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Sache Nr. COMP/M.4854 - TOMTOM/TELE ATLAS

Nur der englische Text ist verbindlich

VERORDNUNG (EG) Nr. 139/2004 ÜBER FUSIONSVERFAHREN

Artikel 8 Absatz 1 Datum: 14.5.2008

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KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

Brüssel, 14.5.2008 K(2008) 1859

NICHTVERTRAULICHE FASSUNG

ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 14. Mai 2008

über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlussvorhabens mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen

(Sache COMP/M.4854 - TOMTOM/ TELE ATLAS)

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ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 14. Mai 2008

über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlussvorhabens mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen

(Sache COMP/M.4854 - TOMTOM/ TELE ATLAS)

(Nur der englische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN –

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 57,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (EG-Fusionskontrollverordnung)1, insbesondere auf Artikel 8 Absatz 1,

gestützt auf die Entscheidung der Kommission vom 28. November 2007, das Verfahren in dieser Sache einzuleiten,

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen2,

in Kenntnis des Abschlussberichts des Anhörungsbeauftragten in dieser Sache3, in Erwägung nachstehender Gründe:

I. DIE PARTEIEN

(1) TomTom N.V. („TomTom“), mit Hauptsitz in Amsterdam, Niederlande, ist Hersteller tragbarer Navigationsgeräte (PNDs) und Anbieter von Navigationssoftware für Navigationsgeräte. Das Unternehmen ist an der Euronext- Börse in Amsterdam notiert.

1 ABl. L 24 vom 29.01.2004, S. 1. 2 ABl. C ... vom ...200. , S.... 3 ABl. C ... vom ...200. , S....

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(2) Tele Atlas N.V. („Tele Atlas“), mit Hauptsitz in 's-Hertogenbosch, Niederlande, ist einer der beiden Hauptanbieter (in Europa und Nordamerika) von digitalen Kartendatenbanken für die Navigation und andere Endverwendungszwecke. Das Unternehmen ist an der Euronext-Börse in Amsterdam sowie an der Deutschen Börse in Frankfurt notiert.

II. ZUSAMMENSCHLUSS

(3) Am 2. Oktober 2007 hat TomTom ein Übernahmeangebot für alle ausgegebenen und im Umlauf befindlichen Aktien von Tele Atlas abgegeben. Das Vorhaben stellt somit einen Zusammenschluss im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates („EG-Fusionskontrollverordnung“) dar.

III. GEMEINSCHAFTSWEITE BEDEUTUNG

(4) Die an dem vorgesehenen Zusammenschluss beteiligten Parteien erreichen keine der in Artikel 1 Absätze 2 und 3 der EG-Fusionskontrollverordnung angegebenen Umsatzschwellen, da der weltweite Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen zusammen 2,5 Mrd. EUR nicht übersteigt und darüber hinaus der Umsatz von Tele Atlas in mindestens drei Mitgliedstaaten, in denen der Umsatz der Parteien zusammen bei mehr als 100 Mio. EUR liegen muss, 25 Mio. EUR nicht übersteigt. Daher ist das Vorhaben nicht von gemeinschaftsweiter Bedeutung.

IV. VERWEISUNG NACH ARTIKEL 4 ABSATZ 5

(5) Nach einzelstaatlichem Fusionskontrollrecht hätten vier Mitgliedstaaten – Deutschland, die Niederlande, Spanien und Portugal – das Vorhaben prüfen müssen.

(6) Am 24. August 2007 ging bei der Kommission ein begründeter Antrag von TomTom ein, in dem das Unternehmen gemäß Artikel 4 Absatz 5 der EG- Fusionskontrollverordnung die Verweisung an die Kommission beantragte. Gegen die Verweisung des Vorhabens an die Kommission ist von keinem Mitgliedstaat Widerspruch eingelegt worden. Für das Vorhaben galt deshalb die Vermutung einer gemeinschaftsweiten Bedeutung, weshalb es von der Kommission geprüft wird.

V. DAS VERFAHREN

(7) Am 22. Oktober 2007 ging bei der Kommission eine formelle Anmeldung gemäß Artikel 4 der EG-Fusionskontrollverordnung ein, nach der TomTom im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der EG-Fusionskontrollverordnung im Wege eines öffentlichen Übernahmeangebots die Kontrolle über die Gesamtheit von Tele Atlas erwirbt.

(8) Am 28. November 2007 kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass das angemeldete Vorhaben Anlass zu ernsthaften Zweifeln gebe, ob es mit dem Gemeinsamen Markt und dem Funktionieren des EWR-Abkommens vereinbar sei, und leitete das Verfahren nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der EG- Fusionskontrollverordnung ein.

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(9) Am 18. Dezember 2007 wurde die Frist, binnen derer die Entscheidung in dieser Sache getroffen werden muss, auf Antrag des Anmelders gemäß Artikel 10 Absatz 3 der EG-Fusionskontrollverordnung um zehn Werktage verlängert.

(10) Am 29. Februar 2008 wurde TomTom eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gemäß Artikel 18 der EG-Fusionskontrollverordnung übermittelt. Anschließend wurde eine Reihe betroffener Dritter um Stellungnahme zu einer nicht vertraulichen Zusammenfassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte gebeten.

(11) Nach der Übermittlung der Mitteilung der Beschwerdepunkte schloss die Kommission eine empirische Studie ab, in der untersucht wurde, welche Anreize für das fusionierte Unternehmen bestehen, sich an der vertikalen Abschottung zu beteiligen. Des Weiteren wurde darin analysiert, welche Auswirkungen das Vorhaben auf den PND-Markt hätte. Die Zuverlässigkeit der Schlussfolgerungen der Studie wurde sorgfältig überprüft.

(12) Am 17. März 2008 legte TomTom seine Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vor. Diese wurde von der Kommission eingehend geprüft; neue Sachinformationen wurden mit betroffenen Dritten abgeglichen.

(13) Am 26. März 2008 entschied die Kommission mit Zustimmung des Anmelders, die Frist, binnen derer die Entscheidung in dieser Sache getroffen werden muss, gemäß Artikel 10 Absatz 3 der EG-Fusionskontrollverordnung um zehn Werktage zu verlängern.

VI. DIE RELEVANTEN MÄRKTE

6.1. Einleitung

(14) Das Vorhaben ist rein vertikaler Natur, da es zwei Unternehmen umfasst, die auf unterschiedlichen Ebenen der Lieferkette tätig sind. Bei dem Zusammenschluss handelt es sich um eine „vorgelagerte“ Integration in dem Sinne, dass ein Hersteller einer Ware seinen Hauptanbieter einer wichtigen Vorleistung übernimmt. Der Erwerber – TomTom – ist hauptsächlich in zwei „nachgelagerten“ Märkten für die Bereitstellung von Navigationsgeräten bzw. PNDs tätig. Unternehmen, die in diesen Märkten vertreten sind, verwenden die gleichen Vorleistungen, d. h. navigationsfähige digitale Kartendatenbanken für Navigationsgeräte (der „vorgelagerte“ Markt), z. B. solche, die von dem Zielunternehmen Tele Atlas hergestellt werden.

(15) TomTom integriert die navigationsfähigen digitalen Datenbanken, die es bei Tele Atlas erwirbt, in die Navigationssoftware, die das Unternehmen herstellt. Das integrierte Produkt (Software und Datenbank) wird anschließend entweder in die PNDs eingesetzt, die TomTom selbst an Endkunden verkauft, oder an andere Hersteller von Navigationsgeräten für den Einsatz in deren Geräten verkauft (die Navigationssoftware kann auch einzeln ohne die Kartendatenbank verkauft werden). Navigationssoftware ist somit ein Zwischenprodukt, das sich in der vertikalen Lieferkette zwischen dem vorgelagerten Produkt (navigationsfähige digitale Kartendatenbanken) und dem nachgelagerten Produkt (PNDs und andere Navigationsgeräte) befindet.

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(16) Zur Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens auf den Wettbewerb muss die Kommission den vorgelagerten Markt, den Zwischenmarkt und den nachgelagerten Markt definieren.

6.2. Der vorgelagerte Markt – navigationsfähige digitale Kartendatenbanken

6.2.1. Definition des relevanten Produktmarktes

(17) Eine digitale Kartendatenbank ist eine Sammlung digitaler Daten, die in der Regel Folgendes umfasst: i.) geografische Informationen, die Position und Gestalt jedes Elements auf der Karte enthalten (z. B. Straßen, Eisenbahnlinien, Flüsse und Angaben zur Flächennutzung), ii.) Attribute, die Zusatzinformationen zu den Kartenelementen beinhalten (z. B. Straßennamen, Adressen, Fahrtrichtungen, Abbiegeverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen) und iii.) Display-Informationen. Die Anbieter verwalten Kartendaten in einer relationalen Datenbank, die selbst keine digitale Karte ist4. Die relationale Datenbank wird von Kunden verwendet, die digitale Karten erstellen und Dienstleistungen auf der Grundlage von Karteninformationen bereitstellen. Die in den Datenbanken enthaltenen Kartendaten stammen aus einer Vielzahl von Quellen, darunter Luftaufnahmen, Satellitenbilder, offizielle Kartendatenbanken von Regierungen und aus anderen Regierungsquellen sowie aus Felddaten, die von Mitarbeitern im Außeneinsatz mit Hilfe spezieller Fahrzeuge generiert wurden.

(18) Neben der Basisdatenbank werden von den Anbietern der digitalen Kartendatenbanken mehrere Schichten von Zusatzinformationen angeboten. Hierbei handelt es sich um Basiskarten (grundlegende Informationen, die die Anzeige einer digitalen Karte ermöglichen), Aktualisierungen, Orte von Interesse (Points of Interest, POI, z. B. Restaurants, Hotels, Tankstellen, Sehenswürdigkeiten)5, Phoneme (ermöglichen die Bereitstellung gesprochener Anweisungen), spezielle Attribute für Lastkraftwagen (z. B. Höhen- und Gewichtsbeschränkungen, Fahrspurverengungen und optimale Routen), Postleitzahlen, dreidimensional angezeigte Sehenswürdigkeiten und ADAS-Attribute (Advanced Driver Assistance Systems, erweiterte Fahrerassistenzsysteme)6. Kunden kaufen jedoch nicht zwangsläufig alle angebotenen Schichten.

(19) Digitale Kartendatenbanken werden an Hersteller von Navigationsgeräten, Hersteller von Navigationssoftware und Anbieter von Anwendungen, die nicht der Navigation dienen (z. B. Internet-Karten, verschiedene staatliche Nutzungsmöglichkeiten und Unternehmenslösungen wie Flottenmanagement), verkauft. Darüber hinaus werden digitale Kartendatenbanken für eine Reihe von anderen Zwecken eingesetzt. Die wichtigsten Einsatzmöglichkeiten sind Adressfindung, Routenplanung7 und

4 In einer relationalen Datenbank werden die Daten intern in Tabellen angeordnet. 5 Anbieter digitaler Kartendatenbanken stellen mindestens grundlegende POI-Informationen zur Verfügung. Sie erstellen diese Informationen entweder selbst oder beziehen sie von Aggregatoren. Mitunter beziehen Gerätehersteller hochwertige POI-Inhalte direkt von Aggregatoren und integrieren diese in ihre Navigationsgeräte. 6 Fahrerassistenzsysteme bieten „Vehicle Intelligence“ einschließlich Fahrerunterstützung, erweiterten Sicherheitsfunktionen, Systemen mit Vorausschaufunktionen und Systemen für vorausschauende Fahrstrategien. * Teile dieses Textes wurden ausgelassen, um zu gewährleisten, daß keine vertraulichen Informationen bekanntgegeben werden; diese Teile sind durch eckige Klammern und ein Sternchen gekennzeichnet.

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Navigation8. Damit Navigation möglich ist, muss die digitale Kartendatenbank mit einem System für die sofortige geografische Positionsbestimmung (hauptsächlich mittels GPS-Technologie) kombiniert werden.

(20) Digitale Datenbanken werden den Kunden in einer Reihe unterschiedlicher Formate angeboten, die von den Anforderungen der Kundenanwendungen vorgegeben werden9. Sowohl Tele Atlas als auch NAVTEQ Corporation („NAVTEQ“), größter Konkurrent von Tele Atlas und einer der beiden Hauptlieferanten von digitalen Kartendatenbanken mit EWR-Abdeckung, sind in der Lage, Kartendaten in allen verfügbaren Formaten bereitzustellen, und die Kunden können zwischen den verschiedenen Formaten wechseln, in denen Daten bereitgestellt werden10. Kunden können Kartendaten im Allgemeinen in verschiedenen Formaten empfangen und zwischen Formaten wechseln. Der Wechsel zwischen Formaten kann eine Neukonfiguration der Daten erfordern, damit sie mit der vom Kunden verwendeten Navigationssoftware kompatibel sind. Solche Neukonfigurationskosten belaufen sich auf ein vertretbares Maß. Deshalb besteht kein Anlass, einzelne Produktmärkte für digitale Kartendatenbanken abhängig von dem Format, in dem die Daten an die Kunden ausgeliefert werden, voneinander abzugrenzen.

(21) Die Kommission hat geprüft, ob digitale Kartendatenbanken für Navigationszwecke und andere Zwecke als die Navigation zwei voneinander getrennte relevante Produktmärkte darstellen oder nicht. Im Jahr 2006 entfielen etwa [60-90]* % des Umsatzes von Tele Atlas auf die Bereitstellung digitaler Kartendatenbanken für Navigationszwecke.11 TomTom erwirbt ausschließlich digitale Kartendatenbanken für Navigationszwecke.

7 Die Routenplanung ist die Bereitstellung einer sequenziellen Beschreibung einer Route von einem Ausgangsort zu einem Zielort. Die berechnete Route wird in der Regel auf einer Karte mit Schritt-für- Schritt-Anweisungen in Textform angezeigt. Die Routenplanung wird üblicherweise online zur Verfügung gestellt und wird vom Benutzer ausgedruckt. 8 Für die Zwecke dieser Entscheidung bezeichnet der Begriff „Navigation“ den Einsatz von GPS- Technologie zur Anzeige der aktuellen Position des Benutzers und zur Bereitstellung von Anweisungen, die jeden Abbiegepunkt („turn-by-turn“) umfassen, um den Benutzer in Echtzeit zu einem bestimmten Ziel zu führen. Auf dem Bildschirm des Navigationsgeräts wird der Benutzer visuell geleitet – üblicherweise ergänzt durch Sprachanweisungen. Darüber hinaus steht im Normalfall eine Neuberechnungsfunktion („back-on-track“) zur Verfügung. 9 Tele Atlas bietet digitale Kartendatenbanken in vier Austauschformaten an: i.) GDF-AS (ASCII- Sequentiell) ist das internationale Standard-Austauschformat für navigationsfähige digitale Kartendatenbanken, das vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) genehmigt wurde; ii.) GDF-AR (ASCII-Relational) ist eine Version von GDF-AS, die von Tele Atlas zur Erleichterung der Integration von Daten in Anwendungen entwickelt wurde, die auf relationalen Datenbanken aufsetzen (der GDF-Standard wird überwiegend in der Automobilindustrie eingesetzt); iii.) Shape ist ein Format, das sich auf einfache Weise in GIS-basierte Anwendungen (GIS = Geospatial Information Systems) integrieren lässt (das Shape-Format kommt bei den meisten PND-Herstellern, einschließlich TomTom, zum Einsatz); iv.) Oracle ist ein Format, das mit den Datenbankmanagement-Systemen des Unternehmens Oracle kompatibel ist. Antwort von Tele Atlas vom 14. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 2. NAVTEQ stellt seine Daten in den Formaten GDF, Shape und Oracle sowie in verschiedenen anderen Formaten zur Verfügung, einschließlich zweier Formate, SIF+ und RDF, die von NAVTEQ selbst entwickelt wurden. Antwort von NAVTEQ vom 12. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 3. 10 Antwort von NAVTEQ vom 12. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 3. 11 Im Jahr 2006 entfielen [40-60]* % des Umsatzes auf die „persönliche Navigation“ (Verkauf im Wesentlichen an die Hersteller von PNDs, PDAs und GPS-fähigen Mobiltelefonen) und [10-30]* % auf den Automobilbereich (Verkauf an Hersteller von Navigationsgeräten für den Einbau in Armaturenbretter (In-Dash-Geräte).

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(22) Das Maß an nachfrageseitiger Substituierbarkeit zwischen digitalen Kartendatenbanken für Navigationszwecke und für andere Zwecke als die Navigation muss als begrenzt angesehen werden, da die Qualitätsanforderungen sehr unterschiedlich sind. Damit eine digitale Kartendatenbank für die Navigation verwendet werden kann, muss sie ausreichend detailliert, präzise und aktuell sein und die erforderlichen Attribute und Zusatzschichten enthalten, wohingegen bei einfacheren Diensten, wie der Routenplanung und der Adressfindung, eine grundlegende Datenbank ausreicht12. Ein Navigationsgerät kann nicht (oder nicht ordnungsgemäß) funktionieren, wenn es mit einer einfachen digitalen Kartendatenbank einer geringeren Qualität ausgeführt wird.

(23) Das Maß an angebotsseitiger Substituierbarkeit muss als einseitig betrachtet werden, da ein Anbieter höherwertiger digitaler Kartendatenbanken für Navigationszwecke auch auf einfache Weise die einfachere Datenbank bereitstellen kann, die für andere Zwecke als die Navigation einsetzbar ist. Die Hauptdatenbanken, die für die beiden Arten von Anwendungen verwendet werden, sind einander sehr ähnlich (die Basiskarte ist sogar gleich). In die andere Richtung gibt es jedoch aufgrund des erheblichen Kosten- und Zeitaufwands, der durch das Aufrüsten einer Basisdatenbank auf eine navigationsfähige Qualität entstehen würde, keine angebotsseitige Substitution. Während es möglich ist, eine digitale Basis-Kartendatenbank verhältnismäßig schnell und kostengünstig für viele Gebiete zu erstellen, indem Daten aus verschiedenen öffentlichen Quellen zusammengestellt werden, ist die Erstellung einer navigationsfähigen digitalen Kartendatenbank kostspielig und sehr ressourcenintensiv.

(24) Für die Zusammenstellung der für die Navigation notwendigen Daten müssen die Merkmale jeder Straße in der Datenbank manuell erfasst werden. Tele Atlas und NAVTEQ stellen solche Daten zusammen, indem sie Mitarbeiter im Außeneinsatz beschäftigen, die mit einer Flotte von Fahrzeugen unterwegs sind, die jede Straße abfahren, die in der Datenbank enthalten ist. Die Nutzung von Feldstudien ist für die Genauigkeit sowie für die Vollständigkeit der Datenbanken entscheidend, da sie sowohl für die Überprüfung der aus anderen Quellen stammenden Daten als auch für die Erfassung zusätzlicher Daten, die auf andere Weise nicht verfügbar sind, verwendet werden. Tele Atlas stellt navigationsfähige digitale Kartendatenbanken bereit, die 64 Staaten und Straßen mit einer Gesamtlänge von 21,3 Mio. Kilometern abdecken. Die Datenbanken von NAVTEQ umfassen 53 Staaten und Straßen mit einer Gesamtlänge von mehr als 16 Mio. Kilometern13.

(25) Ein Hersteller digitaler Basis-Kartendatenbanken, der seine Produktion auf digitale Kartendatenbanken umstellen möchte, die navigationsfähig sind, müsste daher umfassende Ressourcen einsetzen, um die für die Navigationsfähigkeit notwendigen Zusatzinformationen zusammenzustellen. Auch wenn derzeit mehr Informationen aus alternativen Quellen zur Verfügung stehen, ist es dennoch unerlässlich, Mitarbeiter im Außeneinsatz zu beschäftigen, die jede einzelne Straße abfahren, um alle Straßenmerkmale in dem jeweiligen geografischen Gebiet zu erfassen, die in die

12 So muss eine navigationsfähige digitale Kartendatenbank Attribute wie Straßenart, Straßenkategorie, Informationen zum Verkehrsfluss (Einbahnstraßen, Verkehr in beide Richtungen, getrennte Fahrspuren) und Abbiegeverbote enthalten. 13 Antwort von [PND-Hersteller]* vom 4. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 13.

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navigationsfähige digitale Kartendatenbank aufgenommen werden14. Sobald eine vollständige Datenbank zusammengestellt wurde, muss sie ständig aktualisiert werden, damit sie alle Änderungen enthält, die am Straßennetz durchgeführt wurden. Feldstudien werden auch für die Aktualisierung der Datenbank benötigt. Selbst wenn der Datenbankanbieter Informationen über Änderungen aus verschiedenen externen Quellen (z. B. von lokalen Behörden) erhält, müssen die Richtigkeit und Genauigkeit der bereitgestellten Informationen mit Hilfe einer Feldstudie überprüft werden. Sobald die Daten zusammengestellt wurden, müssen sehr große Datenmengen verarbeitet und in die Datenbank aufgenommen werden.

(26) Die Zusammenstellung und Verarbeitung der Daten, die für die navigationsfähige digitale Kartendatenbank benötigt werden, ist ein sehr zeitaufwändiges Verfahren. Das Aufrüsten einer digitalen Basis-Kartendatenbank, die die EU abdeckt, würde auf diese Weise vermutlich mehrere Jahre in Anspruch nehmen.15 Die Erstellung und Pflege einer navigationsfähigen digitalen Kartendatenbank in ausreichender Qualität ist erheblich kostspieliger als die Erstellung und Pflege einer digitalen Basis- Kartendatenbank, die nicht navigationsfähig ist. Tele Atlas schätzt die Kosten für eine navigationsfähige Datenbank auf etwa [5-15]* EUR pro Kilometer und die Kosten für eine nicht navigationsfähige Datenbank auf rund [0-10]* EUR pro Kilometer.16

(27) Angesichts der mangelnden angebots- sowie nachfrageseitigen Substituierbarkeit lässt sich feststellen, dass digitale Kartendatenbanken für Navigationsanwendungen und Anwendungen, die nicht der Navigation dienen, voneinander getrennte Produktmärkte darstellen.

(28) Die Kommission hat geprüft, ob eine Unterteilung des Marktes für navigationsfähige digitale Kartendatenbanken nach der Art des Navigationsgeräts, in der sie eingesetzt werden (PNDs, PDAs, GPS-fähige Mobiltelefone oder in das Armaturenbrett eingebaute Navigationsgeräte), möglich ist. Obwohl sich bestimmte Merkmale von beispielsweise PNDs und GPS-fähigen Mobiltelefonen voneinander unterscheiden können, sind die für alle Arten von Navigationsgeräten verwendeten Datenbanken aus technischer Sicht und leistungsmäßig einander sehr ähnlich. Die Marktuntersuchung der Kommission hat bestätigt, dass eine Unterteilung des Marktes in dieser Form nicht angemessen wäre.

14 Die Unverzichtbarkeit von Mitarbeitern im Außeneinsatz wird in einem Protokoll der Telefonkonferenz mit der Facet Technology Corporation („Facet“) am 1. Februar 2008 und in der Antwort von Sony Ericsson Mobile Communications AB („Sony Ericsson") vom 22. November 2007 bestätigt. Außerdem ist der Antwort von NAVTEQ auf die Aufforderung zur Stellungnahme zu der Zusammenfassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 25. März 2008 zu entnehmen, dass sowohl Tele Atlas als auch NAVTEQ in großem Umfang auf Feldstudien zurückgreifen und dass keines der Unternehmen beabsichtigt, in Zukunft auf Feldstudien zu verzichten. NAVTEQ räumt ein, dass Feldstudien nach wie vor wichtig sind, wenn auch in geringerem Maße als in den 1980er Jahren, als NAVTEQ seine erste Datenbank erstellte. 15 [Hersteller von Mobiltelefonen]* geht davon aus, dass 1000 Personen fünf bis zehn Jahre benötigen würden, um die von Tele Atlas und NAVTEQ angebotenen Datenbanken neu zu erstellen. Antwort von [Hersteller von Mobiltelefonen]* vom 22. November 2007 auf den Fragebogen der Kommission, Frage 11. [Automobilhersteller]* schätzt, dass 2000 Mitarbeiter sechs bis acht Jahre benötigen würden, um eine Kartendatenbank zu erstellen, deren Qualität der von Tele Atlas und NAVTEQ entspricht. Antwort von [Automobilhersteller]* vom 8. November 2007 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 15. 16 Antwort von Tele Atlas vom 14. Januar 2008 auf den Fragebogen der Kommission, Frage 3.

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(29) Daher besteht keine Notwendigkeit, den Markt für navigationsfähige digitale Kartendatenbanken nach Arten von Navigationsgeräten zu unterteilen.

(30) Schließlich ist zu prüfen, ob der Markt für die Bereitstellung navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken nach geografischer Abdeckung der verkauften Datenbanken unterteilt werden sollte. Es ist zu beachten, dass die geografische Abdeckung navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken ein Produktmerkmal darstellt, das für die Abgrenzung des jeweiligen Produktmarktes in dieser Sache relevant ist. Die geografische Abdeckung der Datenbank darf nicht mit der räumlichen Reichweite des Marktes verwechselt werden, die in Abschnitt 6.2.2 gesondert behandelt wird.

(31) Tele Atlas und NAVTEQ vergeben Lizenzen zur Verwendung ihrer navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken. Die Unternehmen gewähren üblicherweise nicht ausschließliche, unbegrenzte Lizenzen „pro Gerät“, mit denen es möglich ist, die lizenzierte Datenbank auf dem Gerät während dessen Nutzungsdauer zu verwenden.17 Die Höhe der Lizenzgebühr richtet sich nach verschiedenen Aspekten, darunter der Umfang der geografischen Abdeckung und der Inhalt der Kartendaten. Je größer die geografische Abdeckung der Kartendaten und des -inhalts ausfällt, desto höher ist die Lizenzgebühr. Der wichtigste Faktor für die Lizenzgebühr – die stets in den Kundenverträgen festgelegt wird, die von Tele Atlas und NAVTEQ abgeschlossen werden – ist die geografische Abdeckung der lizenzierten Datenbank, d. h. das Lizenzgebiet18.

(32) Auf Nachfrageseite muss die Substituierbarkeit der navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken durch verschiedene geografische Abdeckungen allgemein als begrenzt angesehen werden. Ein Gerätehersteller, der beabsichtigt, ein Navigationsgerät in einem bestimmten Gebiet zu verkaufen, muss eine navigationsfähige digitale Kartendatenbank mit der entsprechenden geografischen Abdeckung in sein Gerät einbauen; andernfalls würde das Gerät nicht funktionieren und könnte nicht verkauft werden. Navigationsfähige digitale Kartendatenbanken, die sich teilweise überschneiden, können jedoch in einem gewissen Umfang ersetzbar sein. Beispielsweise ist eine navigationsfähige digitale Kartendatenbank mit regionaler Abdeckung (die mehrere Staaten umfasst) gegenüber einer Datenbank mit nationaler Abdeckung teilweise ersetzbar (unter der Voraussetzung, dass der abgedeckte Staat in der regionalen Datenbank enthalten ist). Ein Gerätehersteller könnte eine größere regionale Datenbank möglicherweise durch eine kleinere nationale Datenbank ersetzen und sie in diesen Navigationsgeräten installieren, die er in dem betreffenden Staat verkaufen möchte.

(33) Der Umfang der angebotsseitigen Substituierbarkeit von navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken verschiedener geografischer Abdeckung ist aufgrund der für die vollständige Neuerstellung einer navigationsfähigen digitalen Kartendatenbank erforderlichen Ressourcen und benötigten Zeit (wie in Erwägungsgrund (26) beschrieben) ebenfalls begrenzt. Die begrenzte angebotsseitige Substituierbarkeit gilt auch für die etablierten Anbieter Tele Atlas und NAVTEQ. Obwohl die beiden

17 Anmeldung, S. 30. 18 In diesem Zusammenhang bezieht sich der Begriff „Lizenzgebiet“ anders als in den meisten anderen Branchen nicht auf das Gebiet, in dem die Lizenz gültig ist, sondern auf die geografische Abdeckung der lizenzierten Datenbank.

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Unternehmen über die notwendigen Kenntnisse und Ressourcen verfügen (einschließlich Mitarbeiter im Außeneinsatz und Fahrzeugflotten), könnten sie ihre geografische Abdeckung nur mit einer erheblichen Zeitverzögerung um ein neues Gebiet erweitern.

(34) Die von Tele Atlas und NAVTEQ lizenzierten Gebiete sind entweder Staaten oder länderübergreifende Regionen, die aus verschiedenen Staaten bestehen, die gebündelt werden. Beispiele für solche in Verträgen geregelten regionalen Lizenzen sind die DACH-Region19, die Alpenregion20, die Benelux-Staaten21, die skandinavischen Staaten22, die Iberische Halbinsel23, Westeuropa24, Osteuropa25 und Europa (Westeuropa und Osteuropa)26. Tele Atlas und NAVTEQ lizenzieren selten Gebiete, die kleiner sind als ein einzelner Staat27.

(35) Tele Atlas macht geltend, dass sich derzeit ein bedeutender Teil der Nachfrage nach navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken für Navigationsgeräte auf nationale oder regionale Abdeckung (gegenüber einer breiteren europäischen Abdeckung) bezieht. […]*

(36) Tele Atlas pflegt eine einzige Basis-Kartendatenbank, die allen Kunden bereitgestellt wird. Jeder Kunde kann auswählen, welche geografische Abdeckung (und welche Funktionen) er nutzen möchte und zahlt die Lizenzgebühren entsprechend. Tele Atlas erhebt bei seinen Kunden Lizenzgebühren in unterschiedlicher Höhe. Diese richten sich nach den folgenden Produktkategorien: Europa, Westeuropa, Osteuropa, großes Land oder große Region und kleines Land. Die Kunden melden Tele Atlas die Anzahl der erworbenen Einheiten, die diesen Kategorien zugeordnet sind. Sie müssen jedoch nicht genau angeben, für welche Staaten oder Regionen sie eine Lizenz erworben haben. Daher verwaltet Tele Atlas für den Verkauf seiner navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken keine nach Staaten oder Regionen sortierten Daten28.

(37) NAVTEQ lizenziert seine navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken im Allgemeinen auf ähnliche Weise, d. h. auf der Grundlage von Kontinenten. Der Kunde kann die geografische Abdeckung (die gesamte Datenbank, eine bestimmte Region oder ein bestimmter Staat) und den Funktionsumfang (z. B. Kartenanzeige, Routenplanung oder Navigation) wählen, die er nutzen möchte. NAVTEQ weiß in der Regel nicht, welche Staaten ein Kunde auswählen wird, da dieser erst später für die tatsächlich genutzten geografischen Regionen bezahlt29.

