NIEDERSÄCHSISCHER STÄDTETAG NST-NNACHRICHTEN

12018

ALLGEMEINE VERWALTUNG

Starker Sport – Starke Kommunen

Seite 5

JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT

„Vom Ankommen zur Teilhabe – Flüchtlings­politik als Aufgabe und Heraus­ forderung niedersächsischer Kommunen“ Seite 23 Beitragsbefreiung für Kindergärten in Niedersachsen Seite 25 Positionspapier des NST zur Finanzierung der Kindertages­ betreuung Seite 27

AUS DEM VERBANDSLEBEN

Neuausrichtung Verband und Geschäftsstelle

Seite 34 im

46. Jahrgang

Verlag WINKLER & STENZEL GmbH

ISSN 1615-0511 VERMIETUNG WINKLER & STENZEL GmbH, Burgwedel EXCLUSIVER FERIENDOMIZILE WESTERLAND · WENNINGSTEDT · RANTUM · HÖRNUM

HÖPERSHOF SYLT Rezeptionsbüro · Boysenstraße 16-18 · 25980 Westerland Telefon 04651 6695 · Telefax 04651 9955967 [email protected] · www.hoepershof-sylt.de Inhalt

NST-NNACHRICHTEN Stadtportrait 2 Tourismushochburg im Harz – die Stadt Braunlage Editorial 3 ISG-Seminare 4 Allgemeine Verwaltung Starker Sport – Starke Kommunen Impressum Städte und Gemeinden als Räume der Bewegung 5 Rechtsbehelfsbelehrung – die Mindestanforderungen Herausgeber: Von Stefan Wittkop 13 Niedersächsischer Städtetag Prinzenstraße 17, 30159 Hannover NST: Flohmärkte auch an Sonn- und Feiertagen 14 Telefon 0511 36894-0, Telefax 0511 36894-30 [email protected], www.nst.de Störungen durch übermäßigen Alkoholkonsum – was können Kommunen dagegen tun? Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt: Von Dr. Viola Sporleder-Geb 15 Schriftleitung Hauptgeschäftsführer Dr. Jan Arning Finanzen und Haushalt „Die Frage nach dem Geld – mit KfW Förderprodukten Verlag, Gesamtherstellung und kommunale Herausforderungen meistern“ Anzeigenverwaltung: WINKLER & STENZEL GmbH Von David Michael Näher 19 Schulze-Delitzsch-Straße 35, 30938 Burgwedel Telefon 05139 8999-0, Telefax 05139 8999-50 Schule, Kultur und Sport [email protected], Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes www.winkler-stenzel.de (NSchG) Von Nicole Teuber 21 ISSN 1615-0511 Jugend, Soziales und Gesundheit „Vom Ankommen zur Teilhabe – Flüchtlings­politik als Aufgabe Zurzeit ist die Anzeigenpreisliste Nr. 18 vom und Heraus­forderung niedersächsischer Kommunen“ 23 1. Januar 2018 gültig. Beitragsbefreiung für Kindergärten in Niedersachsen 25 Die Zeitschrift erscheint zweimonatlich. Positionspapier des NST zur Finanzierung der Bezugspreis jährlich 36 Euro, Einzel- preis 6 Euro zuzüglich Versandkosten. Kindertagesbetreuung 27 In den Verkaufspreisen sind sieben Pro- Aus dem Verbandsleben zent Mehrwertsteuer enthalten. Für 228. Sitzung des Präsidiums am 6. September 2017 in Hitzacker 32 die Mitglieder des Niedersächsischen Städtetages ist der Bezug durch den 230. Sitzung des Präsidiums am 8. Februar 2018 in Stade 33 Mitgliedsbeitrag abge­golten. Wir bitten, Neuausrichtung Verband und Geschäftsstelle 34 Bestellungen der Zeit­schrift an den Verlag zu richten. Rechtsprechung

Mit dem Namen des Verfassers Kostenerstattung für Rechtsberatung zu Fraktions­kosten­zuschüssen 35 veröffent­lichte Beiträge stellen nicht Mitglieder berichten 41 immer die Auff assung der Schrift- Neues Stadtquartier in Wolfsburg wird „Sonnenkamp“ heißen leitung bzw. des Herausgebers dar. Für den Inhalt der Anzeigen über- Personalien 39 nimmt der Verlag keine Gewähr. Schrifttum 24, 40 Nachdruck und Vervielfälti­ gung nur mit Genehmigung der Redaktion. Es ist ohne aus- drückliche Genehmigung des Verlages nicht gestattet, foto- grafische elektronische Dokumente und ähnliches von Erhalten Sie Informa­tionen, den Heften, von einzelnen Hinweise, Positionen, Beschlüsse Beiträgen oder von Teilen aktuell auch über facebook. Mit daraus herzustel­­ len.­ einem „Gefällt mir“-Klick auf Gedruckt auf chlorfrei unserer Seite ist dies möglich. gebleichtem Papier. http://www.facebook.com/ niedersaechsischerstaedtetag

Titelfoto www.nst.de Blick auf den Hütteberg, Stadt Braunlage

NST-N 1-2018 1 Stadtportrait

Tourismusmagnet Wurmberg

Tourismus- Der zweite Weltkrieg veränderte alles. Nach dem Ende abge­ schnitten von weiten Bereichen des wirtschaftlichen und touristischen Umfelds wurden statt Touristen tausende hochburg im Harz – Kriegsflüchtlinge beherbergt. Die Orte wuchsen auf mehr als das Doppelte der Vorkriegseinwohnerzahl. Mit der Wäh­ die Stadt Braunlage rungsreform wurde ab 1948 der Tourismus zaghaft wieder aufgenommen. Bei Millionen Kriegsbeschädigten prägte der Mit über 1,2 Millionen registrierten Übernachtungen bilden Gesundheitstourismus die kommenden Jahrzehnte. die drei Orte Braunlage, Bergstadt Sankt Andreasberg (Fusion Mit Hilfe der Zonenrandförderung wurden nach 1970 2011) und Hohegeiß (Eingemeindung 1972) als Stadt Braun­ Großhotels, Kurhäuser, Tennishallen, Hallenbäder und ein lage mit 6000 Einwohnern den touristischen Schwerpunkt Eisstadion errichtet. Allen drei Orten wurde zu verschiedenen im Harz. Mit Höhenlagen von 500 bis über 900 Metern ü. NN Zeiten aufgrund der besonders guten Luft und der ausgepräg­ sind die Orte die schneesichersten und sonnennächsten des ten Erholungsinfrastruktur das Prädikat „Heilklimatischer Landes Niedersachsen. Im zentralen Teil des Harzes liegen Kurort“ zugesprochen. Die Grenzöffnung 1989 sorgte in den sie weit genug entfernt vom Regenstau an der Nord- und drei Folgejahren für Höchststände bei den Übernachtungs­ Nordwestseite des Gebirges und zahlen. Die Gesundheitsstrukturreform im profitieren von der südlichen Jahr 1996 leitete das Ende dieser Epoche Sonneneinstrahlung. Zur Stadt Braunlage gehören ein. Der Kurtourismus brach danach regel­ Braunlage mit den Ortsteilen Eine durchgehende Sied­ recht zusammen. Königskrug und Brunnenbachs- Die Stadt wurde in den vergangenen 20 lungsgeschichte begann mit der mühle, St. Andreas­berg mit den Wiederaufnahme des Bergbaus Ortsteilen , Oderhaus, Jahren neu ausgerichtet. Der Nationalpark­ im 15. Jahrhundert. Die „Grube Oderbrück, Oderberg, Odertaler Harz zieht unter dem Schlagwort „Natur Samson“ in St. Andreasberg Sägemühle und Silberhütte, erleben“ neue Besuchergruppen an. Über Hohegeiß. erinnert als UNESCO-Welterbe 2000 Kilometer Mountainbikerouten und Erlebnisbergwerk an die führen durch die Wälder. Die Winter­ Gründungszeit. Metall-, Stein- sportinfrastruktur am Wurmberg wurde und Holzgewinnung und -verarbeitung prägten die Orte über durchgreifend modernisiert. Wagemutige können sich auf Jahrhunderte. Mit dem Eisenbahnzeitalter und der Einführung Downhill-Abfahrten mit Mountainbikes und Monsterrollern des Skilaufs durch den in Braunlage wirkenden Oberförster den Wurmberg hinabstürzen oder ihren Gleichgewichtssinn Arthur Ulrichs besuchten nach 1880 immer mehr Touristen im Hochseilgarten schärfen. Bogenschützen aus mehr als 25 die Orte und ihre Umgebung. Die „Dicken Tannen“ in Hohe­ Ländern richten ihre Europameisterschaften aus. Das Eissta­ geiß, der bei St. Andreasberg und der Wurmberg bei dion wird modernisiert. Themenwege animieren selbst Kinder Braunlage sind zeitlose Attraktionen. und Jugendliche wieder zum Wandern. Fast jeder zweite Haushalt bot Gästebetten an, Sanatorien, Besucher aller Altersgruppen aus ganz Deutschland, den eine Klinik und etliche Hotels veränderten die Orte. Erholung Niederlanden und Skandinavien sorgen für einen anhaltenden im Sommer und eine ausgefeilte wintersportliche Infrastruk­ Aufschwung seit dem Jahr 2012. Mit umfangreichen privaten tur mit Schanzen, Loipen, Rodelbahnen und Abfahrtspisten Investitionen im Beherbergungsgewerbe wird die Zukunft der sicherten die touristische Auslastung. Der erste Weltkrieg Stadt Braunlage als ganzjährig erlebbare Destination abge­ unterbrach die stürmische Entwicklung nur vorübergehend. sichert. Schauen Sie selbst, ein Besuch lohnt sich.

2 NST-N 1-2018 Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

heute erscheint die erste Ausgabe der NST-N in neuem Gewand. Wir werden künf­ tig mit einem neuen, etwas moderneren Layout „aufmachen“. Es bleibt natürlich dabei, dass eines unserer Mitglieder die Titelseite der NST-N ziert. Auch das „Grün des Verbandes“ bleibt als Erkennungsmerkmal unserer Zeitschrift erhalten. Wir wollen es aber nicht allein bei Äußerlichkeiten belassen. Als Geschäftsstelle möchten wir Ihnen künftig einen stärkeren Einblick in unsere Arbeit geben. Daher werden wir öfter als bisher selbst Artikel über unsere Tätigkeit verfassen. Diese treten neben die Artikel von Gastredakteuren. Damit wir die erforder­liche Qualität sicherstellen können, wird die Zeitschrift künftig im Rhythmus von zwei Monaten

Dr. Jan Arning, erscheinen. Unsere Zeitschrift wird als pdf-Dokument, wie bisher, auf unserer Hauptgeschäftsführer Internetseite zum Download bereit stehen. Künftig werden wir sie den Haupt­ verwaltungsbeamten und Mitgliedern der Vertretungen auch als pdf-Dokument direkt zuleiten. In der aktuellen Ausgabe der NST-N liegt der inhaltliche Schwerpunkt ein- mal mehr im Bildungsbereich. Dieser Bereich hat in den letzten zehn bis 15 Jahren eine besondere Dynamik entwickelt. Wir haben den Rechtsanspruch auf Betreuung in der Krippe noch nicht einmal vollständig abgearbeitet und verhandeln derzeit mit dem Land über einen Rechtsanspruch auf den beitragsfreien Besuch des Kin­ dergartens. Da erscheint am Berliner Horizont schon der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz. Es verwundert daher nicht, dass der Bildungsbereich mitt­ lerweile einen Schwerpunkt kommunaler Aufgabenwahrnehmung bildet, auch in finanzieller Hinsicht. Insbesondere die Beitragsfreiheit im Kindergarten hat für die Kommunen eine außergewöhnlich hohe finanzielle Bedeutung. Und ich sage ganz unumwunden: Der Konnexitätsausgleich für die ab dem Kita-Jahr 2018/2019 weg­ fallenden Elternbeiträge sowie eine darüber hinausgehende Beteiligung des Landes an den Betriebskosten der Kindergärten sind der Lackmustest für die Kooperation zwischen Kommunen und Land in der gesamten 18. Wahlperiode. Über den Bildungsbereich hinaus umfasst die Ausgabe unter anderem Beiträge zu den Mindestanforderungen an Rechtsbehelfsbelehrungen und zur Neuaus­ richtung von Verband und Geschäftsstelle. Hier hat es im Zusammenhang mit dem Wechsel in der Hauptgeschäftsführung einige organisatorische Änderungen gegeben, über die wir Sie gern informieren möchten. Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!

Herzliche Grüße aus Hannover!

Ihr

NST-N 1-2018 3 Die Innovative Stadt GmbH des Niedersächsischen Städte­tages bietet laufend Seminare für Mandatsträgerinnen und Mandats­träger sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Kommunen an. Das Seminar­angebot wird dabei ständig aktualisiert und ist immer aktuell unter www.innovative-stadt.de abrufbar. Alle Informationen zu den Inhalten, Terminen und Preisen der hier kurz vorgestellten Seminare finden sich auf dieser Seite. Hier ist auch eine Online-Anmeldung mit Platz­garantie möglich. Veranstaltungsort: Akademie des Sports im Landes­SportBund Niedersachsen e. V., Ferdinand-Wilhelm-Fricke-Weg, 30169 Hannover

1.3.2018 8.3.2018 23.4.2018 Aktuelle Rechtsprobleme bei Bestattung durch die Gemeinde Schulspeisung 2018: der Vergabe von Architekten- - leichtgemacht Vergabe- und Steuerrecht und Ingenieurleistungen 2018 Referent: Referenten: Referent: Dr. Dietrich Borchert, Dr. Thomas Horn Dr. Dietrich Borchert, bbt-Rechtsanwälte bbt-Rechtsanwälte, 14.3.2018 Marcel Baumgart, Steuerberater, 3.3.2018 Vergaberecht: Unterschwellen­ Daniela Trittel , Steuerberaterin Kommunalrecht für Ratsmit- vergabeverordnung (UVgO) glieder, Ausschussvorsitzende, Referent: 3.5.2018 Ortsbürgermeister Rechtsanwalt Oskar Maria Geitel Kooperation, Konfrontation und Referent: Beschwerdemanagement MinDirig. a. D. Robert Thiele 5.4.2018 Referentin: Exklusiv: Das rollende Mitinhaberin Theleadership 5.3.2018 Bürgermeisterbüro Gwendolin Jungblut Grundkurs: Grundbuchrecht Referent: in der kommunalen Praxis Hardy Hessenius, Referent: Administrator und Berater Rechtspfleger Andreas Hornow 19.4.2018 6.3.2018 Rhetorik und Arbeitsrecht für Rechtssichere Stellenbesetzung Führungskräfte: Rechtssicher Referentin: Personalgespräche führen Rechtsanwältin Anja Möhring Referenten: Dr. Arnd Stiel, Rechtsanwalt, 8.3.2018 Dr. Uwe Simon, Rechtsanwalt bei Baugebühren bbt-Rechtsanwälte Referent: Dipl.-Ing. Harald Toppe, Referent für Grundsatzfragen

Wissen schafft Vorsprung.

4 NST-N 1-2018 Positionspapier des Deutschen Städte- und Gemeindebundes vom 2. November 2017 Starker Sport – Starke Kommunen Städte und Gemeinden als Räume der Bewegung

Sport ist ein bedeutender und integraler auch Parks und Grünanlagen nicht gen und kann helfen, Vorurteile abzu­ Bestandteil der kommunalen Gesell­ nur Raum für Naherholung oder Frei­ bauen, Minderheiten zu integrieren und schaft. Von daher war es folgerichtig, zeitgestaltung, sondern stellen auch Werte zu vermitteln. Der Sport ist zum dass 2008 eine Kooperationsvereinba­ Sport- und Bewegungsflächen für die Beispiel ein unverzichtbarer Baustein rung zwischen dem Deutschen Olym­ Menschen dar. für Integration, das Erlernen von Fair pischen Sportbund (DOSB) und dem Das Sportverhalten der Menschen Play, Disziplin, Verlässlichkeit, Leis­ Deutschen Städte- und Gemeindebund ändert sich. Nur noch ein Drittel der tungsbereitschaft und dem Respekt vor sowie dem Deutschen Städtetag unter Aktivitäten finden in Sportvereinen Regeln. Hier kommt den Vereinen mit der Überschrift „Starker Sport – starke statt, zwei Drittel dagegen individuell ihren vielen ehrenamtlichen­ Betreu­ Städte und Gemeinden“ geschlossen und unorganisiert. Über 50 Prozent der ern eine entscheidende Funktion zu. wurde. In der Vereinbarung werden aktiven Menschen nutzen den öffent­ Kommunen werden und müssen diese die zentrale Rolle der kommunalen lichen Raum (Parks, Frei- und Grün­ Strukturen konsequent fördern. Sportpolitik herausgestellt und kon­ anlagen, Wege, Plätze und Freiflächen) krete Handlungsempfehlungen für die für ihre Aktivitäten. Auch der demogra­ 2. Sport – Unverzichtbarer künftige Zusammenarbeit der Verbände fische Wandel hat Auswirkungen auf Partner der Kommunen beschrieben. Für den Deutschen Städte- das Bewegungsverhalten. Kinder und Eine Stadt oder Gemeinde ohne Sport und Gemeindebund ist es an der Zeit, Jugendliche interessieren sich neben ist nicht denkbar. Sport gehört zur an diese Vereinbarung zu erinnern und den Mannschaftssportarten zum Bei­ kommunalen Identität und ist ein die Partnerschaft von Sport und Kom­ spiel für Trendsportarten wie Parkour, unverzichtbarer Bestandteil kommu­ munen zu bekräftigen. Die Städte und Bike-Polo, Crossgolf oder Slackline, naler Daseinsvorsorge. Es darf nicht Gemeinden sind gut beraten, Sport und während für ältere Menschen Fitness, übersehen werden, dass die Städte und Bewegung einschließlich der Sportver­ Radfahren, Wandern oder Schwimmen Gemeinden vor zahlreichen Heraus­ eine zu fördern und zu unterstützen. Der im Vordergrund stehen. Vorausschau­ forderungen stehen und gleichzeitig Sport wirkt bei Bildungs- und Erzie­ ende und nachhaltige Stadtplanung die finanziellen Spielräume in vielen hungsprozessen, der Inklusion und berücksichtigt diese Wünsche der Kommunen nach wie vor begrenzt sind Integration, Gesundheitsförderung, Einwohner. und die Handlungsfähigkeit einschrän­ Werteorientierung und Teilhabe für alle Kommunen, denen es gelingt, Sport- ken. Die Städte und Gemeinden haben Bevölkerungsgruppen mit. Er ist unver­ und Freizeitangebote mit einem aktiven aber erkannt, dass sie zur Bewältigung zichtbarer Teil unseres kulturellen und Vereinsleben zu kombinieren, entfalten der Herausforderungen einschließlich sozialen Lebens. eine hohe Bindungswirkung und stärken der Stadtentwicklung Partner brau­ die sozialen Strukturen. Sportstätten chen. In diesem Zusammenhang muss 1. Sport und Freizeit sind sind nicht nur Orte, wo Menschen sich den Städten und Gemeinden die beson­ Standortfaktoren und bewegen, sondern auch Einrichtungen, dere Bedeutung des Sports mit seinen unverzichtbarer in denen Menschen unterschiedlicher vielfältigen Angeboten als wichtiger Bestandteil kommunaler Herkunft gemeinsam Freizeit in ihrer Partner bewusst bleiben. Sportver­ Daseinsvorsorge Kommune erleben können. Es darf nicht eine leisten einen großen Beitrag zum Sport und Freizeit sind in der heutigen unterschätzt werden, dass die Attrak­ Gemeinwohl und sind maßgeblich für Gesellschaft wichtige Standortfaktoren tivität nicht nur für Bürgerinnen und die Aufrechterhaltung des Leistungs-, und leisten einen wesentlichen Bei­ Bürger, sondern auch für Wirtschafts­ Breiten-, Freizeit- und Gesundheits­ trag zur Lebensqualität in den Städten unternehmen von den vorhandenen sports verantwortlich. Die Städte und und Gemeinden. Nicht nur im Urlaub, sportlichen Angeboten abhängt. Gemeinden müssen sich immer vor sondern auch im alltäglichen Leben Dabei geht es um mehr als den Spaß Augen führen, dass die Bedeutung des erwarten die Menschen ein attraktives oder die Freude an Bewegung. Sport Sports für die Allgemeinheit weit über Sport- und Freizeitangebot für sich fördert nicht nur das persönliche Wohl­ den bloßen individuellen Freizeitnutzen und ihre Kinder. Wichtige Aufgabe der befinden, sondern vermittelt soziale hinausgeht. Der Sport hat sich längst Kommunen ist es daher, wohnortnahe Kompetenzen und ermöglicht allen als eine öffentliche Querschnittsaufgabe Spiel- und Sportanlagen für ihre Bür­ Menschen Teilhabe am gesellschaft­ etabliert, die sich unter anderem auf gerinnen und Bürger zur Verfügung zu lichen Leben. Der Sport kann Brücken die Politikfelder Bildung, Kinder- und stellen. Neben den klassischen Sport­ zwischen Menschen unterschiedlichster Jugendhilfe, Freizeit und Gesundheit plätzen oder Sporthallen bieten dabei sozialer und kultureller Herkunft schla­ erstreckt.

NST-N 1-2018 ALLGEMEINE VERWALTUNG 5 Vor Ort ist man deshalb in der Lage, erwarten. Es sollten vor Ort zwischen kognitiv deutlich leistungsfähiger und im Rahmen der freiwilligen Selbstver­ den Kommunen und dem organisier­ Sport führt zu einem höheren Wider­ waltungsaufgabe die Sportförderung ten Sport im Rahmen der Sportförde­ stand gegen Stressfaktoren. Sport und in angemessene Relation zu den son­ rung klare Ziele und Schwerpunkte der Bewegung sind Mittel der Primär-, stigen freiwilligen Aufgaben zu setzen, Zusammenarbeit definiert und benannt Sekundär- und Tertiärprävention. Mit die ebenfalls aufrechterhalten werden werden. Die Sportförderung sollte nicht den „Nationalen Empfehlungen für müssen. Die Kommunen tragen 80 Pro­ bedingungslos erfolgen, sondern unter Bewegung und Bewegungsförderung“ zent der öffentlichen Sportförderung. der Prämisse, was der Sport zum Errei­ liegen Empfehlungen zur Bewegung Sie stellen im Wesentlichen die Spor­ chen der Stadtziele beitragen kann. und Bewegungsförderung für Deutsch­ tinfrastruktur zur Verfügung und unter­ Dies setzt voraus, dass die Stadt und land vor. Sie gelten für Kinder und stützen die Sportvereine vor Ort. Davon Gemeinde sich dieser Ziele bewusst ist Jugendliche, für Erwachsene und ältere profitieren die über 90 000 Vereine mit und die Potenziale des Sports erkennt Menschen und richten sich an Fachleute ihren rund 27 Millionen Mitgliedern. sowie die im Wesentlichen ehrenamt­ in den unterschiedlichen Bereichen und Sportstätten stellen einen harten Stand­ lich erbrachten Leistungen der Sport­ Einrichtungen. Gesundheitsförderung ortfaktor dar, der das Image einer Stadt vereine anerkennt. Weitere zwingende und Prävention des Einzelnen können oder eines Stadtteils beeinflusst. Dies Voraussetzung ist, dass in den Kom­ nicht staatlich verordnet oder gesetzlich gilt auch außerhalb der Metropolen. munalverwaltungen und der Kommu­ geregelt werden. Auch die zahlreichen nalpolitik die Querschnittsfunktion des Kampagnen insbesondere des Bundes 3. Gesellschaftliche Sports wahrgenommen wird und sich zeigen nur bedingt Erfolge. Es bedarf Bedeutung des Sports in der Zusammenarbeit der Fachämter anderer Wege, die Menschen für einen Der gesellschaftliche, soziale, aber auch wiederspiegelt. gesunden Lebensstil zu gewinnen. Die der ökonomische Beitrag des Sports ist Sportvereine bieten bundesweit über ein unentbehrlicher Bestandteil eines 3.1 Gesundheitsförderung und 18 000 zertifizierte Gesundheitssport­ funktionierenden örtlichen Gemein­ -prävention angebote für alle Altersgruppen an. Die wesens. Die kommunale Sportpolitik Sport und Bewegung leisten einen wich­ Sportvereine haben den Vorteil, die ver­ muss der beschriebenen gesellschaft­ tigen Beitrag zur Gesundheitsförderung schiedensten Zielgruppen in ihren all­ lichen Bedeutung des Sports und den und zur Gesundheitsprävention. Wer täglichen Lebensbezügen zu erreichen. dahinterstehenden Poten­zialen der sich bewegt, steigert sein Wohlbefin­ Der präventive Ansatz sollte für Mitgestaltung der Lebenswelt vor Ort den und beugt Krankheitsrisken vor, alle Altersgruppen weiter ausgebaut Rechnung tragen. Dazu gehört, diese zum Beispiel durch Übergewicht ver­ werden: Potenziale zu erkennen. Der Sport ist ursachte Herzerkrankungen oder Dia­ Den Kindertageseinrichtungen und weit mehr als körper­liche Aktivität. betes. Übergewicht erhöht das Risiko Schulen kommt eine große Bedeutung Sportvereine sind Partner in Bildungs- des Auftretens einer Typ-2-Diabetes, zu. Das Konzept des Bewegungskinder­ und Erziehungsprozessen, der Jugend­ einer koronaren Herzerkrankung oder gartens sollte möglichst flächendeckend arbeit, Gesundheitsförderung, Inklu­ eines Schlaganfalls. Die Mehrzahl der umgesetzt werden. In einem Bewe­ sion und Integration, um nur einige Rückenerkrankungen ist Folge von gungskindergarten wird Bewegung als Themenfelder zu nennen. Sport unter­ Bewegungsmangel. Der 3. Kinder- wesentliches Gestaltungsinstrument­ stützt die soziale Teilhabe aller Bevöl­ und Jugendsportbericht weist auf die im pädagogischen Gesamtkonzept kerungsschichten. Der Sport fördert Bedeutung von Sport und Bewegung umgesetzt. Es geht von der richtigen das Miteinander von Jung und Alt, von für eine optimale körperliche, soziale Grundannahme aus, dass Kinder einen Menschen mit und ohne Behinderung und intellektuelle Entwicklung hin. natürlichen Bewegungsdrang haben und von ausländischen und deutschen Insbesondere Kinder und Jugendliche und Bewegungswesen sind. Viele Einwohnerinnen und Einwohnern. brauchen Sport- und Bewegungsan­ Sportvereine kooperieren mittlerweile Sportvereine bemühen sich auch darum, gebote für ein gesundes Heranwach­ bei der Gestaltung und Umsetzung der sozial benachteiligte Menschen, insbe­ sen. Eine aktuelle Studie des Imperial Bewegungskindergärten. Im Hinblick sondere Kinder und Jugendliche, ein­ College London mit der Weltgesund­ auf kontinuierliche und nachhaltige zubeziehen. Noch nicht überall werden heitsorganisation (WHO) beklagt die Entwicklungen sollte eine Verzahnung diese Potenziale ausreichend genutzt. Zunahme stark übergewichtiger Kin­ im Rahmen der Kooperation Kinderta­ Sportvereine leisten einen wesentlichen der. Wer bereits als Kind zu dick ist, hat gestätten und Schulen erfolgen. Beitrag zur Lebensqualität in Städten ein erhöhtes Risiko, an chronischen In Schulen ist die dritte Sportstunde und Gemeinden. In ländlichen Regionen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes weiterhin nicht Standard, zu oft wird sind die Sportvereine häufig die letzten zu erkranken. Nach Untersuchungen der Sportunterricht von nicht dafür Freizeitanbieter. in Deutschland gelten 15 Prozent der ausgebildeten Lehrern durchgeführt. Die Kommunen sollten gegenüber den Heranwachsenden als übergewichtig, Der Sportunterricht ist so auszuge­ Vereinen aber auch deutlich machen, über sechs Prozent als adipös. Sport­ stalten, dass die Schüler sich auch was sie von ihnen an Unterstützung lich aktive Menschen sind in jedem Alter mindestens 30 Minuten bewegen. Die

