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NATURSCHUTZABTEILUNG - OBERÖSTERREICH ÖKO·L 27/3 (2005): 3-9

Der Perlfisch - Eine Simonetta SILIGATO & Clemens GUMPINGER weltweite zoologische Technisches Büro für Gewässerökologie Rarität im - Gärtnerstr. 9 -Gebiet 4600 Wels

Der Perlfisch, Rutilus meidingeri wurde erstmals 1851 als eigene Fischart beschrieben. Reproduktive Populationen waren nur in Mitteleuropa in fünf BRD Bayern Tschechien voralpinen Seen, nämlich Mondsee, Attersee, Wolfgangsee, Traunsee und Passau Chiemsee bekannt; außerdem wurde von Einzelfängen aus der Donau be- Rohrbach richtet. Kaum 100 Jahre nach seiner Entdeckung ist der Perlfisch in seiner Schärding Freistadt Linz Existenz gefährdet. Aktuell beschränkt sich das Vorkommen weltweit auf Braunau Eferding Grieskirchen Perg das Mondsee-Attersee-Gebiet und den Wolfgangsee, einzelne Fische werden Wels Enns Ried auch weiterhin in der Donau gefangen. Entsprechend seines stark einge- Vöcklabruck Nieder- Steyr österreich schränkten Verbreitungsgebietes wird er in der Roten Liste bedrohter Ar- Gmunden ten als „endangered“ („gefährdet“) geführt (IUCN 2004) und auch im Kirchdorf Anhang II der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union. Zum nachhaltigen Schutz des Perl- qualitative Erfassung der in die See- fisches und der Seelaube, einer wei- ache einwandernden Fischgemein- Steiermark teren im Anhang II der Fauna-Flora- schaft erfolgen, um die Bedeutung Habitat-Richtlinie aufgelisteten Fisch- dieses Zuflusses für die gesamte Atter- Abb. 1: Lage des Untersuchungsgebietes in art, wurde das Mondsee-Attersee- seefischfauna abschätzen zu können. Oberösterreich Gebiet dank der Bemühungen enga- gierter Experten zum Europaschutz- Die Seeache und Das vergleichsweise enge Tal der gebiet (Natura-2000-Gebiet) erklärt das Mondsee-Attersee-Gebiet Seeache ist mäßig dicht besiedelt, und bereits ein erstes Projekt zur Ver- wobei sich hauptsächlich im Unter- besserung der Lebensbedingungen Die knapp 3 km lange Seeache bildet lauf Häuser in Gewässernähe befin- für diese Fischart von der Natur- einerseits die Verbindung zwischen den. Weiter stromauf wurden Wohn- schutzabteilung des Amtes der Ober- dem Mondsee und dem Attersee im häuser vermehrt auf den nördlichen österreichischen Landesregierung in oberösterreichisch-salzburgischen Hanglagen errichtet, wo auch die Auftrag gegeben. Das primäre Ziel und andererseits die Landesstraße zwischen Mondsee und war, Aufschluss über die Eignung Grenze zwischen diesen beiden Bun- Attersee entlangführt. Die südliche der Seeache, der Verbindung zwi- desländern (Abb. 1 und 2). Auf Talseite ist steiler und überwiegend schen Mondsee und Attersee, als oberösterreichischer Seite, am Nord- bewaldet. Lebensraum für den Perlfisch zu er- ufer, grenzt die Gemeinde Unterach Aufgrund der zentralen Lage der See- halten. Dabei stand die Erfassung der am Attersee an die Seeache und auf ache und zur Sicherung der nahe ge- Laichzugaktivität im Vordergrund. salzburgischer Seite im Süden die legenen menschlichen Siedlungen Weiters sollte auch die allgemeine Gemeinde St. Gilgen. und Straßen wurde das Gewässer über weite Strecken durch Regulierungs- arbeiten verändert. Dennoch ist auf der insgesamt kaum drei Kilometer langen Fließstrecke noch ein mehre- re hundert Meter langer, naturnah er- haltener Bereich mit hoher Struktur- vielfalt zu finden (Abb. 3), in dem während der Untersuchung gefähr- dete Tierarten wie beispielsweise der Eisvogel (Alcedo atthis) oder die Rin- gelnatter (Natrix natrix) beobachtet wurden. Temperatur und Wasserstand der See- ache sind sehr stark vom Mondsee beeinflusst, von dessen Oberflächen- abfluss sie im Wesentlichen gebildet wird. Seit Beginn der Aufzeichnun- gen Ende der 70er-Jahre wurden Tem- Abb. 2: Die Seeache verbindet den Mondsee (links) mit dem Attersee (rechts). Foto: DORIS peraturen zwischen minimal 0 °C und Digitales Oberösterreichisches Rauminformations Systhem, Kartographie Ing. Binder 2004. maximal 26,5 °C gemessen (HYDRO-

