Stauffenberg-Erinnerungsstätte Von Paula Lutum-Lenger

Claus Schenk von Stauffenberg ist seit vielen Jahren eine zentrale Symbolfigur für den Widerstand gegen das national- sozialistische Regime. Der Versuch des hochdekorierten und schwer kriegs- versehrten Offiziers, am 20. Juli 1944 in dessen Hauptquartier „Wolfsschanze“ durch eine Bombe zu töten, scheiterte. Stauffenberg wurde am Abend desselben Tages in Berlin standrechtlich erschossen. Viele seiner Mitverschwörer, darunter auch sein Bruder Berthold, wurden ebenfalls hingerichtet, Familienangehörige wurden in Sippenhaft genommen. steht Stauffenberg-Erinnerungsstätte Stuttgart © Haus der Geschichte Baden-Württemberg im öffentlichen Bewusstsein stellvertretend für die vielen Frauen und Männer, die Widerstand im „Dritten Reich“ geleistet haben, während die Rolle seines Bruders Berthold erst in den letzten Jahren gewürdigt wird.

Gedenken an Claus und Berthold Schenk Graf von Stauffenberg

1953 wurde im Bendlerblock, dem militärischen Gebäudekomplex, in dem Stauffenberg sein Dienstzimmer hatte und in dessen Innenhof er erschossen worden war, ein Denkmal errichtet. 1962 folgte eine Tafel mit den Namen der Hingerichteten, und erst 1968 wurde eine erste Gedenk- und Bildungsstätte eröffnet. Seit 1989 wird hier eine umfassende und wissenschaftlich fundierte Darstellung des Widerstands gegen den Nationalsozialismus gezeigt. Während in Berlin die gesamte Breite und Vielfalt des Widerstands thematisiert wird, stellt die Stauffenberg-Erinnerungsstätte im Alten Schloss in Stuttgart die Brüder Claus und Berthold in den Mittelpunkt. Sie zeigt die Lebenswege der beiden, die sie von einer behüteten Kindheit und Jugend im Umfeld des Stuttgarter Hofes über die Begeisterung für den George-Kreis und von Pflichtbewusstsein gekennzeichnete Karrieren in Militär beziehungsweise Staatdienst schließlich zum Widerstand gegen das „Dritte Reich“ unter Einsatz des eigenen Lebens führten. Die Zwillinge Berthold und Alexander kamen 1905 in Stuttgart zur Welt. Claus wurde 1907 während eines Familienbesuchs in Jettingen geboren. Die Stauffenberg-Kinder besuchten das traditionsreiche Eberhard-Ludwigs Gymnasium in Stuttgart und verließen die Stadt erst nach dem Abitur. Berthold nahm 1923 ein Jurastudium in Heidelberg auf, das er unter anderem in Jena und Tübingen fortsetzte. Claus trat 1926 als Fahnenjunker in das angesehene Bamberger Reiterregiment der Reichswehr ein.

Fachbereich www.gedenkstaetten-bw.de Gedenkstättenarbeit

Der Ort: Stuttgart

Im Alten Schloss in Stuttgart wuchsen die Brüder Berthold und Claus Schenk Graf von Stauffenberg auf. Hier befand sich die Dienstwohnung des Vaters, Alfred Schenk Graf von Stauffenberg, der königlich württembergischer Oberhofmarschall und Kammerherr war. Seine Frau, Caroline Gräfin von Stauffenberg, war Hofdame und Freundin der Königin. Ein Mitschüler der Brüder berichtete später, die Gräfin Stauffenberg habe während des Ersten Weltkrieges jungen Damen „die Kunstgriffe des Verbindens“ gelehrt und wie, „wenn wir Buben unsere Schularbeiten beendet hatten und uns zur Abwechslung einmal als blutdürstende Indianer auf den Kriegspfad begaben (...), die liebenswürdige Gräfin v[on] S[tauffenberg] unserem Siegeszug kurzerhand Einhalt gebot und uns in den Dienst des Vaterlandes stellte. Da waren Skalpe, Tomahawk und Bleichgesichter schnell vergessen, und lammfromm standen der ‚Zündende Blitz‘, der ‚Weiße Hirsch‘, der ‚Heulende Sturm‘ und der ‚Große Büffel‘ Modell für die Anlegung der schwierigsten Verbände.“

Das Gebäude: Das Alte Schloss

Nach dem Untergang der Monarchie und bis zur Pensionierung des Vaters im Jahr 1928 lebte die Familie Stauffenberg in der Stuttgarter Jägerstraße. Ihre vorherige Wohnung im Alten Schloss existiert nicht mehr. Nach einem Großbrand im Dezember 1931 und einem Luftangriff im Juli 1944 lassen sich heute die Wohnräume nicht mehr lokalisieren – neue Stockwerks- und Raumeinteilungen haben das Gebäude tiefgreifend verändert. Deshalb kann eine Erinnerungsstätte heute nicht mehr auf Räume der Familie Stauffenberg zurückgreifen, sondern nur noch durch den Gebäudekomplex „Altes Schloss“ eine historische Verbindung herstellen. Die Erinnerungsstätte ist im sogenannten „Archivbau“ untergebracht, einem Anbau, der im Kern aus dem 17. Jahrhundert stammt. Um diesem vom Material wie von der Bauform her heterogenen Raum ein neutrales Erscheinungsbild zu verleihen, wurden die Wände mit sandfarbenem Putz geschlämmt. So entstand ein monochromer Raum, der ohne große Eigenwirkung eine Erinnerungsstätte aufnehmen kann.

