Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Umwelt-, Regional- und Bildungswissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz

Die Rolle des Zufalls im Frauenfußball

Statistische Betrachtung des Fußballs auf der Grundlage der Frauen- Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland

eingereicht bei Ao.Univ.-Prof. Dr.phil. Sigrid Thaller Institut für Sportwissenschaften

von

Rafael Elias Dorn 0410867

Graz, im Februar 2012

I

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benützt und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Ich habe diese Diplomarbeit bisher weder im In- noch im Ausland in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt.

Graz, 2012

II

Inhaltsverzeichnis

KURZZUSAMMENFASSUNG...... IV

ABSTRACT...... V

1. EINLEITUNG ...... 1

1.1. DIE GESCHICHTE DES FRAUENFUSSBALLS ...... 2

1.2. DIE FRAUEN-WM 2011 IN DEUTSCHLAND ...... 4

1.3. ERGEBNISSE UND STATISTIKEN DER WM 2011 ...... 5

2. STATISTISCHE BETRACHTUNG DES FUSSBALLS ...... 9

2.1. EINFÜHRUNG – DIE ROLLE DES ZUFALLS ...... 10

2.2. DIE WISSENSCHAFT DES FUSSBALLS ...... 12

2.3. FUSSBALLSTATISTIK ...... 12

2.4. DIE SOFTWARE – DAS FUSSBALL STUDIO ...... 18

2.5. PRÄDIKTIONEN ...... 23 2.5.1. Je mehr Einwohner ein Land hat, desto erfolgreicher ist dessen Nationalteam 23 2.5.2. Fußballmannschaften verhalten sich wie radioaktive Quellen ...... 31 2.5.2.1. Die Poisson-Verteilung ...... 31 2.5.2.2. Die Poisson-Verteilung und ihre Verwendung in Excel ...... 33 2.5.2.3. Torverteilung und Berechnung ...... 37 2.5.3. Die Wahrscheinlichkeit eines Unentschiedens hängt von der Toranzahl ab ..... 46 2.5.4. Es gibt ein Muster in der Torverteilung ...... 54

3. ZUSAMMENFASSUNG DER STATISTISCHEN AUSWERTUNGEN ...... 65

3.1. INTERPRETATION DER UNTERSCHIEDE ZWISCHEN FRAUEN- UND MÄNNERFUSSBALL . 66

3.2. DISKUSSION, SCHLUSSFOLGERUNGEN UND AUSBLICK ...... 67

4. LITERATURVERZEICHNIS ...... 71

5. ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS ...... 73

6. ANHANG – EXPERTENINTERVIEWS ...... 75

III

Kurzzusammenfassung

Hohe Spielergebnisse, auch bei Großveranstaltungen wie Europa oder Weltmeisterschaften, wo ein ausgeglichenes Leistungsniveau erwartet werden kann, nähren Spekulationen, dass der Faktor Zufall im Frauenfußball einen höheren Stellenwert einnimmt als bei den Männern - das Gegenteil ist der Fall. In der Tat zeigen statistische Untersuchungen, dass es Parallelen zwischen Frauen- und Männerfußball gibt, aber es ist auch eine Tatsache, dass es in diversen Punkten zu großen Abweichungen und Unterschieden kommt, was den Frauenfußball deutlich von dem der Männer abgrenzt. Die Hypothese, dass große Länder in der Regel auch gute Nationalmannschaften haben, lässt sich zum Teil bestätigen. Eine Analyse der Deutschen und Österreichischen Bundesliga zeigt, dass Spielergebnisse bis zu einem gewissen Grad vorhersehbar und nicht einfach eine Frage des Zufalls sind. Daher kann eine Poisson-Verteilung im Bezug auf Vorhersagen über Spielausgänge wirklich nützlich sein. In Bezug auf die früheren Frauen- Weltmeisterschaften kann dieses Phänomen auch bestätigt werden.

IV

Abstract

At major events a balanced level of play can be expected. However, the higher scores in women’s soccer lead to speculations that the random element in women’s soccer is greater than in men’s soccer. The opposite is the case. In fact, statistical analyses show that there are parallels between women’s and men’s soccer but it is also a fact that there are large differences in several points that clearly set women’s soccer apart from men’s soccer. The hypothesis that populous countries generally have good national teams can be partly confirmed. An analysis of German and Austrian national leagues show that game results can be predicted to a certain degree and are not simply a matter of chance. Therefore, a model based on the Poisson distribution can be useful to predict game results. This phenomenon can be confirmed as far as past women’s World Cups are concerned. It can, however, be shown that the Poisson model does not fit the actual distribution for higher scores. Games ending in a tie can be predicted well by a Poisson distribution. Final analysis shows once more that the women’s game differs fundamentally from the men’s with respect to the distribution of the goals within the 90 minutes of the game.

V

1. Einleitung

Frauenfußball hat sich anfänglichen Schwierigkeiten und Widerständen zum Trotz fest in der Sportwelt etabliert. Millionen von Fans weltweit verfolgten mit großem Enthusiasmus die Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland. Der Frauenfußball, in der Vergangenheit oft belächelt, katapultiert sich dank großen medialen Interesses zu steigender Popularität. Obwohl ein Vergleich nahe liegt, bestehen Spielerinnen darauf, „Ihren“ Fußball ob der physischen Unterschiede nicht mit dem der Männer zu vergleichen. So mag die Spielweise zwar eine andere sein, der Sport jedoch ist dasselbe. Aus diesem Grund drängen sich gewisse Fragen des Vergleichs und der Gegenüberstellung auf. Hohe Spielausgänge, selbst bei Großveranstaltungen wie Europa- oder Weltmeisterschaften, wo ein ausgeglichenes Leistungsniveau herrschen sollte, nähren Spekulationen, dass der Faktor Zufall im Frauenfußball einen höheren Stellenwert einnimmt, als bei den männlichen Kollegen – das Gegenteil ist jedoch der Fall. Auf der Grundlage eines von Metin Tolan verfassten Buchs werden spezielle Fragen rund um die Statistik im Fußball näher betrachtet. So werden von Tolan statistische Überlegungen angestellt und Torverteilungen analysiert, sowie Vorhersagen getroffen. Alle seine Untersuchungen beziehen sich auf den Männerfußball der 1. beziehungsweise 2. Deutschen Bundesliga, sowie die FIFA Weltmeisterschaft der Herren. Es wird etwa untersucht, ob die Einwohnerzahl eines Landes mit dessen Erfolg bei einer WM Endrunde korreliert und ob sich die Anzahl der gefallenen Tore über eine gesamte Spieldauer hinweg zufällig verhält oder es hier doch sich wiederholende Muster gibt. Es wird außerdem untersucht, ob die Toranzahl pro Spiel in weiterer Folge mit dem Endergebnis zusammenhängt. All das soll nun auch auf seine Gültigkeit beim Frauenfußball überprüft werden. So ist es beispielsweise bemerkenswert, dass es im Männerfußball scheinbar ein bestimmtes Muster in der Verteilung der Tore gibt, nicht so bei den Frauen. Das könnte daran liegen, dass Frauen Expertenmeinungen zufolge nicht Unentschieden spielen können. Um weitere Fragen, wie: „Wie definiert sich der Begriff Zufall überhaupt und was hat er mit Fußball zu tun?“ zu beantworten, werden mittels höherer Mathematik und Grafiken Aspekte veranschaulicht und statistische Daten und Fakten durchleuchtet. Denn mag die Schönheit eines Fußballspiels auch immer im Auge des Betrachters liegen und Qualität oft nur ein Eindruck subjektiver Empfindungen sein, die Statistik ist stets unbestechlich.

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1.1. Die Geschichte des Frauenfußballs

In den USA ist Fußball innerhalb der letzten Jahre zu einer der Lieblingssportarten der Mädchen geworden. Nicht zuletzt wegen der 1999 sowie 2003 ausgetragenen Frauen- Weltmeisterschaften im eigenen Land nahm die Popularität vor Ort rasant zu. Diesseits des Atlantiks ist die Begeisterung für den Frauenfußball erst später entfacht worden. Mittlerweile sind jedoch immer mehr Mädchen und Frauen im Fußballsport aktiv. Laut der ehemaligen deutschen Bundestrainerin Christine Theune-Meyer „hat sich der Mädchen- und Frauenfußball sensationell schnell entwickelt und ist inzwischen zum Lieblingssport der Mannschaftssportlerinnen geworden“ (Bischops & Gerards, 2000, S. 8). Sie war übrigens 1976 die erste Frau, die in Deutschland eine Trainerlizenz erwarb.

Doch aller Anfang ist schwer und so gelang der Frauenfußball erst spät zu Anerkennung in der Gesellschaft. Der Fußballsport hat seine Wurzeln im 19. Jahrhundert in England, weshalb die Briten von ihrem Land auch gerne als „Mutterland des Fußballs“ sprechen. Nach vielen Modifikationen am Regelwerk und der Weiterentwicklung der Strukturen ist Fußball heute eine der meist verbreiteten Sportarten. Die FIFA (Fédération Internationale de Football Association) gibt an, dass im Jahr 2006 über 265 Millionen Menschen in über 200 Ländern weltweit diesen Sport ausübten. Davon seien 38 Millionen in 325.000 Vereinen namentlich registriert.1

Die Geschichte des Frauenfußballs lässt sich hingegen nicht so einfach nachverfolgen, da der Sport lange Zeit von der Gesellschaft und der Politik in Frauenkreisen nicht gern gesehen war, ja sogar verboten wurde. Trotzdem lassen sich die Anfänge des Frauenfußballs in Europa bereits bis um das Jahr 1890 zurückverfolgen.

1894 wird in England das erste Frauenfußballteam gegründet und der Sport feiert erste Erfolge. Fast 20 Jahre später schwappt der Enthusiasmus von der Insel nach Frankreich über und so wird in Paris der erste Frauenfußballclub gegründet. In der Folgezeit, auch bedingt durch die Abwesenheit der Männer während des ersten Weltkriegs, erlebt der Frauenfußball einen enormen Aufschwung. In England verfolgen bis zu 53000 Zuseher Frauenspiele, die zu Wohltätigkeitszwecken veranstaltet werden. 1919 weigert sich der französische Fußballverband Fußballerinnen aufzunehmen, auch in England wird vom Dachverband, der FA (Football Association), den Vereinen verboten, ihre Plätze für Frauenfußball zur Verfügung zu stellen. Es heißt, Fußball sei für Frauen nicht geeignet und

1 Quelle: (vgl. http://de.fifa.com/worldfootball/bigcount/index.html v. 15.07.2011) 2 sollte demnach nicht gefördert werden. Im Jahr 1924 wird in Wien der erste Frauenfußballclub Österreichs gegründet, dieser wird jedoch von den kritischen Medien die nächsten zehn Jahre ignoriert. 1930, im Jahr der ersten Fußball-Weltmeisterschaft der Männer, wird in Deutschland der erste Frauenfußballclub gegründet. Nur ein Jahr später wird den deutschen Frauen vom deutschen Arbeiter- Turn- und Sportbund das Fußballspielen untersagt. Nun reagiert auch die FIFA und spricht den nationalen Verbänden ein generelles Verbot aus, ihre Sportplätze für Frauenfußball zur Verfügung zu stellen. In den Folgejahren werden trotz des Verbotes in Österreich Frauenspiele durchgeführt. Mit den Eintrittsgeldern wird ironischer Weise unter anderem die offizielle Strafe wegen des Verstoßes gegen das Verbot bezahlt. Mit Beginn und während des zweiten Weltkrieges gerät der Frauenfußball nicht zuletzt wegen der Vorschriften der FIFA in den Hintergrund. Erst Mitte der 50er Jahre gibt es wieder erste Aktivitäten im Frauenfußball. So werden trotz des Verbots des DFB (Deutscher Fußballbund) Vereine gegründet und Spiele abgehalten. 1957 erlebt der Frauenfußball in Österreich durch ein strenges Verbot mit harten Konsequenzen seitens des ÖFB (Österreichischer Fußballbund) einen erneuten Rückschlag und findet so ein jähes Ende. Von 1956 bis 1965 werden jedoch trotz der zahlreichen Verbote mehr als 150 inoffizielle Länderspiele ausgetragen, Gegner waren unter anderem England, Deutschland oder Italien. In den 70er Jahren, nach der Gründung eines unabhängigen europäischen Frauenfußballverbandes, wird der Fußballsport unter Frauen schließlich legalisiert. Diese gesetzliche Novelle wird zum Startschuss einer neuen Ära. Überall werden neue Vereine gegründet und Meisterschaften organisiert. Die UEFA (Union of European Football Associations) empfiehlt den Mitgliedsverbänden daraufhin die Einführung des Frauenfußballs aus Sorge, Frauenfußball könnte zu einer autonomen Größe werden. 1972 werden in Österreich erstmals seit 36 Jahren wieder Meisterschaften ausgetragen. Von dem Zeitpunkt an nimmt alles seinen Lauf und so wird in den 80er Jahren die Damenliga vom ÖFB übernommen. Die UEFA veranstaltet 1984 die erste offizielle Frauenfußball-Europameisterschaft. 1991 folgt die erste, vom Weltfußballverband FIFA organisierte Weltmeisterschaft. 2001 startet in den USA mit der WUSA (Women’s United Soccer Association) die erste Frauenfußball- Profiliga und legt damit den Grundstein für einen wahren Hype und die weitere Entwicklung.2

