Protokoll-Nr. 19/120

19. Wahlperiode Ausschuss für Wirtschaft und Energie

Wortprotokoll der 120. Sitzung

Ausschuss für Wirtschaft und Energie Berlin, den 7. Juni 2021, 12:30 Uhr 10557 Berlin, Konrad-Adenauer-Str. 1 Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.400

Vorsitz: , MdB

Tagesordnung - Öffentliche Anhörung

Einziger Tagesordnungspunkt Seite 5 a) Gesetzentwurf der Bundesregierung Federführend: Ausschuss für Wirtschaft und Energie Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Mitberatend: Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Bildung, Forschung und Industrie- und Handelskammern Technikfolgenabschätzung BT-Drucksache 19/27452 Gutachtlich: Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Federführend: Ausschuss für Wirtschaft und Energie Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Mitberatend: Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Bildung, Forschung und Industrie- und Handelskammern Technikfolgenabschätzung -19/27452- Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung BT-Drucksache 19/28409

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c) Antrag der Abgeordneten Claudia Müller, Anja Federführend: Ausschuss für Wirtschaft und Energie Hajduk, , weiterer Abgeordneter und Mitberatend: der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Transparenz und Demokratie in Industrie- und Entwicklung Handelskammern stärken Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen BT-Drucksache 19/28473

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Mitglieder des Ausschusses* Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder CDU/CSU Bleser, Peter Dött, Marie-Luise Durz, Hansjörg Grundmann, Oliver Grotelüschen, Astrid Holmeier, Karl Hauptmann, Mark Kemmer, Ronja Heider, Dr. Matthias Körber, Carsten Helfrich, Mark Kruse, Rüdiger Knoerig, Axel Linnemann, Dr. Carsten Koeppen, Jens Mattfeldt, Andreas Lämmel, Andreas G. Möring, Karsten Lenz, Dr. Andreas Nicolaisen, Petra Loos, Bernhard Pols, Eckhard Metzler, Jan Ramsauer, Dr. Peter Müller (Braunschweig), Carsten Schweiger, Torsten Pfeiffer, Dr. Joachim Steier, Andreas Rouenhoff, Stefan Stetten, Christian Frhr. von Stein (Rostock), Peter Vries, Kees de Willsch, Klaus-Peter SPD Freese, Ulrich Bartol, Sören Gremmels, Timon Jurk, Thomas Junge, Frank Kapschack, Ralf Katzmarek, Gabriele Miersch, Dr. Matthias Mohrs, Falko Raabe, Dr. Sascha Poschmann, Sabine Scheer, Dr. Nina Rimkus, Andreas Schmidt, Uwe Saathoff, Johann Stamm-Fibich, Martina Töns, Markus Thews, Michael Westphal, Bernd Weingarten, Dr. Joe AfD Chrupalla, Tino Bernhard, Marc Heßenkemper, Dr. Heiko Espendiller, Dr. Michael Holm, Leif-Erik Hollnagel, Dr. Bruno Komning, Enrico Kraft, Dr. Rainer Kotré, Steffen Sichert, Martin Müller, Hansjörg Spaniel, Dr. Dirk FDP Houben, Reinhard Bauer, Nicole Klinge, Dr. Marcel Dassler, Britta Katharina Neumann, Dr. Martin Kulitz, Alexander Todtenhausen, Manfred Reinhold, Hagen Ullrich, Gerald Solms, Dr. Hermann Otto Weeser, Sandra Theurer, Michael ______*Die unterschriebene Anwesenheitsliste sowie die Liste der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Video-/Telefon- konferenz werden dem Originalprotokoll beigelegt und sind während der laufenden und der darauf folgenden Wahl- periode im Sekretariat des Ausschusses für Wirtschaft und Energie und danach im Archiv des Deutschen Bundestages einsehbar.

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DIE LINKE. Beutin, Lorenz Gösta Dağdelen, Sevim Ernst, Klaus De Masi, Fabio Lutze, Thomas Riexinger, Bernd Meiser, Pascal Tatti, Jessica Ulrich, Alexander Wagenknecht, Dr. Sahra BÜNDNIS 90/DIE Dröge, Katharina Badum, Lisa GRÜNEN Janecek, Dieter Baerbock, Annalena Müller, Claudia Bayaz, Dr. Danyal Nestle, Dr. Ingrid Kotting-Uhl, Sylvia Verlinden, Dr. Julia Krischer, Oliver

Sachverständigenliste:

Peter Adrian Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages e.V. (DIHK)

Dr. Olaf Konzak Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB Rechtsanwälte

Prof. Dr. Martin Nettesheim Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht und Völkerrecht, Eberhard Karls Universität Tübingen (Uni Tübingen)

Silvia Grigun Deutscher Gewerkschaftsbund Bundesvorstand Leiterin Handwerkssekretariat (DGB)

Anne-Kathrin Kuhlemann BE Food AG

Dr. Eike Hamer von Valtier Mittelstandsinstitut Niedersachsen e.V.

Dr. Nicole Grünewald Präsidentin der Industrie- und Handelskammer zu Köln

Thomas Ressel Ressortleiter Bildungs- und Qualifizierungspolitik, IG Metall Vorstand

Kai Boeddinghaus Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes für freie Kammern e.V. (bffk)

______*Die unterschriebene Anwesenheitsliste sowie die Liste der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Video-/Telefon- konferenz werden dem Originalprotokoll beigelegt und sind während der laufenden und der darauf folgenden Wahl- periode im Sekretariat des Ausschusses für Wirtschaft und Energie und danach im Archiv des Deutschen Bundestages einsehbar.

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Einziger Tagesordnungspunkt mokratie in Industrie- und Handelskammern stärken“, Bundestagsdrucksache 19/28473. Ich a) Gesetzentwurf der Bundesregierung begrüße Sie als Sachverständige recht herzlich in unserer Mitte und möchte Sie auch einzeln aufru- Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung fen, damit ich weiß, wer alles da ist und ob unsere des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts Videoschaltung funktioniert. Als erstes Herr Peter der Industrie- und Handelskammern Adrian, der neue Präsident des Deutschen Indus- trie- und Handelskammertages e.V.. Herr Adrian, BT-Drucksache 19/27452 ich habe Sie schon gesehen. Schön, dass Sie da sind. Dann haben wir Herrn Dr. Olaf Konzak von Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Rechtsanwälte. Herr Dr. Konzak, schön, dass Sie da sind. Dann haben wir per Video zugeschaltet Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung Herrn Professor Dr. Martin Nettesheim vom Lehr- des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts stuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Europa- der Industrie- und Handelskammern recht und Völkerrecht der Eberhard Karls Univer- -19/27452- sität in Tübingen. Herr Professor Dr. Nettesheim, Stellungnahme des Bundesrates und Sie können uns hören? Gegenäußerung der Bundesregierung SV Prof. Dr. Martin Nettesheim (Uni Tübingen): BT-Drucksache 19/28409 Ja, ich verstehe Sie sehr gut. Vielen Dank.

Der Vorsitzende: Dann haben wir Silvia Grigun c) Antrag der Abgeordneten Claudia Müller, Anja vom Deutschen Gewerkschaftsbund, Bundesvor- Hajduk, Dieter Janecek, weiterer Abgeordneter stand Leiterin Handwerkssekretariat und DGB. Sie und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist uns auch zugeschaltet. Frau Silvia Grigun.

Transparenz und Demokratie in Industrie- und SVe Silvia Grigun (DGB): Ja, schönen guten Tag. Handelskammern stärken Der Vorsitzende: Dann haben wir Anne-Kathrin BT-Drucksache 19/28473 Kuhlemann von BE Food AG. Frau Kuhlemann, ich habe Sie schon gesehen, schön, dass Sie da Der Vorsitzende: Sehr geehrte Damen und Herren, sind. Dann per Videokonferenz Dr. Eike Hamer ich begrüße Sie recht herzlich zu unserer Anhö- von Valtier, Mittelstandsinstitut Niedersachsen, rung zu dem IHK-Gesetz, die als Webex-Video- Herr Valtier ? konferenz durchgeführt und aufgezeichnet wird. Wir haben einen Teil der Sachverständigen zuge- SV Dr. Eike Hamer von Valtier (Mittelstandinsti- schaltet, ich werde Sie gleich noch im Einzelnen tut Niedersachsen e. V.): Ich kann Sie wunderbar begrüßen. Ich bitte zunächst alle Teilnehmerinnen verstehen. und Teilnehmer, die uns zugeschaltet sind, die Mikrofone auf „aus“ zu schalten, damit wir keine Der Vorsitzende: Dann haben wir Dr. Nicole Nebengeräusche haben und unsere Sitzung ver- Grünewald, Präsidentin der Industrie- und Han- nünftig durchführen können. Die Anhörung be- delskammer zu Köln, ebenfalls per Videokonfe- fasst sich mit folgenden Vorlagen, dem Gesetz- renz. Frau Grünewald? entwurf der Bundesregierung „Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur SVe Dr. Nicole Grünewald (Präsidentin der In- vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- dustrie- und Handelskammer zu Köln): Hallo, und Handelskammern“ auf Bundestagsdruck- schön, dass ich dabei sein darf. sachen 19/27452 und 19/28409 und einem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu die- Der Vorsitzende: Dann haben wir noch Thomas sem Thema mit dem Titel „Transparenz und De- Ressel, Ressortleiter Bildungs- und Qualifizie-

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rungspolitik, IG Metall Vorstand. Thomas Ressel, Frage richtet. Und ich bin immer sehr dankbar, Sie können uns auch hören? wenn Sie in einer Wortmeldung nur einen Sach- verständigen befragen, weil sonst bleibt vielleicht SV Thomas Ressel (IG Metall): Ja, ich kann auch für den zweiten Sachverständigen nicht mehr viel alles hören. Alles ist hervorragend. Können Sie Zeit übrig. Wegen der bereits erwähnten Kürze der mich auch hören? zur Verfügung stehenden Zeit machen wir keine Eingangsstatements der Sachverständigen, son- Der Vorsitzende: Ja, wunderbar, passt. Danke, dern sofern erfolgt, haben wir die schriftlichen dass Sie da sind. Ich bitte diejenigen, die in der Stellungnahmen vorliegen. Zur Anhörung wird Videokonferenz nicht sprechen, die Mikrofone auf ein Wortprotokoll erstellt. Wichtig ist, dass zur lautlos stellen. Sonst hören wir alles mit, dass hat Erleichterung der Protokollerstellung die Sach- schon mal zu Komplikationen geführt. Dann ha- verständigen von mir nochmals extra aufgerufen ben wir Kai Boeddinghaus, Bundesgeschäftsführer werden, nachdem die Abgeordneten sagen, an des Bundesverbandes für freie Kammern, recht wen sie die Frage richten. Das wären die Vorbe- herzlich willkommen. So, dann begrüße ich na- merkungen. Ich hoffe, ich habe nichts Wesentli- türlich recht herzlich die Mitglieder des Aus- ches vergessen, sonst müsste ich das nachholen. schusses für Wirtschaft und Energie sowie die Wir können nun in unsere Anhörung einsteigen. mitberatenden Ausschüsse, die uns ebenfalls zum Nochmal recht herzlichen Dank, dass Sie da sind großen Teil zugeschaltet sind. Ich begrüße für die und dass Sie uns zur Verfügung stehen für dieses Bundesregierung Frau Parlamentarische Staats- wichtige Thema der Regelung des IHK-Gesetzes. sekretärin Winkelmeier-Becker sowie weitere Als erstes darf ich Dr. Heider von der CDU bitten, Beamtinnen und Beamte des BMWi, die ebenfalls seine Frage zu stellen. per Videoschaltung an der Veranstaltung teilneh- men. Ich begrüße die Vertreterinnen und Vertreter Abg. Dr. (CDU/CSU): Vielen der Länder, der Medien und nicht zuletzt auch die Dank, Herr Vorsitzender, sehr geehrte Sachver- Gäste, die uns über Video hören können und auch ständige, herzlichen Dank auch im Namen der sehen. Zum Ablauf der Anhörung noch folgende Unionsfraktion, dass Sie uns zu diesem Gesetz zur Erläuterungen: Wir führen die Befragungen unter Verfügung stehen und auch mit uns den ein oder Berücksichtigung des Stärkeverhältnisses der anderen Punkt diskutieren. Meine erste Frage Fraktionen durch, das heißt, die Redezeiten sind würde ich gerne an den Präsidenten des DIHK streng reglementiert. Wir haben drei Fragerunden selbst stellen. Herr Adrian, herzlichen Glück- in der uns zur Verfügung stehenden Zeit von nur wunsch von der Unionsfraktion zur Übernahme eineinhalb Stunden. Wir sind darauf angewiesen, dieses Amtes in einer herausfordernden Zeit. Das dass sich sowohl die fragenden Abgeordneten als ist ja, wenn man mal international Handel und auch die Sachverständigen möglichst kurz fassen. Wandel im Moment anschaut, eine wirklich be- Die Fraktionen sind darüber übereingekommen, wegte Zeit. Nicht jedes Jahr kommt eine Krise dass in der ersten Runde pro Wortmeldung eine vorbei, hoffentlich nicht. Das gibt jedenfalls für maximale Redezeit von insgesamt vier Minuten die kammerale Selbstverwaltung große Aufgaben für Frage und Antwort zur Verfügung stehen. In auf. Ich habe nochmals ins Gesetz geguckt, wir der zweiten und dritten Runde werden wir die haben reingeschrieben, dass die Aufgabe der Zeit für Fragen und Antworten auf drei Minuten Kammer unter Wahrung von Anstand und Sitte reduzieren, sonst kommen wir bis 14 Uhr nicht der ehrbaren Kaufleute einschließlich deren sozi- mit drei Fragerunden hin. Es gilt der Grundsatz, je aler und gesellschaftlicher Verantwortung statt- kürzer die Frage, umso mehr Zeit steht für die finden soll. Vielleicht können Sie uns einleitend, Antwort zur Verfügung. Das war an die Mitglieder und deshalb frage ich auch ganz allgemein, ein des Ausschusses gerichtet, meine Bitte an die bisschen aus dem Nähkasten der Kammer berich- Kolleginnen und Kollegen. Dies ist heute die ten. Wie ist die Stimmung bei Ihnen in der Kam- 120. Sitzung des Ausschusses, die meisten haben mer? Wie stehen Sie jetzt zu dieser neuen Ge- das in dieser Legislaturperiode schon mehrmals schäftsgrundlage, die wir Ihnen als Kammer vor- erlebt. Zu Beginn ihrer Frage bitte ich, den Namen schlagen? des Sachverständigen zu nennen, an den sich die