19 Deutschland, Österreich und die Schweiz. 20 Üblicherweise Süddeutschland, Südostfrankreich, die Schweiz, Österreich und Norditalien. 21 Belgien, die Niederlande und Luxemburg. 22 Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland. 23 Spanien Portugal, Andorra, Gibraltar und ein kleiner Teil von Frankreich. 24 In der Regel Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Norwegen, Portugal, die Republik Irland, Schweden, die Schweiz, Spanien, die Niederlande, Österreich und das Vereinigte Königreich. 25 In der Regel Estland, Griechenland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik, die Türkei, Ungarn und Anschlusskarten für Mittel- und Osteuropa. 26 Antwort von Tele Atlas vom 25. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 3. 27 Antwort von Tele Atlas vom 25. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 2. Antwort von NAVTEQ vom 25. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 2. 28 Antwort von Tele Atlas vom 25. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 4. 29 Antwort von NAVTEQ vom 25. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 1.

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(38) Die Kommission vertritt die Auffassung, dass der relevante vorgelagerte Produktmarkt als Markt für die Bereitstellung von navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken zu definieren ist, in dem die geografische Abdeckung der lizenzierten Datenbank die Reichweite der relevanten Produktmärkte bestimmt30. Für die Zwecke dieser Entscheidung kann die genaue Abgrenzung der relevanten Produktmärkte, d. h., ob die jeweiligen Landes- oder Regionallizenzen voneinander getrennte Produktmärkte darstellen, jedoch offen gelassen werden, da sie keine Auswirkungen auf die Bewertung des Vorhabens durch die Kommission hat.

6.2.2. Definition des räumlich relevanten Marktes

(39) Die beiden etablierten Anbieter navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken, Tele Atlas und NAVTEQ, haben ihren Sitz in den Niederlanden beziehungsweise in den Vereinigten Staaten von Amerika („USA“). Beide Unternehmen verwalten ihre Datenbanken auf Servern, die sich in den jeweiligen Staaten befinden. Die Unternehmen stellen die Daten bereit, indem sie den Kunden eine „Master“-CD-ROM senden oder ihnen erlauben, die Daten, für die diese eine Lizenz erworben haben, über das Internet herunterzuladen31. Tele Atlas vertreibt seine Produkte von den Niederlanden aus an Gerätehersteller und Softwareanbieter, die ihren Sitz anderswo im EWR oder in anderen Teilen der Welt haben. NAVTEQ vertreibt seine Datenbanken von den USA aus im EWR und in anderen Teilen der Welt, in denen Gerätehersteller und Softwareanbieter ansässig sind. Bedeutende Gerätehersteller und Softwareentwickler haben ihren Sitz in der EU, den USA, in Japan und in Südkorea.

(40) Die von NAVTEQ verkauften navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken werden für Kunden importiert, die im EWR ansässig sind, und Tele Atlas exportiert seine Produkte an Kunden außerhalb des EWR. Diese Ein- und Ausfuhren digitaler Daten dieser Art werden durch keine Quoten, Zölle oder andere Handelsbarrieren eingeschränkt32.

(41) Es bestehen keine wesentlichen Unterschiede in Bezug auf die Art, wie die navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken innerhalb des EWR und in anderen Teilen der Welt verkauft oder vertrieben werden.

(42) Aus einer Analyse der Verträge, die Tele Atlas und NAVTEQ mit den Geräteherstellern und Softwareanbietern geschlossen haben, geht hervor, dass sich die Preise oder andere Verkaufsbedingungen an den verschiedenen geografischen Standorten der Kunden nicht erheblich unterscheiden.

30 Tele Atlas und NAVTEQ vertreiben ihre navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken an Kunden auf der ganzen Welt (siehe Abschnitt 6.6.2). Es ist denkbar, dass Produktmärkte für den Verkauf von digitalen Kartendatenbanken mit außereuropäischer Abdeckung (insbesondere Datenbanken, die die USA beinhalten) von dem Vorhaben betroffen sein könnten. Dennoch wird die Kommission ihre Untersuchung auf die Produktmärkte beschränken, die die Bereitstellung von digitalen Kartendatenbanken betreffen, die Gebiete innerhalb des EWR abdecken, da mögliche wettbewerbsverzerrende Folgen des Zusammenschlusses in den Produktmärkten für außereuropäische Datenbanken vermutlich nur geringfügige, indirekte Auswirkungen auf die Gemeinschaft hätten. 31 In einigen Fällen erstellen die Anbieter digitaler Kartendatenbanken Kopien der CD-ROM und senden die benötigte Anzahl dieser CD-ROMs an den Gerätehersteller, der diese für die Installation in den Navigationsgeräten verwendet. Diese Vorgehensweise betrifft Automobilhersteller und Hersteller von Geräten für den Einbau in Armaturenbretter, die Automobilhersteller beliefern. 32 Anmeldung, S. 94.

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(43) Die Transportkosten sind unbedeutend und schränken den Vertrieb der navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken nicht ein33.

(44) Angesichts des in den Erwägungsgründen (39) bis (43) dargelegten Sachverhalts kommt die Kommission zu der Schlussfolgerung, dass der räumlich relevante Markt für die Bereitstellung von navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken die ganze Welt abdeckt. Der Anmelder widerspricht dieser Schlussfolgerung nicht34 .

6.3. Der Zwischenmarkt – Navigationssoftware

6.3.1. Definition des relevanten Produktmarktes

(45) Alle Navigationsgeräte verwenden eine Navigationssoftware, die geografische Positionsbestimmung mit einem GPS-Empfänger, Daten, die in einer navigationsfähigen digitalen Datenbank enthalten sind, und andere Informationen kombiniert, um Navigationsfunktionen zur Verfügung zu stellen. Die Navigationssoftware verwendet einen Algorithmus zur Berechnung von Routen und zur Bereitstellung von Abbiegepunkten auf dem Bildschirm des Geräts in Echtzeit. Die meisten Geräte bieten zudem Sprachanweisungen.

(46) Es lassen sich im Wesentlichen drei Arten von Navigationssoftware unterscheiden: i.) On-Board-Systeme, bei denen die Navigationssoftware und Kartendaten in das Gerät integriert und dort gespeichert sind, ii.) Off-Board-Systeme, bei denen das Navigationsgerät (mit Hilfe der GPRS-Technologie – General Packet Radio Service oder mit Hilfe des Universal Mobile Telecommunications Systems – UMTS) auf einen Navigationsserver zugreift, der die Routenberechnungen durchführt und die Kartendaten speichert, und iii.) Hybridsysteme, bei denen ein On-Board-System mit dynamischen Informationen, z. B. Verkehrsdaten aus externen Quellen, kombiniert wird.

(47) Die Frage, ob voneinander getrennte relevante Produktmärkte definiert werden sollten, die von der Art der Navigationssoftware abhängig sind, kann in dieser Sache offen gelassen werden, da TomTom nur On-Board-Systeme anbietet35.

(48) Wie in Erwägungsgrund (20) erläutert, werden navigationsfähige digitale Kartendatenbanken in verschiedenen Formaten ausgeliefert, weshalb die Navigationssoftware Interoperabilität mit diesen verschiedenen Datenbankformaten gewährleisten muss. Ein Großteil der Navigationssoftware ist mit mehreren Datenbankformaten kompatibel. Außerdem kann die Software zu vertretbaren Kosten an verschiedene Formate angepasst werden.

(49) Die Kommission hält es daher für nicht angemessen, einzelne Produktmärkte abhängig von den Datenbankformaten, die für die Integration der Daten in die Navigationssoftware verwendet werden, voneinander abzugrenzen.

33 Nur in der Automobilindustrie können beim Versand größerer Mengen von CD-ROMs nennenswerte Transportkosten anfallen. Diese Kosten stellen jedoch nur einen Bruchteil der gesamten Lizenzgebühr dar. 34 Der Anmelder vertritt die Auffassung, dass der räumliche Markt mindestens den EWR und möglicherweise die ganze Welt abdeckt. Siehe Anmeldung, S. 61. 35 Anmeldung, S. 66.

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(50) Letztlich könnten einzelne relevante Produktmärkte möglicherweise abhängig von der Art des Navigationsgeräts, in der die Navigationssoftware installiert wird, voneinander abgegrenzt werden (d. h. PNDs, PDAs oder GPS-fähige Mobiltelefone). Navigationssoftware für diese Endverwendungszwecke kann sich zwar in bestimmten technischen Aspekten unterscheiden, diese Unterschiede sind jedoch nicht maßgeblich. Technische Unterschiede beziehen sich häufig auf die grafische Benutzeroberfläche. Beispielsweise benötigen PNDs und PDAs größere und detailliertere Bilder als GPS-fähige Mobiltelefone. Darüber hinaus sind die Kernfunktionen von Navigationssoftware (d. h. die Algorithmen zur Routenberechnung) bei allen Arten von Navigationsgeräten gleich und die Software verwendet immer die gleichen Eingaben. GPS-Signale sind offenbar bei allen Geräten identisch und navigationsfähige digitale Kartendatenbanken unterscheiden sich nicht abhängig von der Art des Geräts, in dem sie installiert sind. Aus diesen Gründen ist das Maß an angebotsseitiger Substituierbarkeit der Navigationssoftware, die für den Einsatz in verschiedenen Arten von Navigationsgeräten bestimmt ist, als sehr hoch einzustufen. Dieser Umstand wird von der Tatsache untermauert, dass die meisten Hersteller von Navigationssoftware Software anbieten, die für verschiedene Arten von Navigationsgeräten eingesetzt werden kann.

(51) Die Kommission hält es daher für nicht angemessen, einzelne Produktmärkte abhängig von der Art des Navigationsgeräts, in der die Software verwendet wird, voneinander abzugrenzen.

6.3.2. Definition des räumlich relevanten Marktes

(52) Navigationssoftware wird weltweit erstellt und vertrieben. Sie wird den Kunden über Lizenzen dort zugänglich gemacht, wo dieser ansässig ist. Obwohl sich navigationsfähige digitale Kartendatenbanken in ihrer geografischen Abdeckung voneinander unterscheiden, können die Hersteller von Navigationsgeräten die gleiche Navigationssoftware für Geräte verwenden, die im EWR, in den USA und anderen Teilen der Welt verkauft werden. Es bestehen keine technologischen Unterschiede, Handelsbarrieren oder rechtlichen Hindernisse, die für eine eingeschränktere Reichweite des geografischen Marktes sprechen würden.

(53) Die Kommission kommt daher zu dem Schluss, dass sich der räumlich relevante Markt für die Bereitstellung von Navigationssoftware auf die ganze Welt erstreckt.

6.4. Der nachgelagerte Markt – PNDs

6.4.1. Definition des relevanten Produktmarktes Navigationsgeräte (54) Navigationsgeräte nutzen eine Technologie für die geografische Positionsbestimmung (hauptsächlich GPS), navigationsfähige digitale Kartendatenbanken und Navigationssoftware zur Bereitstellung von Navigationsfunktionen mit Abbiegepunkten in Echtzeit. Einige Navigationsgeräte können Zusatzinformationen zu gewählten Routen anzeigen, z. B. Geschwindigkeits- und Höhenbegrenzungen sowie Orte von Interesse wie Restaurants, Parkplätze und Tankstellen.

(55) Die erste Generation von Navigationsgeräten kam Mitte der 1980er Jahre auf den Markt. Diese Geräte waren tragbare GPS-Empfänger mit grundlegenden

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Navigationsfunktionen, die vorrangig für Freizeit-, Seefahrts- und Wassersportaktivitäten sowie für Wanderzwecke genutzt wurden. In den späten 1990er Jahren wurden die ersten Navigationsgeräte für die Verwendung im Automobilbereich vorgestellt. Diese Geräte wurden in die Armaturenbretter von Neufahrzeugen eingebaut („In-Dash“-Geräte). Im Jahr 2002 wurden die ersten PDAs mit Navigationsfunktionen eingeführt, und in den darauffolgenden Jahren wurden die ersten PNDs und Mobiltelefone mit Navigationsfunktionen auf den Markt gebracht.

(56) Derzeit lassen sich vier Hauptarten von Navigationsgeräten unterscheiden: i.) PNDs, ii.) PDAs, iii.) Mobiltelefone mit Navigationsfunktionen und iv.) in das Armaturenbrett eingebaute Geräte.

(57) Die ersten PNDs wurden im Jahr 2003 eingeführt. Dabei handelte es sich um tragbare Navigationseinzelgeräte. Die digitale Kartendatenbank und die Navigationssoftware werden in das Gerät integriert und in dessen internem Speicher oder auf Speicherkarten wie Secure Digital Cards (SD) und MultiMedia Cards (MMC) abgelegt. PNDs sind überwiegend Geräte, die nur einem Zweck dienen, die jedoch auch Multimedia- und Fotofunktionen beinhalten können. Die Bildschirmgröße und die Benutzeroberfläche sind für Navigationszwecke optimiert.

(58) Bei PDAs handelt es sich um tragbare Geräte mit einer Vielzahl hauptsächlich datenorientierter Anwendungen, die häufig auch Navigationsfunktionen bieten. PDAs bieten in der Regel keine Mobilfunk-Funktionen, können jedoch lokale Konnektivitätsfunktionen wie Bluetooth oder Wi-Fi umfassen. In letzter Zeit waren die PDA-Verkäufe aufgrund der Konkurrenz durch andere Navigationsgeräte rückläufig.

(59) Heute ist der Großteil der Mobiltelefone mit Multimedia-Funktionen (z. B. Digitalkamera und MP3-Spieler) ausgestattet. Mobiltelefone in mittleren und höheren Preissegmenten enthalten zunehmend Navigationsfunktionen. Mobiltelefone mit Navigationsfunktionen nutzen entweder On-Board- oder Off-Board- Navigationslösungen.

(60) In-Dash-Geräte werden dauerhaft in das Armaturenbrett eines Fahrzeugs eingebaut. Sie verfügen über Navigationssoftware und eine digitale Kartendatenbank, die integriert (On-Board) sind. In das Armaturenbrett eingebaute Geräte werden üblicherweise von den Originalgeräteherstellern (Original Equipment Manufacturers, OEM) der Automobilhersteller produziert und in die Neufahrzeuge vorinstalliert. Der Gestaltungsprozess und der Produktlebenszyklus dieser Geräte sind auf die Prozesse und Zyklen von Neufahrzeugen abgestimmt.

(61) Die Kommission hat bewertet, ob es angemessen ist, einzelne Produktmärkte für jede Hauptart von Navigationsgeräten zu definieren, oder ob die Definition eines einzigen Produktmarktes, der alle Arten von Geräten umfasst, die Marktrealität besser widerspiegelt. Auch wenn sich diese Märkte aufgrund der rasanten technischen Entwicklung in einem gewissen Umfang annähern mögen, lässt die Marktuntersuchung der Kommission erkennen, dass sich PNDs in einer Reihe von Faktoren von anderen Arten von Navigationsgeräten unterscheiden.

(62) Für die Endbenutzer hängt die Auswahl des Navigationsgeräts zu einem großen Teil von den Funktionen des jeweiligen Geräts ab. Aufgrund ihrer unterschiedlichen

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Funktionen sind die verschiedenen Arten von Navigationsgeräten nicht vollständig austauschbar.

(63) PNDs und Mobiltelefone mit Navigationsfunktionen erfüllen unterschiedliche Verbraucherbedürfnisse. Ein PND ist in erster Linie ein Navigationsgerät, während ein Mobiltelefon mit Navigationsfunktionen üblicherweise über eine Vielzahl von Funktionen verfügt, mit denen der Benutzer telefonieren, Kurzmitteilungen und Multimediamitteilungen versenden, fotografieren, Musik hören sowie auf das Internet zugreifen und E-Mails versenden kann. Bei solchen Mobiltelefonen ist die Navigation keine Kernfunktion. Die verschiedenen Funktionen schlagen sich in den Preisen nieder. Während PNDs der mittleren Preisklasse im Einzelhandel bei etwa 200 EUR liegen, kosten Mobiltelefone mit Navigationsfunktionen normalerweise rund 500 EUR.

(64) Da es sich bei PNDs derzeit um Geräte handelt, die nur einem Zweck dienen, sind sie besser an die Navigation angepasst. Die Benutzeroberfläche ist so gestaltet, dass die Eingabe von Adressdaten und die Suche nach Orten von Interesse einfach sind. Hierfür bieten die meisten PNDs Tastbildschirm-Funktionen (Touch Screen). Mobiltelefone verfügen selten über Tasten, die für die Navigation belegt sind, und die Benutzer müssen für die Navigationsfunktionen die alphanumerischen Standardtasten verwenden. PNDs verfügen über größere Bildschirme und sind deshalb besser für den Einsatz in Fahrzeugen geeignet. Mobiltelefone mit Navigationsfunktionen sind mit kleineren Bildschirmen ausgestattet, die weniger auf eine Verwendung im Fahrzeug zugeschnitten sind36 .

(65) Aus diesen Gründen vertritt die Kommission die Auffassung, dass PNDs und Mobiltelefone mit Navigationsfunktionen derzeit voneinander getrennte relevante Produktmärkte darstellen.

(66) Aus ähnlichen Gründen, d. h. unterschiedliche Funktionen, Preise und ein unterschiedlicher Anpassungsgrad an den Einsatz in Fahrzeugen, ist die Kommission der Meinung, dass PNDs und PDAs derzeit voneinander getrennte Produktmärkte darstellen.

(67) PNDs und in das Armaturenbrett eingebaute Geräte unterscheiden sich in mehren Punkten. PNDs werden im Einzelhandel als gewöhnliche Unterhaltungselektronik verkauft und vermarktet, während in Fahrzeuge integrierte Systeme zum Zeitpunkt der Herstellung in die Neufahrzeuge eingebaut werden. In das Armaturenbrett eingebaute Geräte verfügen über mehr Funktionen, größere Bildschirme und lassen sich in Fahrzeugsicherheitssysteme integrieren. Geräte dieser Art werden vor allem in Fahrzeuge der gehobenen Klasse eingebaut. Diese Unterschiede schlagen sich in den Preisen nieder. Die Preise für PNDs bewegen sich zwischen 100 EUR und 500 EUR, während Geräte für den Einbau in Armaturenbretter durchweg mehr als 1000 EUR kosten.

(68) Die Unterschiede bei den Vertriebsmethoden und Preisen führen zu sehr unterschiedlichen Produktlebenszyklen. Derzeit beträgt der Lebenszyklus eines PND

36 So beträgt die Bildschirmgröße von Mobiltelefonen, die die Softwareplattform S60 von Nokia mit dem Betriebssystem Symbian nutzen, in der Regel nur 2,6 Zoll (240 x 320 Pixel). Bericht von Canalys, S. 42.

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zwischen sechs Monaten und einem Jahr, und die Entwicklungszeit bis zur Marktreife für PNDs ist sehr kurz. Auf diese Weise wird die Flexibilität erhöht und es ist leichter, innovative Funktionen rasch einzuführen. Die Entwicklungszyklen von Geräten für den Einbau in Armaturenbretter sind viel länger. Sie entsprechen den Entwicklungszyklen für neue Fahrzeugmodelle. Aus diesem Grund ist es schwieriger, in das Armaturenbrett eingebaute Geräte zu aktualisieren oder auszutauschen. Die Anbieter von PNDs und Geräten für den Einbau in Armaturenbretter sind weitgehend unterschiedlich, obwohl einige Anbieter eingebauter Geräten versucht haben, auf dem PND-Markt Fuß zu fassen.

(69) Aus diesen Gründen vertritt die Kommission die Auffassung, dass PNDs und Geräte für den Einbau in Armaturenbretter voneinander getrennte relevante Produktmärkte darstellen.

(70) Für die Zwecke dieser Entscheidung ist der relevante nachgelagerte Produktmarkt der Markt für die Bereitstellung von PNDs.37

(71) Die Befragten der Marktuntersuchung gehen davon aus, dass PNDs, Mobiltelefone mit Navigationsfunktionen und Geräte für den Einbau in Armaturenbretter für absehbare Zeit weiterhin als getrennte Märkte nebeneinander bestehen werden. Mobiltelefone mit Navigationsfunktionen bilden derzeit zwar nur einen sehr geringen Anteil aller verkauften Navigationsgeräte, Prognosen zufolge wird ihr Anteil in Zukunft jedoch erheblich zunehmen. Bei PDAs hingegen wird von einem rückläufigen Markt ausgegangen. Es ist dennoch nicht unwahrscheinlich, dass sich durch die Innovation die Grenzen zwischen den verschiedenen Arten von Navigationsgeräten in den kommenden Jahren zu einem gewissen Grad verwischen werden. Künftig wird sich der relevante Produktmarkt für PNDs möglicherweise um Mobiltelefone und andere Produkte der Unterhaltungselektronik mit Navigationsfunktionen, die auf den Markt kommen, erweitern müssen.

6.4.2. Definition des räumlich relevanten Marktes

(72) Die folgenden Umstände deuten darauf hin, dass es sich beim räumlich relevanten Markt auf jeden Fall um einen EWR-weiten Markt handelt. Die in den verschiedenen EWR-Staaten verwendeten PNDs erfordern im Wesentlichen die gleiche Hardware und Software. Die größten Anbieter von PNDs wie TomTom, ltd („Garmin“) und Technology Corporation („MiTAC“) sind EWR-weit tätig und stehen in einem EWR-weiten Wettbewerb, selbst wenn sie auch Vertriebsverträge auf nationaler Basis eingehen. Die meisten Marken werden im gesamten EWR verkauft und die verhältnismäßige Stärke der bedeutendsten Akteure ist in den meisten nationalen Märkten weitgehend gleich, obwohl nationale Marken in bestimmten Staaten große Marktanteile besitzen. Darüber hinaus besteht ein erheblicher Spielraum für

37 Selbst wenn ein breiterer Produktmarkt in Betracht gezogen würde, z. B. ein einziger Produktmarkt für alle mobilen Navigationsgeräte (d. h. einschließlich PNDs, PDAs und Mobiltelefonen mit Navigationsfunktionen, jedoch ohne Geräte für den Einbau in Armaturenbretter, da sie aufgrund ihres dauerhaften Einbaus in die Fahrzeuge nicht als tragbar einzustufen sind), wären die Marktanteile der größten Anbieter ähnlich, da 90 % aller verkauften Navigationsgeräte derzeit PNDs sind.

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angebotsseitige Substitution. Die PND-Hersteller können problemlos beginnen, ihre Produkte in einem anderen EWR-Staat zu verkaufen, solange sie in ihre Geräte eine digitale Kartendatenbank einbauen, die den betreffenden Staat abdeckt. Die Markenbekanntheit kann die Markteintrittskosten erhöhen. Auf dieser Grundlage gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass sich der geografische Markt auf den gesamten EWR-Raum erstreckt.

VII. MARKTBEDINGUNGEN

6.1. Navigationsfähige digitale Kartendatenbanken

6.1.1. Marktanteile

(73) Wie in Erwägungsgrund (20) erläutert, gibt es zwei Anbieter navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken, die die Staaten des EWR abdecken, und zwar Tele Atlas und NAVTEQ. Der Verkauf von navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken, die den EWR-Raum abdecken, wird vollständig von diesen beiden Unternehmen bestritten. Der Markt bzw. die Märkte für die Bereitstellung von navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken, die die EWR-Staaten umfassen, kann bzw. können daher als Duopol betrachtet werden38.

(74) Tele Atlas weist auf die Tatsache hin, dass die relative Bedeutung von Lizenzen mit unterschiedlicher geografischer Abdeckung im Verlauf der Zeit nicht unverändert bleibt. Der Verkauf digitaler Kartendatenbanken des Unternehmens mit nationaler Abdeckung hat in den vergangenen drei Jahren stetig abgenommen, während der Verkauf regionaler und europäischer Lizenzen zugenommen hat. Gemessen an der Menge der nationalen Lizenzen ist der Anteil am Umsatz von über [40-60]* % im Jahr 2005 auf etwa [20-40]* % im Jahr 2007 gesunken. Bei den im vergangenen Jahr von Tele Atlas verkauften Lizenzen handelte es sich zu jeweils rund [20-40]* % um nationale, regionale und europäische Lizenzen39.

(75) NAVTEQ lizenziert seine europäische digitale Kartendatenbank normalerweise auf Kontinentbasis, bietet jedoch auch Preise für die Nutzung der Datenbanken mit regionaler und nationaler Abdeckung an40.

(76) Die Tendenz zum wachsenden Verkauf von navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken mit einer breiteren geografischen Abdeckung entspricht den Entwicklungen in den nachgelagerten Märkten für Navigationsgeräte, in denen zunehmend leistungsstarke (im Hinblick auf die Speicherkapazitäten für Daten) und ausgereifte Geräte in immer kürzerer Zeit auf den Markt gebracht werden.

(77) Unter der Annahme, dass alle navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken mit EWR-Abdeckung (ob national, regional oder europäisch) einen eigenen relevanten Produktmarkt darstellen, lassen sich folgende Marktanteile berechnen: Im Jahr 2006

38 Diese Ansicht wird von Analysten der Branche geteilt, die den Markt übereinstimmend als Duopol beschreiben. Siehe „Tele Atlas – Potential still there, but pricing is an issue“, Bericht von SNS Securities, 1. August 2006. 39 Antwort von Tele Atlas vom 25. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 3. 40 Antwort von NAVTEQ vom 25. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission; nichtvertrauliche Fassung, die am 22. Februar 2008 bei der Kommission einging.

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erwirtschaftete Tele Atlas einen Umsatz von […]* EUR41, während sich die Gesamteinnahmen von NAVTEQ auf […]* EUR42 beliefen, was einem Marktanteil zwischen [50-70]* % und [50-70]* % für Tele Atlas und zwischen [30-50]* % und [30-50]* % für NAVTEQ entspricht.

(78) Unter der Annahme, dass alle navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken mit regionaler und europäischer Abdeckung demselben relevanten Produktmarkt43 angehören, lassen sich folgende Marktanteile berechnen: Im Jahr 2006 beliefen sich die Gesamteinnahmen von Tele Atlas auf […]* EUR44, während NAVTEQ einen Umsatz in Höhe von […]* EUR erzielte45; der Marktanteil von Tele Atlas lag somit zwischen [40-60]*% und [40-60]*% und der Anteil von NAVTEQ zwischen [40- 60]*% und [40-60]*%.

(79) Wenn schließlich alle navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken, die nur einen bestimmten Staat innerhalb des EWR abdecken, als zum selben relevanten Produktmarkt gehörig betrachtet werden, können die folgenden in der Tabelle aufgeführten Marktanteile angesetzt werden (alle Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2006)46:

Tabelle 1: Marktanteile von Tele Atlas und NAVTEQ auf der Grundlage des geschätzten Umsatzes, den die Unternehmen im Jahr 2006 mit navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken mit nationaler Abdeckung erzielten LAND ANTEIL ANTEIL NAVTEQ TELE ATLAS (%) (%) Österreich [50-70]* [30-50]* Belgien [0-20]* [80-100]* Bulgarien [0-20]* [80-100]* Tschechische Republik [0-20]* [80-100]* Dänemark [0-20]* [80-100]* Finnland [0-20]* [80-100]* Frankreich [40-60]* [40-60]* Deutschland [50-70]* [20-40]* Griechenland [60-80]* [20-40]* Ungarn [0-20]* [80-100]* Irland [80-100]* [0-20]* Italien [50-70]* [20-40]* Niederlande [0-20]* [80-100]* Norwegen [80-100]* [0-20]* Polen [0-20]* [80-100]* Portugal [0-20]* [80-100]* Rumänien [0-20]* [80-100]* Slowenien [0-20]* [80-100]*

41 Antwort von Tele Atlas vom 25. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 4. 42 Antwort von NAVTEQ vom 8. Februar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 2. 43 Tele Atlas hat Daten bereitgestellt, bei denen der Umsatz nach kleineren Regionen( z. B. die Benelux- Staaten, die DACH-Region und die skandinavischen Staaten) und größeren Regionen wie Westeuropa, Osteuropa und Europa insgesamt aufgeschlüsselt ist (von NAVTEQ liegen solche Daten nicht vor). 44 Antwort von Tele Atlas vom 5. Februar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 2. 45 Antwort von NAVTEQ vom 25. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 3. 46 Tele Atlas verfügt über keine präzisen, nach Staaten geordneten Verkaufsdaten, da Kunden, die Lizenzgebühren für digitale Kartendatenbanken mit nationaler Abdeckung entrichten, Tele Atlas nicht mitteilen müssen, für welchen Staat sie die Lizenz erwerben. Tele Atlas verwendet Schätzungen der Unternehmensführung sowie Angaben von Drittquellen, um den Umsatz pro Lizenzland zu berechnen. Anders als die Angaben, zu denen die Kunden des Unternehmens verpflichtet sind (d. h. ob national, regional oder europäisch), ist die Aufschlüsselung nach Staaten als Schätzung anzusehen. Alle in der Tabelle enthaltenen Angaben stammen aus der Antwort von Tele Atlas vom 25. Januar 2008 auf Frage 4 des Auskunftsersuchens der Kommission und der Antwort von NAVTEQ vom 25. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 3.

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Spanien [50-70]* [30-50]* Schweden [0-20]* [80-100]* Vereinigtes Königreich [80-100]* [0-20]* (80) Das gleiche Bild ergibt sich bei einer Analyse der Marktanteile, unabhängig davon, welcher alternative Produktmarkt zugrunde gelegt wird. Der Markt bzw. die weltweiten Märkte für die Bereitstellung navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken mit EWR-Abdeckung ist bzw. sind ein Duopol, in dem Tele Atlas der größere Akteur ist. Dies ergibt sich aus dessen größerem Anteil am Gesamtmarkt, am Markt für Datenbanken mit regionaler und europäischer Abdeckung, am zusammengefassten Markt für Datenbanken mit nationaler Abdeckung sowie an größeren Märkten für einzelne Staaten, z. B. Datenbanken, die Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien oder das Vereinigte Königreich abdecken47.

7.1.2. Preisentwicklungen Bisherige Preisentwicklungen (81) Der durchschnittliche Verkaufspreis der navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken von Tele Atlas ist in den vergangenen Jahren erheblich gesunken.

(82) Laut Schätzung eines Branchenanalysten sind die Preise für navigationsfähige digitale Kartendatenbanken im Jahr 2006 um 6 % bis 8 % gefallen48. Ein weiterer Analyst gab an, dass die Preise für navigationsfähige digitale Kartendatenbanken im Jahr 2006 um 6 % bis 15 % zurückgegangen sind. Ein großer Teil dieses Rückgangs sei jedoch auf die Preise für Hersteller von Geräten für den Einbau in Armaturenbretter zurückzuführen. Bei einer reinen Betrachtung von Datenbanken für die persönliche Navigation sind die Preise nach den deutlichen Preisrückgängen in den Jahren 2004 und 2005 im Jahr 2006 verhältnismäßig beständig geblieben49.

