz te, auch einfach als Inspiration, was SB: Wenn es darum geht, wer von durch vorherrschende Verwertungs- vielleicht für Berlin irgendwann mal uns verbraucht am wenigsten, wäre interessen diskutiert? möglich sein könnte, und um trotz- es dann nicht konsequenterweise ei- dem in kleineren Systemen zu den- gentlich nötig zu fragen: Wie schla- Mona: Genau deswegen erscheint ken. Wir wollen nicht wieder so eine gen wir Verbrauch völlig aus der uns die Frage des Aufbaus basisde- große, zentralgesteuerte, aufgeplu- Welt? Ich kann jetzt romantisch sa- mokratischer Strukturen eben auch sterte Energieerzeugung haben. gen, man lebt von Mondlicht und als Teil des Klimacamps so wichtig,

Seite 6 www.schattenblick.de Mo. 9. Juli 2012 Elektronische Zeitung Schattenblick weil wir glauben, daß wir da gegen- steuern müssen. Im Moment halte ich die Gefahr einer Ökodiktatur zu- mindest in Deutschland für nicht sonderlich groß, aber ich kann mir solche Tendenzen schon vorstellen. Ich habe mich zum Beispiel in mei- ner Masterarbeit genau damit be- schäftigt und glaube, daß wir gleichzeitig immer an mehreren Strängen ziehen müssen. Wenn ich sage, wir müssen systemisch etwas verändern, meine ich eben nicht, daß wir jetzt dafür sorgen müssen, daß alle Leute gezwungen werden, nur noch bestimmte Verkehrsmittel zu benutzen, nur noch bestimmte Ener- gieerzeugung zu benutzen - mit der Klammer drum, daß sich natürlich die ganz Reichen sowieso immer freikaufen können, wie das halt in den meisten Gesellschaften so ist. So will ich das nicht.

Das ist aber oft ein Streitpunkt mit Leuten, die in dem Bereich arbeiten 'Wir wollen nicht wieder so eine große, zentralgesteuerte, aufgeplusterte und sagen, wir brauchen hundert Energieerzeugung haben.' (Nelly) Prozent Erneuerbare, es ist uns egal, Größenvergleich zwischen Schaufelradbagger und Mobilbagger im Tagebau wo die Stromtrassen dafür gebaut Cottbus­Nord, März 2007 Foto: A. Gutwein (CC­BY­SA­3.0­unported) werden. Und da sage ich: Nein, wenn wir es jetzt falsch anfangen, dann ist Leidtragenden oft wieder diejenigen und darin geht es auch um die Frage, das wieder nicht das, was wir eigent- sind, die jetzt schon nichts zu lachen wie sieht es eigentlich in vorkapita- lich brauchen! Zu sagen, der Umbau haben. listischer oder auch kapitalistischer muß schnell gehen, die demokrati- Zeit aus, wie sind Geld, Schulden, sche Legitimation ist egal, das halte SB: Das rührt an einen bestimmten Kapitalismus miteinander verstrickt? ich für einen ganz gefährlichen Weg, Punkt, der relativ wenig diskutiert Und wenn wir das begreifen, was den ich nicht gehen will. wird, die Eigentumsfrage ... können wir dann tun, um vielleicht aus der Vorstellung auszubrechen, SB: Zumal das auch das Umlast- Mona: Ja. man könnte beispielsweise mit sei- Prinzip immer wieder generiert. nem Eigentum an Landfläche so lan- Wenn ich Hauseigentümer verpflich- SB: Stellt sich für euch die Frage, ge alles machen, was man will, wie te, anständig zu isolieren - auf eige- wer eigentlich die Verfügungsrechte niemand anderes was dagegen hat. ne Kosten, versteht sich - und über Natur inne hat und wer Eigen- Da gibt es die Idee der Commons, Vattenfall fördert zinsfrei Kohle ... tum reklamiert? Wären das Themen, des gemeinschaftlichen Eigentums, die ihr beispielsweise in einem das allen zugute kommen muß, egal, Mona: Genau. Vielleicht sollten wir Workshop im Klima-Camp bearbei- ob es jetzt einer bestimmten Person erst mal die versteckten und offenen ten würdet? oder einer Corporation gehört oder Subventionen für Kohle abschaffen nicht. Das ist eine wichtige Frage, und dann sagen: Dieses Geld könnte Mona: Ja, die Eigentumsfrage ist so die diskutiert werden muß. man vielleicht auch dafür verwen- etwas wie die heilige Kuh unserer den, daß solche Kosten nicht auf die Gesellschaft. Aber ja, würde ich sa- SB: Ist das eine Frage, die beispiels- Mieter umgeschlagen werden. Aber gen. Ich lese gerade ein sehr span- weise mit den Leuten aus der Lausitz das muß man dann halt auch durch- nendes Buch, das heißt "Schulden" zu diskutieren geht? Für die ist das ja setzen können, was gar nicht so und ist von David Graeber [5] - auf die nackte Angst, das Eigentum zu leicht ist. Insofern finde ich es jetzt Englisch ist es noch lustiger, da heißt verlieren. Das finde ich auch nach- nicht komplett abwegig, daß die es "Debt: The First 5000 Years" -, vollziehbar, weil die im Grunde ge-