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Der Vorsitzende: Herr Adrian bitte. IHKs und vor allem auch des Dachverbandes DIHK sehen. Fühlen Sie sich ausreichend vertre- SV Peter Adrian (DIHK): Vielen Dank, Herr Vor- ten, repräsentiert? Denn es gibt einige Stimmen, sitzender, vielen Dank, Herr Heider für die Frage. auch von Unternehmen, die das kritischer sehen. Sie wissen, ich bin im Ehrenamt Präsident einer Können Sie das nachvollziehen, und was wären kleineren Industrie- und Handelskammer in Trier Ihre Vorschläge, auch unter Berücksichtigung des und habe jetzt diesen Job im DIHK übernommen. jetzt vorliegenden Gesetzentwurfes? Wir sind in einer schwierigen Situation. Wir sind in einer schwierigen Situation, weil seit der Ent- Der Vorsitzende: Frau Kuhlemann bitte. scheidung des Bundesverwaltungsgerichtes die Arbeit der Organisation, insbesondere die Arbeit SVe Anne-Kathrin Kuhlemann (BE Food AG): Ja, im DIHK, sehr erschwert ist, auch insbesondere, herzlichen Dank, sowohl Herr Vorsitzender als was unsere Artikulationsmöglichkeiten anbelangt, auch Herr Westphal, für die Frage. Grundsätzlich wenn es darum geht, Themen der Wirtschaft zu sehe ich das so, Sie haben es gerade gesagt, ich artikulieren und Probleme anzusprechen. Wir ha- leite ein kleines Unternehmen, klein, mittelstän- ben eine Situation, die, sie wissen das alle, ge- disch, eine kleine Unternehmensgruppe. Wenn prägt ist von den Auswirkungen der Corona-Pan- wir Gehör haben wollten politisch, müssten wir demie. Dies wirkt sich bei uns in besonderem uns entweder in einem Branchenverband organi- Maße auf die berufliche Bildung aus. Wir haben sieren, das ist, je kleiner das Unternehmen desto sehr stark zurückgehende Zahlen im Bereich der schwieriger. Sie haben nicht den Overhead zu sa- Berufsausbildung und das in einer Phase, in der gen: Ach, da stell ich mal drei Lobbyisten in Ber- sich ein weiterer Fachkräftemangel abzeichnet. lin dauerhaft dafür ab. Keine Chance! Das ist Das ist eines unserer Hauptprobleme, mit denen meine Zeit höchstens, ich kann noch mehr Über- wir uns beschäftigen. Dazu kommt die Situation stunden machen als Unternehmer, wenn ich mich unserer Auslandshandelskammern. Sie wissen, engagieren möchte. Und insofern ist die IHK von wir haben 140 Standorte in über 90 Ländern und ihrer Struktur her natürlich ideal geeignet, um zu diese Kammern, die Auslandshandelskammern sagen: Da bin ich sowieso Mitglied, dann kann ich haben zum Teil ihr Geschäftsmodell verloren, mich auch engagieren und ganz nebenbei, wir le- auch durch die Corona-Pandemie, sodass wir ben in einer Demokratie, das gilt grundsätzlich. eigentlich hier gefordert sind als Organisation, Wenn ich natürlich meine Rechte durchsetzen uns auf diese Kernaufgaben zu konzentrieren. möchte oder Gehör haben möchte, dann muss ich Wenn ich jetzt nur diese zwei Aspekte nenne, mich engagieren. Das ist so. Insofern kann ich aber wir sind natürlich durch diesen Prozess, nicht nachvollziehen, wenn, also ich kann nach- durch diese Initiative zu Änderungen des vollziehen, natürlich immer, wenn Menschen sa- IHK-Gesetzes, wir sind dafür sehr dankbar, weil gen, meine Meinung ist irgendwo nicht repräsen- wir uns davon erhoffen, dass wir einfach eine tiert. Das gilt aber in einer Demokratie auch, das ganz andere Rechtssicherheit erfahren und damit hören Sie alle auch im regelmäßig, das in der Zukunft die bessere Grundlage haben, un- Gesetz, das sich einzelne Menschen da beschwe- sere Aufgaben zu erfüllen. Soviel von meiner Sei- ren, dass das vielleicht nicht der eigenen Meinung te. Danke. entspricht. Aber das ist nun mal so in einer De- mokratie, man kann nie Allen gerecht werden. Der Vorsitzende: Dankeschön. Die nächste Frage Man kann mit Mehrheitsentscheidungen versu- stellt Herr Westphal von der SPD. chen, eine möglichst breite Basis zu finden für eine Entscheidung oder auch eine Aussage, eine Abg. (SPD): Vielen Dank, Herr Empfehlung und möglichst viele Unternehmen, Vorsitzender. Meine Frage geht an Frau Kuhle- Unternehmer in diesem Sinne dann auch befragt mann. Vielen Dank, dass Sie uns zur Verfügung zu haben oder mit berücksichtigt zu haben und stehen, das gilt auch für die anderen Sachverstän- deren Expertise abgeholt zu haben. Und insofern digen, für dieses wichtige Gesetz. Sie leiten selbst glaube ich, also man kann, was man machen ein mittelständisches Unternehmen und deshalb könnte oder versuchen kann, aber das tun die würde mich interessieren, wie Sie die Rolle der IHKs eigentlich, ist genau darauf hinzuwirken

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und ein anderes Bewusstsein bei den ganzen Mit- SV Dr. Eike Hamer von Valtier (Mittelstands- gliedsunternehmen zu schaffen, dass es nicht eine institut Niedersachsen e. V.): Ja, herzlichen Dank. Zwangsmitgliedschaft ist, die nervig ist und man Wir haben nun eine relativ breite Übersicht über zahlt halt jedes Jahr die Gebühr, sondern dass es Mitglieder, die im Institut ihre Meinung geben eine Chance ist. Die zu begreifen, sich einzubrin- und dort kann ich feststellen, dass die IHKs fast gen und sich zu engagieren und mit einem, es ist ausschließlich wider der Interessen der Mitglieder ja kein, es verlangt ja niemand, dass man sich gehen und das ist zurückzuführen auf die Stunden pro Woche hinsetzt. Ich leite einen Aus- Zwangsmitgliedschaft, auf die Institution einer schuss und selbst das ist gut leistbar. Aber eben öffentlichen Körperschaft. Und das bedeutet, dass, einfach darauf noch mehr hinzuwirken, dass wo ich keinen Leistungsdruck mehr habe, weil überhaupt bekannt ist, dass man das tun kann und eben die Mitgliedschaft nicht freiwillig ist und dass es nicht einfach nur so eine Organisation ist, man nicht austreten kann, wenn es einem nicht die jetzt von Gesetzesseite da ist, sondern dass mehr passt, sondern wo es per Zwang ist, weil es man sich da sehr gut austauschen kann, dass man eine öffentliche Körperschaft ist mit dem Mit- da Gleichgesinnte findet und Ähnliches. Also das gliedszwang, dass dort die Interessen eher weni- könnte man sicher noch stärker tun, das muss ger gegeben werden. Das gibt auch schon die Sat- aber nicht unbedingt gesetzlich verankert werden. zung der IHKs wieder, die ja ein völlig ungerech- Ich glaube, das tun die IHKs von sich aus, weil sie tes, also nicht ein Pro-Kopf-Stimmrecht haben, das eigentlich wollen. Also mein Empfinden ist, sondern wo einzelne Unternehmen oder einzelne ich bin ja selber angesprochen worden von der Branchen völlig überrepräsentiert sind. Wenn also IHK ursprünglich vom Hauptamt, ob ich mich einzelne Personen, die vielleicht ein kleines Un- engagieren möchte. Dass da sehr viel bewusste ternehmen haben und sich in der IHK aktiv betei- Arbeit getan wird, um eben noch mehr Unter- ligen, dort ein großes Gewicht oder ihre Stimme, nehmer zu finden, die sich aktiv einbringen wol- oder auch ihr Interesse widergespiegelt sehen, len. dann mag das für den Einzelfall gelten, aber für die Allgemeinheit definitiv nicht. Und wir haben Der Vorsitzende: Dankeschön. Als nächstes für auch, und das ist eigentlich noch dramatischer, so die AfD stellt die Frage Herr Kotré. lange wir die IHKs in der Freiwilligkeit haben, oder nicht die IHKs, sondern wenn der Dachver- Abg. Steffen Kotré (AfD): Meine Frage geht an band freiwillig ist, kann man ihn überhaupt noch Herrn Dr. Hamer. Die Pflichtmitgliedschaft in der sanktionieren. Wir brauchen eigentlich viele die- Kammer widerspricht dem Grundgesetz und wi- ser öffentlichen Aufgaben nicht. Das ist ein Relikt derspricht auch im Grunde genommen der aus einer sehr dunklen Zeit in Deutschland, wo Marktwirtschaft. Also ich kann nicht gezwungen man eben versuchte, die Gewerbetreibenden unter werden, als Unternehmen Mitglied zu sein. politisches Kuratel zu bekommen und so etwas Gleichwohl haben die Kammern natürlich viele, Ähnliches versucht wohl auch der Änderungs- viele gute und wichtige Aufgaben, aber trotzdem. entwurf, insbesondere der Grünen-Partei jetzt Wie ist das zu beurteilen, Pflichtmitgliedschaft wieder zu machen. Also aus Sicht der mittelstän- und auch der Charakter des öffentlich-rechtlichen dischen Unternehmer ist das eine Katastrophe Status? Wie ist das zu beurteilen, auch vor dem und definitiv nicht im Sinne der Unternehmer. Hintergrund, dass die IHKs, die angetreten sind, die Interessen der Wirtschaft zu unterstützen, das Der Vorsitzende: Danke. Herr Heider, CDU bitte. aber nicht immer tun. Denken wir zum Beispiel an die Sanktionen gegen Russland, dagegen hätte Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Vielen Dank, die IHK Sturm laufen müssen, aber stattdessen ist Herr Vorsitzender. Ich stehe immer noch ein sie auch Sprachrohr der Regierung, der Politik bisschen unter dem Eindruck dieses Sachverstän- gewesen. Wie sehen Sie das, wie sehen das vor digenbeitrages. Nach meiner Kenntnis ist die Ge- allen Dingen Ihre Mitglieder? schichte der Industrie- und Handelskammern um ein Vielfaches länger als die aus dem dritten Der Vorsitzende: Herr Hamer von Valtier bitte. Reich, wo zugegebenermaßen diese Kammern einer besonderen Verfassung gewaltsam unter-

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worfen worden sind. Aber das ist nur eine Rand- einen Kompetenzerfüllungsgewährleistungsan- bemerkung an der Stelle. Ich würde mich statt- spruch geben. Und den kann ich nach der Ent- dessen gerne mal mit dem Sachverständigen scheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur Herrn Dr. Konzak darüber unterhalten, wie denn noch durchsetzen, indem ich eben eine gesetzli- die Geschäftsgrundlage der Kammern jetzt wirk- che Mitgliedschaft vorsehe. Das ist aus meiner lich beschaffen ist? Das ist jetzt eine Körperschaft Sicht verfassungsrechtlich eigentlich auch zwin- des öffentlichen Rechts, davor ist es ein Verein gend geboten. Was die Aufsicht anbelangt, ist es gewesen. Welche konkreten Änderungen müssen aus meiner Sicht genau das, was wir typischer- denn die Kammer und die Mitglieder der Kammer weise kennen im Bereich der Kammern. Dass wir sich jetzt vorstellen? Wir sprechen im Bereich der bei Körperschaften des öffentlichen Rechtes eine mittelbaren Staatsverwaltung oft von einer Rechtsaufsicht haben, das ist in Paragraf 11a Ab- Rechtsaufsicht und von einer Fachaufsicht. Wenn satz 1 Satz 1 auch entsprechend zutreffend festge- das Gesetz so richtig angewandt wird, wie wir es legt mit dem Verweis auf 11 Absatz 1 Satz 1. Dort entworfen haben, dann wird ja eine Rechtsauf- könnte man sich vorstellen, dass es wohlmöglich sicht über dem DIHK ausgebreitet. Sehen Sie, Herr noch ausdrücklich festgelegt wird, ist aber nicht Dr. Konzak, irgendwelche Ansätze auf ein Ein- sinnvoll. Das, was ein wenig befremdlich anmu- wirken regierungsseitig, auf inhaltliche Fragen, tet, ist der Satz 2 in 11a Absatz 1, bei dem man die im Bereich der mittelbaren Selbstverwaltung sich dann die Frage stellt: Öffnet der wohlmöglich hier von den Kammerorganen beraten und be- eine Tür für eine Fachaufsicht? Die wäre eigent- schlossen werden können? Ist das zu befürchten? lich konträr zu den Selbstverwaltungsaufgaben, weil das Bundesverfassungsgericht gerade auch in Der Vorsitzende: Herr Dr. Konzak bitte. der Entscheidung von 2017 herausgestellt hat, dass das Wesen der Kammer eigentlich die Unab- SV Dr. Olaf Konzak (Friedrich Graf von hängigkeit vom Staat ist. Und mit einer Fachauf- Westphalen & Partner mbB Rechtsanwälte): Ja sicht würde ich Gefahr laufen, dass es hier um danke, Herr Vorsitzender, danke, Herr Dr. Heider. Zweckmäßigkeit geht und das gilt es zu unterbin- Lassen Sie mich vielleicht kurz eingangs etwas den. Von daher wäre es sinnvoll, wenn man, um sagen. Das, was jetzt mit der Umgestaltung des jeglichen Forderungen von vornherein einen Rie- DIHK in eine entsprechende Bundeskammer pas- gel vorzuschieben, den 11a Absatz 1 Satz 2 strei- siert, ist nicht nur angemessen, verfassungspoli- chen würde. Danke. tisch sinnvoll, sondern auch verfassungspolitisch oder verfassungsrechtlich geboten. Das, was wir Der Vorsitzende: Danke. Herr Houben für die FDP gerade gehört haben, dass die Pflichtmitglied- bitte. schaft nicht dem Grundgesetz entspricht ist, ist schlichtweg nicht zutreffend. Das Bundesverfas- Abg. (FDP): Ja, Herr Vorsitzen- sungsgericht hat in drei Entscheidungen, un- der, meine Damen und Herren, auch von mir vie- ter anderem zuletzt im Jahr 2017, genau die ver- len Dank, dass Sie uns zur Verfügung stehen. fassungsrechtliche Zulässigkeit bestätigt, das gilt Meine Frage geht an Frau Dr. Grünewald von der es nochmal herauszuheben. Insofern ist das, was IHK Köln. Anschließend an das, was Herr Dr. jetzt mit dem DIHK passieren soll, etwas, was wir Konzak eben ausgeführt hat, nochmals aus Sicht auf Bundesebene schon vielfältig gesehen haben einer IHK. Wie schätzen Sie den fachlichen Ein- mit der Bundesärztekammer, mit der Bundes- fluss des Wirtschaftsministeriums auf den DIHK rechtsanwaltskammer, also von daher durchaus ein? Und besteht Ihrer Meinung nach die Gefahr, etwas, was wir kennen und wir diskutieren bis- dass der DIHK künftig nicht mehr die Stimme der lang eigentlich aus Sicht der Mitglieder immer IHKs ist, sondern des BMWi? Und eine zweite nur im Hinblick darauf, dass es ein Kompetenz- Frage in dem Zusammenhang. Wie ist es mit der überschreitungsunterlassungsanspruch geben soll. Binnenstruktur? Das Gesetz hebt ja besonders die Die Kehrseite dieser Medaille, und das ist das Vollversammlung und das Präsidium hervor, die verfassungsrechtlich Notwendige und Gebotene eben entsprechend sich äußern sollen. Inwieweit nach der Rechtsprechung des Bundeverfassungs- ist diese Festlegung zweckmäßig? Kann man, sie- gerichtes, es muss auf der anderen Seite auch he auch jetzt die aktuelle Pandemielage, als DIHK

