Stadionwelten

Die Portale des „KWS“ heutzutage: Kassenhäuschen und Marathontor Alle Fotos: Titgemeyer Mit dem Kopfkissen auf der Fensterbank Im Halleschen Kurt-Wabbel-Stadion denkt man wehmütig an die guten, alten Zeiten der DDR-Oberliga zurück.

er sich heutzutage dem Kurt- meist übermächtigen (und verhassten) erstmals aufgestellt worden. NS-“Kunst“ Wabbel-Stadion nähert, kann Dynamo-Mannschaften. in der DDR, wer hätte das gedacht… Wdie Hallesche Fußballgeschich- Sportlich positionierte man sich seiner- te noch fast mit Händen greifen. Von der Mitteldeutsche Kampfbahn zeit allerdings eindeutig: In den Jahren Straße der Republik in die Kantstraße 1949 und 1952 ging der Meistertitel in die einbiegend, geht es an der Ecke vorbei, 1923 wurde das Stadion, seinerzeit Saalestadt. Auch der Zuschauerrekord des wo sich bis vor fünfzehn Jahren ein klei- allerdings nur ein halbfertiger Bau, als „KWS“, wie die Leute ihr Stadion liebevoll ner, aber feiner Schwarzmarkt etabliert „Mitteldeutsche Kampfbahn“ einge- nennen, stammt aber aus den fünfziger hatte. Bis zum Fall der Mauer wurden weiht. Es dauerte 13 weitere Jahre, bis Jahren: 1951 trennte sich Turbine , dort aus dem „kicker“ abfotogra erte man daraus ein richtiges Stadion für einer der Vorläufer des HFC, vom Ham- Mannschaftsbilder sowie Poster von Mu- immerhin 35.000 Zuschauer schuf. Die burger SV vor 40.000 Zuschauern 2:2. sikgruppen aus der „Bravo“ und dem äußeren Mauern bestehen aus Porphyr, Damals ein „internationales“ Spiel – „Metal Hammer“ verkauft. Dabei ließ einem rötlichen Stein, den eigentlich der erste Europapokalauftritt der Hallen- man die nebenan parkenden Einsatzwa- Bildhauer bei ihrer Arbeit verwenden. ser folgte 1961. Zuvor wurde jedoch kräf- gen der Bereitschaftspolizei nie aus den Die stilisierten Rundbögen der Ummaue- tig renoviert, denn der Zahn der Zeit hatte Augen. Weiter ging es vorbei am mäch- rung stellten eine recht seltene Variante schon deutlich am „Bau für die Ewigkeit“ tigen Marathontor, durch das man einen der damaligen Stadionarchitektur dar, genagt. Im frisch herausgeputzten KWS Blick auf das Vorspiel oder das Aufwär- sie existieren noch heute. gab es im Pokal der Pokalsieger ein pa men der Mannschaften erhaschen konn- Äußerlich wirkte das Stadion schon ckendes 3:3 gegen OFK Belgrad, was je- te. Dann waren nach wenigen Stufen die recht wuchtig, aber den Nazis war der doch nicht für die nächste Runde reichte. Kassenhäuschen erreicht, die zu allem Name „Kampfbahn“ 1939 offenbar nicht 1969 erhielt das Stadion neue Sitze so- Über uss auch noch vergittert waren. mehr martialisch genug, sodass sie das wie eine Flutlichtanlage mit 224.000 Watt, Dort kaufte man sich seine ermäßigte Stadion in „Horst-Wessel-Kampfbahn“ die das „Wabbel“ zur bestausgeleuchteten Stehplatzkarte für 25 Pfennige und stell- umbenannten. Bestand hatte der Name Sportanlage der DDR machte. Dies musste te sich mit rot-weißem Schal und einer nur bis zum Ende des Zweiten Weltkrie- gefeiert werden: Gornik Zabrze aus Polen Bockwurst in der Hand in die Fankurve. ges; 1945 wurde das Stadion erneut um- trat zum Freundschaftsspiel vor 20.000 Dann und wann wich man für satte 2,10 getauft und erinnert nunmehr an Kurt Zuschauern an und wurde so etwas wie Mark auf einen der viel zu eng geratenen Wabbel, einen Gewerkschaftsfunktionär ein Bruder-Verein. Alle paar Jahre kam Sitzplätze auf der gegenüberliegenden