Mo. 9. Juli 2012 www.schattenblick.de Seite 7 Elektronische Zeitung Schattenblick nommen einem Giganten gegen- SB: Gibt es eine politische Partei, will. Insofern würde ich Nelly zu- überstehen, dem sie faktisch nichts von der ihr euch mit eurem Anliegen stimmen: Die Gesellschaft, in der wir entgegensetzen können.Kann man vertreten fühlt? leben wollen, wollen wir sozusagen mit denen in dieser Weise sozusagen im Kleinen schon mal ausprobieren, über die Verallgemeinerung des Ei- Mona: Ich fühle mich nicht wirklich um daraus vielleicht Anregungen zu gentums diskutieren und was daraus von Parteien gut vertreten, muß ich bekommen, wie man so etwas auch machen? Habt ihr das schon mal ver- sagen. Die Linkspartei beispielswei- im Größeren umsetzen kann. Das sucht? se ist insgesamt gespalten, was das heißt ja nicht, daß man beim Klima- Thema Braunkohle angeht. Die Grü- camp stehenbleibt, sondern wir ma- Mona: In dieser Form haben wir das nen wollen sich nicht wirklich von chen auch sonst politische Aktionen, jetzt nicht gemacht. Aber das ist ganz den Verlockungen des Kapitalismus Interventionen, schreiben Texte ... klar eine Frage, die immer wieder verabschieden. Also, ich bin da nicht ich denke, man muß auf verschiede- auch mit Leuten diskutiert wird, die so begeistert. nen Ebenen ansetzen und muß je- den Begriff Enteignung gar nicht weils individuell oder als politische mögen, eben weil sie von Vattenfall SB: Nun, das ist auch eine Aussage. Gruppe schauen, wo ist das, was wir oder für Vattenfall enteignet werden. Wird das, was ihr im Klimacamp machen, am besten aufgehoben. Wenn man statt Enteignung den Be- macht, im politischen Raum wahrge- griffVergesellschaftung nimmt und nommen? Kommt da mal einer vor- Utopie bedeutet ja, daß es immer et- sagt: Die Energieversorgung muß ein bei, der ein Parteibuch hat? was ist, wofür man sich weiter ein- gesellschaftliches Gut sein und dem setzt, wofür man weiter kämpft und Einzelnen auch wirklich zugute Mona: Oh, ja! Und letztes Jahr sind nicht unbedingt, daß man dann da kommen und zwar auch den Leuten, wir zu ihnen gegangen. Selbst wenn auch wirklich lebt. Ich würde gerne die vor Ort sind und die dann eben sie nicht vorbeigekommen wären, in einer Gesellschaft leben, wo ich nicht einfach enteignet werden kön- hätten sie uns nicht übersehen kön- nicht automatisch dazu verdammt nen - ich glaube, darüber kann man nen! bin, in Kreisläufen zu leben, die Mil- sehr gut mit den Leuten reden. lionen und Milliarden von Menschen SB: Ich möchte noch auf die aktuel- und der ganzen Welt schaden. Im SB: Ist das Klimacamp eigentlich le Rio+20-Konferenz zu sprechen Moment komme ich da nicht raus, schon voll? Habt ihr schon ausrei- kommen. Was erwartet ihr davon? niemand von uns kommt da raus. Die chend Anmeldungen für den Som- Oder erwartet ihr überhaupt etwas Gesellschaft, in der ich leben will, ist mer? davon? eine, wo wir das nicht mehr müssen. Und zwar alle nicht mehr müssen. Mona: Das funktioniert leider nicht Nelly: Ich glaube, letztere Frage trifft so richtig mit den Anmeldungen, es eher. SB: Ich habe mich jetzt gerade ge- man weiß eigentlich vorher nie so fragt, wenn ich mal so ein Klima- genau, wie viele Leute da sein wer- Mona: Ich fürchte, ich erwarte gar camp als Ausgangspunkt nehme und den. Wir müssen kräftig Werbung nichts davon. sage: Das mache ich nicht nur im machen. Es hängt auch immer davon Kleinen, sondern von da aus kann ich ab, wie ist das Wetter ist oder ob Nelly: Ich meine, Überraschungen auch was entwickeln, Ideen so groß gleichzeitig woanders etwas los ist. gibt es immer, aber ich erwarte auch zu machen, daß sie tragfähig werden. Das Klimacamp hat im letzten Jahr nichts davon. Da lege ich mich mit Herrschaft an, gut die Runde gemacht, ich glaube, da stellt sich die Gewaltfrage, weil daß diesmal noch mehr Leute kom- SB: Wie muß eine Gesellschaft aus- ich da sofort Leuten oder ganzen men werden. sehen, in der ihr leben wollt? Gibt es Branchen faktisch den Krieg erkläre. so etwas wie eine Utopie? Eine Visi- Ist das auch Gegenstand eurer Über- SB: Die rücken dann spontan an? on? Träume? legungen, die Gewaltfrage zu stellen und zu fragen, wie weit bin ich be- Nelly: Auf jeden Fall. Nelly: Naja, unser Vorstellungen reit zu gehen, um genau dieses Inter- sind ja schon ziemlich eindeutig, zu- esse da zu platzieren, wo es Mona: Ja, das ist fast immer so, daß mindest was die Energiewende be- hingehört? die Leute relativ spontan entschei- trifft. Das ist bei uns auch ziemlich den: Ach ja, das könnte man jetzt klar formuliert, denke ich. Mona: Meinst du, ob ich bereit bin, machen, das interessiert uns, was da meinen Körper in einer Blockade auf dem Programm steht, wir wol- Mona: Für mich ist die Gesellschaft, einzusetzen? len eine spannende Aktion mitma- in der ich leben will, immer die, die chen. ich selber mit erschaffen muß und SB: Zum Beispiel, ja.