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dann noch schnell genug reagieren? Vielen Dank. immer von der IHK Köln sehr gut vertreten ge- fühlt. Ich habe dann gedacht, ein bisschen mehr Der Vorsitzende: Danke. Frau Dr. Grünewald bitte. Kleinunternehmertum könnte der IHK Köln, die eine sehr große Kammer ist, nicht schaden. Des- SVe Dr. Nicole Grünewald (Präsidentin der In- halb bin ich angetreten und bin ja auch gegen den dustrie- und Handelskammer zu Köln): Ja, vielen amtierenden Präsidenten gewählt worden, also Dank für die Frage. Die Gefahr, dass der neue das nochmal zum Thema Demokratie in einer DIHK dann jetzt zur Stimme des BMWi wird, sehe IHK, ich bin der lebende Beweis, dass es möglich ich überhaupt nicht. Im Gegenteil. Das ist, wie ist. Und die Zusammenarbeit und der Austausch Herr Konzak auch eben schon gesagt hat, gelebte auf den verschieden Ebenen mit dem DIHK sind Praxis. Wir haben auf Landesebene bei den IHKs wirklich sehr gut und auch sehr transparent und eine sehr gute Erfahrung mit der Rechtsaufsicht wir glauben, dass dieses Thema der Gesamtinter- gemacht. Man handelt und man weiß aber, da ist essenwahrnehmung ganz wichtig ist. Wir haben jemand, der prüft das dann nochmal und wenn es auch beim DIHK zum Beispiel wirtschaftspoliti- dann zum Streitfall kommt, kann man die dann sche Positionen, an denen wir uns dann auf regi- auch anrufen und das hat sich wirklich sehr gut onaler Ebene vernünftig orientieren können. Also, bewährt. Worauf kommt es denn an? Also, wir wir finden, dass der DIHK sehr schnell reagieren sind uns als Unternehmerinnen und Unternehmer kann und wir glauben auch durch die Vollver- gerade auch im Ehrenamt unserer Verantwortung sammlungen, die da geplant werden und auch sehr bewusst. Und wir bemühen uns ja auch, die durch das Instrument des Präsidiums, ist ja alles rechtlichen Grenzen immer und überall einzuhal- bei uns gelernt, also wir glauben, dass das eine ten. Das ist aber jetzt auch durch die letzten sehr gute Lösung ist. Rechtssprüche unheimlich schwierig geworden. Und deshalb gibt es da eine große Rechtsunsi- Der Vorsitzende: Dankeschön. Die nächste Frage cherheit. Also, wenn wir jetzt mal dieses ganze stelle ich selbst für meine Partei DIE LINKE. Thema Testen und Impfen nehmen. Da werden wir natürlich danach gefragt, wie sieht die Wirt- Abg. Klaus Ernst (DIE LINKE.): Ich richte die Fra- schaft das? Und da wäre es natürlich schön, wenn ge an Herrn Ressel von der IG Metall. Wir haben wir uns dazu auch äußern dürften, denn das ist ja nun doch erhebliche Kritik von Seiten der Ar- in dem Fall nicht Gesundheitspolitik, sondern beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auch der ganz klar Wirtschaftspolitik und da wäre es halt Gewerkschaften, dass dem DIHK die Möglichkeit gut, wenn das klargestellt würde. Wir nehmen eröffnet werden soll, Maßnahmen im Bereich der unsere gesellschaftlichen Aufgaben wahr und wir beruflichen Bildung zu treffen. Warum kritisieren wollen informieren, wir wollen auch Handeln die IG Metall und andere das und was müsste an können und da ist die Rechtsaufsicht eine wirk- dem Gesetz geändert werden, dass das behoben lich gute Lösung. Eine Fachaufsicht würde da wird? Herr Ressel bitte. wahrscheinlich zu weit gehen, das hat Herr Konzak eben auch schon ausgeführt. Also, von SV Thomas Ressel (IG Metall): Ja, vielen Dank, daher, wir finden das eine gute Idee, weil es sich Herr Vorsitzender. In der Tat haben wir in der eben auch bewährt hat. So viel zum ersten Teil beruflichen Bildung ein bewährtes Zusammen- der Frage. Zum Thema der Binnenstruktur. Wir spiel der Sozialpartner. Unsere Befürchtung ist, beschließen hier in Köln auch in der Vollver- dass dieses bewährte Zusammenwirken der Sozi- sammlung Positionen zu unterschiedlichen The- alpartner, und das ist für uns jetzt beispielsweise men und daraus leiten wir dann ab, was im Ein- als IG Metall Gesamtmetall in erster Linie, aber zelfall zu tun ist und wir machen das vier Mal im auch für zahlreiche weitere Arbeitgeberverbände, Jahr und wenn das dann auf Bundesebene dass diese bewährte Zusammenarbeit durchein- zwei Mal im Jahr ist, dann glauben wir, dass das ander gebracht wird und nicht mehr in der glei- auch ausreichend ist. Wir befinden uns ja sowieso chen Form vielleicht weiter existieren kann. Denn im permanenten Kontakt, also ich bin jetzt seit die im Paragrafen 10a Absatz 5 Satz 3 des Gesetz- einem Jahr Präsidentin, ich bin übrigens auch entwurfes nicht näher beschriebenen Maßnahmen Kleinunternehmerin und ich habe mich schon im Kontext der Berufsbildung könnten vom DIHK

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als Bundeskammer dahingehend interpretiert mindest wenigstens eine Minute auch für Herrn werden, als Auftrag verstanden werden, auch Adrian dann übrig zu lassen. Die Frage ist ganz ordnungspolitische Kompetenzen in der Berufs- kurz. Im Gesetzentwurf steht, es gebe keine bildung abzuleiten. Die Ordnungspolitik gehört Alternativen zu dem Gesetzentwurf. Was würde aber nicht zu den Aufgaben der IHKs oder gar des denn ihrer Einschätzung nach passieren, wenn DIHK, Berufe werden, wie schon gesagt, gemein- dieser Gesetzentwurf nicht beschlossen wird? sam von den Sozialpartnern entwickelt, bei- spielsweise Gesamtmetall und IG Metall und dann Der Vorsitzende: Herr Boeddinghaus bitte. beim Bundesinstitut für Berufsbildung auf Wei- sung der Ministerien ausgearbeitet mit betriebli- SV Kai Boeddinghaus (bffk): Ja, Dankeschön für chen Sachverständigen. Wir verfolgen damit das die Frage. Dankeschön für die Einladung in den Ziel, möglichst nahe an den praktischen Anfor- Ausschuss. Ich glaube, dass die Antwort relativ derungen der Arbeitswelt zu sein und das gelingt einfach wäre. Es passiert endlich das, worauf Mit- uns nach unserer Auffassung auch sehr gut, wäh- gliedsunternehmen der Industrie- und Handels- rend die IHK-Organisation in der Ordnungspolitik kammern, aber auch haupt- und ehrenamtliche einen anderen Blick auf die Problematik hat. Hier, Funktionäre und Funktionärinnen schon seit Jah- ich will nur ein Beispiel nennen, die Zuständig- ren hoffen und hinwirken, nämlich eine grundle- keit für die Prüfungsorganisation und da spielen gende Reform. Das Bundesverwaltungsgericht hat prüfungsökonomische Fragen oftmals eine Rolle. ja nicht beschlossen, dass der DIHK aufgelöst Und das führt in Ordnungsgeschäften bereits werden muss, sondern das Bundesverwaltungsge- heute zu Konflikten der Sozialpartner mit den richt hat geurteilt, das der DIHK sich an die Ge- Anliegen, auch in der Kammerorganisation, wo setze halten muss und er sich über viele Jahre, wir versuchen, einen Ausgleich zu finden. Hier während eines dreizehnjährigen Prozesses, an könnte eine Machtverschiebung dann stattfinden, diese Gesetze nicht gehalten hat. Das heißt, der die wir problematisch finden. Auch in der beruf- Respekt vor dem Gesetz würde in die eine Reform lichen Fortbildung treten die IHKs neben ihrer münden und es ist ja kein Zufall, dass es eine IHK hoheitlichen Aufgabe der Prüfungsorganisation gegeben hat, die nicht verurteilt worden ist, aus auch privatwirtschaftlich auf und haben dem Dachverband auszutreten, sondern die frei- IHK-Akademien. An den IHK-Akademien bieten willig ausgetreten ist. Und die hat genau, Frau sie, sie gehören zu den größten Akademien, bieten Müller, dann gesagt, was die Alternative ist. Die sie berufliche Fortbildung auch in den geregelten hat gesagt, wir treten jetzt aus, damit ihr, DIHK, Abschlüssen an. Da können Interessenverqui- euch neu aufstellt, neu positioniert, neu entwi- ckungen entstehen, die auch ordnungspolitisch ckelt und wir verbinden unser Austrittschreiben hineinwirken. Deswegen treten wir für eine klare jetzt bereits mit dem Versprechen, wieder in den Präzisierung im Paragraf 5 Absatz 3 der Maßnah- DIHK einzutreten und genauso ist es ja auch für men ein, dass sie auf die Unterstützung der zu- die Betroffene IHK Münster Nord Westfalen. ständigen Stellen bei hoheitlichen Aufgaben klar Wenn es diese Reform geben würde, die durch definiert wird und klar beschränkt wird auf die diesen Gesetzentwurf jetzt völlig abgewürgt wird, möglichst einheitliche Umsetzung der Hauptaus- dann dürfte auch die IHK Nord Westfalen wieder schussempfehlungen, die gemeinsam vom in den DIHK eintreten. Und dem kritischsten Hauptausschuss nach Berufsbildungsgesetz ver- Kammerkritiker, dem würde es nicht gelingen, sie abschiedet werden. erneut aus dem DIHK heraus zu klagen, wenn denn der DIHK das macht, was von ihm seit vie- Der Vorsitzende: Herzlichen Dank. Die nächste len Jahren von dem Gesetz verlangt wird, sich Frage an die Grünen, Frau Müller bitte. nämlich an dieses Gesetz zu halten. Und da will ich darauf hinweisen, wenn jetzt so getan wird, Abge. Claudia Müller (BÜNDNIS 90/DIE als würde dem Dachverband die Sprechfähigkeit GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Vorsitzender, ich genommen, dann muss man mal daran erinnern, werde es auch ganz kurz machen. Ich habe eine das Bundesverwaltungsgericht hat auch schon vor Frage an Herrn Boeddinghaus und Herrn Adrian vielen Jahren geurteilt und das hat, das will ich und ich würde Herrn Boeddinghaus bitten, zu- ganz ehrlich sagen, uns, mich geärgert, aber das ist

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hinzunehmen als Rechtsprechung. Die haben ge- sichtlich der Tarifpartnerschaft eine fehlende Ab- sagt, die Kammern, also auch der DIHK, dürfen grenzung gibt, also der Aufgaben der Tarifpart- sich äußern, wenn wirtschaftliche Belange auch nerschaft und gerade war schon erwähnt auch nur am Rande berührt sind. Das, was jetzt aufge- zum Thema Berufsbildung eine Abgrenzung. Wäre baut wurde als vermeintlich notwendige Rettung hier dem Genüge getan aus ihrer Sicht, wenn man des DIHK ohne Alternative, hat mit der Realität das explizit nochmal ins Gesetz reinnimmt, dass nichts zu tun. Die Alternative lag auf dem Tisch die Abgrenzung schon darin besteht, dass zu den durch die Rechtsprechung des Bundesverwal- Aufgaben der Tarifpartner halt keine Stellung ge- tungsgerichtes und es gab viele, die das wollen, nommen wird und auch die Berufsbildung expli- nicht nur unter den Kritikern, nämlich eine zit ausgeschlossen wird aus den Aufgaben des grundlegende Reform. DIHK, weil sie ja Aufgabe der IHKs sind. Danke.