6 ALLGEMEINE VERWALTUNG NST-N 1-2018 Bewegungsmöglichkeiten im Schulum­ räume unterstützen. Stadtentwicklung Dadurch wird die bisher ungenutzte feld, wie die aktive Schulpause oder der und Städtebauförderung müssen sich Leistungsfähigkeit der genannten Schulweg, sollten genutzt werden. Sport diesen Herausforderungen stellen. unterschiedlichen Bildungsorte ins und Bewegung sollten fest integrierter Formen der Bewegungskultur müssen Blickfeld gerückt. In diesem Zusam­ Bestandteil des gesamten Schultags öffentlich sichtbar sein. Bewegungs­ menhang ist auch die besondere Rolle sein. Die Kultusministerkonferenz sollte angebote in kommunalen Grünflächen der Sportvereine als non-formale Bil­ dafür sorgen, dass der Sportunterricht und öffentlichen Parks können „Bewe­ dungsorte anzuerkennen. Sie sind der in dem vorgesehenen Umfang und durch gungsmuffel“ ebenso animieren, an größte non-formale Bildungsakteur im dafür ausgebildete Lehrkräfte tatsäch­ Bewegungsangeboten teilzunehmen, Kindes- und Jugendalter. lich stattfindet, aber auch gemeinsam wie öffentliche Bewegungsparcours. Zielgerichtete non-formale Trai­ mit den kommunalen Spitzenverbänden Städte und Gemeinden sollten die Ver­ ningsprozesse zum Erlernen komplexer Konzepte für eine „bewegte Schule“ eine darin unterstützen, qualifizierte motorischer Fähigkeiten und Fertigkei­ erarbeiten. Dazu gehören zum Beispiel Partnerschaften einzugehen. Diese ten stellen den Kern der Sportvereine mehr Bewegung im Unterricht, Bewe­ Angebote stehen allen Bevölkerungs­ dar. Kinder und Jugendliche lernen im gung im Lern- und Lebensraum Schule, schichten offen: der krafttrainingsbe­ Sport Werte, die das gesellschaftliche bewegte Pausen sowie die bewegungs­ geisterte Jugendliche fühlt sich ebenso Zusammenleben prägen: Respekt, fördernde Gestaltung der Pausenhöfe. angesprochen wie der Geschäftsmann, Toleranz, Solidarität, Verantwortung Die Städte und Gemeinden sollten die der sie nach einem Arbeitstag zum und Teamgeist. Ein weiteres beson­ Sportstätten und Schulhöfe bewe­ Work­out nutzt. Städte und Gemeinden deres Bildungspotenzial der Sport­ gungsgerecht gestalten und öffnen. bieten die Bewegungsangebote vielfach vereine besteht im ehrenamtlichen Sie sollten für Kinder und Jugendliche kostenlos an, damit auch Bürger „mit­ und freiwilligen Engagement. Durch in- und außerhalb der Schulzeit nutzbar machen“ können, die sich eine Mit­ Übernahme von Verantwortung entwi­ sein, aber auch für die übrigen Men­ gliedschaft im Verein oder Fitnessstudio ckeln sich vielfältige informelle Lern­ schen im Umfeld der Schule. nicht leisten können oder aus welchen gelegenheiten für die Engagierten. Der Die Städte und Gemeinden bieten Gründen auch immer nicht einem Ver­ 2. Engagementbericht weist ausdrück­ gemeinsam mit dem organisierten ein beitreten möchten. lich darauf hin, dass Kompetenzen im Sport ein vielfältiges Spektrum zur Das Gesundheitspräventionsgesetz zwischenmenschlichen Bereich (soge­ Bewegungs- und Mobilitätsförderung öffnet weitere Möglichkeiten, auch nannte Soft Skills wie Teamfähigkeit, älterer Menschen. Diese reichen von der die Krankenkassen in die bewegungs­ Eigenverantwortung, kommunikative Schaffung eines bewegungsförderlichen fördernde Gesundheitsprävention Kompetenzen oder Hilfsbereitschaft) Wohnumfeldes über Bewegungsräume/ einzubeziehen. Die Nationale Präven­ sich über Sport und Ehrenamt im Sport Bewegungsparcours im Quartier, Ange­ tionskonferenz unterstützt zielbezo­ herausbilden können. Für Kinder und bote zur Stärkung der Bewegungs­ gene ressortübergreifende kommunale Jugendliche könne der Sport zu einem kompetenz bis hin zur Gestaltung des Strategien der Gesundheitsförderung. wichtigen informellen Lernort werden. öffentlichen Raums. Viele Vereine bie­ Über die kommunalen Zuständigkeiten Dies gelte insbesondere in ländlichen ten Angebote der Prävention und des und Handlungsfelder hinweg sollen Regionen und kleineren Gemeinden, in Gesundheits- und Rehabilitations­ gesundheits- und sicherheitsförder­ denen Sportvereine oft eine der letzten sports an. Die Kommunen sollten die liche Angebote an den Übergängen der gemeinsamen Anlaufstellen seien. Sportvereine darin unterstützen, ihre kindlichen Entwicklung bis zum Ein­ Angebote noch weiter nach diesem Prä­ stieg ins Erwachsenenalter miteinander 3.3 Kinder- und Jugendarbeit ventionsansatz auszurichten. Die offene verzahnt und bedarfsgerecht gestaltet Die Jugendorganisationen des Sports, Vereinsarbeit ist und bleibt notwendig. werden („Präventionsketten“). aber auch die Jugendabteilungen in den Die steigende Zahl älterer Menschen Vereinen, sind ein wichtiger Partner und wird nicht ohne Auswirkungen auf die 3.2 Bildungspolitik Akteur in der Kinder- und Jugendarbeit. Sportangebote bleiben. Gleichwohl soll­ Ganztagsschulen eröffnen neue Koo­ Sie begleiten in den Vereinen das Auf­ ten grundsätzlich keine Sportanlagen perationsmöglichkeiten zur Förderung wachsen junger Menschen und können ausschließlich für Senioren, sondern der formalen, non-formalen und infor­ insbesondere auch sozial Benachteiligte auch für Senioren (generationenüber­ mellen Bildungsprozesse durch Einbin­ durch den Sport in soziale Netzwerke greifende Sportangebote) vorgehalten dung der unterschiedlichen Bildungs­ integrieren, am gesellschaftlichen werden. Die besonderen Bedürfnisse der akteure im Lebensraum der jungen Leben teilnehmen lassen oder bei der älteren Bevölkerung sollten in die vor­ Menschen. Sportvereine leisten einen Aneignung sozialer Kompetenzen handenen Sport- und Bewegungsräume wichtigen Beitrag zum Aufbau dieser unterstützen. Die Kommunen sollten integriert werden. kommunalen Bildungslandschaften. deshalb den Sport als gleichberech­ Die Städte und Gemeinden können Die bisher allgemeinhin akzeptierte tigten Partner der Kinder- und Jugend­ die Gesundheitsprävention durch die Gleichsetzung von Bildung und Schule hilfe anerkennen, unabhängig davon, ob Gestaltung öffentlicher Bewegungs­ hat sich in den letzten Jahren gelockert. es sich um Jugendarbeit im Sport, in der

NST-N 1-2018 ALLGEMEINE VERWALTUNG 7 Jugendhilfe oder um Sport außerhalb derung über den Sport eine Teilhabe an onshintergrund, Asylsuchenden oder explizierter Angebote der Jugendhilfe der Gesellschaft zu eröffnen. Kom­ bereits anerkanntem Flüchtling. Sie handelt. Auch Bewegung, Spiel und munen sollten in enger Abstimmung möchten allen Menschen den Zugang Sport im Verein können zum Beispiel mit dem organisierten Sport und allen zum Sport ermöglichen, um über ihn der Persönlichkeitsentwicklung, der anderen Beteiligten im Rahmen ihrer soziale Kontakte zu knüpfen. non-formellen Bildung und Integra­ Möglichkeiten die Voraussetzungen für Vor dem Hintergrund der großen Zahl tion dienen. Die Kommunen sollten eine inklusive Sportlandschaft zum Bei­ von Flüchtlingen und Asylbewerbern in den Sport mit seinen Jugendorganisa­ spiel barrierefreie Sportanlagen, schaf­ den letzten Jahren steht Deutschland vor tionen und Jugendabteilungen stärker fen, damit Menschen mit Behinderung bislang einmaligen Herausforderungen, als Angebot der Kinder- und Jugendhilfe gemäß ihren individuellen Bedürfnissen insbesondere die Städte und Gemein­ wahrnehmen und fördern. Kinder und Sport treiben und erleben können. Bei den. Diese hätten die Unterbringung, Jugendliche in den Vereinen sollten Planung und Bau von barrierefreien Versorgung und beginnende Integra­ gezielt gefördert werden. Sportstätten sollten die Nutzerinnen tion ohne die Unterstützung durch das Ein besonderes Augenmerk sollte auf und Nutzer mit Behinderungen in die bürgerschaftliche Engagement vor Ort die Förderung sozial benachteiligter Planung einbezogen werden. Die Kom­ nicht bewältigen können. Die Sportver­ Kinder gelegt werden. Untersuchungen munen müssen berücksichtigen, dass eine waren aufgrund ihrer Strukturen zeigen, dass diese seltener in Sportver­ sich je nach Behinderung andere, zum in besonderer Weise in der Lage, für einen aktiv sind und sich grundsätzlich Teil sich widersprechende Anforde­ Flüchtlinge schnell und unbürokratisch­ auch weniger bewegen. Berücksichtigt rungen bestehen. Hier müssen gemein­ humanitäre Hilfe zu leisten. Sportver­ man die positiven Effekte von Bewe­ same Lösungen gefunden werden. eine können auf der Basis eines allen gung und Sport auf die kognitive und Die Städte und Gemeinden werden Menschen gleichermaßen eigenen sozial-emotionale Entwicklung von im Rahmen ihrer Möglichkeiten nicht Bedürfnisses nach Bewegung und kör­ Kindern und Jugendlichen müssen nur ihre Sportanlagen barrierefrei perlicher Betätigung einen Zugang zu gerade diese Kinder und Jugendlichen ausbauen, sondern auch die öffent­ den geflüchteten Menschen gewinnen. besonders gefördert und zur Bewegung lich zugänglichen Bewegungsräume. In den Vereinen findet gelebte Integra­ tion statt. Denn beim Sport sind Sprache, animiert werden. Mit dem sogenannten Die von der Sportministerkonferenz Herkunft, Religion und sozialer Status „Bildungs- und Teilhabepaket“ (BuT) erarbeiteten Handlungsleitsätze geben nur von nachgeordneter Bedeutung. im Rahmen der SGB II und XII und des einen wertvollen Orientierungsrahmen. So organisieren Vereine offene Asylbewerberleistungsgesetzes sollen Eine besondere Herausforderung liegt Sportangebote für Flüchtlinge, wie die Teilhabemöglichkeiten von Kindern in dem Transport der gehandicapten etwas Schwimmkurse, Sportangebote und Jugendlichen verbessert werden. Menschen zu den Sportstätten. Dies speziell für weibliche Flüchtlinge oder Kommunen, Jobcenter und Sportver­ setzt zum Beispiel einen entsprechen­ gar Turniere mit „Flüchtlingsmann­ eine sollten noch stärker die Teilhabe­ den Fahrdienst voraus. Auch brauchen schaften“. Darüber hinaus melden sie leistungen im Sport bewerben und im gehörlose Menschen oder Menschen mit „Flüchtlingsmannschaften“ für Liga­ Rahmen des Möglichen unbürokrati­ geistigen Behinderungen Assistenzleis­ betriebe an, bieten kostenfreie Sport­ sche Umsetzungsverfahren vereinba­ tungen, die die Städte und Gemeinden angebote inklusive Fahrdienste gerade ren. Über Kitas und Schulen sollten die nicht allein finanzieren können. Der für Flüchtlingskinder an, stellen Sport- Kinder und Jugendlichen, aber auch die Bund ist aufgerufen, sich neben Ländern und Spielgeräte unter Anleitung bereit Erziehungsberechtigten, auf die Teil­ und Kommunen an der Inklusion im und und bilden Flüchtlinge als Trainer und habemöglichkeiten am Vereinssport durch den Sport insbesondere in den Gruppenhelfer aus. hingewiesen werden. Bereichen Barrierefreiheit­ und Assis­ Die Angebote der Vereine gehen weit tenzleistungen finanziell zu beteiligen. über den reinen Vereinssport hinaus: So 3.4 Inklusion übernehmen Vereine Patenschaften für 3.5 Integrationspolitik Bewegung, Spiel und Sport sind beson­ Flüchtlinge, begleiten sie bei Behörden­ ders gut geeignet, um das gegenseitige Der Sport leistet erhebliche Anstren­ gängen oder unterstützen sie im Alltag. Verständnis von Menschen mit und gungen bei der Integration von nach Vereine organisieren Kennen­ ohne Behinderung zu stärken, sowie Deutschland zugewanderten Men­ lern-Veranstaltungen, die Teilnahme Vorurteile und Berührungsängste abzu­ schen. Seit vielen Jahren bietet der am Tag des Sportabzeichens und die bauen. Unter Hinweis auf Artikel 30 (5) Sport hierfür eine besonders geeignete regelmäßige Betreuung von Kindern und des Übereinkommens der Vereinten Plattform. Durch die eigenen Regeln des Jugendlichen aus Flüchtlingsheimen. Nationen über die Rechte von Menschen Sports wird ein Miteinander jenseits Der Sport bietet erfolgsversprechende mit Behinderungen ist es das Ziel, allen von Sprachbarrieren und unabhängig und niedrigschwellige Integrations­ Menschen eine selbstbestimmte und von Herkunft, Aussehen oder Reli­ chancen. Die Städte und Gemeinden gleichberechtigte Teilhabe am Sport gion ermöglicht. Sportvereine vor Ort sollten die Vereine unterstützen und die sowie in den Strukturen des Sports zu machen keinen Unterschied zwischen Möglichkeiten des organisierten Sports ermöglichen und Menschen mit Behin­ Migranten, Menschen mit Migrati­ nutzen.

8 ALLGEMEINE VERWALTUNG NST-N 1-2018 Geräuscheinwirkungen von Kindern auf Sportanlagen müssen immissionsschutz- rechtlich genauso 5. Herausforderungen für behandelt werden wie beispielsweise Kommunen und Vereine Geräusch­einwirkungen Veränderungen im Sportverhalten von Kindern auf Kin- der Bevölkerung sowie die schwierige derspielplätzen oder Ballspielplätzen Finanzlage vieler Kommunen blei­ ben nicht ohne Auswirkungen auf die 4. Sport- und Sportlandschaft und die Sportförderung in den Städten und Gemeinden. Die Bewegungsräume der Städte und Gemeinden errichtet. Zusammenarbeit von Kommunen und Bedarfsgerechte Sport- und Bewe­ Heute ist entscheidend, dass die Ange­ organisiertem Sport erfordert vor dem gungsräume spielen die zentrale Rolle bote möglichst wohnortnah und für alle Hintergrund gesellschaft­licher Verän­ in der kommunalen Förderung von Bevölkerungsgruppen vorhanden sind derungen einer ständigen Neuorientie­ Sport und Bewegung. Sie sind nicht nur (vgl. DStGB-Dokumentation Nr. 127). rung. Zu nennen sind die demografische ein Standortfaktor, sondern auch eine Die Entwicklung zeigt, dass der Bedarf Entwicklung, die Individualisierung und infrastrukturelle Voraussetzung für an Sportstätten sich von Stadt zu Stadt, von Stadtteil zu Stadtteil unterschei­ Pluralisierung der Gesellschaft, das eine ausgewogene Stadt- und Regio­ det. Der Projektbeirat „Grundlagen zur geänderte Freizeit- und Sportverhalten nalentwicklung. Grundsätzlich gibt Weiterentwicklung von Sportanlagen“ sowie der Ausbau der Ganztagsschu­ es trotz des unstreitig bestehenden beim Bundesinstitut für Sportwis­ len. Die Bedürfnisse der unterschied­ Sanierungs- und Modernisierungsbe­ senschaft hat 2009 zehn Thesen zur lichen Bevölkerungsgruppen sowie die darfs in den Städten und Gemeinden Weiterentwicklung von Sportanlagen Nachfrage nach Bewegungsangeboten ein ausreichendes Angebot an öffent­ formuliert, die nach wie vor Gültigkeit außerhalb von Sportangeboten und lichen Sportstätten. Festzustellen ist haben. So wird sich das Spektrum der außerhalb von Sportvereinen zwingen aber, dass außerhalb der normierten Sportanlagen verändern. Regelkonforme Städte und Gemeinden zur Bereitstel­ Sportstätten Bewegungsgelegenheiten Sportanlagen, also an Bestimmun­ lung von zielgruppen- und bedarfs­ fehlen, die zu spontanem Sporttreiben gen des Wettkampfsports orientierte gerechten Angeboten. Das Sport- und anregen. Die Menschen bewegen sich Sportanlagen, bleiben bedeutsam, Bewegungsverhalten der Bevölkerung aber zunehmend informell und selbst­ werden jedoch durch mehr regeloffene stellt die Städte und Gemeinden vor die bestimmt außerhalb der normgerechten Sportanlagen und Sportfreianlagen Herausforderung, multifunktionale Sportanlagen. ergänzt. Zugangsbeschränkungen und wohnortnahe Angebote zu schaffen. Sport- und Bewegungsmöglichkeiten Zugangszeiten der Sportanlagen wer­ Darüber hinaus bedürfen die Kommu­ müssen für alle Generationen angeboten den fortbestehen, gleichzeitig wird von nen Unterstützung gegen überzogene werden. Erholungs- und gesundheits­ Sport­interessierten und Sportaktiven Forderungen von in der Regel interna­ fördernde Sportarten werden künftig eine Öffnung des Zugangs zu Sportanla­ tionalen Sportfachverbänden für den stärker nachgefragt werden. In der gen erwartet. Der Bedarf an dezentralen Wettkampfbetrieb und bei Sport(groß) Gemeinde der Zukunft wird nicht der wohnungsnahen Sportanlagen im Quar­ veranstaltungen. Mit Blick auf die Senioren- oder Kinderspielplatz im tier/ Stadtteil wird unter anderem wegen Unterhaltungskosten der Sportstätten Vordergrund stehen, sondern der Mehr­ der zunehmend älter werdenden Bevöl­ sind die Sportfachverbände aufgerufen, generationenpark, das altengerechte kerung wachsen. Die schnelle Erreich­ Standardänderungen, die mit zusätzli­ Sportgerät ebenso wie der Bolzplatz. Die barkeit für Kinder, Jugendliche­ und chen Kosten bei der baulichen Ausstat­ Bürgerinnen und Bürger wünschen mehr wenig mobiler Älterer wird an Bedeu­ tung verbunden sind, zu vermeiden. Auf Sport- und Spielangebote im öffentli­ tung gewinnen. In bevölkerungsarmen jeden Fall müssen die Kommunen in die chen Raum sowie wohnortnahe Spiel- Regionen werden große Sportanlagen Veränderungsprozesse einbezogen, und Sportanlagen. Es gibt einen Trend allerdings nur an zentralen Standorten längere Übergangsphasen vorgesehen zu mehr selbstorganisiertem Sport vorgehalten werden können. Die Weiter­ und die Fachverbände an der Finanzie­ außerhalb der „klassischen Sportstät­ entwicklung von Sportanlagen bedingt rung beteiligt werden. ten“. Folgerichtig nutzen immer mehr eine breitere Vielfalt an Bauformen und Daneben werden die rechtlichen Städte und Gemeinden Grünanlagen, Sportanlagentypen sowie eine höhere Rahmenbedingungen für Sportvereine Parks und Plätze zur Ermöglichung bauliche­ Anpassungsfähigkeit. immer komplexer, zum Beispiel durch von Sportangeboten. Diese Entwick­ Städte und Gemeinden sollten so das Haftungs- und Steuerrecht oder lung ist nicht vollkommen neu. Viele konzipiert sein, dass die Einwohne­ den Lärmschutz und Umweltauflagen. kennen noch Trimmy, das Gesicht der rinnen und Einwohner verstärkt das Es wird zunehmend schwieriger, Men­ Trimm-Dich-Bewegung des damaligen Fahrrad nutzen oder zu Fuß gehen schen für die ehrenamtliche Mitarbeit Deutschen Sportbundes in den 60er- und können. Radverkehrsförderung ist eine in den Vereinen zu gewinnen. Städte 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts. wesentliche Stellschraube, um die kör­ und Gemeinden sollten die Vereine in Die Trimm-Dich-Pfade wurden in Nah­ perlichen Aktivitäten zu erhöhen (vgl. ihrer Arbeit unterstützen. Dies gilt auch erholungsgebieten und den Peripherien DStGB-Dokumentation Nr. 124). für die Kooperation zwischen organi­

NST-N 1-2018 ALLGEMEINE VERWALTUNG 9 siertem Sport und den Kommunen auf staus beizutragen. Unstreitig haben die berücksichtigen. Neben den regelkon­ Landes- und Bundesebene. Ein Beispiel Konjunkturprogramme I und II sowie die formen Sportanlagen treten multi­ für die Notwendigkeit aber auch die aktuellen Investitionshilfen des Bundes funktionale Hallen sowie Anlagen für Möglichkeiten dieser Zusammenarbeit geholfen, die Sportinfrastruktur­ zu den Gesundheits- und Fitnesssport. ist die sportfreundliche Weiterentwick­ verbessern. Der Sanierungsstau kann Bei Sportstätten mit Sanierungsbedarf lung der Sportanlagenlärmschutzver­ dadurch aber nicht auf Dauer gelöst wer­ muss stets geprüft werden, ob sie in ordnung (SALVO). Die Reform gibt den den. Die Forderung des DStGB nach einer dieser Form noch benötigt werden und Kommunen und Sportvereinen, auch aufgabenadäquaten Finanzausstattung dem aktuellen und tatsächlichen Bedarf wenn nicht alle Vorstellungen des DStGB findet hier einen wichtigen Unterstützer. der sporttreibenden Bevölkerung ent­ und des DOSB Berücksichtigung fanden, Die Städte und Gemeinden müssen in der sprechen. So können Fehl­investitionen mehr Rechtssicherheit und ermöglicht Lage sein, die Sportanlagen als unver­ vermieden werden. Sportaktivitäten auch in verdichteten zichtbaren Bestandteil der Daseins­ urbanen Gebieten. Die nun beschlos­ vorsorge durch Neu- und Umbau sowie 5.2 Sportförderung sene Reform schreibt allerdings die Sanierung weiterzuentwickeln. Die Städte und Gemeinden sind der größte Ungleichbehandlung von sportaktiven Eine besondere Herausforderung ist öffentliche Sportförderer. Sie stellen Kindern durch die Verweigerung der der Erhalt und die Modernisierung der nicht nur die Sportstätten zur Verfü­ Kinderlärmprivilegierung von Bolz­ Schwimmbäder. Etwa 50 Prozent dieser gung, sondern gewähren Zuschüsse an plätzen auch auf Sportanlagen fort. Anlagen weisen teilweise einen erheb­ Vereine mit eigenen Sportanlagen und Dies muss dringend angepasst werden. lichen Sanierungsstau auf. Der DStGB für Übungsleiter oder die Jugendarbeit Geräuscheinwirkungen von Kindern hat in dem Positionspapier „Kommu­ der Vereine, unterstützen den Sport für auf Sportanlagen müssen immissi­ nale Schwimmbäder: Unverzichtbarer und mit besonderen Zielgruppen und onsschutzrechtlich genauso behandelt Bestandteil der Daseinsvorsorge“ aus beteiligen sich an Ehrungen. Sport kostet werden wie beispielsweise Geräusch­ dem Jahr 2015 deutlich gemacht, dass Geld und un­streitig bedroht die finanzi­ einwirkungen von Kindern auf Kinder­ die Kommunen, aber auch der Staat elle Notlage vieler Städte und Gemein­ spielplätzen oder Ballspielplätzen. insgesamt, nicht alles, was wün­ den auch die Förderung des Sports. Aus schenswert ist, in dem erforderlichen der Schief­l age zahlreicher kommunaler 5.1 Sanierungsbedarf der Umfang finanzieren und gewährleisten Haushalte folgt, dass Sportsubventionen Sportstätten können. Denn so wichtig die Aufrecht­ nicht mehr so reichhaltig fließen können Neben dem ehrenamtlichen Engage­ erhaltung des derzeitigen Angebotes wie in Zeiten besserer Finanzausstat­ ment sind die Sportstätten die zentrale an Schwimmbädern ist, so zählen sie tung. Eine Krise der Kommunalfinanzen Ressource des organisierten Sports und doch zu den freiwilligen Aufgaben mit ist immer auch eine Krise des Sports. zentrale Voraussetzung für Bewegung. der Folge, dass auch eine Schließung Den Kommunen bleibt kein anderer Die Städte und Gemeinden stellen möglich ist. Die Städte und Gemeinden Weg, als angesichts geringerer finan­ die Sportinfrastruktur zur Verfügung sollten, wo möglich, ortsübergreifende zieller Spielräume Prioritätensetzungen und fördern Sportvereine auch beim Konzepte im Rahmen der interkommu­ innerhalb der Sportförderung vorzu­ Betrieb von Sportanlagen. Auch wenn nalen Zusammenarbeit umsetzen. nehmen. Die Städte und Gemeinden die Anteile vereinseigener Sportanla­ Vor Ort werden zwischenzeitlich müssen die aktive Sportgestaltung als gen und kommerzieller Sportanbieter unterschiedliche Wege beschritten, ihre Aufgabe erkennen. Ein besonderes zunehmen, sind die Städte und Gemein­ um die Sportstätten vorzuhalten, die Problem haben die Kommunen in der den der größte Anbieter von Sportstät­ die Sportnachfrage abdecken. Immer Haushaltssicherung. Die Aufsichts­ ten. Von den 3,9 Milliarden Euro, die mehr Kommunen legen die Sportanla­ behörden sollten anerkennen, welche Bund, Länder und Kommunen für die gen in die Hände der Vereine, welche Rolle der Sport in den wichtigen sozi­ Sportförderung ausgeben, entfallen dann die Betriebskosten übernehmen. alen Aufgabenfeldern einer Kommune knapp 80 Prozent auf die Kommunen. Sportvereine müssen darüber hinaus im spielt und entsprechende Förderungen Der DOSB weist darauf hin, dass Rahmen ihrer Möglichkeiten Nutzungs­ zulassen. an den rund 230 000 Sportstätten ein gebühren für die Sportstätten zahlen. Die finanzielle Lage der Kommunen Sanierungsstau von mehr als 42 Milli­ Eine weitere Möglichkeit insbesondere macht es erforderlich, eine kooperative arden Euro besteht. Die KfW beziffert den bei Schwimmbädern ist ein Betreiber­ Sportentwicklungsplanung zu etablieren Investitionsbedarf für Sportstätten und modell in der Genossenschaftsform. Die und dabei die konkreten Bedürfnisse der Schwimmbäder mit rund zehn Milliar­ Kommunen sollten die Vereine stärken Bevölkerung zu berücksichtigen. Nur so den Euro (ohne Schulsportanlagen). Von und sie beim Auf- und Ausbau ver­ können angesichts geringerer oder feh­ daher ist es nachvollziehbar, dass der einseigener Sportstätten unterstützen. lender finanzieller Spielräume Prioritä­ DOSB an Bund, Länder und Kommunen Die Städte und Gemeinden müssen tensetzungen vorgenommen und Feh­ appelliert, den Sanierungsbedarf konse­ mit Blick auf die Finanzierungsmög­ linvestitionen vermieden werden. Diese quent in den Blick zu nehmen und nach­ lichkeiten den konkreten Bedarf der Maßnahmen sollten gemeinsam mit haltig zur Beseitigung des Sanierungs­ Sportstätten in der Sportstättenplanung den Akteuren vor Ort geschehen. Dabei

10 ALLGEMEINE VERWALTUNG NST-N 1-2018 sollte man sich von den Zielsetzungen werden müssen. Das Positionspapier und kommerzielle Sport, der Behinder­ der Förderung der Gesundheitssitua­ soll die Notwendigkeit der Förderung tensport, die Jugend- und Senioren­ tion der Gesamtbevölkerung, der Inte­ des Sports untermauern und vor dem vertreter, die Schulen und Kitas, die gration sogenannter „Randgruppen“, Hintergrund der dargestellten gesell­ Volkshochschulen und Vertreter des der besonderen Förderung von Kindern schaftspolitischen Bedeutung des Sports Gesundheitswesens vor Ort. sozial benachteiligter Familien sowie der eine aufgabenangemessene finanzielle Wenn Bewegung heute nahezu Verzahnung mit anderen kommunalen Förderung des Sports anregen. in allen öffentlichen Räumen einer Aufgabenfeldern, wie zum Beispiel der Gemeinde, also nicht nur in den klas­ Familien- und Jugendhilfe, den Schulen 5.3 Gemeinnützigkeit und frei­ sischen Sportanlagen wie Sporthallen und der Sozialarbeit leiten lassen. williges Engagement stärken oder Schwimmbädern, sondern auch in Auch die Vereine stehen aufgrund des Fundament des gemeinnützigen Sports Seen, auf öffentlichen Straßen, Rasen­ demografischen Wandels, der Indivi­ ist das ehrenamtliche und freiwillige flächen, Plätzen, in Parks, aber auch im dualisierung und dem veränderten Engagement der in den Vereinen enga­ unmittelbaren Wohnumfeld möglich Sportverhalten vor neuen Anforderun­ gierten Menschen aller Altersgruppen. ist, sind diese Orte und Plätze in einer gen. Diese Herausforderungen müssen Ohne dieses Engagement können die Sportraumentwicklungsplanung oder die Vereine im Rahmen ihrer Autono­ mehr als 90 000 Sportvereine nicht exi­ Bewegungsraumentwicklungsplanung mie selber lösen. Wenn allerdings die stieren und nicht die vielfältigen dar­ (integrierte Sportentwicklungspla­ Vereine um die Nutzung kommunaler gestellten gesellschaftlichen Aufgaben nung) zu berücksichtigen. Die Sport­ Sportanlagen streiten, sollte die Kom­ erfüllen. Bund und Länder sind aufgeru­ entwicklungsplanung legte bislang das mune ihre Möglichkeiten nutzen, durch fen, das Ehrenamt weiter zu stärken und Augenmerk nur oder fast ausschließlich Förderrichtlinien eine effiziente Nut­ von bürokratischen Hürden zu befreien. auf klassische Sportstätten. Eine solche zung und Bewirtschaftung der Sportan­ Auf Ebene der EU sollte sich der Bund für Sportentwicklungsplanung berücksich­ lagen sicherzustellen. Dazu kann auch die Besonderheiten des gemeinnützigen tigt gerade nicht oder nicht ausreichend gehören, die Vereine bei vergleichba­ Vereinssports in Deutschland einsetzen. die Frei- oder Grünflächen, die für ren Sportangeboten zu Kooperationen Vom Zuwendungsrecht über die Steuer­ sportliche Aktivitäten und als Bewe­ anzuregen. politik bis zu Integrationsmaßnahmen gungsraum genutzt werden können. Da An dieser Stelle muss vor dem Trug­ sollte der Bund Entlastungen für den es aber darauf ankommt, den öffent­ schluss gewarnt werden, mit der gesetz­ gemeinnützigen Sport umsetzen. lichen Raum zum Bewegungsraum lichen Festschreibung einer „kommu­ Die Städte und Gemeinden sollten zu konzipieren, also für körper­liche nalen Pflichtaufgabe Sportförderung“ die gesellschaftspolitische Arbeit der Aktivitäten einschließlich des Radver­ ließe sich trotz kommunaler Finanzkrise Vereine nicht nur fördern, sondern mit kehrs zu öffnen und zum Beispiel für ein Mehr an kommunaler Sportförde­ anderen Institutionen in der Kommune, Senioreninnen und Senioren barriere­ rung erreichen. Damit ließe sich nicht zum Beispiel Seniorenbüros, Freiwil­ freie und sichere Wege zu schaffen, ein Euro zusätzlich für die kommunalen ligenagenturen usw. vernetzen. Um erfordert dies die Berücksichtigung in Haushalte generieren. Zwar ist es rich­ Bürgerinnen und Bürger für die Vereine einer integrierten Sportentwicklungs­ tig, dass die sog. freiwilligen Leistungen zu interessieren, sollten regelmäßig planung. Nur so kann es gelingen, die gekürzt oder sogar gänzlich zur Disposi­ öffentliche Ehrungen in den Städten Zusammenhänge von freizeitbezogenen tion gestellt werden können. Vor Ort ist und Gemeinden für Sportlerinnen und Verhaltensweisen (körperliche Akti­ man aber in der Lage, im Rahmen der Sportler, aber auch für besonderes bür­ vitäten) mit den dazu erforderlichen freiwilligen Selbstverwaltungsaufgabe gerschaftliches Engagement stattfinden. Ressourcen (z. B. Vorhandensein von die Sportförderung in angemessene Bewegungsräumen oder Erreichbarkeit Relation zu den sonstigen freiwilligen 6. Sportentwicklungsplanung und Zugang zu Sporteinrichtungen und Aufgaben zu setzen, zum Beispiel im als Teil integrierter Grünflächen) und dem bewegungs­ Bereich Kultur, die ebenfalls aufrecht­ Stadtentwicklungsplanung freundlichen Erscheinungsbild der erhalten werden müssen. Die Städte Eine umfassende Sportentwick­ Quartiere herzustellen und dabei auch und Gemeinden sollten aufgrund der lungsplanung ist notwendig, um eine ökologische Erfordernisse zu beachten. beschriebenen gesellschaftlichen bedarfsgerechte Versorgung der Bevöl­ Die Städte und Gemeinden sind gefor­ Bedeutung des Sports diesen auf der kerung mit Sportstätten, Sportgelegen­ dert, ein Leitbild bewegungsfreund­licher Basis einer umfassenden Sportentwick­ heiten und -angeboten zu erreichen und Kommunen zu entwickeln. Vorausset­ lungsplanung weiterentwickeln und den effizienten Einsatz der Finanzmit­ zung ist die Kooperation und Zusam­ angemessen finanziell ausstatten. Der tel zur Sportförderung sicherzustellen. menarbeit der unterschiedlichen­ Akteure Sport versteht sich nicht als „Konkur­ Notwendig ist vor Ort eine kontinu­ einer Kommunalverwaltung mit ihren renzaufgabe“, sondern respektiert die ierliche Sportentwicklungsplanung, teilweise divergierenden politischen Allzuständigkeit der Städte und Gemein­ die alle Akteure an einen Tisch bringt. Zielrichtungen. Das Sportamt möchte den und erkennt an, dass die sonstigen Dazu zählen natürlich der organisierte möglichst die klassischen Sportstätten Aufgaben ebenfalls aufrechterhalten Sport, aber auch der nichtorganisierte erhalten, das Umweltamt Freiflächen