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Mona: Wenn das wichtig ist und Mona: Genau, im Hambacher Forst ist wenn das was austrägt, auf jeden ja eine Waldbesetzung. Das Klima- Fall. Klar bin ich dazu bereit, weil camp findet in Manheim, das ganz in ich glaube, wir sind an einem Punkt, der Nähe liegt, statt [6]. Das dritte Kli- das hat ja sogar Al Gore - von dem macamp wird in der Nähe von Leip- ich nicht in allen Punkten sonderlich zig, wo auch das mitteldeutsche viel halte - gesagt: Er verstehe nicht, Braunkohlerevier liegt, aufgebaut [7]. warum Leute keine Blockaden vor Kohlekraftwerken machen. Wir stel- SB: Mona und Nelly, wir bedanken len uns ja auch in anderer Hinsicht uns ganz herzlich bei euch, daß ihr immer wieder die Frage: Ist das was, die Geduld hattet, unsere Fragen zu wo ich anfangen würde, Widerstand beantworten. Wir wünschen euch zu leisten? Wo ist der Punkt gekom- viel Erfolg mit dem Lausitzer Klima- men, wo ich nicht mehr einfach still und Energiecamp. sitzen kann? Ich finde der Punkt ist gekommen, ja! Mona und Nelly: Danke.

SB: Seht ihr in der Occupy-Bewe- gung in den USA, die da besonders stark ist, schon etwas aufscheinen, Fußnoten: was in diese Richtung gehen könnte? [1] http://www.lausitzcamp.info/ Gemeinsames Plakat [2] http://www.gegenstromber- der Klimacamps im Rheinland Mona: Das kann schon sein, und das lin.net/ und der Lausitz wird ja teilweise hier aufgenommen [3] http://vattenfallindietonne.blogs- Foto: http://www.lausitzcamp.info/ und noch mal umgeformt. Ich finde port.de/ das ein bißchen schwer, das von hier [4] http://www.berliner-energie- aus zu beurteilen, weil Occupy hier tisch.net/ anders funktioniert. Aber von der [5] David Graeber: "Schulden", UMWELT / REPORT Idee her auf jeden Fall. Ich bin jetzt Klett-Cotta, 7. Aufl., Mai 2012, NACHLESE/006 keine, die sagt, man müsse nicht ISBN-13: 978-3608947670 gleichzeitig auch beispielsweise bei [6] Klimacamp im Rheinland vom 3. http://www.schattenblick.de/infopool Regierungsgewalten ansetzen. Eine bis 12. August 2012 http://www.kli- /umwelt/report/umrn0006.html reine Graswurzelaktivität reicht mir macamp.ausgeco2hlt.de/ nicht, aber ich glaube, daß es davon [7] Klimacamp in Hohenmölsen vom eigentlich viel zu wenig gibt. 20. bis 26. August 2012 http://www.- zukunftsbund-luetzen.de/ SB: Möchtet ihr zum Abschluß noch etwas sagen, das euch am Herzen liegt, was ihr unbedingt loswerden wollt?