Der Vorsitzende: Dankeschön. Herr Adrian bitte. Der Vorsitzende: Dankeschön. Frau Grigun bitte.

SV Peter Adrian (DIHK): Es gibt eigentlich keine SVe Silvia Grigun (DGB): Vielen Dank auch für Alternative zu dieser Gesetzesreform, wenn ich die Frage. Ich fange mal so an, die Abgrenzung, das mal aus der Sicht eines Ehrenamtlers sagen die bisher gilt bei der Frage der Tarifpartner im darf. Wenn ich zu einem Thema, zu einem wirt- Paragrafen 1 Absatz 5, die ist ziemlich klar. Da schaftlichen Thema, Stellung nehmen soll als steht nämlich, die IHKs und damit im Übrigen Vertreter einer IHK oder auch als Vertreter des auch der Dachverband, dürfen arbeits- und sozi- DIHK, dann sind wirtschaftliche Themen doch in alrechtliche Interessen nicht wahrnehmen. Das der Regel immer eingebettet in den gesamtgesell- hat seine Gründe und es hat seine Gründe nicht schaftlichen Zusammenhang. Wir können diese nur in der Frage der Tarifpartner, sondern es hat Themen nie so isolieren, dass ich nur ein wirt- seine Gründe auch in der Frage, dass da die schaftliches Thema abhandeln kann, ohne nicht Rechte anderer Bänke betroffen sind. Sprich, die Gefahr zu laufen, auch in gesamtgesellschaftliche IHKs sind Teil der mittelbaren Staatsverwaltung Themen abzugleiten. Und der Gesetzentwurf, so und als solche in ein ganzes Gefüge von anderen wie er hier vorliegt, heilt eigentlich diesen Ansatz, Körperschaften eingebettet, die eben auch Äuße- dass wir damit auch wieder eine Sprachfähigkeit rungsrechte haben. Und die Kompetenz für diese gewinnen, weil, wenn sie nur mal ein Beispiel sozialpolitischen und arbeitsrechtlichen Fragen, nehmen, wenn Sie vor der Frage stehen: Macht es die liegen eben bei anderen Bänken beziehungs- Sinn mit dem Iran oder ist es sinnvoll, mit dem weise bei den Tarifpartnern. Und vielleicht Iran Geschäfte zu machen, mit iranischen Unter- nochmal als Ergänzung dazu, wir haben im nehmen? Und sie dann sagen, das ist ein schwie- IHK-Bereich ja auch keine Arbeitnehmer-Mitbe- riges Land, weil das die Menschenrechte nicht stimmungen, sprich, wenn dort ein Gesamtinter- akzeptiert oder die Existenz Israels, dann hat das esse festgestellt wird, dann ist das im Moment das einen wirtschaftlichen Zusammenhang, aber Gesamtinteresse von Unternehmen. Während wir selbstverständlich natürlich auch einen politi- zum Beispiel in der Sozialversicherung oder auch schen Zusammenhang. in den Handwerkskammern Arbeitnehmerbänke haben und da geht in ein Gesamtinteresse eben Der Vorsitzende: Dankeschön, Punktlandung. Wir auch das Gesamtinteresse der Arbeitnehmer mit haben damit die erste Runde beendet und wir ein. Und von daher ist für uns klar, so eine Ein- müssen die Redezeit auf drei Minuten reduzieren, grenzung ist nötig und die ist auch im Bereich nur das Sie daran denken. Als Erstes erteile ich Berufsbildung nötig, weil nämlich eben mit dem das Wort der Kollegin Poschmann von der SPD. BBiG, mit dem Berufsbildungsgesetz, das ja 1969 als Reaktion auf die mangelnde Repräsentierung Abge. Sabine Poschmann (SPD): Ja, herzlichen von Arbeitnehmerinteressen überhaupt eingeführt Dank, Herr Vorsitzender. Ich hätte eine Frage an wurde, da gibt es eben eine sehr gute sozialpart- den DGB, an Frau Grigun. Und zwar kamen wir ja nerschaftliche Zusammenarbeit, die stark gefähr- gerade schon auf die Abgrenzungsschwierigkeiten det wäre, wenn man das jetzt hier an der Stelle und Hauptkritikpunkt des DGB ist ja, dass es hin- aufweichen würde. Danke.

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Der Vorsitzende: Dankeschön. Die nächste Frage Paragraf 1 Absatz 1 und 5, das Ganze präzisiert geht an Herrn Heider, CDU. und voll klar gestellt. Es wird zweitens auch an verschiedenen Stellen deutlich gemacht, dass Abg. Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Vielen dieser Prozess eben minderheitenschützend und Dank, Herr Vorsitzender. Ich würde gerne Herrn hinreichend transparent und offen stattfinden Professor Nettesheim fragen. Wie sieht das mit muss, um eben sicherzustellen, dass es ein Ge- den Folgewirkungen des Verfassungsgerichtsur- samtinteresse, nicht nur das Interesse einzelner teils von 2017 aus? Welche Auswirkungen gibt es Unternehmen ist. Die gesetzlichen Bestimmungen für die IHK-Organisation? Es ist ja nach wie vor sind hinreichend klar, um das abzubilden und so, dass es verfassungsrechtliche Vorgaben für die müssen dann im Lichte der Entscheidung des demokratische Legitimation gibt. Da ist ja, wenn Bundesverfassungsgerichts von 2017 noch kon- man einer Zwangsmitgliedschaft unterworfen kretisiert werden. Der dritte Punkt ist dann die wird als Unternehmen, immer auch eine Ein- Binnenverfassung und hier, Herr Vorsitzender, schränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit wenn ich den Satz noch beenden darf, ist es so, mit inbegriffen. Ist dieser Gesetzesentwurf, der dass die Verbindung von gesetzlichen Vorgaben, uns hier heute vorliegt, geeignet, das zu unter- vor allem, was die zentrale Stellung der Vollver- stützen, bildet das, was die Wirtschaft, was die sammlung dieser neuen Bundeskörperschaft an- Unternehmen an der Stelle brauchen, verfas- geht und der Satzungsautonomie, die ihrerseits sungsrechtlich richtig ab? Können Sie uns dazu aber wiederum gesetzlich gesteuert wird, einen raten? guten Ausgleich zwischen dem notwendigen Maß an gesetzlicher Steuerung und selbstverwaltender Der Vorsitzende: Herr Professor Nettesheim bitte. Autonomie darstellt. Ich sehe also darin ein ge- lungenes Beispiel der Fortbildung… SV Prof. Dr. Martin Nettesheim (Uni Tübingen): Ja, vielen Dank, Herr Vorsitzender, nochmals an Der Vorsitzende: Danke, das war ein sehr langer dieser Stelle für die Einladung und vielen Dank, Satz. Herr Heider, Sie haben auch die Möglichkeit Herr Stellvertretender Vorsitzender für diese Fra- zur zweiten Frage. Da machen wir das dann ein ge. Es ist ja bereits mehrfach jetzt gesagt worden, bisschen kürzer, falls sie nochmal gefragt werden. dass das Bundesverfassungsgericht 2017, davor aber auch schon 2001 und zurückliegend, deut- Abg. Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Vielen lich gemacht hat, dass sich der Gesetzgeber hier in Dank, Herr Vorsitzender. Ich würde im Anschluss einem besonderen Rahmen bewegt, wenn er der- daran gerne den Präsidenten des DIHK, Sie, Herr artige Körperschaften errichtet. Es ist, wie Sie, Adrian, als sachverständigen Präsidenten, noch Herr Stellvertretender Vorsitzender, gerade sagten, einmal fragen. Jetzt ist die IHK-Organisation sehr eine grundrechtliche Einschränkung damit ver- stark mit dem Ehrenamt verbunden. Menschen, bunden, die gesetzliche Mitgliedschaft ist damit die sonst auch einen normalen Berufs-Tagesablauf rechtfertigungsbedürftig. Und daraus ergeben sich haben, engagieren sich in der mittelbaren Staats- jetzt wiederum aus der Sicht des Karlsruher Ge- verwaltung. Das kostet Zeit, das kostet Aufwand richts eben vor allem strukturelle Anforderungen und das ist natürlich damit verbunden, dass man an die Ausgestaltung einmal eben der IHKs und sich nicht nur zu rein wirtschaftlichen Themen einer künftigen Bundeskörperschaft. Wichtig ist äußert, sondern es kommen auch Fragen zur De- zunächst zu sehen, dass der Gesetzgeber hier die batte, wie wir sie gerade schon mal gehört haben. Aufgabenstellung so fassen muss, dass ein spezi- Da geht es um Impfen, ja oder nein und die Aus- fisches Interesse der gewerblichen Wirtschaft er- wirkungen auf die Wirtschaft, es geht um Außen- fasst wird. Und dann eben auch nicht als, wie das handel, es geht um unsere Vertretung in den ein- Bundesverfassungsgericht sagt, als Interessenver- zelnen Ländern. Das sind ja Funktionen, die allen tretung, sondern eine gesellschaftliche Repräsen- Unternehmen nützlich sind. Finden Sie, dass der tation von Kräften jenseits der Parteien, jenseits Aufwand, den wir da als Deutschland treiben, der Medien und so weiter ermöglicht. Und das ist angemessen ist gegenüber anderen Ländern inter- in diesem Entwurf, in meinem Sinn nach, voll- national? Oder machen wir da zu wenig? ständig abgebildet und wird hier im Artikel, dem

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Der Vorsitzende: Danke. Herr Adrian bitte. Transparenz, die gestellt wird. Also im Grunde, wie kann ich als einzelnes Mitglied überhaupt, SV Peter Adrian (DIHK): Herzlichen Dank für die wie bekomme ich mit, was gerade in den Aus- Frage, Herr Dr. Heider. Sie wissen, wir haben schüssen passiert? Ist da ein Unterschied zur alleine im Bereich der beruflichen Bildung bun- Vollversammlung? Also, könnten Sie sich einen desweit etwa 150 000 ehrenamtlich tätige Mit- Weg vorstellen, Kritiker stärker einzubinden oder glieder in Prüfungsausschüssen, im Bereich der würden Sie sagen, dass dies im Moment schon der Industrie- und Handelskammern. Und insofern ist Fall ist, weil jeder auch sein Wort machen kann? die Aufgabe, die da bewältigt wird im Bereich der beruflichen Bildung, die wäre meiner Meinung Der Vorsitzende: Frau Kuhlemann bitte. nach ohne diese Struktur der Selbstverwaltungs- organisation, ohne dieses ehrenamtliche Engage- SVe Anne-Kathrin Kuhlemann (BE Food AG): ment, von vielen Unternehmerinnen und Unter- Vielen Dank für die Frage. Also, vielleicht mal nehmern nicht zu bewältigen. Und das ist ja ein ganz konkret, wenn wir im Ausschuss tagen, dann Grundmerkmal unserer Verfassung, unserer sind grundsätzlich erstmal alle eingeladen, auch Selbstverwaltung, dass wir diese Kombination als Gäste teilzunehmen. Das ist ja kein geheimer haben in den Kammern, aber auch im DIHK zwi- Ausschuss, der irgendwie hinter verschlossenen schen ehrenamtlich tätigen und natürlich haupt- Türen irgendwas beschließt und bespricht, son- amtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dern da kann jeder Unternehmer, der in der IHK und, dass daraus auch wirklich eine große Leis- Mitglied ist, sich auch mit dazu setzen, ja, und im tungsfähigkeit geschöpft wird. Wir haben im Be- Moment sich sogar per Zoom zuschalten, also ist reich der Auslandshandelskammer über das noch bequemer. Wir versuchen da auch ein- 150 000 Mitglieder. Das sind ja in der Regel Un- fach breite Themen zu besprechen, die für uns als ternehmer, die in den jeweiligen Regionen tätig Ausschuss, die wir als relevant erachten und wo sind, die sich in diesen Auslandshandelskammern wir das Gefühl haben, da müssen wir uns mal zu zusammen geschlossen haben, die ihre Kollegin- austauschen mit den Experten und Sachverstän- nen und Kollegen da wieder beraten und be- digen, die wir dann wieder einladen. Und dann treuen, die in diesen Ländern Geschäfte machen gibt es natürlich unterschiedliche Meinungen, wir wollen. Diese Struktur der Selbstverwaltung ist diskutieren da auch immer durchaus heiß, es ist ja ein großes Leistungsmerkmal und Sie wissen, im kein konsensgetriebener, keine konsensgetriebene Bereich der beruflichen Bildung ist es auch ein Veranstaltung. Aber wenn wir dann wirklich zu Aushängeschild Deutschlands. Die duale Berufs- Empfehlungen kommen, dann reflektieren wir, ausbildung gilt weltweit als ein wirklich gut funk- was ist jetzt der konsensfähige Teil und wo haben tionierendes System und dieses System funktio- wir, ich sag mal, Einzelmeinungen oder auch niert aber auch nur deshalb so gut, weil wir diese Minderheitsmeinungen. Und das reflektieren wir Kombination haben und weil wir dieses ehren- auch, das lassen, das geben wir auch so an die amtliche Engagement haben. Und ich glaube, dass Vollversammlung und spiegeln das auch. Also es der Gesetzesentwurf, so wie er jetzt vorliegt, uns ist nicht so: Naja, die Minderheit lassen wir jetzt einfach eine deutliche bessere Basis gibt für die unter den Tisch fallen. Insofern empfinde ich zu- Zukunft und das motiviert auch die Ehrenämtler. mindest unsere Arbeit in unserem Ausschuss als Vielen Dank. sehr transparent. Wir sind auch immer eingeladen zu allen anderen Ausschüssen, wer die Zeit hat, Der Vorsitzende: Dankeschön. Die nächste Frage kann sich natürlich auch da informieren, was zu geht wieder an die SPD, Frau Poschmann bitte. den unterschiedlichen Themen gerade ansteht. Und ich habe den Eindruck, dass es in der Voll- Abge. Sabine Poschmann (SPD): Herzlichen Dank, versammlung eigentlich genau so ist. Auch da Herr Vorsitzender. Ich hätte eine Frage an Frau wird diskutiert, die Vorlagen, die Texte liegen Kuhlemann. Und zwar hat Herr Westphal gerade entsprechend vor, man kennt die Themen, man schon darauf hingewiesen, dass Sie ja bei der kann sich vorbereiten und natürlich muss man IHK Berlin den Ausschuss für Wirtschaftspolitik immer finden, was ist jetzt mehrheitsfähiger leiten. Und es ist ja immer die Frage nach der „Sprech“. Also, man muss sich auf irgendwas