2 Quelle: http://www.salzblog.at/ballkoenigin/index.php?/archives/5-frauenfussball-in-oesterreich.html 2. 9. 2011

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Obwohl sich der Frauenfußball in eine positive Richtung entwickelt und unter den Massen eine enorme Sympathie und Reichweite erlangt hat, gilt der Sport auch heute oft noch als maskuline Domäne. Frauen haben deshalb in der Fußballwelt nach wie vor nicht den Einfluss, den sie gerne hätten. Nowotny (2011) zum Ausschluss von Frauen im Fußball: „Sowohl auf Seiten der Fans als auch in der Trainer- und Managementriege sind Frauen weiterhin stark unterrepräsentiert.“ So stelle sich der Fußball auch heute noch als eine Art „Arena der Männlichkeit“ dar.

Trotzdem erlebt der Frauenfußball aktuell auf Grund der letzten Weltmeisterschaft in Deutschland eine zumindest begrenzte Öffentlichkeit. In Österreich existiert der Frauenfußball jedoch jenseits der medialen und deshalb öffentlichen Aufmerksamkeit. Das führt wiederum zu einem im Sport bekannten Teufelskreis, denn Sportarten, die außerhalb medialen Interesses liegen, auch Randsportarten genannt, können keine Sponsorengelder auftreiben, was sie in der Folge dazu zwingt, im Amateurbereich zu verharren. Denn ohne das benötigte Geld können keine Investitionen in Aus- und Fortbildungen erfolgen und kein talentierter Nachwuchs rekrutiert werden (Nowotny, 2011).

Das Ende der Fahnenstange ist in Sachen Frauenfußball jedoch noch lange nicht erreicht. So entkam irgendwann während der Weltmeisterschaft 1999 in den USA dem amtierenden FIFA-Präsidenten Joseph Blatter der Satz: „Die Zukunft des Fußballs ist weiblich“ (Trip, 2009, S. 16). Ob das tatsächlich so ist, wird sich zeigen.

1.2. Die Frauen-WM 2011 in Deutschland

Noch nie ist der Frauenfußball so im Rampenlicht gestanden, wie während der WM 2011 in Deutschland, die von 26. Juni bis 17. Juli stattfand. Der gemeinsam von der FIFA und dem Organisationskomitee der WM konzipierte offizielle Slogan lautete: „20elf von seiner schönsten Seite!“3 Bis zu 17 Millionen Zuseher vor den Fernsehgeräten und Tausende in den Fanmeilen beim Public Viewing spiegelten den Enthusiasmus und den Hype rund um die WM wider und erinnerten ein wenig an 2006, als die deutschen Herren Vizeweltmeister im eigenen Land wurden, wenn auch ein paar Nummern kleiner (Simon, 2011).

3 http://www.dfb.de 4

Den Sieg unter den 16 qualifizierten Teams - Österreich konnte sich nicht qualifizieren - holte sich erstmals die Frauenmannschaft aus Japan mit einem Sieg im Elfmeterschießen im Finale gegen die erklärten Favoritinnen aus den USA. Deutschland schied überraschend im Viertelfinale gegen den späteren Weltmeister aus, was natürlich eine große Enttäuschung für die ganze Veranstalter-Nation war, dem Fußballfest an sich aber keinen Abbruch tat. So wurde es nichts mit dem dritten WM-Titel in Folge. Der enorme öffentliche Druck, als Topfavorit ins Turnier zu gehen, war für die Spielerinnen wahrscheinlich nur schwer zu verkraften. Immerhin sind Frauen im Fußball nicht oft in solchen Extremsituationen und aus dem Grund auch nicht erprobt im Umgang mit einer derartigen psychischen Belastung.

1.3. Ergebnisse und Statistiken der WM 2011

Die folgenden Tabellen sollen einen kurzen Überblick über die Ergebnisse der WM 2011 bringen.4

Tabelle 1: Spielausgänge der WM 2011

Gruppe A

26.06.2011

15:00 Nigeria - Frankreich 0:1

18:00 Deutschland - Kanada 2:1

30.06.2011

18:00 Kanada - Frankreich 0:4

20:45 Deutschland - Nigeria 1:0

05.07.2011

20:45 Kanada - Nigeria 0:1

20:45 Frankreich - Deutschland 2:4

4 Sämtliche Daten zu finden auf http://de.fifa.com 5

Gruppe B

27.06.2011

15:00 Japan - Neuseeland 2:1

18:00 Mexiko - England 1:1

01.07.2011

15:00 Japan - Mexiko 4:0

18:15 Neuseeland - England 1:2

05.07.2011

18:15 Neuseeland - Mexiko 2:2

18:15 England - Japan 2:0

Gruppe C

28.06.2011

15:00 Kolumbien - Schweden 0:1

18:15 USA - Nordkorea 2:0

02.07.2011

14:00 Nordkorea - Schweden 0:1

18:00 USA - Kolumbien 3:0

06.07.2011

20:45 Schweden - USA 2:1

20:45 Nordkorea - Kolumbien 0:0

Gruppe D

29.06.2011

15:00 Norwegen - Äquatorialguinea 1:0

18:15 Brasilien - Australien 1:0

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03.07.2011

14:00 Australien - Äquatorialguinea 3:2

18:15 Brasilien - Norwegen 3:0

06.07.2011

18:00 Äquatorialguinea - Brasilien 0:3

18:00 Australien - Norwegen 2:1

Viertelfinale

09.07.2011

18:00 England - Frankreich 3:4 i.E.

20:45 Deutschland - Japan 0:1 n.V.

10.07.2011

13:00 Schweden - Australien 3:1

17:30 Brasilien - USA 3:5 i.E.

Halbfinale

13.07.2011

18:00 Frankreich - USA 1:3

20:45 Japan - Schweden 3:1

3. Platz

16.07.2011

17:30 Frankreich - Schweden 1:2

Finale

17.07.2011

20:45 USA - Japan 1:3 i.E.

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Tabelle 2: Eckdaten im Vergleich

WM 2011 der Frauen WM 2010 der Männer Anzahl Nationen 16 (von 126 Bewerbern) 32 (von 204 Bewerbern) Weltmeister Japan (1. Titel) Spanien (1. Titel) Austragungsort Deutschland Südafrika Eröffnungsspiel 26. Juni 2011 11. Juni 2010 Endspiel 17. Juli 2011 11. Juli 2010 Spiele 32 64 Tore 86 (∅: 2,69) 145 (∅: 2,27) Zuschauer 845.711 (∅: 26.428) 3.178.856 (∅ 49.670) TorschützenkönigIn Homare Sawa (JAP) (5) Thomas Müller (GER) (5) SpielerIn des Turniers Homare Sawa (JAP) Diego Forlan (URU) Gelbe Karten 63 (∅: 1,97) 245 (∅: 3,83) Gelb-rote Karten 0 8 (∅: 0,13) Rote Karten 4 (∅: 0,13) 9 (∅: 0,14)

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2. Statistische Betrachtung des Fußballs

Statistik kann, wenn es um Fußball geht, durchaus mehr als nur verwirrend sein, sie kann auch für regelrechte „Antistatistiker“ interessant und erstaunlich einfach sein. Vor allem begeisterte Fußballfans werden reihenweise zu hochqualifizierten Statistikern, wenn sich diverse Zahlen mit ihrer Leidenschaft am runden Leder beschäftigen. Die Rede ist hier von der Sportstatistik.

Der Begriff, der hier genannt werden muss, ist die „deskriptive Statistik“. Sie „zielt darauf ab, unüberschaubare Datenmengen durch möglichst wenige – jedoch noch aussagekräftige – Zahlen zu charakterisieren“ (Bamberg, Bauer, & Krapp, 2008, S. 3). Doch das war nicht immer so, denn die Statistik samt all ihrer Facetten fand erst recht spät den Weg zum Fußball.

Die Geschichte der Sportstatistik begann in Kansas, USA. 1977 veröffentlichte dort ein wahrer Baseballfan – um nicht zu sagen Fanatiker – namens Bill James eine Schrift mit dem Titel „Baseball Abstract“. Diese Schrift umfasste 68 Seiten und beinhaltete viele Zahlen und wenig Text. Nach einigen Jahren mäßigen Erfolgs kam schließlich der Durchbruch, nachdem eine renommierte Fachzeitung diesen jährlich erscheinenden „Baseball Abstract“ in ihr Programm aufnahm. Es war mehr oder weniger der Beginn vom Zauber der Zahlen, denn bis dahin gab es lediglich lose Aufzeichnungen von diversen Fans oder auch Scouts. Der Erfolg schwappte auf andere Sportarten wie American Football oder Basketball über und verbreitete sich wie ein Lauffeuer bis nach Europa (Biermann, 2009, S. 27f).

Heute finden wir schon von fast jeder Sportart Statistiken, mal mehr, mal weniger umfangreich. Im Fußball ist die Geschichte der Statistik ebenfalls noch sehr jung, erst 1992 wurde beispielsweise in Deutschland zum Start der Bundesligasaison 1992/1993 die „ran“- Datenbank aufgebaut (Biermann, 2009, S. 48f). Von da an nahm alles seinen Lauf. Heute gibt es mittlerweile viele Firmen, wie zum Beispiel ProZone oder Amisco in England, die ihre Dienste zur Datenerhebung bei Fußballspielen anbieten. Diese können bei Bedarf sehr umfangreich sein und ein Spiel, wie auch die Aktionen jedes einzelnen Spielers, in all seine Einzelteile zerlegen.

In den folgenden Kapiteln wird es neben einem Ausflug ins Reich der „Wahrscheinlichkeitsrechnung“ auch um die „Poisson-Verteilung“ gehen. Darüber hinaus

9 werden statistische Torverteilungsannahmen aus dem Männerfußball auf ihre Richtigkeit im Frauenfußball überprüft.

2.1. Einführung - Die Rolle des Zufalls

Lukas Podolski (Deutscher Teamspieler) sagte einst: „So ist Fußball. Manchmal gewinnt der Bessere.“ Mit dieser ironisch gemeinten Aussage trifft er den Nagel auf den Kopf, denn im Fußball gewinnt nicht immer die bessere Mannschaft. Ein Endergebnis sagt nämlich nicht immer alles über den Spielverlauf oder das Kräfteverhältnis zweier Mannschaften aus. Wenn also eine unterlegene Mannschaft knapp gewinnt, wird es oft als „Zufall“ bezeichnet.

Doch was ist Zufall und inwiefern steht er mit dem Fußball in Verbindung? Und gibt es überhaupt so etwas wie Zufall oder ist alles auf dieser Welt berechenbar?