Mona: Ja, eine Sache: Dieses Jahr TONBEITRÄGE ZUM THEMA gibt es zum ersten Mal in allen drei wichtigen und großen deutschen Schattenblick → SB­TON → ALBATROS → REPORT Braunkohlerevieren Klimacamps. Das ist ein Zeichen, daß sich etwas MIT DEM SCHATTENBLICK UNTERWEGS/0005: verändert. Die Problematik wird in Bagger fressen Erde auf ­ Teil 2 "Verbrannte Seelen" (SB) diesem Land nicht länger ausgeblen- MIT DEM SCHATTENBLICK UNTERWEGS/0004: det. In anderen Ländern wie England hatten sie schon 2006 mit der Orga- Bagger fressen Erde auf ­ Teil 1 "Verheizte Heimat" (SB) nisation von Klimacamps angefan- gen. Hier hat alles etwas länger Schattenblick → SB­TON → ALBATROS → NACHLESE gedauert, aber jetzt ist es da. MIT DEM SCHATTENBLICK UNTERWEGS/001: SB: Beispielsweise im Hambacher Bagger fressen Erde auf (SB) Forst.

Mo. 9. Juli 2012 www.schattenblick.de Seite 9 Elektronische Zeitung Schattenblick

Erinnerte man sich daran, daß es sich POLITIK / KOMMENTAR / KULTUR bei dieser musikalischen Verschöne- rung eines mörderischen Aktes ihrer- "Bye-bye, Miss American Pie" - seits um einen Abgesang aufTräume handelte, die inzwischen so verweht Abgesang auf verwehte Hoffnungen sind, daß nicht einmal mehr ihr pop- kulturelles Kondensat nennenswerten Wenn US-Außenministerin Hillary aus sicherer Distanz, und das musika- Nährgehalt aufweist, dann könnte Clinton behauptet, ihre Regierung lische Vorspiel mündet in lobende man den epischen Titel Don McLeans denke nicht einmal daran, Afghani- Kommentare über den guten Schuß, als düstere Vision eines Niedergangs stan allein zu lassen, so dürfte das als sitze man mit einem Bier in der verstehen, gegen den kein Mittel hilft, von seiner Bevölkerung nicht nur als Hand an der Spielekonsole. Mit gera- weil die zu rettende Substanz restlos freundliche Zuwendung verstanden dezu klinischem Interesse wird der im Feuer der kriegerischen Durchset- werden. Auch die Aufnahme des Ort, an dem die Rakete eingeschlagen zung kapitalistischer Produktivität Landes in den Kreis der "wichtigen ist, inspiziert, während sich der Heli- verheizt wurde. In dem wortgewalti- Nicht-NATO-Verbündeten" durch kopter nähert. Zwei Salven aus den gen und poetischen Kaleidoskop der die US-Regierung wird nicht alle Af- Bordwaffen sollen dafür sorgen, daß 1960er Jahre, mit dem Don McLean ghaninnen und Afghanen erfreuen, keiner der aus dieser Distanz wie In- 1971 einen großen Erfolg feierte, dokumentiert doch das Beispiel des sekten wirkenden Menschen überlebt, nimmt der "Tag, an dem die Musik Nachbarn Pakistan, was eine solche handelt es sich doch im administrati- starb", eine zentrale Rolle ein. Alle Aufwertung vor allem bedeutet. Sie ven Ordnungsstreben der Besatzer um Versuche, dem Leben und der Musik verpflichtet die Regierung zu einer Störfaktoren, die gerade so zu elimi- einen Sinn abzugewinnen, werden mit Willfährigkeit gegenüber den USA, nieren sind, wie man es ansonsten mit dem Niedergang der Gegenkultur, der die die Interessen der eigenen Bevöl- Organismen tut, die sich auf störende Kommodifizierung ihrer Kunst zur kerung mißachtet, und setzt das Land Weise der eigenen Naturbeherrschung