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einigen. Und trotzdem ist bekannt und wird pro- Meinung, sondern es sind hier Einzelinteressen, tokolliert, was die unterschiedlichen Themen und die sehr stark durchkommen. Und das wird noch Meinungen zu einem Thema sind. Also ich glaube weiter konzentriert, wenn ein Dachverband als nicht, dass es hier noch großen Verbesserungsbe- Körperschaft des öffentlichen Rechts darüber ge- darf gibt. Auch wenn sich sicherlich der ein oder stülpt wird, wo also auch die einzelnen IHKs andere manchmal wünschen würde, dass man dann gar nicht mehr durchkommen. Also, in den noch stärker, dass er seine Minderheit jetzt hätte IHKs beziehungsweise im DIHT davon auszuge- durchbekommen sollen, das geht halt nicht immer hen, dass die für die Wirtschaft sprächen, ist also in einer Demokratie. so nicht zu sehen. Das kann man so wirklich nicht sagen. Wenn es überhaupt so wäre, müssten Der Vorsitzende: Haben Sie Recht, geht mir auch eigentlich die IHKs und auch der DIHT das Inter- so. So, als nächstes stellt die Frage Herr Kotré von esse haben, freiwillige Verbände zu sein. Dann der AfD. würde es gehen, weil dann würde es die Garantie geben, dass die Unternehmen freiwillig dabei sind Abg. Steffen Kotré (AfD): Herr Dr. Hamer, wir ha- und sich auch durch diese Institution repräsen- ben es heute gehört, es soll also von dem DIHK tiert fühlen. So lange das nicht der Fall ist, ist das Gesamtinteresse der Wirtschaft abgebildet eher vom Gegenteil auszugehen. Und die hoheit- sein und ob das so gemacht werden kann, ist lichen Aufgaben, die heute noch stattfinden, fin- zweifelhaft. Die Branchen sind einfach zu unter- den fast ausschließlich durch ehrenamtliche Leute schiedlich. Dann wird der Status Körperschaft des statt. Das heißt, die hoheitlichen Aufgaben, die öffentlichen Rechts durch hoheitliche Aufgaben dort jetzt noch gemacht werden, sind bis auf eini- unter anderem auch begründet. Ist das heutzutage ge Reste auch durch andere jetzt schon öffentliche noch so? Und wir sehen auch in der Stellung- Stellen, wie zum Beispiel Grundbuchämter oder nahme vom DIHK, was eigentlich noch dahinter- zum Beispiel die Gerichte machbar. Dafür diesen steckt, was der eigentlich will, er möchte noch sehr teuren Apparat zu unterhalten, rechtfertigt weitere gesamtgesellschaftliche Fragestellungen sich meines Erachtens nicht. einbringen, das heißt, DIHK und IHKs noch weiter politisieren. Ist das im Interesse der Wirtschaft, ist Der Vorsitzende: Danke. Herr Heider bitte. das im Interesse des Mittelstandes? Abg. Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Vielen Der Vorsitzende: Herr Dr. Hamer von Valtier bitte. Dank, Herr Vorsitzender. Wir hatten uns nun schon mit dem Bereich der Übertragung von Auf- SV Dr. Eike Hamer von Valtier (Mittelstands- gaben in den Bereich der mittelbaren Staatsver- institut Niedersachsen e. V.): Herzlichen Dank für waltung beschäftigt. Ich würde den Sachverstän- die Frage. Nein, es ist definitiv nicht im Interesse digen Herrn Dr. Konzak gerne bitten, uns das noch der Wirtschaft, vielleicht einzelner weniger. Und einmal zu erläutern. Das kann der Staat nicht bei ich habe auch aus den Äußerungen vorher genau jeder Institution machen, dass er einfach Aufga- vernommen, es sind ja nicht die Ehrenämter, um ben überträgt, das braucht eine gesetzliche die es hier geht, sondern eine Institution zu einer Grundlage. Wenn man Sachverständige ernennen Körperschaft des öffentlichen Rechts zu machen, will, dann kann das auch nicht jede Institution, gibt mir mehr den Anschein, dass es hier um eine sondern es muss ein gewisses Fundament vor- Versorgungsabsicherung für die Hauptamtlichen, handen sein für diese Entscheidung. Finden Sie also für die Funktionäre geht und nicht so sehr auch im Hinblick auf die Satzungsmöglichkeiten um die einzelnen ehrenamtlich Tätigen. Noch des DIHK, dass diese Regelungen bei den IHKs mehr ist das große Problem, dass jetzt schon sich generell richtig aufgehoben sind im Bereich dieser der überwiegende Teil der Betriebe nicht durch Übertragung? Und die zweite Frage wäre, wenn die IHKs repräsentiert fühlt. Das heißt die Mei- wir uns die Wege der Entscheidungsfindung an- nung die die haben, und das haben wir durch sehen, wie sind denn die Beschwerdewege be- viele Umfragen schon immer wieder herausge- schaffen? Sind die ausreichend, gibt es auch für funden, dass also der überwiegende Teil sagt: Das, abweichende Meinungen im System selbst eine was die IHK für sie spräche, das sei gar nicht ihre Kontrollmöglichkeit? Das sind die beiden Fragen,

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um deren Beantwortung ich bitten würde. tenz. Inwieweit meinen Sie, hilft die neue Rege- lung, dass DIHK und die IHKs ihre politische Der Vorsitzende: Herr Dr. Konzak. Askese wieder etwas ablegen können? Und wie sehen Sie den DIHK im Meinungswettbewerb SV Dr. Olaf Konzak (Friedrich Graf von zwischen BDI und BDA? Westphalen & Partner mbB Rechtsanwälte): Ja danke, Herr Vorsitzender, danke, Herr Dr. Heider. Der Vorsitzende: Danke. Frau Dr. Grünewald bitte. Also zunächst mal wird der gesetzliche Rahmen mit den wahrzunehmenden Aufgaben durch das SVe Dr. Nicole Grünewald (Präsidentin der In- Gesetz selber normiert. Indem dort letztendlich im dustrie- und Handelskammer zu Köln): Ja, vielen Einzelnen festgelegt wird, was die Aufgaben von Dank für die Frage. Also, das ist, glaube ich, so IHK und DIHK sind. Ich habe zwei Selbstverwal- der wichtigste Punkt des Gesetzes, ich bin jetzt tungskörperschaften, die im Prinzip die Interessen schon seit vielen Jahren im Ehrenamt tätig und auf der einen Seite, auf der regionalen Ebene und jetzt gerade frisch Präsidentin. Und ich spreche auf der anderen Seite, auf der überregionalen eigentlich jeden Tag mit Unternehmerinnen und Ebene, wahrzunehmen haben. Und das ist auch Unternehmern und wir vertreten deren Anliegen schon angeklungen worden, die Binnenstruktur gegenüber Politik und Öffentlichkeit auch in den und auch die Satzungsautonomie letztendlich der Medien. Und durch diese Urteile, die da jetzt ge- jeweiligen Körperschaften geben das wieder. Und sprochen worden sind, muss ich eigentlich in je- diese gesetzliche Legitimation war auch der der Situation erstmal zehn Juristen fragen, was ich Grund für die Entscheidung des Bundesverfas- da jetzt sagen darf und was nicht. Und diese sungsgerichtes, um das auch nochmal deutlich zu Rechtsunsicherheit hat dem ganzen ehrenamtli- machen, die genau diese Struktur als notwendig chen Engagement sehr geschadet. Und jetzt ist ge- und verfassungsrechtlich zulässig anerkannt ha- rade die IHK Ulm verklagt worden, weil sie sich ben und die Vollständigkeit der Meinungsbildung zum Impfen geäußert hat. Das ist ein bisschen als das wesentliche Merkmal gesehen haben. Um traurig, weil gerade Impfen ist das, was alle unse- die zu gewährleisten, brauche ich auch eine ent- re Unternehmer und Unternehmerinnen am meis- sprechende gesetzliche Mitgliedschaft. Was die ten beschäftigt. Also, wir brauchen halt eine ganz Beschwerdewege anbelangt, wir haben jetzt eine klare Definition und da wird das Gesetz auf jeden neue Regelung in Paragraf 11a Absatz 3, bei dem Fall helfen, gerade in Bezug auf die gesamtgesell- eine Beschwerdemöglichkeit vorgesehen wird, schaftliche Verantwortung. Zu der zweiten, zum daneben ein Klagerecht. Dazu muss man sagen, zweiten Teil der Frage, also, die IHKs und auch dass natürlich dadurch, dass der DIHK nun eine der DIHK sind keine Tarifpartner und wir wollen Körperschaft des öffentlichen Rechtes wird, ich auch überhaupt gar keine Tarifpartner werden. die Rechtsaufsicht habe, ich die Einbindung in die Also wir haben auch so wirklich genug zu tun. mittelbare Staatsverwaltung habe, so dass auch Wir in Köln arbeiten übrigens sehr gut zusammen der DIHK an die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung mit dem DGB und den Arbeitgebern und wir tau- gebunden ist und die Beschwerdemöglichkeit, die schen uns auch da sehr rege aus. Und das ist, nun vorgesehen ist, etwas zusätzlich neben dem glaube ich, auch ein ganz guter Beweis dafür, dass Klagerecht ist, wo man sich überlegen müsste, ob man dann im Zusammenspiel auch etwas sehr das tatsächlich notwendig ist, da es auf der Sinnvolles erreichen kann. Und nicht jeder muss Grundlage der Entscheidung des Bundesverwal- ja alles machen. Und die IHKs sind da ganz gut tungsgerichtes passiert ist, die allerdings überholt auch beraten, wenn sie sich auf ihre Kernkompe- ist. Danke. tenzen beschränken. Und das sind halt auch die Beratung und die Aus- und Weiterbildung. Und Der Vorsitzende: Für die FDP Herr Houben bitte. die Aussage einer meiner Vorredner, dass wir das auch mal locker im Ehrenamt hinkriegen würden, Abg. Reinhard Houben (FDP): Ja, ich möchte Frau dem muss ich leider widersprechen. Also, ich bin Dr. Grünewald ansprechen. Und zwar haben wir jetzt wirklich ehrenamtlich tätig, bin auch sehr das schon mal angetippt, das Thema Rechtssi- aktiv, aber ohne das Hauptamt könnte ich das tat- cherheit der Aussagen und die Aussagekompe- sächlich in dem Maße nicht machen. Also wir

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brauchen Rechtssicherheit und wir brauchen ein selbst wenn am nächsten Tag eine weitere Prü- vernünftiges Hauptamt. Und wir würden einfach fung mit den gleichen Teilnehmern ansteht, es gerne die Aufgaben, die wir haben, wieder ver- wird eine neue identische Formelsammlung aus- nünftig wahrnehmen können. Die Hoffnung haben gegeben. Hinzu kommt, die Prüfungsteilnehmer wir in das Gesetz. können diese Formelsammlung auch privat bei der DIHK-Bildungs-GmbH erwerben, meistens tun Der Vorsitzende: Danke. Die nächste Frage für sie das über die Fortbildungskurse und machen DIE LINKE. stelle ich selber. das auch über AFBG förderfähig, wird das dann abgerechnet. So, nun komme ich zu der Beispiel- Abg. Klaus Ernst (DIE LINKE.): Und zwar geht sie rechnung. Die DIHK-Organisation nimmt jährlich an Herrn Ressel. Es wird ja von der IG Metall auch rund 60 000 Prüfungen im Bereich der beruflichen das privatwirtschaftliche Engagement des DIHK Fortbildung ab, mit zwei Prüfungstagen rechne kritisiert. Und bezüglich dieses privatwirtschaft- ich jetzt mal durchschnittlich, teilweise sind es lichen Engagements würde ich gerne nochmal bis zu vier Prüfungstage pro Fortbildungsteilneh- Ihre Position dazu hören und vielleicht auch Vor- mer. Das bedeutet, bei einem Stückpreis für die schläge, wie Sie das, wenn man das so kritisiert, Formelsammlung von 8,90 Euro einen Umsatz verhindern könnten? Herr Ressel bitte. von einer Million Euro rund. Die internen Ver- rechnungssummen und Gewinne… SV Thomas Ressel (IG Metall): Ja, vielen Dank. Ich bin schon auf die Maßnahmen, die bisher nicht Der Vorsitzende: Sie müssten auch zum Schluss näher bestimmt sind in der beruflichen Bildung, kommen bitte. schon eingegangen. Die Bundeskammer soll nach Paragraf 10a Absatz 5 Satz 1 auch die gesetzliche SV Thomas Ressel (IG Metall): Ja, die Verrech- Legitimation bekommen, eigene Gesellschaften zu nungssummen sind nicht bekannt, auf jeden Fall begründen. Ohne klare Begrenzung ist das aus entstehen hier riesige Möglichkeiten, auch Volu- unserer Sicht durchaus problematisch im Hin- men von Steuermitteln abzuschöpfen. Wir haben blick auf Wettbewerbsverzerrung sowie auch auf auch schon öfter vorgeschlagen, hier anders vor- die Verwendung von Steuermitteln, beispielswei- zugehen. Es wird trotzdem so verfahren. se aus dem AFBG. Ich möchte hierzu ein Beispiel bringen. Die Kammerorganisation betreibt die Der Vorsitzende: Okay. DIHK-Bildungs-GmbH, die heute bereits Lehr- gangs- und Dozentenmaterial sowie Prüfungsauf- SV Thomas Ressel (IG Metall): Also hier sollte gaben und Hilfsmittel erstellt und diese kosten- dringend eine Begrenzung vorgenommen werden. pflichtig vertreibt. Zum Aspekt Wettbewerbsver- zerrung, eine privilegierte Stellung, auch die Prü- Der Vorsitzende: Danke, Herr Ressel, Ihre Rede- fung abzunehmen, erhält die DIHK-Organisation zeit ist leider abgelaufen. Die Regeln mache nicht einen Marktvorteil gegenüber denen bei ihnen als ich, die haben wir gemeinsam festgelegt, ent- Pflichtmitglied organisierten Bildungsanbietern. schuldigen Sie. So, als nächstes spricht Frau Ebenso eröffnet die Nutzung des Wappensigniers Müller für die Grünen. der IHK für privatwirtschaftliche Zertifikate einen Wettbewerbsvorteil gegenüber privaten Bildungs- Abge. Claudia Müller (BÜNDNIS 90/DIE ämtern. Zum Aspekt Steuergelder, Vorbereitungs- GRÜNEN): Vielen Dank. Meine Frage geht an lehrgänge- und Prüfungsgebühren werden mit Herrn Adrian und auch wieder mit der Bitte, et- Steuergeldern aus dem AFBG gefördert. Die was Zeit für Herrn Boeddinghaus zur Kommen- DIHK-Bildungs-GmbH vertreibt für Fortbildungs- tierung übrig zu lassen. Es geht um das Thema der prüfungen Formelsammlungen. Die jeweilige IHK Stellungnahmen, wie die Stellungnahmen des stellt diese allen Teilnehmern für jeden Prüfungs- DIHK zu Stande kommen, wie Sie die IHKs dabei tag zur Verfügung. Finanziert wird die Formel- einbinden und insbesondere, wie sie die Minder- sammlung aus den Prüfungsgebühren, die wiede- heitenpositionen einbinden? Denn zum Beispiel rum förderfähig nach AFBG ist. Nach jedem Prü- die Stellungnahme der IHK Mittleres Ruhrgebiet, fungstag wird die Formelsammlung vernichtet, deren Position ist ja in der Stellungnahme zu die-