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Abb. 3: Naturnah erhaltener Bereich der Seeache. Abb. 4: Klauswehr zu Regulierung des Seespiegels des Mondsees

GRAPHISCHES ZENTRALBÜRO 2003). Die des durchschnittlich 36 m tiefen Sees Für eine detaillierte Charakterisierung durchschnittlich kältesten Monate sind die Zeller Ache, die Fuschler des Attersee-Mondsee-Beckens wird sind mit Temperaturen zwischen Ache und die Wangauer Ache, die auf die Arbeit von FUCHS u. a. (2004) 2,8-3,5 °C Jänner, Februar und März, zusammen 70 % der gesamten Was- verwiesen, die den Naturraum im maximale Werte zwischen 19 °C und serfracht bringen. Der Abfluss des Rahmen der Erstellung von natur- 20,9 °C werden im Juni, Juli und Mondsees mündet nach etwa drei räumlichen Leitbildern für Ober- August erreicht. Der Abfluss der See- Kilometern Fließstrecke in einem v- österreich bearbeitet haben. ache wird durch die Seespiegel- förmig eingeschnittenen Flusstal in regulierung am Klauswehr künstlich den Attersee und bringt 58 % des Fang der Perlfische geregelt und ist von der Höhe des gesamten Oberflächenzuflusses. Der in der Seeache Wasserspiegels des Mondsees abhän- Wasserspiegel des Attersees liegt auf gig (Abb. 4). 469 m Seehöhe. Er ist mit 49 km Umfang und 45,9 km2 Fläche der Zum Fang der in die Seeache einwan- Der mittlere Abfluss der Seeache be- dernden Fische wurde im Frühjahr 3 größte der österreichischen Alpenseen trägt 9,18 m /s. Am 3. 3. 1987 wurde sowie der größte, zur Gänze in Öster- 2004 etwa 100 m stromauf der Mün- das Maximum seit Beginn der Auf- dung in den Attersee ein dynamisches 3 reich gelegene See und weist mit zeichnungen mit 73,3 m /s und am knapp 170 m eine beträchtliche maxi- Fischwehr installiert (MÜHLBAUER u- 17. 8. 1994 wurde mit 1,03 m3/s der male Tiefe auf. Er bildet das Endglied a. 2003 - Abb. 5). Diese Konstruktion niedrigste Abfluss gemessen. der über Flüsse in Verbindung ste- stellt eine unüberwindbare Wander- barriere für Fische bei verschiedenen Der Mondsee, dessen Abfluss die henden Seenkette Zellersee (oder Irr- Wasserständen dar, da sich das Fisch- Seeache darstellt, liegt auf einer See- see) - Mondsee - Attersee. Die geolo- wehr bei Wasserspiegelschwankungen höhe von 481 m. Sein Umfang be- gische Situation schlägt sich in beiden mitbewegt. trägt cirka 26 km, die Fläche 13,8 km2, Seen in der Uferbeschaffenheit mit die maximale Längsausdehnung steilen Abbrüchen im Kalkbereich Zur Absperrung des Gewässerquer- 10,5 km und die maximale Breite (Süden, Süd-Osten) und flacheren schnittes dienten im Wesentlichen etwa 1,3 km. Die größten Zuflüsse Ufern im Flyschbereich nieder. aus PVC-Rohren zusammengesetzte

Abb. 5: Das dynamische Fischwehr mit integriertem Reusenkasten, Abb. 6: In diesem Reusenkasten wurden die stromaufwärts schwim- in dem im Frühjahr 2004 in die Seeache einwandernde Perlfische menden Fische gefangen. Zum besseren Blick in die Konstruktion gefangen wurden. wurde der Deckel abgenommen, außerdem sind die Abweiszäune Alle Fotos sind von den Autoren. zwischen Reusenkasten und eigentlichem Fischwehr entfernt worden.