bunten Ware und der Verfettung ihrer damit erheblichen inneren Spannun- widersetzen. Protagonisten gegenstandslos. gen zwischen den von diesem Status profitierenden Funktionseliten und Afghanistan aus der Sicht der Bord- "Now for ten years we've been on our den mehrheitlich verarmten Men- kamera eines Kampfhubschraubers own and moss grows fat on a rollin' schen aus. So hat der privilegierte widerlegt alle schönen Reden, mit de- stone" - das Versprechen selbstbe- Zugang zu US-amerikanischen Rü- nen Politiker der NATO-Regierungen stimmten und solidarischen Lebens stungsgütern vor allem zur Folge, versuchen, einen humanitären und verlischt in der Zwangslogik einer daß mehr Blut im eigenen Land ver- menschenfreundlichen Mantel über materiellen Existenzsicherung, die gossen wird, ganz abgesehen davon, den imperialistischen Krieg zu wer- erst wertvolle Früchte trägt, wenn sie daß damit den Geschäftsinteressen fen. Das Intonieren eines Popsongs in zu Lasten des anderen Menschen geht. der Rüstungsschmieden mehr ge- Ankündigung des unaufhaltsam na- "Helter skelter in a summer swelter, dient ist als einer Entwicklung der henden Todes der waffentechnisch the birds flew off with a fallout shel- afghanischen Gesellschaft, die nicht völlig unterlegenen Gegner vollzieht ter, eight miles high and fallin' fast, von Gewalt, Zwang und Tod gekenn- die herrschaftliche Distanz, mit der plant a flower on the grass" - die ato- zeichnet ist. die Menschlichkeit der betroffenen mare Katastrophe war vor 40 Jahren Afghanen negiert wird, so total, daß so greifbar wie ihr ökologisches Erbe Um zu verstehen, wie das Verhältnis eine dagegen gerichtete Empörung heute. Die Destruktivität des Atom- zwischen den USA und Afghanistan ebensowenig an der Verächtlichkeit kriegs findet in den zerstörerischen beschaffen ist, lohnt es sich, jenes Vi- im Umgang mit der einheimischen Folgen einer Verwertung um jeden deo eines US-Kampfhubschraubers Bevölkerung ändert wie die Kritik Preis, und sei es die eigene Existenz, [1] in Augenschein zu nehmen, in dem daran, daß sich Besatzungsoldaten ihre logische Folge. Krieg und Kapi- kurz vor einem Angriff auf angebliche beim Urinieren auf gefallene Taliban talismus sind zwei Seiten einer Me- Taliban-Kämpfer mit einer Hellfire- ablichten oder bei ihre nächtlichen daille, mit der die Prätorianer eines Rakete der Refrain des Liedes "Bye- Mordaktionen immer wieder Frauen globalen Regimes dafür ausgezeich- bye, Miss American Pie" intoniert und Kinder umbringen. Mit solcher net werden, daß sie jedem Versuch, wird. Es schildert auf eindringliche Empörung versucht man lediglich zu ein ganz anderes Leben zu führen, mit Weise, daß die Besatzer des Landes retten, was niemals etwas anderes als Feuer und Schwert entgegentreten. einen zynischen Umgang mit den die gewaltsame Zurichtung eines Subjekten der Befreiung pflegen, um Landes auf die politischen und öko- Das kryptische Ende des Liedes be- die es in Afghanistan angeblich geht. nomischen Interessen der Aggresso- schreibt eine verwaiste und entfrem- Mit tödlicher Absicht gefeuert wird ren war. dete Welt, in der die Menschen nicht