Mainzer (2007, S. 10) meint, dass wir ein Ereignis dann zufällig nennen, wenn es unserer Meinung nach ohne bestimmten Grund eintritt beziehungsweise wenn wir dessen bestimmten Grund nicht kennen. Thömmes (2011, S. 84) meint, dass man von Zufall sprechen kann, „wenn ein Ereignis nicht begründet erklärbar ist und unvorhergesehen anders eintritt. Verwandte Begriffe sind Unberechenbarkeit und Unvorhersagbarkeit.“

Wir wollen an dieser Stelle nicht exakte mathematische Definitionen bringen. Das einfachste Beispiel zum Begriff des Zufalls wäre stattdessen das Würfelspiel. Man weiß im Vorhinein nie, welche Zahl der gefallene Würfel anzeigen wird, es regiert hier also der Zufall. Aber ist das wirklich so? Würde man nämlich sämtliche relevanten Parameter, die zum letztendlichen Würfelergebnis auch tatsächlich beitragen (Anfangszustand, Würfelgröße, Luftwiderstand, sämtliche Winkel, Wurfgeschwindigkeit etc.) kennen, so könnte man auch den Ausgang berechnen. Dann, so Audretsch (2008, S. 125), „steht das zu erwartende Ergebnis, wie es dem lokalen Realismus der klassischen Physik entspricht, schon während des Wurfes fest.“ In der Realität ist das jedoch nicht durchführbar, da der Messgenauigkeit Grenzen gesetzt sind.

Beim Sport wird der Zufall oft anders benannt. (Knöpfel & Löwe, 2007, S. 1) sagen, der „Zufall wird heutzutage vielerorts als Modellbaustein verwendet, wenn unsere eigene Kenntnis nicht weiterhilft, eine definitive Entscheidung zu treffen.“

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Wir nehmen den Begriff Zufall demnach also oft zur Hilfe, wenn wir ganz spezielle oder völlig unvorhersehbare Situationen beschreiben müssen.

Eigen & Winkler (1975, S. 22) sagen treffend: „Der Zufall hat im Reiche des Spiels einen besonderen Namen. Wir bezeichnen ihn als Glück, wenn er uns gewogen ist, und als Pech, wenn er uns nur Nachteile bringt. Damit befreien wir ihn aus seiner ursprünglichen Beziehungslosigkeit.“ Ein abgefälschter Schuss, der zum Tor führt, ist also für die eine Mannschaft Glück und für die andere Mannschaft Pech. Ebenso verhält es sich mit einem Stangenschuss oder aber auch mit Schiedsrichterentscheidungen.

Doch fallen auch Tore zufällig? Natürlich sind viele Tore Teil von Zufallsereignissen, seien es abgefälschte Pässe, stolpernde Verteidiger oder Fehlentscheidungen des Schiedsrichters, die letztendlich dazu führen können, dass der Ball im Netz zappelt. Andere jedoch sind offenbar keine Zufallsprodukte, sondern schön „herausgespielt“ und deshalb schwer zu verteidigen. Man kann also mit Recht behaupten, dass Lionel Messi nicht durch Zufall so viele Tore schießt. Natürlich kann man das zufällige Ereignis, das letztendlich zum Tor geführt hat, immer suchen, und man wird es auch wohl immer irgendwo in einer Reihe von Verkettungen unterschiedlicher individueller Handlungen finden. Das ist auch mit Grund, warum Fußball oft als ein ungerechter Sport empfunden wird, wenn zum Beispiel das über 90 Minuten unterlegene Team am Ende durch ein glückliches, durch Zufall bedingtes Tor mit 1:0 gewinnt. Doch genau das ist es, was den Fußball in seiner Einzigartigkeit so auszeichnet, was auf der einen Seite als ungerecht empfunden wird, ist auf der anderen Seite quasi das Salz in der Suppe. In keiner anderen Sportart hat der vermeintliche Außenseiter eine so hohe Chance auf einen Sieg. Denn durch die relativ niedrige Anzahl an Toren, die bei Fußballspielen im Schnitt erzielt werden, können Sieg und Niederlage eben ganz eng beieinander liegen. Ganz anders, als beispielsweise beim Tennis, wo bei verhältnismäßig vielen Ballwechseln ein einziger Netzroller als Zufallsprodukt nicht so schwer ins Gewicht fällt.

Was wäre also der Fußball ohne den Faktor Zufall? Er wäre eine Sportart, die äußerst gerecht ist, sprich bei der immer die bessere Mannschaft gewinnen würde. Fast ohne Ausnahme. Das würde bedeuten, dass man sich viele Spiele erst gar nicht anschauen will, da es einen klaren Sieger geben und ohnehin keine Spannung aufkommen würde.

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2.2. Die Wissenschaft des Fußballs

Die Grundlage für den folgenden Abschnitt basiert auf dem Buch „So werden wir Weltmeister – Die Physik des Fußballspiels“ von Metin Tolan (2010). Tolan wurde 1965 in Oldenburg, Deutschland geboren und arbeitet als Professor für Experimentelle Physik und Prorektor für Forschung an der Technischen Universität in Dortmund. Als glühender Fußballfan und verwegener Physik-Erklärer befasst er sich in seinem Buch mit physikalischen, mathematischen und statistischen Fragen rund um den Fußballsport. Neben so banal klingenden Fragen wie „Wann ist ein Ball im Tor?“ oder „Ist der Ball wirklich rund?“ behandelt er auch etwas verzwicktere Themen, wie „Die Ballistik von Fußbällen und Kanonenkugeln“ und „Wann lohnt sich eine Notbremse?“. Weiters werden von Tolan auch statistische Überlegungen angestellt und Torverteilungen analysiert, sowie Vorhersagen getroffen, die nun auf ihre Gültigkeit im Frauenfußball überprüft werden.

2.3. Fußballstatistik

Grundsätzlich ist es äußert schwierig, verwertbare und relevante Daten und Statistiken zu Fußballspielen zu bekommen. Obwohl es viele interessante Daten zu jedem einzelnen Spiel gibt, muss man in den gängigen Zeitungen und Zeitschriften mit statistischer Magerkost auskommen. So kann man in einer journalistischen Auflistung lediglich einen Bruchteil der verfügbaren Daten finden. Üblicherweise sieht eine Spielstatistik in etwa so aus, wie in Abbildung 1.

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Die einfache Statistik zum Spiel zeigt das Ergebnis, die Torschützen beider Teams (in Klammer die Spielminute des erzielten Treffers), die Aufstellungen beider Teams (in Klammer Spielminute und Name der Einwechselspielerin), gelbe und rote Karten inklusive Namen und Spielminute.

Am unteren Ende der Grafik sieht man den Spielort, die Zuseherzahl im Stadion und den Namen der Schiedsrichterin inklusive Herkunftsland in Klammer.

Abbildung 1: Spielstatistik aus der „Kleinen Zeitung" zum Match Japan - USA am 17.07.20115

Hier sieht man an einem typischen Zeitungsausschnitt aus der „Kleinen Zeitung“ vom 18. Juli 2011 am Beispiel des Finales der Frauen-Fußball WM 2011 zwischen Japan und den USA, dass lediglich die Eckdaten zum Spiel veröffentlicht werden. Wobei man sagen muss, dass der durchschnittliche Fußballfan oder Zeitungsleser mit dieser zugegeben etwas mageren Statistik jedoch durchaus befriedigt wird. Zu viele Zahlen und Daten würden DurchschnittsleserInnen in der Regel verwirren und wären deshalb wenig aufschlussreich und sinnvoll. Des Weiteren würden zu viele Zahlen eher abschrecken und der Artikel würde an Attraktivität verlieren. Stattdessen werden in Fußballberichten vermehrt Bilder gezeigt, was unterstreicht, dass der Visualisierungstrend in den Printmedien - auf Grund des enorm hohen Stellenwerts von Emotionen im Sport - voranschreitet (Hahn, 2008, S. 127).

5 Aus der „Kleinen Zeitung“ Ausgabe vom 18.07.2011, S. 28 13

„Bilder von jubelnden und von enttäuschten Fans oder einem verzerrten und angespannten Gesicht im Wettkampf – das sind Inhalte, die den Leser binden und den Artikel und in weiterer Folge das Medium interessanter erscheinen lassen“ (Hahn, 2008, S. 127).

Ein wenig, wenn auch nicht viel, umfassender zeigt sich die Spielstatistik des WM-Finales der Männer 2010 in Südafrika, in dem Spanien mit einem 1:0 Sieg in der Verlängerung die Oberhand behielt (Abbildung 2).

Der Zeitungsausschnitt zeigt zusätzlich zu den Eckdaten die Verteilung des Ballbesitzes in einem Tortendiagramm an. Außerdem wird die Zahl an Torschüssen, Fouls, Ecken und Abseits der beiden Teams angeführt.

Abbildung 2: Spielstatistik aus der "Kleinen Zeitung" zum Match Niederlande - Spanien am 12.07.20106

Die Statistik stammt ebenfalls aus der „Kleinen Zeitung“, der Ausgabe vom 12. Juli 2010. Aus den Werten kann man zum Beispiel ablesen, dass das Team der Niederlande deutlich weniger Ballbesitz hatte, was auf eine spielerische Überlegenheit der Spanier schließen lässt. Als kleines „Hoppala“ erweist sich aber bei näherer Betrachtung die Verteilung der Tortenstücke. Die höhere Anzahl an Fouls lassen außerdem eine harte Spielweise

6 Aus der „Kleinen Zeitung“ Ausgabe vom 12.07.2010, S. 34 14 vermuten, was die Menge an gelben und roten Karten bestätigt. Die Anzahl der Torschüsse war in diesem Spiel von beiden Mannschaften in etwa gleich groß, man kann davon jedoch nicht die Qualität der abgegebenen Schüsse, geschweige denn die Torgefährlichkeit, ablesen. Diese Zahlen dienen lediglich als Richtwerte.

Für den interessierten Statistiker jedoch gäbe es die Möglichkeit, ein gesamtes Spiel komplett in Zahlen zu verwandeln. Das wirkt auf den ersten Blick eines ungeschulten Auges tatsächlich etwas abstrakt. Ein Spiel kann demnach in einen gigantischen Datensatz verwandelt und anschließend in seine Einzelteile zerlegt werden. Laut Spielanalytiker besteht ein Fußballmatch aus rund 2500 bis 3000 Aktionen, die „ballgebunden“ sind. Demzufolge wird der Ball alle 1,8 bis 2,2 Sekunden gepasst, vom Tormann geworfen, geschossen oder geflankt. Dazu kommen noch rund 2000 laufgebundene Aktionen, sprich die Laufwege der nicht ballführenden Spieler betreffend (Biermann, 2009, S. 53).

In der unten folgenden Abbildung 3 sieht man nur eine Überblicksseite des 34 Seiten fassenden Spielberichts eines der besten Länderspiele des Jahres 2009 zwischen Frankreich und Argentinien in Marseille, indem sowohl physische, als auch taktische Daten jedes einzelnen Spielers exakt aufgeschlüsselt sind.

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Abbildung 3: Quelle: Amiscopro Spielstatistik zum Match Frankreich - Argentinien vom 11.02.20097

Diese statistische Auswertung beinhaltet eine Fülle an Informationen, die es richtig zu deuten gilt. Man kann etwa sehen, dass die Argentinier im Torabschluss präziser agierten, sie gaben zwar weniger Torschüsse ab, trafen aber öfter das Tor und letztendlich auch ins Tor. Ein gewaltiger Unterschied tut sich in der Passstatistik auf. Hier kann man sehen, dass Argentinien mit 488 auf etwa 30 Prozent mehr angekommene Zuspiele verweisen kann als die Franzosen. Die Erfolgsquote war jedoch mit rund 80 Prozent annähernd dieselbe, was bedeutet, dass Argentinien schlicht und ergreifend mehr Ballbesitz hatte, was von der Statistik mit gemessenen 56 Prozent auch bestätigt wird. Diese Werte lassen auf den Spielstil der argentinischen Mannschaft schließen, der wie der der Spanier oder des FC Barcelona auf überwiegenden Ballbesitz aufgebaut ist. Der Gegner soll durch das ständige Nachlaufen müde und ungeduldig werden, um dann schlagartig einen Moment der Unkonzentriertheit auszunützen. Frankreich hingegen spielte zielstrebiger nach vorne, was die „Zahl der erfolgreichen Pässe aus dem Spiel“ bestätigt. Hier wurde sogar ein höherer Wert erzielt als bei den Argentiniern. Die Auswertung der jeweiligen Angriffsbemühungen sowie die Zahl an Flanken lassen darauf schließen, dass die Argentinier - im Gegensatz zu

7 Aus Biermann, 2009, S. 56/57 16 den Franzosen - eher das Spiel durch die Mitte suchten. Demnach flankte Frankreich mehr als doppelt so oft, jedoch erfolglos. Die Gesamtlaufleistung beider Teams liegt mit etwa 110 Kilometern im Rahmen der Norm, wobei man bedenken muss, dass Frankreich einen Großteil der Distanz dem Ball nachlaufen musste.