(83) Einem Bericht des Unternehmens SNS Securities zufolge, das Branchenanalysen durchführt, war der durchschnittliche Verkaufspreis der Datenbanken von Tele Atlas wie folgt50:

Tabelle 2: Durchschnittlicher Verkaufspreis der navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken von Tele Atlas in den Jahren 2006 bis 2007 Quartal 1/2006 Quartal 2/2006 Quartal 3/2006 Quartal 4/2006 Quartal 1/2007 18,70 EUR 17,10 EUR 16,80 EUR 16,30 EUR 14,60 EUR

(84) Laut dieser Quelle ist der von Tele Atlas durchschnittlich erhobene Preis in einem Jahr um 22 % gesunken. Der Preisrückgang war in erster Linie auf die Änderung des

47 Die Messung von Marktanteilen für Datenbanken, die kleinere Staaten abdecken, ist nicht besonders sinnvoll, da die verkauften Mengen sehr begrenzt sind. Dies ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Abdeckung zahlreicher kleinerer Staaten in regionalen Paketen enthalten ist (Datenbanken, die z. B. Belgien oder Schweden abdecken, werden fast nie einzeln, sondern nahezu ausschließlich im Rahmen regionaler Pakete verkauft, die die Benelux-Staaten bzw. die skandinavischen Staaten enthalten), oder auf den Umstand, dass der Verkauf von Navigationsgeräten in anderen Staaten (wie Bulgarien und Rumänien) erst noch anlaufen muss. Die größeren Staaten sind im Hinblick auf ihre Einwohnerzahlen und geografisch gesehen jedoch groß genug, um eigenständige Märkte zu bilden. 48 „NAVTEQ, Opportunities and Challenges Aplenty“, Bericht von CIBC World Markets, 20. Mai 2007. 49 „Navigation 2.0: truth or dare“?, Sector Report von Fortis, 4. April 2008, S. 54, Anmeldung, Anhang 21. 50 „Tele Atlas – Okay quarter, ASP worries overdone“, Bericht von SNS Securities, 4. Mai 2007.

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Verhältnisses der verkauften Produkte (Verkauf von mehr regionalen Kartendatenbanken und weniger von Datenbanken mit einer Abdeckung eines gesamten Kontinents) zurückzuführen, denn die Preisliste von Tele Atlas blieb gleich.

(85) Die meisten Befragten der Marktuntersuchung bestätigten die Preisrückgänge für navigationsfähige digitale Kartendatenbanken. [PND-Hersteller]* gab an, dass der durchschnittliche Einkaufspreis für Datenbanken, die in PNDs zum Einsatz kommen, zwischen 2005 und 2007 für das Unternehmen um 40 % bis 50 % gesunken ist51. [Navigationsgerätehersteller]* gab an, dass die Preise, die das Unternehmen für seine navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken bezahlte, im gleichen Zeitraum um 10 % bis 15% gesunken sind.52 [PND-Hersteller]* zufolge sind die Preise, die das Unternehmen für seine navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken bezahlte, in den vergangenen drei Jahren um 1 % bis 10 % gesunken53.

(86) Die in den Erwägungsgründen (82) bis (85) aufgeführten Zahlen weichen erheblich voneinander ab und stammen aus einer begrenzten Anzahl von Quellen. Die verschiedenen Preisrückgänge lassen sich teilweise auch durch die unterschiedliche Verhandlungsstärke der einzelnen Gerätehersteller gegenüber den Anbietern navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken erklären. Es ist anzunehmen, dass ein bedeutender Hersteller von PNDs größere Preisnachlässe aushandeln kann als ein kleinerer Hersteller. Auch wenn es nicht möglich ist, auf der Grundlage solch begrenzter Daten den durchschnittlichen Preisrückgang verlässlich zu berechnen, war für die letzten Jahren ein deutlicher Trend zu niedrigeren Preisen erkennbar.

(87) Branchenanalysten zufolge lag die Bruttogewinnspanne für Tele Atlas in den Jahren 2005 und 2006 bei etwa 85 %54. Da die Grenzkosten in der Branche niedrig sind, ist davon auszugehen, dass die Bruttogewinnspanne für NAVTEQ sich in einer ähnlichen Größenordnung bewegt. Künftige Preisentwicklungen (88) Vor der Ankündigung des geplanten Zusammenschlusses von TomTom und Tele Atlas (und der darauffolgenden Ankündigung der geplanten Übernahme von NAVTEQ durch Nokia) sagten Branchenanalysten vorher, dass die durchschnittlichen Verkaufspreise für navigationsfähige digitale Kartendatenbanken weiterhin sinken würden.

(89) Das Unternehmen SNS Securities, das Branchenanalysen durchführt, prognostizierte im Juli 2007, dass die durchschnittlichen Verkaufspreise für Tele Atlas im Jahr 2007 um 17 % sinken würden55. Das Unternehmen sagte voraus, dass sich der Preisverfall der Produkte des Unternehmens in den folgenden Jahren fortsetzen würde und die

51 Antwort von [PND-Hersteller]* vom 4. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 6. 52 Antwort von [Navigationsgerätehersteller]* vom 11. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 6. 53 Antwort von [PND-Hersteller]* vom 4. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 6. 54 „Tele Atlas – No change in stance: pricing remains key“, Bericht von SNS Securities, 31. Oktober 2006. In der Anmeldung geben die Parteien Bruttogewinnspannen an: [70-90]* % für 2004, [70-90]* % für 2005 und [70-90]* % für 2006 (alle Zahlen beziehen sich auf die EMEA-Region), Anmeldung, Anhang 49. 55 „Tele Atlas lagging the sector for no good reason“, Kurzbericht von SNS Securities, 18. Juli 2007.

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durchschnittlichen Verkaufspreise für navigationsfähige digitale Kartendatenbanken in den Jahren 2008 und 2009 nochmals jeweils um 10 % fallen würden56.

(90) Andere Branchenanalysten prognostizieren weniger große Preissenkungen für die kommenden Jahre. In einem im April 2007 veröffentlichten Bericht gab Fortis die Prognose ab, dass die Preise der Datenbanken für die persönliche Navigation von Tele Atlas (d. h. ohne die Datenbanken für Geräte für den Einbau in Armaturenbretter) um 10 % und die Preise von NAVTEQ um 7 % sinken würden. Fortis erläutert in dem Bericht, dass sich der Kartenpreisverfall angesichts der Tendenz zu allgemein mehr Inhalten in den verschiedenen Marktsegmenten in den kommenden Jahren wohl verlangsamen wird. Des Weiteren schreibt das Unternehmen in seinem Bericht, dass das mengenmäßige Wachstum in der Navigationsindustrie die Kosten pro Karte jedes Jahr nach unten drückt57.

(91) Die Vorhersage der künftigen Preisentwicklung für navigationsfähige digitale Kartendatenbanken gestaltet sich schwierig, wie aus den voneinander abweichenden Prognosen der Branchenanalysten deutlich wird (die abgegeben wurden, bevor die geplante Fusion angekündigt wurde). Eine Extrapolation der deutlichen Senkungen in den letzten Jahren und die Annahme, dass die Preise weiterhin in der gleichen Größenordnung sinken werden wie in den vergangenen Jahren, wäre allzu einfach. Die Marktuntersuchung sowie die allgemeinen Merkmale der Branche lassen jedoch den Schluss zu, dass die Preise in den kommenden Jahren voraussichtlich weiterhin sinken werden, wenn auch in einem gemäßigteren Tempo als bisher.

7.1.3. Vertragsbeziehungen

(92) TomTom und Tele Atlas haben im Jahr […]* eine Vereinbarung geschlossen, die später geändert und bis […]* verlängert wurde. Gemäß der geänderten Vereinbarung […]*. Im Jahr 2006 erwarb TomTom [70-90]* % seiner navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken von Tele Atlas58. TomTom ist der größte Kunde von Tele Atlas. Tele Atlas erzielt 30 % seines Gesamtumsatzes59 mit TomTom.

(93) TomTom hat mit NAVTEQ im Jahr 2005 eine Daten-Lizenzvereinbarung für PND- Anwendungen geschlossen, die sich auf die Bereitstellung von Kartendaten bezieht, die West- und Osteuropa (sowie Nordamerika und „Weltmärkte“) abdecken. […]*.

(94) Garmin nutzt nahezu ausschließlich navigationsfähige digitale Kartendatenbanken, die von NAVTEQ bereitgestellt werden. Der Vertrag von Garmin mit NAVTEQ – der ursprünglich im Jahr 1999 geschlossen wurde – wurde geändert und im Jahr 2007 verlängert. Durch diese Änderungen wurden die Lizenzen von Garmin bis Ende 2015 mit der Option verlängert, sie nochmals bis Ende 2019 zu verlängern. Unter Berücksichtigung der künftig erwarteten allgemeinen Preissenkungen bei navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken enthält der überarbeitete Vertrag Klauseln, nach denen die zu entrichtenden Gebühren jährlich reduziert werden60 .

56 „Tele Atlas – Riding the navigation wave – part II“, Bericht von SNS Securities, 28. März 2007. 57 „Navigation 2.0: truth or dare“?, Sector Report von Fortis, 4. April 2008, S. 54, Anmeldung, Anhang 21. 58 Anmeldung, S. 26. 59 Bericht über Tele Atlas der Soleil Securities Group, 7. Mai 2007. 60 Antwort von NAVTEQ vom 4. Dezember 2007 auf das Auskunftsersuchen der Kommission.

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(95) Die Vertragslaufzeiten sind sehr unterschiedlich und reichen von Einjahresverträgen bis hin zu einer Verlängerung von acht Jahren – wie bei der Vereinbarung von Garmin mit NAVTEQ. Eine Verlängerung um eine so lange Dauer wie im Fall von Garmin ist vor der Fusion für die Branche ungewöhnlich gewesen und spiegelt aller Wahrscheinlichkeit nach die unsichere Zukunft der Branche nach der Ankündigung des Vorhabens wider. Die übliche Dauer der derzeitigen Verträge von Tele Atlas und NAVTEQ beträgt [0-5]* Jahre.

(96) Einige Verträge enthalten Klauseln, in denen sich Tele Atlas und NAVTEQ verpflichten, in regelmäßigen Abständen Aktualisierungen der Datenbank zur Verfügung zu stellen (z. B. […]* pro Jahr oder sogar häufiger). Einige Vereinbarungen sehen vor, dass die Aktualisierungen gemäß veröffentlichten Zeitplänen bereitgestellt werden, während in anderen Vereinbarungen keinerlei Aktualisierungen erwähnt werden. Folglich verfügen einige, aber nicht alle Kunden über Verträge, die sie zumindest teilweise vor möglichen Versuchen des fusionierten Unternehmens schützen, den Mitbewerbern von TomTom Aktualisierungen der Datenbank vorzuenthalten61.

(97) Noch weniger Kunden verfügen über Verträge mit Meistbegünstigungsklauseln, die ihnen mindestens den gleichen Zugang zu digitalen Kartendatenbanken wie allen anderen Kunden garantieren, oder mit Klauseln, die die Qualität der bereitgestellten Daten garantieren. Lediglich ein kleiner Teil der Kunden wäre daher vor möglichen Versuchen des fusionierten Unternehmens geschützt, die Qualität der Datenbanken zu mindern, die an die Mitbewerber von TomTom ausgeliefert werden62.

(98) Abgesehen von einer begrenzten Zahl von Ausnahmen, wie TomTom und einigen anderen Herstellern von Geräten für den Einbau in Armaturenbretter63, ist der Bezug bei zwei Anbietern (Dual Sourcing) offenbar in dieser Branche nicht üblich. Die meisten Kunden erwerben ihre navigationsfähigen Kartendatenbanken für eine bestimmte Region lieber bei einem Anbieter. Vor allem erwerben die Kunden die Datenbanken offenbar gern „en bloc“ für jeden Kontinent (d. h., sie erwerben beispielsweise Datenbanken für Westeuropa bzw. Nordamerika jeweils vom gleichen Anbieter). In den Fällen, in denen die Kunden ihre Datenbanken bei zwei Anbietern beziehen, erwerben sie diese nach Kontinenten bei den verschiedenen Anbietern64. Der

61 Das fusionierte Unternehmen könnte damit beginnen, seine Datenbank öfter zu aktualisieren, diese Aktualisierungen jedoch lediglich in den vertraglich geforderten Mindestzeitabständen bereitzustellen. In einem solchen Szenario würden diese Klauseln nur teilweise Schutz gegen verspätete Aktualisierungen bieten. 62 In den Antworten der PND-Hersteller vom 14. Dezember 2007 auf die Fragen 27 und 28 des Auskunftsersuchens der Kommission gaben nur wenige PND-Hersteller an, dass ihre Verträge mit dem Anbieter digitaler Kartendatenbanken einen schnellen Zugang zu der neuesten Kartendatenbank garantierten, die in ihrer Qualität jener entspricht, die anderen Kunden zur Verfügung gestellt wird. Noch weniger Befragte erklärten, dass ihre Verträge Meistbegünstigungsklauseln enthalten. 63 Laut NAVTEQ ist der Bezug navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken bei zwei Anbietern bei Automobilherstellern üblich. Antwort von NAVTEQ auf die Aufforderung der Kommission zur Stellungnahme zu der Zusammenfassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 25. März 2008, S. 5. 64 Diese Schlussfolgerung wird unter anderem von [PND-Hersteller]* bestätigt, der angibt, dass PND- Hersteller ihre navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken, die ein bestimmtes geografisches Gebiet abdecken, im Allgemeinen jeweils nur bei einem Anbieter beziehen, z. B. werden Kartendatenbanken für Westeuropa in der Regel bei Tele Atlas oder NAVTEQ bezogen, nicht jedoch bei beiden gleichzeitig. Antwort von [PND-Hersteller]* auf die Aufforderung der Kommission zur

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Bezug von navigationsfähigen Kartendatenbanken mit EWR-Abdeckung bei zwei Anbietern ist selten. Dies gilt auch für den Bezug verschiedener Gerätemodelle bei zwei Anbietern (d. h. dass ein Gerätehersteller die Datenbanken von Tele Atlas für ein Modell oder eine Produktlinie und die Datenbanken von NAVTEQ für ein anderes Modell oder eine andere Produktlinie einsetzt65).

7.1.4. Hindernisse für einen Wechsel

(99) Beim Wechsel eines Anbieters navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken muss der Kunde die neue Datenbank so konfigurieren, dass sie mit der Navigationssoftware des Kunden kompatibel ist. Die meisten Kosten entstehen bei einem Wechsel durch die Neukonfiguration. Weitere wechselbedingte Kosten fallen für die Änderung der Erstellungswerkzeuge, die mit den verschiedenen Datenformaten zurechtkommen müssen, sowie für die Änderung der Produktverpackung und der Werbematerialien an.

(100) Tele Atlas und NAVTEQ sind in der Lage, Kartendaten in allen verfügbaren Formaten bereitzustellen. Wie in Fußnote 9 erläutert, sind die Formate, in denen Tele Atlas und NAVTEQ ihre Datenbanken anbieten, weitgehend gleich. Beide Unternehmen stellen ihre Datenbanken im Shape-Format bereit, das von den meisten PND-Herstellern verwendet wird. Daraus folgt, dass ein Kunde entweder den Anbieter wechseln kann, ohne das Datenbankformat ändern zu müssen, oder den Anbieter wechseln und gleichzeitig das Format ändern kann. Die Kosten für die Neukonfiguration sind im letzteren Fall vermutlich höher als im ersteren.

(101) Die Parteien geben an, dass die bei einem Wechsel entstehenden Kosten niedrig sind. In der Anmeldung schätzen die Parteien die Kosten für einen Wechsel von einem Datenbankanbieter zu einem anderen auf [100 000 – 300 000]* EUR bis [100 000 – 300 000]* EUR. Sie gehen davon aus, dass [0-10]* Programmierer etwa [0-10]* Monate damit beschäftigt wären, eine geänderte Umwandlungssoftware zu entwickeln und deren Interaktion mit der neuen Datenbank zu testen. Die Vorlaufzeit könnte bei mehr als [5-10]* Programmierern entsprechend verkürzt werden66.

(102) NAVTEQ bringt vor, dass ein Wechsel nicht kostenaufwändig ist. Die Kosten für den Umgang mit verschiedenen Datenbankformaten fallen nicht ins Gewicht, da die Kunden in der Regel Kartendaten erwerben, die öffentlich verfügbare und branchenübliche Formate nutzen. Informationen über die Definition dieser Formate und die Methoden für die Zusammenstellung der Kartendaten sind einfach über das Internet zugänglich. Daher kann jeder Kunde schnell und effizient Daten zusammenstellen, die er im branchenüblichen Format empfangen hat. NAVTEQ geht davon aus, dass der Prozess des Wechsels zwischen den Formaten von Kartendaten normalerweise zwischen einem und sechs Monaten dauert67.

Stellungnahme zu der Zusammenfassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 25. März 2008, S. 2. 65 Im Jahr 2006 hatte TomTom beschlossen, navigationsfähige digitale Kartendatenbanken für seine PND- Modellreihe ONE bei NAVTEQ zu beziehen, bei anderen Produkten jedoch Kunde von Tele Atlas zu bleiben. Anmeldung, S. 107. 66 Anmeldung, S. 106. 67 Antwort von NAVTEQ auf die Aufforderung der Kommission zur Stellungnahme zu der Zusammenfassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 25. März 2008, S. 5.

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(103) [PND-Hersteller]* gibt an, dass der Wechsel zu einem anderen Kartendatenbank- Anbieter zwar mit gewissen Kosten verbunden ist (z. B. Programmierungsressourcen, Verwaltungs- und Verpackungs-/Marketingkosten), diese die PND-Hersteller jedoch nicht von einem Wechsel abhalten. Aus Sicht von [PND-Hersteller]* bestehen keine wesentlichen technischen Hindernisse für einen Wechsel. Letzterer kommt zu dem Schluss, dass bei einem Wechsel keine übermäßigen Kosten entstehen68 .

(104) Die kurze Vorlaufzeit für den Wechsel des Datenbankanbieters ([0-12]* Monate), die von den Parteien und NAVTEQ genannt werden, wird von einem Befragten der Marktuntersuchung der Kommission bestätigt. Dieser [Navigationsgerätehersteller]* gibt an, dass bei einem kürzlich durchgeführten Wechsel des Kartendatenbank- Anbieters zwei bis drei Arbeitswochen eines qualifizierten Ingenieurs für diese Aufgabe aufgewendet wurden69. Andere Befragte wiesen jedoch darauf hin, dass die Vorlaufzeiten auch länger sein können. [Navigationsgerätehersteller]* gibt an, dass die Umstellung von einem Datenbankformat auf ein anderes und die Umwandlung der Daten auf das proprietäre Format des anderen Anbieters 18 Monate in Anspruch genommen hat.70

(105) Bezüglich der von den Parteien veranschlagten Kosten eines Wechsels ([100 000 - 300 000]* EUR) lässt die Untersuchung der Kommission darauf schließen, dass die Kosten höher sein könnten. [Anbieter von Navigationssoftware]* schätzt die Kosten eines Wechsels zwischen Tele Atlas und NAVTEQ auf 500 000 EUR bis 1 Mio. EUR (Kosten, die hauptsächlich für Entwicklung und Qualitätssicherung anfallen)71. Der zweite [Navigationsgerätehersteller]*, der in Erwägungsgrund (104) genannt ist, geht davon aus, dass sich die Kosten für die Umstellung des Formats und die Umwandlung der Daten, so dass diese für die Software des Unternehmens nutzbar sind, auf etwa 1 Mio. EUR belaufen würden72 .

(106) Angesichts des erst vor kurzem vollzogenen Wechsels73 und der in Erwägungsgrund (104) beschriebenen Umstände betrachtet die Kommission die Hindernisse für einen Wechsel als verhältnismäßig begrenzt. Da jedoch die Kosten für einen Wechsel (insbesondere die Kosten für die Neukonfiguration) unabhängig von der Größe des Unternehmens, das den Anbieter wechseln möchte, vermutlich die gleichen sind, liegen die relativen Kosten für die Umstellung für einen kleinen Gerätehersteller oder Anbieter von Navigationssoftware höher als für einen großen PND-Hersteller.

68 Antwort von [PND-Hersteller]* auf die Aufforderung der Kommission zur Stellungnahme zu der Zusammenfassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 25. März 2008, S. 3. 69 Antwort von [Navigationsgerätehersteller]* vom 28. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 15. 70 Antwort von [Navigationsgerätehersteller]* vom 18. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Fragen 18 und 20. 71 Antwort von [Anbieter von Navigationssoftware]* vom 18. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 23. 72 Antwort von [Navigationsgerätehersteller]* vom 18. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Fragen 18 und 20. 73 In der Anmeldung haben die Parteien fünf Unternehmen angeführt, die im Zeitraum 2004-2006 zwischen Tele Atlas und NAVTEQ gewechselt haben.

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7.1.5. Wettbewerbsbedingungen vor dem Zusammenschluss

(107) Die Marktuntersuchung der Kommission bestätigt, dass der Markt für die Bereitstellung navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken vor der Ankündigung des Vorhabens (und der anschließend angekündigten Übernahme von NAVTEQ durch Nokia) wettbewerbsorientiert war. Nicht nur die großen Branchenteilnehmer wie TomTom und Garmin, sondern auch kleinere Unternehmen profitierten von dem Konkurrenzkampf zwischen Tele Atlas und NAVTEQ, der mit einem Preiswettbewerb zwischen den beiden Konkurrenten einherging, der erhebliche Rückgänge bei den durchschnittlichen Verkaufspreisen nach sich zog. Das Fehlen jeglicher kapazitätsbedingter Einschränkungen – Tele Atlas und NAVTEQ können den Output (d. h. die Anzahl der Lizenzen) bei kaum nennenswerten Zusatzkosten erhöhen – begünstigte den Abwärtstrend bei der Preisgestaltung zusätzlich74.

7.1.6. Markteintritt Die von den Parteien vorgebrachten Argumente (108) In der Anmeldung gibt der Anmelder an, dass es einige Unternehmen gibt, die navigationsfähige digitale Kartendatenbanken anbieten, die andere Teile der Welt abdecken. Die japanischen Unternehmen Zenrin Inc. und Toyota Mapmaster Inc. („Mapmaster“) bieten Datenbanken an, die Japan abdecken, während das südkoreanische Unternehmen Thinkware Inc. eine navigationsfähige digitale Kartendatenbank bereitstellt, die Südkorea abdeckt. Nach Angaben des Anmelders verfügen diese Unternehmen über die technischen Kenntnisse und Branchenerfahrung, um navigationsfähige digitale Kartendatenbanken in einer mit den von Tele Atlas und NAVTEQ angebotenen Datenbanken vergleichbaren Qualität anzubieten75. Zu einem späteren Zeitpunkt der Untersuchung der Kommission nannte der Anmelder einen weiteren möglichen neuen Marktteilnehmer, und zwar das in den USA ansässige Unternehmen Facet Technology Corporation („Facet“), das am 29. November 2007 die Verfügbarkeit einer navigationsfähigen digitalen Kartendatenbank ankündigte, die Kontinental-USA abdeckt. Laut eigener Aussage des Unternehmens ist die Datenbank für die USA von Facet präziser als die von Tele Atlas und NAVTEQ angebotenen Datenbanken. Hinzu kommt, dass Facet seine Absicht angekündigt hat, seine geografische Abdeckung auf Kanada und Europa auszuweiten.76

(109) Darüber hinaus erklärt TomTom, dass es eine Reihe von Unternehmen gibt, die digitale Kartendatenbanken anbieten, deren Qualität niedriger ist als die der Datenbanken von Tele Atlas und NAVTEQ. Das Angebot reicht von digitalen Basis- Kartendatenbanken mit reinen Adresssuch- und -anzeigefunktionen – Europa

74 Auf den ersten Blick könnten die Bruttogewinnspannen von [50-90]*% als Hinweis auf einen fehlenden Wettbewerb gewertet werden. In einer Branche mit [hohen Fixkosten und Grenzkosten, die gegen Null gehen, führen hohe Bruttogewinnspannen]* – die laut Definition Fixkosten nicht berücksichtigen – nicht notwendigerweise zu Gewinnen, die über dem Wettbewerbsniveau liegen. Die Gesamtkapitalrentabilität, bei der die Fixkosten berücksichtigt werden, eignet sich besser als Maßstab. Im Hinblick darauf ist zu beachten, dass Tele Atlas erst kürzlich profitabel geworden ist. 75 Anmeldung, S. 120. 76 Antwort von Tele Atlas vom 14. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 11. Angaben von TomTom vom 24. Januar 2008. „Facet Technology Corp Announces Navigation Content for the Continental US“, Pressemitteilung von Facet, 29. November 2007, http://www.facet- tech.com/News/Facet_Announces_Navigation_Content_for_the_Continental_US.htm.

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Technologies ltd. und Ordnance Survey77 – bis hin zu digitalen Kartendatenbanken, die grundlegende Abbiegepunkt-Navigationsfunktionen bieten, wie Central European Data Agency a.s. (CEDA), Nav N Go sowie vor allem AND International Publishers N.V. („AND“)78. Laut Tele Atlas bieten die von AND angebotenen digitalen Kartendatenbanken alle Attribute, die benötigt werden, um sie navigationsfähig zu machen79 .

(110) Schließlich wird in der Anmeldung darauf hingewiesen, dass auch Branchenneulinge auf dem Markt tätig werden könnten, die derzeit überhaupt keine navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken anbieten. Diese Unternehmen, vor allem Google Inc. („Google“) und Microsoft Corporation („Microsoft“), sind derzeit Kunden von Tele Atlas und NAVTEQ und bieten Kartendienste über das Internet an. TomTom zufolge könnten diese Unternehmen ihre technischen Kenntnisse und finanziellen Möglichkeiten nutzen, um ihre Kartendatenbanken aufzurüsten, so dass unter Zuhilfenahme des Feedbacks ihrer Anwendergemeinschaften eine navigationsfähige Qualität entsteht80.

(111) Der Anmelder gibt an, dass die Hindernisse für einen Markteintritt niedriger geworden sind, seit die ersten PNDs im Jahr 2004 eingeführt wurden, und dass die Umsatzmöglichkeiten für neue Marktteilnehmer aufgrund der schnellen Aufnahme von Geräten, die navigationsfähige digitale Kartendatenbanken nutzen, heute viel größer sind als früher. TomTom gibt an, dass die Kosten aus einer Reihe von Gründen gesunken sind, und führt unter anderem verbesserte Luftaufnahmen, die gestiegene Qualität von Satellitenbildern sowie die Möglichkeit, Feedback aus Endbenutzergemeinschaften zu nutzen, an. Das Unternehmen ist der Meinung, dass die Kosten für den Markteintritt in Zukunft weiter sinken werden81. Tele Atlas hält es für möglich, dass einfache navigationsfähige digitale Kartendatenbanken erstellt werden können, ohne dass Mitarbeiter im Außeneinsatz Straßendaten erfassen82. Aus einer Studie, die von Tele Atlas in Auftrag gegeben wurde, geht hervor, dass ein Markteintritt in [1-5]* Jahren zu Kosten unter [100-200]* Mio. EUR zu bewerkstelligen wäre83.

(112) In ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte der Kommission gehen die Parteien einen Schritt weiter als in ihrer Anmeldung und geben an, dass ein Markteintritt in naher Zukunft sehr wahrscheinlich ist und dass dieser Eintritt sicherlich beschleunigt würde, wenn Tele Atlas sich an wettbewerbsschädigendem Verhalten beteiligen würde84.

(113) Die Kommission wird sich mit den Kosten für den Markteintritt, der Zeit des Markteintritts und mit der Durchführbarkeit eines Markteintritts mit einfachen Datenbanken nach Staaten befassen. Darüber hinaus wird die Kommission die

77 Ordnance Survey ist eine öffentliche Behörde, die digitale Kartendaten bereitstellt, die das Vereinigte Königreich abdecken. Ordnance Survey hat seine Basisdatenbank, die für jeden offen zugänglich ist, um einige Routenplanungs- und Logistikattribute ergänzt. Angaben von Tele Atlas, 12. Oktober 2007. 78 Anmeldung, S. 121. 79 Antwort von Tele Atlas vom 14. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 11. 80 Anmeldung, S. 121-122. 81 Anmeldung, S. 110-111; Angaben von Tele Atlas, 12. Oktober 2007. 82 Antwort von Tele Atlas vom 14. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 11. 83 Anmeldung, S. 136-137; Angaben von Tele Atlas, 12. Oktober 2007. 84 Erwiderung von TomTom auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, 17. März 2008, S. 16.

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Wahrscheinlichkeit bewerten, dass AND und Facet auf dem Markt tätig werden, da diese zwei Unternehmen von den Parteien als die wahrscheinlichsten neuen Marktteilnehmer genannt wurden. Kosten des Markteintritts (114) Ein guter Ausgangspunkt für die Schätzung der Kosten eines Markteintritts ist die Betrachtung der Kosten, die in der Vergangenheit mit einem Markteintritt verbunden waren. Nach Angaben des Branchenanalysten SNS Securities hat Tele Atlas nahezu 1 Mrd. EUR in die Zusammenstellung seiner Datenbank investier85t. Diese Schätzung wird durch [Navigationsgerätehersteller]* gestützt, der angibt, dass Tele Atlas Kosten in Höhe von 1 Mrd. EUR für seine Datenbank aufgewendet hat, die über einen Zeitraum von 20 Jahren entwickelt wurde86. Auch [Anbieter von Navigationssoftware]* schätzt die Kosten – auf der Grundlage früherer Erfahrungen von Tele Atlas und NAVTEQ – für die Duplizierung der Datenbanken von Tele Atlas oder NAVTEQ auf etwa 1 Mrd. EUR87. Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass die Parteien dieser Zahl in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte der Kommission nicht widersprechen, sondern die Schätzung in Höhe von 1 Mrd. EUR lediglich als „Obergrenze“ bezeichnen.88 Insbesondere räumen die Parteien in einer Fußnote ein, dass die Zahl 1 Mrd. EUR die kumulativen Investitionen von Tele Atlas für die Erstellung und laufende Pflege und Aktualisierung seiner weltweiten Kartendatenbank für alle Anwendungen darstellt89.

(115) Sobald die Kosten feststehen, die in der Vergangenheit mit einem Markteintritt verbunden waren, muss die Kommission prüfen, ob ein Unternehmen, das heute auf dem Markt für die Bereitstellung navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken mit EWR-Abdeckung tätig wird, ebenfalls Investitionen in dieser Höhe aufbringen müsste, oder ob die Kosten für den Markteintritt sich geändert haben, seit die beiden Akteure auf dem Markt tätig geworden sind.

(116) Wie in Erwägungsgrund (111) erläutert, gibt der Anmelder an, dass die Hindernisse für den Markteintritt aus zwei Gründen weniger werden. Erstens nehmen die möglichen Vorteile eines Markteintritts aufgrund der steigenden Nachfrage nach navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken zu und zweitens sinken die Kosten für den Markteintritt aufgrund der technischen Innovation90.