Seite 1 0 www.schattenblick.de Mo. 9. Juli 2012 Elektronische Zeitung Schattenblick mehr miteinander sprechen und aus der sogar Gott, sein Sohn und der SCHACH - SPHINX Heilige Geist Reißaus nehmen: "The church bells were all broken And the three men I admire most the Father, Bent Larsens Mißgeschicke Son and Holy Ghost they caught the last train for the coast the day the mu- Bent Larsen war zu seinen besten geschah nach 17...Sb6-d5 im heuti- sic died." Nicht wenige der US-Pilo- Zeiten einer der gefürchtesten An- gen Rätsel der Sphinx? ten, die über fremden Ländern griffsspieler der Welt. Sein Wage- Bomben abwerfen, bekreuzigen sich mut, seine Entschlossenheit und die vor ihrem Einsatz. Sie machen eine in Art, wie er in jeder Stellung den der Geschichte ihrer Verbreitung oh- Rammbock ansetzte, trugen dazu nehin Mission und Kolonialismus im bei, daß er lange Jahre als heißester Gleichschritt vollziehende Religion Kandidat auf dem Weltmeisterthron zum Instrument einer Aggression, die gehandelt wurde. Doch seine über- die angebliche Gewalttätigkeit der aus tollkühne Spielweise erwies sich von ihr aufs Korn genommenen mo- zuletzt auch als Handicap. So verd- notheistischen Konkurrenz als Merk- arb er viele aussichtsreiche Stellun- mal eigener Suprematie entlarvt und gen, indem er allzu dreist über die damit jeden Weg zurück zu den un- Stränge schlug. Diese Unbeständig- teilbaren Ursprüngen einer ansonsten keit führte auch dazu, daß er auf Tur- in den Dienst herrschender Interessen nieren gegen das "Unterhaus" gestellten Nächstenliebe versperrt. überraschend verlor, hingegen die Braga - Larsen Was bleibt, ist der Rock'n'Roll eines Schlachtschiffe versenkte, wie bei- Mar del Plata 1982 Kulturimperialismus, der kaputt- spielsweise in Mar del Plata 1982, macht, was an subjektivem Leben wo er den Turniersieger Jan Timman noch nicht unterworfen ist. in Ketten legte, den Turnierzweiten Auflösung letztes Sphinx­Rätsel: Lajos Portisch niederstreckte und Wer den popkulturell codierten Funk- auch dem Fünftplatzierten Seirawan Die tiefe Wunde in Kortschnojs See- verkehr der Besatzung des Apache- den Schneid abkaufte. Daß er den- le grub sich nach 26.Le5xg7!! Helikopter im vollen Gepränge milita- noch nur auf dem siebten Platz lan- Kg8xg7 27.Df5-g5+ Kg7-h8 ristischer PR erleben will, kann anhand dete, lag schlicht daran, daß er gegen 28.Td1-d8 Sc5-d7 - 28...Tf8xd8 der Promo-Videos der Gruppe Max die argentinischen Meister Braga 29.Dg5xd8+ Kh8-g7 30.Dd8-g5+ Impact [2] erleben, wie perfekt sich und Palermo, gelinde gesagt, unver- Kg7-f8 31.Dg5-h6+ und Matt im Rockmusik und imperialistischer dient verlor. Bei einigem nächternen nächsten Zug - 29.Te1-e8! Dc4- d4+ Krieg ergänzen. An militaristischer Spiel hätte er durchaus zu einem Re- 30.Kg1-g2 Dd4-g7 - 30...Dd4-b4 Selbstherrlichkeit ergötzen sich nicht mis kommen können, insbesondere 31.Td8xd7 Tf8xe8 32.Dg5-f6+ - nur die weißen Herren in Afghanistan, gegen Braga. Aber bei seinem 17. 31.Dg5-e7 Kh8-g8 32.De7xd7 ein. sie ist immanenter Bestandteile vieler Zug übersah er eine Kombination, Und an dieser Stelle gab er resigniert Produkte einer Kulturindustrie, deren die ihn auf die Verliererstraße brach- auf. Expansionzonen nicht nur mit den Er- te. Bedauerlich, denn in ebendieser oberungen des humanitären Interven- Art pflegte Larsen sonst seine Parti- SCHACH UND SPIELE / SCHACH tionismus identisch sind, sondern diese en zu gewinnen. Also, Wanderer, was SCHACH­SPHINX/04435 Aggressionen auf ergötzliche Weise il- lustrieren und abfeiern.