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Paneele, die flexibel miteinander ver- bunden waren. Mit Gummischnüren werden die Paneele wiederum beweg- lich an Beton-Gitterträgern befestigt, die ihrerseits im Gewässergrund ver- ankert werden. Der Auftrieb der PVC- Rohre alleine reicht nicht aus, um Abb. 7: das stromabwärtige Ende der Panee- Die lokale le über der Wasseroberfläche zu hal- Bevölkerung ten, weshalb Schwimmkörper am und Urlauber am stromabwärtigen Ende zum Auftrieb Campingplatz in befestigt werden. Um eine Zerstö- Unterach rung des Wehres bei hohem Abfluss zeigten großes oder durch Verklausung von Treib- Interesse für die Untersuchung gut zu verhindern, muss der Auftrieb und waren oft der Schwimmkörper an der Wehr- bei der krone so gewählt werden, dass bei zu Reusenleerung starkem Staudruck das Ende des Pa- behilflich. neels untertaucht. Wasser und/oder Treibgut werden über das nun unter- getauchte Paneel abgeführt und bei Nachlassen des Staudruckes heben die Schwimmkörper die Paneele wieder an die Wasseroberfläche. Zur Uferböschung hin wurde eine starre Absperrung mit Maschendrahtzaun errichtet, sodass keine Fische seit- saibling hervorgeht, wanderten in die ten vertreten, wobei Bachforelle, See- lich am Fischwehr vorbeischwimmen Reuse ein (Tab. 1). forelle und Seesaibling autochthone können. Arten sind und der Bachsaibling und Die Karpfenartigen waren sowohl in die Regenbogenforelle ursprünglich Der eigentliche Fang der Fische er- Bezug auf die Individuenzahlen als aus Nordamerika stammen. Außer folgte in einem Reusenkasten mit 3 m auch auf die Artenzahl am häufigs- den beiden in der Reuse gefangenen Länge, 1,5 m Breite und 1,2 m Höhe, ten vertreten. Zu dieser Familie sind Seeforellen und einigen Bachforel- der im Stromstrich direkt in das dy- neben den beiden bezüglich der Fang- len stammen die Salmoniden wahr- namische Fischwehr integriert wur- zahlen häufigsten Arten Perlfisch und scheinlich aus Besatzmaßnahmen de (Abb. 6). Es handelt sich dabei Seelaube auch Aitel, Barbe, Hasel, oder sind aus einer Fischzuchtanlage um eine massive Stahlkonstruktion, Rotauge, Rußnase und Schleie zu weiter stromauf entkommen. Die Fa- die aufgrund des hohen Transport- zählen. Zwei der gefangenen Tiere milie der Percidae war durch Kaul- gewichtes erst im Wasser zusammen- konnten keiner Art zugeteilt werden barsche und Flussbarsche vertreten, gebaut werden kann. Dadurch ist aber und wurden entsprechend der äuße- die Esocidae durch den Hecht und auch eine hohe Stabilität gegeben, ren Merkmale als Kreuzung von See- die Gadidae durch ihren einzigen die zusammen mit der massiven Ver- laube und Rußnase aufgenommen. Vertreter im Süßwasser, die Aalrutte. ankerung mittels Torstahlnägeln im Die Salmoniden waren mit fünf Ar- Als häufigste nicht heimische Art Gewässergrund verhindert, dass der Reusenkasten im Hochwasserfall be- Fischart (lateinischer Name) Individuenanzahl schädigt oder weggespült wird. Um die ungewünschte Entnahme von Fi- Perlfisch (Rutilus meidingeri) 1986 schen zu verhindern, wurde ein De- Seelaube (Chalcalburnus chalcoides) 1743 ckel mit Absperrvorrichtung ange- Aal (Anguilla anguilla) 97 bracht. Die Reusenkehle aus Netz- Hasel (Leuciscus leuciscus) 72 material wurde innen an der Reusen- Kaulbarsch (Gymnocephalus cernua) 57 öffnung im Reusenkasten angenäht Flussbarsch (Perca fluviatilis) 47 Rußnase (Vimba elongata) 43 und mit Gummispannern in Fließ- Rotauge (Rutilus rutilus) 21 Tab. 1: richtung des Wassers gespannt. Aitel (Leuciscus cephalus) 16 Name und Anzahl Bachforelle (Salmo trutta f. fario) 16 der in der Reuse gefangenen Fische In die Seeache Barbe (Barbus barbus) 13 eingewanderte Fischarten Bachsaibling (Salvelinus fontinalis) 6 Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss) 3 Während der neunwöchigen Reusen- Hybride (Chalcalburnus x Vimba) 2 untersuchung wurden neben den Perl- Aalrutte (Lota lota) 2 fischen noch 17 Fischarten nachge- Seeforelle (Salmo trutta f. lacustris) 2 wiesen, die sechs Familien zugeteilt Seesaibling (Salvelinus salvelinus) 2 werden. Auch Kreuzungen zwischen Schleie (Tinca tinca) 2 verschiedenen Cypriniden-Familien, Hecht (Esox lucius) 1 und ein Tigerfisch, der aus der Kreu- Tigerfisch (Salmo x Salvelinus) 1 zung von Bachforelle und Bach- Gesamtanzahl gefangener Fische 4132