(117) Zwar lässt sich die recht offensichtliche Tatsache nicht leugnen, dass der Markteintritt mit der Erweiterung eines Marktes reizvoller wird, dieser Umstand hat aber keinerlei Einfluss auf die tatsächliche Höhe der Investition, die für einen Markteintritt notwendig ist. Er deutet allenfalls darauf hin, dass die Anreize für potenzielle neue Marktteilnehmer größer sind, diese Investitionen in Kauf zu nehmen, da der mögliche Gewinn auf diese Weise höher ist. Darüber hinaus sagt dieser Umstand nichts über die Wahrscheinlichkeit eines Markteintritts aus, der so erfolgreich ist, dass sich der neue

85 Siehe „Tele-Atlas – Potential still there but pricing is an issue“, Bericht von SNS Securities, 1. August 2006. 86 Schreiben von [Navigationsgerätehersteller]* an die Kommission vom 4. März 2008. 87 Antwort von [Anbieter von Navigationssoftware]* vom 11. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 31. 88 Erwiderung von TomTom auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, 17. März 2008, S. 18. 89 Antwort von TomTom auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, 17. März 2008, Fußnote 31, S. 20. 90 Anmeldung, S. 111; Erwiderung von TomTom auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, 17. März 2008, S. 17-18.

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Marktteilnehmer einen ausreichend hohen Marktanteil sichern kann, um die etablierten Akteure in ihrem Wettbewerbsverhalten einzuschränken.

(118) Die Aussage der Parteien, dass die Kosten für den Markteintritt bzw. genauer gesagt für die Zusammenstellung und Verarbeitung von Kartendaten sinken, sind hauptsächlich auf Folgendes zurückzuführen: Fortschritte bei Luftaufnahmen, gestiegene Verfügbarkeit von Kartendaten aus öffentlichen Quellen, Möglichkeit zur Nutzung von Endbenutzer- und Tester-Feedback aus den Anwendergemeinschaften und Marktfähigkeit von Software, die große Mengen geografischer Daten verarbeiten kann91. Die Angabe, dass die Kosten für die Datenzusammenstellung rückläufig sind, wird von NAVTEQ92 und verschiedenen anderen Befragten der Marktuntersuchung unterstützt93.

(119) Zwar können dank der gestiegenen Verfügbarkeit von Luftaufnahmen und Kartendaten aus öffentlichen Quellen Kosteneinsparungen erzielt werden, die Auswirkungen dieser Kosteneinsparungen auf die Erstellung einer navigationsfähigen digitalen Kartenbank sind jedoch als gering einzustufen.

(120) Die Kommission hält es aus mehreren Gründen für unwahrscheinlich, dass ein arbeitsteiliger Ansatz wie bei Wikipedia, der Feedback von Endbenutzern einbezieht, für die Erstellung einer navigationsfähigen digitalen Kartendatenbank angewendet werden kann. Zunächst wäre die Entwicklung eines IT-Werkzeugs, das es Endbenutzern auf einfache Weise ermöglicht, Kartendaten zu bearbeiten, aufgrund der langen Liste von Eingaben für navigationsfähige Daten sehr kompliziert (die Bearbeitung einer digitalen Kartendatenbank ist erheblich komplizierter als die Bearbeitung eines Textdokuments wie bei Wikipedia). Darüber hinaus mag es einen Anreiz für Benutzer darstellen, ein hochwertiges Produkt zu bearbeiten, das sie bereits einsetzen, der Anreiz ist jedoch nicht besonders hoch, dabei zu helfen, ein neues Produkt zu entwickeln oder die Qualität eines minderwertigen Produkts, das schlecht funktioniert, zu verbessern. Des Weiteren muss die Richtigkeit aller Bearbeitungsvorgänge durch das Kartenunternehmen geprüft werden, was ein sehr ressourcenintensives Unterfangen darstellt. Überdies stehen die Erfolgsaussichten für die Aktualisierung einer digitalen Kartendatenbank mithilfe von Kunden-Feedback allein schon wegen abweichender Informationen nicht sehr gut. Anders als bei Wikipedia, wo jeder der Millionen von Benutzern über das Wissen verfügen kann, ein bestimmtes Thema zu aktualisieren, ist die Anzahl der Personen mit einem ausreichenden lokalen Wissen sehr gering (für jede Straße, die in einer Datenbank abgebildet ist, verfügen nur sehr wenige Personen über das notwendige aktuelle Wissen, um eine korrekte Bearbeitung vorzunehmen).

(121) Unabhängig von den in den Erwägungsgründen (118) bis (120) beschriebenen technischen Entwicklungen bleibt die Tatsache bestehen, dass die Beschäftigung von Mitarbeitern im Außeneinsatz mit speziellen Fahrzeugen unerlässlich ist, die enorme Mengen von Straßendaten erfassen und aktualisieren müssen, damit navigationsfähige digitale Kartendatenbanken in einer hohen Qualität erstellt werden können. Die Unerlässlichkeit von Feldstudien wird von Facet bestätigt. Unternehmensaussagen

91 Anmeldung, S. 115-120. 92 Antwort von NAVTEQ auf Ersuchen der Kommission, zu der Zusammenfassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 25. März 2008, S. 3, Stellung zu beziehen. 93 Zusammengefasst in der Antwort von TomTom auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, 17. März 2008, S. 21-22.

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zufolge ist es heute unmöglich, ohne die Durchführung von Feldstudien und den Einsatz spezieller Fahrzeuge eine wirklich navigationsfähige digitale Kartendatenbank zu erstellen, da es nur auf diese Weise möglich ist, Schilderinformationen und andere Straßenmerkmale, wie Absperrungen, Tore und andere Hindernisse, zuverlässig zu erfassen94. NAVTEQ bestätigt, dass Mitarbeiter im Außeneinsatz noch immer wichtig sind, wenn auch weniger wichtig als in den 1980er Jahren, als NAVTEQ seine erste Datenbank erstellte95. Die Tatsache, dass die Unternehmen Tele Atlas und NAVTEQ, die bei der Erstellung von digitalen Kartendatenbanken als weltweit führend anzusehen sind, trotz technischer Entwicklungen weiterhin Mitarbeiter im Außeneinsatz beschäftigen, untermauert die Tatsache, dass diese Form der Datenerhebung unerlässlich ist. Schließlich sind die Probleme von AND, eine gut funktionierende navigationsfähige digitale Kartendatenbank ohne die Hilfe von Mitarbeitern im Außeneinsatz zu erstellen (siehe Erwägungsgrund (129)), ein weiterer Hinweis darauf, dass Mitarbeiter im Außeneinsatz notwendig sind, wenn das Produkt eine hohe Qualität haben soll.

(122) Neben den notwendigen technologischen Kenntnissen muss ein glaubwürdiger neuer Marktteilnehmer im Vorfeld erhebliche Investitionen tätigen, um navigationsfähige digitale Kartendatenbanken in einer Qualität zu erstellen, die mit der Qualität der von Tele Atlas und NAVTEQ angebotenen Datenbanken vergleichbar ist. Die Schätzungen für die heutigen Kosten zur Erstellung einer digitalen Kartendatenbank, die den EWR heute abdeckt, gehen weit auseinander. Die bei weitem niedrigste Schätzung stammt von Facet, gemäß der es das Unternehmen weniger als 100 Mio. EUR kosten würde, eine navigationsfähige digitale Kartendatenbank mit einer „breiten europäischen Abdeckung“ zu erstellen96. NAVTEQ schätzt, dass ein neuer Marktteilnehmer etwa 159 Mio. EUR investieren müsste, um eine EWR-weite Datenbank mit den gleichen Merkmalen zu erstellen, die in der NAVTEQ-Datenbank enthalten sind97. Wie in Erwägungsgrund (111) erläutert, gehen die Parteien davon aus, dass die Kosten [100- 400]* Mio. EUR nicht überschreiten würden.98 [Japanischer Anbieter von digitaler Kartendatenbank]* schätzt, dass es mehr als 360 Mio. EUR kosten würde, eine navigationsfähige Kartendatenbank zu erstellen, die den EWR abdeckt99. Schließlich werden die Kosten in Höhe von 1 Mrd. EUR von den Parteien als historischer Richtwert bestätigt. Diese weltweite Schätzung sollte jedoch um die Kosten für die Zusammenstellung der Daten für Nordamerika (und der Daten für andere Gebiete außerhalb des EWR) und die durch die technische Entwicklung bedingten Kostensenkungen reduziert werden.

(123) Die von Facet übermittelte Schätzung ist erstaunlich niedrig, wenn berücksichtigt wird, dass sie deutlich niedriger ausfällt als die weitgehend übereinstimmenden Schätzungen von Tele Atlas und NAVTEQ. Facet stützt seine Schätzung vermutlich

94 Protokoll der Telefonkonferenz mit Facet vom 1. Februar 2008. 95 Antwort von NAVTEQ auf die Aufforderung der Kommission zur Stellungnahme zu der Zusammenfassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 25. März 2008, S. 2. 96 Protokoll der Telefonkonferenz mit Facet vom 1. Februar 2008. 97 NAVTEQ schätzt die Kosten auf 250 Mio. USD. Antwort von NAVTEQ auf die Aufforderung der Kommission zur Stellungnahme zu der Zusammenfassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 25. März 2008, S. 4. Der Betrag wurde mit dem Wechselkurs 1 USD = 0,636264 EUR vom 9. April 2008 von USD in EUR umgerechnet (Quelle: www.XE.com). 98 Anmeldung, S. 136-137; Angaben von Tele Atlas, 12. Oktober 2007. 99 Antwort von [japanischer Anbieter von digitaler Kartendatenbank]* vom 10. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 11.

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auf die Kosten, die mit der Erstellung seiner Datenbank für die USA verbunden waren. Dennoch ist es fraglich, ob die Kosten für die Erstellung einer Kartendatenbank in den USA einen angemessenen Richtwert für die Kosten für die Erstellung einer Kartendatenbank im EWR darstellen. Die Kosten für die Zusammenstellung einer Kartendatenbank in den USA – ein in Bezug auf Verkehrsvorschriften, Verkehrszeichen usw. weitgehend homogenes geografisches Gebiet – unterscheiden sich erheblich vom EWR, einem uneinheitlichen Gebiet, das aus 30 Staaten mit unterschiedlichen Verkehrsvorschriften besteht. Eine einfache lineare Extrapolation der Kosten von Facet auf der Grundlage von Kilometern des Straßennetzes in den USA gegenüber den Kilometern des Straßennetzes im EWR führt daher vermutlich zu einer zu niedrigen Schätzung der Kosten für die Datenzusammenstellung. Überdies scheint sich die Schätzung von Facet nicht auf eine vollständige EWR-Abdeckung zu beziehen. Das Unternehmen hat angegeben, dass es den Umfang seiner künftigen europäischen Kartendatenbank noch festlegen muss, dass jedoch bereits feststeht, dass sie von Beginn an einen weiten Bereich abdecken wird100. Daher hält es die Kommission für wahrscheinlich, dass Facet die Kosten für die Erstellung einer navigationsfähigen digitalen Kartendatenbank mit einer vollständigen EWR- Abdeckung als zu niedrig einschätzt.

(124) In der Anmeldung legen die Parteien ein Modell für die für einen Markteintritt notwendige Mindestgröße vor, das zeigen soll, dass die Kosten für den Markteintritt überschaubar sind und ein rentabler Markteintritt möglich ist101. In ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte gehen die Parteien davon aus, dass sich die Kosten für den Markteintritt auf [300-400]* Mio. EUR (was der Schätzung von [japanischer Anbieter von digitaler Kartendatenbank]* entspricht) belaufen würden und schätzen, dass ein neuer Marktteilnehmer für [5-15]* Jahre nach Einführung der Datenbank mit Einnahmen von etwa [100-400]* Mio. EUR pro Jahr rechnen können müsste102. Gemäß diesen Annahmen gehen die Parteien davon aus, dass ein neuer Marktteilnehmer bis zum Jahr 2012 einen Marktanteil von [10-40]* % erzielen müsste. Ohne im Einzelnen auf die zahlreichen Annahmen in dem Modell der Parteien einzugehen, stellt die Kommission fest, dass ein Marktanteil in Höhe von [10-40]*% kurz nach dem Markteintritt schwer zu erreichen ist, wenn u. a. die Tatsache berücksichtigt wird, dass die Einkäufe des größten PND-Herstellers, die einen großen Teil des Gesamtmarktes für navigationsfähige digitale Datenbanken ausmachen, aufgrund der vertikalen Integration von TomTom und Tele Atlas innerhalb des Konzerns abgewickelt würden, und wenn außerdem bedacht wird, dass der zweitgrößte PND-Hersteller, Garmin, einen langfristigen Vertrag mit NAVTEQ eingegangen ist. Allein aus diesem Grund hält die Kommission das von den beiden Parteien vorgelegte Modell für die für einen Markteintritt notwendige Mindestgröße für unrealistisch.

(125) Während sich über die veranschlagten Kosten sicherlich diskutieren lässt, steht es außer Frage, dass die Erstellung einer navigationsfähigen digitalen Kartendatenbank mit EWR-Abdeckung ressourcenintensiv und kostspielig ist. Darüber hinaus ist ein Großteil dieser Kosten als angefallene, aber uneinbringliche Kosten zu betrachten.

100 Protokoll der Telefonkonferenz mit Facet vom 1. Februar 2008. 101 Anmeldung, S. 141. 102 Erwiderung von TomTom auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, 17. März 2008, S. 22.

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Zeitpunkt des Markteintritts (126) Wie in Erwägungsgrund (111) erläutert, wäre einer von Tele Atlas in Auftrag gegebenen Studie zufolge ein Markteintritt binnen [1-5]* Jahren103 denkbar; zu einem späteren Zeitpunkt der Untersuchung erklärten die Parteien, dass ein Eintritt in näherer Zukunft sehr wahrscheinlich sei104.

(127) NAVTEQ macht ähnliche Angaben zum Zeitpunkt eines Markteintritts. Das Unternehmen ist der Ansicht, dass ein Eintritt der wahrscheinlichsten neuen Marktteilnehmer (NAVTEQ nennt aktuelle Anbieter digitaler Kartendaten wie AND und aktuelle Anbieter internetgestützter Kartenanwendungen wie Google) zwischen einem und drei Jahren in Anspruch nehmen würde. NAVTEQ erkennt jedoch an, dass ein „Neueinsteiger“ mehr Zeit benötigen würde, um eine navigationsfähige Datenbank zu erstellen105.

(128) Einige Befragte der Marktuntersuchung sind der Ansicht, dass ein Markteintritt länger dauern würde als von den Parteien und NAVTEQ geschätzt. Die Zeitverzögerung, nach der ein vollständiger Markteintritt möglich ist, wurde von mehreren Befragten der Marktuntersuchung auf fünf bis zehn Jahre geschätzt.106

(129) Die Kommission stellt in dieser Hinsicht fest, dass AND, das bei der Zusammenstellung seiner Daten auf Mitarbeiter im Außeneinsatz verzichtet hat, viele Jahre für die Erfassung seiner Daten für seine navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken aufgewendet hat107.

(130) Auch Facet gibt an, dass es Jahre gedauert habe, bis die Kartendaten für die USA zusammengestellt waren108. Auf Nachfrage der Kommission erklärte Facet, dass das Unternehmen vier bis acht Jahre benötigt habe, um seine Datenbank für die USA zu erstellen, dass diese Zeit unter Aufwendung zusätzlicher Mittel jedoch hätte verkürzt werden können109. Dennoch geht Facet davon aus, dass das Unternehmen eine Datenbank mit einer breiten europäischen Abdeckung in 18 Monaten erstellen könnte110. Angesichts der Zeit, die das Unternehmen benötigt hat, um seine Datenbank für die USA zu erstellen, sowie unter Berücksichtigung der in Erwägungsgrund (123) angeführten Vorbehalte bezüglich der von Facet geschätzten Kosten für den Markteintritt (die gleichen Vorbehalte gelten für den Zeitpunkt des Markteintritts), hält die Kommission es für wahrscheinlich, dass Facet die für die Erstellung einer navigationsfähigen digitalen Datenbank mit vollständiger EWR-Abdeckung benötigte Zeit zu niedrig ansetzt.

(131) [Anbieter internetgestützter Kartenlösungen]*, der Tele Atlas als Anbieter navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken nutzt, gibt an, dass es für [Anbieter internetgestützter Kartenlösungen]* zwar theoretisch möglich wäre, eine eigene Datenbank zu erstellen, dies jedoch einen enormen Zeit- und Ressourcenaufwand

103 Anmeldung, S. 136-137; Angaben von Tele Atlas, 12. Oktober 2007. 104 Antwort von TomTom auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, 17. März 2008, S. 16. 105 Antwort von NAVTEQ auf Ersuchen der Kommission, zu der Zusammenfassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 25. März 2008, S. 4, Stellung zu beziehen. 106 Siehe Abschnitt zur Definition des relevanten Produktmarktes oben. 107 AND-Website, Stand vom 22. Januar 2008; aufzurufen über www.and.com. 108 Pressemitteilung von Facet vom 29. November 2007. 109 E-Mail von Facet, 9. April 2008. 110 Protokoll der Telefonkonferenz mit Facet vom 1. Februar 2008.

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bedeuten würde („vast commitment of time and resources“) und die Erfassung und Einbindung der Daten in die Produkte des Unternehmens mit einer gewaltigen Anstrengung („massive undertaking“) verbunden wäre. Letzterer geht davon aus, dass es in fünf Jahren eine eigene digitale Kartendatenbank erstellen könnte, die die derzeit von dem Unternehmen angebotenen Funktionen unterstützen würde111 .

(132) Es ist unbestritten, dass die Erstellung einer navigationsfähigen digitalen Kartendatenbank in einer mit den von Tele Atlas und NAVTEQ angebotenen Datenbanken vergleichbaren Qualität ein zeitaufwändiger Prozess ist. Zur Erstellung einer Datenbank, die den EWR abdeckt, müssen enorme Mengen von Daten aus verschiedenen Quellen erfasst werden, und die Teams, die für die Feldstudien zuständig sind, müssen alle Straßen im EWR abfahren und alle Merkmale der Straßen erfassen. Die Kommission ist daher der Auffassung, dass ein Eintritt eines glaubwürdigen neuen Marktteilnehmers, der das Wettbewerbsverhalten der etablierten Akteure einschränken kann, in den kommenden drei Jahren nicht wahrscheinlich ist. Markteintritt mit einfachen Datenbanken nach Staaten (133) Die Parteien geben an, dass der Markteintritt eines Anbieters einer navigationsfähigen digitalen Basis-Kartendatenbank mit begrenzter geografischer Abdeckung wahrscheinlich ist und dass ein solcher Eintritt das Wettbewerbsverhalten von Tele Atlas und NAVTEQ einschränken würde. Die Kommission hält es aus mehreren Gründen für unwahrscheinlich, dass ein solcher Markteintritt, wenn er erfolgt, wesentliche Auswirkungen auf den Wettbewerb hätte.

(134) Zunächst sind gut funktionierende Navigationsfunktionen für das Ansehen und den kommerziellen Erfolg von Geräteherstellern entscheidend. Angesichts der Tatsache, dass die Lizenzgebühr für die Datenbank einen kleinen Teil der gesamten Produktionskosten für ein PND ausmacht, sind die Anreize für Gerätehersteller gering, sich anstelle einer voll navigationsfähigen Kartendatenbank für eine kostengünstige Kartendatenbank von niedriger Qualität zu entscheiden, da das damit verbundene ansehensbezogene und kommerzielle Risiko die begrenzten Kosteneinsparungen vermutlich überwiegen würde. Darüber hinaus ist bei jeder Schädigung des Ansehens eines Geräteherstellers, das durch einfache, schlecht funktionierende PNDs verursacht wird, damit zu rechnen, dass sich diese Einbußen in Bezug auf das Ansehen auch auf die Geräte in mittleren und höheren Preissegmenten des Herstellers übertragen werden. Aus diesem Grund ist die künftige Aufnahme von Basis-Kartendatenbanken für den Einsatz in Navigationsgeräten auch in einfachen Geräten voraussichtlich begrenzt.

(135) Des Weiteren müssen die Gerätehersteller eine „nahtlose“ Navigation sicherstellen, da sich die Kunden grenzüberschreitend bewegen. Zur Sicherstellung einer nahtlosen Navigation und zur Minimierung von Kompatibilitätsproblemen beschaffen sich die Gerätehersteller ihre navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken häufig beim selben Anbieter (zumindest für jede Region). Die Marktuntersuchung lässt darauf schließen, dass es in der Branche üblich ist, Lizenzen für Datenbanken „en bloc“ pro Kontinent zu erwerben (siehe Erwägungsgrund (98)). Angesichts der Skaleneffekte (Mengenrabatte sind in der Branche üblich) und des Umfangs (keine Kosten für die Sicherstellung einer „nahtlosen“ Kartenabdeckung), die der Erwerb bei einem einzigen

111 Angaben von [Anbieter internetgestützter Kartenlösungen]* für die Kommission vom 19. Januar 2008, S. 4 und 6.

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Anbieter mit sich bringt, sowie der Transaktionskosten, die durch die Beschaffung von Datenbanken bei mehreren Anbietern entstehen, ist es unwahrscheinlich, dass sich dieses Einkaufsmuster in der Zukunft ändern wird. Durch diese Umstände ist es unwahrscheinlich, dass eine Markteintrittsstrategie nach Staaten ausreicht, um das Wettbewerbsverhalten von Tele Atlas und NAVTEQ einzuschränken. AND (136) Die Kommission hat die Rolle von AND eingehend untersucht, um festzustellen, ob das Unternehmen das Wettbewerbsverhalten von Tele Atlas und NAVTEQ heute einschränken könnte, oder ob es kurz- oder mittelfristig dazu in der Lage wäre.

(137) AND beschäftigt etwa 250 Mitarbeiter in den Niederlanden und in Indien112. Der weltweite Jahresumsatz des Unternehmens betrug 2006 weniger als 5 Mio. EUR113. Das Unternehmen plante ursprünglich, digitale Kartendatenbanken zu erstellen, die die Staaten enthalten sollten, die von Tele Atlas und NAVTEQ noch nicht abgedeckt wurden114. AND bietet auch eine Weltkarte an, die zwar über 200 Staaten abdeckt, jedoch bei weitem nicht so präzise ist wie die Karten von NAVTEQ und Tele Atlas. Diese nicht navigationsfähige digitale Kartendatenbank wird hauptsächlich für die Verfolgung und Aufspürung sowie für Logistiklösungen und Online-Anwendungen genutzt115. Die meisten Kunden verwenden die digitalen Kartendatenbanken von AND für nicht navigationsfähige Basisanwendungen116.

(138) In einer am 17. September 2007 veröffentlichten Pressemitteilung kündigte AND die Einführung von Kartendaten auf „Straßenebene“ für die Benelux-Staaten an117. Am 19. November 2007 kündigte AND in einer ähnlichen Mitteilung auch Daten auf „Straßenebene“ für Deutschland an. Zudem beabsichtigte das Unternehmen, im Jahr 2008 digitale Kartendatenbanken für das übrige Westeuropa einzuführen118.

(139) Heute stellt AND angeblich navigationsfähige digitale Kartendatenbanken bereit, die die folgenden EWR-Staaten abdecken: Belgien, Bulgarien, Deutschland, Luxemburg, die Niederlande und Slowenien. Unternehmensangaben zufolge verfügen diese Datenbanken über alle Attribute, die für die Navigation erforderlich sind, und enthalten ausgewählte Punkte von Interesse. AND erstellt seine navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken durch die Zusammenstellung von Kartendaten, die aus einer Reihe öffentlich zugänglicher Quellen stammen, ergänzt diese Daten um Luft- und Satellitenaufnahmen und verarbeitet die erfassten Daten in seinen Einrichtungen in Indien. Anders als Tele Atlas und NAVTEQ verzichtet das Unternehmen auf Mitarbeiter im Außeneinsatz und spezielle Fahrzeuge, um Straßendaten zu erfassen119.

112 AND-Website; aufzurufen über www.and.com. 113 Der weltweite Umsatz von AND belief sich im Zeitraum von Januar bis September 2007 auf 3 bis 4 Mio. EUR. Antwort von AND vom 31. Oktober 2007 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 2. 114 Möglicher Eintritt in den Bereich digitaler Karten (Europa). 115 Antwort von AND vom 31. Oktober 2007 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 3. 116 AND-Website; aufzurufen über www.and.com; und Antwort von AND vom 31. Oktober 2007 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 3. 117 „AND releases street level data for the Benelux“, Pressemitteilung von AND vom 17. September 2007, http://www.and.com/company/press/item80en.php. 118 „AND releases street level data for the Benelux“, Pressemitteilung von AND vom 19. November 2007, http://www.and.com/company/press/item80en.php. 119 Antwort von AND vom 31. Oktober 2007 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 5.

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(140) AND weist darauf hin, dass einer seiner Kunden – [Hersteller von Navigationsgeräten für den Einbau in Armaturenbretter]* – die digitalen Kartendatenbanken von AND zu Navigationszwecken einsetzt120.

(141) Die Kommission konnte jedoch keinen Gerätehersteller oder Softwareentwickler ermitteln, der derzeit tatsächlich Produkte von AND, die Staaten innerhalb des EWR abdecken, für eine Navigation nach Abbiegepunkten in Echtzeit einsetzt. Überdies lässt die Marktuntersuchung der Kommission darauf schließen, dass die Qualität der navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken von AND niedriger ist die der Datenbanken von Tele Atlas und NAVTEQ.

(142) Trotz gegenteiliger Aussagen von AND bestreitet [Hersteller von Navigationsgeräten für den Einbau in Armaturenbretter]*, digitale Kartendatenbanken von AND für Navigationszwecke zu nutzen. Letzterer hat die navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken von AND getestet und festgestellt, dass sie die Qualitätsanforderungen des Unternehmens nicht erfüllen. Darüber hinaus hält er es nicht für wahrscheinlich, dass ein dritter Anbieter navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken in einer mit den von Tele Atlas und NAVTEQ angebotenen Datenbanken vergleichbaren Qualität vor dem Jahr 2010 auf dem Markt tätig werden wird121.

(143) Nach eigener Aussage hatte [PND-Hersteller]* die Gelegenheit, bestimmte, für die Routenberechnung einsetzbare Karten von AND zu bewerten. Zunächst wurden Karten getestet, die außereuropäische Regionen abdeckten, und später auch Karten mit europäischer Abdeckung. Aus den Bewertungen von [PND-Hersteller]* geht hervor, dass bei den aktuellen Karten zwar die Genauigkeit verbessert wurde, die Qualität der Kartendaten von AND jedoch allgemein nicht ausreichend ist, um in den Geräten von [PND-Hersteller]* eingesetzt zu werden122.

(144) Darüber hinaus hält [PND-Hersteller]* AND nicht für einen glaubwürdigen Mitbewerber und ist nicht der Meinung, dass sich das Unternehmen in absehbarer Zukunft zu einem glaubwürdigen Mitbewerber entwickeln wird. Darüber hinaus ist [PND-Hersteller]* kein PND-Hersteller bekannt, der AND-Datenbanken für Navigationszwecke einsetzt. AND hat [PND-Hersteller]* signalisiert, dass sich das Unternehmen nicht als Mitbewerber von Tele Atlas und NAVTEQ sieht, sondern sich selbst als Anbieter kostengünstiger navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken niedrigerer Qualität betrachtet. Aufgrund der Tatsache, dass die Qualität eines PND von den Endbenutzern in erster Linie auf der Grundlage der Qualität und Genauigkeit

120 Antwort von AND vom 31. Oktober 2007 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 4. 121 [Hersteller von Navigationsgeräten für den Einbau in Armaturenbretter]* hat die navigationsfähige digitale Kartendatenbank von AND, die die Türkei abdeckt, im Jahr 2006 getestet und ist zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die Abdeckung der Datenbank sehr begrenzt ist. Es fehlten örtliche Straßen in Städten und die Daten waren veraltet. Antwort von [Navigationsgerätehersteller]* vom 11. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Fragen 14, 15 und 17 und Anhang 2. 122 "[PND Manufacturer]* has had the opportunity to evaluate certain AND "routable" maps covering no- European and, more recently, European regions. The results of [PND manufacturer’s]* evaluations suggest that, although the most recent map data appears to have improved map accuracy, AND map data is generally not of sufficient high quality to be used in [PND manufacturer’s]* PND’s.“ Antwort von [PND-Hersteller]* vom 4. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 15. Dieses Zitat ist eine Zusammenfassung des Textes, der von [PND-Hersteller] vorgelegt wurde und ersetzt die detaillierteren Informationen in der vertraulichen Version der Antwort. Die überarbeitete, nicht vertrauliche Version ging am 20. Februar 2008 ein.

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der zugrunde liegenden Kartendaten beurteilt wird, ist es fraglich, ob derzeit eine Nachfrage nach digitalen Kartendatenbanken niedrigerer Qualität besteht oder ob eine solche Nachfrage in Zukunft entstehen wird123.

(145) Überdies führt [PND-Hersteller]* an, dass AND die finanziellen Mittel fehlen, die für eine kurz- oder mittelfristige Erweiterung der Abdeckung und Verbesserung der Qualität seiner navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken auf ein ausreichendes Niveau nötig wären. Der begrenzte Umsatz von AND und die niedrige Mitarbeiterzahl stellen einen entscheidenden Wettbewerbsnachteil dar, der die Glaubwürdigkeit der Behauptung von AND mindert, dass das Unternehmen bis 2009 eine navigationsfähige digitale Kartendatenbank für ganz Europa einführen wird124.

(146) [Navigationsgerätehersteller]* produziert und verkauft Navigationssoftware einzeln an Gerätehersteller. Das Unternehmen verkauft unter der Marke […]* auch vollständige PNDs. [Navigationsgerätehersteller]* hat kürzlich die digitale Kartendatenbank von AND für Deutschland getestet. Die von dem Unternehmen durchgeführten Tests ergaben, dass die Abdeckung des Straßennetzes der AND-Datenbank im Großen und Ganzen vollständig ist, dass erweiterte Navigationsfunktionen wie Traffic-Message- Channel-Funktionen (TMC)125, Geschwindigkeitsinformationen und Fahrspurinformationen jedoch völlig fehlen. Die Schlussfolgerung von [Navigationsgerätehersteller]* lautet, dass die AND-Kartendatenbank nur sehr grundlegende Navigationsfunktionen bietet126.

(147) [Navigationsgerätehersteller]* nutzt zwar derzeit die digitale Kartendatenbank von AND für die Türkei, betrachtet die Qualität der AND-Datenbank jedoch verglichen mit den Datenbanken von Tele Atlas und NAVTEQ für minderwertig, da AND andere Straßenkategorien nutzt und weniger genau ist127.