Man soll die Zahlen deshalb immer ins Verhältnis setzen. Es sind demnach nicht die absoluten Werte von Belang, sondern der Bezug zu den anderen und der direkte Vergleich mit anderen Spielern (Biermann, 2009, S. 59f).

Solche umfassenden Datensätze sind jedoch, wie schon oben erwähnt, äußerst schwer zu bekommen und zumeist auch kostenpflichtig.

Fußball ist also ein wahres Paradies für Statistiker. Im Grunde bietet die Statistik einen Weg, die Stärken und Schwächen eines Gegners herauszufiltern und sich darauf entsprechend einstellen zu können. Schon der alleinige genaue Blick auf eine Tabelle gibt oftmals einen sehr genauen Überblick über die Qualitäten und Eigenheiten einer Mannschaft. Zu sehen anhand der Abschlusstabelle der österreichischen Bundesliga vom Spieljahr 2009/2010.

Tabelle 3: Abschlusstabelle Österreichische Bundesliga im Spieljahr 2009/20108

Tabelle

# Mannschaft Sp. S U N Tore +/- Pkt. 1 FC Red Bull Salzburg 36 22 10 4 68:27 41 76 2 FK Austria Wien 36 23 6 7 60:34 26 75 3 SK Rapid Wien 36 21 10 5 80:38 42 73 4 SK Puntigamer Sturm Graz 36 16 10 10 50:36 14 58 5 SC Magna Wr. Neustadt 36 13 8 15 54:58 -4 47 6 SV Mattersburg 36 12 5 19 45:71 -26 41 7 LASK Linz 36 9 13 14 59:70 -11 40 8 SV Josko Ried 36 10 8 18 39:47 -8 38 9 KSV SUPERFUND 36 8 9 19 44:67 -23 33 10 SK Austria Kelag Kärnten 36 2 9 25 29:80 -51 15

8 Tabellen sowie Daten auf www.bundesliga.at 17

An Tabelle 3 sieht man, dass Meister Red Bull Salzburg trotz der höchsten Punkteanzahl weder die meisten Spiele gewonnen noch die meisten Tore geschossen hat. Die Stärke dieser Mannschaft lag in der Defensive, so mussten die Salzburger bei nur 27 Gegentoren – den wenigsten der Liga - lediglich vier Niederlagen hinnehmen. Die alte Weisheit „Offense wins games, defense wins championships“ bewahrheitete sich damals. So kam Rekordmeister Rapid Wien mit einem offensiv ausgerichtetem Spielsystem trotz 80 erzielter Tore und der besten Tordifferenz nicht über den dritten Tabellenrang hinaus. Austria Wien landete mit einer weit schlechteren Tordifferenz vor den Hütteldorfern, was auf einen eher minimalistischen Spielstil hinweist. Auffällig auch, dass SV Mattersburg trotz miserabler Tordifferenz und den zweitmeisten Gegentoren auf den sechsten Platz in der Tabelle kam. Nur fünf Unentschieden deuten darauf hin, dass die Mannschaft oft die Entscheidung suchte und mit immerhin zwölf Siegen belohnt wurde. Die Zahlen lassen auch vermuten, dass SV Ried einen eher defensiven Spielstil bevorzugte. Relativ wenig erzielte Tore sowie wenige Gegentore lassen darauf schließen. Generell zeigt die Tabelle eine Drei-Klassen-Gesellschaft, angeführt von einem Trio. Dann folgen die restlichen Vereine, bis zu Austria Kärnten, das abgeschlagen am Tabellenende einzementiert ist. Lediglich zwei Siege bei 80 Gegentreffern sprechen eine deutliche Sprache.

So eine Tabelle reicht jedoch in der Regel vielen Top-Clubs nicht aus, Spielbeobachter oder ganze Gruppen von Analytikern haben nur die eine Aufgabe, den nächsten Gegner zu studieren. Die große Schwierigkeit ist dabei jedoch, die gesammelte Datenmenge auch qualitativ richtig zu interpretieren und zu bewerten (Thömmes, 2011, S. 158f). In diesem Zusammenhang sagt Thömmes (2011, S. 158) des Weiteren: „Statistik nähert sich der Wahrheit im Fußball an, wird ihn nie ganz erklären können.“

„Die Wahrheit liegt aber bekanntlich auf dem Platz“, wie schon ein altes Sprichwort sagt, denn spielen müssen trotz aller statistischen Aufbereitungen immer noch die Spieler und nicht die Analytiker und Statistiker.

2.4. Die Software – Das Fußball Studio

Die Datenquelle für die folgend verwendeten Statistiken ist eine öffentlich zugängliche Online-Datenbank. Betreiber und Verantwortlicher der Datenbank „Das Fußball Studio“ ist Volker Mallmann, der mir die Verwendung der Daten freundlicherweise gestattete. Ihm sei an dieser Stelle ein besonderer Dank ausgesprochen. 18

Der leidenschaftliche Fußballfan und Programmierer hatte schon Anfang der Neunziger ein ähnliches Programm mit demselben Namen auf Atari ST (ST steht dabei für Sixteen/Thirty-Two, bezogen auf den Hauptprozessor bzw. Datenbus), einem Heimcomputer der Firma Atari, geschrieben, das großen Zuspruch erhielt und sogar von den Fernsehsendern ARD (Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland – allgemein als „Das Erste“ bekannt) und ZDF („Zweites Deutsches Fernsehen“) verwendet wurde.

Als sich die Technik rasant weiterentwickelte und das Internet vermehrt aufkam, verschwand der Atari-Rechner sowie Mallmann’s Programm von der Bildfläche. Erst im Jahr 2003 kam es zum Relaunch von „Das Fußball Studio“. Seitdem ist die Software zu einem Gemeinschaftsprojekt geworden, an dem sich die Mitglieder des Forums in vielfältiger Form einbringen können, und das auch tun.

Heute befindet sich in der Datenbank annähernd eine Million Datensätze. Hier einige Eckdaten, die den enormen Umfang der Software widerspiegeln:

 mehr als 30.000 Spiele  mehr als 90.000 Tore  mehr als 12.000 Spieler, Trainer und Schiedsrichter  Mannschaftsaufstellungen mit allen Auswechslungen, gelben Karten und Platzverweisen  alle Stadien, Torjäger, Strafstöße, Zuschauerzahlen, Serien, Steckbriefe, Tops & Flops, Vergleiche, Rekorde, Meister- und Pokaltitel, Transferdaten  Tabellen, grafische Auswertungen, Statistiken, Recherchen  Live-Update der Daten nach jedem Spieltag

Den großen Erfolg und die Beliebtheit der Software beweist auch eine von „Softwareload“ (Onlineportal) durchgeführte Wahl zur „Software des Jahres 2009“. In der Kategorie: „Freeware“ wählten 400 000 Nutzer „Das Fußball Studio“ auf den hervorragenden 5. Platz.9

9 Mallmann, V. (2006). Das Fußball Studio. Freeware – Ligaverwaltung. Zugriff am 01. August 2011 unter http://www.vmlogic.net/cms/component/option,com_frontpage/Itemid,1/ 19

Der Betreiber übernimmt zwar keine Haftung für die absolute Zuverlässigkeit der gesammelten Daten, eine Vielzahl von Usern ist jedoch stets mit penibelster Sorgfalt bestrebt, die Richtigkeit zu gewährleisten.

In Abbildung 4 sieht man anhand eines Screenshots eine schematische Darstellung des Programmes. Es werden hier Details eines bestimmten Spiels der deutschen Fußball- Bundesliga dargestellt. Dieses Spiel ist frei gewählt und kann nach Belieben geändert werden. Dazu werden die zu diesem Zeitpunkt aktuelle Tabelle, Torjäger und andere Fakten zum Spiel angezeigt.

Abbildung 4: Screenshot von "Das Fußball Studio" - Darstellung eines Spieltages

Wie vielfältig und weitreichend die Software ist, zeigt auch die nächste Abbildung. In Abbildung 5 sieht man eine statistische Grafik mit allen Spielergebnissen bei Frauen- Weltmeisterschaften seit 1991. Heimsiege, Unentschieden und Auswärtssiege werden demnach in unterschiedlichen Farben dargestellt, um einen guten Überblick zu gewährleisten.

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Abbildung 5: Screenshot aus "Das Fußball Studio" – Ergebnisstatistik zur Frauenfußball WM

Bei Klick auf einen Balken können Details zu den jeweiligen Spielen aufgerufen werden, wie auf Abbildung 6 zu erkennen ist. Jedes einzelne Spiel kann dann wiederum in weiterer Folge im Hauptfenster detailliert dargestellt werden.

Abbildung 6: Screenshot aus "Das Fußball Studio" - detaillierte Auflistung aller 4:0 Siege

21

In der unten folgenden Abbildung 7 soll an einem letzten Beispiel noch einmal die bemerkenswerte Vielfalt der Funktionen der Software veranschaulicht werden. Es wurde hier die Kategorie „Wenn …, dann!“ ausgewählt, bei der ganz spezifisch nach speziellen Spielverläufen gesucht werden kann. So wurde in diesem Beispiel nach Spielen innerhalb der letzten zehn Jahre der deutschen Frauenfußballnationalmannschaft gesucht, bei denen sie auswärts oder daheim zur Pause mit einem Tor oder mehr führte und am Ende siegte. Das Ergebnis ist im rechten Fenster grün unterlegt zu sehen. Einzelne Spieldetails können natürlich wieder extra abgerufen werden.

Abbildung 7: Screenshot aus "Das Fußball Studio" - Rubrik "Wenn ..., dann!"

Die Software ist öffentlich zugänglich und kostenlos (Stand: August 2011). Nähere Informationen über das Programm selbst und Richtlinien zur Nutzung sowie das Impressum kann man der Homepage entnehmen.10

10 http://www.dasfussballstudio.de/ 22

2.5. Prädiktionen

Im folgenden Kapitel werden unter Anderem verschiedene Aussagen Metin Tolans auf ihre Gültigkeit im Bezug auf den Frauenfußball, explizit die Weltmeisterschaften seit 1991 mit besonderem Augenmerk auf die WM 2011, überprüft. Es soll untersucht werden, ob sich diverse Theorien direkt auf den Frauenfußball umlegen lassen oder ob der Frauenfußball doch seine eigenen Gesetze hat.

2.5.1. Je mehr Einwohner ein Land hat, desto erfolgreicher ist dessen Nationalteam

Grundsätzlich ist es naheliegend, dass die Wahrscheinlichkeit, gute Fußballer an einem bestimmten Ort zu finden größer wird, je mehr Menschen dort leben. Das Potential ist also gleichbedeutend mit der Einwohnerzahl. Tolan (2010, S. 150) stellt diese Überlegung für die Vereine der deutschen Bundesliga an und kommt zum Schluss, dass die Einwohnerzahl einer Stadt in der Tat etwas mit deren Erfolg zu tun hat. Er fertigt eine Grafik (Abbildung 8) an, bei der er die Platzierungen aus einer „relativen ewigen Bundesliga-Tabelle“11 gegen die Größe der Orte, aus denen die Mannschaften stammen, auftrug. Dabei stellt er fest, dass „die kleinen Punkte tendenziell nur extrem schwach von links nach rechts ansteigen“ (Tolan, 2010, S. 150).