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Von vielen Fischarten ist bekannt,

350 18 dass ihre Wanderbewegungen auch durch den Wasserstand beziehungs- 16 300 weise die Abflussmenge oder auch von den Mondphasen beeinflusst 14 werden. Für den Perlfisch konnte kein 250 12 Zusammenhang zwischen diesen exo- genen Faktoren und der Wander- 200 10 aktivität festgestellt werden. gesamt, n=1986 150 8 Individuenzahl Temperatur bei der Reuse Unterschiede zwischen Temperatur (°C) Temperatur 6 den beiden Geschlechtern 100 4 Es wanderten nicht nur mehr Männ- 50 2 chen als Weibchen in die Reuse ein, sondern es wurden auch geschlechts- 0 0 spezifische Unterschiede bezüglich 11.05. 17.04. 19.04. 21.04. 23.04. 25.04. 27.04. 29.04. 01.05. 03.05. 05.05. 07.05. 09.05. 13.05. 15.05. 17.05. 19.05. 21.05. 23.05. 25.05. 27.05. 29.05. 31.05. 02.06. der Wanderaktivität und der Körper- größe registriert. Männchen domi- nierten eindeutig die erste Ein- Abb. 8: Zahl der täglich einwandernden Perlfische und Wassertemperaturverlauf an der Reuse wanderungswelle mit durchschnitt- (rote Linie). lich 60 % gegenüber 40 % Weibchen. wurde der Aal (Anguillidae) in der lich macht (Abb.8). Die Oberflächen- In der zweiten Einwanderungswelle Seeache gefangen. temperatur steigt vom 23. auf 24. vom 9.-16. Mai zogen hingegen etwa April sprunghaft von 7,5 °C auf 35 % Männchen gegenüber 65 % Laichwanderung der Perlfische 11,2 °C an. Von dieser Temperatur- Weibchen in die Reuse ein. erhöhung wird auch die erste Ein- wanderungswelle ausgelöst, während Die beiden Geschlechter unterschie- Im Untersuchungszeitraum zwischen den sich auch bezüglich der Körper- 17. April und 10. Juni wurden in der der 891 Perlfische in der Reuse ge- fangen werden. Am 27. und 28. April länge, wobei die gefangenen Weib- Reuse in der Seeache 1986 Perlfische chen mit durchschnittlich 546 mm gefangen, von denen 1313 Männchen sinkt die Temperatur aufgrund einer Wetteränderung auf 7 °C ab. Die Fi- Körperlänge größer sind und Männ- und 673 Weibchen waren. Die meis- chen im Mittel 528 mm lang werden ten Fische wanderten in den Tagen sche reagieren darauf und schwim- men nur mehr in geringer Zahl in die (Abb. 9). Dem entsprechend besteht zwischen 22. April und 3. Mai 2004 auch ein Unterschied beim Körper- stromaufwärts. Reuse. Erst als am 29. April die Wassertemperatur auf 9,4 °C ansteigt gewicht, das bei den Weibchen auch Die Einwanderung der Perlfische aus und bis 3. Mai über 7,5 °C bleibt, aufgrund der höheren Masse der Eier dem Attersee in die Seeache fällt mit wandern weitere 966 Perlfische in deutlich höher ist als bei den Männ- einem Anstieg der Temperatur der die Reuse ein. Nach einigen Tagen, chen. Das durchschnittliche Körper- Seeache zusammen, wie die Gegen- während derer nur wenige Fische ge- gewicht bei den geschlechtsreifen überstellung der Zahl der täglich ein- fangen werden, beginnt am 9. Mai Weibchen lag bei 1387 g, bei den wandernden Fische und des Tempe- eine weitere kleinere Einwanderungs- Männchen bei 1166 g. raturverlaufes bei der Reuse anschau- welle, die bis 16. Mai anhält. Die Bedeutung der Seeache für Fische aus dem Attersee 400