19. Wahlperiode Protokoll der 120. Sitzung Seite 17 von 26 vom 7. Juni 2021

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sem Gesetzentwurf hier nicht berücksichtigt wor- auch relevante Minderheiten in der Vollver- den. sammlung überhaupt gar keinen Zutritt zu den Ausschüssen haben. Was uns bis heute immer Der Vorsitzende: Danke. Herr Adrian bitte. noch fehlt, ist ein aus der Kammerorganisation selber, also nicht von Kritikern bereits im Jahr SV Peter Adrian (DIHK): Ja, Herr Vorsitzender, 2001 reklamierter Qualitätsstandard Meinungs- vielen Dank für die Frage, Frau Müller. Wir haben bildung, der dann eben auch Satzungen für die die Situation, dass der DIHK, wenn er zu Themen Binnendemokratie nach sich gezogen hätte. Und Stellung bezieht, hier einen Meinungsbildungs- das Letzte ist, und Herr Adrian hat das ja erfreu- prozess durchgeführt hat, der in den Kammern lich deutlich gemacht, abweichende Meinungen beginnt. In den Kammern gibt es in der Regel je werden am Ende des Tages nicht ausreichend be- nach Thema, gibt es Facharbeitskreise, Ausschüs- rücksichtigt und das ist einer der wesentlichen se, Frau Kuhlemann hat das eben sehr schön dar- Punkte gewesen, die das Bundesverwaltungsge- gestellt, wie es hier in Berlin stattfindet. So findet richt auch festgestellt hat. Es ging nicht nur um es in ganz Deutschland statt. Das heißt, der Mei- Meinungsüberschreitungen, es ging auch darum, nungsbildungsprozess beginnt in der Regel in der dass Minderheitenmeinungen nicht ausreichend Region und endet dann im DIHK auch wieder in berücksichtigt worden sind. Ausschüssen und letztendlich in der Vollver- sammlung. Das heißt, der Meinungsbildungspro- Der Vorsitzende: Danke. Herr Bleser für die zess in der Organisation ist nachvollziehbar und CDU/CSU bitte. er erlaubt und er sieht auch ausdrücklich vor, dass Minderheitenmeinungen hier mit aufge- Abg. (CDU/CSU): Ich wollte Herrn nommen und auch mit aufgezeigt werden. Also Adrian, Präsident Adrian, erstmal gratulieren und wir haben ja oft die Situation, dass eine Indus- zum zweiten auf die Bedeutung der Industrie- und trie- und Handelskammer im Emsland eine ganz Handelskammern noch einmal hinweisen, da sie andere Einstellung zum Thema regenerative Ener- auch bündeln und da sind nicht nur große Indus- gien hat als vielleicht die Kammer, die jetzt für trieunternehmen allein vertreten, sondern auch die Lausitz zuständig ist. Und das ist ein Prozess, viele mittelständische und Kleinunternehmen. der dann im DIHK über die Gremien so abgear- Eine Frage an Sie, Herr Adrian, welche Bedeutung beitet wird, dass sie auch diese Minderheiten- hat für die deutsche Wirtschaft die Außenhan- position wiedererkennen können. Obwohl wir uns delskammer? Die Vertretungen im Ausland, ich natürlich zum Schluss auf eine Mehrheitsmei- habe in meiner Tätigkeit des Öfteren festgestellt, nung einigen, das ist halt der Prozess, der in den wie hilfreich die sind und wie dringend notwen- Gremien stattfindet. Vielen Dank. dig die sind, um die örtlichen Gegebenheiten, kulturellen Unterschiede und was ansonsten an Der Vorsitzende: Danke. Herr Boeddinghaus. rechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen sind, was dort berücksichtigt werden muss. Und meine SV Kai Boeddinghaus (bffk): Ja, danke für die Frage an Sie: Welche Bedeutung haben die für die Frage, danke, Herr Adrian, dass noch etwas Zeit deutsche Wirtschaft? Und zum zweiten, gibt es da übrig ist. Ich bin im 18. Jahr Mitglied der Vollver- noch Verbesserungsbedarf und regelt das Gesetz, sammlung IHK Kassel. Ich bin jetzt mittlerweile was wir jetzt verabschieden werden, die Ansprü- auch Mitglied der Vollversammlung der che, die die Kammer an dieses Gesetz in diesem IHK Stuttgart und ich kann Ihnen aus dieser Er- Bezug stellt? fahrung und aus der Betreuung von Kolleginnen und Kollegen, die sich bundesweit auch in Voll- Der Vorsitzende: Herr Adrian bitte. versammlungen engagieren, sagen, es funktioniert nicht. Es funktioniert definitiv nicht. Das fängt SV Peter Adrian (DIHK): Herr Vorsitzender, Herr damit an, dass Minderheiten ausgegrenzt werden, Bleser, herzlichen Dank für die Frage. Ich denke, anders als im kommunalen System, gibt es keine dass die Auslandshandelskammern eine große Berücksichtigung von Minderheiten in Wahlen, Bedeutung haben für die deutsche Wirtschaft. Wir was dazu führt, dass es Kammern gibt, in denen sind in Deutschland nicht ohne Grund Export-

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meister, Weltmeister. Wir haben ein großes Netz- Der Vorsitzende: Frau Grigun bitte. werk, ich habe das schon kurz dargestellt, wir ha- ben insgesamt über 140 Kammern beziehungs- SVe Silvia Grigun (DGB): Ja, vielen Dank für die weise Delegationen in 94 Ländern. Also das heißt, Frage, Frau Poschmann. Das ist ein Teil der Ant- wir haben ein großes Netzwerk. Und dieses Netz- wort, dass Gewinnerzielungsabsicht nicht im werk ist dann vor Ort auch wieder dadurch ge- Vordergrund stehen sollte, oder vielmehr, dass kennzeichnet, dass die Unternehmer, deutsche Gewinne reinvestiert werden sollten. Die weitere Unternehmer, die in Uruguay, die in Chile oder Antwort ist, dass sich die IHKs und der Dachver- wo auch immer auf der Welt tätig sind, sich in band eigentlich aus Beiträgen finanzieren sollten. diesen Auslandshandelskammern wieder organi- Das Problem ist, wie Herr Ressel auch schon aus- sieren und ihre Kolleginnen und Kollegen, die aus geführt hat, zum einen die Frage der Konkurrenz. Deutschland im Bereich des Exports dort tätig Dass der DIHK mit den Vorteilen, dass die IHKs werden wollen, auch mit unterstützen und helfen. beziehungsweise deren Gesellschaften mit den Und dieses Netzwerk funktioniert. Ich bin dank- Vorteilen, die sie aus den, aus ihren hoheitlichen bar dafür, dass auch im Gesetzentwurf so vorge- Aufgaben auch ziehen können, in eine direkte sehen ist, dass der DIHK hier sich auch nochmal Konkurrenz mit bei ihnen organisierten Unter- weiterentwickeln kann und auch diese Organisa- nehmen treten. Die andere Frage ist eben auch, tion weiterentwickeln kann, denn wir sehen das, dass durch die Abschöpfung der Gewinne eben gerade nach der Corona-Pandemie hat das Netz- die Beiträge künstlich niedrig gehalten werden werk erheblich gelitten. Wir haben teilweise, ich können. Die gehen dann wieder in die IHK rein darf das mal sagen, wir haben zum Beispiel in und an der Stelle denken wir, dass da gesetzlich Hongkong, in China haben wir regelrecht einen eine Regelung sein sollte, die eben diese wirt- Wegfall der Geschäftsgrundlage, weil sie keine schaftliche Tätigkeit auch klar trennt und dieser Messeveranstaltungen machen können, weil sie Gewinnerzielung auch ein klares Ziel gibt, die keine Delegationen organisieren können und da nicht in Konkurrenz sozusagen zu den Beiträgen müssen sich die Auslandshandelskammern jetzt tritt, also, dass die Beiträge nicht dadurch sinken neu finden. Wir sind dabei, hier neue, auch digi- können, dass Gewinne da in die IHKs zurückflie- tale Instrumente einzuführen, mit denen wir die ßen. Präsenz zum Teil ersetzen können. Wir können es aber nur zum Teil. Aber das wird eine große Auf- Der Vorsitzende: Herzlichen Dank. Herr Dr. gabe sein für die Zukunft, hier dieses Netzwerk Heider bitte für die CDU. wieder neu zu erstarken und ich bin zuversicht- lich, dass wir das auch hinbekommen. Vielen Abg. Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Vielen Dank. Dank, Herr Vorsitzender. Jetzt ist gerade schon mehrfach das Stichwort Minderheitenschutz und Der Vorsitzende: Dankeschön. Frau Poschmann abweichende Stellungnahmen gefallen. Das müs- für die SPD bitte. sen wir jetzt nochmals ein bisschen aufdröseln. Ich hätte gerne die Frage von dem Sachverständi- Abge. Sabine Poschmann (SPD): Ja, herzlichen gen Professor Nettesheim beantwortet, ob Sie die Dank, Herr Vorsitzender. Meine Frage geht noch- im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen zur mals an den DGB, Frau Grigun. Wir hatten gerade Transparenz und vor Allem zum Minderheiten- schon das Thema Gewinnerzielung. Die Frage ist, schutz angesichts des Urteils des Bundesverwal- der DGB hat das auch nochmals hervorgehoben, tungsgerichtes für notwendig und auch für geeig- dass hier nicht auch zu den Privaten Konkurrenz net ansehen? In diesem Zusammenhang gibt es gemacht wird. Was sind die Gründe des DGBs auch Überlegungen, wie man die Darstellung von dafür? Hat es in der letzten Zeit aus Sicht des Mindermeinungen berücksichtigen kann. Wenn DGBs da Probleme gegeben? Und ist es tatsächlich Sie da eine Antwort und eine Stellungnahme für zu heilen, wenn man sagt, dass Gewinnerzie- uns hätten, wäre ich Ihnen dankbar. lungsziele halt nicht im Vordergrund stehen dür- fen und Gewinne halt wieder entsprechend der Der Vorsitzende: Danke. Herr Professor Nettes- Aufgaben reinvestiert werden müssen? Danke. heim bitte.