(148) Das Unternehmen [Anbieter internetgestützter Kartenlösungen]*, das keine Navigationsdienste, sondern eine reine Routenplanung nach Abbiegepunkten zur Verfügung stellt, hält die von AND bereitgestellten navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken nicht für eine tragfähige Alternative zu der von Tele Atlas – seinem Hauptanbieter für Kartendaten – angebotenen Datenbank. Letzterer gibt an, dass die meisten der in der navigationsfähigen digitalen Kartendatenbank von AND enthaltenen Daten von Gemeinden lizenziert werden. Die lizenzierten Daten werden von AND nicht in einem ausreichenden Maß überprüft, was bedeutet, dass sie nicht

123 Antwort von [PND-Hersteller]* vom 4. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 17. 124 Antwort von [PND-Hersteller]* vom 4. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 17. 125 TMC ist eine spezielle Anwendung des FM Radio Data System (RDS), das für die Übertragung von Verkehrs- und Wetterinformationen in Echtzeit genutzt wird. Datenmeldungen werden geräuschlos empfangen und von einem TMC-fähigen Autoradio oder Navigationssystem entschlüsselt. Dem Fahrer können sie auf unterschiedliche Arten mitgeteilt werden. Die am häufigsten genutzte Art ist das TMC- fähige Navigationssystem mit dynamischer Zielführung. Sie meldet dem Fahrer ein Problem bei einer geplanten Route und berechnet eine alternative Route, über die dem Vorfall ausgewichen werden kann. Nahezu alle in das Armaturenbrett eingebauten Geräte und zahlreiche PNDs, die heute verkauft werden, verfügen über TMC-Funktionen. Quelle: Website des TMC-Forums; aufzurufen über http://www.tmcforum.com/en/about_tmc/what_is_tmc/. 126 Siehe E-Mail von [Navigationsgerätehersteller]* an die Kommission vom 11. Februar 2008. 127 Antwort von [Navigationsgerätehersteller]* vom 4. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Fragen 14 und 15.

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ausreichend zuverlässig sind. [Anbieter internetgestützter Kartenlösungen]* hat die navigationsfähigen digitalen Datenbanken von AND für die Benelux-Staaten getestet und hat festgestellt, dass diese zu 80 % bis 90 % so genau sind wie die Datenbanken von Tele Atlas. Darüber hinaus kommt [Anbieter internetgestützter Kartenlösungen]* zu dem Schluss, dass in jedem Fall die von AND bereitgestellte geografische Abdeckung für sein europäisches Produktangebot nicht ausreicht128.

(149) Hinsichtlich des durch AND verursachten Wettbewerbsdrucks ist das Ergebnis der Marktuntersuchung eindeutig. AND versucht, durch sein Angebot angeblich navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken für die Benelux-Staaten und für Deutschland auf dem Markt Fuß zu fassen. Weder die Kommission noch die Parteien konnten jedoch einen Gerätehersteller oder einen Entwickler von Navigationssoftware ausfindig machen, der derzeit navigationsfähige digitale Kartendatenbanken mit EWR-Abdeckung einsetzt, die von AND erstellt wurden. Von mehreren Befragten der Marktuntersuchung durchgeführte Tests haben eindeutig gezeigt, dass die von AND erstellten digitalen Kartendatenbanken den Datenbanken von Tele Atlas und NAVTEQ in wichtigen Aspekten unterlegen sind. Die geografische Abdeckung der navigationsfähigen digitalen Kartendatenbank von AND ist bei weitem nicht vollständig. Facet (150) Ausgehend von den Angaben des Anmelders und der Angaben des Unternehmens selbst hat die Kommission bewertet, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Facet auf dem Markt für die Bereitstellung navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken mit EWR-Abdeckung tätig wird, um beurteilen zu können, ob das Unternehmen in der Lage wäre, das Wettbewerbsverhalten von Tele Atlas und NAVTEQ kurz- oder mittelfristig einzuschränken.

(151) Facet hat über mehrere Jahre digitale Bilder für die US-amerikanische Statistikbehörde (US Census Bureau) und für Microsoft erstellt. Das Unternehmen hat eine ausgereifte Software für Bildanalyse und die Identifizierung von Sehenswürdigkeiten entwickelt und patentieren lassen. Vor einigen Jahren beschloss Facet, aus seiner enorm großen Datenbank mit digitalen Bildern eine navigationsfähige Kartendatenbank zu erstellen, die Kontinental-USA abdeckt. Diese Datenbank von Facet für die USA namens SightMap konnte im April 2008 an die Kunden ausgeliefert werden129.

(152) Angaben von Facet zufolge bieten die Kartendatenbanken von NAVTEQ und Tele Atlas eine absolute Genauigkeit von etwa fünf Metern, während Facet für sich eine absolute Genauigkeit auf fünf Zentimeter oder weniger beansprucht. Laut Facet ist die Qualität der SightMap-Datenbank von der Statistikbehörde und von Microsoft überprüft worden. Facet beabsichtigt, seine Datenbank für die USA zu einem Preis zu lizenzieren, der erheblich niedriger ist als die von Tele Atlas und NAVTEQ derzeit erhobenen Preise. Außerdem stellt Facet derzeit eine navigationsfähige digitale Kartendatenbank für Kanada zusammen, die das Unternehmen im Frühjahr 2009 auf den Markt bringen möchte130.

128 Angaben von [Anbieter internetgestützter Kartenlösungen]* gegenüber der Kommission vom 19. Januar 2008, S. 4. 129 Protokoll der Telefonkonferenz mit Facet vom 1. Februar 2008. 130 Protokoll der Telefonkonferenz mit Facet vom 1. Februar 2008.

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(153) Facet hat öffentlich seine Pläne angekündigt, eine navigationsfähige digitale Kartendatenbank mit europäischer Abdeckung zu erstellen.131 Das Unternehmen möchte mit einem europäischen Partner zusammenarbeiten, der die Feldstudien mit einer Flotte von etwa […]* Fahrzeugen durchführt, die mit der patentierten Technologie für die Erfassung von Straßendaten von Facet ausgestattet sind132.

(154) Der angekündigte Markteintritt von Facet in den USA wurde von dem Beratungsunternehmen nicht erwähnt, das im Namen von Tele Atlas eine eingehende Überprüfung der potenziellen neuen Marktteilnehmer133 durchführte, und keiner der Befragten der Marktuntersuchung der Kommission sah zudem in Facet einen potenziellen neuen Marktteilnehmer.

(155) Im Hinblick auf den potenziellen Eintritt von Facet auf den Markt für navigationsfähige digitale Kartendatenbanken mit europäischer Abdeckung stellt die Kommission fest, dass das Unternehmen in den USA noch einen Marktanteil erzielen muss. Die Pläne des Unternehmens zur Erstellung einer Kartendatenbank mit europäischer Abdeckung sind sehr vorläufig und es steht zu diesem Zeitpunkt nicht fest, ob Facet über die finanziellen Möglichkeiten verfügt, innerhalb eines begrenzten Zeitraums eine europaweite Datenbank vollständig neu zu erstellen. Die Kommission schließt nicht aus, dass Facet in absehbarer Zeit in der Lage ist, ein marktfähiges Produkt mit europäischer Abdeckung einzuführen. Aufgrund der durch den Produktionsprozess bedingten Zeitverzögerungen wird ein Markteintritt durch Facet jedoch nicht so schnell erfolgen, dass dadurch das Wettbewerbsverhalten von Tele Atlas und NAVTEQ eingeschränkt würde. Markteintritt – Schlussfolgerungen (156) Wenn ein Markteintritt ausreichend einfach ist, sind bei einer Fusion keine bedeutenden wettbewerbswidrigen Risiken zu erwarten. Wenn ein Markteintritt als ausreichender Wettbewerbsdruck für die Parteien des Zusammenschlusses betrachtet werden soll, muss nachgewiesen werden, dass mit einem rechtzeitigen und ausreichenden Druck zu rechnen wäre, der mögliche wettbewerbsschädigende Wirkungen der Fusion verhindern oder aufheben könnte.

(157) Die Marktuntersuchung der Kommission ergab keine Hinweise darauf, dass einer der derzeitigen Anbieter navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken, die in Japan und Südkorea oder anderswo auf der Welt tätig sind, beabsichtigt, auf dem Markt für Datenbanken mit Abdeckung der Staaten des EWR tätig zu werden134. Ein Markteintritt dieser Unternehmen muss daher als unwahrscheinlich gelten. Selbst wenn sie beabsichtigen würden, auf diesem Markt tätig zu werden, würde die durch die vollständige Neuerstellung einer navigationsfähigen digitalen Kartendatenbank für den EWR bedingte, erhebliche Zeitverzögerung verhindern, dass ein potenzieller künftiger Markteintritt so rechtzeitig erfolgen könnte, dass er kurz- oder mittelfristig das Wettbewerbsverhalten der etablierten Akteure einschränken würde.

(158) Ebenfalls unwahrscheinlich ist es, dass Branchenneulinge auf dem Markt für internetgestützte Kartenanwendungen tätig werden. Keines der Unternehmen, das

131 Pressemitteilung von Facet vom 29. November 2007. 132 Protokoll der Telefonkonferenz mit Facet vom 1. Februar 2008. 133 Angaben von Tele Atlas, 12. Oktober 2007. 134 Antwort von [japanischer Anbieter digitaler Kartendatenbanken]* vom 10. Januar 2008 auf das Auskunftsersuchen der Kommission, Frage 6.

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solche Dienste anbietet, und von der Kommission kontaktiert wurde, äußerte Absichten über einen Markteintritt. Weder Google noch Microsoft haben eine eigene Kartendatenbank mit EWR-Abdeckung entwickelt. Die gleiche Zeitverzögerung würde für bestehende Anbieter navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken entstehen, weshalb ein rechtzeitiger Markteintritt dieser Unternehmen ebenfalls nicht zu erwarten ist.

(159) Abgesehen von AND hat die Marktuntersuchung zu keinen Hinweisen darauf geführt, dass einer der Hersteller, die derzeit nicht navigationsfähige digitale Kartendatenbanken mit europäischer Abdeckung produzieren, beabsichtigt, seine Datenbanken so aufzurüsten, dass eine navigationsfähige Datenbank entsteht. In jedem Fall wird ein rechtzeitiger Markteintritt durch die erhebliche Zeitverzögerung, die mit einem solchen Unterfangen verbunden wäre, unwahrscheinlich. Außerdem würde die gleiche Zeitverzögerung entstehen, bis Facet auf dem Markt für digitale Kartendatenbanken mit EWR-Abdeckung tätig werden könnte.

(160) Die Parteien weisen darauf hin, dass mögliche finanzielle Einschränkungen kleiner Unternehmen, die auf dem Markt tätig werden möchten (wie AND und Facet), mit Hilfe der Benutzer digitaler Kartendatenbanken überwunden werden könnten, wenn diese den Markteintritt eines dritten Markteilnehmers finanziell fördern. Auf Nachfrage der Kommission gab jedoch keiner der Befragten an, dass eine finanzielle Unterstützung des Markteintritts eine tragfähige Option darstellt. Ein finanziell geförderter Markteintritt ist daher als unwahrscheinlich anzusehen. Selbst wenn sich ein Geber fände, sind die genannten Zeitverzögerungen dennoch einzurechnen (siehe Erwägungsgrund (132)).

(161) Ein Markteintritt in einem unbedeutenden Rahmen kann zwar nicht ausgeschlossen werden, die Kommission stellt jedoch fest, dass ein Eintritt auf dem Markt für die Bereitstellung navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken mit EWR-Abdeckung weder rechtzeitig (d. h. ausreichend schnell und nachhaltig) noch in einem ausreichendem Maß (bezüglich Reichweite und Stärke) erfolgen kann, um mögliche wettbewerbsschädigende Wirkungen der Fusion zu verhindern oder aufzuheben.

7.2 Navigationssoftware

7.2.1 Vertikal betroffener Markt

(162) Die Parteien geben an, dass der Markt für die Bereitstellung von Navigationssoftware ein nicht oder lediglich geringfügig vertikal betroffener Markt ist. Die Parteien begründen dies damit, dass für die wichtigsten Anbieter von Navigationsgeräten (wie TomTom und Garmin) Navigationssoftware dem Markt für digitale Kartendatenbanken nicht nachgelagert ist, da sie ihre Software unternehmensintern entwickeln. Die Bereitstellung von Navigationssoftware ist für TomTom nicht von vorrangiger Bedeutung, da auf diese nur [0-5]* % des Unternehmensumsatzes entfallen. Den Parteien zufolge schließen die Anbieter von Navigationssoftware darüber hinaus in der Regel Verträge mit Geräteherstellern und nicht mit Anbietern navigationsfähiger digitaler Kartendatenbanken135.

135 Anmeldung, S. 67.

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(163) Die Marktuntersuchung der Kommission lässt jedoch darauf schließen, dass eine Reihe von Navigationsgeräteherstellern unternehmensintern keine Navigationssoftware entwickelt und diese somit bei externen Anbietern bezieht. Diese Softwareanbieter sind entweder die Gerätehersteller selbst (wie TomTom) oder spezialisierte Softwareunternehmen.

(164) Zudem beschreiben die meisten Anbieter navigationsfähige digitale Kartendatenbanken als zentrale Vorleistung für ihre Navigationssoftware. Dies gilt sowohl für die Fälle, in denen der Softwareanbieter die Software und die Datenbank in einem Paket an den Gerätehersteller verkauft, als auch für die Fälle, in denen der Gerätehersteller die Software und die Datenbank unabhängig voneinander bezieht. In beiden Fällen muss der Softwareanbieter die Software so konfigurieren, dass sie vollständig mit der Datenbank kompatibel ist.

(165) Es lässt sich daher feststellen, dass navigationsfähige digitale Kartendatenbanken nicht nur für die Gerätehersteller, sondern auch für die Anbieter von Navigationssoftware wichtige Vorleistungen darstellen, dass die Navigationssoftware denjenigen Geräteherstellern von Dritten bereitgestellt wird, die unternehmensintern keine Software produzieren und dass außerdem Navigationssoftware entweder einzeln oder als Paket, das aus Software und Datenbank besteht, an Gerätehersteller verkauft wird. Aus diesen Gründen gelangt die Kommission zu der Schlussfolgerung, dass der Markt für die Bereitstellung von Navigationssoftware als ein Markt angesehen werden kann, der von dem Vorhaben vertikal betroffen ist.

7.2.2. Marktanteile

(166) Tele Atlas ist nicht auf dem Markt für die Bereitstellung von Navigationssoftware tätig136.

(167) TomTom entwickelt Navigationssoftware in erster Linie für den Einsatz in seinen eigenen Navigationsgeräten. Das Unternehmen ist der größte Hersteller von Navigationssoftware im EWR mit einem Marktanteil von rund [30-40]*% an der gesamten Produktionsmenge im Jahr 2006137. Dennoch wurde nur ein kleiner Teil – etwa [5-10]*% der gesamtem Produktionsmenge im Jahr 2006138 – an Dritte ausgeliefert (z. B. an Hersteller von PNDs, PDAs und Mobiltelefonen mit Navigationsfunktionen). Der Anteil von TomTom am strittigen Teil des Marktes (Handelsmarkt), d. h. wenn sämtlicher unternehmensinterner Umsatz von TomTom und anderen Herstellern ausgenommen wird, ist verhältnismäßig klein und liegt bei etwa [0-10]*%.

(168) Die Parteien haben die in Tabelle 3 aufgeführten Schätzungen der Anteile der Hauptanbieter von Navigationssoftware am Handelsmarkt vorgelegt139.

136 Anmeldung, S. 150. 137 Anmeldung, S. 151. 138 Antwort von TomTom vom 12. Dezember 2008 auf die Entscheidung der Kommission nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c, S. 9. 139 Die von den Parteien vorgelegten Schätzungen der Marktanteile beruhen auf Umsätzen, die nicht unternehmensintern generiert wurden, und zwar anhand der in der EMEA-Region (Europa, Naher Osten, Afrika) verkauften Mengen von On-Board-Navigationssoftware im Jahr 2006. Antwort von TomTom vom 12. Dezember 2008 auf die Entscheidung der Kommission nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c, Anhang 3. Zur Gewährleistung der Übereinstimmung mit der Definition des Marktes

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Tabelle 3: Navigationssoftware – Marktanteile nach verkauften Mengen im Jahr 2006 (Handelsmarkt) UNTERNEHMEN GESCHÄTZTER MARKTANTEIL Navigon [20-30]* % Nav N Go [10-20]* % Destinator [10-20]* % Elektrobit [0-10]* % Gate 5 (Nokia) [0-10]* % Route 66 [0-10]* % TomTom [0-10]* % Map & Guide [0-10]* % Alturion [0-10]* % ALK [0-10]* % Via Michelin [0-10]* % Navicore [0-10]* % 7.2.3. Preisgestaltung

(169) In der Regel erwerben die Kunden Lizenzen für die Nutzung der Navigationssoftware. Lizenzgebühren werden pro Einheit bezahlt und gelten für die Lebensdauer des Geräts, in das die (On-Board-)Software installiert ist. Alternativ – und vor allem bei Off-Board-Systemen üblich – können Lizenzgebühren über ein zeitlich festgelegtes Abonnement (auf Tages-, Wochen- oder Monatsbasis) entrichtet werden. Üblicherweise richten sich die Preise nach der Größe des Lizenzgebiets.

7.2.4. Vertriebsformen

(170) Die meisten Softwareentwickler liefern ihre Navigationssoftware an Hersteller aller Arten von Geräten. Derzeit wird der Markt für Navigationssoftware hauptsächlich von PND-Herstellern gesteuert, mit denen der größte Teil des Umsatzes generiert wird.

(171) Anders als die beiden größten Anbieter von PNDs, TomTom und Garmin, sowie einige weitere PND-Hersteller, die ihre Navigationssoftware unternehmensintern entwickeln, bezieht eine große Anzahl mittlerer und kleiner PND-Hersteller ihre Navigationssoftware bei externen Anbietern140. Ein bedeutender Teil dieser Unternehmen erwirbt die Navigationssoftware getrennt von der navigationsfähigen digitalen Kartendatenbank141.

7.2.5. Markteintritt

(172) TomTom gibt an, dass die Hindernisse für einen Markteintritt niedrig sind. Dies wird durch die Tatsache belegt, dass kleine Unternehmen in der Lage sind, Navigationssoftware zu entwickeln und zu vertreiben. Beispiele für solche Unternehmen sind SVI, Alturion und Destinator Technologies. TomTom zufolge wäre

hätten die Umsatzdaten den weltweiten Umsatz sowie alternativ die Summe der Marktanteile für On- Board- oder Off-Board-Navigationssoftware enthalten müssen. Außerdem wäre eine Berechnung der Marktanteile auf der Grundlage des Marktwertes nützlich gewesen. Bei keiner dieser Alternativen ist jedoch eine bedeutende Änderung der relativen Marktanteile der Hauptakteure zu erwarten. Dies gilt vor allem für die verhältnismäßig geringe Bedeutung von TomTom im offenen Markt für Navigationssoftware. 140 Von den 18 PND-Herstellern, die den Fragebogen der Kommission beantwortet haben, gaben zwölf an, dass sie ihre Navigationssoftware bei externen Anbietern beziehen. Fragebogen der Kommission an die Gerätehersteller vom 12. Dezember 2007, Frage 18. 141 Von den 18 PND-Herstellern, die den Fragebogen der Kommission beantwortet haben, gaben sieben an, dass sie ihre Navigationssoftware getrennt von der digitalen Kartendatenbank erwerben. Fragebogen der Kommission an die Gerätehersteller vom 12. Dezember 2007, Frage 19.

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grundsätzlich jeder Softwareentwickler in der Lage, Navigationssoftware zu entwickeln. Schließlich weist TomTom auf die Tatsache hin, dass einige neue Teilnehmer am Markt für PNDs erfolgreich ihre eigene Navigationssoftware entwickelt haben142.

(173) Die Marktuntersuchung der Kommission bestätigt tendenziell die Angaben von TomTom, dass die Hindernisse für einen Markteintritt verhältnismäßig niedrig sind. Beispielsweise erklärte die Mehrzahl der PND-Hersteller, die an der Marktuntersuchung der Kommission teilnahmen, dass sie bereits in der Lage sind oder in der Lage wären, unternehmensintern ihre eigene Navigationssoftware zu entwickeln143.

7.3. PNDs

7.3.1. Navigationsgeräte im Allgemeinen Verkaufsprognosen (174) Angaben von Canalys zufolge erreichten die Lieferungen mobiler Navigationsgeräte (d. h. ausgenommen Geräte für den Einbau in Armaturenbretter, die nicht in dem Sinne als mobil gelten, als sie dauerhaft in das jeweilige Fahrzeug eingebaut sind) in der ersten Jahreshälfte 2007 in der Region EMEA 7,9 Mio. Einheiten, was einem Anstieg in Höhe von 85 % gegenüber der ersten Jahreshälfte 2006 entspricht. In der ersten Jahreshälfte 2007 lag der Anteil von PNDs an den Navigationsgeräten bei 90 % und der Anteil der PDAs bei 4 %, während die Mobiltelefone und drahtlosen PDAs 6 % der Geräte stellten144.

(175) In den Tabellen 4 und 5 sind die Verkaufsprognosen für die verschiedenen Arten von Geräten mit On-Board-Navigationslösungen enthalten:145 Tabelle 4: Weltweiter Verkauf mobiler Navigationsgeräte (Anzahl in Tausend).

2005 2006 2007 2008 2009 2010 PDA 2719 1306 1070 816 632 520 PND 5351 15 532 30 264 43 008 53 571 62 119 Mobiltelefon mit Navigationsfunktion 362 415 2509 6225 11 898 19 607 Drahtloser PDA 264 321 1117 1434 1869 2435 Gesamt 8696 17 574 34 960 51 483 67 970 84 681

142 Anmeldung, S. 160-161. 143 Von den 18 PND-Herstellern, die den Fragebogen der Kommission beantwortet haben, gaben 16 an, dass sie bereits in der Lage sind oder in der Lage wären, unternehmensintern ihre eigene Navigationssoftware zu entwickeln. Fragebogen der Kommission an die Gerätehersteller vom 12. Dezember 2007, Frage 20. 144 „Smart mobile device and navigation trends 2007/2008“, Bericht von Canalys. 145 „Smart mobile device and navigation trends 2007/2008“, Bericht von Canalys.

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Tabelle 5: Verkauf mobiler Navigationsgeräte in der Region EMEA (Anzahl in Tausend)

2005 2006 2007 2008 2009 2010 Handcomputer (PDA) 2289 953 645 464 360 PND 4082 10769 18 206 24 202 27 201 29 737 Mobiltelefon mit Navigationsfunktion 331 360 1502 3692 6635 10 048 Drahtloser PDA 208 200 776 990 1297 1684 Gesamt 6910 12 282 21 129 29 348 35 493 41 765 (176) Laut der Prognose von Canalys wird der PND-Markt in den kommenden Jahren weiterhin dynamisch wachsen. Auf dem PDA-Markt, auf den im Jahr 2005 nahezu ein Drittel aller Navigationsgeräte entfiel, werden im Jahr 2010 lediglich noch 0,5 % aller mobilen Navigationsgeräte verkauft. Das Benutzerinteresse an navigationsfähigen Mobiltelefonen nimmt dagegen zu. In diesem Segment wird in den kommenden Jahren ein dynamisches Wachstum zu erwarten sein. Angaben der wichtigsten Markteilnehmer zufolge wird sich dieses Wachstum vermutlich nicht sehr negativ auf den Verkauf von PNDs auswirken. Es ist zu erwarten, dass Mobiltelefone mit Navigationsfunktionen und PNDs in absehbarer Zeit zu einander ergänzenden Produkten werden. Laut Einschätzung eines Branchenanalysten wird der PND-Markt jedoch bis zum Jahr 2015 zugunsten eines expandierenden Marktes für Mobiltelefone mit Navigationsfunktionen abnehmen.146

7.3.2. PNDs – Marktanteile

(177) Die wichtigsten PND-Hersteller verfügten im Jahr 2006 über die folgenden Marktanteile:147 Tabelle 6: EWR-Marktanteile nach Menge (Einheiten) im Jahr 2006.

EWR-Marktanteile – Menge (Einheiten) Alle tragbaren Endgeräte PNDs

TomTom [30-40]* % [30-50]* %

Mio Technology und Navman [10-20]* % [10-20]* % Garmin [10-20]* % [10-20]* % MEDION [[0-10]* % [0-10]* % MyGuide [0-5]* % [0-5]* %

146 „Tele Atlas – Riding the navigation wave – part II“, Bericht von SNS Securities vom 28. März 2007. 147 Anmeldung, S. 168-169.

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Tabelle 7: EWR-Marktanteile nach Wert (Umsatz) im Jahr 2006. EWR-Marktanteile – Wert Alle tragbaren Endgeräte PNDs

TomTom [30-50]* % [30-50]* %

Mio Technology und Navman [10-20]* % [10-20]* % Garmin [10-20]* % [10-20]* % MEDION [0-5]* % [0-5]* % MyGuide [0-5]* % [0-5]* %

(178) TomTom ist zweifellos der größte Akteur auf dem europäischen PND-Markt, gefolgt von anderen Elektronikunternehmen wie Garmin, MiTAC (Mio Technology und Navman), MEDION und MyGuide.

7.3.3. Preisgestaltung

(179) Die Einzelhandelspreise für die günstigsten PNDs liegen derzeit im Bereich zwischen 99 EUR und 180 EUR. Diese einfachen Geräte verfügen über eingeschränkte Funktionen und die Abdeckung der installierten digitalen Kartendatenbanken kann begrenzt sein. Bei Geräten der mittleren Preisklasse dagegen schwanken die Einzelhandelspreise derzeit zwischen 180 EUR und 250 EUR, und die Preise für teurere PNDs liegen gegenwärtig bei über 250 EUR148. Aus der Marktuntersuchung geht hervor, dass PND-Hersteller die höchsten Gewinnspannen bei den Geräten der höheren Preissegmente erzielen. Das höchste Wachstum ist künftig im unteren Preissegment des PND-Marktes zu erwarten. PNDs werden in der Regel in Verbrauchermärkten, Geschäften für Unterhaltungselektronik und Discountketten verkauft.

(180) Die durchschnittlichen Verkaufspreise von PNDs sind in den letzten Jahren stark gesunken. Der durchschnittliche Großhandelspreis für die PNDs von TomTom fiel von 310 EUR im zweiten Quartal 2006 auf 195 EUR im zweiten Quartal 2007149.

7.3.4. Auslagerung

(181) Die Gestaltung und Herstellung der Hardware für PNDs kann an Original Design Manufacturer (ODM) ausgelagert werden oder unternehmensintern erfolgen. Navman ist beispielsweise auf dem PND-Markt tätig geworden, indem es Hardware bei ODMs erworben hat. Die in PNDs verwendete Navigationssoftware kann auch unternehmensintern entwickelt oder bei spezialisierten Lieferanten bezogen werden. Zu den unabhängigen Anbietern von Navigationssoftware gehören Navigon, Route 66, Nav N Go, Destinator Technologies, NXP Software, Ubirotech und andere. Der Großteil der PND-Anbieter nutzt überdies Zulieferer aus Taiwan oder China.

7.3.5. Kostenstruktur

(182) Der Marktuntersuchung zufolge bildet die Hardware das hauptsächliche Kostenelement eines tragbaren Navigationsgeräts, auf das bei den meistverkauften

148 Die Zahlen beruhen auf den Antworten des Fragebogens der Kommission an die Gerätehersteller vom 12. Dezember 2007. 149 „Smart mobile device and navigation trends 2007/2008“, Bericht von Canalys, S. 47.

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Geräten 70 % bis 80 % der gesamten variablen Kosten entfallen. Die Navigationssoftware und die navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken verursachen jeweils 10 % der Herstellungskosten150. Aus der Marktuntersuchung geht hervor, dass die Kosten für die Bestandteile von PNDs erheblich gesunken sind. Aufgrund der erhöhten Auslagerung der Hardwareproduktion nach Asien sind die Kosten für die Hardware in den vergangenen drei Jahren um 40 % bis 50 % gesunken. Darüber hinaus sind die Kosten in den vergangenen drei Jahren um 10 % bis 15 % zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum sind die Kosten für die Software um etwa 40 % gesunken151. Vermarktungs- und Vertriebskosten sind dagegen gestiegen. Im Jahr 2007 erzielten die größten PND-Hersteller bei ihren meistverkauften Geräten Gewinnspannen zwischen 30 % und 50 %. Die kleineren Unternehmen erzielten Gewinnspannen zwischen 10 % und 20 %152.

7.3.6. Markteintritt

(183) Im Jahr 2004 wurden TomTom, Garmin, Navman und sechs weitere Unternehmen auf dem Markt tätig. Mit der Expansion des Marktes folgten zahlreiche weitere neue Marktteilnehmer. Im Jahr 2005 kamen 40 Unternehmen hinzu, im Jahr 2006 waren es 63 neue Marktteilnehmer und im Jahr 2007 folgten 22 weitere Unternehmen. Unter den neuen Marktteilnehmern befanden sich große Unternehmen aus der Unterhaltungselektronik, wie Samsung, LG Electronics, Sony Corporation, JVC und Packard Bell B.V. Die meisten dieser neuen Marktteilnehmer sind jedoch sehr klein und einige davon vermarkten Versionen der Produkte anderer Hersteller unter ihrem eigenen Namen153.

(184) Alle Parteien geben an, dass keine wesentlichen Hindernisse für den Markteintritt bestehen. Alle PND-Bestandteile sind sofort bei mehreren Bezugsquellen verfügbar und die Software und die navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken sind immer verfügbar, da im Hinblick auf diese Vorleistungen keine Kapazitätseinschränkungen vorhanden sind.154

(185) Die sehr große Anzahl an Unternehmen, die in den vergangenen vier Jahren auf dem Markt tätig geworden sind, untermauert die Ansicht der Parteien, dass keine wesentlichen Hindernisse für den Markteintritt bestehen. Dennoch konnten die meisten neuen Marktteilnehmer – einschließlich großer, finanzstarker Unternehmen mit bedeutenden Markennamen – lediglich geringfügige Marktanteile erzielen und bleiben somit unbedeutende Akteure. Diese Umstände sowie die Tatsache, dass die frühen Marktteilnehmer wie TomTom, Garmin und MiTAC die großen Marktanteile weiterhin unter sich aufteilen, lässt darauf schließen, dass diese Unternehmen von

150 Die Zahlen beruhen auf den Antworten auf das Auskunftsersuchen der Kommission vom 12. November 2007, das an die größten PND-Hersteller gesendet wurde. Selbst wenn sich die Zahlen je nach Unternehmen und Gerätemodell voneinander unterscheiden, bewegt sich die Kostenstruktur für die meisten Geräte in diesen Bereichen. 151 Die Zahlen beruhen auf den Antworten auf den Fragebogen der Kommission an die Gerätehersteller vom 12. Dezember 2007. 152 Die Zahlen beruhen auf den Antworten auf das Auskunftsersuchen der Kommission vom 12. November 2007, das an die größten PND-Hersteller gesendet wurde. Selbst wenn sich die Zahlen je nach Unternehmen und Gerätemodell voneinander unterscheiden, bewegen sich die Gewinnspannen für die meisten Geräte in diesen Bereichen. 153 Anmeldung, S. 182. Die Liste der neuen Marktteilnehmer, die in der Anmeldung genannt werden, beruht auf Verkaufsdaten von GfK für den EWR. 154 Anmeldung, S. 181.