350 Wie die Untersuchung im Frühjahr Weibchen, n = 673 2004 zeigte, wird die Seeache von 300 zahlreichen Fischarten aus dem Männchen, n=1313 Attersee entweder zur Fortpflanzung 250 oder zur Nahrungssuche aufgesucht. Zur Laichablage ziehen Aitel, Barbe, 200 Hasel, Rotauge Rußnase, Kaulbarsch und Flussbarsch stromaufwärts und

Individuenzahl 150 vor allem auch Perlfische und See- lauben, von denen die stärksten 100 Wanderbewegungen registriert wur- den. Als dritthäufigste Fischart wur- 50 de der nicht heimische Aal regist- riert, der seit 1909 im Mondsee- 0 Attersee-Gebiet eingesetzt wird (HAEMPEL 1930). Die Laichgründe 450 460 470 480 490 500 510 520 530 540 550 560 570 580 590 600 610 620 630 640 650 Längenklasse (x= mm) des Aales liegen in der Sargasso-See, weshalb Laichwanderungen ausge- Abb. 9: Längenhäufigkeitsdiagramm der in der Reuse gefangenen Perlfische. schlossen werden können. Es liegt

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nahe, dass diese Fische die Seeache auf einmal abgeben. Ein Grund dafür Das Aussterben der Perlfische im primär zur Nahrungsaufnahme auf- kann das Nachreifen zuvor noch un- Traunsee und Chiemsee wird mit dem suchten. Als weiteres Indiz dafür genügend gereifter Eier sein. Verlust von Laichgründen in den spricht auch die Tatsache, dass etwa Seeausrinnen (Traun, Alz) in Ver- Die Perlfische hielten sich in der ge- Mitte Mai einige Aale bei der Ver- bindung gebracht (WANZENBÖCK u. a. samten Seeache mehr oder weniger messung Perlfischeier und -larven 2000, FISCHER 1986). Hiermit sind in ausspieen. gleichmäßig verteilt auf. In tieferen Strecken bis zu 1,5 m Wassertiefe der Regel die Verluste von vergleichs- und verhältnismäßig geringer Strö- weise flach überströmten Kiesbänken Die Bedeutung der Seeache mung fanden sich die Fische offen- gemeint. Als ausschlaggebend für die für den Perlfisch sichtlich zur Erholung in Gruppen erfolgreiche Fortpflanzung des Perl- zusammen. Auf flachen, gut durch- fisches ist jedoch auch die Tempera- Die Laichwanderung der Perlfische strömten Kiesbänken bis cirka 0,5 m tur bei den Laichhabitaten zu erwäh- setzte in vollem Ausmaß am 24. April Wassertiefe waren hingegen Revier- nen, die nur bei den flachen Schotter- ein, an dem sich bei einer Wasser- kämpfe der Männchen und Paarungs- bänken in oberflächlich abfließenden temperatur von 11,2 °C um 8:00 Uhr spiele zu beobachten (Abb. 10). Seen erreicht wird. morgens 152 laichreife Perlfische in der Reuse befanden. Solange die Wassertemperatur rund 10 °C betrug, wanderten die Perlfische stetig aufwärts. Erst als die Temperatur aufgrund eines Schlechtwetterein- bruches sank, wurden auch weniger Perlfische in der Reuse gefangen. Da die Seeache mit Oberflächenwasser des Mondsees gespeist wird, scheint die Oberflächentemperatur des Sees der auslösende Faktor für das Einset- zen der Laichwanderungen der Perl- fische aus dem Attersee zu sein. We- sentlich ist das Überschreiten der Marke von cirka 7,5 °C. Das Ab- sinken der Temperatur während der Laichwanderung führt dazu, dass weniger Fische in die Reuse einwan- dern. Bei einem neuerlichen Tempe- raturanstieg