Fußnoten: [1] http://www.guardi- Liste der neuesten und an.co.uk/world/2012/jul/06/bye- Schattenblick / INFOPOOL SCHACH UND SPIELE / SCHACH tagesaktuellen Nachrichten ... bye-american-pie-afghanistan Kommentare ... Interviews ... [2] http://www.schattenblick.de/inf- SCHACH­SPHINX 01672 ­ 04435 Reportagen ... Textbeiträge opool/politik/kommen/se- ...Dokumente ... Tips und le0921.html http://www.schattenblick.de/ infopool/schach/ip_schach_ Veranstaltungen ... vom 9. Juli 2012: schach_schach­sphinx.shtml http://www.schattenblick.de/infopool POLITIK / KOMMENTAR /infopool.html KULTUR/0936:

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SPORT / BOXEN / MELDUNG

Wladimir Klitschkos Physis überfordert Tony Thompson

US­Amerikaner unterliegt dem Weltmeister in der sechsten Runde

Die seit geraumer Zeit erfolgreich gewertet. Seine beste Szene hatte der Tony Thompsons Resümee fiel praktizierte Strategie der Klitschkos, US-Amerikaner in der dritten Run- zwangsläufig recht deprimiert aus. in die Jahre gekommene Konkurren- de, als er mit einem linken Konter Klitschko habe ihn voll getroffen, ten dank ihrer überlegenen Physis in traf. Davon abgesehen machte der doch inzwischen gehe es ihm wieder die Schranken zu weisen und den Herausforderer jedoch zu wenig, um gut. Unterschätzt habe er den Welt- noch nicht gereiften Nachwuchs Klitschko und die Punktrichter zu meister nicht, wohl aber vielleicht frühzeitig abzuernten, hat einmal beeindrucken. etwas zu viel Respekt gezeigt. Er ha- mehr zum absehbaren Resultat ge- be sich sehr gut auf diesen Kampf führt. konnte Nach einem ausgeglichenen vierten vorbereitet und einen taktischen Plan seine vier Titel im Schwergewicht in Durchgang, in dem sich der Ukrainer verfolgt. Womöglich sei er aber in- souveräner Manier verteidigen. Vor mit einer guten Kombination in Sze- zwischen über den Zenit seines Kön- 22.000 Boxfans im Berner Stade de ne setzte und Thompson seinerseits nens hinaus. Zwar sei er nach wie vor Suisse und 8,36 Millionen Fernseh- energischer kämpfte, brachte davon überzeugt, alle anderen schla- zuschauern bei RTL besiegte der Klitschko in der fünften Runde einen gen zu können. Wenn man jedoch 36jährige Superchampion der Ver- rechten Volltreffer ins Ziel. Der Her- den Champion nicht besiegen könne, bände WBA und WBO sowie Welt- ausforderer ging schwer zu Boden, mache es eigentlich keinen Sinn meister der IBF und IBO den vier kam nur mit Mühe wieder auf die mehr. Jahre älteren Pflichtherausforderer Beine und überstand klammernd die Tony Thompson aus den USA durch verbleibende halbe Minute. Im sech- Trainer Emanuel Steward, der an technischen K.o. in der sechsten sten Durchgang versuchte Thomp- diesem Tag seinen 68. Geburtstag Runde. Die Kontrahenten hatten ein- son nur noch durchzuhalten, bis der feierte, attestierte seinem Schützling ander am 12. Juli 2008 in Hamburg Champion mit einer rechten Geraden eine souveräne Leistung. Dieser ha- schon einmal im Ring gegenüberge- und einem linken Haken erneut Wir- be gezeigt, was erforderlich war, und standen. Damals gewann der Ukrai- kung erzielte. Klitschko setzte sofort die Aufgabe gut gelöst, den schwer ner durch einen spektakulären K.o. nach, worauf sein Gegner in der Rin- zu treffenden Herausforderer zu er- in der elften Runde. In Bern blieb der gecke zusammensackte und zunächst wischen. Wladimir habe dank seiner jüngere Klitschko in seinem 13. Ti- auf dem Boden liegenblieb. Er raff- überragenden Physis gewonnen. Er telkampf seit 2006 ungeschlagen und te sich zwar noch einmal auf, doch selbst habe im Laufe der Jahre fünf verbesserte seine Bilanz auf 58 Sie- war er offensichtlich nicht mehr in Schwergewichtsweltmeister trai- ge und drei Niederlagen. Für den der Lage, sich zu verteidigen, so daß niert. Wladimir wäre für jeden US-Amerikaner stehen nun 36 ge- ihn Ringrichter Sam Williams aus Champion der Geschichte eine Ge- wonnene und drei verlorene Kämp- den USA nach genau 2:56 Minuten fahr gewesen. Gemessen an seiner fe zu Buche. aus dem Kampf nahm. Bilanz gehöre er zu den Besten aller Zeiten. Da Thompson in der Rechtsauslage Im anschließenden Interview zog boxt, brauchte Klitschko in der er- Wladimir Klitschko das Fazit, daß Den WBC-Titel verteidigt der vier sten Runde einige Zeit, um die rich- er zufrieden mit dem Ergebnis sei, Jahre ältere Vitali Klitschko am 8. tige Distanz zu finden. Sein Jab kam doch boxerisch noch einige Dinge September in Moskau gegen den nicht allzu häufig, und die Kontra- besser machen könne. Es sei nicht Kölner Manuel Charr. Sollte er da- henten standen einander wiederholt leicht, das richtige Timing zu fin- nach wegen seiner politischen Am- auf den Füßen. Im zweiten Durch- den, da sich Thompson kaum tref- bitionen die Boxhandschuhe an den gang ging der Weltmeister dann fen lasse. Dennoch sei es diesmal Nagel hängen, könnte Wladimir um deutlich aggressiver zur Sache und viel einfacher gewesen, da er die den letzten verbliebenen Titel kämp- kam mit seiner Rechten immer bes- Kontrolle übernommen habe, so der fen. Er freue sich unheimlich, mit ser durch. Nach einem Treffer, dem Ukrainer: "Ich wußte, daß ich seinem Bruder die Schwergewichts- ein Gerangel folgte, ging Thompson schneller, stärker, besser bin. Tony szene zu beherrschen, sagte der jün- zum ersten Mal zu Boden, doch wur- wollte es unbedingt, aber es war gere Klitschko. "Ich mag gar nicht de die Aktion nicht als Niederschlag nicht seine Nacht." daran denken, daß das irgendwann