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SV Prof. Dr. Martin Nettesheim (Uni Tübingen): Der Vorsitzende: Dankeschön. Für die AfD Herr Ganz herzlichen Dank, Herr Stellvertretender Kotré bitte. Vorsitzender Dr. Heider. Es ist in der Tat so, dass sowohl in der Entscheidung des Bundesverfas- Abg. Steffen Kotré (AfD): Meine Frage geht wieder sungsgerichtes als auch in den Entscheidungen an Herrn Dr. Hamer. Wie beurteilen Sie die Ent- der Fachgerichte dieser Aspekt der angemessenen scheidung, das Urteil des Bundesverfassungsge- Repräsentation Aller für das ganze Kammerwesen richtes 2020? Auch hierzu nochmal die Stichwor- von zentraler Bedeutung ist. Das wird allerdings te Lobbyarbeit der IHKs und des DIHK und in- eben auch schon auf gesetzlicher Ebene durch wieweit werden Mittelständler strukturell be- entsprechende begriffliche Vorgaben Gesamtinter- nachteiligt im jetzigen bestehenden System? Und esse, Minderheitenschutz, Einbeziehung von inwieweit würde sich der Trend fortsetzen mit Minderheitspositionen und so weiter in hinrei- diesem neuen Gesetzentwurf hier? chendem Maße vorkonturiert. Ich halte es verfas- sungsrechtlich nicht für sinnvoll und auch sicher- Der Vorsitzende: Danke. Herr Dr. Hamer von lich nicht für geboten, dass man hier weiterge- Valtier bitte. hende strukturelle gesetzliche Vorgaben schafft, die jetzt im Einzelnen bestimmt, in welchen Fäl- SV Dr. Eike Hamer von Valtier (Mittelstands- len zum Beispiel auch Minderheitenpositionen in institut Niedersachsen e.V.): Ja, herzlichen Dank. einer konkreten Stellungnahme dann abgebildet Also wir können noch einmal zusammenfassen, es werden müssen und wann nicht. Man muss ein- werden nicht die Interessen der überwiegenden fach sehen, dass in diesem Prozess, den der Herr Anzahl der Mitglieder repräsentiert. Das ist das Präsident ja vorhin auch geschildert hat, von der eine. Es geht hier meines Erachtens mehr darum, Vielzahl der Stimmen hin zu einer Gesamtstel- Versorgungssicherheit für die Funktionäre und für lungnahme immer der schwere Weg die Grat- die Ausgaben der IHKs festzustellen, aber, noch wanderung zwischen Vielfalt und Einheit zu bil- um das mal festzumachen, wenn der Dachverband den ist und das nur im konkreten Fall angemessen eine Institution des öffentlichen Rechts wird, wird gemacht werden kann. Letztlich setzt das Verfas- im Grunde die gesamte IHK entwertet. Weil die sungsrecht und auch das Gesetz in seiner gelun- Leute sagen, die Leute sind dort nicht mehr frei- genen Konstruktion darauf, dass das dann eben im willig, auch die einzelnen IHKs, die einzelnen Rahmen der Autonomie der Industrie- und Han- Mitglieds-IHKs sind dort nicht mehr freiwillig, delskammern und dann auch der neuen Bundes- sondern sie sind per Zwang da. Das heißt, nie- kammer im konkreten Einzelfall entschieden mand kann von außen mehr sagen, ob das, was wird. Als Verfassungsrechtler kann ich also jetzt der DIHT oder der Dachverband eben veröffent- nicht sagen, hier muss das sozusagen geschehen, licht, die Meinung der Mitglieder ist oder die hier darf es vielleicht nicht geschehen, weil die Meinung auch der Zahler ist oder eben nur seine, Effektivität der Stimmen dann wieder leiden die Meinung einiger ausgewählter Dinge dort. würde, wenn man sagt, wir sind uns eigentlich Also insofern halte ich das, auch im Hinblick des nicht einig und haben hier zehn oder 15 verschie- Verfassungsgerichtes, halte ich es für eigentlich dene Positionen. Letztlich bedeutet aber der eher problematisch, wenn hier eine zusätzliche Schritt hin zu einer Bundeskammer, das das Organisation kommt. Vor allen Dingen aber halte heutzutage oder in Zukunft dann eben öffent- ich es für sehr problematisch, wenn der Dachver- lich-rechtlich verfasst ist, dass die ehrenamtlichen band auch nach diesem Gesetz in Wettbewerb, und hauptamtlichen Mitarbeiter vielleicht noch auch unternehmerisch in Wettbewerb mit seinen besser als zuvor eben in diesem neuen gesetzli- Mitgliedern treten darf. Das ist eigentlich ein Un- chen Umfeld sich des Umstandes bewusst sind, ding, denn er hat Zwangsbeiträge, muss nicht den welche öffentliche Verantwortung sie hier wahr- Markt zahlen, sondern die Mitglieder müssen ihn nehmen gegenüber der Vielzahl der Mitglieder. finanzieren, auch bei Verlusten. Und wir haben es Und als Verfassungsrechtler auch als Öffent- nicht selten, dass also IHKs, beziehungsweise wir lich-Rechtler glaube ich, dass das verantwortlich haben die Fälle, dass IHKs mit den Beiträgen auch geschehen wird. Ich bin sehr optimistisch, rumspekuliert haben, hohe Verluste erzielt haben dass man das hinkriegen wird. und die Mitglieder müssen diese Verluste nun

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tragen, wie das hier bei Hannover nun stattgefun- würde ich Herrn Dr. Konzak deutlich widerspre- den hat. Und das geht einfach nicht. Das heißt, chen wollen. Sie haben natürlich im Grunde dass hier die IHKs mit Zwangsbeiträgen nicht nur Recht, dass allgemeine Rechtssetzungen am Ende den Mitgliedern Wettbewerb machen, sondern auch dazu führen, dass ein Pflicht- oder Zwangs- dann auch noch diese Zwangsbeiträge erhöhen mitglied oder wie immer wir das nennen wollen, können, wenn sie falsch spekuliert haben. Ich sich gegebenenfalls rechtlich wehren kann. Aber, halte das auch verfassungsrechtlich vor dem Hin- wenn man über Jahrzehnte jetzt die Feststellung tergrund sehr problematisch und wie gesagt, es ist machen musste, dass sowohl die gesetzliche nicht mehr die Interessenvertretung der überwie- Norm, das IHK-Gesetz, als auch das Binnenrecht genden Zahl der Unternehmen, sondern es ist ein es nicht geschafft haben, ein vernünftiges Be- Ausschnitt der Interessenvertretung, zum Teil nur schwerdemanagement, eine vernünftige Be- von einzelnen Mindermeinungen. schwerderegelung, eine vernünftige Einbindung von Minderheiten zu erreichen, dann Frau Der Vorsitzende: Danke. Für die SPD Frau Poschmann, das ist meine Antwort, sehe ich eine Poschmann bitte. gravierende Verantwortung beim Gesetzgeber, hier Verdeutlichungen zu machen. Und das insbeson- Abge. Sabine Poschmann (SPD): Ich hätte eine dere dann in einer Situation, wenn ein Gerichts- Frage an Herrn Boeddinghaus, und zwar: Wenn urteil, was ausdrücklich auch diese Mängel, diese wir ein internes Beschwerdeverfahren einrichten Defizite in seiner Begründung transportiert, zu und sagen, dass die Satzung im Grunde selber die einem solchen Gesetzentwurf führt, der aus unse- Parameter festlegen kann, haben Sie da Sorge, rer Perspektive denjenigen, die das Recht gebro- dass dann der Verursacher über sich selber in chen haben, eher mehr Beinfreiheit verschaffen, Anführungsstrichen richtet? Oder würden Sie sa- als das es sie dazu bringt, mit einem vernünftigen gen, das wird dann halt im demokratischen Pro- binnendemokratischen Beschwerdesystem tat- zess schon entsprechend neutral geregelt. Danke. sächlich alle Mitglieder einzubinden.

Der Vorsitzende: Herr Boeddinghaus bitte. Der Vorsitzende: Danke. Herr Dr. Heider bitte.

SV Kai Boeddinghaus (bffk): Ja Dankeschön, Frau Abg. Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Vielen Poschmann. Also grundsätzlich glaube ich, dass Dank, Herr Vorsitzender. Ich will es gerne noch- solche Beschwerdesysteme klug ausgerichtet zu mals aufgreifen die Frage, wo die Abgrenzung einer demokratischen Gesellschaft und der Ge- zwischen unmittelbarer und mittelbarer Staats- staltung von Binnendemokratie, ob das dann am verwaltung liegt und was die öffentliche Hand so Ende Vereine oder Körperschaften sind, ist egal, alles darf. Auch im Bereich der mittelbaren so eine Wirkung erzielen können. Das Problem Staatsverwaltung gilt natürlich, dass der Staat kommt, stellt sich dann eben in der Frage der auch gewerblich tätig sein darf und damit not- Ausgestaltung. Und hier müssen wir jetzt einfach wendigerweise im Wettbewerb zu privaten Un- feststellen, dass das Bundesverwaltungsgericht ternehmen tritt, ansonsten müssten wir alle ganz offensichtlich den Optimismus von Professor Staatsweingüter sofort schließen, was wir schon Dr. Nettesheim, dass die gesetzliche Ausgestal- aus anderen Gründen nicht wollen, aber sie sind tung in der Lage wäre, dass das jetzt alles gut gleichberechtigter Teil. Wenn jetzt die Mei- läuft, überhaupt nicht geteilt hat. Denn der DIHK nungs- und Willensbildung, und meine Frage hat ja ein solches Beschwerdesystem nach der richtet sich an den Sachverständigen Herrn Dr. ersten Entscheidung des Bundesverwaltungsge- Konzak, wenn die Meinungs- und Willensbildung richtes zu diesem Thema bereits eingeführt und jetzt die demokratische Legitimation ist für einen das war davon geprägt, das die Betroffenen über Kammerbeschluss, kann man das in irgendeiner Beschwerden über sich selbst entschieden haben. Art und Weise anzweifeln? Gibt es da außerhalb Ich habe das selber ausprobiert. Das war, das ist eines Beschwerdeweges innerhalb der Kammer dann wirklich ernüchternd und auch abschre- den Rechtsweg, der natürlich beschritten werden ckend. Also es kommt an der Stelle, glaube ich, kann? Ist das ein Nachteil, wenn eine Satzung in- auf die Ausgestaltung an und auch an der Stelle nerhalb der IHK, nein andersherum, wenn es ge-

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setzlich nicht bereits vorgesehen ist, sondern zender. Meine Frage richtet sich an den Herrn wenn dieses Beschwerdeverfahren der Ausgestal- Präsidenten Adrian. Ist Ihrer Ansicht nach zur tung durch die Kammern überlassen wird? Verhinderung einer Fachaufsicht, die wir ja nicht haben wollen, des DIHK durch das BMWi auch Der Vorsitzende: Herr Dr. Konzak bitte. ein Abwehrrecht des DIHK gegenüber der Aufga- benübertragung durch das BMWi sinnvoll? SV Dr. Olaf Konzak (Friedrich Graf von Alleine schon deshalb, um ja auch die Satzungs- Westphalen & Partner mbB Rechtsanwälte): Ja freiheit weiter zu festigen und den Mitgliedern, danke, Herr Vorsitzender, danke, Herr Heider. also den IHKs, auch ein Mitbestimmungsrecht zu Vielleicht zu dem Beschwerdeverfahren und der geben bei der Aufgabenverteilung der Bundes- Entstehung. Das Beschwerdeverfahren hat seine kammer. Wie würden Sie das sehen? Danke. Grundlage in der Entscheidung des Bundesver- waltungsgerichtes 2016. Es hat eine andere Der Vorsitzende: Herr Adrian bitte. Grundlage gehabt, weil der DIHK dort privatrecht- lich organisiert war. Das kann ich jetzt nicht mehr SV Peter Adrian (DIHK): Ja, vielen Dank für die Eins-zu-eins übertragen. Trotzdem ist im Gesetz- Frage. Das Thema Fachaufsicht ist hier schon entwurf ein Beschwerdeverfahren vorgesehen, mehrfach angesprochen worden. Der jetzige Ge- allerdings mit einer vorbeugenden Rechtsaufsicht. setzesentwurf sieht eine solche Fachaufsicht nicht Denn die Satzung, die das Beschwerdeverfahren vor. Das Bundeswirtschaftsministerium wird die ausgestalten soll, derer es verfassungsrechtlich Rechtsaufsicht für die Körperschaft übernehmen nicht bedarf, das muss man auch mal klar festhal- und das ist auch ein Institut, mit dem wir als ten, steht unter der Rechtsaufsicht und der Ge- Kammerorganisation gut klarkommen. Frau Dr. nehmigung des Bundeswirtschaftsministeriums. Grünewald hat das nochmals dargestellt, wie das Also, da ist ein korrektiv mit eingebaut. Ich habe auch in den Regionen, in den Industrie- und gegenüber der Rechtslage, die das Bundesverwal- Handelskammern gelebt wird. Also wir haben in tungsgericht zu entscheiden hatte, folgende Fest- den Bundesländern in der Regel mit der Rechts- legung. Ich habe einerseits ein Klagerecht geregelt, aufsicht eigentlich eine vernünftige Grundlage, unmittelbar der Mitglieder der IHKs, was verfas- einen vernünftigen Handlungsrahmen, mit dem sungsrechtlich nicht geboten ist, sondern hier wir gut klarkommen. Und ich glaube, insofern ist wäre es alleine ausreichend, wenn die IHKs kla- das für uns, so wie es jetzt im Gesetzentwurf vor- gen könnten, mit einem entsprechenden Unter- gesehen ist, eine gute Lösung. Wir sehen auch lassungsanspruch. Das ist ausgeweitet worden. Ich nicht die Gefahr, dass sich jetzt daraus eine habe die Einbindung der DIHK als Körperschaft Fachaufsicht entwickeln kann, weil letztendlich des öffentlichen Rechtes in die Gesetzmäßigkeit tragen Sie auch in dem Gesetzentwurf dem der Verwaltung, also ein ganz anderer Anspruch. Grundsatz Rechnung, dass es hier eine Selbstver- Ich habe die Rechtsaufsicht des Bundeswirt- waltungsorganisation auf Bundesebene sein soll, schaftsministeriums mit der Möglichkeit von je- in der dann die Industrie- und Handelskammern dem sich an die Rechtsaufsicht zu wenden, mit als gesetzliche Mitglieder mit aufgenommen sind. einem informellen Beschwerdeverfahren. Dort Also für uns ist das ausgesprochen eine vernünf- bekommt man dann letztendlich einen, dann zwar tige, eine sachgerechte Lösung mit dieser Rechts- nicht im Klagewege, aber einen Bescheid, der aufsicht. Vielen Dank. einem darüber genau Auskunft gibt, wie weit es mit seiner Beschwerde ist und dazu jetzt das Be- Der Vorsitzende: Danke. Für die CDU/CSU noch- schwerdeverfahren, sodass ich glaube, dass wir mal Herr Heider bitte. hier umfassende Rechtsschutzmöglichkeiten der Betroffenen haben. Danke. Abg. Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Ja, vielen Dank, Herr Vorsitzender. Ich will gerne nochmal Der Vorsitzende: Danke. Für die FDP Herr Gerald der Sache etwas auf die Spur kommen, wie es mit Ullrich bitte. der Ermittlung des Gesamtinteresses, insbesonde- re in der Vollversammlung ist. Und meine Frage Abg. (FDP): Ja danke, Herr Vorsit- geht an den Sachverständigen Herrn Professor