und Stadtverordneten von Halle/Saale, der Klub zu jedem nur erdenklichen An- Haupttribüne aus und stieß sich mit schö- der im KZ Buchenwald ermordet wurde. lass zum Freundschaftsspiel. ner Regelmäßigkeit die Knie. Die besten Nicht immer war man jedoch so kon- Plätze waren ohnehin den Bewohnern sequent, und so kam es im Jahre 1951 zu Friedensfahrer und UEFA-Cup-Gäste des schmutzig braun-grauen Hauses ge- einer recht merkwürdigen Entscheidung: genüber vorbehalten, die es sich mit dem Neben dem Marathontor – zu Zeiten des 1970 war Halle Etappenort der Frie- Kopfkissen auf der Fensterbank in ihrer Nationalsozialismus war dies noch das densfahrt, 25.000 Zuschauer wollten „Privat-Loge“ bequem machten. „Tor der Kämpfer“, überragt vom „Be- sich den Endspurt der Radrennfahrer Von welchen Plätzen aus auch immer fehlsturm“ – postierte man sechs Figuren: nicht entgehen lassen. Noch ein paar Mal – die Fans verfolgten die Duelle ihres Maurer, Hüttenarbeiter, Schmied, Berg- wurde das „KWS“ zum Zielstrich für die geliebten HFC Chemie mit großer Lei- mann, Geistesarbeiter und Bauer. Die Friedensfahrer. Der UEFA-Cup hielt 1971 denschaft, etwa gegen die Nachbarn Lok Figuren waren 1934 in der ersten deut- mit dem PSV Eindhoven als Gast Einzug. Leipzig und 1. FC Magdeburg oder die schen „Thingstätte“ an den Brandbergen Immerhin erreichte man ein 0:0 vor aus-

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Die Wendejahre stellten wiederum völ- lig neue Anforderungen an die Ostklubs, denen sich nur wenige der lange wie ein Planbetrieb geführten Vereine gewach- sen zeigten. So wurde auch der Zustand des Stadions und die damit verbundene Sicherheit zum wichtigen Kriterien bei der Lizenzvergabe – und dies zu Zeiten, als im Osten Hooligan-Probleme um sich griffen, von denen auch Halle nicht ver- schont blieb. Doch der Zuschauerschnitt litt nicht nur unter der Gewalt. Zwar kam der HFC 1991 auf Platz 4 und quali zier- Die Portale des „KWS“ heutzutage: Kassenhäuschen und Marathontor Alle Fotos: Titgemeyer Flutlichtanlage aus dem Jahr 1969 te sich damit für die 2. (und einmal mehr den UEFA-Cup), aber mit Dariusz Wosz und René Tretschok ver- Mit dem Kopfkissen auf der ließen die beiden besten Spieler den Klub in Richtung Westen. Die Fans nahmen sie wohl gleich mit, denn mit den folgenden Abstiegen brachen die Zuschauerzahlen Fensterbank weiter ein. Nichtsdestotrotz konnte der Im Halleschen Kurt-Wabbel-Stadion denkt man wehmütig an die guten, alten Zeiten HFC anlässlich des 25. Vereinsjubiläums im Januar 1991 vermelden, dass 3.358.600 der DDR-Oberliga zurück. Zuschauer in dieser Zeitspanne die Stadi- ontore des „KWS“ passierten, im Schnitt er sich heutzutage dem Kurt- meist übermächtigen (und verhassten) erstmals aufgestellt worden. NS-“Kunst“ beachtliche 13.393 Zuschauer pro Spiel. Wabbel-Stadion nähert, kann Dynamo-Mannschaften. in der DDR, wer hätte das gedacht… In der Saison 92/93 wurde dem HFC Wdie Hallesche Fußballgeschich- Sportlich positionierte man sich seiner- im DFB-Pokal Borussia Dortmund zu- te noch fast mit Händen greifen. Von der Mitteldeutsche Kampfbahn zeit allerdings eindeutig: In den Jahren gelost, in dessen Reihen die Alt-HFCer Straße der Republik in die Kantstraße 1949 und 1952 ging der Meistertitel in die Tretschok und Steffen Karl spielten. Über einbiegend, geht es an der Ecke vorbei, 1923 wurde das Stadion, seinerzeit