ziehen allerdings auch wieder vermehrt Perlfische strom- aufwärts. Abb. 10: In die Seeache einwandernde Perlfische. Die Einwanderungswelle laich- bereiter Perlfische aus dem Attersee Bedrohung der Perlfischbestände Vorliegende Untersuchung weist war 2004 nach etwa 10 Tagen vorü- jedenfalls die Seeache als wichtiges ber, als 1863 Fische die Reuse pas- Die Wanderungen der in die Seeache Reproduktions- und Jungfisch- siert hatten. Während dieser Tage aufsteigenden Perlfische werden ak- habitat für die Perlfische aus dem wanderten mehr Männchen als Weib- tuell von der ersten Querverbauung gesamten Attersee aus. Angaben von chen stromauf. Ohne wesentlichen beschränkt. Weder das Wehr selbst Fischern zufolge werden markierte Temperaturanstieg setzte nach fünf noch die zur Wiederherstellung der Perlfische seit der Untersuchung Tagen geringer bis ausbleibender Längsdurchgängigkeit errichtete 2004 im gesamten Attersee gefan- Fänge in der Reuse eine zweite, we- Fischaufstiegshilfe am rechten See- gen (pers. Mitt. G. Ecker, G+J. sentlich kleinere Einwanderungs- ache-Ufer sind für die Fische pas- Lechner, Scheichl, Schöring- welle ein, die allerdings in keinem sierbar. Die Fischaufstiegshilfe muss humer). Da das dynamische Fisch- sichtbaren Zusammenhang mit der anhand einer Reihe konstruktiver wehr etwa 150 m stromauf der Mün- Wassertemperatur stand. Während Kriterien als funktionsuntüchtig be- dung der Seeache installiert werden dieser zweiten Einwanderungswelle zeichnet werden. Als wesentliche musste, um die Einwanderung aus stiegen 88 Perlfische auf, von denen Mängel sind die zu kleine Dimensi- beiden Mündungsarmen quantifizie- allerdings wesentlich mehr Weibchen onierung beziehungsweise die zu ge- ren zu können, wurden nur die jen- als Männchen waren. Vier dieser ringe Dotation zu nennen, die Fi- seits dieser Barriere aufsteigenden weiblichen Fische und 13 Männchen schen der Größe der Perlfische das Perlfische quantitativ erfasst. Strom- wurden bereits während der ersten Durchschwimmen nicht ermöglichen. abwärts des Fischwehres, wo sich Einwanderungswelle gefangen und Außerdem herrschen zu hohe Strö- ebenfalls zahlreiche als Laichhabitat markiert. Der Fang markierter mungsgeschwindigkeiten und ein geeignete Schotterbänke finden, wur- fortpflanzungswilliger Fische wäh- zerteilter, abgelöster Wasserstrahl am den hunderte Perlfische beim Laich- rend einer zweiten Einwanderungs- Überfall beim stromabwärtigen Ende geschäft beobachtet, aber nicht in der welle deutet darauf hin, dass nicht der Fischaufstiegshilfe verhindert die Reuse gefangen. Die Zahl der in der alle Fische ihre Geschlechtsprodukte Einwanderung der Fische. Fortpflanzungsperiode 2004 insge-

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Steckbrief Perlfisch (Rutilus meidingeri)

Seinen Namen erhielt der Perlfisch deshalb, weil die Männchen wäh- rend der Laichzeit auf Kopf und Rücken einen starken Laichaus- schlag ausbilden, der einem Perlen- kleid ähnelt (Abb.11). Als lokale Bezeichnungen sind weiters auch Orfe, Graunerfling, Weißfisch, Frauennerfling, Frauenfisch oder Maifisch bekannt.

