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187 Der Weiler Spych in den Buchsibergen. Nach einer Radierung von Bruno Hesse

Standoftfa kto ren u nd S iede I u ng slage lm folgenden sollen bloss Lagetypen geschlosse- ner Siedelungen besprochen werden; für Weiler und Einzelhöfe gelten ähnliche, doch minder aus- geprägte Merkmale. Naturgemäss treten kaum reine Lagetypen auf. Viele Siedelungen stellen beispielsweise Tal- wie Mündungsdörfer dar, deren ältere Teile auf Terrassen oder in Seitentäl- chen llegen, so die Dörfer im Oenz-Trockental und im Langetental (Abb. 188). Fur die Standortwahl der Dorfsiedelungen sind verschiedene Faktoren massgebend, die sich teils überlagernd abschwächen, teils verstärken. Klima und Stärke d:er Reliefierung nehmen im Mittelland weitgehend mit der Meereshöhe im ungunstigen Sinne zu. Allerdings nimmt gegenseits die winterli- che Nebelhäufigkeit ab, entsprechend die Sonnen- scheindauer zu. Von den 47 Dörfern des Oberaar- gaus liegen deren 40 oder 85 % unter 600 m ü. M.,

188 Dufourkarte 1861. 1 :50000. Lage und frühere Form der Dörfer im mittleren Langetental. An den Flüsschen lagen meist nur die wasserkraftnutzenden Gewerbesiedelungen

128 . r.t r der Rest zwischen 600 m und 1100 m. (ln der Schweiz liegen 60 % der Gemeinden mit 75 o/o der Einwohner unter 600 m.) Als reliefmässig bevorzugte Siedelungslagen gel- len Ebenen, Täler, Terrassen und Schuttkegel, t wobei alle leicht über die Niederungen erhöhten Stellen dem Schutzbedürfnis entgegenkommen (Hochwasser, Sumpfgebiete). Für landwirtschaftli- che Räume wird die Bodenqualität ausschlagge- * bend; im ist die Fruchtbarkeit an die glazialen Schuttflächen gebunden. Schliesslich sind als Standortfaktoren auch Wasserkraft und Verkehrslage zu en¡¡ähnen (Abb. 1 89). Die Verkehrslage war ursprünglich für ländliche Gebiete nicht entscheidend, doch konnten später t die häufigen Tallagen der Dörfer auch verkehrs- mässig gunstig genutzt werden. Karte Abb.'182 erhellt, dass im Oberaargau für 13 Dörfer eine Lage in der Ebene festzustellen ist, für deren 8 eine r- Hügellage (2. B. , Rütschelen und Thun- !, P. stetten; Abb. 190, 191 ). tr Das lal stellt den Hauptsiedelungsraum dar; von den 47 Dörfern weisen nur 5 keine Tallage im weiteren Sinne auf. Dabei verzeichnen 27 Dörfer 189 , Plan der

129 191 Zeichnung Carl Rechsteiner: Thunstetten. Hof Längmatt am Hang der Molassehügelgrenze, darüber eìner der zahlreichen ThunstetterWeiler. mit Kirche und Schloss