11 Die erreichte Gesamtpunktzahl der Mannschaften wird hier mit der Zahl der absolvierten Spiele normiert. 23

Abbildung 8: Grafik aus Tolan (2010. S. 150) - Tabellenplatz und Einwohnerzahl in der deutschen Bundesliga

Diese Schlussfolgerung, dass die Qualität einer Fußballmannschaft mit der Einwohnerzahl eines Ortes und in weiterer Folge auch eines ganzen Landes zusammenhängt, begründet Tolan (2010) mit einer mathematischen Formel:

Wenn wir die elf besten Spieler für eine Fußballmannschaft in einer Stadt mit x

Einwohnern suchen, dann hängt die Spielstärke S1 des besten Spielers sicher davon ab, unter wie vielen Personen er insgesamt ausgesucht wird. Es ist also:

S1 x. Für den zweitbesten Spieler mit der Spielstärke S2 gilt dann einfach:

S2 (x-1), da ein Spieler schon gewählt wurde. So kann man elfmal argumentieren, und kommt dann für den elftbesten Spieler mit der Spielstärke 11 S11 zu: S11 (x-10). […] Die Formel S x ist also die Begründung dafür, dass große Städte auch gute Fußballvereine beherbergen sollten und große Länder auch in der Regel gute Nationalteams haben [Hervorhebung nicht Teil des Originalzitats].(S. 150f)

24

Diese Überlegung soll nun für Frauen-Nationalteams angestellt werden. Hierfür wird eine ewige Tabelle der sechs bisherigen Weltmeisterschaften hergenommen. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, diese ewige Tabelle zu gestalten. Die Tabelle kann den bisherigen relativen Erfolg der Nationalteams anzeigen oder den absoluten. Den Unterschied sieht man in den Tabellen 4 und 5, die unten zu finden sind.

Tabelle 4: Ewige Tabelle - "Absolut": Erfolg eines Landes bei den bisherigen sechs Weltmeisterschaften, dargestellt anhand einer absoluten - also insgesamt erzielten - Punktezahl.

Land Punkte 1. USA 89 2. Deutschland 72 3. Norwegen 61 4. Schweden 55 5. Brasilien 50 6. China 45 7. Japan 26 8. England 18 9. Kanada 15 10. Australien 13 Frankreich 13 12. Russland 12 13. Nigeria 11 Korea DVR 11 15. Dänemark 10 Italien 10 17. Ghana 4 18. Taiwan 3 19. Mexiko 2 20. Neuseeland 1 Kolumbien 1 22. Argentinien 0 Südkorea 0 Äquatorialguinea 0

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Tabelle 5: Ewige Tabelle - "Relativ": Erfolg eines Nationalteams, wobei die absolute Punkteanzahl mit der Zahl der bestrittenen Spiele normiert wird.

Land Punkte 1. USA 2,472 2. Deutschland 2,25 3. Norwegen 1,968 4. Brasilien 1,923 5. Schweden 1,897 6. China 1,875 7. England 1,5 Russland 1,5 9. Frankreich 1,444 10. Italien 1,429 11. Japan 1,182 12. Korea DVR 0,846 13. Kanada 0,833 14. Australien 0,765 15. Taiwan 0,75 16. Dänemark 0,714 17. Nigeria 0,579 18. Ghana 0,444 19. Mexiko 0,333 Kolumbien 0,333 21. Neuseland 0,111 22. Südkorea 0 Argentinien 0 Äquatorialguinea 0

Wie man sieht, verändert sich die Reihung der Nationalteams, je nach Tabellentyp. Für die weitere Analyse ist es also entscheidend, welche der beiden Tabellen man auswählt, da Änderungen der Reihung auch die Grafiken beeinflussen würden.

Jede dieser beiden Tabellenarten hat seine Für und Wider. Die absolute Tabelle reiht die Mannschaften nach erreichter Gesamtpunktezahl aus allen bestrittenen Spielen. Wenn also eine Nation, wie etwa die USA oder Deutschland, wo Mädchen- und Frauenfußball schon lange im Sport etabliert ist, von Beginn weg bei jeder Weltmeisterschaft vertreten war, ist die Chance auf eine gute Platzierung auf Grund der hohen Spielanzahl natürlich groß. Das spiegelt auch die absolute Tabelle wider, so liegt etwa Nigeria, das bei allen sechs Weltmeisterschaften vertreten war, jedoch bis auf ein einziges Mal (1999, 5. Platz) nie über die Gruppenphase hinauskam, auf dem 13. Rang. Das negative Torverhältnis von minus 35 sagt einiges über die Qualität der Mannschaft aus. Trotzdem errang Nigeria bisher elf Punkte und liegt somit in dieser Tabelle nur knapp hinter aufstrebenden Ländern wie etwa Frankreich (11. Platz, 13 Punkte), das erst an zwei Weltmeisterschaften teilnahm, da sich dort der qualitative Frauenfußball erst viel später entwickelte. In der relativen Tabelle kommt Nigeria jedoch nicht so gut weg, hier belegt das Nationalteam nur den 17. Platz, diesmal acht Ränge hinter Frankreich. Somit hat sich Nigeria um vier Ränge 26 verschlechtert. Im Fall von Russland liegen sogar fünf Ränge zwischen den Platzierungen in absoluter und relativer Tabelle. Russland qualifizierte sich erst zwei Mal für eine WM (1999 und 2003), schnitt aber beide Male gut ab (jeweils 5. Platz), somit ist das russische Nationalteam in der relativen Tabelle trotz der niedrigen Spielanzahl ziemlich weit vorne zu finden (7. Platz).

Welche der Tabellentypen man nun als Grundlage für weitere Analysen wählt, hängt davon ab, wie man im Vorfeld die wahre Stärke eines Teams definiert. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, die Qualitätseinstufung vorzunehmen. Eine Nation könnte höher eingestuft werden, wenn sie es über Jahre hinweg schafft, sich immer wieder für die Weltmeisterschaft zu qualifizieren. Sie könnte aber auch als (aktuell) stark betrachtet werden, wenn sie durch kürzlich erfolgreiche Resultate einen deutlichen Aufwärtstrend vorweisen kann.

Wenn sich jedoch eine Nation glücklicherweise einmal für eine Weltmeisterschaft qualifizieren konnte und dort auch noch passabel abschneidet, ist sie in der relativen Tabelle im vorderen Feld zu finden. So findet sich etwa das Frauennationalteam aus Taiwan, das sich nur ein einziges Mal qualifizieren konnte (1991) und bei einem Sieg aus vier Spielen ein Torverhältnis von 2:15 aufzuweisen hat, in der relativen Tabelle auf dem 15. Platz wieder, zwei Plätze vor Nigerias Team, das, wie schon vorhin erwähnt, bislang an jeder der sechs bisherigen Weltmeisterschaften teilnahm. Die relative Tabelle kann also unter Umständen die tatsächlichen Qualitätsverhältnisse etwas verzerrt darstellen. Umso wichtiger ist es, sich die Mannschaften und deren Erfolge im Detail anzusehen und in Relation zueinander zu setzen.

Für weitere Analysen in diesem Abschnitt wird die absolute ewige Tabelle gewählt. Sie sagt zwar nichts über die aktuelle Qualität und Formkurve der einzelnen Mannschaften aus, dies ist jedoch für die weitere Auswertung ohnehin nicht relevant. Sie spiegelt den gesamten bisherigen Erfolg einer Nation bei Weltmeisterschaften wider. Dass sich Gastgeberländer immer automatisch für die jeweilige WM qualifizieren, fließt nicht in die Überlegungen mit ein, da bislang mit den USA, Schweden und Deutschland fast nur Länder die WM austrugen, die sich mit höchster Wahrscheinlichkeit ohnehin qualifiziert hätten. Nur China fällt hier als Austragungsort aus der Reihe.

China erhält auf Grund seiner speziellen Situation einen Sonderstatus. Die Größe des Landes und die Vielzahl an Menschen, die dort leben, haben keinen positiven Einfluss auf

27 die Qualität des Fußballs, der dort gespielt wird. Ganz im Gegenteil. Obwohl die Menschen in China sehr am Fußball interessiert sind, ist der Anschluss an internationales Niveau noch nicht gelungen. Der ausbleibende Erfolg liegt höchstwahrscheinlich an der Organisationsstruktur des Landes. So wurden Spitzensportler lange Zeit nur aus Universitäts- und Werksmannschaften rekrutiert, was das vorhandene Potential nicht einmal annähernd ausschöpfte. Eine Frauen-Fußballliga gibt es erst seit 1994, wobei die Vereine, die zumeist in- und ausländischen Konzernen gehören, mit großen Entfernungen untereinander zu kämpfen haben. Die zweite Liga, die nur auf regionaler Ebene spielt, ist natürlich in Sachen Professionalität weit im Rückstand. Vereinsstrukturen im Amateurwesen, wie sie in Europa üblich sind, gibt es in China nicht, was die Entwicklung des Fußballs erheblich erschwert. Darüber hinaus haben Korruptions- und Bestechungsskandale den chinesischen Fußball immer wieder erschüttert, was die Entwicklung ebenfalls negativ beeinflusst hat (Ess, 2008, S. 154f). Aus diesen Gründen wird China in weiterer Folge aus der Wertung genommen, da die Einwohnerzahl hier definitiv nicht mit dem Erfolg des Nationalteams korrelieren kann.

In Abbildung 9 wurde die Punktezahl aus der ewigen (absoluten) Tabelle gegen die Größe der Länder, aus denen die Mannschaften stammen, aufgetragen. Die Einwohnerzahl wurde dabei auf einer logarithmischen Skala aufgetragen.

WM Erfolg und Einwohnerzahl 100 90 80

70 60 Norwegen Schweden 50 40 Punkteanzahl 30 20 10 0 1 10 100 1000 Einwohnerzahl in Millionen

Abbildung 9: Erfolg der Nationalteams in Korrelation mit der jeweiligen Einwohnerzahl

28

In der Abbildung kann man erkennen, dass es in der Tat einen leichten Trend gibt, der von links unten nach rechts oben ansteigt. Hier scheint die Größe des Landes also tatsächlich etwas mit dem Erfolg zu tun zu haben. Norwegen und Schweden bilden mit ihrem, gemessen an der Einwohnerzahl, überproportionalen Erfolg kleine Ausreißer.

Legt man nun eine Grafik selben Schemas, also absolute Tabelle der sechs12 letzten Weltmeisterschaften der Herren, über die der Frauen, so erhält man Abbildung 10. Da jedoch der Weltmeisterschaftsmodus bei den Männern nicht ganz derselbe ist, wie bei den Frauen, kann man die Daten nicht zum direkten Vergleich heranziehen und deshalb nur tendenziell gegenüberstellen.

WM Erfolg und Einwohnerzahl bei Frauen und Männern 100 90 80

70 60 50 Frauen 40

Punkteanzahl 30 Männer 20 10 0 1 10 100 1000 Einwohnerzahl in Millionen

Abbildung 10: Vergleich der Frauen mit den Männern

Beim direkten Vergleich lässt sich kein direkter Zusammenhang zwischen den Männer- und Frauenmannschaften gleichen Landes feststellen. Grundsätzlich haben sich bei den Männern auf Grund des unterschiedlichen Modus mehrere Nationen für eine Weltmeisterschaft qualifiziert – meist mit mäßigem Erfolg -, was den Punkteschwarm im linken Drittel der Grafik zur Folge hat. Die Tendenz bei den Herren zeigt jedoch, ähnlich

12 Bei den Herren gab es beginnend im Jahr 1930 bislang 19 Weltmeisterschaften. Für den Vergleich werden jedoch nur die letzten sechs hergenommen, um einen chronologisch besseren Überblick zu erhalten. 29 wie bei den Frauen, leicht von links unten nach rechts oben, was durchaus die Hypothese von Tolan (2010) bestätigt.

Geht man nun nach demselben Schema nur für die WM 2011 in Deutschland vor, ergibt sich folgendes Bild (Abbildung 11). Verwendet wurde die absolute Tabelle, wobei das „kleine Finale“13 zwischen Schweden und Frankreich außer Acht gelassen wurde. Schweden gewann dieses Spiel nämlich und hätte somit in der Tabelle die gleiche Punkteanzahl, wie der letztendliche Weltmeister Japan, was nicht der tatsächlichen Stärkenrelation entspricht und das Bild verzerren würde.