Die Körperform des vergleichsweise Abb. 11: Männlicher Perlfisch aus dem Attersee während der Laichzeit. großwüchsigen Fisches, der bis über 70 cm Länge und über 3 kg Gewicht Attersee wird in regelmäßigen Ab- in die Zuflüsse, beispielsweise die erreicht, ist ähnlich jener des allge- ständen von Beifängen in Netzen aus Zeller Ache. mein bekannten Aitels (Leuciscus 15-20 m Wassertiefe berichtet. cephalus), mit relativ geringer Höhe Aus dem Wolfgangsee ziehen die und einem walzenförmig runden Zur Fortpflanzungszeit im April/Mai Perlfische hingegen in den Seeaus- Körperquerschnitt. Der Schwanz- wandern die Perlfische sowohl fluss, die Ischler Ache, um dort ihr stiel erscheint vergleichsweise lang stromaufwärts in die Zuflüsse der Laichgeschäft zu erledigen. und schlank. Das Schuppenkleid ist Seen als auch mit der Strömungs- Über das Nahrungsspektrum des gleichmäßig silbrig glänzend, auf richtung in die Seeausflüsse, wo sie Perlfisches werden in der Literatur der Rückenpartie gräulich bis auf flachen Kiesbänken ablaichen. wenige Angaben gemacht. Die bräunlichgrün. Die Flossen sind Aus dem Attersee wandern die laich- meisten Autoren nennen Mollusken, blassgrau, nur die Bauch- und Af- bereiten Adulten gegen die Strö- Würmer, Insektenlarven, kleine Fi- terflosse sind blassrot gefärbt. Die mung in die Seeache ein und auch sche und Pflanzen als Nahrung, relativ kleine Mundspalte wird von aus dem Mondsee erfolgt eine genaue wissenschaftliche Untersu- der Schnauzenspitze nur leicht über- stromaufwärts gerichtete Wanderung chungen fehlen jedoch. ragt, sodass das Maul end- bis un- terständig erscheint (Abb. 12). Das ursprüngliche Verbreitungs- gebiet dieser Fischart erstreckte sich über die fünf voralpinen Seen Mondsee, Attersee, Wolfgangsee, Traunsee und Chiemsee. Einzeltiere wurden und werden auch immer wieder in der Donau und ihren grö- ßeren Zuflüssen (z. B. Traun bzw. ) gefangen. Bis dato haben die Populationen in Mondsee, Attersee und Wolfgangsee überdauert, für Chiemsee und Traunsee ist der Fort- bestand des Perlfisches seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht mehr gesichert (FISCHER 1986, KAINZ u. GOLLMANN 1997, WANZEN- BÖCK 2000). Über den bevorzugten Aufenthalts- ort in den Seen fehlen gesicherte Informationen. Von den Berufs- fischern auf dem Mond- und Abb. 12: Perlfischmännchen mit typischem Laichausschlag. samt eingewanderten Perlfische über- 2000-Gebiet wurde ein breites Spek- standes der Perlfischpopulationen ist steigt demnach 2000 Individuen. trum an Schutzmöglichkeiten für den deshalb ein konstruktives Zusam- Perlfisch eröffnet. Das Zusammen- menwirken wünschenswert, sodass Maßnahmenvorschläge zum wirken der lokalen Bevölkerung, ver- auch in Zukunft die für den Erhalt Schutz der Perlfischbestände schiedener Verwaltungsebenen und der Population wichtigen Laichwan- von Fachleuten ist hierbei eine Vor- derungen stattfinden können. aussetzung, für die bereits in der na- Durch die Ernennung des Gebietes hen Vergangenheit der Grundstein In diesem Sinne ist jedenfalls die Er- Mondsee-Attersee zu einem Natura- gelegt wurde. Im Sinne des Fortbe- haltung der Laichgebiete in der See-