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ihren Rollen als Vorreiter profitieren und dass für eine Expansion wesentliche Hindernisse bestehen.

(186) Zu den Hindernissen für eine Expansion können die Ausgaben und die Schwierigkeiten gehören, ein Produkt der Unterhaltungselektronik wie ein PND auf einem Markt zu vermarkten und zu vertreiben, auf dem so viele Marken zueinander im Wettbewerb stehen. Neue Marktteilnehmer müssen eine Markenbekanntheit bei den Verbrauchern erlangen (oder bestehende Marken so erweitern, dass diese die neuen PND-Produkte einschließen). Außerdem sind es sehr viele Anbieter, die um den begrenzten Regalplatz in großen Elektronik- und anderen Einzelhandelsgeschäften kämpfen. Die PND-Anbieter führen derzeit umfangreiche Vermarktungskampagnen durch. Nur große Unternehmen können es sich jedoch leisten, große Summen für Werbung auszugeben. Überdies müssen PND-Hersteller auch in die Kundendienst- Infrastruktur investieren. Die jüngsten Marktaustritte, z. B. von Cobra Electronics Corporation und ViaMichelin, dürften zumindest teilweise auf die Expansionshindernisse zurückzuführen sein.

VIII. BEWERTUNG DER VEREINBARKEIT MIT DEM GEMEINSAMEN MARKT UND DEM EWR-ABKOMMEN

8.1. Einleitung

(187) Nach der Anmeldung des derzeitigen Zusammenschlusses erhielt die Kommission am 18. Februar 2008 eine Anmeldung bezüglich eines nachfolgenden Vorhabens, mit dem Nokia Corporation (Finnland) beabsichtigt, die Kontrolle über die Gesamtheit von NAVTEQ (Fall M. 4942 Nokia/NAVTEQ) zu erwerben. Das zweite Vorhaben deckt teilweise die gleichen Märkte ab wie die Märkte, auf denen TomTom und Tele Atlas tätig sind.

(188) Angesichts der Termine der Anmeldungen wurde das derzeitige Vorhaben unabhängig vom zweiten Vorhaben bewertet. Dieser Ansatz entspricht der Vorgehensweise der Kommission bei in letzter Zeit aufgetretenen Fällen von horizontalen Fusionen155.

8.2. Wettbewerbsbedenken

(189) Die Kommission hat ihre Marktuntersuchung auf die Bewertung der Wahrscheinlichkeit einer Wettbewerbsbeeinträchtigung konzentriert, die infolge des Vorhabens aufgrund folgender Effekte entstehen kann:

(a) Nicht koordinierte Effekte156,

(b) Koordinierte Effekte157.

155 Siehe insbesondere die Entscheidungen der Kommission in den Fällen COMP/M.4601 Karstadt Quelle/MyTravel vom 4. Mai 2007 und COMP/M.4600 TUI/First Choice vom 4. Juni 2007. 156 Vgl. Abschnitte 8.3. und 8.4. 157 Vgl. Abschnitt 8.5.

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8.3. Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen in den Märkten für PNDs und Navigationssoftware

8.3.1. Einleitung

(190) Mehrere PND-Hersteller verliehen im Rahmen der Marktuntersuchung ihrer Sorge Ausdruck, dass sich das fusionierte Unternehmen auf eine Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen einlassen würde. Insbesondere befürchteten diese PND-Hersteller, dass das fusionierte Unternehmen die Preise für Kartendatenbanken erhöhen, Kartendatenbanken von geringerer Qualität bereitstellen oder die Verfügbarkeit neuer Funktionen und Aktualisierungen verzögern und die PND-Hersteller so daran hindern würde, zu TomTom in einen wirksamen Wettbewerb auf dem PND-Markt zu treten.

(191) Gemäß den Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse158 führt eine Fusion zu einer Abschottung, wenn der Zugang der tatsächlichen oder potenziellen Mitbewerber zu Lieferungen oder Märkten aufgrund der Fusion behindert oder beseitigt und in der Folge die Wettbewerbsfähigkeit bzw. der Wettbewerbsanreiz der betreffenden Unternehmen geschwächt wird. Eine solche Abschottung wird als wettbewerbsschädigend angesehen, wenn die fusionierenden Unternehmen und möglicherweise sogar einige ihrer Mitbewerber aufgrund der Fusion den Preis gegenüber den Endverbrauchern gewinnbringend erhöhen können.

(192) Bei der Bewertung der Wahrscheinlichkeit einer solchen wettbewerbsschädigenden Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen untersuchte die Kommission, ob das fusionierte Unternehmen nach der Fusion in der Lage wäre, den Zugang zu Vorleistungen zu verwehren, ob es für ein solches Verhalten einen Anreiz hätte und ob eine Abschottungsstrategie für den nachgelagerten PND-Markt erhebliche Nachteile bringen würde. Bei der Bewertung der Auswirkungen berücksichtigte die Kommission auch die mit der Fusion verbundenen Effizienzgewinne.

8.3.2. Möglichkeit der Abschottung

(193) Bei der in den folgenden Abschnitten dargelegten Analyse geht es darum, ob das fusionierte Unternehmen in der Lage wäre, durch Preiserhöhungen, minderwertige Karten oder verzögerte Aktualisierungen am Wettbewerb teilnehmende PND- Hersteller und Softwarehäuser auszugrenzen. Die Marktuntersuchung ergab, dass eine alternative Strategie der vollständigen Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen, in deren Rahmen das fusionierte Unternehmen den nachgelagerten Mitbewerbern von TomTom keine Karten mehr bereitstellen würde, kein wahrscheinliches Szenario darstellte. Daher wurde eine solche Strategie nicht mehr in Betracht gezogen, als die Kommission ihre Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Parteien richtete159.

158 Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen vom 28. November 2007, http://ec.europa.eu/comm/competition/mergers/legislation/nonhorizontalguidelines_de.pdf. 159 Darüber hinaus weisen die Parteien darauf hin, dass das fusionierte Unternehmen die Bereitstellung der Kartendatenbanken gar nicht einstellen kann, weil es sich nicht auf eine solche Strategie einlassen könnte (Angaben vom 7. November 2007 und vom 19. November 2007). Da das fusionierte Unternehmen, wie in Abschnitt 8.3.3 dargelegt, keinerlei Anreiz hat, sich auf eine vollständige Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen einzulassen, kann die Frage offen bleiben, ob das fusionierte Unternehmen in der Lage ist, die Lieferung von Kartendatenbanken an die Mitbewerber von TomTom einzustellen.

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(194) Die Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse weisen auf drei Bedingungen hin, die Voraussetzung dafür sind, dass das fusionierte Unternehmen die Fähigkeit besitzt, sich gegenüber seinen nachgelagerten Mitbewerbern abzuschotten: das Vorhandensein eines erheblichen Maßes an Marktmacht, die Bedeutung der Vorleistungen und das Fehlen von zeitnahen und wirksamen Gegenstrategien.

(195) Erstens kann die Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen gemäß den Leitlinien nur dann ein Problem sein, wenn das fusionierte Unternehmen im vorgelagerten Markt über ein erhebliches Maß an Marktmacht verfügt. Im vorliegenden Fall verkauft Tele Atlas Kartendatenbanken über den Grenzkosten160 und besitzt im vorlagerten Markt einen Marktanteil von über 50 %, wobei NAVTEQ der einzige andere Anbieter von navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken mit vergleichbarer Abdeckung und Qualität ist. Wegen des nicht optimalen Wettbewerbsdrucks infolge der in den Erwägungsgründen (202) bis (209) erläuterten Gegenstrategien besteht Grund zu der Annahme, dass Tele Atlas die Wettbewerbsbedingungen auf dem vorgelagerten Markt beeinflussen wird. Die Kommission kam daher zu der Schlussfolgerung, dass das fusionierte Unternehmen auf dem Markt für navigationsfähige digitale Kartendatenbanken über ein erhebliches Maß an Marktmacht verfügt.

(196) Diese Schlussfolgerung wird von den Parteien mit dem Einwand angefochten, dass die Möglichkeit der Abschottung nicht bestehe, wenn mindestens eine andere entsprechende Vorleistungsquelle vorhanden sei. Diese Ansicht entspricht jedoch weder der bisherigen Entscheidungspraxis der Kommission noch den Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse. Die Parteien argumentieren weiter, dass Tele Atlas nicht über Marktmacht im Sinne der Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse verfüge, weil Marktmacht in enger Anlehnung an den Begriff der Marktbeherrschung ausgelegt werden müsse. Eine solche Auslegung ist jedoch nicht vereinbar mit dem Wortlaut der Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse, in denen es ausdrücklich heißt: „ein deutliches Maß an Marktmacht (die nicht unbedingt gleichbedeutend mit Beherrschung sein muss)“161.

(197) Zweitens kann die Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen nur dann Wettbewerbsprobleme aufwerfen, wenn davon eine wichtige Vorleistung für das nachgelagerte Produkt betroffen ist. Die Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse präzisieren, dass eine Vorleistung unabhängig von ihren Kosten auch aus anderen Gründen ausreichend wichtig sein kann. Beispielsweise kann es sich bei der Vorleistung um eine wichtige Komponente handeln, ohne die das nachgelagerte Produkt nicht hergestellt oder nicht erfolgreich auf dem Markt verkauft werden kann.

(198) Obwohl der Anteil digitaler Kartendatenbanken an den PND-Kosten relativ gering ist, stellen sie doch eine wichtige Komponente dar, ohne die die tragbaren Navigationsgeräte ihren Zweck nicht erfüllen könnten. Die Parteien bestreiten nicht, dass navigationsfähige digitale Kartendatenbanken wichtige PND-Komponenten darstellen. Die Parteien sind jedoch der Ansicht, dass Tele Atlas nicht in der Lage wäre, den Mitbewerbern von TomTom auf dem PND-Markt den Zugang zu dieser

160 Hohe Bruttogewinnspannen weisen in einer Branche mit hohen Fixkosten und niedrigen Grenzkosten nicht unbedingt auf Gewinne hin, die über dem Wettbewerbsniveau liegen. 161 Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse, Nummer 23.

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wichtigen Komponente zu verwehren. Insbesondere weisen die Parteien darauf hin, dass eine Qualitätsminderung oder eine verzögerte Freigabe von Aktualisierungen unmöglich wäre, weil Tele Atlas nur über eine navigationsfähige digitale Basis- Kartendatenbank für jedes geografische Gebiet verfügt.

(199) Die Parteien geben zwar an, dass das Vorhandensein einer einzigen Datenbank eine Qualitätsminderung aus technischer Sicht erschweren könne, dennoch wäre es dem fusionierten Unternehmen ein Leichtes, seine Datenbank bei entsprechendem Anreiz nach der Fusion zu duplizieren. Des Weiteren verhindert das Vorhandensein einer einzigen Datenbank nicht die Qualitätsminderung durch die Verzögerung von Upgrades, denn Tele Atlas könnte die aktualisierte Version der Datenbank nach wie vor erst zu einem späteren Zeitpunkt für die Mitbewerber von TomTom freigeben.

(200) Die Parteien geben an, dass viele wichtige Kunden von Tele Atlas Lizenzverträge abgeschlossen hätten, die häufige Aktualisierungen auf die neuesten Versionen der Kartendatenbanken von Tele Atlas vorsehen, normalerweise alle [1-10]* Monate162. Eine Prüfung der Verträge von Tele Atlas hat jedoch ergeben, dass solche Klauseln nur für wenige Kunden bestehen. Auf jeden Fall haben viele Verträge eine Laufzeit von nur [1-5]* Jahren und gewährleisten daher nicht, dass diese Kunden künftig sofortigen Zugang zu aktualisierten Kartendatenbanken haben.

(201) Derzeit kann jeder PND-Anbieter wählen, in welchem Austauschformat (Shape, GDF und Oracle) Tele Atlas und NAVTEQ ihre europäischen digitalen Kartendatenbanken bereitstellen sollen. Die Kommission untersuchte, ob Tele Atlas in der Lage wäre, PND-Hersteller und Anbieter von Navigationssoftware, die mit TomTom im Wettbewerb stehen, auszugrenzen, indem das Unternehmen neue Funktionen oder Aktualisierungen ausschließlich oder zu einem früheren Zeitpunkt in nur einem der aktuellen Datenformate zur Verfügung stellt, so dass den Mitbewerbern höhere Konvertierungskosten entstehen. In ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte gaben die Parteien an, dass eine solche Strategie wahrscheinlich nur begrenzte Auswirkungen hätte. TomTom verwendet das gleiche Format (Shape) wie einige andere Mitbewerber und hätte daher die gleichen Konvertierungskosten wie viele andere Unternehmen, wenn Tele Atlas dieses Format aufgeben würde. Außerdem könnten die PND-Hersteller zum Anbieter NAVTEQ wechseln, der weiterhin alle gängigen Formate anbieten würde. Wenngleich es Tele Atlas technisch möglich wäre, die Datenbank in bestimmten Formaten nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt bereitzustellen, wären die Auswirkungen und der Nutzen einer solchen Strategie daher zweifelhaft.

(202) Drittens untersuchte die Kommission auf der Grundlage der verfügbaren Informationen, ob den Mitbewerbern im PND-Markt wirksame und zeitnahe Gegenstrategien zur Verfügung stehen. Der Druck, der möglicherweise durch den Wettbewerb mit NAVTEQ, drohende Markteintritte und Zwischenhändlern entsteht, wird in den Erwägungsgründen (203) bis (207) erörtert. Insbesondere macht die Kommission deutlich, dass einige dieser Faktoren die Fähigkeit des fusionierten Unternehmens, die Preise zu erhöhen oder die Qualität zu mindern, zwar einschränken, aber nicht völlig beseitigen.

162 Antwort von TomTom auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte der Kommission, 17. März 2008, S. 79.

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(203) NAVTEQ würde nach der Fusion immer noch mit Tele Atlas im Wettbewerb stehen, so dass es Tele Atlas nur begrenzt möglich wäre, sich gegenüber seinen Mitbewerbern abzuschotten. Allerdings wäre es naheliegend, dass NAVTEQ bei einer Preiserhöhung durch Tele Atlas ebenfalls die Preise erhöhen würde163. Daher kommt die Kommission zu dem Schluss, dass der Wettbewerb mit NAVTEQ nicht bedeutet, dass das fusionierte Unternehmen keinerlei Möglichkeit hat, die Preise zu erhöhen oder die Qualität zu mindern.

(204) Die Parteien stellen diesem Argument entgegen, dass sich NAVTEQ keiner größeren Marktmacht bewusst würde und keinen Anreiz hätte, die Preise zu erhöhen. Die Parteien bestreiten außerdem die Anwendbarkeit von Nummer 38 der Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse auf Szenarien mit partieller Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen. Es wäre zweifellos nicht im Interesse der PND-Hersteller, NAVTEQ über schlechtere Lieferbedingungen mit Tele Atlas zu informieren, dennoch besteht kein überzeugender Grund dafür, die Anwendung von Nummer 38 der Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse auf Szenarien der vollständigen Abschottung zu beschränken. Im Fall einer partiellen Abschottung wird sich NAVTEQ einer größeren Marktmacht möglicherweise nicht so schnell bewusst, als wenn Tele Atlas die Lieferung an die ehemaligen Kunden einstellen würde, aber trotzdem wird NAVTEQ erkennen, dass sich die Nachfrage infolge der Strategie von Tele Atlas, sich teilweise abzuschotten, ändert. Daher kommt die Kommission zu dem Schluss, dass Tele Atlas trotz des Wettbewerbs mit NAVTEQ noch in der Lage wäre, die Preise zu erhöhen, die Qualität zu mindern oder den Zugang zu Aktualisierungen zu verzögern.

(205) Eine mögliche entgegengesetzte Wirkung, die NAVTEQ zu einer Preissenkung veranlassen würde, wird in Nummer 38 der Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse beschrieben. Demnach kann der „Versuch [von nicht vertikal integrierten vorgelagerten Anbietern]*, die Einsatzmittelpreise zu erhöhen, jedoch fehlschlagen, wenn unabhängige Einsatzmittellieferanten [d. h. NAVTEQ]* auf einen Rückgang der Nachfrage nach ihren Produkten (seitens des nachgeordneten Bereichs der fusionierten Einheit oder seitens unabhängiger nachgeordneter Unternehmen) mit einer aggressiveren Preispolitik reagieren“. Im vorliegenden Fall wird TomTom die Kartendatenbanken von NAVTEQ jedoch nicht weniger stark nachfragen, weil TomTom bereits ein Kunde von Tele Atlas ist. Was die Nachfrage seitens anderer PND-Hersteller angeht, hätte NAVTEQ keinen Grund für eine aggressivere Preisbildung nach der Fusion.

(206) Es ist unwahrscheinlich, dass ein Markteintritt eine wirksame und zeitnahe Gegenstrategie wäre, die die Fähigkeit des fusionierten Unternehmens, sich gegenüber seinen nachgelagerten Mitbewerbern abzuschotten, einschränken würde. Wie in Erwägungsgrund (161) bereits festgestellt, hält die Kommission es für unwahrscheinlich, dass ein neuer Anbieter von Kartendatenbanken eine

163 Dies bedeutet jedoch nicht, dass NAVTEQ bei einer möglichen Preiserhöhung durch Tele Atlas tatsächlich nachziehen würde. Selbst wenn NAVTEQ bei Preiserhöhungen durch Tele Atlas wahrscheinlich die eigenen Preise erhöhen würde, würde von NAVTEQ nach wie vor ein (wenn auch nicht optimaler) Wettbewerbsdruck ausgehen, der einer Abschottungsstrategie des fusionierten Unternehmens im Wege stehen würde, insbesondere angesichts der bei der Marktuntersuchung gesammelten Angaben zu den mit einem Wechsel verbundenen Kosten. In welchem Maße das fusionierte Unternehmen gewinnbringend die Preise erhöhen oder die Qualität mindern kann, wird im nächsten Abschnitt erörtert.

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navigationsfähige digitale Kartendatenbank mit gleicher Abdeckung und Qualität wie Tele Atlas oder NAVTEQ entwickelt und das fusionierte Unternehmen so zeitnah einschränkt.

(207) Die Fähigkeit von Tele Atlas, die Preise zu erhöhen oder die Qualität zu mindern, könnte auch durch Zwischenhändler eingeschränkt werden, die von Tele Atlas oder NAVTEQ eine Lizenz dafür erworben haben, die Kartendatenbanken zusammen mit ihrer Navigationssoftware bereitzustellen. Durch solche Zwischenhändler entsteht nur dann ein wirksamer Wettbewerbsdruck, wenn sie selbst vor Preiserhöhungen und Qualitätsminderungen geschützt sind. Garmin scheint ein solcher Fall zu sein, wie in Erwägungsgrund (208) erörtert wird. Der Wettbewerbsdruck, der von Garmin als Wiederverkäufer von Kartendatenbanken ausgeht, wird jedoch nur auf PND-Hersteller ausgeübt, die intern keine Navigationssoftware entwickeln. Dies betrifft etwa ein Drittel des PND-Marktes.

(208) Aufgrund vertraglicher Bestimmungen kann sich Tele Atlas nicht gegenüber allen nachgelagerten Mitbewerbern von TomTom abschotten. Die Fähigkeit von Tele Atlas, sich gegenüber den nachgelagerten Mitbewerbern abzuschotten, wird insbesondere durch den langfristigen Vertrag zwischen Garmin und NAVTEQ eingeschränkt. Dieser Vertrag schützt Garmin vor Preiserhöhungen und garantiert jährliche Preissenkungen mindestens bis zum Jahr 2015. Unter Berücksichtigung der zu erwartenden Entwicklung der Kartenpreise in den nächsten Jahren muss Garmin daher keine höheren Preise zahlen als ohne die Fusion. Selbst wenn die Kartenpreise stärker sinken werden als erwartet, verhindert der im Vertrag festgelegte Preisschutz, dass Garmin nach der Fusion mehr für die Karten zahlen würde, als wenn keine Fusion stattfinden würde.

(209) Außerdem sind [Navigationsgerätehersteller]* und [Anbieter von Navigationssoftware]* langfristige Verträge für die Bereitstellung von digitalen Karten eingegangen. Auch wenn die Dauer und/oder die Bestimmungen dieser Verträge nicht das gleiche Maß an Schutz bieten wie für Garmin, so schützen diese Verträge doch bis zu einem gewissen Grad vor Preiserhöhungen. Angesichts der Tatsache, dass nur Garmin vor Preiserhöhungen geschützt ist und Garmin einen Anteil von weniger als 20 % am PND-Markt hat, könnte sich die Fähigkeit des fusionierten Unternehmens, sich abzuschotten, auf über zwei Drittel der Verkäufe seitens der nachgelagerten Mitbewerber von TomTom auswirken. Wenn auch der Schutz von [Navigationsgerätehersteller]* und [Anbieter von Navigationssoftware]* berücksichtigt wird, wären etwa 50 % des Marktes von einer Abschottungsstrategie betroffen.

(210) Unter Berücksichtigung dieser Argumente kommt die Kommission zu dem Schluss, dass das fusionierte Unternehmen wahrscheinlich in der Lage ist, die Preise zu erhöhen, die Qualität zu mindern oder den Zugang für einige PND-Hersteller und Anbieter von Navigationssoftware, die mit TomTom im Wettbewerb stehen, zu verzögern.

8.3.3. Anreiz zur Abschottung

(211) Nach der Fusion werden TomTom und Tele Atlas prüfen, wie sich die Verkäufe von Kartendatenbanken an die Mitbewerber von TomTom auf die Gewinne nicht nur auf dem vorgelagerten Markt, sondern auch auf dem nachgelagerten Markt auswirken. Bei

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der Prüfung, wie gewinnbringend eine Strategie der Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen ist, muss das fusionierte Unternehmen einen Konflikt zwischen den wegen eines Rückgangs des Vorleistungsumsatzes entgangenen Gewinnen auf dem vorgelagerten Markt und den wegen höherer Kosten für die Mitbewerber erzielten Gewinnen auf dem nachgelagerten Markt berücksichtigen.

(212) Dieser Konflikt ist von der Höhe der Gewinne abhängig, die das fusionierte Unternehmen im vorgelagerten und nachgelagerten Markt erzielt. Da durch den Verkauf eines tragbaren Navigationsgeräts wesentlich höhere Gewinne erzielt werden als durch den Verkauf einer Kartendatenbank,164 kam die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorläufig zu dem Schluss, dass für das fusionierte Unternehmen ein Anreiz bestehen könnte, die Preise für Kartendatenbanken zu erhöhen oder die Qualität zu mindern oder den Zugang zu aktualisierten Kartendatenbanken für die Mitbewerber von TomTom zu verzögern. Auf der Grundlage einer eingehenden qualitativen und quantitativen Analyse, die in diesem Abschnitt ausführlich dargestellt wird, ist die Kommission jetzt zu dem Schluss gelangt, dass das fusionierte Unternehmen keine Anreize hätte, sich gegenüber seinen Mitbewerbern abzuschotten.

(213) In Nummer 42 der Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse heißt es, dass der Anreiz des integrierten Unternehmens, die Kosten der Mitbewerber weiter zu erhöhen, von zwei wichtigen Faktoren abhängig ist, nämlich davon, in welchem Maße die Nachfrage im nachgeordneten Bereich von den abgeschotteten Wettbewerbern weggeleitet werden kann und in welchem Maße der nachgeordnete Geschäftsbereich des integrierten Unternehmens diese Nachfrage für sich sichern kann.

(214) Die Kommission hat untersucht, in welchem Maße das fusionierte Unternehmen tatsächlich den PND-Markt erobern könnte, wenn es sich auf eine Strategie der Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen zum Nachteil der Mitbewerber von TomTom einließe. Anhand dieser Analyse lässt sich feststellen, ob die Gewinne, die das fusionierte Unternehmen auf dem nachgelagerten Markt durch die Erhöhung der Preise für Kartendatenbanken erzielen könnte, die Verluste auf dem vorgelagerten Markt ausgleichen würden. Im Rahmen einer solchen Bewertung muss sorgfältig untersucht werden, inwieweit TomTom infolge einer solchen Strategie einen Verkaufszuwachs erreichen könnte.

(215) Zunächst einmal muss betont werden, dass eine Reihe von qualitativen Elementen darauf hindeutet, dass eine Abschottungsstrategie, die Preiserhöhungen oder Qualitätsminderungen oder Zugangsverzögerungen vorsieht, wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt ist. Aus den in Erwägungsgrund (223) beschriebenen Gründen würde Tele Atlas wahrscheinlich erhebliche Verkaufseinbußen gegenüber NAVTEQ hinnehmen müssen, wenn das Unternehmen die Preise im vorgelagerten Markt

164 Ausgehend von einem durchschnittlichen Preis von [10-20]* EUR für eine digitale Kartendatenbank, einem durchschnittlichen Großhandelspreis von [150-250]*EUR für ein PND von TomTom sowie Bruttogewinnspannen von [50-100]* % für Tele Atlas und [0-50]* % für TomTom, erzeugt der Verkauf eines tragbaren Navigationsgeräts von TomTom einen Bruttogewinn von [50-100]* EUR, während der Verkauf einer Kartendatenbank von Tele Atlas einen Bruttogewinn von [10-20]* EUR erzeugt. Diese Zahlen zeigen, dass sich das fusionierte Unternehmen infolge einer Strategie der Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen für den Verkauf jedes weiteren tragbaren Navigationsgeräts den Verkauf von etwa [5-10]* Kartendatenbanken entgehen lassen kann.

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erhöhen oder die Qualität der Kartendatenbanken mindern oder den Zugang zu Aktualisierungen verzögern würde. Gleichzeitig wäre der Nutzen, den eine Erhöhung der Preise für Kartendatenbanken gegenüber den Mitbewerbern von TomTom bringen würde, wohl relativ begrenzt. Die wichtigsten qualitativen Elemente, die diese Schlussfolgerung unterstützen, sind in den Erwägungsgründen (216) bis (220) dargelegt.

(216) Erstens: Da Kartendatenbanken durchschnittlich weniger als 10 % des Großhandelspreises für PNDs ausmachen, müssten die Preise für Kartendatenbanken erheblich steigen, damit sie sich auf die Preise auf dem nachgelagerten PND-Markt auswirken und es dem fusionierten Unternehmen ermöglichen, erhebliche Verkaufszuwächse auf dem nachgelagerten Markt zu erzielen. Außerdem sind die Auswirkungen der Abschottungsstrategie davon abhängig, in welchem Maße die Mitbewerber von TomTom die Preiserhöhung für Kartendatenbanken an die Endverbraucher weitergeben würden. Beispiel: Eine Kartenpreiserhöhung um 10 % hätte einen Anstieg des PND-Preises um nur 0,5 % zur Folge, wenn der Kartenpreis 10 % des PND-Preises ausmacht und die PND-Hersteller 50 % ihrer Kostenänderung weitergeben. Unter Berücksichtigung einer vernünftigen Preiselastizität und Abwerbungsquote für das fusionierte Unternehmen würde eine solche geringfügige Preiserhöhung dem fusionierten Unternehmen nur einen sehr kleinen Verkaufszuwachs einbringen.

(217) Zweitens: Zumindest einige PND-Anbieter würden zögern, eine Preiserhöhung für Kartendatenbanken im PND-Preis weiterzugeben. Damit wären die Auswirkungen auf die PND-Preise noch geringfügiger165.

(218) Drittens: Garmin, der wichtigste Mitbewerber von TomTom im PND-Markt, ist dank des langfristigen Vertrags mit NAVTEQ (siehe Erwägungsgrund (208)) weitgehend gegen Preiserhöhungen für Kartendatenbanken geschützt. Dieser Schutz vor Abschottung, den Garmin besitzt, begrenzt die Gewinne, die TomTom auf dem nachgelagerten Markt erzielen könnte, wenn sich das Unternehmen auf eine Abschottungsstrategie einlassen würde166.

(219) Viertens: Wie in Erwägungsgrund (106) erwähnt, wären die mit einem Wechsel verbundenen Kosten überschaubar167. Infolgedessen würde Tele Atlas erhebliche Verkaufseinbußen gegenüber NAVTEQ hinnehmen müssen, wenn das Unternehmen

165 Antworten auf die Marktuntersuchung durch die Kommission. Siehe auch die Antwort von TomTom auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte der Kommission, 17. März 2008, S. 72-73. 166 Da die Preise für Kartendatenbanken Jahr für Jahr kontinuierlich gesunken sind, war die Kommission vorläufig zu dem Schluss gelangt, dass sich diese Tendenz fortsetzen würde und der Schutz von Garmin infolgedessen begrenzt sein könnte. In ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte wiesen die Parteien jedoch auf widersprüchliche Angaben hinsichtlich künftiger Preisentwicklungen für Kartendatenbanken in der Akte hin. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass der langfristige Vertrag mit NAVTEQ Garmin ein gewisses Maß an Schutz bietet. Dies wiederum würde die Auswirkungen einer Abschottungsstrategie auf einen wichtigen Mitbewerber (mit einem Anteil von etwa 15 % am PND-Markt) einschränken. Dieser Umstand würde außerdem die Anreize für Tele Atlas weiter einschränken, sich überhaupt auf eine solche Abschottungsstrategie einzulassen. 167 Es ist zu beachten, dass die mit einem Wechsel verbundenen Kosten im Vergleich zu dem Wert der Verträge mit mittelständischen und großen PND-Anbietern gering sein können. Diese Kosten wären für die kleinen PND-Hersteller in der Relation höher. Wie die Parteien jedoch bemerkt haben, arbeiten die kleinen PND-Hersteller voraussichtlich eher mit einem Softwareanbieter zusammen.

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die Preise im vorgelagerten Markt erhöhen, die Qualität der Kartendatenbanken mindern oder den Zugang zu Aktualisierungen verzögern würde.

(220) Fünftens: Die Qualitätsminderung betrifft nur die Kunden von Tele Atlas, weil NAVTEQ wohl weiterhin allen PND-Herstellern diskriminierungsfrei qualitativ hochwertige Kartendatenbanken bereitstellen würde. NAVTEQ würde durch eine Minderung der Kartenqualität keine Verkaufszuwächse auf dem nachgelagerten Markt erzielen, weil das Unternehmen nicht vertikal integriert ist. Außerdem würde eine Minderung der Kartenqualität NAVTEQ Einbußen beim Verkauf der Kartendatenbank einbringen, weil zu erwarten ist, dass viele Endverbraucher zu einem PND von TomTom wechseln würden, um eine qualitativ hochwertige Karte zu erwerben. Des Weiteren sei darauf hingewiesen, dass eine Minderung der Qualität der Kartendatenbank weniger gewinnbringend für das fusionierte Unternehmen wäre als eine Preiserhöhung, weil eine Qualitätsminderung anders als eine Preiserhöhung zu keinen höheren Gewinnspannen für Kartendatenbanken führt, die Tele Atlas weiterhin im vorgelagerten Markt veräußern würde168.