WM Erfolg 2011 und Einwohnerzahl 16

14

12 Schweden

10

8

6 Punkteanzahl 4

2

0 1 10 100 1000 Einwohnerzahl in Millionen

Abbildung 11: Korrelation der Einwohnerzahl mit dem Erfolg bei der WM 2011

In der obigen Abbildung kann man einen deutlichen Trend in Richtung oben rechts erkennen. Ganz links unten liegt mit Äquatorialguinea der kleinste Staat. Unter den ersten neun Ländern in der Tabelle befindet sich mit Schweden (9 Millionen Einwohner; 12 Punkte) lediglich ein etwas kleinerer Staat. Schweden stellt mit seinem - gemessen an seinen neun Millionen Einwohnern - überproportionalen Erfolg einen kleinen Ausreißer dar, ebenso wie Kanada, Nigeria und Mexiko, von denen man ob der größeren Einwohnerzahl wesentlich mehr erwarten hätte dürfen. Mit Japan und den USA waren tatsächlich zwei der bevölkerungsreichsten Staaten im Finale. Eine klare Tendenz ist

13 Spiel um Platz 3. 30 unübersehbar, was die Theorie, dass große Länder in der Regel großen Erfolg haben, bestätigt.

2.5.2. Fußballmannschaften verhalten sich wie radioaktive Quellen

Im Fußball geht es bekanntlich in erster Linie darum, Tore zu schießen, denn nur wenn eine Mannschaft mindestens ein Tor erzielt, kann sie auch ein Spiel gewinnen. Oft reicht schon ein einziges Tor zum Sieg, oft muss eine Mannschaft mehrere Tore erzielen, um siegreich das Spielfeld zu verlassen oder zumindest nicht zu verlieren. Jedenfalls ist die Toranzahl pro Spiel im Vorhinein mit reiner Logik nicht vorhersagbar, auch nicht von den besten Fußballexperten. Und doch gibt es eine Formel, die die Zahl der Spiele, die mit einer bestimmten Anzahl von geschossenen Toren endet, gut beschreibt. Metin Tolan (2010, S. 105) behauptet nämlich, „dass sich Fußballmannschaften wie radioaktive Quellen verhalten und Tore nach der Poisson-Verteilung schießen.“

Ob das für Frauenfußball auch gilt, bedarf einer näheren Untersuchung.

2.5.2.1. Die Poisson-Verteilung

Siméon Denis Poisson wurde 1781 in Frankreich geboren und war einer der bedeutendsten Mathematiker und Physiker seiner Zeit. An der Universität École Polytechnique in Paris, wo er studierte, wurden seine Fähigkeiten schon früh erkannt. Dort wurde er 1806, nur acht Jahre nach Beginn seines Studiums, Professor und widmete sich in der Folgezeit vermehrt der Forschung. Er beschäftigte sich unter anderem mit der Theorie gewöhnlicher und partieller Differenzialgleichungen, entwickelte die Himmelsmechanik weiter und befasste sich mit Fragen der Schallausbreitung, der Elektrostatik als auch der Elastizität. Erst später widmete er sich intensiv dem Gebiet der Wahrscheinlichkeitsrechnung und begründete unter anderem den Begriff der „Poisson-Verteilung“.14 Außerdem war er Mitglied des Längenbüros und der Académie des Sciences (Greiner, 2008a, S. 497).

Pfanzagl (1991, S. 255) behauptet, dass die Poisson-Verteilung „neben der Binomial- Verteilung die wichtigste diskrete Verteilung ist und in den verschiedensten Situationen

14 Pfanzagl (1991, S. 255) behauptet jedoch, die Benennung nach Poisson wäre kaum gerechtfertigt, da diese Verteilung bereits de Moivre (1718) bekannt war, erst von Bortkiewicz (1898) soll schließlich auf ihre Bedeutung hingewiesen haben. 31 auftritt.“ Eine Binomialverteilung verwendet man, um die Wahrscheinlichkeit einer speziellen Anzahl von Erfolgen für eine bestimmte Anzahl von Bernoulli-Experimenten15 zu berechnen (Oestreich & Romberg, 2010). Ein einfaches und leicht verständliches Beispiel wäre der Münzwurf, bei dem mit Hilfe der Binomialverteilung verschiedene Ausgänge berechnet werden können.

Laut Sachs (2004, S. 285) wird die Poisson-Verteilung demnach „für die Lösung der Probleme benutzt, die beim Zählen relativ seltener zufälliger und voneinander unabhängiger Ereignisse in der Zeit-, Längen-, Flächen- oder Raumeinheit auftreten. Man spricht auch von isolierten Ereignissen in einem Kontinuum“. Sie gilt also, „wenn die durchschnittliche Anzahl der Ereignisse das Ergebnis einer sehr großen Zahl von Ereignismöglichkeiten und einer sehr kleinen Ereigniswahrscheinlichkeit ist.“

Das Verhalten von radioaktiven Radiumatomen, bei dem viele Millionen einzelner Atome unabhängig voneinander und unabhängig von der Zahl schon zerfallener Atome zerfallen, sei hierfür ein gutes Beispiel. So sollen überraschender Weise etwa auch gewisse Verteilungen, wie zum Beispiel jene von Rosinen in einem Rosinenbrot, die Anzahl der Druckfehler pro Seite eines Buchs oder die Häufigkeit von Unwettern in einem bestimmten Gebiet annähernd einer Poisson-Verteilung folgen (Sachs, 2004, S. 285).

Bezogen auf den Fußball soll, wie schon erwähnt, also auch die Zahl der Spiele, die mit einer bestimmten Anzahl erzielter Tore enden, gut mit der Poisson-Verteilung erklärt werden können.

Die hierzu benötigte Formel16 für die Poisson-Verteilung lautet:

Bezogen auf Radioaktivität würde die Wahrscheinlichkeit angeben, dass bei einer radioaktiven Substanz mit einer Quellenstärke a genau k Zerfälle eintreten (Mathelitsch, Thaller, & Duenbostl, 2008, S. 84).

15 Benannt nach dem Schweizer Mathematiker Jakob Bernoulli (1654-1705). Es beschreibt einen Vorgang, bei dem die Wahrscheinlichkeit A eines bestimmten Erfolges eintritt oder nicht. Jede Wiederholung ist unabhängig voneinander und die Wahrscheinlichkeit von sei immer dieselbe (Warmuth & Warmuth, 1998, S. 70). 16 Dargestellt wie bei Tolan (2010, S. 80f) 32

Bezogen auf den Fußball zeigt die Formel an, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Spiel mit einer Gesamtzahl von Toren endet, wenn im Durchschnitt Tore pro Spiel fallen, sei dabei für die Euler’sche Zahl17.

Die Formel kann auch anders verwendet werden. Sie gibt auch an, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Mannschaft in einem Spiel Tore schießt, wenn sie im Durschnitt Tore pro Spiel erzielt.

2.5.2.2. Die Poisson-Verteilung und ihre Verwendung in Excel

Natürlich muss man diese Formel nicht immer per Hand in den Taschenrechner eintippen, wenn man etwas berechnen will. Mit dem Programm Microsoft Excel kann man beispielsweise mühelos mit der Poisson-Formel arbeiten.

Um in Excel mit Poisson arbeiten zu können, braucht man selbstverständlich erst die benötigten Datensätze, sprich Zahlen. Hat man schließlich den Werte (für die durchschnittliche Toranzahl) berechnet und (für die zu erwartende Toranzahl) definiert, kann man mit der Auswertung beginnen. Des Weiteren muss jedoch darauf geachtet werden, dass bei der Formel im Feld „Kumuliert“18 als Wahrheitswert 0 oder FALSCH eingegeben wird, um nur die Wahrscheinlichkeit anzuzeigen, dass die Anzahl der Ereignisse genau sein wird (siehe Abbildung 12).

17 Die Euler’sche Zahl ist die Basis der natürlichen Logarithmusfunktion (Hachenberger, 2008, S. 595), sie wurde benannt nach Leonard Euler (1707-1783), einem schweizer Mathematiker (Knorrenschild, 2007, S. 78). 18 Kumuliert ist der Wahrheitswert, der den Typ der Funktion bestimmt. Ist Kumuliert mit „Wahr“ belegt, gibt Poisson den Wert der Verteilungsfunktion der jeweiligen Poisson-Verteilung zurück, also die Wahrscheinlichkeit, dass die Anzahl zufällig eintretender Ereignisse zwischen 0 und einschließlich k liegt. Ist Kumuliert mit „Falsch“ belegt, gibt Poisson den Wert der Wahrscheinlichkeitsfunktion zurück, also die Wahrscheinlichkeit, dass die Anzahl der Ereignisse genau k sein wird. Quelle: Excel-Hilfe 33

Abbildung 12: Screenshot eines Poisson-Eingabefensters in Excel

Als Rechenbeispiel wird in der Folge das Finale der Frauen-Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland verwendet. Es trafen dort die Mannschaften aus Japan und den USA aufeinander, wobei die Japanerinnen mit dem 5:3 nach Elfmeterschießen, nach 120 Minuten war es 2:2 gestanden, das bessere Ende für sich hatten. Wie groß die Wahrscheinlichkeit für dieses aber auch jedes andere Ergebnis war, kann man mittels der Poisson-Verteilung berechnen.

In Abbildung 13 sieht man einen Screenshot aus dem Programm Excel. Es wurde hier mittels der Poisson-Verteilung berechnet, wie viele Tore die japanische Mannschaft im Finale voraussichtlich erzielen würde. Die Wahrscheinlichkeiten jeder einzelnen Möglichkeit einer erzielten Trefferanzahl wurde tabellarisch dargestellt und in einem Balkendiagramm wiedergegeben.

34

Abbildung 13: Screenshot aus Excel - Berechnung der von Japan zu erwartenden Tore im Finale

Demnach lag die Wahrscheinlichkeit, dass Japan kein Tor im Finale erzielen würde, bei 16,53 %. Höher war die Wahrscheinlichkeit auf ein Tor mit knapp 30 % oder auf zwei Tore mit fast 27 %. Die Chance, dass die Japanerinnen drei Treffer erzielen würden, lag auch noch bei 16 %, hingegen sank der Prozentsatz gemeinsam mit der steigenden Anzahl der zu erwartenden Treffer stark ab. Es ist also zu erkennen, dass wir von Japans Mannschaft tatsächlich mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten konnten, dass sie im Finale ein oder zwei Tore erzielen würde. Obwohl der mit = 1,8 errechnete Durchschnitt der erzielten Tore pro Spiel der Japanerinnen aus den lediglich fünf zuvor absolvierten Spielen errechnet wurde, gibt die Poisson-Verteilung doch ein recht gutes Leistungsbild der Mannschaft wieder. Die Schreibweise der verwendeten Formel im Excel-Programm ist im linken unteren Bildrand fett gedruckt erkennbar.

In der nächsten Grafik (Abbildung 14) sieht man in einem weiteren Screenshot aus dem Programm Excel, wie die Partie komplett simuliert werden kann.

35

Abbildung 14: Screenshot aus Excel – Berechnung des Spiels Japan – USA

Die Stärke von Japan und den USA wurde aus den durchschnittlich erzielten Toren im Laufe des Turniers berechnet. Es handelt sich hier also um ein reines Offensiv-Modell.

Man kann also mit der Poisson-Verteilung nicht nur die Wahrscheinlichkeit dafür ausrechnen, wie viele Treffer insgesamt in einem Spiel fallen, sondern auch wie viele Tore eine bestimmte Mannschaft in einem einzelnen Spiel erzielt.

Die Stärke ist hier unser und die jeweilige berechnete Toranzahl unser k, beziehungsweise l. Mittels der Formelfunktion des Programmes kann so die Wahrscheinlichkeit jedes einzelnen Ergebnisses mathematisch berechnet werden, wie in der Tabelle rechts oben im Bild erkennbar ist. Die Schreibweise der jeweiligen Formel ist im linken unteren Bildrand zu sehen. Hat man nun jedes theoretisch zu erwartende Ergebnis berechnet und summiert diese, ergeben sich daraus Prozentzahlen. So hatte beispielsweise ein Sieg Japans eine Wahrscheinlichkeit von 35,4 %, ein Sieg der USA 43,2 % (da sie davor im Laufe des Turniers mehr Tore erzielen konnten) und die Chance auf ein Unentschieden betrug vor dem Spiel immerhin 21,2 %. Als wahrscheinlichstes Resultate gab die Formel die Ergebnisse 1:1 (das war in der Tat das Ergebnis nach 90 Minuten) und 1:2 mit jeweils 8,1 % aus. Dicht gefolgt von 2:2 (dies war das Ergebnis nach der Verlängerung) mit 7,2 %. Das Ergebnis war also der Berechnung nach keine wirkliche Überraschung. Natürlich hätte es auch gut und gerne 4:4 ausgehen können, die Wahrscheinlichkeit war jedoch mit nicht einmal 1 % verschwindend gering.