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ache sowie die Wiederherstellung der fisch-Beifanges in den Netzen gere- lauben als wichtiges Fortpflanzungs- Längsdurchgängigkeit der Seeache zu gelt wird. habitat. Die Sicherstellung der fordern. Derzeit besteht eine Reduk- Erreichbarkeit der benötigten Laich- tion der ursprünglich insgesamt cirka Ausblick habitate sowie die Erweiterung der 3 km langen Seeache mit potenziel- potenziellen Laichareale durch die len Laichgründen auf etwa 850 m er- Der ursprünglich in fünf voralpinen Verbesserung der Längsdurchgängig- reichbare Laichgründe. Mit der Pro- Seen vorkommende Perlfisch ist seit keit der Seeache stromauf von un- blematik der Längsdurchgängigkeit, dem Ende des 20. Jahrhunderts nur passierbaren Querbauwerken muss vor allem in hydrologischer Hinsicht noch in drei dieser Seen, Attersee, als zentrale Forderung aus diesem eng verbunden, ist die Steuerung des Mondsee und Wolfgangsee, behei- Bericht im Vordergrund stehen. Seespiegels des Mondsees durch das matet. Auch die Seelaube, eine wei- Klauswehr. Eine stärkere Anpassung tere geschützte Fischart im Attersee Literatur der Steuerung an die natürlichen Ab- und Mondsee, besiedelt im öster- flussverhältnisse aus dem See würde reichischen und deutschen Alpenvor- eine Dynamisierung der hydrologi- land ein eingeschränktes Seenareal. FISCHER H. (1986): Der Perlfisch. All- schen Situation der Seeache bringen. Aus diesem Grund sind die dichten, gem. Fischerei-Zeitg. Fischwaid 10: 29. Damit könnte einen Annäherung an selbst reproduzierenden Populationen FUCHS K., HACKER W., PINTERITS S. (2004): die natürlichen Lebensraumbedin- dieser beiden Fischarten im Gebiet Natur und Landschaft - Leitbilder für gungen geschaffen werden, die Attersee-Mondsee sowohl national Oberösterreich. Raumeinheit Attersee- sicherlich den Lebensgewohnheiten als auch international von besonde- Mondsee-Becken. Hrsg. Amt der Ober- der Fische entgegenkommt. rem Interesse. Für die nachhaltige österreichischen Landesregierung, Natur- Sicherung der Bestände wurde die schutzabteilung, Band 12. Zusätzlich gingen zahlreiche zur Ei- Region zum Europaschutzgebiet HAEMPEL O. (1930): Fischereibiologie der ablage bevorzugt aufgesuchte, flach (Natura2000-Gebiet) erklärt. überströmte Kiesbänke aufgrund der Alpenseen. Stuttgart, Schweizerbart’sche Errichtung von Ufersicherungen mit Da über die Lebensweise des Perl- Verlagsbuchhandlung. Blocksteinen verloren. Ohne diese fisches so gut wie keine Informatio- KAINZ E., GOLLMANN H. P. (1997): Beiträ- Strukturen kann die Reproduktion nen vorliegen, bedarf es zum Ent- ge zur Biologie und Aufzucht des Perlfi- nicht gewährleistet werden, weshalb wurf eines zielgerechten Monitorings sches Rutilus frisii meidingerei (Nord- die Schaffung zusätzlicher, flach weiterer Untersuchungen dieser mann). Österr. Fischerei 50(4): 91-98. überströmter Kiesbänke jedenfalls zur Fischart. Dabei sollte die Lebens- und MÜHLBAUER M., TRAXLER E., ZITEK A., Verbesserung der Seeache als Laich- Ernährungsweise der verschiedenen SCHMUTZ S. (2003): Das dynamische Fisch- habitat geeignet ist. Entwicklungsstadien im Vordergrund wehr. Ein hochwassersicheres Fischwehr stehen. Die gewonnenen Informatio- zur Untersuchung der Fischwanderung in Die Zusammenarbeit mit der Fische- kleinen bis mittelgroßen Flüssen. Österr. rei - sowohl der Angel- als auch der nen dienen in weiterer Folge auch Fischerei 56(5/6): 136-148. Berufsfischerei - in beiden Salz- zur Konzeption eines Management- kammergutseen war für die vorlie- planes, der den Schutz der bedrohten WANZENBÖCK J., GASSNER H., LAHNSTEINER B., HAUSEDER G., HASSAN Y., MAIER K., gende Arbeit wesentlich und sollte Fische und die Interessen der Seen- TISCHLER G., FISCHER G., DOBLANDER C., fischerei, der Seeanrainer genauso auch zukünftig gepflegt werden. Für KÖCK G. (2000): Modul 8 - Fischökolo- die Berufsfischerei ist im Zusammen- wie des Tourismus berücksichtigt. gie. - In: SCHMIDT R.: Auswirkungen der hang mit dem Schutz des Perlfisches Wie in vorliegender Untersuchung SOLVAY-Emissionen auf die ökologi- vor allem wesentlich, dass die recht- festgestellt wurde, dient die Seeache sche Funktionsfähigkeit des Traunsees. liche Situation bezüglich des Perl- sowohl Perlfischen als auch See- i.A. des Landes Oberösterreich: 483-566.

BUCHTIPPS

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