Geniales, Kurioses und Tragisches der Leichtathletik-WM

Die 11. Leichtathletik-Weltmeisterschaften in sind am Sonntag zu Ende gegangen. 47 Entscheidungen waren auf dem Programm gestanden, ein Überblick über Geniales, Kurioses und Tragisches der Welttitelkämpfe in der olympischen Kernsportart:

DIE TRIPLE: Der von „Knast-Coach“ Lance Brauman betreute US-Sprinter gewann über 100 m, 200 m und mit der 4x100-m-Staffel. Drei Titel auf diesen Strecken bei einer WM waren vor ihm nur Landsmann Maurice Greene 1999 in Sevilla gelungen, Michael Johnson gewann 1995 in Göteborg ebenfalls über drei Sprintstrecken Gold (200 m, 400 m und 4x400 m). Für Gay beginnt nun das große Abcashen, 70.000 Euro pro Meeting darf er jetzt gut verlangen. Bei den Damen war Allyson Felix mit Gold über 200 m sowie den beiden Staffeln die einzige Dreifach-Weltmeisterin in Japan.

DER HATTRICK: Bei den Männern der Äthiopier Kenenisa Bekele über 10.000 m, der Weißrusse Iwan Tichon im Hammerwerfen und Jefferson Perez aus Ecuador über 20 km Gehen sowie bei den Frauen die Schwedin Carolina Klüft im Siebenkampf krönten sich zum dritten Mal en suite zu Weltmeistern in derselben Disziplin.

DIE ERLÖSUNG: Endlich ist Roman Sebrle Weltmeister und die ganzen Zehnkampf-Anhängerschaft freut sich mit. Der Vorzeigeathlet aus Tschechien, Jahr für Jahr der umjubelte Star-Decathlet beim Mehrkampfmeeting in Götzis, das er bereits fünfmal gewonnen hat, vervollständigte nach Weltrekord, Olympiasieg und EM-Triumph seine Titel-Kollektion mit WM-Gold.

DER BASKETBALLER: Neuer Hochsprung-Weltmeister ist Donald Thomas, der Mann von den Bahamas war erst vor eineinhalb Jahren vom Basketball in die Leichtathletik gewechselt. Der 23-Jährige war ohne Vorkenntnisse und in Basketball-Ausrüstung 2,13 m hoch gesprungen. Nur zwei Tage nach dem ersten Training gewann er am 19. Jänner 2006 in Charleston mit 2,22 einen Wettkampf. Bei der WM siegte er in der Jahresweltbestleistung von 2,35.

DIE MINIMALISTIN: Der chinesische Hürdensprinter Liu Xiang war ob seiner Popularität einer der Topstars dieser WM, aber der Olympiasieger musste hart für seinen WM-Erfolg arbeiten. Fast schon zu wenig Mühe hatte hingegen Stabhochsprung-Kosmonautin Jelena Isinbajewa, die nur zwei Höhen und drei Versuche benötigte, um ihren Titel erfolgreich zu verteidigen. Die Erkenntnis der Russin: „Ich musste wieder gegen mich springen.“

DER PECHVOGEL: Den Sturz der WM lieferte Steeple-Läufer Günther Weidlinger. Eingangs der zweiten Runde war der Oberösterreicher im Vorlauf mit dem Kinn gegen den Balken eines Hindernisses geprallt und hatte sich Rissquetschwunden an Unterlippe (genäht mit drei Stichen im Mundwinkelbereich) und Unterkiefer (fünf Stiche) sowie ein Stauchungstrauma am Bewegungsapparat und leichte Verschiebungen des Beckens zugezogen. 45 Minuten war er teilweise ohne Bewusstsein. Die Sturzbilder waren auch in Japan in vielen Zeitungen zu sehen.

DER IRRLÄUFER: Erst sah es danach aus, dass der deutsche Geher Andre Höhne im Endspurt über 20 Kilometer kurz vor dem Stadion falsch eingewiesen worden war und einen Umweg machen musste, langsam kam aber die Wahrheit ans Tageslicht: Der Berliner war aus Versehen mit einem Amerikaner mitgegangen, der noch eine Runde vor sich hatte - er hatte sich also schlichtweg verlaufen. Ins Ziel kam er dann nicht einmal mit Verspätung, er kollabierte im Hitzerennen vor der Ziellinie.

DAS DEBAKEL: Österreichs Leichtathletik ist auf dem Tiefpunkt angekommen, dafür verantwortlich ist aber sicher nicht allein das Abschneiden jener drei Athleten, die in Osaka mit dabei waren (Günther Weidlinger/Hindernis/gestürzt, Clemens Zeller/400 m/38., Andrea Mayr/Hindernis/41.). Das Übel liegt tiefer begraben, in vernachlässigter Nachwuchsarbeit Mitte der 90er Jahre, fehlenden Strukturen und Trainern, auch bedingt durch die schlechte finanzielle Lage des Verbandes.

DIE GEFALLENE: Die Olympiasiegerin und dreifache Weltmeisterin (34) aus Mosambik hat im Finale über 800 m rund 50 Meter vor dem Ziel aufgegeben, weil sie keine Chancen mehr auf eine Medaille sah, und war anschließend im Infield über einen Fotografen gestolpert. Die frühere, langjährige Kontrahentin der Kärntnerin Stephanie Graf über 800 m bestritt ihre neunte Freiluft-WM. Die Wachablöse ist längst passiert, die in Osaka siegreiche Kenianerin Janeth Jepkosgei schickt sich an, der neue Star über diese Mitteldistanz der Frauen zu werden.