Die Berechnung mittels der Poisson-Verteilung hat hier in diesem Beispiel also eindrucksvoll bewiesen, dass man Fußballergebnisse im Vorfeld mit guter 36

Wahrscheinlichkeit in der Regel doch ziemlich genau berechnen kann. Laut Neuendorf (2004, S. 22) hat sich die Poisson-Verteilung im Laufe der Zeit sogar für Buchmacher als eine beliebte Methode herausgestellt, um Spielvorhersagen im Fußball zu tätigen. Wettquoten werden also oft ebenfalls mit der Poisson-Verteilung berechnet, was für die Qualität der Vorhersagekraft spricht.

Jedoch muss erwähnt werden, dass amerikanische Wissenschaftler den Zufallsanteil bei verschiedenen Sportspielen untersuchten und festgestellt haben, dass beim Fußball am häufigsten unerwartete Ergebnisse eintreten (Mathelitsch, Thaller, & Duenbostl, 2008, S. 83). Genau das macht den Fußball letzten Endes auch so interessant für Wetten.

2.5.2.3. Torverteilung und Berechnung

Fußballmannschaften sind also wie radioaktive Quellen, indem sie mit der gleichen Wahrscheinlichkeit Tore »emittieren«, mit der Atomkerne zerfallen. (Tolan, 2010).

Es ist hier jedoch wichtig zu erwähnen, dass das Modell mit der Poisson-Verteilung ein sehr einfaches ist, da lediglich die Zahl der geschossenen Tore als Mannschaftsstärke herangezogen wird. Die defensiven Fähigkeiten einer Mannschaft werden außer Acht gelassen. Darüber hinaus muss in diesem Modell davon ausgegangen werden, dass alle Tore in einem Fußballspiel unkorreliert voneinander erzielt werden, wovon jedoch ausgegangen werden kann, da im Fußball ja nur verhältnismäßig wenige Tore fallen. Anders verhält es sich beispielsweise beim Handball, wo ja schon der alleinige Ballbesitz (wechselt bei Torerfolg) bedeutet, dass eine Mannschaft mit einer hohen Wahrscheinlichkeit das nächste Tor erzielt.

Da sich Metin Tolan (2010) hauptsächlich auf die deutsche Bundesliga bezieht, schauen wir uns zunächst die Verteilung der Tore dort an (siehe Abbildung 15).

37

Gefallene Tore pro Spiel: Deutsche Bundesliga seit Saison 1963/1964 3500

3000

2500

2000

1500

Anzahl der Anzahl Spiele 1000

500

0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Gefallene Tore k pro Spiel

Abbildung 15: Torverteilung in der Deutschen Bundesliga

Die Grafik19 zeigt die Zahl der Spiele seit der Saison 1963/1964, bei denen insgesamt Tore gefallen sind. So kann man etwa ablesen, dass es bislang nicht ganz 1000 Spiele mit =0 Toren gab, sprich Spiele, die 0:0 endeten. Man kann auch erkennen, dass es an die 3000 Begegnungen gab, in denen exakt 3 Tore fielen, sprich Matches mit dem Endresultat 3:0, 2:1, 1:2 und 0:3. Die meisten Spiele gibt es laut Grafik mit =2 Toren, was darauf schließen lässt, dass die Ergebnisse 2:0, 1:1 und 0:2 zusammen am häufigsten vorkommen.

Generell sieht man, dass die Verteilung bei einem bestimmten Wert beginnt, durch ein Maximum läuft und dann für größer werdende Werte stark abnimmt, so gibt es also nur noch sehr wenige Spiele, bei denen etwa neun Tore oder mehr fallen.

In der nächsten Grafik (Abbildung 16) sieht man die theoretische Torverteilung, die mittels der Poisson-Verteilung für die mittlere Toranzahl =3,0820 mathematisch berechnet wurde.

19 Zahlen unter www.dasfussballstudio.de (Stand: Juli 2011) 20 Berechneter Wert: In bislang 14.626 Spielen wurden insgesamt 45.052 Tore erzielt. Zahlen wieder unter www.dasfussballstudio.de (Stand: Juli 2011) 38

Berechnung mittels Poisson-Verteilung 25,00%

20,00%

15,00%

10,00% Ergebnishäufigkeit für a=3,08

Anzahl derin Anzahl % Spiele 5,00%

0,00% 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Gefallene Tore k pro Spiel

Abbildung 16: Berechnung für die Deutsche Bundesliga mittels Poisson-Verteilung

Auf den ersten Blick lässt sich eine recht gute Übereinstimmung in der Tendenz erkennen, dass es jedoch trotzdem zu leichten Abweichungen kommt, zeigt sich bei einer Überlagerung beider Grafiken in Abbildung 17.

Tatsächliche Verteilung und Berechnung: Deutsche Bundesliga

25,00%

20,00%

15,00% Berechnete Verteilung mit 10,00% Poisson für a=3,08 Tatsächliche Verteilung

5,00% Anzahl derin Anzahl % Spiele 0,00% 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Gefallene Tore k pro Spiel

Abbildung 17: Tatsächliche und mittels Poisson-Verteilung berechnete Torverteilung der deutschen Bundesliga 39

Es gibt offensichtlich mehr 0:0 Ergebnisse, als es die Kurve der Poisson-Verteilung vorhergesagt hat. Dafür gibt es in der Theorie mehr Ergebnisse mit einem erzielten Tor, sprich die Resultate 1:0 und 0:1. Die größte Abweichung gibt es bei den Spielen, in denen drei Tore erzielt werden, also alle 3:0, 1:2, 2:1 und 0:3 Partien. Hier gab es in Wahrheit in der Vergangenheit etwa 300 Spiele weniger, die mit dieser Gesamttrefferzahl endeten, als mit der Poisson-Verteilung berechnet. Obwohl die beiden Grafiken also optisch recht gut harmonieren, zeigt ein Chi-Quadrattest, dass sich die Werte doch signifikant voneinander unterscheiden. Bei einer derart großen Anzahl an Spielen (14.636) müssten die berechneten Ergebnisse fast mit den beobachteten übereinstimmen. Daher ergibt der Chi- Quadrattest einen signifikanten Unterschied. Entscheidend ist jedoch viel mehr, wie groß die relative Abweichung von der jeweils vorhergesagten Anzahl an Toren ist. Wenn man diese relative Abweichung mit 100 multipliziert, also in Prozent ausdrückt, sieht man, dass sie nur bei drei Toren etwas über 2 % liegt, sonst immer darunter. Nimmt man die Anzahl der Spiele mit drei Toren als Basis, liegt die Abweichung gar bei knapp 11 %, was die unterschiedliche Höhe der Balken noch besser beschreibt. Man kann also sagen, dass mit der Poisson-Verteilung die Werte auf etwa 2 % Genauigkeit vorhergesagt werden können, was dem entspricht, was man an der Grafik sieht.

Die tatsächliche und berechnete Anzahl von Spielen mit einer bestimmten Trefferzahl in der österreichischen Bundesliga wird in Abbildung 18 dargestellt.

Tatsächliche Verteilung und Berechnung: Österreichische Bundesliga

30,00%

25,00% 20,00% 15,00% Berechnete Verteilung mit Poisson für a=2,815 10,00% Tatsächliche Verteilung

5,00% Anzahl derin Anzahl % Spiele 0,00% 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Gefallene Tore k pro Spiel

Abbildung 18: Tatsächliche und mittels Poisson-Verteilung berechnete Torverteilung der österreichischen Bundesliga 40

Auch hier kann man der Grafik entnehmen, dass die Poisson-Verteilung eine sehr gute Voraussagekraft für die Toranzahl pro Spiel hat. Zu kleinen Abweichungen kommt es bei den 0:0 Spielen, hier endeten mehr Spiele ohne Treffer, als in der Theorie angenommen. Auch bei Spielen mit einem oder drei Treffern liegt die Vorhersage nicht ganz richtig. Zu viele 1:0, 0:1, 3:0, 2:1, 1:2 und 0:3 wurden errechnet, als es in der Realität letztendlich gab. Der berechneten relativen Abweichung zufolge kann hier die Anzahl der Tore auf knapp 3 % Genauigkeit vorhergesagt werden. Die Poisson-Kurve zeigt also auch bei Spielen mit einer höheren Anzahl erzielter Tore eine gute Übereinstimmung mit der Wirklichkeit.

Als nächstes soll untersucht werden, ob sich Frauenmannschaften, ebenso wie die Männer, wie radioaktive Quellen verhalten und Tore nach der Poisson-Verteilung erzielen. Das Prinzip ist also dasselbe wie bei den männlichen Kollegen, es werden die tatsächliche und die berechnete Torverteilung bei den Frauen gegenübergestellt. Hierfür werden die Daten21 aller bisherigen Weltmeisterschaften (mit und ohne Qualifikationsspiele) verwendet.

In Abbildung 19 sieht man zunächst die mittels Poisson-Verteilung errechnete und die tatsächliche Torverteilung für alle bisherigen Weltmeisterschaften ohne Qualifikation.

Tatsächliche Verteilung und Berechnung: Frauen-WM ohne Qualifikation

25,00%

20,00%

15,00% Berechnete Verteilung mit Poisson für a=3,472 10,00% Tatsächliche Verteilung

Anzahl derin Anzahl % Spiele 5,00%

0,00% 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Gefallene Tore k pro Spiel

Abbildung 19: Tatsächliche und mittels Poisson-Verteilung berechnete Torverteilung ohne Qualifikation

21 Zahlen wieder unter www.dasfussballstudio.de (Stand: Juli 2011) 41

Die Abbildung zeigt, dass auch bei den Frauen die Poisson-Verteilung rein optisch überraschend gut die Zahl der Spiele beschreibt, die mit einer bestimmten Anzahl geschossener Tore endet. Und das, obwohl lediglich 180 Spiele als Referenz dienen, denn die Frauen-Weltmeisterschaft fand schließlich erst sechs Mal statt. Lediglich bei den Spielen mit einem erzielten Tor, sowie sechs und acht Treffern kommt es zu bemerkenswerten Abweichungen. So sind in der Realität etwas mehr Spiele mit 1:0 oder 0:1 ausgegangen, als mit der Poisson-Verteilung berechnet wurden. Die relative Abweichung liegt hier bei 3,1 % und bei sechs erzielten Toren pro Spiel 3,7 %. Ansonsten gibt es keine nennenswert großen Abweichungen. Ein durchgeführter Chi-Quadrattest ergibt einen Wert von 7,57 %. Das bedeutet, dass sich die errechneten Werte nicht signifikant von den beobachteten unterscheiden.

Die Poisson-Kurve deutet übrigens auch auf ein Spiel mit zehn Treffern hin. In Wahrheit gab es bemerkenswerter Weise ein Spiel mit neun22 Volltreffern und auch eines mit elf23, jedoch keines mit zehn.

Man erkennt aber, dass bei den höheren Ergebnissen die Vorhersagen nicht mehr so gut mit den tatsächlichen Resultaten übereinstimmen, was daran liegen könnte, dass die durchschnittlich erzielte Zahl von Toren bei den Frauen deutlich höher ist, als bei den Männern und die Poisson-Verteilung für höhere Mittelwerte eine nicht mehr so gute Vorhersagekraft hat, wenn es um die Berechnung von Torverteilungen einer gesamten Liga oder eines gesamten Turnieres geht, im Gegensatz zur Berechnungen einzelner Spiele. Dazu und zu anderen geschlechterspezifischen Unterschieden später mehr.

Nimmt man nun zu den gesammelten Daten der Weltmeisterschaften auch noch die Resultate aus den dazugehörigen Qualifikationsspielen, kommt man zu einem etwas anders aussehenden Ergebnis, zu sehen in Abbildung 20.