(221) Zur Messung des Trade-off zwischen vorgelagertem und nachgelagertem Markt führte die Kommission eine ökonometrische Schätzung der Preiselastizitäten auf dem nachgelagerten Markt durch. Ziel war die Messung des Verkaufszuwachses des fusionierten Unternehmens, wenn dieses für die Mitbewerber von TomTom auf dem nachgelagerten Markt die Preise für Kartendatenbanken erhöhen würde169. Die Ergebnisse dieser einfachen Analyse des Trade-off hinsichtlich der Gewinne werden in Erwägungsgrund (228) dargestellt.

(222) Die Wahrscheinlichkeit einer Strategie der vollständigen Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen, bei der das fusionierte Unternehmen die Lieferung von Kartendatenbanken an die Mitbewerber von TomTom auf dem nachgelagerten Markt ganz einstellen würde, wird zuerst untersucht. Wenn das fusionierte Unternehmen eine solche Strategie umsetzen würde, wäre NAVTEQ einem geringeren Wettbewerbsdruck ausgesetzt und könnte von den Mitbewerbern von TomTom auf dem nachgelagerten Markt höhere Preise für Kartendatenbanken verlangen. Im Wesentlichen würde eine vollständige Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen seitens des fusionierten Unternehmens die Marktmacht von NAVTEQ stärken170.

168 Eine Qualitätsminderung kann erhebliche Auswirkungen auf die Mitbewerber auf dem nachgelagerten Markt haben (wie auch die verzögerte Markteinführung neuer Produkte). Allerdings haben die PND- Hersteller jederzeit die Möglichkeit, eine qualitativ hochwertige Datenbank von NAVTEQ zu erwerben. Daher ist die Wettbewerbsbeeinträchtigung, der die Mitbewerber ausgesetzt sind (weil sie NAVTEQ einen höheren Preis zahlen müssen), auch im Fall einer Qualitätsminderung begrenzt. 169 Die Kommission schätzte die Elastizitäten auf dem nachgelagerten Markt anhand eines Mehrstufenmodells in Anlehnung an: „Estimating Discrete-Choice Models of Product Differentiation“, Steven Berry, in: The Rand Journal of Economics, Bd. 25, Nr. 2, 1994, S. 242-262. Die Kommission prüfte, ob die geschätzten Elastizitäten einer Vielzahl von Annahmen standhalten, insbesondere in Bezug auf die Mehrstufenstruktur, die Größe des Marktes und die verwendeten Instrumente. Als durchschnittliche Elastizität wurde eine Produktelastizität von 2,75 % festgestellt, und die Markenelastizitäten stimmen im Großen und Ganzen mit den beobachteten Gewinnspannen überein. Eine ausführliche Beschreibung der von der Kommission vorgenommenen Schätzung enthält „TomTom/Tele Atlas, Economic Analysis“, CET vom 25. März 2008, zusammen mit der Schätzung der wahrscheinlichen Auswirkungen des Vorhabens. 170 Unter bestimmten Umständen wäre NAVTEQ möglicherweise nicht in der Lage, die Preise infolge der größeren Marktmacht zu erhöhen, weil sich das Unternehmen gegenüber einem Kunden nicht verpflichten kann, von den Mitbewerbern des betreffenden Kunden hohe Preise zu verlangen (wie in

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(223) Wenn das fusionierte Unternehmen keine Kartendatenbanken mehr verkaufen würde, würde es alle Gewinne für Kartendatenbanken einbüßen und nur Gewinne aus den Verkäufen erzielen, die es auf dem nachgelagerten Markt tätigen kann171. Damit eine Strategie der vollständigen Abschottung für Tele Atlas gewinnbringend ist, muss das Unternehmen auf dem nachgelagerten Markt so viel Gewinn machen, dass mindestens die entgangenen Gewinne für Kartendatenbanken ausgeglichen werden. Um zu messen, in welchem Maße das fusionierte Unternehmen in der Lage wäre, Verkaufszuwächse auf dem nachgelagerten Markt zu erzielen, schätzte die Kommission die Preiselastizitäten auf dem nachgelagerten Markt und stellte fest, dass eine Erhöhung der Preise für Kartendatenbanken gegenüber den Mitbewerbern von TomTom dem fusionierten Unternehmen nur einen relativ geringen Verkaufszuwachs auf dem nachgelagerten Markt einbringen würde172. Angesichts des relativ geringen Anteils der Preise für Kartendatenbanken an den PND-Preisen und angesichts der Elastizitätsschätzungen stellt die Kommission in ihrer Analyse fest, dass NAVTEQ die Preise erheblich anheben müsste, um sicherzustellen, dass eine Strategie der Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen für das fusionierte Unternehmen gewinnbringend wäre. Berechnungen der Kommission zufolge müsste NAVTEQ die Preise um mehrere hundert Prozent erhöhen, damit eine Strategie der vollständigen Abschottung für Tele Atlas gewinnbringend wäre173. Es erscheint unwahrscheinlich, dass die Preise von NAVTEQ in der Größenordnung ansteigen würden174.

(224) Die Kosten für Kartendatenbanken, angegeben als Anteil an den Gesamtherstellungskosten für ein PND, sind in den letzten Jahren gestiegen, weil die Preise für andere Komponenten, wie Hardware, noch schneller gefallen sind als die Preise für Kartendatenbanken. Um die Möglichkeit zu berücksichtigen, dass der Anteil der Kartendatenbanken an den Gesamtherstellungskosten in der nahen Zukunft weiter

Fußnote 40 der Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse erläutert). Am 18. Februar 2008 legte [ein PND-Hersteller]* eine Wirtschaftsstudie vor, in der die Ansicht vertreten wird, dass NAVTEQ angesichts der Beschaffenheit der Branche wohl kaum Probleme mit einer derartigen Verpflichtung haben würde. In ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte widersprechen die Parteien dieser Schlussfolgerung. Da Tele Atlas jedoch selbst dann keinen Anreiz hätte, sich abzuschotten, wenn davon ausgegangen wird, dass NAVTEQ kein Problem mit einer solchen Verpflichtung hat, kann diese Frage offen bleiben. 171 Im Jahr 2006 verkaufte Tele Atlas in der Region EMEA zusätzlich zu den Verkäufen von TomTom [2- 3]* Mio. Lizenzen für navigationsfähige Kartendatenbanken. Tele Atlas würde alle Gewinne aus diesen Kartendatenbanken einbüßen, wenn es sich auf eine vollständige Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen einlassen würde. 172 Siehe „TomTom/Tele Atlas, Economic Analysis“, CET vom 25. März 2008. 173 Ausgehend von einer Bruttogewinnspanne für TomTom von [0-50]* % und einer Bruttogewinnspanne für Tele Atlas von [50-100]*%, dem Anteil der Kartendatenbank am Großhandelspreis für TomTom von [0-10]* %, dem Anteil der Kartendatenbank am Großhandelspreis für andere PND-Hersteller von [0-10]*%, dem Anteil von TomTom am PND-Markt von [30-50]*%, dem Anteil anderer Kunden von Tele Atlas am PND-Markt von [10-30]* % und einer Weitergabe der Preiserhöhung um 50 % lassen sich die Verluste auf dem vorgelagerten Markt und die Gewinne auf dem nachgelagerten Markt berechnen, die sich infolge einer Strategie der vollständigen Abschottung ergeben. Unter Berücksichtigung der geschätzten Elastizitäten auf dem nachgelagerten Markt (Annahme: Garmin ist vor einer Preiserhöhung geschützt) müsste NAVTEQ die Preise für Kartendatenbanken um [400- 500]*% erhöhen, damit eine vollständige Abschottung für Tele Atlas gewinnbringend wäre. Auch wenn Garmin nicht geschützt wäre, müsste NAVTEQ die Preise um mehr als 200 % erhöhen, damit eine Abschottung gewinnbringend wäre. 174 Eine vollständige Qualitätsminderung, die die Kunden von Tele Atlas auf dem nachgelagerten Markt zwingen würden, zu NAVTEQ zu wechseln, entspricht einer vollständigen Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen. Aus dem gleichen Grund wie bei einer vollständigen Abschottung hätte das fusionierte Unternehmen daher keinen Anreiz für eine vollständige Qualitätsminderung.

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steigt, stellte die Kommission alternative Berechnungen an, bei denen Kartendatenbanken einen höheren Prozentsatz am Gesamtpreis für ein PND darstellten. Die Kommission gelangte unter diesen Annahmen zu der gleichen Schlussfolgerung175.

(225) Die von der Kommission durchgeführte Berechnung stimmt mit den wirtschaftlichen Angaben der Parteien in Bezug auf die Abschottung überein176. Diese Angaben enthalten eine Berechnung der Gleichgewichtspreise für differenzierte Produkte nach einem einfachen Wettbewerbsmodell gemäß Bertrand. Die Parteien gehen in ihren Angaben davon aus, dass NAVTEQ die Preise infolge einer von Tele Atlas verfolgten Strategie der vollständigen Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen um 100 % erhöht. In der Studie wird darauf hingewiesen, dass es für das fusionierte Unternehmen demnach nicht gewinnbringend wäre, sich auf eine vollständige Abschottung einzulassen. Die Kommission prüfte außerdem, ob die von den Parteien vorgelegten Ergebnisse mehreren alternativen Annahmen standhalten177.

(226) Die Wahrscheinlichkeit einer Strategie der partiellen Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen, bei der das fusionierte Unternehmen die Preise erhöhen oder den Mitbewerbern von TomTom auf dem nachgelagerten Markt Kartendatenbanken minderer Qualität bereitstellen würde, wird in den folgenden Erwägungsgründen untersucht178. Wie in Erwägungsgrund (211) dargelegt, muss das fusionierte Unternehmen einen Trade-off zwischen den entgangenen Gewinnen im vorgelagerten Markt und den erzielten Gewinnen in den nachgelagerten Märkten berücksichtigen, um den optimalen Preis zu bestimmen. Wenn sich das fusionierte Unternehmen zu einer Preiserhöhung im vorgelagerten Markt entschließt, würde es durch die Kunden, die Tele Atlas treu bleiben, zusätzliche Gewinne einfahren. Allerdings würden dem fusionierten Unternehmen durch die Kunden, die zu NAVTEQ wechseln, Gewinne entgehen. Darüber hinaus würde das fusionierte Unternehmen zusätzliche Gewinne erzielen, weil die Mitbewerber von TomTom im nachgelagerten Markt an Wettbewerbsfähigkeit verlieren würden. Da dem neuen Unternehmen nach der Fusion durch eine Preiserhöhung im vorgelagerten Markt Vorteile entstehen würden, die es vor der Fusion nicht hatte, hätte das fusionierte Unternehmen einen größeren Anreiz, von den Mitbewerbern von TomTom höhere Preise zu verlangen. Die Tatsache, dass das fusionierte Unternehmen auf dem nachgelagerten Markt nur in begrenztem Maße Verkaufszuwächse verzeichnen könnte, wenn es von den Mitbewerbern von TomTom höhere Preise für Kartendatenbanken verlangen würde, lässt jedoch darauf schließen,

175 Wenn der Anteil der Kartendatenbanken am Gesamtpreis eines tragbaren Navigationsgeräts 10 % beträgt, wäre nach Ansicht der Kommission eine Preissteigerung von [400-500]* % erforderlich; bei einem Anteil von 20 % am PND-Preis wäre eine Preissteigerung von [300-400]* % erforderlich. 176 Angaben der Parteien vom 28. Januar 2008. 177 In ihrer Wirtschaftsstudie weisen die Parteien außerdem darauf hin, dass die vertikale Integration sogar im Falle einer vollständigen Abschottung von Tele Atlas zu einem Rückgang der durchschnittlichen Preise führen würde. Dieses Ergebnis basiert jedoch auf der Annahme, dass die Fusion dem fusionierten Unternehmen wegen der fusionsbedingten Effizienzgewinne eine Kostensenkung um [0-10]*% bringen würde. In der Studie wird die Ansicht vertreten, dass die durchschnittlichen Preise auf dem nachgelagerten Markt auch bei einer vollständigen Abschottung nicht ansteigen würden, wenn die Fusion dem integrierten Unternehmen nur eine Kostensenkung um [0-5]* % bringen würde. 178 In Anlehnung an die Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse bezieht sich der Begriff Preiserhöhung in diesem Abschnitt auch auf die Minderung der Produktqualität.

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dass nur ein geringer Anreiz besteht, sich gegenüber den Mitbewerbern abzuschotten179.

(227) Die Kommission prüfte die Robustheit dieses einfachen Gewinntests anhand einer Vielzahl verschiedener Annahmen, die sich beispielsweise auf die Weitergabe von Preiserhöhungen, die Preiselastizitäten im vor- und nachgelagerten Markt und den Anteil der Kartendatenbank am Gesamtpreis bezogen. Diese Sensitivitätsanalyse bestätigte die Schlussfolgerung, dass eine erhebliche Preiserhöhung für das fusionierte Unternehmen nicht gewinnbringend wäre180. Die Kommission prüfte außerdem, ob diese Schlussfolgerung auch Bestand hat, wenn man davon ausgeht, dass TomTom die Preise auf dem nachgelagerten Markt erhöht anstatt das Verkaufsvolumen zu steigern. Schließlich prüfte die Kommission, ob sich unter der Annahme, dass NAVTEQ sich der Preiserhöhung von Tele Atlas anschließt, dieselbe Schlussfolgerung ergibt. Ausgehend von dieser Annahme kann deutlich gemacht werden, dass Tele Atlas einen Anreiz hätte, jede Preiserhöhung zu unterbieten, die erhebliche wettbewerbsschädigende Auswirkungen auf den nachgelagerten Markt nach sich ziehen würde181.

(228) Die Ergebnisse dieses einfachen Profittests zeigen, dass eine Preiserhöhung mit spürbaren Auswirkungen auf dem nachgelagerten Markt für das fusionierte Unternehmen nicht gewinnbringend wäre, weil die Gewinne auf dem nachgelagerten Markt nicht ausreichen, um die Verluste auf dem vorgelagerten Markt auszugleichen. Dieses Ergebnis stimmt mit den Angaben der Parteien zu einer partiellen Abschottung überein. Die Parteien geben an, dass eine Preiserhöhung, die die positiven Auswirkungen einer Eliminierung der doppelten Marginalisierung auf dem nachgelagerten Markt mehr als ausgleichen würde, kein Gleichgewicht herstellt.182

(229) Die in Erwägungsgrund (223) dargestellten Berechnungen beziehen sich auf eine Abschottung im PND-Markt. Der Anreiz für das fusionierte Unternehmen, sich auf eine Abschottung im Markt für Navigationssoftware einzulassen, erscheint aus den folgenden Gründen noch unwahrscheinlicher: noch geringere Präsenz von TomTom in diesem Markt und geringere Gewinnzuwächse im Softwaremarkt.

(230) Unter Berücksichtigung dieser Argumente kommt die Kommission zu der Schlussfolgerung, dass für das fusionierte Unternehmen kein Anreiz besteht, die Preise

179 Beispiel: Wenn das fusionierte Unternehmen die Preise für Kartendatenbanken um 10 % erhöht und die Mitbewerber auf der Grundlage der geschätzten Elastizitäten 50 % davon an die PND-Preise weitergeben und wenn NAVTEQ sein Verhalten nicht ändert, könnte das fusionierte Unternehmen nur einen Verkaufszuwachs im Wert von [0-500 000]* EUR verzeichnen. Dieser Wert ist niedriger als der Wert der Verluste im vorgelagerten Markt unter Berücksichtigung der dort zu erwartenden Elastizitäten. Je höher die Preiserhöhung ausfällt, desto weniger gewinnbringend wird eine solche Strategie. 180 Einzelheiten enthält „TomTom/Tele Atlas, Economic Analysis“, CET vom 25. März 2008. Es sei darauf hingewiesen, dass sich diese Bewertung auf PNDs unterschiedlicher Preiskategorien bezieht. Für preisgünstigere Geräte werden geringere zusätzliche Gewinne erzielt, allerdings wirkt sich der höhere Preis für die Kartendatenbank möglicherweise stärker aus. Bei teuren Geräten fällt beim Verkauf eines Geräts zwar der zusätzliche Gewinn höher aus, allerdings wirkt sich der höhere Preis für die Kartendatenbank weniger stark auf den PND-Preis aus. Das von der Kommission verwendete Mehrstufenmodell berücksichtigt ausdrücklich den Unterschied zwischen preisgünstigen und teuren PNDs. 181 „TomTom/Tele Atlas, Economic Analysis“, CET vom 25. März 2008. 182 Angaben von TomTom vom 28. Januar 2008 und vom 12. Februar 2008.

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dergestalt zu erhöhen, dass auf dem nachgelagerten Markt wettbewerbsschädigende Auswirkungen spürbar wären.

6.1.2. Auswirkungen auf den nachgelagerten Markt

(231) Die allgemeinen Auswirkungen der vertikalen Integration von TomTom und Tele Atlas auf den nachgelagerten Markt müssen bewertet werden. In Nummer 47 der Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse heißt es: „Ein Zusammenschluss wirft im Allgemeinen dann Wettbewerbsbedenken aufgrund der Abschottung bei den Einsatzmitteln auf, wenn [sic] im nachgeordneten Markt zu Preissteigerungen führen und so einen wirksamen Wettbewerb spürbar behindern würde.“

(232) Eine Reihe qualitativer Elemente legt die Vermutung nahe, dass die beabsichtigte vertikale Integration von TomTom und Tele Atlas wahrscheinlich keine Auswirkungen haben wird. Die gleichen qualitativen Faktoren, die den fehlenden Anreiz für eine partielle Abschottung erklären, lassen auch vermuten, dass im nachgelagerten Markt keine Auswirkungen spürbar sein werden. Die Preiserhöhung, die Tele Atlas von den Mitbewerbern von TomTom verlangen könnte, wird beispielsweise durch folgende Faktoren begrenzt: der niedrige Prozentsatz der Kartendatenbank am PND-Preis, die Angaben bezüglich der begrenzten Weitergabe der Preiserhöhung an die Endverbraucher, die begrenzten mit einem Wechsel verbundenen Kosten und der Wettbewerb mit NAVTEQ.

(233) Außerdem weisen die Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse auf Folgendes hin: „Wenn ausreichend glaubwürdige Wettbewerber im nachgeordneten Bereich verbleiben, für die sich die Kosten voraussichtlich nicht erhöhen werden, zum Beispiel, weil sie selbst vertikal integriert sind oder sie zu gleichwertigen alternativen Einsatzmitteln überwechseln können, kann der von diesen Unternehmen ausgehende Wettbewerb eine ausreichende Gegenmacht zu der fusionierten Einheit bilden und damit verhindern, dass die Produktpreise das Niveau vor der Fusion überschreiten“183. Eine solche Situation, in der eine Abschottung nur begrenzt Auswirkungen zeigt, liegt in diesem Fall vor, weil Garmin als Hauptkunde von NAVTEQ durch einen langfristigen Vertrag gegen Preiserhöhungen weitgehend geschützt ist. Damit sind den Auswirkungen einer Preiserhöhung Grenzen gesetzt.

(234) Darüber hinaus können PND-Hersteller, die ihre Navigationssoftware nicht selbst entwickeln, die navigationsfähigen digitalen Kartendatenbanken bei Anbietern von Navigationssoftware und insbesondere bei Garmin beziehen. Garmin bietet ebenfalls Software an und ist, wie im vorigen Erwägungsgrund erwähnt, durch einen langfristigen Vertrag geschützt. Diese alternative Bezugsquelle bietet den PND- Herstellern, die selbst keine Software entwickeln, zusätzlichen Schutz. Diese PND- Hersteller stellen auf dem Markt zwar eine Minderheit dar, dennoch bewirken sie zusammen mit Garmin, dass auf dem nachgelagerten Markt weniger Unternehmen ausgegrenzt werden könnten, so dass eine Abschottungsstrategie weniger stark greifen würde.

183 Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse, Nummer 50.

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(235) Des Weiteren verhindert der in Abschnitt 8.3.3 beschriebene Trade-off zwischen entgangenen und erzielten Gewinnen, dass der nachgelagerte PND-Markt in nennenswerter Weise von der vertikalen Integration von TomTom und Tele Atlas betroffen ist. Auf der Grundlage der Merkmale des Marktes und insbesondere auf der Grundlage der relativ begrenzten Preiselastizitäten auf dem nachgelagerten Markt sowie des geringen Anteils der Kartendatenbanken am PND-Preis zeigt der Profittest, dass eine erhebliche Preiserhöhung durch Tele Atlas zu einem Rückgang der Einnahmen auf dem vorgelagerten Markt führen würde, der durch die Gewinne von TomTom auf dem nachgelagerten Markt nicht ausgeglichen wird.

(236) Die gleiche Argumentation gilt auch für die partielle Qualitätsminderung. Allerdings ist eine Qualitätsminderung für das fusionierte Unternehmen weniger interessant als eine Preiserhöhung, weil dadurch keine höheren Gewinnspannen im vorgelagerten Markt erzielt werden184.

(237) Angesichts der vorstehenden Argumente kommt die Kommission zu der Schlussfolgerung, dass das Vorhaben zu keinen Wettbewerbsbeeinträchtigungen auf dem nachgelagerten Markt führen wird. Es sei darauf hingewiesen, dass dieses Ergebnis nicht auf der Tatsache beruht, dass die vertikale Integration dem fusionierten Unternehmen einen Anreiz verschafft, die Preise zu senken, weil doppelte Preisaufschläge vermieden werden. Effizienzgewinne (238) Die allgemeinen Auswirkungen des Vorhabens sind auch von den potenziellen Effizienzgewinnen abhängig, die sich durch die Fusion ergeben und von den Parteien bestätigt wurden. Unabhängig von den Effizienzgewinnen sind keine wettbewerbsschädigenden Auswirkungen vorhanden – diese Effizienzgewinne sind jedoch Bestandteil der allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Würdigung.

(239) Gemäß den Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse „kann eine vertikale Fusion die neue Einheit in die Lage versetzen, vorhandene doppelte Aufschläge, die auf die getrennte Preisfestsetzung vor der Fusion zurückzuführen sind, nunmehr zu internalisieren“185. In diesem Fall kann das Problem der doppelten Preisaufschläge nicht außer Acht gelassen werden, weil die Grenzkosten für Kartendatenbanken [gegen null gehen und die Bruttogewinnspannen für Kartendatenbanken daher hoch sind]*.

(240) Die Auswirkungen der Eliminierung von doppelten Preisaufschlägen kann folgendermaßen veranschaulicht werden. Beispiel: Die Kartendatenbank macht 5 % des PND-Preises aus […]*. Nach der Fusion wird das integrierte Unternehmen feststellen, dass die tatsächlichen Kosten für eine zusätzliche Kartendatenbank nicht 5 % des PND-Preises ausmachen, sondern nur einen Bruchteil davon. Infolgedessen hat das fusionierte Unternehmen einen Anreiz, das Verkaufsvolumen zu steigern, um in den Genuss der höheren Gewinne beim Verkauf eines tragbaren Navigationsgeräts zu kommen. Wenn 50 % der Kostensenkung weitergegeben werden, würde der Preis

184 Eine allgemeine Qualitätsminderung kann erhebliche Auswirkungen auf die Mitbewerber auf dem nachgelagerten Markt haben (wie auch die verzögerte Markteinführung neuer Produkte). Allerdings haben die Mitbewerber jederzeit die Möglichkeit, eine qualitativ hochwertige Datenbank von NAVTEQ zu erwerben. Die Wettbewerbsbeeinträchtigung, der die Mitbewerber ausgesetzt sind (weil sie NAVTEQ einen höheren Preis zahlen müssen), ist auch im Fall einer Qualitätsminderung begrenzt. 185 Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse, Nummer 55.

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für ein PND von TomTom um [0-5]* % sinken. Damit würde der durchschnittliche Marktpreis für ein PND um etwa [0-5]* % sinken (ohne Berücksichtigung von Änderungen bezüglich der Marktanteile, die sich wegen eines Wechsels zu den billiger gewordenen PNDs von TomTom ergeben würden).

(241) Bei der Bewertung, ob durch die Eliminierung von doppelten Preisaufschlägen verursachte Effizienzgewinne fusionsbezogen sind, untersuchte die Kommission, ob eine vertikale Zusammenarbeit und vertikale Vereinbarungen ohne Fusion ähnliche Gewinne generieren können. Insbesondere untersuchte die Kommission, ob die fusionierenden Parteien ohne die Fusion wohl Verträge mit einer nichtlinearen Preisbildung abschließen würden. Dabei würde der Preis für zusätzliche Einheiten in etwa den Grenzkosten für Kartendatenbanken entsprechen, die in diesem Fall nahezu Null betragen würden. Außerdem prüfte die Kommission die Verträge von Tele Atlas und NAVTEQ mit PND-Herstellern. Dabei stellte sie fest, dass Mengenrabatte in der Branche zwar üblich sind, diese Rabatte aber zu begrenzt sind, um doppelte Preisaufschläge wirklich aufzufangen.

(242) Die Eliminierung der doppelten Marginalisierung sollte daher als weitgehend fusionsbezogen betrachtet werden. Beim Erwerb von Kartendatenbanken zahlt TomTom Tele Atlas […]*. Nach der Fusion entsprechen die tatsächlichen Kosten des integrierten Unternehmens für die Kartendatenbank den Grenzkosten von Tele Atlas für die Erstellung der Kartendatenbanken. Es stimmt zwar, dass einige andere PND- Hersteller Mengenrabatte erhalten und dass die Grenzkosten für die Kartendatenbank theoretisch durch solche Rabatte sinken könnten, allerdings sind diese Mengenrabatte im Allgemeinen relativ begrenzt. Kein anderes Unternehmen erhält Mengenrabatte, die dazu führen, dass sich der Preis für eine zusätzliche Kartendatenbank an deren Grenzkosten annähert, wie dies für das integrierte Unternehmen der Fall sein wird.

(243) Um die allgemeinen Auswirkungen des Vorhabens unter Berücksichtigung der Eliminierung von doppelten Preisaufschlägen einschätzen zu können, untersuchte die Kommission die Gleichgewichtspreise vor und nach der Fusion unter Verwendung eines einfachen Modells mit linearem Bedarf. Das Modell zeigt, dass sich die allgemeinen Auswirkungen der vertikalen Integration von TomTom und Tele Atlas unter Berücksichtigung der Eliminierung der doppelten Marginalisierung durch das integrierte Unternehmen in einem geringfügigen Rückgang des durchschnittlichen PND-Preises äußern. Dieses Ergebnis entspricht den wirtschaftlichen Angaben der Parteien186.

(244) Es besteht Grund zu der Annahme, dass das Vorhaben neben der Eliminierung der doppelten Marginalisierung noch andere Effizienzgewinne generieren wird. In den Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine vertikale Integration zu solchen Effizienzgewinnen führen kann. Dort heißt es, dass „eine vertikale Fusion gemeinsame Anreize für die Parteien hinsichtlich Investitionen in neue Produkte, neue Herstellungsprozesse und Vermarktung des Produkts schaffen kann“187.

(245) Im vorliegenden Fall geben die Parteien an, dass sie mit der Fusion Folgendes bezwecken: Das fusionierte Unternehmen soll „schneller bessere Karten“ erstellen

186 Angaben von TomTom vom 28. Januar 2008 und vom 12. Februar 2008. 187 Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse, Nummer 57.

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können. Im Einklang mit den Leitlinien untersuchte die Kommission im Rahmen ihrer wettbewerbsbezogenen Bewertung, ob die erwarteten Effizienzgewinne den Kunden zugute kommen würden und ob sie nachweisbar und fusionsbezogen sind.

(246) Die Parteien argumentieren insbesondere, dass das Vorhaben wegen der Integration der […]*-Daten von TomTom zur Verbesserung der Kartendatenbanken von Tele Atlas zu erheblichen Effizienzgewinnen führen wird. TomTom erfasst mit Map Share eine beträchtliche Menge an Feedback-Daten, die vom großen Kundenstamm des Unternehmens eingehen. Beispielsweise geben die Parteien an, dass Nutzer von Map Share allein im Dezember 2007 insgesamt […]* Fehlerkorrekturen hochgeladen haben188. […]*

(247) Die Parteien haben eine Studie vorgelegt, in der sie versuchen, die Effizienzgewinne des Vorhabens in Zahlen auszudrücken189. Die Studie enthält zwei Ansätze für die quantitative Bestimmung dieser Effizienzgewinne. Erstens werden die Kosteneinsparungen berechnet, die nach der Fusion erzielt werden könnten, wenn die Kartendatenbank in der gleichen Qualität wie vor der Fusion zur Verfügung gestellt wird. Zweitens werden die zusätzlichen Kosten berechnet, die aufgebracht werden müssten, um mit der vor der Fusion verfügbaren Technologie Kartendatenbanken in der gleichen Qualität anbieten zu können, wie nach der Fusion. Die Berechnungen im Rahmen des ersten Ansatzes haben ergeben, dass bei der Erstellung von Kartendatenbanken im Jahr 2011 Kosten von mehr als [0-50]* Mio. EUR jährlich eingespart würden (etwa [50-100]* Mio. EUR im Zeitraum 2008-2011). Die Berechnungen im Rahmen des zweiten Ansatzes haben ergeben, dass zusätzliche Ausgaben in Höhe von etwa [0,5-1 Mrd.]*. EUR für den Zeitraum 2008-2011 erforderlich wären, um mit der aktuellen Technologie Kartendatenbanken in der gleichen Qualität erstellen zu können, wie dies nach der Fusion möglich wäre.

(248) Die Endverbraucher würden zweifellos von den häufigeren und umfassenderen Aktualisierungen der Kartendatenbank infolge der Fusion profitieren. Allerdings lassen sich diese Effizienzgewinne nur schwer in Zahlen ausdrücken, und die von den Parteien vorgelegten Schätzungen sind nicht wirklich überzeugend. Das im Rahmen des ersten Ansatzes ermittelte Ergebnis entspricht nicht dem zu erwartenden Ergebnis nach der Fusion, weil das fusionierte Unternehmen die Feedback-Daten wohl eher dazu nutzt, um die Kartendatenbanken zu verbessern, anstatt bei Beibehaltung der aktuellen Qualität Kosten einzusparen. Beim zweiten Ansatz wird der Wert, den bessere Kartendatenbanken für die Kunden haben, wahrscheinlich überschätzt, weil es für Tele Atlas nicht gewinnbringend wäre, mit der aktuellen Technologie Kartendatenbanken in der Qualität zu erstellen, die nach der Fusion möglich wäre.

(249) Die Kommission untersuchte außerdem, ob davon ausgegangen werden sollte, dass diese Effizienzgewinne fusionsbezogen sind. Obwohl ein Teil der von den Parteien dargestellten Effizienzgewinne möglicherweise durch Verträge erreicht werden könnte190, ist es unwahrscheinlich, dass die Parteien Investitionen in der Größenordnung tätigen würden, wie das integrierte Unternehmen. Derartige Investitionen sind für das nicht integrierte Unternehmen risikoreich, weil sie von der

188 Angaben von TomTom vom 14. Januar 2008 und vom 12. Februar 2008. 189 Angaben von TomTom vom 14. Januar 2008. 190 Mehrere Unternehmen gaben im Rahmen der Marktuntersuchung an, dass der Austausch von Feedback- Daten vertraglich geregelt werden könnte. Derzeit gibt es jedoch kein Beispiel für solch einen Vertrag.