Saalestadt. Auch der Zuschauerrekord des 15.000 Zuschauer bereiteten den tempo- wo sich bis vor fünfzehn Jahren ein klei- allerdings nur ein halbfertiger Bau, als „KWS“, wie die Leute ihr Stadion liebevoll rären Heimkehrern ein stimmungsvolles ner, aber feiner Schwarzmarkt etabliert „Mitteldeutsche Kampfbahn“ einge- nennen, stammt aber aus den fünfziger Die Haupttribüne mit überdachtem Ehrengastbereich Wiedersehen. Dies war allerdings die hatte. Bis zum Fall der Mauer wurden weiht. Es dauerte 13 weitere Jahre, bis Jahren: 1951 trennte sich Turbine Halle, Ausnahme, im Wabbel regierten meist dort aus dem „kicker“ abfotogra erte man daraus ein richtiges Stadion für einer der Vorläufer des HFC, vom Ham- Leere und Tristesse. Manche Blöcke wur- Mannschaftsbilder sowie Poster von Mu- immerhin 35.000 Zuschauer schuf. Die burger SV vor 40.000 Zuschauern 2:2. den zeitweise sogar komplett gesperrt, sikgruppen aus der „Bravo“ und dem äußeren Mauern bestehen aus Porphyr, Damals ein „internationales“ Spiel – da sich oftmals nur 200 Leute im weiten „Metal Hammer“ verkauft. Dabei ließ einem rötlichen Stein, den eigentlich der erste Europapokalauftritt der Hallen- Rund verliefen. Nur Rockkonzerte sorg- man die nebenan parkenden Einsatzwa- Bildhauer bei ihrer Arbeit verwenden. ser folgte 1961. Zuvor wurde jedoch kräf- ten ab und an für etwas Abwechslung, gen der Bereitschaftspolizei nie aus den Die stilisierten Rundbögen der Ummaue- tig renoviert, denn der Zahn der Zeit hatte wie 1994 die Gruppe Aerosmith vor Augen. Weiter ging es vorbei am mäch- rung stellten eine recht seltene Variante schon deutlich am „Bau für die Ewigkeit“ 12.000 Musikfans. tigen Marathontor, durch das man einen der damaligen Stadionarchitektur dar, genagt. Im frisch herausgeputzten KWS Zu einem der schwärzesten Tage in Blick auf das Vorspiel oder das Aufwär- sie existieren noch heute. gab es im Pokal der Pokalsieger ein pa der Geschichte des Wabbel-Stadions und men der Mannschaften erhaschen konn- Äußerlich wirkte das Stadion schon ckendes 3:3 gegen OFK Belgrad, was je- des Klubs wurde der 26.9.1997. In der te. Dann waren nach wenigen Stufen die recht wuchtig, aber den Nazis war der doch nicht für die nächste Runde reichte. 4. Liga stand das Derby gegen den VfL Kassenhäuschen erreicht, die zu allem Name „Kampfbahn“ 1939 offenbar nicht 1969 erhielt das Stadion neue Sitze so- Halle an, über 10.000 Fans sorgten für Über uss auch noch vergittert waren. mehr martialisch genug, sodass sie das wie eine Flutlichtanlage mit 224.000 Watt, „VIP-Logen“ gibt es nur in den benachbarten Wohnhäusern. einen würdigen Rahmen. Aber ein Fall- Dort kaufte man sich seine ermäßigte Stadion in „Horst-Wessel-Kampfbahn“ die das „Wabbel“ zur bestausgeleuchteten schirmspringer, der den Spielball auf Stehplatzkarte für 25 Pfennige und stell- umbenannten. Bestand hatte der Name Sportanlage der DDR machte. Dies musste verkauftem Haus. Das Rückspiel sollte Mittelllinie abgefeuert, riss die Leute von spektakuläre Weise ins Stadion ein ie- te sich mit rot-weißem Schal und einer nur bis zum Ende des Zweiten Weltkrie- gefeiert werden: Gornik Zabrze aus Polen zwei Wochen später statt nden, doch ein ihren Sitzen und auf den Rängen wurden gen sollte, stürzte tragischerweise mitten Bockwurst in der Hand in die Fankurve. ges; 1945 wurde das Stadion erneut um- trat zum Freundschaftsspiel vor 20.000 tragischer Hotelbrand