192 Lage und Form der Bipperämter Dörfer gau, vor allem die Jungmoränen, wie jene am an der natürlich vorgezeichneten Verkehrs- Jurarand und zwischen Thunstetten und Seeberg. linie des J urafusses. Vereinfachte Eine besondere, im Oberaargau einmalige Lage auf Darstellung 1 :100000 dem schön sichelförmig gebogenen, weichen Rük- nach Landeskarte der Schweiz, (Abb.194). Blatr 1 107 ken einer Endmoräne zeigt lnkwil Hier wird deutlich, dass die im folgenden zur Diskussion kommenden Dorfformen (Grundrisse) oft durch die Dorflage mitbestimmt wurden. Wie bei lnkwil der \\\\\ Hügelzug, so gaben auch die Talzuge oder schmale \\\\ Terrassenleisten Anlass zu Zeilen- oder Strassen- sledelungen, während sich Haufendörfer im Flach- land oder in durch Mündung erweiterten Talbecken bildeten. Eine Lage an Berg- oder Hügelfuss zeigt schön die oben genannte Dörferzeile am Jurafuss, wie ebenso die Siedelungsreihe an der Molassehügel- Dorfformen und ihre Entwicklung grenze, von Seeberg uber Ober- und Niederönz, , Bützberg, Langenthal bis Dass Lage und Form der Siedelungen oft kausale Roggwil. Zusammenhänge aufweisen, wurde eben darge- Günstige Standortfaktoren boten die niedrigen, legt. Wie üblich in tal- und verkehrsreichen Gebie- abgeflachten Moränenhügel im tlefern Oberaar- ten, dominieren auch im Oberaargau die Haufen- und die Zeilendörfer. Über die Hälfte der 47 Dorfsie- delungen weist vorwiegend Haufengrundriss auf lt. (Abb.195). Dabei handelt es sich zumeist um Dör- fer in geräumiger Flachland-, Tal- oder insbeson- rf dere Mündungslage, die sich stark zu entwickeln vermochten. Sie zeigen unregelmässige Polygon- I f ¡ L Grundform und darin ein mehrfach verzweigtes (,to, I.[ G. rì¡rir H, fi¡ ,l Û¡ t_ ¡_ Strassennetz. Cha ra kteristisch si nd Kernpu n kte, so rlú,fùicliib û1 bei Strassenkreuz oder -gabelung, wobei sich an t L diesen Stellen öfters der Dorfbrunnen oder ein t" È { Denkmal befindet. L ! Fast die Hälfte der Oberaargauer Dörfer ist von Ketten- ¿ deutlich langgestrecktem Zeilen- oder t grundriss. Solche Langdörfer sind entgegen einer ¿ bekannten Regel nicht selten recht alt, insbeson- dere wenn sie natürlichen Gegebenheiten ange- {{ 193 Attiswil. Plan von A. Lanz,1781 .¿ passt sind, wie wir es für den Fall der Moräne von Ungefähr ost-orientiert. Die Sledelung zeigt eine typische lnkwil zeigten. Entsprechende Bedingungen lagen Mündungslage am Jurasüdrand. Der obere Dorfteil (links) liegt in schmalen Tälern und - oder in Verbindung damit entlang des Dorfbaches ln dessen Tälchen; der untere folgt an Bächen vor', als Tal- oder Bachdörfer sind sehr Derart bildete sich auch hier die Form - West-Ost dem Bergfuss. häufig Zeilensiedelungen entstanden, hier seien eines T-Dorfes aus, was im historischen Plan klarer hervortr¡tt als ìn einer heutigen Darstellung. nur erwähnt die ältern Teile von Riedtwil, Bleien- (Staatsarchlv , AAV, 234, KKK 565. Aus F/at¿ 1969) bach, Bollodingen und der Jurafussdörfer. Auch

130 schmale Terrassenleisfe¿ wie bei Gondiswil und Farnern, veranlassen Langdörfer (Abb. 1 96). Langdörfer, so z. B. Bützberg, Bannwil und die beiden Walliswil, bildeten sich häufig einfach ent- lang von Strassenzügen, was zur verallgemeiner- ten Bezeichnung Strassendorf führte. Auch die einfachen S¿rassendörfer, d.h. solche ohne Ver- zweigungen, weisen selten nur eine Doppelzeile auf, zumeist haben sich hinter dieser zwei, drei weitere Bauzeilen zugesellt.

I n Weiterentwicklung entstanden natü rlicherweise in zahlreichen Fällen die verzweigten Strassendör- fer, als erste Form das Gabeldorf (, ), dann das Kreuzdorf () und schliess- lich das Sterndorf (Thörigen).