NST-N 1-2018 ALLGEMEINE VERWALTUNG 11 DStGB DStGB DOKUMENTATION NO 127 DOKUMENTATION NO 124

Städte und Gemeinden bringen Bürger in Bewegung Förderung des Radverkehrs Bewegungsparcours im öffentlichen Raum in Städten und Gemeinden in ihrer Funktion als Grünfläche, die Dies setzt allerdings voraus, dass die Wohnungsverwaltung sucht hände­ Fachämter kooperieren und gemein­ ringend nach neuem Wohnraum. Diese sam eine Sportentwicklungsplanung

Deutscher Städte- Deutscher Städte- unterschiedlichen Interessen gilt es mit im Rahmen der Stadtentwicklungspla­ und Gemeindebund und Gemeindebund

Deutscher Städte- Deutscher Städte- Allgemeiner Deutscher und Gemeindebund Bundesverband für Spielplatzgeräte- und Gemeindebund www.dstgb.de Fahrrad-Club und Freizeitanlagen-Hersteller (bsfh) www.dstgb.de Blick auf eine bewegungsfreundliche nung erarbeiten. Diese darf sich nicht Verlagsbeilage „Stadt und Gemeinde INTERAKTIV“ 9_2014 1 Verlagsbeilage „Stadt und Gemeinde INTERAKTIV“ 6_2014 1 Gemeinde zusammenzubringen und in auf eine reine Planung der Sportstätten eine integrierte Stadtentwicklungspla­ beschränken, sondern muss die Themen Dokumentationen des DStGB im Internet: www.dstgb.de/ nung unter Beachtung der demografi­ Bewegungsräume und die Verbindung dstgb/Homepage/Publikati- schen Entwicklung einfließen zu lassen. zur Schul-, Jugend-, Gesundheits- onen/Dokumentationen/ Innerhalb der Kommune ist das Wis­ und Sozialpolitik beinhalten. Durch sen über die Bedeutung und Notwendig­ die Ausweitung der Sportstättenpla­ einbringen und als Ansprechpartner für keit von Bewegungsräumen zu verbes­ nung um das Thema Bewegungsräume den Sport zur Verfügung stehen. sern und die beteiligten kommunalen ist auch die Bau- und Verkehrspolitik Es bieten sich je nach Größe eine Akteure zu vernetzen. Dazu gehört auch, einzubeziehen. Die Förderung von eigene Sportfachverwaltung (Sport­ diese Planung mittels kooperativer Ver­ Sport, Bewegung und Gesundheit ist amt) oder eine Sportfachabteilung, fahren unter Beteiligung der Akteure eine kommunale Querschnittsaufgabe, einen Fachbereich Sport, der sich gege­ des Sports (Vereine), aber auch der in der die verschiedenen Fachbereiche benenfalls auch mit anderen Aufgaben, Bevölkerung insgesamt zu entwickeln. der Kommunalverwaltung (z. B. Spor­ wie zum Beispiel der Schule, befasst. Dies wird nicht ohne Reibungsverluste tamt, Stadt­entwicklung, Grünflächen­ Zumindest muss es einen konkreten gehen, da die Interessen zum Beispiel amt, Bildung und Soziales, Gesundheit, Ansprechpartner für den Sport in der zwischen organisiertem und nicht orga­ Jugend oder Verkehr) einzubinden sind. Kommune geben. Die „Sportverwal­ nisiertem Sport oder zwischen Jüngeren Die Handlungsfelder Sportentwicklung, tung“ muss ihrer gesellschaftlichen und Älteren, divergieren können. Ziel Gemeinwesen, Jugend und Soziales, Funktionen in der Kommune im Sinne einer integrierten Stadtentwicklungs­ Gesundheit, Stadtentwicklung und der Stärkung des Sports gerecht wer­ planung sollte es aber sein, Angebote für Wohnen sowie Schul- und Kinder­ den können. Dies muss vor Ort seinen alle Generationen und für alle Formen tagesbetreuung sind mit dem Ziel, Syn­ Ausdruck in der Stärkung des Sports der Bewegung zu schaffen. Daraus folgt, ergieeffekte zu erzielen, zusammenzu­ zur (Mit)Gestaltung der kommunalen dass eine gemeindliche Sportraument­ führen. Dies bedingt in Teilen auch die Lebensbedingungen finden. In quali­ wicklungsplanung zunächst Bestandteil Zusammenarbeit von Gemeinden und tativer (Welche Kompetenzen müssen einer integrativen Sportentwicklungs­ Landkreisen. Die Kooperation mit dem in den Sportverwaltungen vorhanden planung sein sollte. Ein Kriterium die­ organisierten Sport vor Ort wird dabei sein?) wie in quantitativer Hinsicht ser Planung ist die Partizipation und immer eine besondere Rolle spielen. steigen die Anforderungen an die Ver­ die Kooperation mit möglichst vielen Im ländlichen Raum sollten auch antwortungsträger in den Kommunen. interkommunale Planungen zum Akteuren, Nutzern und betroffenen Hierauf müssen die Städte und Gemein­ gemeinsamen­ Betrieb von Sportanlagen Bevölkerungsgruppen. Diese integra­tive den reagieren. erfolgen. So ist es denkbar, dass zwei Sportentwicklungsplanung ist Baustein Dabei müssen die Kommunen beach­ Gemeinden ihre sanierungsbedürftigen einer integrierten kommunalen Stad­ ten, dass die „Sportverwaltungen“ in Schwimmbäder schließen, gemeinsam tentwicklungspolitik und Stadtentwick­ der Regel nur die normgerechten Sport­ ein neues Schwimmbad bauen und lungsplanung. Bei dieser ist zu prüfen stätten in den Blick nehmen, für die ein Schwimmbadbus zwischen den und festzulegen, wo und unter welchen „informellen Sportstätten“ aber andere Gemeinden pendelt. Bedingungen öffentliche­ Räume im Ämter zuständig sind, zum Beispiel Stadtteil oder Quartier für Bewegungs­ das Grünflächenamt, das Schulamt, aktivitäten geöffnet und gegebenenfalls 7. Verankerung des Sports in das Jugendamt oder die Stadtplanung. umgestaltet werden können. der Kommune Kommunale Sportpolitik ist nicht reine Die Umsetzung der integrierten kom­ Um die Potenziale des Sports zu nutzen Fachpolitik, sondern bedeutet Koope­ munalen Stadtentwicklungsplanung und der Sportförderung gerecht zu wer­ ration und Koordination eines politi­ inklusive der Sportraumentwicklungs­ den, bedarf es in den Kommunen ent­ kübergreifenden Netzwerkes. planung (Bewegungsraumplanung) sprechender Verwaltungsstrukturen. Es Auf der Seite der Kommunalpolitik kann und sollte je nach Größenord­ müssen Verantwortliche in den Verwal­ sollte je nach Größenordnung der Kom­ nung der Stadt auf Ebene der gesam­ tungen, aber auch der Kommunalpoli­ mune ein Ausschuss speziell für Fragen ten Gemeinde oder der Stadtteilebene tik vorhanden sein, die die Belange des des Sports beziehungsweise ein Aus­ beziehungsweise Ebene der Quartiere Sports berücksichtigen und diese aktiv schuss, der zumindest maßgeblich für erfolgen. in die verwaltungsinternen Abstim­ diesen Bereich zuständig ist, vorhanden Auch muss man vor Ort erkennen, mungsprozesse und kommunalpoli­ sein. Der organisierte Sport sollte aktiv dass die Sportförderung Teil einer kom­ tischen Entscheidungsprozesse sowie in die kommunalpolitische Entschei­ munalen Gesamtstrategie sein muss. in die Abstimmung der Fachplanungen dungsfindung eingebunden werden.

12 ALLGEMEINE VERWALTUNG NST-N 1-2018 Rechtsbehelfsbelehrung – die Mindestanforderungen VON STEFAN WITTKOP

Aufgrund verschiedener Anfragen zur anforderungen einer Rechtsbehelfs­ Formulierung von Rechtsbehelfsbeleh­ belehrung restriktiv. Ihr lässt sich die rungen und der entsprechenden Frage­ Tendenz entnehmen, der Rechtsbehelfs­ stellungen sollen im folgenden Artikel belehrung nicht die Funktion zuzuwei­ die Mindestanforderungen an eine sen, dem Betroffenen die Verantwor­ Rechtsbelehrung dargestellt werden. tung für die Ermittlung der Frist- und Formvoraussetzung für Rechtsbehelfe 1. Allgemeines abzunehmen. Die Belehrung soll ihn nur Die durch das PIVereinhG1 2013 neu ein­ darüber informieren, dass (1.) Rechtsbe­ geführte Vorschrift des § 37 Abs. 6 Satz 1 helfe möglich sind und (2.) diese Rechts­ 5 VwVfG verpflichtet die Behörde, einem behelfe fristgebunden sein können. schriftlich oder elektronisch erlassenen Stefan Wittkop ist Beigeordneter beim anfechtbaren Verwaltungsakt eine a.) Vorschrift Niedersächsischen Rechtsbehelfsbelehrung beizufügen.2 Nach § 37 Abs. 6 Satz 1 VwVfG ist einem Städtetag Eine derartige allgemeine Verpflich­ schriftlichen oder elektronischen Ver­ tung bestand im Anwendungsbereich waltungsakt, der der Anfechtung unter­ des VwVfG bisher nur für einzelne 3. Im Einzelnen: liegt eine Erklärung beizufügen, durch Bereiche: § 59 VwGO a.F., § 73 Abs. 3 a.) Rechtsbehelf, der gegen den Verwal­ die der Beteiligte VwGO, § 74 Abs. 4 Satz 2 VwGO sowie tungsakt gegeben ist (1.) über den Rechtsbehelf, der gegen in diversen Fachgesetzen.3 Die Pflicht zur Beifügung von Rechts­ den Verwaltungsakt gegeben ist, In der Praxis wurde den Verwaltungs­ behelfsbelehrungen betrifft nach der (2.) über die Behörde oder das Gericht, akten schon in der Vergangenheit regel­ ausdrücklichen Regelung des § 37 Abs. 6 bei denen der Rechtsbehelf einzu­ mäßig Rechtsbehelfsbelehrungen bei­ Satz 1 VwVfG zunächst einmal schrift­ legen ist, gefügt, zum einen weil es im Interesse liche oder elektronische Verwaltungs­ der Beteiligten liegt, wenn ihnen mit­ (3.) den Sitz und akte, die der Anfechtung unterliegen. geteilt wird, an wen sie sich in welcher (4.) über die einzuhaltende Frist Dies ist grundsätzlich bei allen Ver­ Frist wenden müssen; zum anderen weil belehrt wird. waltungsakten der Fall, die belastende es im Interesse der Behörde liegt, die Wirkung haben können, also für die bei Fehlen einer Rechtsbehelfsbeleh­ b.) Grundvariante Adressaten nicht ausschließlich begün­ rung nach § 58 Abs. 2 VwGO regelmä­ stigenden Charakter haben.7 Der Niedersächsische Städtetag emp­ ßig einschlägige lange Jahresfrist für § 37 Abs. 6 Satz 1 VwVfG meint mit fiehlt weiterhin die Verwendung die Anfechtung des Verwaltungsaktes „Rechtsbehelf gegen den Verwaltungs­ der Grundvariante. Das heißt, in der zu vermeiden und frühzeitig Rechts­ akt“ jedes nächste, statthafte, unmit­ Rechtsbehelfsbelehrung erfolgt kein sicherheit zu erhalten.4 telbar anschließende, prozessuale Mit­ Hinweis auf Form des Widerspruchs tel, das die Beseitigung der sich aus dem – wie „schriftlich“, „elektronisch“ 2. Mindestanforderungen Verwaltungsakt ergebenden Rechtsfol­ oder „zur Niederschrift“ – und ohne nach § 37 Abs. 6 Satz 1 gen ermöglicht und dessen Einleitung elektronische Varianten. Zum Beispiel VwVfG allein vom Willen des Beschwerten kann folgende Formulierung verwendet 8 Die Rechtsprechung zu § 58 Abs. 1 VwGO abhängt. In der Regel handelt es sich werden: ist dabei im Hinblick auf die Mindest­ um den Widerspruch im Sinne des § 79 „Gegen diesen Bescheid kann innerhalb VwGO sowie die Anfechtungs- und Ver­ eines Monats nach Bekanntgabe Wider- 1 Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbe- pflichtungsklage nach § 42 Abs.1 VwGO. teiligung und Vereinheitlichung von Planfeststel- spruch/Klage bei [Behörde oder Gericht / lungsverfahren vom 31.5.2013 (BGBl. S. 1388). Soweit das Vorverfahren nach §§ 68 Sitz] erhoben werden.“ 6 2 Vgl. Pautsch, in: Pautsch / Hofmann, VwVfG, § 37, ff. VwGO statthaft ist, hat der Ausgangs­ Rn. 20; vgl. Ruffert / Henneke, in: Knaak / Henneke, VwVfG, 10. A. 2014, § 37, Rn. 81. bescheid somit über die Möglichkeit des 3 Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens / Bonk, Sachs, VwVfG, 5 Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens / Bonk, Sachs, VwVfG, Widerspruchs zu belehren. 9. A. 2017, § 37, Rn. 139 ff.; vgl. Ruffert / Henneke, 9. A. 2017, § 37, Rn. 180; anders bei Belehrungen in: Knaak / Henneke, VwVfG, 10. A. 2014, § 37, Rn. nach § 36 SGB X kommt eine Betreuungsfunktion 82. zu. 7 Vgl. Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 37, 9. A. 2017, Rn. 4 Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens / Bonk, Sachs, VwVfG, 6 Vgl. Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 37, 9. A. 2017, Rn. 44 ff. 9. A. 2017, § 37, Rn. 180; vgl. Kopp / Ramsauer, 49 b; vgl. Bekanntmachung des BMI (GMBl 2013, 8 Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens / Bonk, Sachs, VwVfG, VwVfG, 9. A. 2017, § 37, Rn. 43. 1150). 9. A. 2017, § 37, Rn. 184.

NST-N 1-2018 ALLGEMEINE VERWALTUNG 13 NST: Flohmärkte auch an Sonn- und Feiertagen

„Gewerbliche Flohmärkte sollen an Sonn- Veranstaltung, die an Sonn- und Feierta­ und Feiertagen weiterhin zulässig sein“, gen grundsätzlich zu ruhen hat“, erklärt b.) Behörde oder Gericht, bei erklärt der Präsident des Niedersächsischen Mädge. Neuwaren dürften allerdings nicht denen der Rechtsbehelf einzu- Städtetages und Oberbürgermeister der verkauft werden. legen ist, und deren Sitz Hansestadt Lüneburg, Ulrich Mädge, nach Hintergrund: Das OVG Lüneburg hat Nach der Rechtsprechung müssen die einem entsprechenden Beschluss des mit Beschluss vom 21.4.2017 (7 ME 20/17) Behörde oder das Gericht, bei denen der Präsidiums des kommunalen Spitzenver­ festgestellt, dass gewerbliche Floh- und Rechtsbehelf einzulegen ist, eindeutig bandes: „Wichtig ist, dass die Kommu­ Trödelmärkte, bei denen wirtschaftli­ mit Namen und (genauem) Sitz in der nen bei der Zulassung von gewerblichen che Interessen im Vordergrund stehen, Rechtsbehelfsbelehrung selbst bezeich­ Flohmärkten an Sonn- und Feiertagen an Sonn- und Feiertagen grundsätzlich rechtssicher handeln können.“ Floh- und unzulässig sind. Ausnahmen können net werden.9 Auf die Möglichkeit nach Trödelmärkte seien nicht ausschließlich unter Würdigung aller Umstände des § 70 Abs. 1 Satz 2 VwGO muss nicht durch den Abschluss von Erwerbsge­ Einzelfalles nach § 14 des Niedersäch­ hingewiesen werden. schäften geprägt, sondern hätten auch sischen Feiertagsgesetzes zugelassen Für § 58 Abs. 1 VwGO verlangt das einen kulturellen und gesellschaftlichen werden. In diesem Zusammenhang stellt Bundesverwaltungsgericht nicht die Charakter, so Mädge weiter: „Städte und das OVG ähnliche Erwägungen an, wie Angabe der genauen Anschrift, also Gemeinde müssen attraktiv bleiben – dazu im Zusammenhang mit Ladenöffnungen von Postleitzahl, Straße und Hausnum­ zählen auch gewerbliche Flohmärkte.“ an Sonn- und Feiertagen (besonderer mer.10 Die Behörde / das Gericht muss „Aufgrund des Gesamtcharakters der Anlass außerhalb der festzusetzenden jedoch so bezeichnet werden, dass es gewerblichen Flohmärkte handelt es Veranstaltung, eine das Umland prägende dem Betroffenen einfach möglich ist, sich nicht um eine typisch werktägliche Traditionsveranstaltung). die einschlägige Adresse herauszube­ kommen. Die Anforderungen schwan­ Dieser Auffassung ist zu folgen. Da eine Die Folgen einer fehlenden oder ken jedoch in der Rechtsprechung und unrichtige und unvollständige Beleh­ fehler­haften Rechtsbehelfsbelehrung Literatur, so dass es sich empfiehlt, die rung über die Form nach der Recht­ ergeben sich aus § 58 Abs. 2 VwGO: genaue Anschrift zu nennen.11 sprechung in der Regel zur Jahresfrist „Ist die Belehrung unterblieben oder führt, birgt eine Belehrung über die unrichtig erteilt, so ist die Einlegung c.) Rechtsbehelfsfrist Form erhebliche Risiken.16 des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Die Rechtsbehelfsbelehrung muss die Sofern über die dargestellte Grund­ Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder einzuhaltende Frist nur abstrakt ange­ variante hinaus auch Hinweise zur Form Verkündung zulässig, außer wenn die ben (zum Beispiel: „ein Monat“), nicht des Widerspruchs erteilt werden, müs­ Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist jedoch konkret berechnen.12 Üblich ist es, sen diese vollständig sein. infolge höherer Gewalt unmöglich war das Ereignis abstrakt zu bezeichnen, an oder eine schriftliche oder elektronische den der Fristbeginn rechtlich anknüpft, 4. Rechtsfolgen fehlerhafter Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein zum Beispiel „nach Bekanntgabe dieses oder unterlassener Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Bescheides“.13 In der Regel wird es sich Rechtsbehelfsbelehrung Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entweder um die Monatsfrist des § 70 Nach § 117 Abs. 2 Nr. 6 VwGO enthält entsprechend.“ VwGO oder um die Monatsfrist nach das Urteil unter Anderem die Rechts­ Das bedeutet, dass die reguläre § 74 Abs. 1 VwGO handeln. mittelbelehrung. Im Gegensatz dazu ist Anfechtungsfrist des § 70 VwGO in den d.) Hinweise auf Rechtsbehelfs- die Rechtsbehelfsbelehrung nach § 37 Fällen des Widerspruchs und die Klage­ form nicht notwendig Abs. 6 VwVfG lediglich „beizufügen“. frist nach § 74 Abs. 1 VwGO entfällt. An Die Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht diese Stelle tritt sodann die Jahresfrist Formerfordernisse gehören nicht zum Bestandteil der behördlichen Entschei­ gemäß § 58 Abs. 2 VwGO, die mit der notwendigen Mindestinhalt einer dung.17 Dies wurde seitens des Gesetz­ Bekanntgabe des Verwaltungsaktes Rechtsbehelfsbelehrung.14 Der Beleh­ gebers mittels der amtlichen Ergänzung beginnt. rung komme nur eine Anstoßfunktion der Gesetzesüberschrift klargestellt.18 zu; zur Frage der Form müsse der Das Fehlen oder die Unrichtigkeit der Betroffene gegebenenfalls weitere 5. Ausblick Rechtsbehelfsbelehrung kann sich folg­ Informationen einholen.15 Die neue niedersächsische Landesregie­ lich nicht auf die Rechtmäßigkeit eines rung beabsichtigt, noch im ersten Halb­ 19 9 Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 13.2.1998, 12 L Verwaltungsaktes auswirken. jahr 2018 den Entwurf eines IT-Sicher­ 5348/97 Rn. 15 ff. (juris). heits- und E-Governmentgesetzes in 10 Vgl. BVerwGE 25, 261 (262 f.). 16 Vgl. beispielsweise BVerwGE 57, 188 (190); siehe den Landtag einzubringen. Sein Ziel 11 Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens / Bonk, Sachs, VwVfG, zum Streit in der Rechtsprechung und Literatur U. 9. A. 2017, § 37, Rn. 188; vgl. Kopp / Ramsauer, Stelkens, in: Stelkens / Bonk, Sachs, VwVfG, 9. A. ist der Ausbau des Bürgerportals des VwVfG, 9. A. 2017, § 37, Rn. 48. 2017, § 37, Rn. 193. Landes. Bestandteile sind unter ande­ 12 Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens / Bonk, Sachs, VwVfG, 17 Vgl. BT-Drs. 17/9666, S. 18: Das Fehlen oder die 9. A. 2017, § 37, Rn. 189. Unrichtigkeit der Belehrung wirkt sich deshalb rem die Umsetzung medienbruchfreier 13 Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens / Bonk, Sachs, VwVfG, auch nicht auf die Rechtmäßigkeit des Verwal- 9. A. 2017, § 37, Rn. 189 f. tungsakts aus; (…). Geschäftsprozesse sowie die E-Akte. 14 Vgl. Kopp / Ramsauer, VwVfG, 9. A. 2017, § 37, Rn. 18 Vgl. BT-Drs. 17/9666, S. 18. Diese Regelungen können Auswir­ 49a. 19 Vgl. Heckmann / Albrecht, in: Bauer / Heckmann kungen auf die Rechtsbehelfsbelehrung 15 Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens / Bonk, Sachs, VwVfG, / Ruge / Schallbruch / Schulz, VwVfG, 2. A. 2014, 9. A. 2017, § 37, Rn. 192. § 37, Rn. 121. haben.

14 ALLGEMEINE VERWALTUNG NST-N 1-2018 Störungen durch übermäßigen Alkoholkonsum – was können Kommunen dagegen tun?

VON DR. VIOLA SPORLEDER-GEB1

Immer wieder bieten Alkoholexzesse Kausalzusammenhang zwischen Alko­ 2. Urteil des Sächsischen zum Beispiel in sogenannten „Party- holkonsum und unerwünschtem, eine Oberverwaltungsgerichts vom Meilen“ oder an „Brennpunkten“ wie Störung darstellenden Verhalten. Zudem 30.3.2017 Hauptbahnhöfen und großen Einkaufs­ wird auch an die Verhältnismäßigkeit ein Mit Urteil vom 30.3.2017 erklärte das zentren Anlass für Diskussionen über strenger Maßstab angelegt; mildere Mit­ Sächsische OVG in einem Normenkon­ kommunale Alkoholkonsumverbote im tel dürfen nachweislich keinen vergleich­ trollverfahren die Polizeiverordnung öffentlichen Raum. Die Hürden hierfür baren Erfolg aufweisen. der Stadt Görlitz für unwirksam.5 Das sind allerdings hoch, da solche Verbote örtlich und zeitlich begrenzte Alkohol­ einen nicht unerheblichen Eingriff in die 1. Beschluss des Oberverwal- konsumverbot finde in § 9a SächsPolG Freiheitsrechte des Einzelnen, insbe­ tungsgerichts Berlin-Branden- keine Rechtsgrundlage, weil es dem für sondere auch der sogenannte „stillen burg vom 14.7.2017 den Beschluss der Polizeiverordnung Trinker“ als Nichtstörer, darstellen. Jüngst wies das OVG Berlin-Branden­ zuständigen Stadtrat an positiven Fest­ Dennoch greifen bundesweit Kommu­ burg die Beschwerde der Stadt Forst stellungen gefehlt habe, wonach sich in nen auf solche Verbote – gerade auch in (Lausitz) zurück.3 Die im Eilverfahren den durch die Verordnung bestimmten 2 jüngster Zeit – zurück. angegriffene Beanstandung des zustän­ Bereichen Personen aufgehalten hätten, Nachfolgend sollen einige grund­ digen Landkreises als Kommunalauf­ die alkoholbedingte Straftaten gegen legende gerichtliche Entscheidungen sichtsbehörde gegen eine Verordnung das Leben, die körperliche Unversehrt­ erläutert und anschließend Möglich­ der Stadt begegne keinen Bedenken. heit oder das Eigentum begangen hät­ keiten der Kommunen skizziert werden, Nach Ansicht des Gerichts gehe das auf ten. Eine bloße Kriminalitätsstatistik, dem unerwünschten Alkoholkonsum zu bestimmte Straßenabschnitte begrenzte die im Geltungsbereich der Verordnung begegnen. Alkoholkonsumverbot, das nachträg­ begangene Straftaten aufliste, reiche als lich in diese Verordnung aufgenommen Begründung nicht aus, da sich daraus I. Rechtsprechung zu worden sei, zu weit. Es fehle an der Ver­ gerade nicht ergebe, dass die Straftaten Alkoholkonsumverboten letzung eines Schutzgutes der öffent­ unter Alkoholeinfluss erfolgten.6 Die Rechtsprechung stellt – unabhängig lichen Sicherheit, wenn allein auf das davon, ob es eine ausdrückliche Ermächti­ Konsumieren beziehungsweise Genie­ 3. Urteil des Niedersächsischen gungsnorm für Alkoholkonsumverbote in ßen von Alkohol in der Öffentlichkeit Oberverwaltungsgerichts vom den jeweiligen Landesgesetzen gibt oder – unabhängig davon, ob ein Fehlver­ 30.11.2012 nur eine allgemeine Norm zur Abwehr halten vorliege, – abgestellt werde. Auch Auch das Niedersächsische OVG hatte von Gefahren – hohe Anforderungen mangele es an der Erforderlichkeit eines 2012 im Rahmen eines Normenkontrol­ an die Kommunen, die als Gefahrenab­ solchen Verbotes, denn der Kommune lantrags in Bezug auf die Gefahrenab­ wehrbehörde ein Alkoholkonsumverbot stünden mildere, gleich wirksame Mit­ wehrverordnung der Stadt Göttingen zu erlassen. Besonderer Fokus liegt dabei tel zur Verfügung, deren konsequente entscheiden.7 In der streitgegenständ­ auf dem nachvollziehbar dokumentierten Anwendung eine solche Regelung ent­ lichen Verordnung verbot die Kommune behrlich machte. Ähnlich hatte bereits für einen kurzen Straßenabschnitt, der 4 die Vorinstanz argumentiert. Das sich zu einer Partymeile mit entspre­ 1 Die Autorin ist Leiterin der Stabsstelle Justizia­riat Alkoholverbot sei rechtswidrig, weil es der Stadt . chend alkoholbedingten negativen 2 Vgl. zusammenfassend: Thielmann in: KOMMU- an einer abstrakten Gefahr fehle. Ohne Begleiterscheinungen entwickelt hatte, NAL. 10/2017, S. 22 f. Beispielsweise erließen Nachweis konkreter Daten, aus denen im Jahr 2017 München, Nürnberg, Duisburg den Alkoholkonsum sowie das Mitführen und Cottbus Alkoholkonsumverbote: http:// sich der Zusammenhang zwischen www.sueddeutsche.de/muenchen/zwischen- von Alkohol zum Zwecke des Konsums stand-alkoholverbot-am-hauptbahnhof-wo- Alkoholkonsum und Fehlverhalten in hin-ist-die-trinker-szene-verschwun- den bezeichneten Straßenabschnitten den-1.3409058 (Artikel vom 8.3.2017), https:// www.nuernberg.de/imperia/md/stadtrecht/ ergebe, sei es nicht gerechtfertigt, jeder­ dokumente/3/320/320_024.pdf, http://www. 5 Sächs. OVG, Urteil vom 30.3.2017, Az.: 3 C 19/16. nordbayern.de/region/nuernberg/stadt-be- mann pauschal den Konsum von Alkohol Hinzuweisen ist darauf, dass – anders als in Nie- schliesst-alkoholverbot-rund-um-hauptbahn- ganzjährig und ganztägig zu untersagen. dersachsen – Sachsen mit § 9a SächsPolG eine hof-1.5687175 (Artikel vom 14.12.2016), https:// spezialgesetzliche Rechtsgrundlage zum Erlass www.waz.de/staedte/duisburg/in-der-duisbur- kommunaler Alkoholverbote geschaffen hat. ger-city-gilt-ab-mitte-mai-das-alkoholver- bot-id210501275.html (Artikel vom 16.5.2017), 6 Darüber hinaus bemängelte das Sächs. OVG, dass https://www.cottbus.de/aktuelles/allgemein- 3 OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom sich das Verbot auf mehr Straßen bzw. Plätze, als verfuegung/2017/allgemeinverfuegung_der_ 14.7.2017, Az.: OVG 12 S 7/17. in § 9a SächsPolG vorgesehen, erstrecke. stadt_cottbus_alkoholverbot.html (Artikel vom 4 VG Cottbus, Beschluss vom 21.12.2016, 7 OVG Lüneburg, Urteil vom 30.11.2012, 30.5.2017). Az.: 4 L 206/16. Az.: 11 KN 187/12.