in Holland kam merkwürdige, rothaarige Männer in ka- in die Zuschauer des Kassenbereichs, Dann und wann wich man für satte 2,10 getauft und erinnert nunmehr an Kurt Zuschauern an und wurde so etwas wie dazwischen. Viele Spieler halfen bei der rierten Röcken bestaunt. insgesamt waren vier Tote zu beklagen. Mark auf einen der viel zu eng geratenen Wabbel, einen Gewerkschaftsfunktionär ein Bruder-Verein. Alle paar Jahre kam Rettung der Hotelgäste, doch der HFC Seitdem erinnert eine in den Boden ein- Sitzplätze auf der gegenüberliegenden und Stadtverordneten von Halle/Saale, der Klub zu jedem nur erdenklichen An- hatte den Tod des Nachwuchsspielers Keine Wende zum Guten gelassene Gedenktafel an das Unglück. Haupttribüne aus und stieß sich mit schö- der im KZ Buchenwald ermordet wurde. lass zum Freundschaftsspiel. Wolfgang Hoffmann zu beklagen und Heute sorgen Pläne für ein etwaiges ner Regelmäßigkeit die Knie. Die besten Nicht immer war man jedoch so kon- zog daraufhin seine Teilnahme zurück. Mit der Saison 83/84, als der HFC in neues Stadion am Hufeisensee für Dis- Plätze waren ohnehin den Bewohnern sequent, und so kam es im Jahre 1951 zu Friedensfahrer und UEFA-Cup-Gäste Ein Jahr nach der WM 1974 erweiter- die zweite Liga abstieg, begannen die kussionen. Es soll in einer ersten Ausbau- des schmutzig braun-grauen Hauses ge- einer recht merkwürdigen Entscheidung: te man die Ehrentribüne um 300 Plätze; „Wechseljahre“ des HFC. Die Krönung stufe 14.000 Plätze beinhalten und gege- genüber vorbehalten, die es sich mit dem Neben dem Marathontor – zu Zeiten des 1970 war Halle Etappenort der Frie- in einem darauffolgenden Länderspiel der Misere war die Tatsache, dass für benenfalls auf 23.000 Plätze erweitert Kopfkissen auf der Fensterbank in ihrer Nationalsozialismus war dies noch das densfahrt, 25.000 Zuschauer wollten unterlag die DDR dem WM-Dritten Po- ein Jahr sogar der unbedeutende Nach- werden können. Noch ist nicht sicher, ob „Privat-Loge“ bequem machten. „Tor der Kämpfer“, überragt vom „Be- sich den Endspurt der Radrennfahrer len mit 1:2. Sechs Jahre später bekam die barklub BSG Chemie Schkopau höher- das Projekt realisiert wird. Die Bewoh- Von welchen Plätzen aus auch immer fehlsturm“ – postierte man sechs Figuren: nicht entgehen lassen. Noch ein paar Mal Ostseite 500 neue Sitzplätze und wurde klassig in der Oberliga spielte. Hektisch ner des braun-grauen Hauses müssten – die Fans verfolgten die Duelle ihres Maurer, Hüttenarbeiter, Schmied, Berg- wurde das „KWS“ zum Zielstrich für die somit zu einer schmucken, kleinen Ge- wurden zwischen beiden Klubs die Spie- sich eine neue Wochenendbeschäftigung geliebten HFC Chemie mit großer Lei- mann, Geistesarbeiter und Bauer. Die Friedensfahrer. Der UEFA-Cup hielt 1971 gengeraden. An einem kalten November- ler hin- und herdelegiert – mit dem Er- suchen. Und eines ist auch klar: Die Hal- denschaft, etwa gegen die Nachbarn Lok Figuren waren 1934 in der ersten deut- mit dem PSV Eindhoven als Gast Einzug. tag im Jahre 1983 schlug die DDR Schott- gebnis, dass der HFC nach drei unend- lenser würden ihr „Wabbel“ unheimlich Leipzig und 1. FC Magdeburg oder die schen „Thingstätte“ an den Brandbergen Immerhin erreichte man ein 0:0 vor aus- land mit 2:1. Ein Flatterball, fast von der lich langen Jahren wieder aufstieg. vermissen. ��Steffen Rössel

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