Eine Siedelungsspezialität stellen die T-Dörfer dar, i,IY/YLER die sich, zumindest im Oberaargau, deutlich an Mündungsstellen in den grossen Rinnen der fluvio- glazialen Trockentäler halten (Abb.193, 197). Gute 194 tPlan der Herrschaft lnckwyl...r von J.A. Riediger 1719. Beispiele derartiger T-Grundrisse liefern Riedtwil, VerkleinerterAusschnitt. (Staatsarchiv Bern, AA lV, Wangen , Attiswil, Ober- und Niederbipp: Hinter I KKK 320 ) Das Zeilendorf lnkwil auf dem letzteiszeitlìchen Stìrnmoränenwall, der dreiseltig ln schönem Sichelbogen das der Mündung des Seitentälchens wurde in dessen früher ungleich grössere natürliche Seestaubecken um- geschützter das relativ Lage als ältere Phase schliesst (Moos l). Aus F/aft, 1 969 -Dorf wie \ l4 im Falle von Attiswil oder Bleienbach. Zwei grosse Haufendörfer haben sich mit Nachbar- siedelungen zu kleinern Agglomerationen entwik- kelt und bilden Polypen-Siedelungen. Langenthal hat vor fast einem Jahrhundert das Dorf Schoren \\ ì eingemeindet und ist mit ihm völlig zusammenge- wachsen. Ahnlich verhält es sich trotz allgemein I l/,, anerkannter gegenteiliger Planungsidee in neuer Zeit auch mit Lotzwil und Bützberg, sowie sozusa- 4 gen mit Aarwangen, während wohl nur Wälder, 6 Wässermatten und Moosgebiete das Zusammen- wachsen mit Roggwil, Ober- und Untersteckholz, 195 Dorfformen Vereinfachte Darstellung nach Landes- '1 Bleienbach und Thunstetten verhindern konnten. karte; ca :50000 1 Haufendorf : Herzogenbuchsee. 2 Strassendorf: Farnern. Zu einem schön-schlimmen Beispiel eines einseiti- 3 Gabeldorf an Mündungsstelle: Ursenbach.4 Sterndorf : gen Polyps, wenn auch noch in dörflich begrenz- Thörigen 5 Kreuzdorf: Lotzwil. 6 T-Dorf: Riedtwil

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196 Gondiswil. Zellen- und Strassendorf auf Terrasse im Fribachtälchen. Foto H.Zaugg, Langenthal

197 Bleienbach. Typische Lage an Mündung eines Seiten- tälchens ins breitsohlige, ehemals versumpfte Trockental der Altache. Typische T-Dorf-Form mit kopfartig vergrössertem Ouer- balken (

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A ruieoeruipp Schwarzhäusernv - ^, Walliswil t- ' - 0 Aamangen ¿ Bannwil-0 - Walliswìl A W - Deilingen -

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Oekingen Me chnau Thör gen :o. x . Aeschisee J'"uo.*

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1 . La nd schaftl ich e G re nze n ( U berg a ngsstreif e n ) 3. Ale ma n n i sche O rts n a m e n sch ichten Juragrenze (Jurasüdfuss) ¡ lnoen-Namen-Orte 0 wil-Namen-orte Trockentallinìe Wynigen-Langenthal O Bach/Berg- (u ä.) Namen-Orte . Sohlentäler im höhern Oberaargau Napfg renze (Ri ngtal un g) 4. Urkundliche Altersstufen der Wil-Namen O bis 9oo goo-'t 2. Vo rale m a n n i sche H a u ptf u n d stätte n O 1oo X Steinzeitliche, insbesondere neolithische Siede- O nach 1 100 lungsplätze (inkl. Bronzezeit) Keltische Grabhügel-Felder (Eìsenzeit) -A Römlsche Villen

198 Karte der Besiedelungszonen im Oberaargau Historische Grundlagen zu den voralemannischen Phasen nach K. H. Flatt (Briefl¡che Mitteilung vom J uli 1982). Urkundliche Altersstufen der Wil-Namen nach P.Zinsli(1961]l