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Nettesheim. Beurteilen Sie die Ermittlung des Artikel 9. Wir reden hier aber über einen Bereich, Gesamtinteresses vor dem Hintergrund des De- der demokratierechtlich verfasst ist und da hat mokratiegebotes als ausreichend? Und ist die man dann eben Strukturen, die nicht auf eine rei- Willensbildung in den Organen der Kammer so, ne Freiwilligkeit setzen. Das hat das Bundesver- wie man sie in gleichwertigen anderen Körper- fassungsgericht 2017 eindeutig so gesagt und der schaften der mittelbaren Staatsverwaltung, also Gesetzgeber tut gut daran, sich daraus nicht zu zum Beispiel bei den Personalkammern der lösen. Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater auch kennt? Entspricht das dem, was wir norma- Der Vorsitzende: Danke. Frau Poschmann noch- lerweise in der Staatsverwaltung als Anspruch an mal für die SPD. eine solche Körperschaft haben müssen? Abge. Sabine Poschmann (SPD): Ja, meine Frage Der Vorsitzende: Danke. Herr Professor Nettes- geht nochmals an den DGB, Frau Grigun. Eine heim bitte. starke Forderung des DGBs, aber auch der Einzel- gewerkschaften war, Arbeitnehmer stärker zu be- SV Prof. Dr. Martin Nettesheim (Uni Tübingen): teiligen, was jetzt überhaupt nicht stattfindet. Da- Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Es ist in der Tat zu, sagen sie selber, gehört ein breiter Beteili- so, dass die jeweiligen Vorgaben, gesetzlichen gungsprozess, um so etwas aufzustellen. Sind Sie Vorgaben, im Bereich der gegenwärtig schon vor- auch meiner Meinung, dass das jetzt, in dieser handenen Körperschaften natürlich unterschied- Kürze der Zeit, nicht möglich war, diesen aufzu- lich sind. Es ist für eine Rechtsanwaltskammer setzen und sehen Sie eine Perspektive in der etwas leichter als für eine neue Bundeskammer, nächsten Legislaturperiode, nochmals dort anzu- hier jetzt eben angesichts der Homogenität oder setzen? Danke. Heterogenität der jeweiligen Gegebenheiten ge- meinsame Positionen zu entwickeln. Im ersten Der Vorsitzende: Frau Grigun bitte. Bereich sieht es auch wiederum dann etwas an- ders aus. Man muss also sozusagen von den Er- SVe Silvia Grigun (DGB): Vielen Dank für die wartungen, verfassungsrechtlichen Erwartungen Frage, Frau Poschmann. Wir hoffen da sehr stark zunächst mal eben zur Kenntnis nehmen, dass die darauf. Ich möchte nochmals auf die Einführung gewerbliche Wirtschaft heterogener ist als andere des IHK-Gesetzes verweisen. 1956, da war diese Bereiche. In diesem Rahmen, meine ich, legt jetzt Frage der Arbeitnehmerbeteiligung offensichtlich der Gesetzentwurf, den wir hier haben, in sachli- auch schon eine Schwierige. Und seitdem ist die- cher und in prozeduraler Hinsicht die notwendi- ses Gesetz und das müssen wir uns alle vor gen und auch verfassungsrechtlichen hinreichen- Augen führen ein vorläufiges Gesetz. Und von den Bedingungen an einen solchen Prozess in- daher steht für uns im Vordergrund, dass in der nerhalb der Kammerorganisation, entweder im nächsten Legislaturperiode dann tatsächlich an- regionalen Bereich oder auch danach dann anzu- zugehen. Wenn man dieses Gesetz nochmals an- stoßen. Und es ist eben gerade so, um das noch- gehen will, dann muss es auch darum gehen, da mal mit Blick auf das vorhin Gesagte deutlich zu auch eine Arbeitnehmermitbestimmung nach machen, die Idee, dass man durch Freiwilligkeit dieser langen Zeit endlich einzuführen. Zumal ja eine besonders gute Repräsentation verwirklichen 50 Jahre BBiG zeigen, dass die sozialpartner- könnte, stimmt eben gerade nicht. Das Verfas- schaftliche Zusammenarbeit auch sehr konstruk- sungsrecht geht davon aus, dass mit der Möglich- tiv möglich und eine sehr gute Sache ist, wenn keit, sich zu äußern, eben auch die Pflicht dazu wir uns die berufliche Bildung angucken. gehört, da sich dann zu engagieren. Wenn man sagt, Mitglied ist, wem es gerade gefällt und wem Der Vorsitzende: Danke. Die nächste Frage stelle es nicht gefällt, der macht Exit, da würde letztlich ich nochmal für DIE LINKE. eben diese Form der Repräsentation, um die es hier geht, nicht einlösen wollen. Das ist einfach Abg. Klaus Ernst (DIE LINKE.): Und zwar an Kai ein anderes Modell, das wir in vielen gesellschaft- Boeddinghaus. Herr Boeddinghaus, Sie haben ja lichen Bereichen haben, nämlich dem Bereich von eine grundsätzliche Kammerreform angemahnt in

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Ihrer Stellungnahme. Welche Grundbestandteile Hinblick auf die Transparenz. Und vielleicht der müsste denn eine Reform, eine aus Ihrer Sicht letzte Punkt, nur ganz kurz angerissen. Ich selber progressive Reform, haben? Und wie könnte dabei komme aus dem Unternehmerlager, ich behaupte insbesondere die Qualität und Struktur der dualen nicht, da eine besondere Kompetenz zu haben, Berufsausbildung und Weiterbildung gestärkt oder aber wenn ich mir das strukturell angucke, dann gesichert oder erhalten bleiben, wie man es auch glaube ich, dass der Punkt, den Sie angesprochen sieht? Bitteschön. haben, Herr Vorsitzender, wahrscheinlich nur zu lösen ist, wenn man einen ähnlichen Weg geht SV Kai Boeddinghaus (bffk): Ja, vielen Dank, Herr wie im Handwerk, nämlich mit einer Beteiligung Vorsitzender. Ich will ausdrücklich in diesem der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auch Kontext das große Streitthema der Zwangs- oder in dieser Körperschaft, die ja eben kein normaler Pflichtmitgliedschaft weglassen. Weil das ein sehr Interessenverband ist. grundsätzliches Thema ist, ich halte es da auch mit dem Präsidenten der Schweizer Handels- Der Vorsitzende: Herzlichen Dank. Die letzte Fra- kammer, der eben sagt: Die freiwillige Mitglied- ge in dieser Anhörung stellt Frau Claudia Müller schaft ist das Fundament unserer Glaubwürdig- für die Grünen bitte. keit. Aber in diese Richtung zielt ja Ihre Frage, glaube ich, nicht. Aus unserer Perspektive braucht Abge. Claudia Müller (BÜNDNIS 90/DIE es an dieser Stelle Elemente, die wir in der kom- GRÜNEN): Vielen Dank. Ich will nochmals ganz munalen Selbstverwaltung finden. Die kommuna- kurz zurück zum Thema der Rechtsaufsicht kom- le Selbstverwaltung ähnelt der wirtschaftlichen men und die Frage geht an Herrn Boeddinghaus, Selbstverwaltung. Es gibt Bereiche, die sind völlig wieder mit der Bitte, etwas Zeit, dieses Mal für unterschiedlich, die sollte man auch nicht in Herrn Konzak, übrig zu lassen zur Kommentie- einen Pott schmeißen. Und an anderen Stellen rung. Die Frage der Rechtsaufsicht wird ja durch- gibt es aber durchaus eine große Nähe. Und in der aus kontrovers gestellt, wo sie angesiedelt ist, wie kommunalen Selbstverwaltung wird die Binnen- wirkungsvoll sie ist und deswegen einfach meine demokratie ausdrücklich deutlich vorgegeben. Ich Frage: Wie wäre denn die Idee, die Rechtsaufsicht will hier ein Beispiel geben, das sind Wahlen, dann zukünftig nicht beim Wirtschaftsministeri- Wahlen in den Gremien, da gibt es in der kom- um, sondern beim Justizministerium anzusiedeln, munalen, in den ganzen Kommunalordnungen, um hier möglichen Interessenskonflikten auszu- Wahlordnungen ist vorgesehen, dass eben gemäß weichen? Hare-Niemeyer-Gremien besetzt werden. Das heißt, da kommen Minderheiten immer auch zum Der Vorsitzende: Danke. Herr Boeddinghaus. Zuge. Ich nenne nochmals ein Beispiel, wir hatten die Situation in Stuttgart, 33 von 100 Mitgliedern SV Kai Boeddinghaus (bffk): Ja, also ich habe eben der Vollversammlung sind Kritiker und bekom- schon gesagt, ich sitze schon seit über 18 Jahren in men noch nicht mal einen Sitz im Haushaltsaus- der Vollversammlung in der IHK und ich mache schuss, geschweige denn, wie das im Bundestag das ausdrücklich auch als Kritiker und ich bin üblich ist, das die Opposition den Vorsitz be- Stammkunde bei der Rechtsaufsicht gewesen, kommt. Also, solche Regeln zur Sicherstellung der nicht nur in Hessen, sondern habe auch Kolle- Binnendemokratie, weil an dieser Stelle, das ist ginnen und Kollegen in anderen Bundesländern auch nichts Spezifisches von Kammern, gibt es betreut. Unsere Erfahrung mit den Rechtsaufsich- menschliches Versagen. Wir sind offensichtlich ten sind bis auf eine Ausnahme ganz schlecht und oft nicht in der Lage, das aus eigener demokrati- selbst die eine Ausnahme hat bewiesen, dass scher Kraft immer sicherzustellen. Dazu gehört Rechtsaufsicht nur sehr eingeschränkt funktio- Transparenz, und zwar Transparenzvorschriften, niert, weil in dem Falle ist es so gewesen, dass wir Herr Adrian kommt aus Rheinland-Pfalz, wenn immer wieder hören mussten, dass es eine politi- Sie da eine Kammer fragen nach bestimmten Un- sche Einflussnahme auf die Ausübung der terlagen, kriegen sie keine Antwort, weil in Rechtsaufsicht gegeben hat. Und wir sind uns, Rheinland-Pfalz das Transparenzgesetz nicht für glaube ich, darüber einig, dass Rechtsaufsicht Kammern gilt. Es braucht also Vorschriften im schon überhaupt nicht politisch sein darf, das

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heißt also, wenn die Rechtsaufsicht tätig wird, Der Vorsitzende: Recht herzlichen Dank. Wir sind dann nur eben, weil es um rechtliche Fragen geht damit am Ende der Anhörung. Ich bedanke mich und politische Einflussnahme hat sich da zu ver- recht herzlich bei Ihnen und ich möchte auch bieten. Ihre Frage beantworte ich so, liebe Frau nochmals den Hinweis geben, dass der ganze Akt Müller, jede Änderung, jede strukturelle Ände- dieser Gesetzgebung ein bisschen schwierig war. rung kann die Sache aus unserer Sicht nur ver- Wir haben die Anhörung verschieben müssen, bessern. Und wenn es eine Verlagerung weg aus weil es offensichtlich noch Abstimmungsbedarf in dem Wirtschaftsministerium zum Justizministe- der Koalition gab. Das war auch ein Problem für rium gäbe, würden wir dort mehr Kompetenz die Sachverständigen, dass sie nochmals Ihren vermuten, Nummer 1 und wir würden weniger Termin verschieben mussten. Ich bin überzeugt, Einfluss, Risiko von Einflussnahme vermuten und dass es dort noch Luft nach oben gibt, was das deswegen glaube ich, dass es sich auf jeden Fall Verfahren angeht und dass die Koalition das viel- lohnen würde. Wir müssen einfach zur Kenntnis leicht auch nutzt in der letzten Woche. Sonst hät- nehmen, dass wir es mit einer wahnsinnig alten ten wir jetzt auch mehr Zeit gehabt. Weil wir jetzt verkrusteten Struktur zu tun haben und die auf- noch eine zweite Anhörung haben, möchte ich Sie zubrechen darf man auf keinen Fall damit ver- bitten, möglichst zügig den Raum zu verlassen, wechseln, dass es darum geht, sie zu zerstören. damit wir das alles hinbekommen. Ich bedanke Das ist bisschen wie bei einem Busch, den man ja mich, dass Sie da waren und ich freue mich, manchmal auch zurückschneidet, damit er besser wenn die ein oder andere Anmerkung in die Ge- wachsen kann. setzgebung noch Einfluss nehmen kann und viel- leicht noch was Besseres rauskommt als vorliegt. Der Vorsitzende: Recht herzlichen Dank. Herr Ich bedanke mich und wünsche Ihnen noch einen Konzak. angenehmen Tag.

SV Dr. Olaf Konzak (Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB Rechtsanwälte): Danke, Herr Vorsitzender, danke, Frau Müller, für die Fragestellung, die Gelegenheit, jetzt auf Herrn Boeddinghaus noch antworten zu können. Also mein Eindruck und meine Einschätzung als An- walt aus der Praxis ist ein ganz anderer als der, den Sie schildern mit der Rechtsaufsicht. Da kann ich nur aus den zahlreichen Konstellationen, auch gerade was Körperschaften anbelangt, vom Ge- genteil berichten. Rechtsaufsicht ist sinnvoll, zweckmäßig und führt auch zu den entsprechen- den Ergebnissen. Leider manchmal anders als man sich das vorstellt, aber ich kann nur von funktionierenden Rechtsaufsichtssystemen gene- rell sprechen. Was die Frage der Ansiedlung an- belangt, so ist es das fachlich zuständige Ressort und ich würde sicher die Frage stellen, Frau Müller, warum man dann nicht auch das Land- wirtschaftsministerium nehmen sollte, was sich ja entsprechend verbietet. Ich denke mal, eine Rechtsaufsicht, auch verfassungsrechtlich gebo- ten, ist an der Stelle anzusiedeln, die fachlich da- für die Zuständigkeit hat. Danke.

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Schluss der Sitzung: 14:03 Uhr EI/Schu

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