56 ARCHÄOLOGIE / ARCHÉOLOGIE BERNOISE 2018

Aeschi bei , Kapellenruine an der Mülenenstrasse Eine abgebrochene Wegkapelle als sichtbares Zeichen der Reformation

VOLKER HERRMANN UND LETA BÜCHI

Abb. 1: bei Spiez. Ruine der ehemaligen Kapelle Mülenen nach der Freilegung im Sommer 2016. Blick nach Norden.

In der Flur Chappelegand an der heutigen Kan­ alte Wegmarke in der historisch gewachsenen tonsstrasse zwischen Aeschi und Mülenen ha­ Kulturlandschaft und zugleich ein Zeugnis der ben sich seit der Reformationszeit weitgehend Reformationsgeschichte im Kanton Bern be­ unbemerkt die Reste einer mittelalterlichen wahrt werden (Abb. 2). Wegkapelle erhalten (Abb. 1). Durch den ge­ In der historischen Überlieferung des Fru­ planten Ausbau der historischen Strasse wur­ tiglandes ist von der Kapelle auf dem «Hund­ den die Fachstellen wieder auf die Ruine auf­ bühl» am «Chappelegraben» erst im Zusam­ merksam. Nach den ursprünglichen Planungen menhang mit ihrem Abbruch die Rede. Gilgian sollten die erhaltenen Mauern der Fahrbahner­ von Rümligen soll demnach 1533 von der Ber­ weiterung weichen. Dank einer erfolgreichen ner Obrigkeit den Befehl erhalten haben, «die Zusammenarbeit der beteiligten kantonalen Kapelle zu Mülenen im Kappelenwald» abzu­ Stellen und der Gemeinde Aeschi als Eigentü­ brechen. Mit der Einführung der Reforma­ merin wurde schliesslich eine Planänderung er­ tion im Staat Bern 1528 ging die systematische reicht. Die Strasse wurde in der Folge an der Tal­ Beseitigung der nun nicht mehr benötigten seite verbreitert, sodass die Kapellenreste an der Zeugnisse und Einrichtungen des alten Glau­ Hangseite der Fahrbahn erhalten bleiben. Um bens einher. Die Bevölkerung des Frutiglan­ sie dauerhaft zu schützen, sorgte der Archäo­ des sträubte sich noch lange Zeit, den neuen logische Dienst des Kantons Bern mit finan­ Glauben anzunehmen, und leistete gar aktiven zieller Unterstützung durch den Lotteriefonds Widerstand, so auch in Aeschi. Deshalb ver­ des Kantons Bern und das Bundesamt für Kul­ wundert es nicht, dass es eines erneuten Be­ tur für eine Sanierung des Mauerwerks. Als Bei­ fehls aus Bern bedurfte, die vom Tal her von trag zum Reformationsjahr 2017 konnte so eine Weitem sichtbare Wegkapelle an der Verbin­ AESCHI BEI SPIEZ, KAPELLENRUINE AN DER MÜLENENSTRASSE KURZBERICHTE 57

dung nach Mülenen zu schleifen. So restlos scheint der Abbruch allerdings nicht gewesen zu sein, standen doch laut schriftlicher Über­ lieferung noch vor dem Ausbau der Strasse in den Jahren vor 1900 ansehnliche Ruinen. Heute sind davon bis zu 3 m hohe Reste der nördlichen Traufwand mit den Maueransätzen der westli­ chen Zugangsseite und des Chors im Osten üb­ riggeblieben (Abb. 3). Die aufgehende Mauer ist um etwa 0,5 m gegenüber dem 1 m breiten und 1 m hohen Fundamentsockel eingezogen. Ein Mörtelestrich an den Innenseiten ist als zuge­ höriger Boden der Kirche anzusprechen. Dieser liegt rund 1 m über dem jetzigen Strassenniveau. Über die Bau- und Nutzungsgeschichte der von der Pfarrkirche Aeschi abhängigen Kapelle ist nichts bekannt. Ein Bezug zur Burg Müle­ nen liegt aufgrund der Sichtverbindung nahe, ist aber nicht zu beweisen. Die mit ihrem drei­ Literatur Abb. 2: Aeschi bei Spiez. Ruine der ehemaligen seitigen Chor nach Osten ausgerichtete Kapelle Fritz Bach, Die Kirche. In: Heimatkundevereinigung Fruti­ Kapelle Mülenen nach der gen (Hrsg.), Das Frutigbuch. Heimatkunde für die Land­ könnte auf eine Seelgerätstiftung zurückge­ Sanierung 2017. Blick schaft . Bern 1938, 333–362. hen, mit der sich die Burgherren durch wie­ nach Nordwesten. derkehrende Gottesdienste und Gebete ihres Peter Eggenberger, Zur Stellung und Funktion der Kapelle. Seelenheils versichern wollten. Die architek­ In: Ellen J. Beer et. al. (Hrsg.), Berns grosse Zeit. Das 15. Jahr­ hundert neu entdeckt. Bern 1999, 405. tonische Gestaltung der vermutlich rund 15 m Walter Stalder, Aeschi. Aus der Geschichte und Heimat­ langen und 8 m breiten Saalkirche mit Polygo­ Abb. 3: Aeschi bei Spiez. kunde. Berner Heimatbücher 139. Bern 1991. Ruine der ehemaligen nalchor spricht für eine Gründung im 14. oder Detlef Wulf, Mülenen, Kapelle. Bericht zur Quellenrecher­ Kapelle Mülenen. Grund­ 15. Jahrhundert. Während die Länge anhand der che, Stand 17. 1. 2017. Archäologischer Dienst des Kantons riss: Bestand und Re­ erhaltenen Mauern sicher zu bestimmen ist, Bern, Gemeindearchiv, FP-Nr. 187.012.2016.01. konstruktion. M. 1:200. M. 1:200 kann die Breite nur näherungsweise über Ver­ 2 2 gleichsbeispiele und aufgrund der Proportio­ 61 61 9 9 57 58 0 nen eingeschätzt werden. Der Bau von Weg- 0 und Frühmesskapellen durch die vermögende Oberschicht zum Wohl ihres Seelenheils nach 1 165 750 erhaltener Mauerbestand Rekonstruktion dem Tod war damals weitverbreitet. Die Wir­ Mörtelestrich kung des Seelgerätes war durch die Lage der Stiftung an einem Weg gesteigert, sicherte sich der Stifter für sein Seelenheil doch so auch das Gebet und den finanziellen Beitrag der vorbei­ kommenden frommen Reisenden für den Bau und den Unterhalt der Kapelle. Über das Patro­ nat und den oder die am Altar verehrten Heili­ gen lassen uns die Quellen aber ebenso im Un­ klaren wie über die mit der Kirche verbundenen Messdienste und Pfründe. 1 165 740

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