133 ¡- I sen entsprechen. Andrerseits aber lassen sich 4 besonders den fruhen Siedelungsepochen kaum sinnvolle Gebiete und Grenzen zuordnen und zwi- schen Jura und Molassehügeln keine räumlichen Einheiten ausscheiden. ln der Aareniederung über- schneiden und durchdringen sich die Fundorte der steinzeitlichen bis kelto-römischen und frühale- mannischen Besiedelungsphasen. Allen gemein- sam ist die Beschränkung auf den Raum des tiefern Oberaargaus; auch die erste alemannische Namenschicht auf lngen reicht nur geringfügig über die Molassehügelgrenze ins Önz-Trockental hinein. Dass die Karte vorläufig mit Mängeln und Zufällig- 199 Aaruvangen, Zopfe im Oberhardwald. Keltischer Grab- keiten behaftet sein muss, leuchtet ein: Boden- hügel (Eisenzeit). Foto Lydia Eymann, Langenthal f unde wie urkundliche Namenzeugnisse sind weder zeitlich noch räumlich gleichmässig er- tem, erträgliehem Masse, hat sich Herzogenbuch- forscht oder belegt. ln der Karte werden landschaft- see entwickelt (Abb.195); es streckt die zwei unter lich begrenzbare Zonen vorgeschlagen, die aus sich verwachsenen Arme von Ober- und Niederönz heutiger Sicht einigermassen einheitliche Siede- von sich. lungsräume darstellen und sich andrerseits teil- Ennet der Aare am Juraf uss laufen Attiswil, Wiedlis- und stellenweise mit zeitlichen Besiedelungspha- bach, Ober- und Niederbipp, die altehrwürdigen vier sen und -schüben verbinden lassen. Die drei Haupt- Bipper-Dörfer Gefahr, zu einer Paternoster-Siede- zonen, die nachstehend erörtert werden, können lung zu verwachsen - als Teil der Jurafuss-Band- im Sinne zunehmender Höhenlage und Reliefie- stadt, jener antiplanerischen Sch reckvorste I lung. rung abgegrenzt werden: Die Flachlandzone (tiefe- Leider hat hüben und drüben der Aare wie res Mittelland) mit frühesten Siedelungsplätzen, anderswo der alte dörflich-konservative Gemein- die Talzone (höheres Mittelland), wo sich die sinn dem modernen masslos gewordenen Profit- zweite alemannische Hauptbesiedelungsepoche in und Fortschrittsdrang die Stange nicht halten kön- einer Wil-Namenlandschaft spiegelt und sodann nen. Eine letzte Hoffnung für die letzten schönen die Hügelzone (höheres Mittelland sowie Bergzo- Reste unserer Dörfer ist mit den beschränkenden nen von Napf und Jura) mit spätalemannischen wie erhaltenden Massnahmen von Planung, Bau- Ansiedelungen (Bach-/Berg-Namenlandschaft). gesetz und Ortsbildschutz erstanden.

Besiedelungszonen

Während siedelungsgeografische Arbeiten über den Oberaargau fast vollständig fehlen, besteht eine recht ausgedehnte Literatur über dessen Besiedelungsgeschichte. Fü r die vorgermanischen Siedelungsplätze halten wir uns vorwiegend an Ausgrabungsbefunde, für die alemannischen an schriftliche Urkunden und die Ortsnamenkunde (Namenschichten und Namenlandschaften). Hier leistet die 201 Gemischte Siedelungslandschaft mit Wohn-, einige Hauptzonen der Besiedelung kartografisch Gewerbe- und lndustriebauten. Vorn Roggwil, im Mittelgrund darzustellen. Dabei zeigte sich, dass bestimmten , Murgenthal und Fulenbach SO. Hinten das östliche Räumen teilweise auch zeitliche Besiedelungspha- Solothurner Gäu und der Jura

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