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jeweiligen Geschäftsbeziehung stark abhängig sind und daher die Gefahr eines sogenannten Hold-up-Problems bergen. Eine solche Situation entsteht, wenn eine Partei nicht mit einem Vertragspartner zusammenarbeiten möchte, weil sie befürchtet, dass sie auf diesen Vertragspartner angewiesen sein könnte, beispielsweise weil bestimmte Investitionen nur in Zusammenarbeit mit diesem Vertragspartner Wert haben, und dass sie daher ihre Verhandlungsmacht verliert191. Außerdem kann ein langfristiger Vertrag einem nicht integrierten Unternehmen keinen vollständigen Schutz bieten, weil es schwierig ist, im Vorfeld alle erforderlichen Investitionen zu bestimmen, und weil Unsicherheit bezüglich des künftigen Geschäftsumfelds der Parteien herrscht. Daher muss der Schluss gezogen werden, dass diese Effizienzgewinne zumindest zum Teil fusionsbezogen sind, weil der von den Parteien angegebene Zweck des Vorhabens, „schneller bessere Karten“ zu erstellen, wahrscheinlich erreicht wird. Dagegen ist es fraglich, ob sich ohne die Fusion auf vertraglichem Wege vergleichbare Effizienzgewinne erzielen lassen würden.

(250) In jedem Fall ist es nicht nötig, die genaue Größenordnung der zu erwartenden Effizienzgewinne zu schätzen, weil das Vorhaben unabhängig von den Effizienzgewinnen keine wettbewerbsschädigenden Auswirkungen mit sich bringt.

8.3.5. Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen – Schlussfolgerung

(251) Die Kommission bewertete, ob das Vorhaben zu einer wettbewerbsschädigenden Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen führen würde. Sie kam zu dem Schluss, dass es unwahrscheinlich wäre, dass das Vorhaben den Wettbewerb zum Nachteil der Endverbraucher erheblich behindern würde. Dem fusionierten Unternehmen fehlt der Anreiz, die Lieferung der Kartendatenbanken an seine Mitbewerber auf dem nachgelagerten Markt einzustellen. Außerdem hätte eine Abschottungsstrategie, in deren Zusammenhang die Mitbewerber von TomTom höhere Preise zahlen oder schlechtere Qualität erhalten würden, keine erheblichen wettbewerbsschädigenden Auswirkungen auf den nachgelagerten PND-Markt und auf den nachgelagerten Markt für Navigationssoftware. In dieser Schlussfolgerung werden durch das Vorhaben zu erwartende Effizienzgewinne nicht berücksichtigt. Die Schlussfolgerung wird jedoch noch untermauert, wenn die Effizienzgewinne berücksichtigt werden.

8.4. Zugang des fusionierten Unternehmens zu vertraulichen Informationen des PND-Marktes

8.4.1. Einleitung

(252) Gemäß Nummer 78 der Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse kann das fusionierte Unternehmen infolge einer vertikalen Fusion Zugang zu sensiblen Geschäftsinformationen über die Tätigkeit der Mitbewerber auf dem nachgelagerten Markt erhalten. Beispielsweise kann das fusionierte Unternehmen Zugang zu wichtigen Informationen erhalten, indem es Anbieter für seine Mitbewerber auf dem nachgelagerten Markt wird. Damit hätte es die Möglichkeit, weniger aggressiv im Wettbewerb aufzutreten, oder es könnte den Mitbewerbern einen

191 Insbesondere geben die Parteien an, dass sich durch die Nutzung der Daten das Geschäftsgebaren von Tele Atlas radikal ändern wird. Ohne Integration wäre Tele Atlas anfällig für ein Hold-up-Problem, vor allem, weil kein anderer PND-Hersteller so viele Endverbraucherdaten sammelt wie TomTom.

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Wettbewerbsnachteil verschaffen, indem es dafür sorgt, dass Markteintritt und Expansion an Attraktivität verlieren.

(253) Dritte haben ihrer Sorge Ausdruck verliehen, dass bestimmte Kategorien von Informationen, die als vertraulich angesehen werden und die sie derzeit an Tele Atlas übermitteln, nach der Fusion auch für TomTom zugänglich sein könnten. Der Zugang zu Informationen über das künftige Verhalten der Kunden auf dem nachgelagerten Markt würde es dem fusionierten Unternehmen erlauben, deren Aktionen zur Akquisition neuer Kunden zuvorzukommen (durch bessere Preise, innovative Funktionen, neue Geschäftskonzepte, größere Abdeckung der Kartendatenbanken). Damit hätten die Mitbewerber von TomTom einen geringeren Anreiz, in den Bereichen Preispolitik, Innovation und neue Geschäftskonzepte mit Tele Atlas zusammenzuarbeiten, weil eine solche Zusammenarbeit den Austausch von Informationen erfordern würde. Dies wiederum würde die Marktmacht von NAVTEQ, dem einzigen alternativen Kartenanbieter, gegenüber diesen PND-Herstellern stärken und könnte zu höheren Preisen oder weniger Innovation auf dem Markt für navigationsfähige digitale Kartendatenbanken führen.

(254) Die Kommission ist der Ansicht, dass die Fragen der Vertraulichkeit nach der Fusion einen wirksamen Wettbewerb wohl nicht erheblich behindern würden.

(255) Die Kommission gelangte zu dieser Schlussfolgerung, nachdem sie zunächst untersucht hatte, welche Informationen zwischen Tele Atlas und den Kunden von Tele Atlas tatsächlich ausgetauscht werden. Anschließend prüfte die Kommission, ob sich dieser Informationsaustausch einschränken lässt, ohne dass den Kunden daraus Nachteile entstehen. Schließlich untersuchte die Kommission noch, ob das fusionierte Unternehmen die Anreize hätte, die vertraulichen Informationen seiner Kunden nach der Fusion weiterhin zu schützen.

8.4.2. Austausch vertraulicher Informationen zwischen Tele Atlas und den Kunden von Tele Atlas Einleitung (256) Die von Dritten geäußerten Bedenken bezüglich der Vertraulichkeit basieren auf der Voraussetzung, dass die Kunden von Tele Atlas Informationen über ihre künftigen wettbewerbsbezogenen Aktionen an ihren Kartenanbieter weitergeben müssen. Die laufenden Verträge verpflichten die Kunden jedoch nicht dazu, derartige Informationen über ihr künftiges Verhalten an Tele Atlas weiterzugeben. Die diesbezüglichen vertraglichen Verpflichtungen beschränken sich im Wesentlichen auf Verkaufsdaten in der Vergangenheit und würden daher zu keiner Offenlegung des künftigen Wettbewerbsverhaltens führen. Dritte wiesen jedoch darauf hin, dass Informationen über künftige Pläne gelegentlich auch von Kunden aus gewerblichen oder technischen Gründen oder bei der Verhandlung vertraglicher Änderungen an Tele Atlas weitergegeben werden können. Dritte legten der Kommission eine Reihe von Beispielen dafür vor, wie Unternehmen freiwillig Informationen über ihre Erwartungen in Bezug auf künftige Verkaufszahlen, Produktpläne und neue Funktionen in den neuesten Versionen ihrer Geräte weitergaben. Die betreffenden Unternehmen taten dies vor allem aus den folgenden vier Gründen: erstens, um bessere Preise auszuhandeln, zweitens, um vorhandene Funktionen in neue Produkte zu integrieren, drittens, um die Kartenanbieter zu ermuntern, neue Funktionen zu

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entwickeln, und schließlich, um die technische Kompatibilität der neuen Funktionen mit der Basiskarte und der Software sicherzustellen.

(257) In ihren Angaben und insbesondere in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte haben die Parteien überzeugende Nachweise dafür vorgelegt, dass der Austausch solcher Informationen begrenzt ist und nach der Fusion ohne jegliche nachteilige Auswirkung auf die Kunden von Tele Atlas sogar noch eingeschränkt werden könnte, sollten diese Kunden Bedenken bezüglich der Verwendung der weitergegebenen Informationen seitens des fusionierten Unternehmens äußern. Die Informationen, die die Parteien in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zu diesem Thema vorgelegt haben, wurden anschließend von der Kommission bei Dritten nachgeprüft192. Die von Dritten vorgebrachten verschiedenen Arten von Beispielen und die Gegenargumente der fusionierenden Parteien werden in den Erwägungsgründen (258) bis (271) untersucht. Preisverhandlungen (258) Dritte teilten der Kommission mit, dass Tele Atlas von den Kunden bei der Unterzeichnung neuer Verträge Verkaufsprognosen verlangte, um das Umsatzpotenzial abschätzen zu können. Außerdem geben Kunden manchmal Informationen über ihre Produktpläne und Erwartungen bezüglich künftiger Verkaufszahlen in verschiedenen Segmenten preis, um bessere Preiskonditionen auszuhandeln. Tele Atlas wüsste auch über den Zeitpunkt von Werbekampagnen für PNDs Bescheid, wenn Kunden sich nach Rabatten für Kartendatenbanken erkundigten.

(259) Die Marktuntersuchung zeigt, dass die Kunden eine Offenlegung ihrer Verkaufsprognosen gegenüber Tele Atlas vermeiden können. Die Parteien argumentierten, dass Tele Atlas Kartendatenbanken an Kunden verkauft, die sich weigern, diese Art von Informationen weiterzugeben. Neukunden können Mindesteinkaufsanforderungen vereinbaren und auf diese Weise die Offenlegung sensibler Informationen über künftige Verkaufszahlen vermeiden. Preise für bestehende Kunden werden oft auf der Grundlage ihrer Verkaufszahlen in der Vergangenheit vereinbart. Auf jeden Fall entscheiden die Kunden von Tele Atlas selbst, welche Art von Informationen sie in welchem Umfang bei Preisverhandlungen offenlegen.

(260) Was den Zeitpunkt von Werbekampagnen angeht, besteht bereits ein großes Maß an Markttransparenz (vor den Sommerferien und zu Weihnachten). Diese Art von Informationen sollte daher nicht als hochsensibel betrachtet werden. Die Höhe allgemeiner PND-Rabatte kann nicht vom Hersteller der Kartendatenbank bestimmt werden, weil die Kartendatenbank nur durchschnittlich 10 % der Kosten für ein PND ausmacht. Außerdem könnten PND-Hersteller Preissenkungen für andere PND- Komponenten aushandeln und/oder ihre Gewinnspannen verringern. Einbindung von Zusatzfunktionen (261) Eine typische Kartendatenbank in einem PND-Gerät besteht aus einer Basis- Kartendatenbank und Zusatzschichten. Die Basisdatenbank beinhaltet die grundlegenden geografischen Informationen bezüglich der Anordnung der Straßen und

192 E-Mail von [Navigationsgerätehersteller]* vom 16. April 2008 und Protokolle der Telefonkonferenz mit [Navigationsgerätehersteller]* vom 9. April 2008.

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der wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Jeder Punkt der Kartendatenbank kann mit x- und y-Koordinaten angegeben werden. Neben der grundlegenden Straßengeometrie und den wichtigsten Sehenswürdigkeiten werden jedoch noch weitere Daten benötigt. Die PND-Hersteller verwenden verschiedene Zusatzfunktionen, wie zusätzliche Orte von Interesse, Phoneme, dreidimensional angezeigte Sehenswürdigkeiten und zweidimensional angezeigte Stadtpläne. Diese Zusatzfunktionen können mittels Geokodierung auf die Hauptkarte aufgesetzt werden. Hierzu müssen jeder Funktion geografische Koordinaten zugeordnet werden, was aus technischer Sicht relativ unkompliziert ist.

(262) Dritte äußerten Bedenken darüber, dass die Informationen über Zusatzfunktionen, die sie in ihren künftigen Produkten verwenden möchten, an TomTom weitergegeben werden könnten. PND-Hersteller führen oft mehrere Monate vor der geplanten Markteinführung Gespräche über neue Produkte, um sich über die Verfügbarkeit von Zusatzfunktionen zu informieren.

(263) Wie in Abschnitt 7.1 beschrieben, gibt es derzeit nur zwei Unternehmen, die eine Basisdatenbank in einer Qualität bereitstellen, die den Anforderungen der Navigation genügt und die meisten EWR-Länder abdeckt. Zusatzschichten, wie weitere Orte von Interesse, Phoneme, dreidimensional angezeigte Sehenswürdigkeiten und zweidimensional angezeigte Stadtpläne, werden jedoch auch von kleineren Unternehmen angeboten. Die Geokodierung kann von den PND-Herstellern selbst, von deren Softwareanbietern oder von Unterauftragnehmern problemlos vorgenommen werden. Wie Dritte bestätigt haben, können PND-Hersteller Zusatzfunktionen bei kleineren Anbietern erwerben und mit der Basis- Kartendatenbank von Tele Atlas kombinieren. Alle neueren Lizenzverträge von Tele Atlas enthalten eine „Klausel für Unterauftragnehmer“, die den Kunden von Tele Atlas die Zusammenarbeit mit Auftragnehmern und Beratern ermöglicht, um die nötige Kompatibilität zwischen der Basis-Kartendatenbank und extern erworbenen Zusatzdaten ohne Einschaltung von Tele Atlas herzustellen. Unternehmen, die bezüglich der Vertraulichkeit Bedenken haben, können daher beim Erwerb von Zusatzfunktionen auf alternative Anbieter zurückgreifen.

(264) Die Kommission ist der Ansicht, dass sogar die Bedenken bezüglich den von Tele Atlas bereitgestellten Zusatzfunktionen in vielerlei Hinsicht zumindest teilweise ausgeräumt werden können. Zunächst einmal müssen die Kunden Tele Atlas nicht im Voraus darüber informieren, welche neuen Funktionen sie in einem neuen Produkt verwenden möchten. Zusatzfunktionen von Tele Atlas können den Kunden zusammen mit der Basis-Kartendatenbank im Rahmen eines Komplettpakets zur Verfügung gestellt werden. Der Kunde kann dann die Funktionen für jedes seiner Geräte auswählen. Dies wurde von Dritten bestätigt. Die Hauptkunden von Tele Atlas, einschließlich der wichtigsten Mitbewerber von TomTom im PND-Markt, erhalten alle Funktionen aus der Datenbank von Tele Atlas, sobald sie verfügbar sind. Tatsächlich erhalten alle Kunden automatisch alle neuen Funktionen, es sei denn, ein Kunde gibt Tele Atlas Anweisung, den Inhalt der Datenbank zu begrenzen.

(265) Schließlich erfordert die Verwendung bestehender Funktionen keine Vorabänderungen am Vertrag. Der Kunde wählt einfach aus allen im Paket enthaltenen Attributen die gewünschten Attribute aus und informiert Tele Atlas erst im Nachhinein, sobald die Lizenzgebühren ermittelt sind. Dies wurde von Dritten bestätigt. Da die Kunden unmittelbar nach der Verfügbarkeit der Funktionen Zugang dazu haben, können alle

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erforderlichen Kompatibilitätstests durchgeführt werden, bevor Tele Atlas über die Verwendung der betreffenden Funktionen informiert wird. Sofern die PND-Anbieter über kompetentes technisches Personal verfügen, können sie die neuen Funktionen im Wesentlichen ohne technische Unterstützung durch Tele Atlas testen.

Entwicklung neuer Zusatzfunktionen

(266) Dritte berichteten der Kommission, dass sie die Anbieter von Kartendatenbanken von Zeit zu Zeit dazu ermuntern, in eine neue Funktion zu investieren oder die Abdeckung ihrer Kartendatenbanken zu erweitern. Sie äußerten Bedenken darüber, dass die Informationen über neue Zusatzfunktionen, die Tele Atlas für sie entwickeln soll, an TomTom weitergegeben werden könnten. Da Innovation ein wichtiger Motor für den Verkauf von PNDs darstellt, könnte der Zugang zu den Innovationen der Mitbewerber TomTom einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

(267) Die Kommission kommt zu der Schlussfolgerung, dass es unwahrscheinlich ist, dass TomTom durch die Fusion verstärkt Zugang zu Innovationen erhält, die von den PND- Herstellern im vorgelagerten Markt geplant werden. Erstens können die PND- Hersteller andere Unternehmen auffordern, innovative Zusatzfunktionen zu entwickeln und in die Kartendatenbank zu integrieren. Der Kommission sind Beispiele von kleineren Unternehmen bekannt, die solche Produkte anbieten. Die Kommission stellte außerdem fest, dass unabhängige PND-Hersteller Zusatzfunktionen bei externen Unternehmen erwerben. Zweitens gründet Tele Atlas Investitionsentscheidungen nicht auf die Anfragen einzelner Unternehmen. Eine Entscheidung bezüglich einer Investition in neue Funktionen oder geografische Abdeckung erfolgt erst nach Gesprächen mit den größten Kunden, um den Bedarf festzustellen. Dieser Umstand impliziert, dass die meisten Anregungen im Zusammenhang mit neuen Inhalten anderen Kunden (auch TomTom) mitgeteilt werden, bevor Investitionsentscheidungen getroffen werden. Dritte bestätigten, dass Tele Atlas regelmäßig wegen neuer Anregungen für Investitionen auf sie zukommt und dass diese Anregungen normalerweise auch mit anderen wichtigen Kunden besprochen werden.

(268) Sobald eine neue Funktion entwickelt wurde, wird sie allen Kunden von Tele Atlas zur gleichen Zeit angeboten. Außerdem informiert Tele Atlas die Kunden über die Verfügbarkeit neuer Funktionen, bevor diese auf dem Markt eingeführt werden, indem das Unternehmen während der regelmäßig stattfindenden Sitzungen einen Produktplan vorlegt. Der Kommission liegen Beispiele für solche Produktpläne von Tele Atlas aus der Vergangenheit vor, die diese Schlussfolgerungen bestätigen. Technische Unterstützung (269) Dritte verliehen ihrer Sorge Ausdruck, dass vertrauliche Informationen, die während der technischen Konsultationen mit Tele Atlas offenbart werden, an TomTom weitergegeben werden könnten. PND-Hersteller bitten gelegentlich um technische Unterstützung, um die Kompatibilität der bei Dritten erworbenen Funktionen mit der Basis-Kartendatenbank herzustellen, oder bei der Umwandlung von Daten aus dem proprietären Format von Tele Atlas in das eigene Format.

(270) Was die Einbindung von Zusatzschichten anbelangt, stellt Tele Atlas den Kunden alle technischen Produktspezifikationen zur Verfügung, die für diesen Zweck erforderlich sind. Der Kunde hat die Wahl, ob er sich an den Kundendienst von Tele Atlas oder an

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ein externes Unternehmen wendet, um technische Unterstützung zu erhalten, oder ob er die Zusatzfunktionen intern mittels Geokodierung einbindet.

(271) Technische Probleme, die nur von Tele Atlas gelöst werden können, sind sehr selten. Die Parteien haben gezeigt, dass fast alle Fragen, mit denen sich die Kunden an den Kundendienst von Tele Atlas gewandt haben, kleinere technische Probleme betrafen, die die Kunden selbst hätten beheben können. Selbst wenn die direkte Unterstützung durch den Kundendienst von Tele Atlas erforderlich ist, gewährleisten Vertraulichkeitsbestimmungen, dass der Zugang zu sensiblen Kundendaten auf die Mitarbeiter des Kundendienstes beschränkt ist.

8.4.3. Anreize für die Parteien, vertrauliche Informationen zu schützen

(272) Vor der Fusion haben unabhängige Kartenhersteller wie Tele Atlas einen starken Anreiz, sicherzustellen, dass die Informationen der Kunden vertraulich behandelt und nicht an Mitbewerber weitergegeben werden. Tele Atlas schützt sensible Geschäftsinformationen der Kunden mittels Firewalls und Geheimhaltungsvereinbarungen. Der Ruf, ein neutraler Anbieter auf den Navigationsmärkten zu sein, ist für die Erweiterung des Kundenstamms und die Steigerung des Verkaufserlöses von wesentlicher Bedeutung.

(273) Daher wurde untersucht, ob der Anreiz zum Schutz der vertraulichen Informationen der Kunden auch nach der Fusion noch besteht, wenn das fusionierte Unternehmen in den Besitz solcher vertraulichen Informationen gelangt. Die Untersuchungen der Kommission zeigen, dass es durchaus im Interesse von Tele Atlas wäre, zu verhindern, dass seine Kunden zu NAVTEQ wechseln, weil der Verlust eines Kunden nicht durch ausreichende zusätzliche Gewinne auf dem nachgelagerten Markt aufgefangen würde, unabhängig davon, ob NAVTEQ seine Preise erheblich anhebt.

(274) Die Marktuntersuchung zeigte, dass in diesem Fall die Vertraulichkeitsbedenken insofern mit der Minderung der Produktqualität vergleichbar sind, als der wahrgenommene Wert der Karte für die PND-Hersteller geringer wäre, wenn sie die Befürchtung hegen würden, dass ihre vertraulichen Informationen TomTom preisgegeben werden könnten. Infolgedessen könnte die Kartendatenbank von Tele Atlas weniger wertgeschätzt werden als die Kartendatenbank von NAVTEQ. Vertraulichkeitsbedenken könnten die Kunden von Tele Atlas daher dazu veranlassen, zu NAVTEQ zu wechseln.

(275) Zur Bewertung der Frage, ob das fusionierte Unternehmen Anreize hätte, die Informationen seiner Kunden vertraulich zu behandeln, muss geprüft werden, ob das fusionierte Unternehmen tatenlos zusehen würde, wenn die Kunden wegen Vertraulichkeitsbedenken zu NAVTEQ wechseln. Auf der Grundlage der Analyse in Erwägungsgrund (251) bezüglich der Anreize des fusionierten Unternehmens, sich auf eine partielle Abschottung einzulassen, erscheint dies unwahrscheinlich. Die Gewinne, die TomTom im nachgelagerten PND-Markt aufgrund einer solchen Strategie erzielen könnte, würden die Verluste im vorgelagerten Markt für Kartendatenbanken wohl nicht ausgleichen. Darüber hinaus könnten Vertraulichkeitsbedenken den Ruf von Tele Atlas schädigen, was sich negativ auf die Geschäfte des fusionierten Unternehmens mit Kartendatenbanken in anderen Märkten (Einbau in Fahrzeuge und Mobiltelefone) auswirken könnte. Wegen der fehlenden Anreize für eine Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen würden die Parteien wahrscheinlich auf mögliche

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Vertraulichkeitsbedenken reagieren und den Kunden beispielsweise Konditionen anbieten, die einen Wechsel zu NAVTEQ unattraktiv machen.

8.4.4. Vertrauliche Informationen – Schlussfolgerung

(276) In Anbetracht dieser Argumente ist es unwahrscheinlich, dass das Fusionsvorhaben zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs wegen Vertraulichkeitsbedenken führen würde. Die Kommission hat festgestellt, dass die Menge der wettbewerbsbezogenen Informationen, die zwischen Tele Atlas und den Kunden von Tele Atlas ausgetauscht werden, begrenzt ist und weiter reduziert werden könnte. Daher ist nicht zu erwarten, dass das fusionierte Unternehmen in den Besitz wettbewerbsbezogener Informationen gelangt, die es zu seinem eigenen Vorteil im nachgelagerten PND-Markt nutzen könnte. Darüber hinaus läge es im Interesse des fusionierten Unternehmens, die Vertraulichkeitsbedenken Dritter aus dem Weg zu räumen. Wegen der fehlenden Anreize für eine Abschottung des Zugangs zu Vorleistungen würden die Parteien wahrscheinlich in irgendeiner Form auf mögliche Vertraulichkeitsbedenken reagieren; vor allem würden sie den Kunden Konditionen anbieten, die einen Wechsel zu NAVTEQ unattraktiv machen.

8.5. Koordinierte Effekte

(277) Die Kommission untersuchte außerdem, ob die beabsichtigte vertikale Integration von TomTom und Tele Atlas Anlass zu Bedenken bezüglich der koordinierten Effekte geben würde. Auf der Grundlage der diesbezüglichen Rechtsprechung und ihrer Anwendung auf vertikale Fusionen gemäß den Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse vertrat die Kommission die Ansicht, dass das Vorhaben aus den in den Erwägungsgründen 278-283 genannten Gründen wahrscheinlich keine wettbewerbsschädigenden Auswirkungen durch Koordinierung nach sich ziehen würde193.

(278) Erstens gibt es derzeit keinen Hinweis auf eine Koordinierung zwischen Tele Atlas und NAVTEQ. Die Ergebnisse der Marktuntersuchung belegen genau das Gegenteil. Vor der Fusion standen Tele Atlas und NAVTEQ im Hinblick auf preisbezogene und nicht preisbezogene Aspekte im Wettbewerb zueinander. Infolgedessen sind die Preise für Kartendatenbanken deutlich gefallen, und eine innovative Entwicklung der Karten war in den letzten Jahren von großer Bedeutung194.

(279) Zweitens untersuchte die Kommission, ob angesichts der bestehenden Merkmale des Marktes mit einer Koordinierung zu rechnen ist. Eine wirksame Koordinierung auf einem Markt setzt voraus, dass die betreffenden Unternehmen in der Lage sind, die Koordinierungsmodalitäten zu vereinbaren, Abweichungen davon zu überwachen und durch Abschreckungsmaßnahmen zu verhindern. Außerdem muss sichergestellt sein, dass die Koordinierung nicht durch Reaktionen von Außenstehenden gefährdet wird.

193 Die Kommission war bereits zu dieser Schlussfolgerung gelangt, bevor sie den Parteien die Beschwerdepunkte mitgeteilt hatte. Dieses Dokument beinhaltete daher keine Beschwerdepunkte im Zusammenhang mit koordinierten Effekten. 194 Die Bruttogewinnspanne von Tele Atlas, in der Fixkosten grundsätzlich nicht berücksichtigt sind, ist hoch, weil die Grenzkosten für eine Kartendatenbank gegen null gehen. Wenn die Fixkosten für die Entwicklung einer Kartendatenbank jedoch berücksichtigt werden, wird deutlich, dass Tele Atlas erst seit kurzem dank des wachsenden Marktes für digitale Kartendatenbanken Gewinne macht.

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(280) Diese Kriterien machen eine wirksame Koordinierung auf dem Markt für navigationsfähige digitale Kartendatenbanken unwahrscheinlich. Die Parteien sind wohl kaum in der Lage, kollusive Absprachen zu treffen. Insbesondere eine Koordinierung der Preise dürfte schwierig sein, weil die Preise für Kartendatenbanken nicht transparent sind. Außerdem ist keine geografische Trennung zwischen Tele Atlas und NAVTEQ erkennbar. Die beiden Unternehmen stehen vielmehr in den gleichen Regionen im Wettbewerb zueinander. Schließlich würde sich eine Aufteilung der Kunden auf dem PND-Markt schwierig gestalten, weil die relative Größe der PND- Hersteller Schwankungen unterworfen ist, und seit dem Jahr 2004 viele neue Unternehmen dazugekommen sind. Außerdem ist es aufgrund der bestehenden Merkmale des Marktes unwahrscheinlich, dass wirksame Überwachungs- und Abschreckungsmechanismen greifen könnten. Beispielsweise sind die Preise für Kartendatenbanken nicht transparent, und die umfassenden, dafür aber seltenen Verträge lassen Abweichungen von möglichen kollusiven Absprachen wahrscheinlicher werden. Darüber hinaus kann eine Abweichung von den Absprachen wegen der hohen Fixkosten und der niedrigen Grenzkosten in der Branche attraktiv werden. Des Weiteren könnten die Kunden mit langfristigen Verträgen auf eine Koordinierung reagieren, was ebenfalls Anreize für eine Abweichung schafft.

(281) Das wichtigste Argument schließlich ist, dass es keinen eindeutigen Beweis dafür gibt, dass die vertikale Integration von TomTom und Tele Atlas einer Koordinierung zwischen den Herstellern von Kartendatenbanken mehr Raum bieten würde. Anders als im Falle horizontaler Fusionen wird bei dem geplanten Vorhaben nicht durch Ausschaltung eines Mitbewerbers auf dem Markt die Vereinbarung von Koordinierungsmodalitäten erleichtert. Durch das Vorhaben wird weder die Preistransparenz erhöht, noch wird dadurch ein Preisausreißer (pricing Maverick) ausgeschaltet, der eine Koordinierung verhindern würde. Die beabsichtigte Integration von TomTom und Tele Atlas geht zu Lasten der Marktsymmetrie, wenn NAVTEQ nicht mit Nokia integriert ist. Wenngleich einige Aspekte einer vertikalen Fusion mehr Raum für Koordinierung geben können195, erscheint eine Koordinierung in diesem Fall wegen der in Erwägungsgrund (280) beschriebenen Merkmale des Marktes unwahrscheinlich.

(282) Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass das Vorhaben eine Koordinierung auf dem PND-Markt überhaupt möglich macht, weil der PND-Markt sehr dynamisch ist. Zahlreiche Unternehmen stehen im Wettbewerb zueinander und ständig drängen neue Unternehmen auf den PND-Markt. Wie in Erwägungsgrund (251) erläutert, wird das Vorhaben zu keiner Abschottung führen. Daher wird sich auch die Zahl der Anbieter auf dem PND-Markt nicht reduzieren.

(283) Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen kommt die Kommission zu dem Schluss, dass das Vorhaben wohl keine wettbewerbsschädigenden Auswirkungen durch Koordinierung nach sich ziehen wird.

195 Beispiel: Aufgrund der Tatsache, dass ein Kunde auf dem nachgelagerten Markt jetzt mit einem Unternehmen auf dem vorgelagerten Markt integriert ist, hätte das nicht integrierte Unternehmen weniger Möglichkeiten, von kollusiven Absprachen abzuweichen. Eine vertikale Fusion hat jedoch auch Auswirkungen, die einer Koordinierung im Wege stehen können. Wenn ein nachgelagerter Kunde integriert ist, ist es beispielsweise nicht mehr so leicht möglich, das integrierte Unternehmen im Fall einer Abweichung von den Absprachen zu sanktionieren.

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IX. SCHLUSSFOLGERUNG

(284) Aus diesen Gründen kommt die Kommission zu der Schlussfolgerung, dass der beabsichtigte Zusammenschluss den wirksamen Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes nicht erheblich beeinträchtigen würde. Der Zusammenschluss sollte daher gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Fusionskontrollverordnung als mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR- Abkommen vereinbar erklärt werden –

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1 Der angemeldete Zusammenschluss, durch den TomTom N.V. im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates die alleinige Kontrolle über das Unternehmen Tele Atlas N.V. erwirbt, wird als mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen vereinbar erklärt.

Artikel 2 Diese Entscheidung ist gerichtet an: TomTom N.V. Rembrandtplein 35 NL-1017 CT AMSTERDAM

Brüssel, den 14.5.2008

Für die Kommission (Unterschrift) Neelie KROES Mitglied der Kommission

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