NST-N 1-2018 ALLGEMEINE VERWALTUNG 15 in dem bezeichneten Straßenabschnitt.8 enthaltenen Dokumentationen sowie öffentliche Sicherheit vorliege. „Maß­ Das Verbot war nicht nur räumlich, aus der allgemeinen Lebenserfahrung gebliches Kriterium zur Feststellung sondern auch zeitlich begrenzt auf lasse sich der erforderliche Kausalzu­ einer Gefahr ist die hinreichende Wahr­ die Nächte freitags bis sonntags sowie sammenhang zwischen verbotenem scheinlichkeit des Schadenseintritts. bestimmter Feiertage. Die Verordnung Alkoholkonsum und Verstößen gegen Die abstrakte Gefahr unterscheidet sich sollte zunächst von Mitte 2012 bis zum die öffentliche Sicherheit im vorliegen­ dabei von der konkreten Gefahr nicht Jahresbeginn 2013 gelten, um ihre den Fall herleiten, da eine mehr als nur durch den Grad der Wahrscheinlichkeit Effektivität zu überprüfen.9 geringfügige Wahrscheinlichkeit für den des Schadenseintritts, sondern durch Das OVG hatte weder formelle noch Schadenseintritt, insbesondere im Hin­ den Bezugspunkt der Gefahrenprognose materiell-rechtliche Bedenken gegen blick auf das hochrangige Rechtsgut der oder, so das Bundesverwaltungsge­ die auf Grundlage der §§ 1, 55 Nds. SOG10 menschlichen Gesundheit (erhebliche richt13, durch die Betrachtungsweise: erlassenen Verordnung. § 55 Nds. SOG Störung der Nachtruhe der Anwohner), Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn setze das Vorliegen einer abstrakten bestehe. Solche Belästigungen müss­ in dem zu beurteilenden konkreten Gefahr für ein Schutzgut der öffent­ ten auch unter den Aspekten der Her­ Einzelfall in überschaubarer Zukunft lichen Sicherheit i.S.d. § 2 Nr. 2 Nds. SOG kömmlichkeit, der sozialen Adäquanz mit dem Schadenseintritt hinreichend voraus. Hierfür bedürfe es genügender und der allgemeinen Akzeptanz sowie wahrscheinlich gerechnet werden kann; Erkenntnisse über die Einzelheiten des der bebauungsrechtlichen Prägung nicht eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn zu regelnden Sachverhalts und über die mehr hingenommen werden. eine generell-abstrakte Betrachtung für maßgeblichen Kausalverläufe, die sich Darüber hinaus seien die überprüften bestimmte Arten von Verhaltenswei­ aus wissenschaftlichen Erkenntnissen, Regelungen auch hinreichend klar und sen oder Zuständen zu dem Ergebnis Erkenntnissen fachkundiger Stellen und bestimmt i.S.d. § 57 I Nds. SOG sowie führt, dass mit hinreichender Wahr­ auch aus der allgemeinen Lebenserfah­ verhältnismäßig, da die Verordnung scheinlichkeit ein Schaden im Einzel­ rung ergäben und woraus eine hinrei­ geeignet sei, die Anwohner insbesondere fall einzutreten pflegt und daher Anlass chende Wahrscheinlichkeit für einen vor Gesundheitsbeeinträchtigungen zu besteht, diese Gefahr mit generell-abs­ Schadenseintritt für ein Schutzgut schützen, ein milderes, gleich wirk­ trakten Mitteln, also einem Rechtssatz der öffentlichen Sicherheit resultieren sames Mittel nicht gegeben11 und das zu bekämpfen.“14 Auch eine abstrakte müsse. Zwar sei der Alkoholkonsum in Alkoholverbot auch angemessen sei. Es Gefahr bedürfe mithin einer in tatsäch­ der Öffentlichkeit grundsätzlich geset­ beschränke die Betroffenen nicht unzu­ licher Hinsicht genügend abgesicherten zeskonform, die Schwelle zu einem mutbar in ihrem Recht auf allgemeine Prognose, wonach der Schaden regel­ Verstoß gegen die Rechtsordnung und Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG, da die mäßig und typischerweise, wenn auch gegen Individualrechtsgüter, insbe­ Regelung örtlich und zeitlich begrenzt nicht ausnahmslos, zu erwarten sein sondere der Gesundheit, sei allerdings sei und zudem auch Ausnahmerege­ müsse. Zu unterscheiden sei der Gefahr­ dann überschritten, wenn es durch alko­ lungen möglich seien. Der kollidierende begriff von einem bloßen Gefahrenver­ holbedingte Ausfallerscheinungen zu Gesundheitsschutz der Anwohner aus dacht15, der gerade nicht von § 10 PolG Straftaten, Ordnungswidrigkeiten (§§ Art. 2 II GG sei daher höher zu bewerten. umfasst sei. Das Gericht sah vorliegend 117, 118 OWiG) und sonstigen Rechts­ keine hinreichenden Anhaltspunkte verstößen komme. Je hochwertiger das 4. Urteil des Verwaltungsgerichts- dafür, dass Alkoholkonsum regelmä­ zu schützende Rechtsgut sei, desto hofs Baden-Württemberg vom ßig und typischerweise Gewaltdelikte geringere Anforderungen seien an die 28.7.2009 nach sich ziehe. Die vorgelegten Poli­ Schadenseintrittswahrscheinlichkeit zu Schließlich ist als grundlegend zum zeistatistiken begründeten allenfalls 16 stellen. Aus den im Verwaltungsvorgang Alkoholkonsumverbot das Urteil des einen Gefahrenverdacht , nicht aber VGH Baden-Württemberg zu nennen, eine abstrakte Gefahr, sodass sich die 8 Diese Verordnung orientierte sich an den Rege- der im Rahmen einer Normenkontrolle lungen der Stadt Bonn. Zur Verordnung der Stadt Bonn vgl. http://www.ksta.de/bonner-loch-ge- Teile der Polizeiverordnung der Stadt 13 BVerwG, Urteil vom 3.7.2002, Az.: 6 CN 8/01 mit grundlegenden Erörterungen zum Gefahrenbegriff. richt-bestaetigt-alkoholverbot-13170652 (Artikel 12 vom 23.7.2008); http://www.general-anzei- Freiburg für unwirksam erklärte. Das 14 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.7. ger-bonn.de/bonn/stadt-bonn/Weiter-kein-Al- örtlich und zeitlich begrenzte Alkohol­ 2009, Az.: 1 S 2200/08 unter: http://lrbw.juris. kohol-im-Bonner-Loch-article1659809.html de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document. (Artikel vom 19.6.2015). konsumverbot in bestimmten Bereichen py?Gericht=bw&nr=11999, Rn. 35. 9 Zur Effektivität der Verordnung der Stadt Göttin- der Innenstadt werde nur dann von 15 Hierzu auch grundlegend: BVerwG, Urteil vom gen s. beispielsweise: http://www.goettinger-ta- 3.7.2002, Az.: 6 CN 8/01. § 10 PolG als Ermächtigungsgrundlage geblatt.de/Goettingen/Uebersicht/Nikolaistras- 16 Weder, so der VGH Baden-Württemberg (Urteil se-Goettingen-Debatte-ueber-Alkoholverbot getragen, wenn eine Gefahr für die vom 28.7.2009, Az.: 1 S 2200/08 unter: http:// (Artikel vom 2.12.2013). Der zuständige Rat der lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/ Stadt Göttingen lehnte jedoch eine weitere Verlän- document.py?Gericht=bw&nr=11999, Rn. 44-49), gerung über den 1.1.2014 hinaus ab, s. http://www. sei ein massiver Rückgang der Gewaltdelinquenz goettinger-tageblatt.de/Goettingen/Uebersicht/ nach der zunächst einjährigen Testphase eines Nikolaistrasse-Goettingen-Rat-kippt-Alko- 11 Die beklagte Kommune hatte im Vorfeld vergeblich Alkoholkonsumverbotes durch die Vorläuferfas- hol-Verbot (Artikel vom 13.12.2013). auf diverse, im Verwaltungsvorgang dokumen- sung der Polizeiverordnung feststellbar gewesen, 10 Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche tierte, freiwillige sowie restriktive Maßnahmen noch sei das vorgelegte Datenmaterial der Polizei Sicherheit und Ordnung (nachfolgend: Nds. SOG) gesetzt; auch verstärkte Vor-Ort-Kontrollen entsprechend aussagekräftig, da es einen Verzerr- in der Fassung vom 19.1.2005 (Nds. GVBl. 2005, S. führten nicht zur Besserung. faktor aufweise und zudem Angaben fehlten, ob 9), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes 12 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.7. 2009, Gewaltdelikte im öffentlichen Raum oder in einem vom 6.4.2017 (Nds. GVBl. 2017, S. 106). Az.: 1 S 2200/08. Gebäude begangen worden seien.

16 ALLGEMEINE VERWALTUNG NST-N 1-2018 streitige Regelung der Polizeiverord­ Kommunen ausdrücklich ermächtigt, und Normen der Rechtsordnung21 ver­ nung nicht im Rahmen der gesetzlichen Alkoholkonsumverbote zu erlassen. letzt werden oder verletzt zu werden Ermächtigung aus § 10 PolG halte. Daher stellt sich die Frage, ob eine drohen. Kommunen, die ein auf § 55 Sofern im Bereich der Gefahrenvorsorge entsprechende Ergänzung des Nds. Nds. SOG gestütztes Alkoholverbot im zum Schutz höchstrangiger Rechtsgü­ SOG angezeigt ist. Dafür spricht, dass öffentlichen Raum in Erwägung zie­ ter wie Leib und Leben Freiheitsrechte die Kommunen durch eine spezielle hen, sollten daher im Vorfeld ein sol­ eingeschränkt werden sollten, sei dies Ermächtigungsgrundlage zum Erlass ches alkoholbedingtes Fehlverhalten allein Aufgabe des Gesetzgebers. „Nur von Alkoholkonsumverboten Hand­ umfassend dokumentieren, insbeson­ er ist befugt, unter Abwägung der lungssicherheit erhalten, wobei die dere Beschwerden von Anwohnern und widerstreitenden Interessen und unter Anforderungen, wie § 9a SächsPolG und Passanten, Polizeieinsätze, Einsätze Beachtung grundrechtlicher Vorgaben das Urteil des Sächsischen OVG zeigen, des Ordnungsamtes und von Sozialar­ die Rechtsgrundlagen für abstrakt-ge­ aufgrund des Eingriffs in Freiheits­ beitern. Statistiken, denen die Gerichte nerelle Grundeingriffe zu schaffen, rechte hoch sind. Dagegen spricht, dass in der Regel ohnehin nur beschränkte mit denen an einzelnen Brennpunkten die bestehenden allgemeinen Rege­ Aussagekraft beimessen, müssen klar Risiken vermindert werden sollen. Eine lungen den Kommunen ein durchaus den Zusammenhang zwischen Alko­ derart weitreichende Bewertungs- und beachtliches Handlungsinstrumenta­ holkonsum und Ordnungswidrigkeit Entscheidungskompetenz steht der rium, das nachfolgend dargestellt wird, beziehungsweise Straftat im öffent­ Polizeibehörde nicht zu.“17 an die Hand geben19 und der Gesetzge­ lichen Raum aufzeigen. So bemän­ ber aufgrund der Vielzahl spezieller gelte der VGH Baden-Württemberg22 II. Möglichkeiten der Gefahren nicht jeden Gefahreneinzelfall beispielsweise, dass eine vorgelegte Kommunen, uner­ wird regeln können. Statistik nicht zwischen der Begehung wünschten Alkohol­ eines Deliktes im öffentlichen Raum konsum in Niedersachsen­ 1. Gefahrenabwehrverordnung oder in einem Gebäude differenziere. zu untersagen (§§ 55 ff. Nds. SOG) Das Sächsische OVG kritisierte, dass Anders als in Sachsen gibt es keine § 55 Nds. SOG ermächtigt Kommunen, eine beigebrachte Statistik offen lasse, spezielle Norm im Nds. SOG, die ver­ zur Abwehr abstrakter Gefahren nach ob die Straftaten überhaupt unter Alko­ 23 gleichbar dem § 9a SächsPolG18 die den für Satzungen geltenden Vorschrif­ holeinfluss begangen worden seien. ten Verordnungen zu erlassen. Entscheidend für das Vorliegen einer Abstrakte Gefahr ist in § 2 Nr. 2 Nds. abstrakten Gefahr ist also stets, dass es 17 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.7. 2009, einen nachvollziehbaren, umfangreich Az.: 1 S 2200/08, unter: http://lrbw.juris.de/cgi- SOG legaldefiniert als „eine nach all­ bin/laender_rechtsprechung/document.py?Ge- gemeiner Lebenserfahrung oder den dokumentierten Kausalzusammenhang richt=bw&nr=11999, Rn. 53. Der VGH verneinte auch eine „Erprobungsphase“, in der die Behörde Erkenntnissen fachkundiger Stellen zwischen Alkoholkonsum und Fehlver­ die Effektivität des Alkoholkonsumverbotes über halten geben muss, der sich aus fach­ einen gewissen Zeitraum testen und die erhobenen mögliche Sachlage, die im Fall ihres Daten auswerten wollte. Eintritts eine Gefahr (Nummer 1) kundiger Einschätzung, Indizien, aber 18 § 9a SächsPolG [Ermächtigung zum Erlass örtlich auch aus der allgemeinen Lebenserfah­ und zeitlich begrenzter Alkoholkonsumverbote] darstellt“. Nach § 2 Nr. 1 a) Nds. SOG lautet: muss der Schadenseintritt für ein rung ergeben kann. (1) Die Ortspolizeibehörden können durch Poli- Da ein Alkoholkonsumverbot auch zeiverordnung verbieten, auf öffentlichen Flächen Schutzgut der öffentlichen Sicher­ außerhalb von genehmigten Außenbewirtschaf- heit und Ordnung in absehbarer Zeit am Grundsatz der Verhältnismäßig­ tungsflächen alkoholische Getränke zu konsu- mieren oder zum Zwecke des Konsums innerhalb hinreichend wahrscheinlich sein. Die keit zu messen ist, muss es geeignet, dieser Fläche mitzuführen, wenn Tatsachen die erforderlich und angemessen sein. Annahme rechtfertigen, dass sich dort Personen Messlatte bezüglich des Vorliegens aufhalten, die alkoholbedingte Straftaten gegen einer abstrakten Gefahr ist durch den Mildere Mittel wie ein runder Tisch, das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder das Eigentum begangen haben und künftig begehen Gesetzgeber und die Rechtsprechung, Krisengespräche, freiwillige Ein­ werden. wie unter I. erörtert, hoch gesteckt. Der schränkung der Alkoholabgabe durch (2) Das Verbot ist auf bestimmte Tage innerhalb einer Woche und Stunden des Tages zu beschrän- Alkoholkonsum selbst stellt gerade Einzelhändler (insbesondere Verzicht ken. Ein generelles Verbot an allen Tagen und über auf sogenannte Flatrate-Angebote), mehr als zwölf Stunden am Tag ist unzulässig. Das keine abstrakte Gefahr dar. Es bedarf Verbot ist örtlich auf den zur Verhütung von Straf- vielmehr eines kausalen, also alkohol­ freiwillige Beschränkung der Betriebs­ taten erforderlichen Umfang zu beschränken. Die örtliche Verbotsbeschränkung nach Satz 3 darf sich bedingten Fehlverhaltens, wodurch zeiten gastronomischer Betriebe, breit lediglich auf einen räumlichen Bereich beziehen, 20 angelegte Aufklärungs- und Sozial­ der höchstens durch zwei Plätze und drei Straßen insbesondere Individualrechtsgüter im Sinne des Straßengesetzes für den Freistaat arbeit, umfangreiche Vor-Ort-Kontrol­ Sachsen (…), begrenzt wird. Von einer nach Satz 1 und 3 festgesetzten Beschränkung kann die nach len durch Ordnungsbehörde und Polizei Absatz 1 zuständige Behörde in besonderen Fällen 19 S. hierzu auch: Sitzung des Niedersächsischen sowie behördliche Alkoholverkaufsver­ Ausnahmen zulassen. Landtages am 25.9.2009, Fragestunde Nr. 23, (3) Polizeiverordnungen nach Absatz 1 müssen Beantwortung der Kleinen Anfrage des Abge- mindestens einen Monat und dürfen höchstens ordneten Ralf Briese durch Innenminister Uwe ein Jahr gelten. Der Erlass einer erneuten Poli- Schünemann, http://www.mi.niedersachsen.de/ 21 Eine Verletzung der Rechtsordnung erfolgt durch zeiverordnung ist zulässig, wenn dies zur Abwehr aktuelles/presse_informationen/62818.html. die Begehung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten. der in Absatz 1 genannten Gefahr zwingend 20 Zum Beispiel das Recht auf Unversehrtheit von geboten ist. Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen 22 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.7. 2009, Zitiert nach: https://www.justiz.sachsen.de/ovg/ / Eigentum. Hierzu zählt auch das Recht auf Az.: 1 S 2200/08. download/Medieninformation_30_03_17.pdf. Nachtruhe. 23 Sächs. OVG, Urteil vom 30.3.2017, Az.: 3 C 19/16.

NST-N 1-2018 ALLGEMEINE VERWALTUNG 17 bote24 sollten daher vorab geprüft und bedienen.27 Bei einer solchen Allgemein­ Darüber hinaus können die Kommunen deren Scheitern ebenfalls umfassend verfügung, die sich an einen bestimm­ Sperrzeiten für das Gaststättengewerbe dokumentiert werden. Im Rahmen der ten oder bestimmbaren Adressatenkreis gemäß § 10 Nds. GastG i.V.m. Nr. 3.4.1.2 Angemessenheit sollte vor allem auch richtet, ist der Fokus auf das Vorliegen c) der Anlage der Verordnung über auf den Gesundheitsschutz der Anwoh­ einer konkreten Gefahr gemäß § 2 Nr. 1a Zuständigkeiten auf dem Gebiet des ner als hochrangiges Schutzgut Bezug Nds. SOG, den Grundsatz der Verhält­ Wirtschaftsrechts sowie in anderen genommen werden, sofern diese durch nismäßigkeit und die Ausübung feh­ Rechtsgebieten (ZustVO-Wirtschaft) alkoholbedingte Begleiterscheinungen lerfreien Ermessens zu legen.28 Für das festsetzen. Für Spielhallen hat das in ihrer Nachtruhe nicht unerheblich Vorliegen einer konkreten Gefahr bedarf Innenministerium Regelungen in der gestört werden. es der hinreichenden Wahrscheinlich­ Verordnung über Sperrzeiten für Spiel­ Die Regelungen einer Gefahrenab­ keit eines Schadenseintritts für ein hallen (SperrzeitVO) getroffen. wehrverordnung müssen zudem gemäß Schutzgut der öffentlichen Sicherheit Straßenrechtlich stellt der Alkohol­ § 57 Nds. SOG hinreichend bestimmt und Ordnung, sodass die Kommune konsum auf öffentlichen Verkehrsflä­ und klar gefasst sein25 sowie den Form­ auch hier – auf den konkreten Einzelfall chen nach h. M. als sogenannter vorschriften des § 58 Nds. SOG genügen. bezogen – eine nachvollziehbar doku­ „kommunikativer Verkehr“ einen Sie sollten darüber hinaus örtlich und mentierte Gefahrenprognose erstellen erlaubnisfreien Gemeingebrauch (§ 14 zeitlich (§ 61 Nds. SOG) begrenzt sein sollte. Anders als bei der Gefahrenab­ NStrG) und gerade keine erlaubnis­ und Ausnahmen zulassen. Es empfiehlt wehrverordnung können keine Buß­ pflichtige Sondernutzung (§ 18 NStrG) sich, nach einem überschaubaren Zeit­ gelder verhängt werden; die Durchsetz­ dar.30 raum die Verordnung einer Evaluation barkeit erfolgt allein über §§ 64 ff. Nds. Für öffentliche Einrichtungen kann zu unterziehen. SOG. Mithin muss die Allgemeinverfü­ die Kommune nach §§ 10 I, 30 I NKomVG Zusammenfassend lässt sich fest­ gung gemäß § 64 I Nds. SOG entweder ein Alkoholverbot in ihrer Benutzungs­ stellen, dass eine abstrakt-generelle unanfechtbar sein oder es bedarf der ordnung festlegen. Gefahrenabwehrverordnung trotz der Anordnung der sofortigen Vollziehung. hohen Hürden ein effektives Mittel der Zudem sollte ein Zwangsgeld (§§ 67, 70 4. Prävention Kommunen zur Bekämpfung uner­ Nds. SOG) angedroht und im Rahmen Letztlich empfiehlt es sich, besonderes wünschten Alkoholkonsums ist. Bereits von Kontrollen auch festgesetzt werden, Augenmerk auch und gerade auf prä­ das Aufstellen von gut sichtbaren, gro­ um der Allgemeinverfügung Nachdruck ventive Maßnahmen zu legen und als ßen Alkoholverbotsschildern im öffent­ zu verleihen. Kommune frühzeitig gemeinsam mit lichen Raum, die auf die Verordnung Polizei, Schulen und anderen Institu­ hinweisen, und die Androhung emp­ 3. Sonstige Maßnahmen tionen sich abzeichnende Brennpunkte 26 findlicher Bußgelder auf Grundlage Weiterhin stehen Polizei und Kommune durch gezielte Präventionskampa­ der Verordnung dürften abschreckend Einzelfallmaßnahmen gegen einzelne gnen und den Einsatz insbesondere wirken. Daneben sollte aber auch auf Störer als Handlungsoptionen zur von Jugend- und Sozialarbeitern zu sichtbare Präsenz, regelmäßige Kon­ Verfügung. Dazu zählen insbesondere entschärfen. Alkoholkonsumverbote trollen und konsequente Durchset­ vorübergehende Platzverweise nach sollten nicht den einzigen Lösungsan­ zung des Verbotes durch Polizei und § 17 I Nds. SOG bei Vorliegen einer satz darstellen, zumal dadurch nicht Ordnungsamt gesetzt werden, damit konkreten Gefahr sowie Aufenthalts­ nur die Gefahr der kreativen Umgehung die Verordnung nicht zum „zahnlosen verbote für eine bestimmte Zeit nach des Verbotes, sondern auch der Verlage­ Papiertiger“ wird. § 17 IV Nds. SOG, sofern Tatsachen rung des Alkoholproblems in andere die Annahme rechtfertigen, dass eine Bereiche der Kommune besteht. Zwar 2. Allgemeinverfügung nach § 35 Person in einem bestimmten örtlichen sind Präventionsmaßnahmen perso­ S. 2 VwVfG, § 1 Nds. VwVfG Bereich eine Straftat begehen wird. Auch nalintensiv, doch bedürfen auch Alko­ i. V. m. §§ 1, 2 Nr. 1a, 11 Nds. eine sogenannte „Gefährderansprache“ holkonsumverbote der steten Kontrolle SOG ist möglich.29 und konsequenten Durchsetzung, da sie Zudem können sich Kommunen der andernfalls ins Leere liefen. konkret-generellen Allgemeinver­ 27 Beispielhaft für die Beschränkung des Alkohol- konsums am Himmelfahrtstag durch Allgemein- fügung nach § 35 S. 2 VwVfG, § 1 Nds. der Durchführung zu prüfen, ob es sich um bloße verfügung: Öffentliche Bekanntmachung der Stadt Hinweise auf die Rechtslage und allgemeine Bera- VwVfG i. V. m. §§ 1, 2 Nr. 1a, 11 Nds. SOG vom 4.5.2017 unter: https://www.goslar.de/ tung handelt oder ob der Ansprache grundrechts- images/pdf/bekanntmachungen/2017/170511_ relevante Wirkung zukommt. Im letztgenannten Allgemeinverfgung_Himmelfahrtstag_2017. Fall bedarf es einer Eingriffsermächtigung – hier pdf. Vgl. für die Region Hannover: http://www. § 11 Nds. SOG, sodass insbesondere eine konkrete 24 Die Festsetzung örtlicher Sperrzeiten für Gaststät- haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/ Gefahr vorliegen und die Maßnahme ermessens- ten dürfte indes kein milderes Mittel darstellen, Musik-und-Alkoholverbot-Behoerden-ru- fehlerfrei sowie verhältnismäßig sein muss. Zu vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 30.11.2012, Az.: 11 esten-sich-fuer-Grosseinsatz-zum-Vater- den Voraussetzungen eines sogenannten „Gefähr- KN 187/12, Rn. 92. tag-in-Hannover (Artikel vom 25.5.2017). deranschreibens“ s. grundlegend: OVG Lüneburg, 25 Problematisch wäre beispielsweise das Konsum- 28 Vgl. hierzu VG Osnabrück, Beschluss vom Urteil vom 22.9.2005, Az.: 11 LC 51/04. verbot von „hochprozentigem“ Alkohol, weil nicht 11.2.2010, Az.: 6 B 9/10. Die im Eilverfahren über- 30 Bei sogenannten „Party-/Bierbikes“ geht die klar bestimmt wäre, ab welcher Prozentzahl das prüfte Allgemeinverfügung zur Gefahrenabwehr ist Rechtsprechung indes von einer Sondernutzung Verbot greift. nach Ansicht des VG offensichtlich rechtswidrig. aus, vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26 S. § 59 Nds. SOG. 29 Im konkreten Einzelfall ist je nach Inhalt und Art 23.11.2011, Az.: 11 A 2325/10.

18 ALLGEMEINE VERWALTUNG NST-N 1-2018 „Die Frage nach dem Geld – mit KfW Förderprodukten kommunale Herausforderungen meistern“ VON DAVID MICHAEL NÄHER

Neben dem allgegenwärtigen Investitionsstau gehören der Investitionen in die Stadtbeleuchtung, Kampf gegen den Klimawandel und die Bewältigung des in Straßen, in Brandschutzmaßnahmen an kommunalen Gebäuden sowie in die demografischen Wandels für viele Städte und Gemeinden öffentliche Verwaltung. in Niedersachsen zu den zentralen Herausforderungen. Die (Weitere Infos im Internet unter www.kfw.de/208) staatliche KfW Bankengruppe bietet für diese Themenfelder ◼ Energetische Stadtsanierung eine ganze Reihe von attraktiven Förderprodukten an. – Zuschuss In diesem Programm werden Zuschüsse bestimmter Investitionen erhöht bezie­ für die Erstellung von Quartierskonzep­ hungsweise deren Amortisationszeit ten und den Einsatz von Sanierungs­ verkürzt. Die KfW bietet zum einen eine managern vergeben. Bis zu 65 Prozent Basisförderung für eine breite Palette der Sach- und Personalkosten werden an Investitionen in die kommunale so von der KfW beziehungsweise dem und soziale Infrastruktur. Über diesen Bund übernommen. „Allround-Kredit“ hinaus werden für (www.kfw.de/432) besondere Förderschwerpunkte Pro­ ◼ IKK – Energetische Stadtsanierung dukte mit zusätzlichen Zinsvergüns­ – Quartiersversorgung tigungen und (Tilgungs-)Zuschüssen Investitionen in die energieeffiziente angeboten. Dabei gilt grundsätzlich Wärme- und Kälteversorgung, ins­ David Michael Näher ist das Prinzip: Je energieeffizienter, desto besondere in Anlagen zur Nutzung Key Account Manager bei höher die Förderung. Von Kommunen industrieller Abwärme, dezentrale der KfW Bankengruppe können folgende Förderprodukte für Wärme- und Kältespeicher, Wärme- Umwelt- und Klimaschutzinvestitionen und Kältenetze sowie energieeffiziente genutzt werden: Wasserver- und Abwasserentsorgung KfW Förderung für können mit diesem zinsgünstigen För­ effizienten Umwelt- und ◼ IKK – Investitionskredit Kommunen derprodukt finanziert werden. Hinzu Klimaschutz Mit diesem zinsgünstigen Investitions­ kommt ein vom Bund finanzierter kredit können diverse Investitionen in Auch wenn die niedersächsischen Kom­ Tilgungszuschuss in Höhe von fünf die kommunale und soziale Infrastruk­ munen im bundesdeutschen Vergleich Prozent. tur mitfinanziert werden, zum Beispiel (www.kfw.de/201) finanziell noch relativ gut dastehen, bleibt vielerorts nicht viel Spielraum für Investitionen in Umwelt- und Klima­ schutz. Aus gutem Grund wird daher verstärkt auf die Wirtschaftlichkeit von Investitionen geachtet. Hierbei spielen neben den zu erzielenden Einspar­ effekten vor allem die Umsetzungsko­ sten eine Rolle. Dazu gehören in nicht unerheblichem Maße die Finanzie­ rungskosten einer Investition. Genau hier setzt die KfW Banken­ gruppe – als Förderbank des Bundes – mit ihren Finanzierungsprodukten an. Durch zinsgünstige Darlehen und Zuschüsse werden Investitionsanreize

gesetzt und die Wirtschaftlichkeit FOTO: KFW-BILDARCHIV/PHOTOTHEK.NET

NST-N 1-2018 FINANZEN UND HAUSHALT 19 ◼ IKK – Energetische Stadt­ sanierung – Energieeffizient Bauen und Sanieren Mit diesem zinsgünstigen Kredit für die energetische Gebäudesanierung können Einzelmaßnahmen oder Kom­ plettsanierungen von kommunalen Nichtwohngebäuden finanziert werden. Werden dabei bestimmte Energiebe­ darfswerte unterschritten, zahlt der Bund am Ende sogar Tilgungszuschüsse von bis zu 17,5 Prozent. (www.kfw.de/218) Auch die Errichtung beziehungsweise der Ersterwerb von energieeffizienten kommunalen Gebäuden kann zinsgün­ stig finanziert werden. Bei Unterschrei­ tung vorgegebener Energiebedarfs­ werte zahlt der Bund zusätzlich einen fünfprozentigen Tilgungszuschuss. (www.kfw.de/217)

Es ist zu beachten, dass eine Antragstellung in diesem Programm ab 17.4.2018 nur noch vor Vorhaben­beginn möglich ist (Übergangsfrist bis 30.6.2018).

◼ Energieeffizient Bauen und Sanieren – Zuschuss Brennstoffzelle Mit diesem Programm wird der Einbau von stationären Brennstoffzellensyste­ men in neue oder bestehende Gebäude mit bis zu 28 200 Euro je Brennstoffzelle bezuschusst. FOTO: KFW-BILDARCHIV/PHOTOTHEK.NET (www.kfw.de/433) Barriereabbau in der ◼ IKK – Barrierearme Stadt Die KfW unterstützt mit ihren Förder­ kommunalen Infrastruktur Investitionen in die barrierereduzie­ produkten für den kommunalen Sektor rende Umgestaltung der Infrastruktur, eine rasche und wirtschaftliche Umset­ Wie kaum ein anderes Land erlebt insbesondere in öffentlichen Gebäuden, zung von Infrastrukturprojekten. Durch Deutschland derzeit eine massive im Verkehr und im öffentlichen Raum Investitionen in moderne, sparsame Alterung der Bevölkerung. Gleichzeitig können mit diesem zinsgünstigen För­ Technologien und Materialien sind wachsen – nicht zuletzt durch gesetz­ derprodukt finanziert werden. oftmals kurzfristige Umwelt-, Effi­ liche Vorgaben – das Bewusstsein zienz- und damit auch Kosteneffekte und die Bereitschaft, Menschen mit (www.kfw.de/233) realisierbar und auch die durch den Behinderung eine gleichberechtigte Kommunen können ihre Kreditanträge demografischen Wandel und die Inklu­ gesellschaftliche Teilhabe zu ermög­ direkt bei der KfW stellen. Die Zinsge­ sionserfordernisse gebotene Umgestal­ lichen. Diese Entwicklung macht es staltung ist dabei für alle Kommunen tung des öffentlichen Raums lässt sich nötig, den öffentlichen Raum an die einheitlich, unabhängig von deren mit Hilfe günstiger Finanzierungspro­ sich ändernden Bedürfnisse der Bevöl­ Größe, Lage, Haushaltssituation oder dukte deutlich leichter, schneller und kerung anzupassen. Gleichzeitig geht anderen Kriterien. Für kommunale effizienter umsetzen. es aber auch darum, in den Kommunen Unternehmen gibt es übrigens ein ein kinder- und familienfreundliches weitgehend analoges Produktangebot. Umfeld zu schaffen. Kommunale Unternehmen stellen ihre Für die Finanzierung der hierfür Kreditanträge über die jeweilige Haus­ Einen Überblick über das gesamte erforderlichen Maßnahmen bietet die bank oder andere Finanzierungspartner Produktangebot der KfW Infrastruktur­ finanzierung finden Sie unter (zum Beispiel Sparkassen, Geschäfts- KfW Bankengruppe für Kommunen ein www.kfw.de/infrastruktur passendes Förderdarlehen: oder Genossenschaftsbanken).