DIE GASTGEBER: Immer freundlich und hilfsbereit gaben sich die Japaner gegenüber den ausländischen Gästen. Bei technischen Problemen der Medienvertreter kam stets gleich ein ganzer Trupp zum Hilfesuchenden, bei den Sicherheitskontrollen entschuldigte sich das Personal tausendmal dafür, dass es das Aufklappen der Laptops verlangte, oder das Herzeigen der Mini- Deospraydose im Rucksack. Und wenn man um Mitternacht erschöpft und klebrig von Hitze und Schwüle das Stadion verließ, standen die Helfer in makelloser Uniform bei den Ausgängen Spalier und lächelten und grüßten im Chor. Manchmal war sich der Europäer nicht sicher, worüber er sich mehr wundern sollte: Über die bedingungslose, immerwährende Freundlichkeit oder den Putzfimmel, der an den Tag gelegt wird.

DER HEIMEFFEKT: Der sportliche Erfolg des Gastgeberlandes hielt sich allerdings in Grenzen, es gab nur eine Medaille für Japan, Reiko Tosa holte am Schlusstag Marathon-Bronze. Die Gründe für die Misere waren breitgestreut: Athleten waren nicht fristgerecht in Form, sie schafften es nicht, sich auf die klimatischen Bedingungen einzustellen oder zerbrachen am Druck. So wurde Hammerwurf-Olympiasieger Koji Murofushi nur Sechster. Die Sieger und ÖLV-Platzierungen bei den Leichtathletik-WM im Nagai-Stadion von Osaka

MÄNNER:

100 m: Tyson Gay (USA) 9,85 Sek. 200 m: Tyson Gay (USA) 19,76 Sek. (CR) 400 m: Jeremy Wariner (USA)43,45 Sek. (JWBZ) weiter: 38. Clemens Zeller (AUT) 800 m: (KEN) 1:47,09 Min. 1.500 m: Bernard Lagat (USA) 3:34,77 Min. 5.000 m: Bernard Lagat (USA) 13:45,87 Min. 10.000 m: Kenenisa Bekele (ETH) 27:05,90 Min. Marathon: Luke Kibet (KEN) 2:15:59 Std. 3.000 m Hindernis: Brimin Kiprop Kipruto (KEN) 8:13,82 Min. gestürzt: Günther Weidlinger (AUT) 110 m Hürden: Liu Xiang (CHN) 12,95 Sek. 400 m Hürden: Kerron Clement (USA) 47,61 Sek. (JWBZ) Hochsprung: Donald Thomas (BAH) 2,35 m (JWBL) Stabhochsprung: Brad Walker (USA) 5,86 m Weitsprung: Irving Saladino (PAN) 8,57 m (AR) Dreisprung: Nelson Evora (POR) 17,74 m Kugelstoßen: Reese Hoffa (USA) 22,04 m Diskuswerfen: Gerd Kanter (EST) 68,94 m Hammerwerfen: Iwan Tichon (BLR) 83,63 m (JWBL) Speerwerfen: Tero Pitkämäki (FIN) 90,33 m Zehnkampf: Roman Sebrle (CZE) 8.676 Pkt. 20 km Gehen: Jefferson Perez (ECU) 1:22,20 Std. 50 km Gehen: Nathan Deakes (AUS) 3:43:53 Std. 4 x 100 m: USA 37,78 Sek. (JWBZ) (// Tyson Gay/Leroy Dixon) 4 x 400 m: USA 2:55,56 Min. (JWBZ) (LaShawn Merritt/Angelo Taylor/ Darold Williamson/Jeremy Wariner)

FRAUEN:

100 m: Veronica Campbell (JAM) 11,01 Sek. 200 m: Allyson Felix (USA) 21,81 Sek. (JWBZ) 400 m: Christine Ohuruogu (GBR) 49,61 Sek. (JWBZ) 800 m: Janeth Jepkosgei (KEN) 1:56,04 Min. (JWBZ) 1.500 m: Maryam Yusuf Jamal (BRN) 3:58,75 Min. 5.000 m: Meseret Defar (ETH) 14:57,91 Min. 10.000 m: Tirunesh Dibaba (ETH) 31:55,41 Min. Marathon: (KEN) 2:30:37 Std. 3.000 m Hindernis: Jekaterina Wolkowa (RUS) 9:06,57 Min. (CR,JWBZ) weiter: 41. Andrea Mayr (AUT) 100 m Hürden: Michelle Perry (USA) 12,64 Sek 400 m Hürden: Jana Rawlinson (AUS) 53,31 Sek. Hochsprung: Blanka Vlasic (CRO) 2,05 m Stabhochsprung: Jelena Isinbajewa (RUS) 4,80 m Weitsprung: Tatjana Lebedewa (RUS) 7,03 m Dreisprung: Yargelis Savigne (CUB) 15,28 m (JWBL) Kugelstoßen: Valerie Vili (NZL) 20,54 m (JWBL,AR) Diskuswerfen: Franka Dietzsch (GER) 66,61 m Hammerwerfen: Betty Heidler (GER) 74,76 m Speerwerfen: Barbora Spotakova (CZE) 67,07 m Siebenkampf: Carolina Klüft (SWE) 7.032 Pkt. (JBWL,AR) 20 km Gehen: Olga Kaniskina (RUS) 1:30:09 Std. 4 x 100 m: USA 41,98 Sek. (JWBZ) (Lauryn Williams/Allyson Felix/ Mikele Barber/Torri Edwards) 4 x 400 m: USA 3:18,55 (JWBZ) (DeeDee Trotter/Allyson Felix/Mary Wineberg/Sanya Richards)

CR - WM-Rekord AR - Kontinental-Rekord JWBL - Jahresweltbestleistung JWBZ - Jahresweltbestzeit