Seite 1 2 www.schattenblick.de Mo. 9. Juli 2012 Elektronische Zeitung Schattenblick enden wird." Nicht erst seit gestern zeichnet sich ab, daß den Klitschkos SPORT / BOXEN / MELDUNG angemessene Gegner ausgegangen sind. Thompson kam nur deshalb ein zweites Mal ins Spiel, weil er sich Spektakuläre Duelle werfen ihren Schatten voraus nach der ersten Niederlage gegen den Champion mit fünf Siegen in Vorschau auf ausgewählte Profikämpfe der kommenden Wochen Folge zum Pflichtherausforderer der IBF hochgekämpft hatte. 14. Juli: David Haye gegen Dereck Chisora

Sollte sich am kommenden Samstag Dereck Chisora in London gegen Da- 21. Juli: Denis Lebedew gegen Jean-Marc Mormeck vid Haye durchsetzen, wäre der Brite eine Option für Klitschkos nächsten Auftritt. Allerdings sind sowohl Chi- 25. Juli: gegen Danny Santiago sora (Vitali) als auch Haye (Wladimir) bereits an den Klitschkos gescheitert. Für das kommende Jahr arbeitete Ma- 28. Juli: Selcuk Aydin gegen Robert Guerrero nager Bernd Bönte an Duellen gegen die bislang unbesiegten Briten David Price und Tyson Fury. Ein Angebot, 25. August: Robert Stieglitz gegen Arthur Abraham erstmals seit vier Jahren wieder im New Yorker Madison Square Garden aufzutreten, schlugen Klitschko und 25. August: Gennadi Golowkin gegen Dmitri Pirog Bönte aus. Für den Weltmeister gibt es in Europa viel mehr Geld zu ver- dienen, zumal kein gefährlicher US- 1. September: Felix Sturm gegen Daniel Geale amerikanischer Herausforderer in Sicht ist. 15. September: Sergio Martinez gegen Julio Cesar Chavez An Kämpfen gegen den Amerikaner oder den Russen Alex- ander Powetkin fehle das Interesse der SPORT / BOXEN / MELDUNG/828 Sender und Austragungsstätten, so Bönte. Im Gespräch sind hingegen http://www.schattenblick.de/infopool/sport/boxen/sbxm0828.html und Johnathon Banks aus den USA, vor allem aber der in 27 Kämpfen ungeschlagene Pole Mari- usz Wach. Da die polnischen Fernseh- sender großes Interesse an diesem Duell haben, ist nicht auszuschließen, BOULEVARD / TEST & SPASS / KALENDERBLATT daß der Weltmeister seine Titel in Po- len gegen den 32jährigen "Wikinger" verteidigt. Fest steht bislang nur, daß Wladimir Klitschko im November Kurzweiliges für Montag, den 9. Juli 2012 oder Dezember wieder in den Ring steigen soll. Der Kampf werde mit Si- Fallweise cherheit in Europa stattfinden, er müsse aber nicht zwangsläufig in Der Pragmatiker entscheidet Fälle nicht nach Grundsätzen, Deutschland über die Bühne gehen, sondern fallweise, schließt Bernd Bönte ein erneutes (Ron Kritzfeld) Gastspiel im benachbarten Ausland in Erwägung. fällt jedoch zumeist grundsätzlich über seine Entscheidung.

SPORT / BOXEN / PROFI/519 HB

Mo. 9. Juli 2012 www.schattenblick.de Seite 13 Elektronische Zeitung Schattenblick

______I n h a l t______Ausgabe 423 / Montag, den 9. Juli 2012______

UMWELT - REPORT Bagger fressen Erde auf - Interview mit Mona & Nelly, Lausitzer Klima- und Energiecamp Seite 1 POLITIK - KOMMENTAR "Bye-bye, Miss American Pie" - Abgesang auf verwehte Hoffnungen Seite 10 SCHACH-SPHINX Bent Larsens Mißgeschicke Seite 11 SPORT - BOXEN Wladimir Klitschkos Physis überfordert Tony Thompson Seite 12 SPORT BOXEN Vorschau auf ausgewählte Profikämpfe der kommenden Wochen Seite 13 KALENDERBLATT Kurzweiliges für den 09.07.2012 - Fallweise Seite 13 DIENSTE - WETTER Aussichten ... Und morgen, den 09. Juli 2012 Seite 14

DIENSTE / WETTER / AUSSICHTEN

Und morgen, den 9. Juli 2012 +++ Vorhersage für den 09.07.2012 bis zum 10.07.2012 +++

Montag, echter Montag wieder, alle Welt im Urlaub flucht, Jean jedoch singt Regenlieder, denn den Guß hat er gebucht.

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