20 FINANZEN UND HAUSHALT NST-N 1-2018 Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) VON NICOLE TEUBER

Die Landtagsfraktionen von CDU und Die Flexibilisierung kann dazu führen, SPD haben ihren Entwurf eines Gesetzes dass Kinder, für die der entsprechende zur Änderung des Niedersächsischen Antrag gestellt wurde, ein Jahr länger Schulgesetzes (NSchG) vorgelegt. Der den Kindergarten besuchen. In der Entwurf arbeitet die Ziele von SPD und Gesetzesbegründung wird auf Seite 4 CDU aus der gemeinsamen Koalitions­ der Drucksache 18/168 angenommen, vereinbarung für den Schulbereich der dass jährlich etwa 2800 Kinder den laufenden Legislaturperiode auf. Kon­ Kindergarten künftig ein Jahr länger kret geht es um folgende Punkte: besuchen. Weiter wird davon ausgegan­ 1. Flexibilisierung des gen, dass die vorhanden freien Kapazi­ Einschulungsstichtages täten in den Kindertagesstätten diesen Nicole Teuber ist Mehrbedarf auffangen, so dass keine 2. Fortführung der Förderschule Referatsleiterin beim zusätzlichen Kosten für die Kommunen Lernen bis zum Ende des Schul­ Niedersächsischen entstehen. Auch für diese Kinder soll die jahres 2027/2028 Städtetag Beitragsfreiheit gelten. 3. Streichung des Wortes Aus kommunaler Sicht ist fraglich, ob „schulisch“ zwecks Schaffung die vorhandenen freien Kindergarten­ der Möglichkeit, vorschulische Flexibilisierung des plätze diesen Mehrbedarf tatsächlich Sprachfördermaßnahmen Einschulungsstichtages auffangen. Richtig ist, dass in Nie­ anders zu organisieren (z. B. in Bei der Flexibilisierung des Einschu­ dersachsen für das Kindergartenjahr Kindertagesstätten) lungsstichtages bleibt es dabei, dass die 2016/2017 in Kindergartengruppen und Am 25. Januar 2018 wurde der Gesetz­ Schulpflicht in dem Schuljahr beginnt, altersübergreifenden Gruppen insge­ entwurf zur Änderung des Niedersäch­ in dem ein Kind das sechste Lebensjahr samt 225.484 Plätze genehmigt wur­ sischen Schulgesetzes (NSchG) von den bis zum 30. September vollendet hat. den. Laut der Statistik sind 22 235 Plätze Landtagsfraktionen von SPD und CDU in Bei Kindern, die das sechste Lebens­ unbesetzt, von denen 18 322 Plätze auf den Landtag eingebracht. Bei der Dis­ jahr zwischen dem 1.7. und dem 30.9. die Altersgruppe von Kindern zwischen kussion im Parlament haben CDU und vollenden, können die Erziehungsbe­ drei und sechs Jahren fallen. Statistik SPD intensiv für diese Gesetzesände­ rechtigten künftig den Schulbesuch um und Realität könnten hier weit aus­ rung geworben. Sie führten insbe­ ein Jahr hinausschieben. Dieser Zeitkor­ einanderklaffen: Sollte der Mehrbedarf sondere aus, dass im Hinblick auf die ridor ist seitens des Landes so gewählt, an Plätzen durch die Flexibilisierung Fortführung der Förderschule Lernen dass der Schulbesuch von noch nicht des Einschulungstermins in Regionen mehr Ressourcen, mehr Zeit, um Lehr­ sechsjährigen Kindern auf der freien entstehen, in denen eben keine freien kräfte zu qualifizieren und mehr Zeit, Entscheidung der Erziehungsberech­ Plätze vorhanden sind, bedeutet dies für um zusätzlich pädagogische Fach­ tigten beruht. Bei Bedarf müssen die die Kommunen die Schaffung zusätz­ kräfte einzustellen gewonnen werde. Eltern einen entsprechenden Antrag bei licher Kapazitäten. Insbesondere wach­ Außerdem werde Zeit gewonnen, um der zuständigen Grundschule stellen, sende Städte und Gemeinden würden die Sorgen und Nöte der Eltern zu ohne dass zusätzliche Voraussetzungen dadurch erheblich belastet werden. adressieren und dafür Lösungen zu erfüllt sein müssen. Aus diesem Grund fordert der Nieder­ entwickeln. Die Fraktion Bündnis 90/ sächsische Städtetag, dass diese neuen, Die Grünen hingegen glaubte nicht vorgesehenen Belastungen der Kom­ daran, dass die Förderschule Lernen munen seitens des Landes ausgeglichen im Jahr 2028 noch abgeschafft werden werden. könne. Sie zeigte sich enttäuscht von Weiter ist es aus Sicht der Kommunen ihrem einstigen Koalitionspartner. Die im Hinblick auf die Planungssicherheit FDP machte deutlich, dass trotz des im Bereich der Kindertagesstätten Gesetzentwurfes auch weiterhin För­ sinnvoll, eine Stichtagsregelung einzu­ derschulen Lernen abgeschafft werden führen, bis zu dem die Eltern ihre Ent­ können – nämlich dann, wenn sich der scheidung im Hinblick auf das Einschu­ kommunale Schulträger für eine Auflö­ lungsjahr ihres Kindes äußern müssen.

sung entscheide. FOTO: HELENE SOUZA/PIXELIO Die Frist muss so festgelegt sein, dass

NST-N 1-2018 SCHULE, KULTUR UND SPORT 21 die Kommunen die Chance haben, die sind, dass die „freiwerdenden“ Schul­ Das Land beabsichtigt, mit dieser Maß­ Entscheidung der Eltern bei der Kin­ gebäude bereits anderweitig verplant nahme eine Einsparung von rund 500 dergartenplanung zu berücksichtigen. sind. Hier kann auf Druck von Eltern und Lehrerstellen. Im Umkehrschluss würde Schulen eine schwierige Situation für diese Maßnahme bedeuten, dass die Fortführung der Förderschule die örtliche Gemeinschaft entstehen, Kommunen rund 500 Erzieherinnen und Lernen bis zum Ende des die nicht unterschätzt werden darf. Erzieher zusätzlich einstellen müssten. Schuljahres 2027/2028 Abgesehen vom Fachkräftemangel sind Nach aktuellem Recht läuft die För­ Streichung des Wortes die Kommunen derzeit nicht in der derschule Lernen ab dem 1. August „schulisch“ zwecks Lage, diesen personellen Mehraufwand 2013 aufsteigend aus. Die Landtags­ Schaffung der Möglichkeit, – für eine Landesaufgabe – zu tragen. fraktionen von SPD und CDU möchten vorschulische Sprach­förder­ Der Niedersächsische Städtetag fordert den Zeitpunkt für das Auslaufen der maßnahmen anders zu vom Land daher einen angemessenen Förderschule Lernen aber verschieben. organisieren, beispielsweise finanziellen Ausgleich für die Kommu­ Den Kommunen soll die Möglichkeit in Kindertagesstätten nen und die entsprechende Qualifizie­ eröffnet werden, Schulen mit dem Nach bestehendem Recht nehmen rung des kommunalen Personals. Förderschwerpunkt Lernen für einen Kinder, die nicht über ausreichende Der Bereich der Kindertagesbetreu­ Übergangszeitraum bis längstens zum Deutschkenntnisse verfügen, bereits ung in den Kindertagesstätten – der Ende des Schuljahres 2027 / 2028 im vor Beginn der Schulpflicht an schu­ von dieser Änderung betroffen ist, Sekundarbereich I fortzuführen. Allein lischen Sprachfördermaßnahmen teil. ist seit Jahren im Umbruch. Von der die Kommune kann künftig darüber Ob diese Voraussetzung vorliegt, wird ursprünglich angebotenen Vier-Stun­ entscheiden, ob die Förderschule Lernen von der zuständigen Grundschule bei den-Betreuung für über dreijährige vor Ort noch bestehen bleibt oder vorerst der bereits bei der Anmeldung des Kin­ Kinder hat sich das Angebot zu einer weiter bestehen bleibt. Die Wahlmög­ des in der Grundschule fest. Die Anmel­ „Rundumbetreuung“ besonders auf für lichkeiten der kommunalen Schulträger dung erfolgt jeweils ein Jahr vor der Kinder unter drei Jahren entwickelt. Wie im Hinblick auf das schulische Angebot Einschulung. Das Land stellt für diese in unserem Positionspapier zur Finan­ vor Ort werden damit erweitert. Kinder eine Lehrerwochenstunde pro zierung der Kindertagesbetreuung dar­ Viele kommunale Schulträger haben teilnehmendem Kind zur Verfügung. gestellt, verbleiben nach dem aktuellen sich diese Verlängerung der Fortfüh­ Erfahrungswerte der vergangenen Jahre Angebot seitens des Landes zur Eltern­ rung des Sekundarbereichs I der För­ zeigen, dass etwa zehn Prozent der Kin­ beitragsfreiheit der Kindertagesstätten derschule Lernen gewünscht. Eltern der eines Schuljahrgangs an der Sprach­ rund 75 Prozent der Gesamtkosten einer haben teilweise Vorbehalte gegenüber förderung teilnehmen. Die Sprachför­ Kindertagesstätte bei den Kommunen. der inklusiven Beschulung ihrer Kinder dermaßnahmen selbst finden vorrangig Aus diesem Grund fordert der Nieder­ in allgemeinbildenden Schulen. Diese in den Kindertagesstätten statt. Durch­ sächsische Städtetag, den Verbleib der geführt werden sie nach aktueller Eltern wünschen sich, ihre Kinder vorschulischen Sprachförderung beim Rechtslage von Grundschullehrern. weiterhin in der Förderschule Lernen Land. Dieser Punkt kann aus Sicht des unterrichten zu lassen. Schulleitungen Niedersächsischen Städtetages erst vor Ort unterstützen dieses Anliegen in dann wieder aufgegriffen werden, wenn der Regel. Kommunen, die ein Interesse alle anderen offenen Punkte im Bereich an der Fortführung der Förderschule der Kindertagesstätten – insbesondere Lernen haben, profitieren somit von der die Finanzierung der Kommunen – neu geplanten Gesetzesänderung. und für beide Seiten fair geregelt ist. Kommunale Schulträger, bei denen die inklusive Beschulung an allge­ Weiteres Verfahren meinbildenden Schulen akzeptiert und Der Gesetzentwurf wurde am 25. Januar

angenommen wird, können im Falle FOTO: CLAUDIA HAUTUMM/PIXELIO 2018 in erster Lesung im Landtag einge­ der Gesetzesänderung den eingeschla­ bracht. Die parlamentarische Anhörung genen Weg fortführen und die Förder­ Die Regierungsfraktionen beabsichtigen der Verbände fand am 8. und 9. Februar schule Lernen auslaufen lassen. Auch nun, die vorschulische Sprachförderung 2018 statt. Am 28. Februar 2018 soll das diese Entscheidung liegt allein bei der dahingehend zu öffnen, dass künftig Gesetz durch den Landtag verabschie­ Kommune. Eine besondere kommunale auch Personen, die keine Lehrerinnen det werden. Es wird darauf hingewie­ Herausforderung könnte jedoch darin und Lehrer sind, die Sprachförderung sen, dass sich die Fraktionen darauf bestehen, dass Schulträger, die auf­ durchführen können. Hier wird insbe­ verständigt haben, die Verabschiedung grund der bestehenden Gesetzeslage sondere an Erzieherinnen und Erzieher der Schulgesetznovelle noch im Februar davon ausgegangen sind, dass die För­ gedacht. Pädagogisch und systematisch durchzuführen, um den Kommunen derschule Lernen ausläuft, in den Pla­ werden diese Vorschläge vom Nieder­ ausreichend Zeit zur Umsetzung der nungen bereits so weit fortgeschritten sächsischen Städte­tag begrüßt. Beschlüsse vor Ort zu geben.

22 SCHULE, KULTUR UND SPORT NST-N 1-2018 „Vom Ankommen zur Teilhabe – Flüchtlings­politik als Aufgabe und Heraus­ forderung niedersächsischer Kommunen“ Fachtagung am Mittwoch, 31. Januar 2018 im Neuen Rathaus der Landeshauptstadt Hannover

Es war eine bemerkenswerte Premiere: dem Titel „Migration, Zuflucht und Themenfeld 2: Anlaufstellen Unter dem Titel „Flüchtlingspolitik als gesellschaftlicher Wandel in der Stadt“. und Zusammenarbeit vor Ort Aufgabe und Herausforderung nieder­ Anschließend konnten die kommunalen Unter der Überschrift „Auf die Vernet­ sächsischer Kommunen“ trafen sich Praktiker ihre Konzepte in vier The­ zung kommt es an – Kooperations­ am 31. Januar 2018 im hannoverschen menfelder präsentieren: strukturen auf kommunaler Ebene“ Rathaus Vertreter von kommunalen erläuterte Seda Rass-Turgut, Integra­ Themenfeld 1: Wohnen mit Verwaltungen und Integrationsverei­ tionsbeauftragte der Stadt Osnabrück, Dauerhafter Perspektive nen, um sich über erfolgreiche Projekte wie sich in Osnabrück der Weg „von bei der Integration von Flüchtlingen in Hier stellten Günter Wigbers, Samt­ der Erstaufnahme zur Überleitung in ihren Heimatstädten und Gemeinden gemeindebürgermeister der Samt­ die Regelsysteme“ gestaltet. auszutauschen. Dazu eingeladen hatten gemeinde Sögel (LK Emsland) und Nachdem Gaby Töpperwien, Fach­ der Flüchtlingsrat Niedersachsen e. V. Irmgard Welling, Bürgermeisterin gruppenleitung Integration aus dem und die drei kommunalen Spitzenver­ (Gemeinde Sögel) das Modell einer Landkreis Goslar, zum Thema „Bedarfe bände Niedersachsens. Moderiert wurde Bürgergenossenschaft vor. Mit den ermitteln – Soziales Clearing durch die Veranstaltung von Christina von Saß Mitteln aus dieser Genossenschaft behördliche Zusammenarbeit“ berich­ (NDR). wurden drei Häuser gebaut und eines tet hatte, stellte Volker Grendel, Fach­ In der Flüchtlingspolitik sind es die erworben. In diesen Häusern leben nun bereichsleiter Gesundheit und Soziales Kommunen, die die Integration der in zentraler Lage unter anderem auch der Stadt Emden die „Anlaufstellen im Geflüchteten vor Ort praktisch beglei­ Flüchtlingsfamilien. Quartier“ vor. ten und Rahmenbedingungen für ihre Konstanze Beckedorf, Stadträtin für gesellschaftliche Teilhabe schaffen. Soziales und Sport, präsentierte danach Dabei stehen die niedersächsischen das Integrationsmanagement der Stadt Kommunen in einem Spannungsfeld Hannover. Hier werden mittlerweile ca. zwischen den bundes- und landesrecht­ 40 Sozialarbeiterinnen und Sozialar­ lichen Vorgaben und den Herausfor­ beiter zur Begleitung und Betreuung derungen der praktischen Umsetzung der Flüchtlinge eingesetzt. Zusätzlich auf lokaler Ebene. Deshalb wollten der unterstützen sogenannte „Brücken­ Flüchtlingsrat Niedersachsen e. V. und bauer“ mit entsprechenden Sprach­ die Arbeitsgemeinschaft der kommu­ kenntnissen die Betreuer nalen Spitzenverbände Niedersachsens in diesem gemeinsamen Fachtag einen Blick auf die Flüchtlingspolitik vor Ort werfen. Volker Grendel, Im Laufe der Tagung stellten Ver­ Fachbereichsleiter Gesundheit und treterinnen und Vertreter der nieder­ Soziales der Stadt Emden sächsischen Landkreise, Städte und Gemeinden gelingende Beispiele und erfolgreiche Konzepte der kommunalen Themenfeld 3: Die Situation Aufnahme- und Integrationspolitik vor. geflüchteter Frauen Nach der Begrüßung durch die Sozial­ Dagmar Sachse, Sozialdezernentin der dezernentin der Landeshauptstadt Stadt Oldenburg, stellte das Konzept Hannover, Konstanze Beckedorf, und „Gewaltschutz bei der Flüchtlingsun­ dem Landrat des Landkreises Göttin­ terbringung“ vor und erläuterte, dass gen, Bernhard Reuter, hielt Professor der Schwerpunkt des Konzeptes auf der Konstanze Beckedorf, Dr. Christoph Rass, IMIS / Universität Stadt­rätin für Soziales und Sport, Gewaltprävention, aber auch auf der Osnabrück ein Impulsreferat unter Stadt Hannover Hilfe bei Gewalttaten liege.

NST-N 1-2018 JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT 23 für Soziales, Gesundheit und Gleich­ stellung, die Gelegenheit zum Thema „Strategie der Integration und Teil­ habe in Niedersachsen“ vorzutragen. Er berichtete über die Kernaussagen zum Thema Integration im Koaliti­ onsvertrag und präsentierte eine Bro­ schüre mit dem Titel „Fördermöglich­ keiten im Bereich der Migration und Dagmar Sachse, Sozialdezernentin Teilhabe“. der Stadt Oldenburg Laura Müller, Flüchtlingsrat Nie­ dersachsen e.V., wies in ihrem Vortrag „Zuflucht Kommune. Gelingende Auf­ nahme von Geflüchteten in Niedersach­ Aus dem Landkreis Northeim wurde Karin Wilke, Gleichstellungs- und sen“ auf die Broschüre „Zufluchtsort sodann über „Zentrale Frühe Hilfen“ Integrationsbeauftragte aus der Stadt Kommune“ hin, welche unter anderem eine Anlaufstelle für Frauen, Schwan­ Osterholz-Scharmbeck (LK Osterholz), auf der Internetseite des Flüchtlings­ gere, Mütter und Kinder in Bad Gan­ stellte die vielfältigen Projekte im „Haus rates zur Verfügung steht. In dieser dersheim berichtet. der Kulturen“ vor. Dieses Haus hat sich Broschüre sind viele Praxisbeispiele von Kernpunkt der Aussage war, dass der zu einer interkulturellen Begegnungs­ guten Konzepten bei der Aufnahme von Zugang zu Frauen mit Fluchthinter­ stelle entwickelt. Flüchtlingen aufgeführt. grund über die gesundheitliche Bera­ Im Anschluss daran präsentierte der tung gelingen kann. Ansprechpartner Asyl und Integration, Moderiertes Carl Sasse, die „Fachstelle und Aus­ Austauschgespräch Themenfeld 4: bildungsforum – best practice“ in der Abschließend wurden in einem mode­ Sprachkoordinierung, Hansestadt Lüneburg. Er stellte dabei rierten Austauschgespräch zwischen Bildung und Arbeit die gute Kooperation mit dem Land­ Kai Weber, Vertreter des Flüchtlings­ Volker Kammann, Fachbereichsleiter kreis Lüneburg heraus und berichtete rates, Dr. Joachim Schwind als Vertre­ Bürgerservice, stellte mit zwei Vertre­ insbesondere von den Erfolgen bei der ter der Kommunen, Dr. Hans-Joachim tern des Vereins Lebenswege begleiten Berufsorientierung von Jugendlichen. Heuer sowie unter Einbeziehung des e.V. das Projekt der Samtgemeinde Plenums viele Themen diskutiert. Zur Bruchhausen-Vilsen (LK Diepholz) Weitere Vorträge Sprache kamen unter anderem die „Asyl-Lebenswege begleiten“ vor. Hier Nach der Mittagspause hatte dann Dr. Abgeltungspauschale, Wohnsitzauf­ geht es um Integration, Bildung und Hans-Joachim Heuer, Abteilungslei­ lage, Aufnahmezentren sowie straffäl­ Arbeitsmarkt. ter im Niedersächsischen Ministerium lige Jugendliche.

Schrifttum

Verwaltungsverfahrensgesetz: VwVfG sind auch die Folgen der aktuellen EuGH-Rechtsprechung zur Stelkens / Bonk / Sachs Präklusion im Verwaltungsverfahren. Mit neuem Autorenteam: Herausgegeben von Professor Dr. 9. Auflage 2018. Buch. XLVIII, 2736 Seiten, Michael Sachs und MinR Dr. Heribert Schmitz. Mehrere bestens Hardcover (in Leinen), 199 Euro, ausgewiesene Experten aus Wissenschaft, Justiz, Verwaltung und ISBN 978-3-406-71095-7, 1, C.H.BECK Anwaltschaft verstärken ab der 9. Auflage das Autorenteam. Der „Stelkens/Bonk/Sachs“ als renommiertes Standardwerk führt „(...) Bei den zahlreichen Weiterungen, die die Neuauflage mit sich seinen Benutzer zuverlässig durch das Verwaltungsverfahrens­ gebracht hat, wundert es nicht, dass sich der Umfang der Kommentie- recht. Zu seinen Vorteilen zählen: eingehende Erläuterungen zu rung gegenüber der Vorauflage erheblich vergrößert hat. Hatte die 7. den Entwicklungen im Europarecht. Berücksichtigung von Beson­ Auflage noch 2193 Seiten, weist die Neuauflage nunmehr 2648 Seiten derheiten des Landesrechts. Hinweise auf Parallelbestimmungen auf. Dieser Zuwachs hat aber erfreulicherweise nur zu einer vergleichs- in SGB X, AO und weiteren Gesetzen für die leichtere Orientierung. weise geringen Erhöhung des Verkaufspreises um zehn Euro geführt. Die 9. Auflage kommentiert umfassend die aktuellen Entwick­ Das erleichtert die Anschaffung des Kommentars, dessen Heranziehung lungen zum e-Government, insbesondere die neuen Regelungen bei schwierigen verwaltungsverfahrensrechtlichen Fragen unentbehr- zum automatisierten Erlass und zur Internet-Bekanntgabe von lich ist und der aus dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Schrifttum Verwaltungsakten durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.7.2016 (Änderungen der §§ 24 und nicht mehr wegzudenken ist.“ 41 VwVfG; Einfügung eines neuen § 35a VwVfG). Vertieft erörtert Von Dr. Wolf-Rüdiger Schenke

24 JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT NST-N 1-2018 Beitragsbefreiung für Kindergärten in Niedersachsen

„Zum Kindergartenjahr 2018/2019 wird die vollständige der (KitaG) und die Berechnung einer Beitragsfreiheit im Kindergarten eingeführt. Dabei sollen zukünftigen Pauschalerstattung zur Kompensation der Einnahmeausfälle auch die Interessen der Kindertagespflege berücksichtigt der Kommunen vorgestellt. Das Land werden. Hierbei soll mit den Kommunen eine entsprechende hat angeboten, pro Kind und Monat bei Finanzvereinbarung getroffen werden, die einen fairen einem Betreuungsumfang von 4 bis 7 Stunden den Betrag von 126 Euro und Ausgleich der Interessen von Land und Kommunen bei einem Betreuungsumfang von mehr vornimmt.“ als 7 Stunden den Betrag von 167 Euro zu zahlen. Dies soll durch eine Änderung Das ist der Originaltext aus der Koa­ im Februarplenum vom 27.2. bis 1.3.2018 des § 21 KitaG erfolgen. Dort ist bereits litionsvereinbarung zwischen SPD geplant. Bereits zum 1.3.2018 sollen aktuell die landesseitige Kompensation und CDU in Niedersachsen für die 18. damit die gesetzlichen Grundlagen­ für für das dritte beitragsfreie Kindergar­ Wahlperiode des Niedersächsischen die Einführung der Beitragsfreiheit im tenjahr geregelt. Landtages von 2017 bis 2022. Der fol­ Kindergarten geschaffen worden sein. Bekanntlich betragen die aktuellen gende Beitrag soll einen Überblick über Vor dem Hintergrund dieser Zeitpla­ Pauschalen für das dritte beitragsfreie den bisherigen Verlauf der Verhand­ nung verwundert es nicht, dass das Nie­ Kindergartenjahr monatlich 120 Euro lungen mit dem Land liefern und den dersächsische Kultusministerium (MK) beziehungsweise 160 Euro je Kind. Die Standpunkt der kommunalen Seite die Vertreter der kommunalen Spitzen­ Pauschalen sind in den letzten zehn verdeutlichen. verbände bereits am 21.12.2017 zu einem Jahren nicht erhöht worden. Würde ersten Gespräch „auf Arbeitsebene“ man bei einer Anpassung eine jähr­ Aktuelles Gesetzgebungs­ eingeladen hatte. In diesem Gespräch liche Tarifsteigerung von drei Prozent verfahren und erste hat das MK erste Überlegungen zur zugrunde legen, so wäre beispielsweise Gespräche auf Arbeits­ebene Änderung des Niedersächsischen Geset­ die Pauschale von 120 Euro mittlerweile mit dem Land zes über Tageseinrichtungen für Kin­ auf etwa 166 Euro im Jahr 2018 ange­ Im Wahlkampf zur vorgezogenen Land­ tagswahl und in den Wahlprogrammen 4- bis 7-Stunden-Pauschale der beiden großen Parteien wurde früh­ 70 zeitig angekündigt, dass neben dem 60 60 dritten zukünftig auch das erste und 50 zweite Kindergartenjahr beitragsfrei 40 gestellt werden soll. Auf diese Ankün­ digung hat der NST frühzeitig reagiert 30 20 20 und im Rahmen einer Arbeitsgruppe 13 9 6 8 Grundlagen für ein „Positionspapier 10 4 des NST zur Finanzierung der Kinder­ 0 tagesbetreuung“ erarbeitet. Wir wollten 126 € 130-140 € bis 160 € bis 180 € bis 200 € über 200 € Gesamt gut vorbereitet in die Verhandlungen (Quelle: Umfrage des NST, eigene Berechnungen der Mitglieder, Abfrage 4-7 Std.-Pauschale) mit dem Land gehen und das aktuelle Gesetzgebungsverfahren nutzen, um Ab 7-Stunden-Pauschale einen neuen gesetzlichen Rahmen für 70 eine faire Kostenverteilung zwischen 60 60 Land und Kommunen zu schaffen. Das 50 Positionspapier war Ausgangspunkt für unsere Verhandlungen mit dem Land 40 (siehe Seite 27). 30 21 Nach den Vorstellungen des Lan­ 20 12 10 des soll das Vorhaben im Rahmen des 10 6 6 5 Nachtragshaushaltes 2018 umge­ 0 setzt werden. Die Verabschiedung des 167 € 180-200 € bis 220 € bis 240 € bis 260 € über 260 € Gesamt Gesetzentwurfs ist in zweiter Beratung (Quelle: Umfrage des NST, eigene Berechnungen der Mitglieder, Abfrage ab 7 Std.-Pauschale)

NST-N 1-2018 JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT 25 120 99 100

80 69 stiegen. Dies zeigt, wie unzureichend 60 das erste Angebot des Landes war. Die 40 30 Vertreter der kommunalen Spitzenver­ 26 20 18 bände haben daher deutlich gemacht, 13 9 3 dass sie eine Pauschalerstattung in der 0 genannten Höhe für unzureichend hal­ 52 % 53-59 % 60-66 % 67-72 % 73-79 % ab 80 % Gesamt Anzahl über 52 % Antworten ten und sich für eine Kostenerstattung (Quelle: Umfrage des NST, eigene Berechnungen der Kommunen, 99 Kommunen wurden ausgewertet) des Landes auf der Basis der gesamten Betriebskosten ausgesprochen. Unmittelbar nach dem Gespräch Land aktuell zur Finanzierung der Bei­ Zweites Spitzengespräch tragsfreiheit in Aussicht genommenen wurde mit Schreiben an die Hauptver­ Am 19. Januar 2018 fand ein zweites Leistungen sollen danach künftig über waltungsbeamten eine Abfrage bei den Spitzengespräch auf politischer Ebene § 16 KitaG verteilt werden. Dazu hat das Mitgliedern des NST mit der Frage ini­ mit demselben Teilnehmerkreis statt. Land erst einmal ein Finanzvolumen tiiert, wie hoch eine Pauschale nach § 21 Hier zeigte sich allerdings relativ von 570 Millionen in Aussicht gestellt. KitaG sein müsste, um den Wegfall der schnell, dass die Landesseite zu keinem Damit könnte die Finanzhilfe nach § 16 Elternbeiträge zu decken. Trotz kurzer der noch offenen Punkte Entgegenkom­ KitaG in Höhe von 52 Prozent finanziert Fristsetzung haben sich 60 Mitglieder men signalisieren konnte. Das Angebot werden. Die Finanzhilfe würde sich an dieser Umfrage beteiligt. Ergebnis der Landesregierung, eine Vereinbarung im Vergleich zum geltenden Satz von ist, dass nur etwa zehn Prozent der teil­ allein über den Systemwechsel zu tref­ 20 Prozent also um 32 Prozent erhöhen. nehmenden Mitglieder eine Pauschaler­ fen, hat die kommunale Seite natürlich Über weitere, insbesondere für die stattung in der angekündigten von MK zurückgewiesen. kommunale Seite wichtige Punkte vorgeschlagenen Höhe für auskömmlich konnte man sich dagegen nicht ver­ hält. Dies gilt, wie sich aus den beiden Wie geht es weiter? ständigen: Dies betrifft eine weitere Schaubildern auf Seite 25 ergibt, sowohl Steigerung des Satzes von 52 Prozent, Weitere offizielle Gespräche hat es für die Pauschale von 126 Euro als auch um etwaige Härtefälle aufzufangen. bisher nicht gegeben. Das Land scheint für die Pauschale von 167 Euro. Das Land wollte auch nicht zusagen, aber nach wie vor zu seiner Zusage zu Das Ergebnis dieser Umfrage hat die dass in dieser Wahlperiode eine Betei­ stehen, einen Systemwechsel hin zu Geschäftsstelle des NST bestärkt, in ligung des Landes an den Personalkos­ einer Erstattung auf Basis von pauscha­ den weiteren Verhandlungen für einen ten in Höhe von zwei Dritteln erreicht lierten Personalkosten nach § 16 KitaG Systemwechsel weg von der Erstattung wird. Auch auf eine Verbreiterung der vollziehen zu wollen. Zu allen weiteren mit Pauschalen einzutreten. Bemessungsgrundlage bei der Erstat­ Fragen hat es sich bisher nicht positi­ tung von Personalkosten etwa durch oniert. Das Präsidium des NST hat in Erstes Spitzengespräch Einbeziehung von Vertretungs- und seiner Sitzung am 8. Februar 2018 noch Am 12. Januar 2018 fand ein erstes Springerkräfte konnte man sich nicht einmal die folgenden Punkte für die Gespräch auf politischer Ebene zwi­ verständigen. Schließlich ist auch weiteren Verhandlungen bekräftigt und schen den kommunalen Spitzenver­ keine Vereinbarung darüber zustande dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten bänden (für den NST haben Präsident gekommen, wie zeitnah die Finanzie­ sowie dem Hauptgeschäftsführer ein Klingebiel, Vizepräsident Mädge und rung der dritten Kraft in Kindergärten, entsprechendes Mandat erteilt: Hauptgeschäftsführer Dr. Arning die duale Erzieherausbildung und die Es wird ein Systemwechsel hin zu einer teilgenommen) und Minister Tonne notwendige Investitionskostenför­ Abrechnung auf der Basis der Finanzhilfe sowie den Staatssekretären Dr. Mielke, derung im Kindergartenbereich lan­ des Landes für Personalausgaben ange­ Manke, Nordmann und Willamowius desseitig aufgegriffen werden soll. strebt; eine Spitzabrechnung wird nicht statt. Beide Seiten haben lange Zeit Eine weitere Befragung der NST-Mit­ favorisiert. Beginnend mit einem „Start­ auf ihren Maximalpositionen beharrt. glieder zum vorgenannten Verhand­ wert“ von 52 + x liegt der „Zielwert“ für Die Kommunalvertreter sind für eine lungsergebnis hat ergeben, dass bei die Finanzhilfe des Landes bei 66 Pro­ Erstattung von zwei Drittel der dop­ einem Drittel der teilnehmenden zent. Ziel ist auch eine Verbreiterung pischen Kosten eingetreten. Das Land Mitglieder der vom Land angebotene der Bemessungsgrundlage: Dies betrifft hat ausschließlich eine Kompensation Finanzhilfesatz von 52 Prozent die weg­ die Jahreswochenstundepauschale, die des Elternbeitrages über Pauschalen fallenden Kita – Beiträge kompensiert. Einbeziehung von Vertretungskräften nach § 21 KitaG angeboten. Nach län­ Vergleicht man die Grafik (siehe oben) sowie die jährlichen Tarifsteigerungen geren Verhandlungen, hat man sich mit den beiden vorgenannten Grafiken bei den Erzieherinnen und Erziehern. dann aber auf einen Systemwechsel hin zeigt sich, dass die Kompensationswir­ Die Möglichkeit eines Scheiterns der zu einer Abrechnung auf der Basis der kung bei die Personalkostenpauschale Verhandlungen wird eingeräumt. Finanzhilfe für Personalausgaben nach nach § 16 KitaG anscheinend besser ist Auf dieser Basis wird der Verband § 16 KitaG verständigt. Alle laufenden als bei einer Kompensation über Pau­ die Verhandlungen mit dem Land Leistungen des Landes und alle vom schalen nach § 21 KitaG. weiterführen.