Die Erinnerungsstätte

In der Erinnerungsstätte wird gezeigt, wie aus durch und durch konservativ patriotisch geprägten Männern, die aus der Tradition einer alten süddeutschen Adelsfamilie kamen und die sich dem konservativ-elitären Aufbruch des George-Kreises verbunden fühlten, Widerstandskämpfer wurden, die es für ihre Pflicht hielten, im Krieg ihren Oberbefehlshaber zu töten, weil sie zu der Überzeugung gekommen waren, dass er eine verbrecherische Politik betrieb. Wenn also in der Erinnerungsstätte die Kindheit und Jugend der beiden Brüder Stauffenberg gezeigt wird, ihre Prägung durch Schule und Elternhaus, ihre Zugehörigkeit zum Kreis um den Dichter Stefan George, ihr beruflicher Werdegang, dann geschieht dies immer vor dem Hintergrund ihres späteren Widerstandes gegen das nationalsozialistische Regime. Eine Klanginstallation begleitet den Besucher durch die gesamte Ausstellung. Originaltöne, Texte von Stefan George, Militärmusik, Celloklänge und anderes mehr vermitteln dem Besucher auf künstlerischem Weg einen akustischen Eindruck von der Welt, in der die Brüder Stauffenberg lebten und wirkten. Aus zwölf Lautsprechern erklingen unterschiedliche Tonaufnahmen, die jeweils in enger Verbindung mit den Exponaten stehen. Sie erzeugen eine raumfüllende Stimmungs- und Klangskulptur, die in der gesamten Erinnerungsstätte wahrzunehmen ist, die aber ihren Charakter je nach Standort des Besuchers ändert.

Originale und authentische Objekte, die in Nischen ausgestellt sind und die wie Fenster in die Vergangenheit wirken, vergegenwärtigen die Lebensläufe der Brüder Berthold und Claus Schenk von Stauffenberg. Ein Plan der Dienstwohnung stellt den Ortsbezug her, das Abschlusszeugnis von Claus von Stauffenberg gibt Auskunft über seinen späteren Berufswunsch: Offizier. Ein Fotoalbum dokumentiert, wie Claus von Stauffenberg beim Angriff auf Polen die Versorgung einer Division organisiert. Ein Exemplar einer „Prisenordnung“ für den Seekrieg belegt, wie Berthold Stauffenberg als einer der führenden deutschen Seerechtsspezialisten – unter anderem auch am Internationalen Gerichtshof in Den Haag – im Dienst für den Staat gewirkt hat. Eine besondere Aura umgibt das Cello, auf dem Claus von Stauffenberg seit seinem zehnten Lebensjahr musiziert hat. Eindrucksvoll sind auch zwei Bronzebüsten von Berthold und Claus, die der dem George-Kreis zugehörige Bildhauer Frank Mehnert gefertigt hat. Daten und Fakten findet der Besucher in einer Computerstation, die über den Ablauf und die Folgen des Attentats vom 20. Juli 1944 in Berlin, Wien, Paris und vielen anderen Orten informiert. Das gesamte weitverzweigte Widerstandsnetzwerk des 20. Juli wird über Kurzinformationen zu den Biografien der Verschwörer nachvollziehbar gemacht. Die öffentliche Darstellung des Attentats vom 20. Juli bis zum Kriegsende wird ebenso thematisiert wie die Rezeptionsgeschichte in der DDR, wo es seit den 1960er-Jahren Gedenkveranstaltungen gab. Und schließlich wird die wechselvolle Geschichte des Gedenkens in der Bundesrepublik dargestellt, wo 1955 zwei Spielfilme über den 20. Juli in die Kinos kamen, bis hin zu den Aktivitäten der George-Stiftung und des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums. Das Miteinander der künstlerisch-emotionalen Klangskulptur, der Erinnerungsstücke der Brüder von Stauffenberg sowie der vertiefenden Informationen lässt ein Ensemble entstehen, das dem Gedenken eine aufklärende und aus der Vergangenheit in die Gegenwart überleitende Dimension verleiht.

Prof. Dr. Paula Lutum-Lenger ist stellvertretende Direktorin sowie Ausstellungs- und Sammlungsleiterin im Haus der Geschichte Baden-Württemberg.

Publikationen

 Gerd R. Ueberschär: Stauffenberg und das Attentat von 20. Juli 1944. Darstellung, Biografien, Dokumente, 2. Aufl., Frankfurt 2009.  Eberhard Zeller: Oberst Claus Graf Stauffenberg. Ein Lebensbild, Paderborn 2008.  Christopher Dowe / Stefan Feucht: Die Stauffenberg-Erinnerungsstätte in Stuttgart. Handreichung für Schulen, Stuttgart 2008.  Peter Hoffmann: Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Eine Biographie, 2. vollst. erw. Auflage, München 2008.  Peter Steinbach: Claus von Stauffenberg. Zeuge im Feuer, Leinfelden-Echterdingen 2007.