26 JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT NST-N 1-2018 Positionspapier des NST zur Finanzierung der Kindertagesbetreuung

Hannover, den 5. Januar 2018

Städte, Gemeinden und Samtgemeinden 1. Kostendynamik der letzten zehn Jahre tragen eine besondere Verantwortung für die Der Bereich der Kindertagesbetreuung ist seit Jahren im Umbruch. Von der ursprünglich angebotenen Vier-Stun­ Elementarbildung unserer Kinder. Sie sind den-Betreuung für über dreijährige Kinder hat sich das sich der Bedeutung dieser Zukunftsaufgabe Angebot zu einer „Rundumbetreuung“ besonders auch für bewusst und setzen hier selbstverständlich U3-Kinder entwickelt. starke finanzielle Prioritäten. Sie lassen sich 1.1 Anzahl der wöchentlichen Betreuungsstunden dabei von der Maxime leiten, dass unsere Die Anzahl der wöchentlichen Betreuungsstunden für den Gesellschaft für unterlassene Investitionen Bereich der Betreuung der Drei- bis Sechsjährigen hat sich in die Bildung unserer Kinder mittel- bis in den letzten zehn Jahren um ca. 15 Prozent erhöht. Daran wird der Trend zu einer Ausweitung der Betreuungszeiten langfristig teuer bezahlen wird. von einer Halbtags- zu einer Ganztagsbetreuung deutlich, denn die Anzahl der Kindergartengruppen hat sich in diesem Die kommunale Selbstverwaltung hat ihre Leistungsfähigkeit­ Zeitraum kaum verändert. unter Beweis gestellt und in den letzten zehn bis 20 Jahren für deutliche, sicht- und spürbare Verbesserungen bei der Elemen­ Betreuungsstunden pro Woche (Kitas) tarbildung unsere Kinder gesorgt. Mittlerweile ist allerdings ein eklatantes Missverhältnis von Aufgabenerfüllung­ durch die 17 500 Kommunen und Finanzzuweisung durch das Land entstanden, 17 000 17 243 das zu einer finanziellen Überforderung der Kommunen zu 16 500 führen droht. Das Land muss die Kommunen daher schnellstens 16 000 bei dieser wichtigen Zukunftsaufgabe finanziell entlasten. 15 500 15 847 Der Niedersächsische Städtetag hat eine Umfrage unter 15 000 14 936 elf Städten zu den finanziellen Auswirkungen der Kinder­ 14 500 tagesbetreuung durchgeführt. An dieser Umfrage haben sich 14 000 die Städte Barsinghausen, Braunschweig, Celle, Göttingen, 13 500 Hannover, Hildesheim, Leer, Lüneburg, Oldenburg, Osna­ 2007 2012 2017 brück und Syke beteiligt. Die von diesen Städten gelieferten Summe aus Abfrage

Zahlen sind die Basis der nachfolgenden Darstellungen zur ◼ Betreuungsstunden pro Woche (Kitas) Entwicklung der Belastungen in den letzten zehn Jahren (Zif­ fer 1) sowie der aktuellen Belastung der Kommunen durch die Betriebskosten der Kindertagesstätten (Ziffer 2.1). 1.2 Zuschussbedarf für Kindertagesstätten Die teilnehmenden Städte konnten lediglich Zahlen für Der Zuschussbedarf für die Kindertagesstätten hat sich in den kommunale Kindertagesstätten liefern, da für Kindertages­ letzten zehn Jahren um ca. 70 Prozent erhöht. stätten in Trägerschaft der freien Jugendhilfe kein valides Datenmaterial vorliegt. Sie konnten ebenfalls nicht zwischen den Kosten der Betreuung für Kinder bis zur Vollendung des Entwicklung Zuschussbedarf dritten Lebensjahres in der Krippe, von der Vollendung des 16 000 000 € dritten Lebensjahres bis zur Einschulung im Kindergarten und 14 000 000 € von der Einschulung bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 12 000 000 € im Hort differenzieren. Die teilnehmenden Städte können 10 000 000 € die entstehenden Kosten nämlich vielfach nicht sachgerecht 8 000 000 € auf die einzelnen Betreuungsformen aufteilen. Dies betrifft 6 000 000 € insbesondere Kosten für Grundstücke und bauliche Anlagen 4 000 000 € wie Mieten, Nebenkosten oder AfA. Aber auch bei den Perso­ 2 000 000 € nalkosten ist eine Differenzierung vielfach nicht leistbar, da 0 € die Fachkräfte oft in unterschiedlichen Gruppen eingesetzt 2007 2012 2017 werden. ◼ Entwicklung Zuschussbedarf

NST-N 1-2018 JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT 27 1.3. Anteil Aufwand für Kindertagesstätten am für die Einstellung einer dritten Kraft in den Kindergarten­ Gesamtaufwand der Kommunen gruppen geschaffen. Diese 60 Millionen Euro reichen aber bei Der prozentuale Anteil der Kindertagesstättenfinanzierung weitem nicht aus, um die dritte Kraft in den Kindergärten flä­ am Gesamtaufwand der Kommunen ist in den letzten zehn chendeckend zu finanzieren. Die entstehenden Lücken werden Jahren um ca. 60 Prozent gestiegen. die Kommunen mit eigenen Mitteln füllen müssen. Weiterhin ist derzeit völlig ungeklärt, ob das Land nach den fünf Jahren noch Mittel bereitstellt. Daher tragen die Kommunen mittel­ Anteil % Aufwand Kitas an Gesamtaufwand fristig das Risiko, die gesamten Kosten für die dritte Kraft in 9 % Kindergartengruppen allein tragen zu müssen. 8 % 7 % Außerdem prüft das derzeit Land, ob die vorschulische 6 % Sprachförderung nach § 64 Abs. 3 NSchG künftig von Erzie­ 5 % herinnen und Erziehern in den Kitas übernommen werden 4 % kann. Das Land erhofft sich dadurch eine Einsparung von rund 3 % 500 Lehrerstellen. Im Umkehrschluss würde diese Maßnahme 2 % 1 % bedeuten, dass die Kommunen rund 500 Erzieher zusätzlich 0 % einstellen müssten. Abgesehen vom Fachkräftemangel sind 2007 2012 2017 die Kommunen nicht in der Lage, diesen personellen Mehr­ ◼ Anteil % Aufwand Kitas an Gesamtaufwand aufwand – für eine Landesaufgabe – zu tragen.

1.4 Flüchtlingskinder 1.6 Bundesweiter Vergleich Eine Umfrage des NST hat ergeben, dass im Schnitt fünf Pro­ Vergleicht man Finanzierung und Finanzverteilung in Nie­ zent Flüchtlingskinder im Alter von null bis sechs Jahren in dersachsen mit der in anderen Bundesländern, so verstärkt den Kommunen leben. Für diese Kinder sind auf Dauer zusätz­ sich der Eindruck, dass hier dringend Handlungsbedarf liche Betreuungsplätze zu schaffen. besteht. Niedersachsen liegt im Hinblick auf die Finanz­ zuweisungen des Landes mit Hessen und Schleswig Holstein 1.5 Weitere landespolitische „Kostentreiber“ bundesweit auf den letzten Rängen. Das Land hat ab dem Jahr 2017 faktisch die dritte Kraft in Mit Blick auf die weiterhin steigende Zahl der Kinder in den Kindergärten eingeführt. Es hat dies aber nicht im KiTaG Tageseinrichtungen, die Ausdehnung der Betreuungszeiten, geregelt, um sich gegenüber den Kommunen nicht konnexi­ die weiteren oben genannten Herausforderungen sowie das tätspflichtig zu machen. Vielmehr hat es über eine Förder­ Vorhaben des Landes, die Eltern kostenfrei zu stellen, ist eine richtlinie für fünf Jahre jeweils 60 Millionen Euro pro Jahr deutliche Erhöhung des Finanzierungsanteils des Landes bereitgestellt und so bei den Kommunen finanzielle Anreize erforderlich.

8000

7000

6000

5000

4000

3000

2000

◼ Trägereigenanteil 1000 ◼ Sonstige Einnahmen ◼ Elternbeiträge ◼ Kommune 0 BW BY BE BB HB HH HE MV NI NW RP SL SN ST SH TH DE ◼ Land

Quelle: eigene Berechnung und FiBS auf Basis Statistisches Bundesamt, TU Dortmund und Behörde für Arbeit, Soziales, Familien und Integration Hamburg (ohne Bundesmittel)

28 JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT NST-N 1-2018 2. Finanzielle Situation der Kommunen bei 2.1 Ermittlung der Kosten der Kommunen der Finanzierung der Kita-Betriebskosten Die Umfrage unter elf Städten, die insgesamt ca. 14 200 Plätze Die elf Mitgliedskommunen des Niedersächsischen Städte­ einbezogen hat, hat auf der Basis des doppischen Rechnungs­ tages, die an der Umfrage teilgenommen haben, haben die wesens ergeben, dass die Kosten für einen Platz in einer Kin­ ihnen entstandenen Kosten auf der Grundlage der Ergebnis­ dertagesstätte im Schnitt ca. 11 000 Euro pro Platz und Jahr rechnung des Jahres 2016 ermittelt. Die Kommunen sind durch betragen. das Land zur doppischen Haushaltswirtschaft verpflichtet; die Multipliziert man diesen Wert mit den genannten 184 751 Kindergartenplätzen als Grundlage, ergeben sich landesweit Kostenermittlungen enthalten also auch unbaren Aufwand Gesamtkosten in Höhe von 2 032 261 000 Euro pro Jahr für wie Abschreibungen oder Verzinsung des Anlagekapitals. Alle die Betreuung von Kindern in Kindergärten: die kommunalen Haushalte belastenden Kosten müssen im Rahmen des Haushaltsausgleichs durch Finanzmittel (bei­ Kosten pro Gesamtkosten spielsweise Zuweisungen, Steuern, Finanzausgleich, Kredite) Platz und Jahr pro Jahr gedeckt werden. Aufwand der 11 000 Euro 2 032 261 000 Euro Die Kosten werden verständlicherweise in den kommuna­ Kommunen len Haushalten nicht nach Krippengruppen, Kindergarten­ gruppen oder Hortgruppen getrennt erfasst. Eine getrennte Erfassung macht insbesondere bei Kosten für die Unterhal­ 2.2 Finanzhilfe des Landes nach §§ 16 und 18 KiTaG tung und Bewirtschaftung der Kindertagesstätten (beispiels­ Nach § 16 KiTaG gewährt das Land eine Finanzhilfe in Höhe weise Mieten, Pachten, Kosten für Heizung, Strom etc. oder von 20 Prozent der Personalausgaben für die gesetzlich vor­ Abschreibungen) keinen Sinn. Diese Kosten werden daher gesehenen Kräfte in Kindertagesstätten. insgesamt gebucht und nicht auf die einzelnen Betriebsarten Nach § 18 KiTaG gewährt das Land eine zusätzliche, ange­ aufgeteilt. Im Ergebnis stellt die Umfrage daher eine Misch­ messene Finanzhilfe zu den nicht durch Leistungen nach dem kalkulation aus den Kosten für Krippen-, Kindergarten- und Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs gedeckten Ausgaben, Hortgruppen dar. sofern eine gemeinsame Erziehung von Kindern mit und ohne Im Folgenden wird, ausgehend von der Kostenerhebung Behinderungen in dafür genehmigten Gruppen stattfindet. durch die elf Kommunen, der kommunale Finanzierungsanteil Weiterhin kann das Land Zuwendungen nach Maßgabe seines ermittelt. Diese Ermittlung wird einmal auf der Basis der Kos­ Haushalts für zusätzliche Kräfte gewähren, die in Kinder­ ten pro Platz und Jahr im Kindergarten, sowie der Gesamtkos­ tagesstätten mit einem hohen Anteil an Kindern ausländischer Herkunft oder an Kindern aus besonders benachteiligten ten aller niedersächsischen Kommunen für Kindergärten pro Bevölkerungsgruppen erforderlich sind. Jahr dargestellt. Die Erstattungen des Landes werden auf der Unter der TGr. 70 des Einzelplan 07 Kapitel 0774 des Basis der für das Haushaltjahr 2016 im Einzelplan 07 (Kultus­ Landeshaushaltes sind für das Haushaltsjahr 2016 hierfür ministerium) Kapitel 0774 (Tageseinrichtungen für Kinder) Finanzhilfen von insgesamt 205 776 000 Euro veranschlagt. veranschlagten Ausgaben angesetzt. Als Umrechnungsfaktor Dividiert man diesen Betrag durch 184 751 Plätze erhält man zwischen Kosten pro Platz und Jahr und Gesamtkosten aller pro Platz einen Betrag von rund 1114 Euro. niedersächsischen Kommunen pro Jahr dient die Zahl der Plätze für Kinder vom dritten bis zum vollendeten sechsten Kosten pro Gesamtkosten Lebensjahr in Kindertageseinrichtungen im Jahr 2016 (Quelle: Platz und Jahr pro Jahr Niedersächsische Kultusministerium). Die Zahl dieser Kinder Aufwand der 11 000 Euro 2 032 261 000 Euro im Jahr 2016 betrug 184 751. Die nachfolgende Darstellung Kommunen bezieht sich daher in allen Punkten auf eine einheitliche Basis, nämlich das Jahr 2016. Erstattung des 1114 Euro 205 776 000 Euro Landes nach §§ 16 und 18 KiTaG

Kosten / Platz ohne Verpflegung 2.3 Finanzhilfe nach § 21 KiTaG 16 000 € Im Jahr 2007 wurde die Beitragsfreiheit für das letzte Kin­ 14 000 € dergartenjahr in Form einer Pauschalerstattung an die Kom­ 12 000 € 10 000 € munen eingeführt. Gem. § 21 KiTaG beträgt die Pauschale 8 000 € monatlich 120 Euro je Kind; sie erhöht sich auf monatlich 6 000 € 160 Euro je Kind, wenn die Betreuungszeit mindestens acht 4 000 € Stunden am Tag an fünf Tagen die Woche beträgt. Die Pau­ 2 000 € schalen sind in den letzten zehn Jahren nicht einmal erhöht 0 € worden. Die Kommunen haben rechtlich keine Möglichkeit, 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 ­ ergänzende Elternbeiträge zu erheben, so dass die Kommunen Mittel ◼ Kosten / Platz ohne Verpflegung wert insoweit nicht kostendeckend arbeiten können.

NST-N 1-2018 JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT 29 Unter dem Titel 633 10 des Einzelplans 07 Kapitel 0774 des Da diese Erhebung allerdings nicht als repräsentativ angese­ Landeshaushalts sind für das Haushaltsjahr 2016 hierfür hen werden kann, soll für die weitere nachfolgende Kosten­ Finanzhilfen von 108 400 000 Euro veranschlagt. Dividiert darstellung der vom Land angekündigte Erstattungsbetrag man diesen Betrag durch 184 751 Plätze erhält man pro Platz für das erste und zweite Kita-Jahr von 226 000 000 Euro und Jahr einen Betrag von rund 587 Euro. zugrundegelegt­ werden. Danach ergibt sich eine angekündigte Refinanzierung für Kosten pro Gesamtkosten das erste und zweite Jahr in Höhe von 226 000 000 Euro und Platz und Jahr pro Jahr pro Platz von 1223 Euro. Aufwand der 11 000 Euro 2 032 261 000 Euro 2.5 Verbleibende Kosten der Kommunen Kommunen Somit tragen die Kommunen insbesondere unter Berück­ Erstattung des 1114 Euro 205 776 000 Euro sichtigung der angekündigten Beitragsbefreiung und nach Landes nach §§ 16 Abzug sämtlicher Einnahmen und Erstattungsbeträge rund und 18 KiTaG 75 Prozent der doppischen Kosten. Erstattung des 587 Euro 108 400 000 Euro Landes nach § 21 2.6 Kindertagespflege KiTaG Die Zahl der Kinder in Kindertagespflege ist in den vergange­ nen zehn Jahren um über 300 Prozent gestiegen. 2016 wurden 2.4 Elternbeiträge in Niedersachsen rund 4500 Kinder in der Kindertagespflege Nach § 20 KiTaG können die Kommunen zur Refinanzierung betreut. Die Kindertagespflege leistet damit einen bedeu­ ihrer Kosten Elternbeiträge für Kindertagesstätten und damit tenden Beitrag für die Entwicklung, Erziehung und Bildung auch für Kindergärten erheben. Sie sind dabei verpflichtet, unserer Kinder im Vorschulalter. Darüber hinaus leistet sie die Höhe der Elternbeiträge nach sozialen Gesichtspunkten auch viel für die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und zu bemessen. Die wirtschaftliche Belastung für die Sorge­ Kindererziehung, denn Kindertagespflegekräfte können berechtigten muss zumutbar sein. Die Sätze der Gebühren erforderlichenfalls auf besondere, individuelle Bedürfnisse und Entgelte sollen sich nach der wirtschaftlichen Leistungs­ der Eltern bei den Betreuungszeiten eingehen. Bei einer fähigkeit der Sorgeberechtigten unter Berücksichtigung der vollständigen Beitragsfreiheit im Kindergarten befürchten Zahl ihrer Kinder richten und gestaffelt werden. unsere Mitglieder, dass viele Eltern ihre Kinder in der Kinder­ Die Höhe der Elternbeiträge wird in den Kommunen in Nie­ tagespflege ab- und im beitragsfreien Kindergarten anmelden dersachsen sehr heterogen geregelt. Der Landesrechnungshof werden. Dies ist in zweierlei Hinsicht problematisch: Einmal (LRH) hat im Jahr 2014 die Refinanzierung von Kindertages­ droht die Kindertagespflege in ihrem Bestand gefährdet zu stäten durch Elternbeiträge bei zwölf Städten und Gemeinden werden. Zum anderen entsteht zusätzlicher Druck auf die zwischen 10 000 und 20 000 Einwohner geprüft. In seinem Kommunen, weitere Kindergartengruppen einzurichten. In Kommunalbericht 2014 stellt er fest, dass die Elternbeiträge Zeile 159 der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU einen Kostendeckungsgrad von durchschnittlich 16 Prozent in Niedersachsen für die 18. WP des Niedersächsischen Land­ der Betriebsaufwendungen aufweisen. tages findet sich in diesem Zusammenhang folgende Aussage: „Dabei werden wir auch die Interessen der Kindertagespflege berücksichtigen.“ Das Land muss diese Aussage mit Leben Kosten pro Gesamtkosten füllen und die Träger der öffentlichen Jugendhilfe finanziell Platz und Jahr pro Jahr so ausstatten, dass sie durch eine deutliche Erhöhung der laufenden Geldleistung nach § 23 Abs. 2a SGB VIII der vorge­ Aufwand der 11 000 Euro 2 032 261 000 Euro nannten Tendenz effektiv entgegenwirken können. Kommunen

Erstattung des 1114 Euro 205 776 000 Euro 2.7 Wirtschaftliche Jugendhilfe Landes nach §§ 16 Nach § 90 Abs. 3 SGB VIII werden Elternbeiträge ganz oder und 18 KiTaG teilweise vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe übernom­ Erstattung des 587 Euro 108 400 000 Euro men, wenn die Belastung den Eltern und dem Kind nicht Landes nach § 21 zuzumuten ist. Mit Einführung der vollständigen Beitrags­ KiTaG freiheit im Kindergarten werden diese Fälle nicht mehr auf­ Angekündigte 1223 Euro 226 000 000 Euro treten, da alle Kinder den Kindergarten beitragsfrei besuchen Erstattung für das können. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe werden also 1. – 2. Jahr durch die Einführung der vollständigen Beitragsfreiheit im Kindergarten finanziell entlastet. Dies ist unproblematisch, Verbleibende 8076 Euro 1 492 085 000 Euro sofern Träger der öffentlichen Jugendhilfe und Träger der Kosten der Kitas identisch sind. In diesem Fall ist nämlich davon auszu­ Kommunen gehen, dass die finanzielle Entlastung weiterhin zur Kosten­

30 JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT NST-N 1-2018 deckung für Kitas eingesetzt wird, also „im System bleibt“. vom Land umgesetzt. Das Gesetzgebungsverfahren bietet Sofern Träger der öffentlichen Jugendhilfe und Träger der Gelegenheit, einen neuen gesetzlichen Rahmen für eine faire Kitas allerdings nicht identisch sind, muss dafür gesorgt Kostenverteilung zwischen Land und Kommunen zu schaffen. werden, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe seine Dabei muss bei der Finanzhilfe für die Kompensation von finanzielle Entlastung an den Träger der Kitas weitergibt. Elternbeiträgen zwingend ein Systemwechsel erfolgen. Das Dies betrifft insbesondere die Landkreisebene. Aus Sicht geltende System der Finanzhilfen im Rahmen von Pauschal­ unserer Mitglieder wäre insoweit zumindest eine entspre­ beträgen nach § 21 KiTaG ist nicht nur völlig unzureichend chende Empfehlung des Landes und der drei kommunalen sondern auch ungerecht. Bei einer Kompensation der Eltern­ Spitzenverbände wünschenswert. beiträge allein durch Pauschalbeträge werden Kommunen benachteiligt, die derzeit höhere Elternbeiträge als der Durch­ 3. Investitionskosten schnitt aller Kommunen erheben. Denn die Pauschalbeträge in Investitionen in Kindertageseinrichtungen stellen die Kom­ § 21 KiTaG werden nach dem Durchschnitt der Kostendeckung munen vor erhebliche Herausforderungen. Daher unterstützt durch Elternbeiträge aller Kommunen bemessen. der Bund die Kommunen seit je her beim Ausbau der Kinder­ Es ist daher insgesamt ein Systemwechsel weg von der Zwei­ tagesbetreuung. Das Land hat in diesem Zusammenhang bis­ gleisigkeit der Finanzhilfe gem. § 16 KiTaG und Pauschalerstat­ her keinerlei finanzielle Unterstützung an die Kommunen tung gem. § 21 KiTaG hin zu einer eingleisigen Kostenerstattung geleistet. durch das Land auf Basis der doppischen Gesamtkosten oder Der Bund hat mit dem Gesetz zum weiteren quantitativen zumindest auf Basis des gesamten Personalaufwands erfor­ und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung ein Son­ derlich. Beide Kostenerstattungsmodelle hätten zudem den dervermögen um 1,126 Milliarden Euro bis 2020 aufgestockt. Vorteil, dass ihnen eine Dynamisierung innewohnt. Denn bei Das Land Niedersachsen erhält hiervon insgesamt 105 640 980 steigenden Kosten – und davon ist mit Blick auf die Vergan­ Euro (ca. 21,2 Mio. Euro in 2017 und je ca. 28,1 Mio. Euro in genheit auszugehen – steigt automatisch auch die Erstattungs­ den Jahren 2018 bis 2020) zur Förderung von Investitionsvor­ leistung des Landes. haben in Kindertageseinrichtungen und in Kindertagespflege für Kinder von der Geburt bis zum Schuleintritt. In der Landesförderrichtlinie RAT V, mit Wir fordern daher, der die Bundesmittel in Niedersachsen auf ◼ einen Systemwechsel bei der Finanzhilfe des die Kommunen verteilt werden, hat das Landes hin zu einer Kostenerstattung auf Basis MK entgegen dem ausdrücklichen Wunsch der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen der gesamten doppischen Betriebskosten für Spitzenverbände weiterhin vorgesehen, Kindergärten, dass ausschließlich neu geschaffene Betreu­ ungsplätze für unter dreijährige Kinder in ◼ eine Anteilsfinanzierung von zwei Dritteln durch Kindertageseinrichtungen oder Kinderta­ das Land, gespflege gefördert werden. Zudem setzt das Land keine eigenen Mittel zur Investitions­ ◼ dass keine Kommune im Vergleich zur aktuellen förderung ein. Situation finanzielle Einbußen erleidet, Damit tragen die Kommunen auch wei­ terhin bei den Investitionen im Bereich der ◼ den Verbleib der vorschulischen Sprachförderung Kindergärten 100 Prozent der Investitions­ nach § 64 Abs. NSchG beim Land, kosten. ◼ eine angemessene Berücksichtigung der Interessen 4. Forderungen an das Land der Kindertagespflege, Um das Niveau der frühkindlichen Bil­ ◼ eine Weitergabe von Entlastungen bei der wirt­ dung halten zu können und die Kommunen vor einer finanziellen Überforderung zu schaftlichen Jugendhilfe an die Träger der Kitas, schützen, bedarf es einer Neuordnung der sofern diese nicht Träger der öffentlichen Jugend­ Finanzverantwortung zwischen Land und hilfe sind, Kommunen. Dies gilt umso mehr mit Blick auf die in der Koalitionsvereinbarung zwi­ ◼ eine Ausweitung der Investitionskostenförderung schen SPD und CDU in Niedersachsen für auf den KITA-Ausbau und den Bau von Nebenräu­ die 18. WP des Niedersächsischen Landtages angekündigte „vollständige Beitragsfrei­ men mit einer Landesbeteiligung von mindestens heit im Kindergarten“. Diese wird aktuell 50 Prozent der Kosten. im Rahmen des Nachtragshaushaltes 2018

NST-N 1-2018 JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT 31 228. Sitzung des Präsidiums am 6. September 2017 in Hitzacker Am 6. September 2017 tagte das setzt das Land ein Förderprogramm des Bundes nach Art. 104c GG um. Der Bund hatte im vergan­ Präsidium des Niedersächsischen genen Jahr 3,5 Milliarden Euro für Investitionen Städte­tages in Hitzacker. Leider hat in die Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen es im Anschluss an diese Sitzung Kommunen bereitgestellt. Konkret ging es im Prä­ keine Berichterstattung in der sidium um die Frage, wie die auf Niedersachsen entfallende Bundesmittel in Höhe von rund 289 NST-N gegeben. Dieses Versäumnis Millionen auf die niedersächsischen Kommunen möchten wir hiermit – mit der verteilt werden sollen. Am Ende verständigte sich Bitte um Entschuldigung seitens der das Präsidium auf einen Verteilschlüssel aus Schü­ lerzahlen, Kassenkrediten und Arbeitslosenquote. Geschäftsstelle – beheben. Zu den Erfahrungen bei der Schadensabwick­

Gleich zu Beginn der Sitzung diskutierte das Prä­ lung nach dem Hochwasser im Juli 2017 sowie sidium die Forderungen des Niedersächsischen zur Zusammenarbeit der Katastrophenschutz­ Städtetages zur Landtagswahl. Diese sind mitt­ behörden bei diesem Hochwasserereignis erfolgte lerweile in den NST-N veröffentlich worden und ein reger Erfahrungs- und Meinungsaustausch. finden sich an einigen Stellen in der Koalitionsver­ Die Kommunen einiger Präsidiumsmitglieder einbarung zwischen SPD und CDU für die 18. Wahl­ waren vom Hochwasser im Juli 2017 unmittelbar periode des Niedersächsischen Landtages wieder. betroffen. Hier zeigt sich, dass eine aktive Verbandsarbeit Am Vorabend hatten die Mitglieder des Prä­ einiges bewirken kann. sidiums eine Schifffahrt auf der Elbe unter­ Ein weiterer wichtiger und sehr kontrovers dis­ nommen. Die Geschäftsstelle dankt der Stadt kutierter Punkt war das sogenannte Kommunal­ Hitzacker nochmals für die Ausrichtung der 228. investitionsförderpaket (KIP) II. Durch das KIP II Präsidiumssitzung.

32 AUS DEM VERBANDSLEBEN NST-N 1-2018 230. Sitzung des Präsidiums am 8. Februar 2018 in Stade

Ein weiterer wichtiger Tagesordnungs­ licher Bericht. Hauptgeschäftsführer Am 8. Februar 2018 punkt war der Wechsel zwischen dem Dr. Arning informierte das Präsidium tagte das Präsidium Präsidenten und Vizepräsidenten des über eine Vielzahl von Gesprächen auf Niedersächsischen Städtetages. Im Arbeits- und auf politischer Ebene. Im des Niedersächsischen Rahmen eines stets geübten, alter­ Anschluss an diesem Bericht und im Städtetages in Stade. nierenden Verfahrens wurde Ulrich Anschluss an eine ausführliche­ Dis­ Mädge, Oberbürgermeister der Han­ kussion erteilte das Präsidium Präsident Zu Beginn der Sitzung referierte der sestadt Lüneburg, zum Präsidenten Mädge, Vizepräsident Klinge­biel und Präsident des Niedersächsischen Studi­ gewählt. Der bisherige Präsident Frank Hauptgeschäftsführer Dr. Arning ein eninstituts, Professor Dr. Michael Koop, Klingebiel, Oberbürgermeister der Stadt Mandat für die weiteren Verhandlungen. über die Qualifizierung von Querein­ Salzgitter, wurde zum Vizepräsidenten Am Vorabend der Präsidiumssitzung steigern, den Aufbau einer kommunalen bestimmt. hatte das Präsidium auf Einladung der Bildungseinrichtung für Erzieherinnen Von besonderer Bedeutung war auch Hansestadt Stade den sogenannten und Erzieher sowie die Errichtung einer die Neuausrichtung von Verband und Schwedenspeicher besucht. Dieses Verwaltungshochschule des Landes. An Geschäftsstelle. Zu diesem Thema fin­ Museum in einem barocken Back­ sein Impulsreferat schloss sich eine rege det sich in diesem Heft ein ausführlicher­ steingebäude beherbergt Ausstellun­ Diskussion zwischen den Mitgliedern Bericht. gen zur Hansezeit, zur Stadtgeschichte des Präsidiums und mit dem Refe­ Ein weiterer Schwerpunkt war natür­ sowie zur Ur- und Frühgeschichte im renten über die künftige Ausrichtung lich die Umsetzung der Beitragsfreiheit Elbe-Weser-Dreieck. Die Geschäfts­ der Ausbildung innerhalb des Nieder­ im Kindergarten. Auch zu diesem Thema stelle dankt der Hansestadt Stade für sächsischen Studieninstituts an. findet sich in diesem Heft ein ausführ­ die Gastfreundschaft.

NST-N 1-2018 AUS DEM VERBANDSLEBEN 33 Neuausrichtung Verband und Geschäftsstelle

Personelle Veränderungen Regelmäßiger – wenn auch seltener – Presse- und Höhepunkt wird dabei weiterhin die alle Öffentlichkeitsarbeit bieten für eine Organisation zweieinhalb Jahre stattfindende Städte­ Internet- und Facebookauftritt des Ver­ wie den Niedersächsischen versammlung des Verbandes sein. Sie bie­ bandes werden zukünftig einen höheren tet die Gelegenheit, fachliche Themen zu Städtetag eine natür­ Stellenwert haben und noch aktueller diskutieren, Positionen des Verbandes zu und besser gepflegt werden. liche Gelegenheit, seine beschließen und nach außen hin deutlich Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Arbeit mit Blick auf Inhalte zu machen. Die nächste Städteversamm­ des Verbandes soll intensiviert werden. lung wird im Frühjahr 2019 stattfinden. und Organisation auf den Verbandspositionen sollen verstärkt Sie soll wieder zu einem interessanten intern und extern kommuniziert wer­ Prüfstand zu stellen. Im Treffpunkt für Ratsmitglieder, Hauptver­ den. Ziel der Geschäftsstelle ist es, dass November hat der ehemalige waltungsbeamte und Mitarbeiterinnen insbesondere die Mitglieder noch bes­ und Mitarbeiter der Verwaltungen wer­ Hauptgeschäftsführer ser über die Positionen des Verbandes den. Bei der traditionellen Abendveran­ informiert werden. So können sie diese Heiger Scholz den Verband, staltung wird auch der gesellige Teil nicht auch bei Pressekontakten vor Ort ver­ den er über zwölf Jahre zu kurz kommen. In ihrem öffentlichen wenden und damit den Verband und die Teil wird sie zudem den Austausch mit erfolgreich geprägt hat, kurz­ eigenen Vorhaben unterstützen. Vertreterinnen und Vertretern des Lan­ Dabei ist sich die Geschäftsstelle fristig verlassen. Bereits im des und zahlreicher Organisationen und bewusst, dass sich viele Mitglieder Dezember hat das Präsidium Institutionen ermöglichen. Abgerundet zu manchen Fragen eine offensivere wird die stete Versammlung durch eine Dr. Jan Arning zum neuen Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes interessante Ausstellung von Firmen, die wünschen. Bei der Entscheidung ob Hauptgeschäftsführer gewählt. zu den verschiedensten Themen Partner oder wie der Verband öffentlich wird, Beide haben sich bei ihren der Kommunen sind. muss die Geschäftsstelle aber auch In den Jahren, in denen keine Städ­ Überlegungen stets von der immer im Blick haben, welche Auswir­ teversammlung stattfindet, wird der kungen öffentliche Statements auf die Frage leiten lassen, wie sich die Verband wieder zu Ratsmitgliederkon­ Bedeutung einzelner Themen ferenzen einladen. Auch diese bieten Gespräche zum Beispiel mit der Lan­ die Möglichkeit, aktuelle Themen der desregierung haben. Oft kann es auch für die Arbeit der Mitglieder kommunalen Selbstverwaltung zu disku­ taktisch klüger sein, das vertrau­liche des Verbandes verändert und tieren und sich mit Ratsmitgliedern aus Gespräch zu suchen, als öffentlich laut welche Schlussfolgerungen anderen Kommunen auszutauschen. Die zu werden. nächste Ratsmitgliederkonferenz ist für daraus für die Arbeit den Herbst 2018 geplant. Geschäftsverteilung der des Verbandes und der Nach der nächsten Kommunalwahl Geschäftsstelle Geschäftsstelle zu ziehen sind. sind wieder Einführungsschulungen für Nicht zuletzt die aktuelle Koalitions­ neue Ratsmitglieder vorgesehen. Auch die vereinbarung ist ein Beleg für die stei­ Veranstaltungen der Tochtergesellschaft gende Bedeutung der Digitalisierung Verbandsleben des Verbandes, der Innovative Start auch für die öffentliche Verwaltung. Vorrangige Aufgaben des Verbandes GmbH, stehen Ratsmitgliedern ebenso Im Niedersächsischen Ministerium für sind die Interessenvertretung gegen­ offen, wie zukünftig geplante Veranstal­ Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digita­ über dem Land und die Beratung der tungen zu einzelnen Fachthemen. lisierung (MW) hat ein „Staatssekretär Mitglieder. Weitere satzungsgemäße Zusätzlich zu den bewährten Sitzun­ Digitalisierung“ seine Arbeit aufge­ Aufgabe ist aber auch die Vermittlung gen der Ausschüsse und Arbeitskreise nommen und die Ministerien richten des Erfahrungsaustausches. Dieser soll des Verbandes wird es auch neue Veran­ „Stabsstellen Digitalisierung“ ein. Auch möglichst vielen ermöglicht werden, staltungsformen für die Mitglieder des bei den Mitgliedern werden zunehmend die in den Mitgliedskommunen arbeiten Präsidiums oder alle Hauptverwaltungs­ entsprechende Dezernate bzw. Orga­ und Verantwortung tragen. beamte geben. nisationseinheiten eingerichtet und

34 AUS DEM VERBANDSLEBEN NST-N 1-2018 Kostenerstattung für Rechtsberatung zu Fraktionskosten­ zuschüssen­

„Digitalisierungsbeauftragte“ berufen, VG Lüneburg, Az. 5 A 74/13 Entschädigung der Fraktionsvorsitzenden nicht zwischen kleinen und großen Frakti­ die sich fachübergreifend mit Fragen Eigener Leitsatz onen unterschieden werde. Der Änderungs­ der Auswirkungen beziehungsweise 1. Ein Anspruch auf Erstattung für Rechts­ antrag der Klägerin fand keine Mehrheit. beratung ergibt sich nicht aus § 57 Abs. 3. der Weiterentwicklung der Digitali­ Nach der im Dezember 2011 vom Rat der S. 1 NKomVG. sierung für die Städte und Gemeinden Beklagten beschlossenen Änderung der 2. Der Entschädigungsanspruch einzelner befassen. Dieser Entwicklung wird auch Entschädigungssatzung war in § 1 Abs. 3 Abgeordneter auf Ersatz ihrer Auslagen die Geschäftsstelle Rechnung tragen, Satz 1 Nr. 2 der Satzung bestimmt, dass begründet keine Ansprüche auf Frakti­ Fraktionsvorsitzenden neben den Ratsherren indem das Thema intensiver in einem onen. und Ratsfrauen nach Abs. 1 gewährten Ent­ eigenen Referat bearbeitet werden. 3. Voraussetzung für die Erstattungsfähig­ schädigungen monatliche Aufwandsent­ Für den Bereich Soziales gewinnen keit der Kosten ist einerseits, dass es sich schädigungen gezahlt werden, die nach der die Schnittstellen zum Bereich Schule um die Verteidigung organschaftlicher Anzahl der Mitglieder der Fraktion in Stufen nicht zuletzt durch die Umsetzung Rechte der Kompetenzen gehandelt hat, – ausgehend von einem Grundbetrag von des Bundesteilhabegesetzes sowie nicht nur die Verfolgung subjektiver 200 Euro (bis 5 Mitglieder) bis zu 700 Euro Rechte eines Funktionsträgers als Per­ der Entwicklung der Betreuung von (ab 21 Mitglieder) – ansteigen. Die Höhe der son oder um die Geltendmachung einer nach § 11 Abs. 1 der Satzung den Frak­tionen Grundschulkindern in Ganztagsschu­ groß objektiven Rechtswidrigkeit der im zu den sachlichen und personellen Aufwen­ len/Horten zunehmend an Bedeutung. Einzelfall beanstandeten Handlung oder dungen für die Geschäftsführung gewährten Die Geschäftsstelle hat hierauf mit der Unterlassung. Zuwendungen (Fraktionskostenzuschüsse) Zusammenfassung der Bereiche Schule Tenor sind nach § 11 Abs. 2 der Satzung ebenfalls in und aller Sozialthemen in einem Referat Die Klage wird abgewiesen. Abhängigkeit von der Größe der jeweiligen reagiert. Die Klägerin trägt die Kosten des Ver­ Fraktion – ausgehend von einem Grund­ Die jeweils aktuelle Geschäftsver­ fahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig betrag von 200 Euro (bei 2 bis 4 Mitgliedern vollstreckbar. der Fraktion) bis hin zu einem Grundbetrag teilung ist im Internetangebot unter von 800 Euro (ab 20 Mitgliedern der Fraktion) www.nst.de zu finden. Tatbestand gestaffelt, zusätzlich werden 20 Euro je Rats­ Die Klägerin begehrt von der Beklagten die mitglied in der Fraktion gewährt. Erstattung von Rechtsanwaltskosten, die ihr Beratung und durch die Inanspruchnahme anwaltlicher In der Folgezeit setzte sich die Klägerin Erfahrungsaustausch Beratung im Zusammenhang mit einer Rege­ für eine Änderung der geltenden Entschädi­ gungssatzung ein. Die Erstellung von Mustertexten wird lung zu den Fraktionskostenzuschüssen in Mit Urteil vom 5. Juli 2012 (Az.: 8 C 22/11) immer wieder bei der Geschäftsstelle der Satzung der Beklagten entstanden sind. Die Klägerin ist seit November 2011 als entschied das Bundesverwaltungsgericht, nachgefragt. Dieser Nachfrage soll Fraktion im Rat der Beklagten vertreten. dass bei Zuwendungen an die Fraktionen verstärkt dadurch Rechnung getragen Im Zusammenhang mit der beabsichtigten der Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 werden, dass Arbeitsgruppen mit kom­ Änderung der seinerzeit geltenden Satzung GG zu beachten sei. Eine rein proportionale munalen Praktikern unter anwaltlicher der Beklagten über die Entschädigung der Verteilung nach der Fraktionsstärke sei Beratung entsprechende Texte entwi­ Ratsfrauen und -herren, Ortsratsmit­ bei unterschiedlich großen Fraktionen nur gleichheitsgemäß, wenn den Fraktionen­ kein ckeln. Voraussetzung hierfür ist, dass glieder und ehrenamtlich Tätigen wegen des lnkrafttretens von neuen Regelungen für die von der Größe unabhängiger „fixer“ Aufwand sich Mitglieder aktiv einbringen. Die Entschädigung von Ratsfrauen und -herren entstehe oder dieser doch regelmäßig nicht Erarbeitung der Straßenreinigungs­ im Niedersächsischen Kommunalverfas­ ins Gewicht falle. In dem entschiedenen Fall gebühren-Mustersatzung hat gezeigt, sungsgesetz – im Folgenden: NKomVG – und wurde bei einer rein proportionalen Mittel­ dass diese Vorgehensweise erfolgreich wegen des Beginns der neuen Wahlperiode verteilung eine gleichheitswidrige Benach­ sein kann. Die Mustertexte sollen auch reichte die durch ihren Fraktionsvorsitzenden teiligung kleiner Fraktionen angenommen. Im November 2012 suchte der Fraktions­ in den Räten ihrer Arbeit erleichtern, vertretene Klägerin unter dem 6. Dezember 2011 einen Änderungsantrag zu der von der vorsitzende der Klägerin nach ihren Angaben indem rechtlich geprüfte Mustertexte Verwaltung erarbeiteten Vorlage (…) für die ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten auf, zur Verfügung gestellt werden. Bestes Ratssitzung ein, welche die Aufwandsent­ um Rechtsrat einzuholen. Beispiel dafür sind die regelmäßig zu schädigung der Fraktionsvorsitzenden und Der Niedersächsische Städtetag wies nach Beginn der Kommunalwahlperioden die Fraktionskostenzuschüsse betraf. Zur Vorliegen der Entscheidungsgründe die aktualisierten Muster für die Haupt­ Begründung des Antrags wurde unter ande­ Kommunen mit Schreiben vom 12. Dezem­ satzung und die Geschäftsordnung der rem auf die Empfehlungen der Entschädi­ ber 2012 auf diese Entscheidung hin. Kopien gungskommission nach § 55 Abs. 2 NKomVG der Mitteilung wurden in der Sitzung des Räte. vom September 2011 Bezug genommen, Verwaltungsausschusses der Beklagten wonach unter anderem bei der zusätzlichen am 18. Dezember 2012 verteilt, bei der der

NST-N 1-2018 RECHTSPRECHUNG 35 Fraktionsvorsitzende der Klägerin fehlte. Er vorschlag für die Entschädigungssatzung Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbeleh­ erhielt eine Kopie des Schreibens im Rahmen unter Berücksichtigung des Urteils des Bun­ rung versehen. einer Sitzung des Rates der Beklagten am desverwaltungsgerichts entwickelt werden. Am 7. Mai 2013 beschloss der Rat der 20. Dezember 2012. In seiner mündlichen Der Oberbürgermeister der Beklagten nahm Beklagten eine Änderung der Entschädi­ Stellungnahme zum Haushaltsentwurf 2013 in der Sitzung des Rates am 24. Januar 2013 gungssatzung. in dieser Sitzung wies der Fraktionsvorsit­ zum Antrag der Klägerin Stellung und wies Die Klägerin hat am 21. Mai 2013 Klage zende der Klägerin unter anderem auf die unter anderem darauf hin, dass das Urteil erhoben. von ihm in der Vergangenheit wiederholt im November 2012 veröffentlicht und dem Sie macht im Wesentlichen geltend, sie beanstandete Entschädigungssatzung hin Fraktionsvorsitzenden im Dezember 2012 habe bereits seit dem Jahr 2011 Bedenken und äußerte seine Erwartung, dass diese nicht mit der Information des Niedersächsischen gegen die seinerzeit beschlossenen Entschä­ aufrechterhalten werde. Städtetages bekannt gemacht worden sei. digungsregelungen geäußert. Das Gespräch Mit an den Rat der Beklagten gerichtetem Danach sei mit einer Überprüfung der Rege­ mit ihr oder ihrem Fraktionsvorsitzenden Schreiben vom 2. Januar 2013 – eingegangen lung durch die Verwaltung begonnen worden. sei nach der Entscheidung des Bundesver­ am 3. Januar 2013 – zeigte der Prozessbevoll­ In der Sitzung wurde der Beschluss gefasst, waltungsgerichts nicht gesucht worden. mächtigte der Klägerin seine Bevollmächti­ den Antrag in den Verwaltungsausschuss Gerade vor dem Hintergrund der wiederholt gung an, forderte den Rat unter Hinweis auf zu überweisen und bis zur Überprüfung der geäußerten Bedenken gegen die Regelungen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Entschädigungssatzung zurückzustellen. in der Entschädigungssatzung sei es geboten auf, ab dem 1. Januar 2013 bis zur Neuregelung Mit Schreiben vom 18. Februar 2013 mahnte gewesen, sie auf gegebenenfalls beabsichtigte der Satzung keine Fraktionskostenzuschüsse der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Änderungen der Satzung hinzuweisen. Insbe­ nach der bisherigen Satzungsregelung zu die Zahlung des Rechnungsbetrages an. sondere der Oberbürgermeister der Beklagten leisten, binnen vier Wochen rückwirkend zum Zudem wies die Klägerin mit Schreiben vom habe bereits im November von dem Urteil 1. Januar 2013 eine Satzung unter Beachtung 28. Februar 2013 den Rat der Beklagten darauf des Bundesverwaltungsgerichts Kenntnis der Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts hin, dass eine Überprüfung der gehabt. Sie habe nicht voreilig gehandelt, zu verabschieden und kündigte weitere Entschädigungssatzung erst nach dem sondern erst anwaltliche Hilfe in Anspruch Schritte an, insbesondere eine verwaltungs­ Anschreiben des Prozessbevollmächtigten in genommen, nachdem eine Reaktion auf das gerichtliche Klage. Gleichzeitig wurde um die Wege geleitet worden sei. Daher seien die Urteil nicht erfolgt sei. Erst im November Ausgleich der dem Schreiben beigefügten Kosten als erforderlicher außerordentlicher 2012 habe sie einen Rechtsanwalt aufgesucht, Rechnung gebeten. Diese wies eine Gebühr Aufwand für die Tätigkeit im Rat zu erstat­ um rechtliche Beratung sowohl im Hinblick in Höhe von 631,80 Euro zuzüglich Auslagen ten. Es wurde nochmals um Begleichung der auf die Regelungen in § 1 Abs. 3 als auch in Höhe von 20 Euro sowie Mehrwertsteuer Rechnung gebeten. im Hinblick auf § 11 Abs. 2 der Entschädi­ in Höhe von 123,84 Euro, mithin einen Die Beklagte lehnte unter dem 19. April gungssatzung einzuholen. Die Angehörigen Gesamtbetrag von 775,64 Euro, aus. Der 2013 (…) die Übernahme der geltend gemach­ der Fraktion, also der Fraktionsvorsitzende HVB der Beklagten erhielt eine Durchschrift ten Kosten ab und wies darauf hin, dass das und der damalige stellvertretende Frak­ zur Kenntnis. Schreiben des Städtetages vom 12. Dezember tionsvorsitzende, hätten am 2. November Die Klägerin beantragte unter dem 2012 am 17. Dezember 2012 eingegangen und 2012 die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe 9. Januar 2013 eine Änderung der Regelungen unverzüglich danach die Information der beschlossen. Zunächst sei am 24. November in § 1 Abs. 3 und § 11 Abs. 2 der bestehenden Fraktionen durch das Verteilen von Kopien 2012 anwaltliche Hilfe nur wegen der Frakti­ Entschädigungssatzung ohne eine Staffelung im Verwaltungsausschuss am 18. Dezember onskostenzuschüsse in Anspruch genommen der Schwellenwerte entsprechend der Größe 2012 veranlasst worden sei. Ein Mitglied der worden. der Fraktion. Zur Begründung wurde unter Klägerin sei an diesem Tage bei der Sitzung Später, am 27. November 2012, sei eine anderem darauf hingewiesen, dass die vor­ des Verwaltungsausschusses nicht anwesend weitere Beratung wegen der Ungleichbehand­ gesehenen Schwellenwerte nicht hinreichend gewesen. In der Sitzung sei mitgeteilt worden, lung des Fraktionsvorsitzenden erfolgt Es begründet und unter Berücksichtigung des dass sich die Verwaltung der neu entstandenen sei um die Wahrnehmung organschaftlicher Urteils des Bundesverwaltungsgerichts mög­ Problematik annehmen werde und einen Rechte gegangen. Vor dem Schreiben ihres licherweise gesetzeswidrig seien. Entwurf zur Anpassung der Satzung vorge­ Bevollmächtigten habe es keine Hinweise Mit Schreiben vom selben Tage bestätigte legt werden solle. Dementsprechend seien gegeben, dass sich der Rat der Beklagten die Beklagte den Eingang des Schreibens des bisher geleistete Zahlungen ausgewertet und nach dem Urteil des Bundesverwaltungsge­ von der Klägerin bevollmächtigten Rechts­ Anfragen an andere Städte im Hinblick auf richts der beanstandeten Themen annehmen anwaltes und wies darauf hin, dass mögliche Entschädigungsregelungen veranlasst worden. werde. Daher sei die Beauftragung eines Auswirkungen des Urteils des Bundesver­ Die Voraussetzungen für die Erstattung der Rechtsanwaltes nicht voreilig, mutwillig oder waltungsgerichts auf die Entschädigungs­ Kosten seien nicht gegeben. Voraussetzung ohne vernünftigen Grund erfolgt. Erst am 24. satzung der Beklagten geprüft würden. Es dafür sei, dass die Rechtsberatung, die die Januar 2013 habe der Rat der Beklagten einen seien umfangreiche und sorgfältige Arbeiten Kosten verursacht habe, nicht mutwillig oder Beschluss zur Überprüfung der Satzungen erforderlich, die eine längere Zeit in Anspruch ohne vernünftigen Grund erfolgt sei. Hier sei gefasst. Obwohl die Satzungsänderung erst nehmen würden. Es sei daher beabsichtigt, unmittelbar nach Kenntnisnahme des Urteils am 7. Mai 2013 beschlossen worden sei, habe zukünftige Zahlungen auf der Grundlage der des Bundesverwaltungsgerichts alles Erfor­ sie keine Klage erhoben. Die ihr gewährten Entschädigungssatzung zunächst unter Vor­ derliche in die Wege geleitet worden. Darüber Zuschüsse seien so knapp bemessen, dass behalt zu gewähren, bis ein abschließendes sei auch die Klägerin informiert worden. Diese die Inanspruchnahme juristischer Hilfe zur Ergebnis beziehungsweise eine Neufassung hätte zunächst abwarten müssen, ob eine Neu­ Wahrnehmung ihrer Rechte nicht aus den der Entschädigungssatzung vorliege. regelung in angemessener Frist erfolge. Dabei gewährten Zuschüssen beglichen werden Unter dem 22. Januar 2013 stellten andere sei insbesondere auch ein gewisser Vorlauf für könne. Der Bedarf für eine solche anwalt­ Fraktionen im Rat der Beklagten einen Ände­ die Verwaltungstätigkeit und die notwendigen liche Beratung habe bestanden. Im Hinblick rungsantrag zum Antrag der Klägerin. Danach Verfahren zu berücksichtigen überdies sei auf die Aufwandsentschädigung von Frakti­ sollte bis zum 1. Mai 2013 ein Änderungs­ die Höhe der Kosten nicht angemessen. Das onsvorsitzenden sei ihrer Auffassung nach

36 RECHTSPRECHUNG NST-N 1-2018 die Entschädigungssatzung weiterhin nicht sind (OVG NRW, Urteil vom 12.11.1991 – 15 Frage, ob die Klägerin als Fraktion im Rat rechtmäßig. A 1046/90 –, DVBI. 1992, 444). der Beklagten aus Kostengründen gehal­ Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Für die hier streitige Kostenerstattung ten gewesen wäre, vor Beschreiten des Beklagten vom 19. April 2013 aufzuheben und zwischen einer Fraktion und anderen Rechtsweges ihr Vorgehen zu überprüfen die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Organen oder Organteilen sowie im Ver­ beziehungsweise andere Möglichkeiten 775,64 Euro zu zahlen. hältnis zur Gemeinde ist eine ausdrück­ auszuloten (vgl. dazu Meyer, a.a.O., Anm. Die Beklagte beantragt, die Klage abzu­ liche Regelung nicht vorhanden. Es fehlt 5.4.2.5.). weisen. an einer besonderen Regelungsbefugnis 2. Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin Sie wiederholt und vertieft die Aus­ der Gemeinde im Hinblick auf die Kosten­ hat keinen Anspruch gegen die Beklagte führungen vom 19. April 2013. Sie habe erstattung durch Verwaltungsakt. auf Zahlung von 775,64 Euro wegen der unverzüglich nach Kenntnisnahme von Inanspruchnahme anwaltlicher­ Beratung. Allerdings hat die Beklagte ihre ableh­ dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Die Voraussetzungen für einen Kostener­ nende Entscheidung in der äußeren Form gehandelt. Zuvor habe es keine hinreichenden stattungsanspruch liegen nicht vor. eines Verwaltungsaktes getroffen und das Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit Schreiben mit einer Rechtsbehelfsbeleh­ Ein Anspruch auf Erstattung dieser Kosten der Entschädigungssatzung gegeben. Eine rung versehen. Das macht die Entscheidung ergibt sich insbesondere nicht aus § 57 Abs. 3 Überprüfung der Entschädigungssatzung sei aber noch nicht zu einem Verwaltungsakt, Satz 1 des Niedersächsischen Kommunal­ im Verwaltungsausschuss am 18. Dezember weil die Merkmale des Verwaltungsaktes verfassungsgesetzes vom 17. Dezember 2010 2012 angekündigt worden. Die Neufassung der materieller Natur sind. Im Hinblick auf die (Nds. GVBI. S. 576, zuletzt geändert d. Art. Entschädigungssatzung sei in der Ratssitzung Anfechtung ist aus Gründen des effektiven 2 d. Ges. vom 16.12.2014, Nds. GVBI. S. 434) vom 20. Dezember 2012 nicht thematisiert Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG – NKomVG –. Diese Regelung betrifft die worden, weil die Einladungen bei Eingang des eine Entscheidung, die lediglich der Form finanzielle Unterstützung der Ratsfraktionen Schreibens des Städtetages bereits versandt nach ein Verwaltungsakt ist, zwar wie ein zur Aufgabenwahrnehmung und damit regel­ gewesen seien. Zudem habe es sich um die Verwaltungsakt zu behandeln (vgl. Kopp/ mäßig anfallende Kosten, die von den Frakti­ traditionelle Sitzung zur Beratung des Haus­ Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 15. Aufl. onen weitgehend beeinflusst werden können, halts – hier für das Jahr 2013 – gehandelt. 2014, § 35 Rn. 52), im Hinblick auf den nicht aber für den im Zusammenhang mit Es sei den Fraktionen nicht verwehrt, sich hier geltend gemachten Zahlungsanspruch Organstreitigkeiten verursachten (einma­ externen juristischen Rat zu holen, nicht in stellt sich das Klagebegehren indes aus den ligen) finanziellen Aufwand. Ob die Gemeinde jedem Fall seien die hierfür aufzuwendenden dargelegten Gründen nicht als Verpflich­ – wie hier – ihren Fraktionen Mittel für ihre Kosten jedoch von der Gemeinde zu erstatten. tungsbegehren im Sinne des § 42 Abs. 1 sonstigen (regelmäßigen) Aufwendungen zur So liege es auch hier. Alt. 2 VwGO dar. Verfügung stellt, ist daher nicht maßgeblich Wegen der weiteren Einzelheiten des (vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.11.1991 – 15 Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt Die entsprechend§ 42 Abs. 2 VwGO A 1046/90-, DVBI 1992, 444; Meyer, a.a.O., der Gerichtsakten und der beigezogenen erforderliche Klagebefugnis der Klä­ Anm. 5.4.3.). Im Übrigen besteht ein Rechts­ Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug gerin ist gegeben. Die Klagebefugnis anspruch der Fraktionen auf die Gewährung genommen. einer Ratsfraktion, die entsprechend§ 61 von Zuwendungen gegen die Kommune Nr. 2 VwGO Beteiligten fähig ist und zur Entscheidungsgründe nach § 57 Abs. 1 NKomVG grundsätzlich Wahrnehmung ihrer Rechte das Verwal­ Die Klage hat keinen Erfolg. nicht, Höhe und Umfang der dort geregelten tungsgericht anrufen kann (vgl. Thiele, 1. Die Klage ist zulässig. Sie ist als allge­ Zuwendungen stehen ebenfalls grundsätz­ NKomVG, Kommentar, 2011, § 57 Anm. 5; meine Leistungsklage (vgl. dazu Kopp/ lich im Ermessen der Kommune, wenn auch Wefelmeier in: Kommunalverfassungs­ Schenke, VwGO, Kommentar, 20. Aufl, im Einzelfall die Pflicht zur Gewährung von recht Niedersachsen, Kommentar, Stand: 2014, Vorb § 40 Rn. 4; Sodan/Ziekow, Sachleistungen oder finanziellen Zuwen­ November 2014, § 57 Rn. 8; Meyer, Recht VwGO, Kommentar, 4. Aufl. 2014, § 42 Rn. dungen bestehen kann (Wefelmeier, a.a.O., der Ratsfraktionen, 6. Aufl. 2011, Anm. 39, jew.m.w.N.) gegen die Beklagte statt­ § 57 Rn. 74 ff; Meyer, a.a O., Anm. 6.2.1.1., vgl. 5.4.2.2., jeweils m.w.N.), setzt voraus, dass haft. Es handelt sich um eine Streitigkeit auch: Nds. OVG, Urteil vom 4.8.1994 – 10 L diese die Verletzung eigener (organschaft­ zwischen der Klägerin und der Beklagten 5985/92 –, NVwZ-RR 1995, 215). licher) Rechte oder Kompetenzen geltend über Leistungsansprüche im Zusammen­ Der geltend gemachte Erstattungsan­ macht, die zumindest möglich erscheinen hang mit der Wahrnehmung der Aufgaben spruch der Klägerin als Fraktion im Rat der muss. Die Klägerin macht einen ihr als der Klägerin als Fraktion im Rat der Beklag­ Beklagten kann auch nicht auf § 55 Abs. 1 Fraktion im Rat der Beklagten zustehen­ ten. In dieser Streitigkeit kann die Beklagte i.V.m. § 44 Abs. 1 NKomVG gestützt werden. den Erstattungsanspruch geltend, der im gegenüber der Klägerin in ihrer Eigenschaft Der Entschädigungsanspruch einzelner Zusammenhang mit der Beauftragung als Fraktion im Rat der Beklagten keine Abgeordneter beziehungsweise einzelner eines Rechtsanwalts zur Geltendmachung Verwaltungsakte erlassen und deshalb auch Mitglieder der Vertretung – hier des Rates organschaftlicher Rechte der Fraktion nicht im Wege der Verpflichtungsklage – auf Ersatz ihrer Auslagen begründet keine – hier der Gewährung von Fraktionsko­ gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zur Gewäh­ Ansprüche der Fraktion. Schließen sich zwei stenzuschüssen unter Berücksichtigung rung der begehrten Leistung verpflichtet oder mehr Abgeordnete zu einer Fraktion oder werden. Eine gesetzliche Regelung oder ein des Gleichheitsgrundsatzes – erfolgt ist. Gruppe zusammen (§ 57 Abs. 1 NKomVG), so (allgemeines) Subordinationsverhältnis, Es fehlt auch nicht an dem grundsätzlich ist die Fraktion ebenso wie ihre Mitglieder die Grundlage einer einseitigen Rege­ erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Die gleichberechtigt an der Willensbildung der lungsbefugnis der Beklagten gegenüber Beklagte hat trotz Zahlungsaufforderung Vertretung zu beteiligen (BVerwG, Urteil vom der Klägerin durch Verwaltungsakt sein den geltend gemachten Rechnungsbetrag 10.12.2003 – 8 C 18.03 –, BVerwGE 119,305), könnten, fehlen. Es stellt eine Ausnahme nicht ausgeglichen und auch auf eine ihre Rechtsteilung ist aber von der ihrer dar, dass eine Fraktion gegenüber einer Mahnung nicht reagiert. Damit kann vom Mitglieder zu unterscheiden und ermächtigt Gemeinde Ansprüche geltend macht, die Vorliegen des Rechtsschutzinteresses sie nicht, Rechte oder Kompetenzen ihrer im Außenrechtsverhältnis angesiedelt ausgegangen werden, unabhängig von der Mitglieder wahrzunehmen.

NST-N 1-2018 RECHTSPRECHUNG 37 Aber auch aus anderen Gründen besteht der eines Streits um die ihnen nach dem Kom­ dass es sich um die Verteidigung organschaft­ geltend gemachte Anspruch nicht. Gerade munalverfassungsrecht zugewiesenen Rechte licher Rechte oder Kompetenzen gehandelt im Hinblick auf die im NKomVG enthaltenen entstanden sind (vgl. OVG NRW, Urteil vom hat, nicht um die Verfolgung subjektiver Regelungen zu den Ansprüchen einzelner 24.4.2009 – 15 A 981/06 –, NVwZ-RR 2009, Rechte eines Funktionsträgers als Person Abgeordneter auf Ersatz ihrer Auslagen wird 819 und Urteil vom 12.11.1991 – 15 A 1046/90 –, oder um die Geltendmachung­ einer bloß vertreten, ein gesonderter Anspruch einer DVBI. 1992, 444; OVG Bremen, Beschluss vom objektiven Rechtswidrigkeit der im Einzelfall Fraktion auf Erstattung der im Zusammen­ 31.5.1990 – 1 B 18/90, 1 B 21/90 –, NVwZ 1990, beanstandeten Handlung oder Unterlassung. hang mit der Durchführung eines Kommu­ 1195; OVG Saarland, Beschluss vom 5.10.1981 Denn nur dann ist gewährleistet, dass der nalverfassungsstreitverfahrens entstandener – 3 R 87/80 –, NVwZ 1982, 140 und Beschluss Funktionsträger nicht im eigenen Interesse Kosten bestehe (anders als beim einzelnen vom 26.5.2008 – 3 A 12/08 –, juris; VG Düssel­ gehandelt hat, sondern im gemeindlichen, Abgeordneten) neben gemäß § 57 Abs. 3 dorf, Urteil vom 23.5.2014 – 1 K 4833/13 –, juris; und dass er die ihm zugewiesenen Kom­ NKomVG gewährten Zuwendungen grund­ Meyer, a.a.O., Anm. 5.4.3 m.w.N.; zum Anspruch petenzen nicht überschritten hat, da die sätzlich nicht (Wefelmeier, a.a.O., § 57 Rn. 8). eines Mitgliedes der Vertretung: VG Hannover, Überwachung der objektiven Rechtmäßigkeit Da grundsätzlich von der Möglichkeit der Urteil vom 5.4.2000 – 1 A 3570/99 –, NdsVBI. der Gemeindeverwaltung regelmäßig nicht Beteiligung einer Ratsfraktion im Kommu­ 2000, 308; Thiele, a.a.O., § 66 Anm. 5; Wefel­ Aufgabe des jeweiligen Funktionsträgers – nalverfassungsstreitverfahren zur Wahrung meier, a.a.O., § 54 Rn. 37ff m.w.N.). Die Pflicht hier der Fraktion – ist (OVG NRW, Urteil vom eigener organschaftlicher Rechte ausge­ zur Kostenerstattung wird grundsätzlich auch 12.11.1991 – 15 A 1046/90 –, DVBI. 1992, 444; gangen wird (vgl.: BVerwG, Beschluss vom für Kosten einer außergerichtlichen Auseinan­ VG Düsseldorf, Urteil vom 23.5.2014 – 1 K 22.12.1988 – 7 B 208.87 –, NVwZ 1989, 470; dersetzung und Beilegung der Streitigkeit 4833/13 –, juris). Erforderlich ist allerdings Nds. OVG, Beschluss vom 3.7.2014 – 10 ME bejaht (OVG Münster, Urteil vom 12.11.1991 – 15 nicht, dass die organschaftlichen Befugnisse 38/14 –, NdsVBI 2014, 285; Wefelmeier, a.a.O., A 1046/90 –; Urteil d. Ka. vom 16.3.2011 – 5 A tatsächlich bestanden haben oder tatsächlich § 57 Rn. 8; Thiele, a.a.O. § 57 Anm. 5; Meyer, 61/1O –). Der Annahme des Erstattungsan­ verletzt worden sind. Die schlüssige Darle­ a.a.O., Anm. 5.4.2.2.), begegnet die generelle spruchs liegt die Überlegung zugrunde, dass gung reicht insoweit aus. Ablehnung eines Anspruchs auf Erstattung der kommunale Funktionsträger bei der Um der Gefahr eines möglichen Miss­ der im Zusammenhang mit der Durchführung gerichtlichen oder außergerichtlichen Gel­ brauchs des Kostenerstattungsanspruchs eines Kommunalverfassungsstreitverfahrens tendmachung von ihm zugewiesenen Aufgaben zu begegnen, ist weitere Voraussetzung, (oder im Vorfeld eines solchen) entstandenen und Kompetenzen einschließlich der damit dass die kostenauslösenden Maßnahmen Kosten Bedenken. Ein Verweis der Fraktion verbundenen notwendigen Kosten dem Grunde im Zusammenhang mit der Durchsetzung auf nach § 57 Abs. 3 S. 1 NKomVG gewährte nach Aufgaben der Gemeinde wahrnimmt. Die organschaftlicher Rechte nicht mutwillig Zuwendungen (vgl. Wefelmeier, a.a.O., § 57 Aufgaben sind den Funktionsträgern nicht im aus sachfremden Gründen eingeleitet wor­ Rn. 101) dürfte insoweit nicht ausreichend eigenen Interesse, sondern ausschließlich im den sind. Denn – wie bereits ausgeführt – sein. Wird davon ausgegangen, dass es Interesse der Gemeinde zur eigenverantwort­ sind einer Ratsfraktion wie auch sonstigen insbesondere für Minderheitsfraktionen lichen Wahrnehmung zugewiesen (vgl. OVG Funktionsträgern als Organ oder Organteil punktuell erforderlich sein kann, Alternativen NRW, Urteil vom 24.4.2009 – 15 A 981/06 –, Rechte zugewiesen, die sie im Interesse der zur herrschenden Verwaltungsauffassung zu NVwZ-RR 2009, 819). Gemeinde wahrzunehmen haben. Daher ermitteln, um auf die Willensbildung in der Diese Grundsätze werden auch bei Rats­ besteht bei der Durchsetzung dieser Rechte Vertretung mit einem schlüssigen Gegenkon­ fraktionen angewendet (vgl. OVG NRW, Urteil die Pflicht zur Rücksichtnahme und Treue zept einwirken zu können, eigene Initiativen vom 24.4.2009 – 15 A 981/06 –, NVwZ-RR gegenüber der Kommune (OVG NRW, Urteil zu entwickeln oder Missstände in der Verwal­ 2009, 819 und Urteil vom 12.11.1991 – 15 A vom 24.4.2009 – 15 A 981/06 –, NVwZ-RR tung zu überprüfen und externen Rechtsbei­ 1046/90 –, DVBI. 1992, 444; VG Düsseldorf, 2009, 819; vgl. auch: Wefelmeier, a.a.O., stand zur Vorbereitung oder Durchführung Urteil vom 23.5.2014 – 1 K 4833/13 –, juris). § 54 Rn. 38). Zur Wahrung organschaftlicher eines Kommunalverfassungsstreitverfahrens Da den Ratsfraktionen Aufgaben und Kompe­ Rechte sind daher kostenauslösende Maß­ hinzuzuziehen (so Wefelmeier, a.a.O., § 57 tenzen zugewiesen sind (vgl. § 57 NKomVG), nahmen des Funktionsträgers, wie etwa die Rn. 101), dann dürfte gerade Minderheits­ können auch Kosten, die im Zusammenhang Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen fraktionen, denen Zuwendungen nach§ 57 mit der Verteidigung oder Durchsetzung Klage oder auch die Beauftragung eines Abs. 3 Satz 1 NKomVG möglicherweise nicht solcher Rechte entstehen, der Gemeinde Rechtsanwalts zur Prüfung der weiteren oder nur in geringer Höhe gewährt werden, zuzurechnen sein. Die Zurechnung ist aller­ Rechtsverfolgung, nicht bereits bei bloßen nicht die Erstattung notwendiger Kosten dings – auch im Hinblick auf sonstige Funkti­ Meinungsverschiedenheiten unter den versagt werden. onsträger – nicht unbegrenzt möglich. Daher Organen oder Funktionsträgern gerechtfer­ Ob in Niedersachsen grundsätzlich ein unterliegt die Inanspruchnahme der nach den tigt und notwendig. Bestehen zwischen den Anspruch der Ratsfraktionen auf Erstattung oben dargestellten Grundsätzen zur Kosten­ im Rat vertretenen Fraktionen, Gruppen oder notwendiger Kosten zur Vorbereitung oder tragung verpflichteten Kommune besonderen einzelnen Ratsmitgliedern Unstimmigkeiten Durchführung eines Kommunalverfas­ Grenzen (vgl. dazu: OVG Münster, Urteil vom über die ihnen jeweils zustehenden Aufgaben sungsstreitverfahrens ausgeschlossen ist, 24.4.2009 – 15 A 981/06 –, NVwZ-RR 2009, und Kompetenzen, ohne dass das zustän­ kann hier offen bleiben, weil jedenfalls die 819 und Urteil vom 12.11.1991 – 15A 1046/90 –, dige Organ hierüber bereits entschieden Voraussetzungen für einen solchen Anspruch DVBI. 1992, 163; OVG Bremen, Beschluss vom hat, werden zwar organschaftliche Aufga­ der Klägerin nicht vorliegen. 31.5.1990 – 1 B 18/90, 1 B 21/90 –, NVwZ 1990, ben und Kompetenzen berührt, in diesem In Rechtsprechung und Literatur wird 1195; VG Düsseldorf, Urteil vom 23.5.2014 – Stadium stehen jedoch die politische Mei­ angenommen, dass kommunale Funktions­ 1 K 4833/13 –, juris; Urteil d. Ka. vom 16.3.2011 nungsbildung über das Bestehen, den Inhalt träger grundsätzlich von der Gemeinde die – 5 A 61/10 –; für Mitglieder der Vertretung: und den Umfang der betroffenen Aufgaben Erstattung notwendiger Kosten einschließlich VG Hannover, Urteil vom 5.4.2000 – 1 A und Kompetenzen im Vordergrund, wobei der notwendigen Kosten für eine anwaltliche 3570/99 –, NdsVBI. 2000, 308; Wefelmeier, die von einem Beteiligten möglicherweise Vertretung verlangen können, die ihnen a.a.O., § 54 Rn. 37 ff.): Voraussetzung für die befürchtete Verletzung organschaftlicher gerichtlich oder außergerichtlich im Rahmen Erstattungsfähigkeit der Kosten ist einerseits, Befugnisse noch offen ist (OVG NRW, Urteil

38 RECHTSPRECHUNG NST-N 1-2018 vom 24.4.2009 – 15 A 981/06 –, NVwZ-RR Beauftragung eines Rechtsanwalts bezie­ men ein Tätigwerden der Klägerin erfordert, 2009, 819). hungsweise Einholung rechtlichen Rates zur obwohl sie bereits seit dem Jahr 2011 versucht Unterschiedliche Auffassungen über das Wahrung ihrer Rechte hätte sie aber nach hatte, eine Änderung der Entschädigungsre­ Bestehen, Inhalt oder Umfang organschaft­ den oben gemachten Ausführungen zunächst gelungen zu erreichen. Das Tätigwerden im licher Rechte sind Teil des Meinungsbildungs­ selbst versuchen müssen, auf eine entspre­ Interesse der Beklagten rechtfertigt insoweit prozesses. Erst wenn dieser abgeschlossen ist, chende Entscheidung beziehungsweise Sat­ besondere Anforderungen. lässt sich erkennen, ob die Verletzung organ­ zungsänderung durch den Rat der Beklagten Auch unter Berücksichtigung der seit schaftlicher Rechte zu befürchten ist oder hinzuwirken. Wie der Fraktionsvorsitzende­ Bekanntwerden der Entscheidung vergange­ eintreten wird. Davor sind kostenauslösende der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nen Zeit ergibt sich keine andere Beurteilung. Maßnahmen, wie die Beauftragung eines eingeräumt hat, hatte er vor dem Beratungs­ Der Rat der Beklagten hat sich nach dem Rechtsanwaltes zur Durchsetzung der Rechte, termin bei seinem Rechtsanwalt Kenntnis Vorliegen der Entscheidungsgründe und der unter Berücksichtigung der Interessen der von dem Urteil des Bundesverwaltungsge­ Auswertung durch den Niedersächsischen Gemeinde in der Regel nicht gerechtfertigt. richts vom 5. Juli 2012. Wegen der nunmehr Städtetag mit der Entschädigungssatzung Ein vernünftiger Anlass, die entstandenen geänderten Situation mit dem Ergehen der und den daraus zu ziehenden Konsequenzen Aufwendungen nach dem auch im öffent­ höchstrichterlichen Entscheidung im Sinne befasst. Eine (abschließende) Befassung und lichen Recht geltenden Grundsatz von Treu der Klägerin hätte sie zur Durchsetzung ihrer Entscheidung des Rates mit der Frage einer und Glauben ersetzt verlangen zu können Rechte den Rat als zur Entscheidung beru­ Neuregelung der Satzung vor dem Hin­ (vgl. dazu VG Hannover, Urteil vom 5.4.2000 fenem Organ zunächst Gelegenheit geben tergrund des Urteils ist vor der Einholung – 1 A 3570/99 –, NdsVBI. 2000, 308), besteht müssen, sich vor dem Hintergrund der aktu­ rechtlicher Beratung durch die Klägerin zwar in einem solchen Fall nicht. ellen Rechtsprechung erneut mit der Angele­ nicht erfolgt, aber von ihr auch nicht ange­ Danach steht der Klägerin der geltend genheit zu befassen. Die veränderte Situation regt worden. Eine beabsichtigte Verzögerung gemachte Anspruch nicht zu. Zwar ging es ihr durch die höchstrichterliche Klärung hat unter zum Nachteil der Klägerin, aufgrund derer um die Wahrung bzw. Durchsetzung organ­ Berücksichtigung von Treu und Glauben vor ihr ein weiteres Abwarten nicht zumutbar schaftlicher Rechte in ihrer Eigenschaft als der Einleitung kostenauslösender Maßnah­ gewesen wäre, ist unter Berücksichtigung Fraktion (§ 57 NKomVG) im Rat der Beklag­ ten. Sie hatte auch bereits in der Auseinan­ dersetzung im Vorfeld der Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten deutlich gemacht, Personalien dass es ihr um die Wahrung der Chancen­ gleichheit gerade in ihrer Eigenschaft als kleine Fraktion im Rat der Beklagten gehe. Samtgemeindebürgermeister Jörn Auch das Mitglied des Nieder­ Es ging im Hinblick auf die Fraktionsko­ Wedemeier, Samtgemeinde Sach­ sächsischen Landtages, Dr. stenzuschüsse auch nicht um die finanzielle Ausstattung einzelner Funktionsträger der senhagen, vollendete am 3. Januar Thela Wernstedt MdL, hatte am Klägerin, sondern um die Verteilung der 2018 sein 50. Lebensjahr. 11. Februar 2018 einen Grund zum Fraktionskostenzuschüsse unter Wahrung Feiern. Am 5. Januar 2018 hatte die von Art. 3 Abs. 1 GG. Bürgermeister a. D. Joachim Der Klägerin steht bei Anwendung der oben Geschäftsführerin der Nieder­ dargelegten Grundsätze aber der Kostener­ sächsischen Versorgungskasse, Schleif, Stadt Buchholz i. d. stattungsanspruch wegen der Beauftragung Dr. Martina Hohage, einen Grund Nordheide, konnte am 12. Februar ihres Prozessbevollmächtigten zur recht­ zum Feiern. 2018 einen besonderen Geburts­ lichen Beratung unter Berücksichtigung des tag feiern, er vollendete das Grundsatzes von Treu und Glauben nicht zu. Zum 75. Mal jährte sich am 80. Lebensjahr. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die 22. Januar 2018 der Geburtstag von Klägerin bereits seit 2011 vergeblich versucht Landtagspräsident a. D. Hermann Auch „Der Thiele“ kann sich am hatte, auf eine Änderung der Entschädigungs­ Dinkla. 15. Februar 2018 über die Glück­ satzung der Beklagten hinzuwirken, nach der wünsche zu seinem Geburtstag die finanzielle Ausstattung kleiner Fraktionen In der Stadt Bersenbrück konnte freuen, Ministerialdirigent a. D. verbessert wird. Nach dem Urteil des Bun­ Bürgermeister Christian Klütsch Robert Thiele vollendete ebenfalls desverwaltungsgerichts vom 5. Juli 2012 hat am 26. Januar 2018 sein 50. Wie­ das 80. Lebensjahr. sie solche Anstrengungen allerdings vor der genfest feiern. Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten In der Hansestadt Uelzen kann nicht erneut unternommen. Bei der Inan­ Einen bemerkenswerten Geburts­ sich Bürgermeister Jürgen Mark- spruchnahme anwaltlicher Beratung und der tag konnte Oberstadtdirektor wardt am 21. Februar 2018 über Beauftragung des Prozessbevollmächtigten, a. D. Arno Schreiber feiern, die Glückwünsche zu seinem mithin der kostenauslösenden Handlung, sein Geburtstag jährte sich am hatte sie den Antrag auf Änderung der Ent­ 50. Geburtstag freuen. schädigungssatzung unter Berücksichtigung 30. Januar 2018 zum 80. Mal. Am 27. Februar 2018 kann sich der Entscheidung des Bundesverwaltungs­ Auf 75 Jahre Lebenserfahrung kann Bürgermeister a. D. Paul Gärt- gerichts noch nicht angebracht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie sonst Maßnahmen Ministerpräsident a. D. Gerhard ner, Stadt Quakenbrück, über ergriffen hätte, um eine Änderung der Ent­ Glogowski seit dem 11. Februar die vielen Gratulanten zu seinem schädigungssatzung unter Berücksichtigung 2018 zurückblicken. 70. Geburtstag freuen. dieser Entscheidung zu erreichen. Vor der

NST-N 1-2018 RECHTSPRECHUNG 39 des zeitlichen Ablaufs vor der Beauftragung gung effektiven Rechtsschutzes unzumutbar wäre, die von ihr und ihrem Fraktionsvorsit­ des Rechtsanwaltes im November 2012 nicht gemacht hätte. Besondere Verhältnisse, wel­ zenden erstrebten Änderungen (Fraktions­ erkennbar. che es vorliegend der Klägerin aus anderen kostenzuschüsse und Aufwendungen für den Dass die Klägerin in der Vergangenheit, Gründen unzumutbar gemacht hätten, vor Fraktionsvorsitzenden) im Kosteninteresse insbesondere im Jahr 2011 ohne Erfolg einem weiteren Versuch eine Entscheidung gemeinsam mit dem Bevollmächtigten zu einen Änderungsantrag im Hinblick auf die des Rates unter Berücksichtigung des Urteils erörtern, kann offen bleiben. dann beschlossene Entschädigungssatzung des Bundesverwaltungsgerichts herbei­ Da ein Anspruch der Klägerin auf Kosten­ bereits gestellt hatte, ist ebenfalls noch nicht zuführen, sind nicht ersichtlich. Nachdem erstattung nicht gegeben ist, bedarf es der ausreichend. Nach dem Urteil des Bundes­ der Fraktionsvorsitzende der Klägerin nach gesonderten Aufhebung der ablehnenden verwaltungsgerichts bestand – wie bereits eigenen Angaben bereits im November 2012 Entscheidung der Beklagten vom 19. April ausgeführt – Anlass für eine Überprüfung in Kenntnis des Urteils des Bundesverwal­ 2013 nicht. Zwar fehlt es nach den oben der bisherigen Rechtsauffassung des Rates tungsgerichts anwaltlichen Rat eingeholt gemachten Ausführungen an einer Grund­ der Beklagten. Das ergab sich auch aus dem hatte, kann auch aus eventuellen späteren lage für das Handeln in Form eines Verwal­ Schreiben des Niedersächsischen Städtetages Äußerungen des Oberbürgermeisters der tungsaktes, die nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vom 12. Dezember 2012 und ist im Ergebnis Beklagten oder fehlenden Reaktionen auf erforderliche Rechtsverletzung der Klägerin auch vom Rat der Beklagten so gesehen den Wortbeitrag des Fraktionsvorsitzenden ist jedoch nicht gegeben, weil die Verletzung worden. Hinreichende Anhaltspunkte für die in der Ratssitzung vom 20. Dezember 2012 einer subjektiven Rechtsposition der Klägerin Annahme, der Rat der Beklagten werde auch nicht eine Bedeutung beigemessen werden, durch die Ablehnung des Erstattungsan­ in Kenntnis der Entscheidungsgründe des welche die Beauftragung des Rechtsanwalts spruchs nicht gegeben ist. Bundesverwaltungsgerichts an der bisherigen im Nachhinein rechtfertigen würde. Es Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Entschädigungsregelung festhalten, haben kommt allein auf den Zeitpunkt der kosten­ Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vor­ nicht bestanden. Insbesondere fehlte es auslösenden Maßnahmen an, also hier auf die läufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO insoweit an einer endgültigen Kundgabe der Einholung anwaltlicher Beratung. i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Auffassung des Rates beziehungsweise des Auf die Frage, ob Kosten der Höhe nach Gründe, die Berufung nach § 124a Abs. 1, Oberbürgermeisters der Beklagten hierzu, die gerechtfertigt sind, kommt es danach nicht 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO zuzulassen, ein weiteres Abwarten der Klägerin zur Erlan­ an. Ob es der Klägerin zuzumuten gewesen sind nicht gegeben.

Schrifttum

Niedersächsisches Kommunalrecht dieses Buch geeignet; es richtet sich eben­ für Verwaltung in Niedersachsen (HSVN) Jan Seybold / Wolfgang Neumann / falls an Praktiker, das heißt Mitarbeiter und am Niedersächsischen Studieninstitut Frank Weidner der Kommunal- und Landesverwaltungen für kommunale Verwaltung e. V. liegt die und an die Mitglieder kommunaler Vertre­ Fachkoordination des Kommunalrechts in NSI-Schriftenreihe, 5. überarbeitete tungsorgane, um sich kommunale Themen seiner Obhut. Wolfgang Neumann studierte Auflage, Broschur, 278 Seiten, 29,90 zu erarbeiten oder bekannte Themen auf an der Universität Göttingen Rechtswis­ Euro, ISBN 978-3-7869-1105-0 der Basis des NKomVG im Zusammenhang senschaften. Nach seiner Tätigkeit beim dargestellt zu bekommen. Anlässlich der Reform des Kommunal­ Landkreis Hannover wechselte er 1987 zur verfassungsrechtes in Niedersachsen, die Aus dem Inhalt Stadt Ronnenberg, wo er zunächst als stell­ im Wesent­lichen am 1.11.2011 durch das 1. Teil: Kommunale Körperschaften, vertretender Stadtdirektor für Finanzen, NKomVG in Kraft trat, wurde das vorlie­ ihre Aufgaben und verfas­ Wirtschaft und Recht zuständig war, später gende Lehrbuch erstmals herausgegeben sungsrechtliche Grundlagen dann auch für die Bereiche Ordnung und und erscheint nunmehr in fünfter, über­ 2. Teil: Einwohner und Bürger, Kom­ Soziales. 1996 wurde er zum Ersten Stadtrat arbeiteter Auflage. Diese Auflage enthält munale Einrichtungen und gewählt. Nebenamtlich unterrichtet er an Anpassungen an die aktuelle Rechtslage wirtschaftliche Betätigung der Kommunalen Hochschule für Verwal­ und Rechtsprechung, insbesondere die 3. Teil: Kommunale Organe tung in Niedersachsen seit 1992 Kommu­ Einarbeitung der zum 1.11.2016 in Kraft 4. Teil: Kommunale Satzungen nalrecht, für das er ebenfalls die Fach­ getretenen gesetz­lichen Änderungen. 5. Teil: Staatliche Aufsicht koordination innehat. Dr. Frank Weidner Das Lehrbuch richtet sich hauptsächlich 6. Teil: Rechtsschutz in der Kommune absolvierte eine Verwaltungsausbildung, an Auszubildende in den Kommunalen 7. Teil: Kommunalrecht in der Klausur schloss ein Studium für Verwaltung und Verwaltungen, insbesondere am Studienin­ 8. Teil: Fallbeispiele Rechtspflege als Diplom-Verwaltungswirt stitut, an Studierende an der Kommunalen Zu den Autoren in Hannover ab und legte außerdem das Hochschule des Landes sowie an Universi­ Professor Dr. Jan Seybold studierte Rechts­ Zweite Juristische Staatsexamen in Rechts­ täten. Es soll die für Vorlesung, Unterricht wissenschaften in Hannover (Abschluss wissenschaften mit dem Schwerpunkt und Prüfungen wichtigen kommunalrecht­ des Ersten Juristischen Staatsexamens) Kommunalrecht ab. Seit dem Jahr 2000 lichen Inhalte vermitteln, ohne das Ziel zu und Europäische Rechtspraxis in Dur­ unterrichtet er rechtswissenschaftliche verfolgen, sämtliche Themen erschöpfend ham, Athen, Thessaloniki und ebenfalls Fächer am Niedersächsischen Studienin­ darzustellen. Zur weiteren Vertiefung in Hannover (Abschluss Magister Legum stitut für kommunale Verwaltung e.V. und finden sich zahlreiche Literaturhinweise. Europae). Nach dem Zweiten Juristischen ist seit dem Jahr 2010 auch hauptamtlicher Besondere Hinweise zur kommunalrecht­ Staatsexamen war er Rechtsanwalt und Dozent für Rechtswissenschaften an der lichen Klausur enthält der Siebte Teil. Doch Dozent an verschiedenen Hochschulen. Als Kommunalen Hochschule für Verwaltung nicht nur für die Ausbildung und Lehre ist Professor an der Kommunalen Hochschule in Niedersachsen (HSVN).

40 RECHTSPRECHUNG NST-N 1-2018 Oberbürgermeister Klaus Mohrs, Stadt Wolfsburg; Michael Sackermann, Sahle Baubetreu- ungsgesellschaft; Stadtbaurat Kai-Uwe Hirschheide, Stadt Wolfsburg; Anette Mischler, Groth Gruppe (von links) Neues Stadtquartier in Wolfsburg wird „Sonnenkamp“ heißen Ideenwettbewerb erfolgreich beendet – es gab 250 Vorschläge

Der neue Name für das rund 150 Hektar bewertet und die Gewinner bestimmt. ausgelobten Preise wurden den Gewin­ große Neubaugebiet zwischen Nord­ Nach einer eingehenden Diskussion nern im Rahmen einer Veranstaltung steimke und Hehlingen mit rund 3000 entschieden sich die Jurymitglieder für im Rathaus am Dienstag, 6. Februar, Wohneinheiten steht fest. Das neue die fünf besten Namen: 1. Sonnenkamp, im Rathaus überreicht. Bei den Preisen Stadtquartier wird Sonnenkamp heißen. 2. Neugarten, 3. Steinbeke, 4. Wolfs­ handelt es sich um ein hochwertiges Gemeinsam mit der Stadt Wolfsburg bruch, 5. Steinbeker Feld. E-Bike als 1. Preis, eine Jahreskarte für haben die Investoren, der Groth-Sahle Stimmberechtigt in der Jury waren den ÖPNV in Wolfsburg (2. Preis), ein Projektentwicklung, entschieden, dass Stadtbaurat Kai-Uwe Hirschheide als Erlebnispaket mit zwei Gutscheinen für das neu entstehende Quartier einen Vertreter der Stadt Wolfsburg, Hen­ das Planetarium (3. Preis). eigenständigen Namen erhalten soll. rik Thomsen und Friederich Sahle für Im neuen Quartier Sonnenkamp wird Dazu hatten beide zu einem Ideenwett­ die Groth-Sahle Projektentwicklung, die Groth-Sahle Projektentwicklung bewerb aufgerufen. Eckhard Koops für den neu gebildeten künftig in mehreren Bauabschnitten Bis zum 30. November vergangenen Beirat, der zuvor in einer ersten Sit­ bis zu 2300 Wohneinheiten errichten – Jahres hatten Bürger aus Wolfsburg die zung tagte und aus der Liste eine eigene optional weitere 300. Zusätzlich werden Möglichkeit Namensvorschläge einzu­ Rangfolge der Namensvorschläge fest­ durch die Stadt etwa 400 Wohnein­ reichen. Über 250 kreative Vorschläge legte, sowie die Vertreterin des Kinder- heiten entstehen. Ergänzend zum gingen bei der Stadt ein. Aus sämtlichen und Jugendbeirates, Bianca Liegner, die Wohnungsbau sind Nahversorgungs- Anregungen kamen 15 Namen in die sich für das Kinderparlament äußerte. und Bildungs-, Sozial-, Sport- und engere Auswahl. In einer Jurysitzung Alle Teilnehmer wurden mit einer Freizeiteinrichtungen in dem Gebiet wurden jetzt die einzelnen Vorschläge E-Mail über das Ergebnis informiert. Die vorgesehen.

NST-N 1-2018 MITGLIEDER BERICHTEN 41 Postvertriebsst­ck 43935 Deutsche Post AG, Entgelt bezahlt. NST Nachrichten Niedersächsischer Städtetag Postfach 1207 30928 Burgwedel

Stimmt die rechts angegebene Adresse noch? Teilen Sie uns bitte Änderungen sofort mit.

Vergessen Sie bitte nicht, bei Ihrer Änderungs- anzeige die alte Anschrift mit anzugeben. © DOSB

Deutschland macht das Sportabzeichen. Mach mit! Alle Infos auf deutsches-sportabzeichen.de

sportdeutschland.de facebook/sportdeutschland #sportdeutschland