22 Am 20.09.2007 bei der WM in China endete das Spiel Norwegen-Ghana mit 7:2 (3:0). 23 Am 10.09.2007 bei der WM in China endete das Spiel Deutschland-Argentinien mit 11:0 (5:0). 42

Tatsächliche Verteilung und Berechnung: Frauen-WM mit Qualifikation 25,00%

20,00%

15,00% Berechnete Verteilung mit Poisson für a=3,790 10,00% Tatsächliche Verteilung

Anzahl derin Anzahl % Spiele 5,00%

0,00% 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 19 21 Gefallene Tore k pro Spiel

Abbildung 20: Tatsächliche und mittels Poisson-Verteilung berechnete Torverteilung mit Qualifikation

In der Abbildung kann man deutlich sehen, dass die Berechnung der Wahrscheinlichkeiten mit der Poisson-Verteilung diesmal nicht gut mit der Realität übereinstimmt. Eine Berechnung ergibt relative Abweichungen bis zu 7,8 %. Die Poisson-Verteilung sagt weit mehr Spiele voraus, die mit einer gesamten Trefferanzahl von zwei, drei, vier, fünf und sechs Toren enden, als es in Wirklichkeit vorkam. Dafür gab es in der Realität weit mehr Begegnungen mit einer hohen Trefferanzahl als berechnet. Diese starken Abweichungen kommen dadurch zustande, dass der Leistungsunterschied zwischen einigen teilnehmenden Nationalteams in der Qualifikation einfach zu groß ist. So gab es beispielsweise vier Spiele mit einer Trefferanzahl von 21. Auch sonst gab es eine Reihe von Spielen, die mit einer Anzahl von zwölf, 15 oder 17 Toren endeten. Man sieht also wieder, dass die Poisson- Verteilung mit einer durchschnittlichen Quellenstärke unterschiedlich starker Mannschaften Torverteilungen nur näherungsweise beschreiben kann. Einzelne Spielausgänge hingegen können mit zwei individuellen Quellenstärken berechnet werden, wenn der Leistungsunterschied der Mannschaften groß ist.

Führt man die Untersuchung nun lediglich für die Frauen-Weltmeisterschaft in Deutschland durch, kommt man zu den Ergebnissen in Abbildung 21.

43

Daten und Theorie WM 2011 30,00%

25,00%

20,00%

15,00% Berechnete Verteilung mit Poisson für a=2,687 10,00% Tatsächliche Verteilung

Anzahl derin Anzahl % Spiele 5,00%

0,00% 0 1 2 3 4 5 6 Gefallene Tore k pro Spiel

Abbildung 21: Berechnung für die Frauen-WM 2011

Wie man deutlich erkennen kann, korrelieren die tatsächlichen Ergebnisse rein optisch in keinster Weise mit der mittels Poisson-Verteilung berechneten Wahrscheinlichkeiten. Und das, obwohl die mittlere Toranzahl diesmal um einiges niedriger ist als bei den anderen Berechnungen. Was auffällt, ist die niedrige Anzahl an Spielen mit insgesamt zwei erzielten Toren, was letztendlich zu der Verschiebung der Prozentzahlen führt. Die relative Abweichung ergibt hier auf die Gesamtanzahl der Spiele (32) gerechnet 12,1 %. Auch die anderen Abweichungswerte sind recht hoch. Ein durchgeführter Chi-Quadrattest ergibt einen Wert von 31,4 % Prozent, die Werte unterscheiden sich somit jedoch nicht signifikant.

Die im Verhältnis niedrige mittlere Toranzahl pro Mannschaft lässt jedoch darauf schließen, dass sich der Frauenfußball weiterentwickelt hat, sprich der Klassenunterschied zwischen den einzelnen Nationalteams nicht mehr so groß ist, wie er früher war, was auch ARD-Kommentator und Frauenfußball-Experte Bernd Schmelzer während des WM- Finales anmerkte. Es gab bei der WM 2011 auch keine Spiele mit sieben oder mehr Toren, was auch auf ein relativ ausgeglichenes Leistungsniveau hindeutet. Der Trend zu weniger torreichen Spielen im Frauenfußball ist somit deutlich erkennbar.

44

Dass aber auch eine kleine Anzahl an Spielen durchaus gut mit der Poisson-Verteilung beschrieben werden kann, zeigt die Auswertung der Weltmeisterschaft der Männer 2010 (Abbildung 22).

Daten und Theorie WM 2010 30,00%

25,00%

20,00%

15,00% Berechnete Verteilung mit Poisson für a=2,265 10,00% Tatsächliche Verteilung

Anzahl derin Anzahl % Spiele 5,00%

0,00% 0 1 2 3 4 5 6 7 Gefallene Tore k pro Spiel

Abbildung 22: Berechnung für die Männer WM 2010

Man sieht also sehr deutlich, dass trotz der kleinen Datenmenge (64 Spiele) eine einigermaßen respektable Übereinstimmung erzielt werden kann. Es gibt zwar ein paar Abweichungen, aber trotzdem ist eine optische Korrelation der tatsächlichen Werte mit der Poisson-Verteilung eher gegeben, als bei den Frauen. Die relative Abweichung erreicht hier bei den Spielen mit zwei Toren mit 6,3 % den mit Abstand höchsten Wert. Die restlichen Werte befinden sich jenseits der 3 %, was auf eine gute Übereinstimmung schließen lässt. Der durchgeführte Chi-Quadrattest ergibt einen Wert von 73,9 %.

45

2.5.3. Die Wahrscheinlichkeit eines Unentschiedens hängt von der Toranzahl ab

Im Fußball enden nach allgemeiner Recherche in etwa rund ein Viertel aller Spiele mit einem Unentschieden. Doch wovon hängt es ab, ob ein Spiel letztendlich wirklich ohne Sieger endet? Natürlich zählen in erster Linie vor allem Faktoren wie die Qualität einer Mannschaft, der mathematisch und psychologisch schon häufig durchleuchtete, tatsächlich existierende Heimvorteil, Tagesverfassung jedes einzelnen Spielers, die vom Trainer ausgegebene taktische Ausrichtung, das verwendete Spielsystem und noch viele weitere. Mathematisch und auch statistisch gesehen hängt jedoch die Gesamtzahl der erzielten Tore in einem Spiel mit der Wahrscheinlichkeit eines Unentschiedens entscheidend zusammen. In diesem Abschnitt soll die Korrelation der pro Spiel erzielten Tore und der Häufigkeit von Unentschieden im Fußball untersucht werden.

Tolan (2010, S. 78) merkt in diesem Zusammenhang an: „Je höher die durchschnittliche Zahl der pro Spiel erzielten Tore […], desto weniger Unentschieden treten offensichtlich auf“. Des weiteren weist er darauf hin, dass man den „Zusammenhang zwischen Torrate und Häufigkeit von Unentschieden tatsächlich mathematisch exakt mit einer Formel beschreiben“ kann. Tolan verweist in Folge dessen auf die Formel einer modifizierten Bessel-Funktion24, man kann jedoch auch mit der Hilfe der Poisson-Verteilung arbeiten, wie wir sehen werden.

Zunächst soll einmal die Erklärung dafür gegeben werden, warum es bei steigender Toranzahl zu immer weniger Unentschieden kommen müsste. In einem Spiel muss, damit es ein Unentschieden geben kann, eine gerade Anzahl an Toren fallen (Ausnahme: 0:0). Fallen in einem Spiel beispielsweise zwei Tore, so gibt es drei mögliche Spielausgänge: 2:0, 1:1 und 0:2. Das heißt, rein rechnerisch liegt die Wahrscheinlichkeit für ein Unentschieden bei 33 %. Fallen in einem Spiel vier Tore, sieht die Sache schon ganz anders aus. Die möglichen Resultate sind nun 4:0, 3:1, 2:2, 1:3 und 0:4. Nun ist die Wahrscheinlichkeit für ein Unentschieden nur noch 1/5. Bei sechs Treffern in einem Spiel sinkt die Wahrscheinlichkeit gar auf 1/7. Dieses Prinzip lässt sich fortsetzen. Daraus lässt sich erkennen, warum bei steigender Toranzahl die Zahl der Unentschieden weniger wird. Die möglichen Spielausgänge, bei dem eines der beiden Teams siegt, steigen demnach mit der Trefferzahl. Diese Überlegung kann nur für eine gerade Anzahl erzielter Tore angestellt werden, da es bei etwa drei Toren natürlich kein Unentschieden geben kann.

24 Benannt nach Friedrich Wilhelm Bessel (1784-1846). Bessel war ein großer deutscher Astronom und Mathematiker (Lavrinovič, 1995). 46

Die Zahl der Unentschieden kommt also nicht zufällig zustande. Der Prozentsatz an Unentschieden von etwa 25% in der deutschen Liga liegt bei drei Toren pro Spiel tatsächlich genau in der Mitte der Überlegungen für zwei und vier Tore im Spiel.

In der Realität wird dieser Tatbestand mit Daten belegt. Da sich Tolan mit seinen Aussagen auf die deutsche Bundesliga bezieht, sieht man in Abbildung 23 eine Grafik aller Unentschieden, die es in der Deutschen Bundeliga bisher gab25, mit der dazugehörigen Trefferanzahl.

Unentschieden mit k Toren pro Mannschaft 1800

1600

1400 1200 1000 800 600

400 Anzahl Unentschieden Anzahl 200 0 0 2 4 6 8 10 Anzahl der Tore k bei einem Unentschieden

Abbildung 23: Unentschieden in der deutschen Bundesliga seit Saison 1963/1964

Es ist deutlich zu erkennen, dass die Zahl der Unentschieden mit der Anzahl der erzielten Tore pro Spiel abnimmt. Einzige Ausnahme stellen die 0:0 Spiele dar. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spiel torlos endet, ist deshalb geringer, da der Torschnitt pro Spiel mit 3,08 einen relativ großen Wert aufweist.

Das ist nicht weiter überraschend, was jedoch bemerkenswert ist, ist die Tatsache, dass man wieder mit Hilfe der Poisson-Verteilung die Zahl der Unentschieden berechnen kann. Dafür wird als mittlere Toranzahl a einfach die Hälfte des ursprünglichen Wertes

25 Zahlen wieder unter www.dasfussballstudio.de (Stand: Juli 2011) 47 angenommen (alle Teams werden demnach gleich stark angesetzt)26. Das Ergebnis für die jeweilige berechnete Toranzahl wird dann mit sich selbst multipliziert.

Die Berechnung wird in Abbildung 24 im Detail gezeigt.

Abbildung 24: Screenshot aus Excel – Berechnung der Unentschieden der deutschen Bundesliga

Die Berechnung mittels der Poisson-Verteilung sieht dem Graphen, in dem die tatsächlichen Zahlen dargestellt sind, auf den ersten Blick schon sehr ähnlich. Fasst man nun die beiden Grafiken zusammen, ergibt sich folgendes Bild (Abbildung 25).

26 Der Schnitt von 3,08 Toren pro Spiel wird aufgeteilt und es wird angenommen, dass jede Mannschaft im Schnitt 1,54 Tore erzielt. 48

Unentschieden in der Deutschen Bundesliga: Daten und Theorie 14,00% 12,00%

10,00% 8,00% Mit Poisson berechnete

6,00% Verteilung für a=1,54 Spiele in % Spiele 4,00% Tatsächliche Verteilung 2,00% 0,00% 0 2 4 6 8 10 Anzahl der Tore k pro Spiel

Abbildung 25: Tatsächliche Anzahl der Unentschieden verglichen mit dem Ergebnis der Poisson- Verteilung

Es ist zu erkennen, dass die Wahrscheinlichkeit der Unentschieden mit k Toren pro Spiel recht gut mit der Poisson-Verteilung berechnet werden kann. Der einzige erwähnenswerte Unterschied liegt bei den torlosen Spielen vor, hier ergibt die Berechnung der relativen Abweichung 7,5 %. In der deutschen Bundesliga enden nämlich etwa 6,5 % aller Spiele mit 0:0, während die Berechnung einen um nicht ganz 2 % geringeren Wert voraussagt. Ansonsten stimmt die Berechnung in eindrucksvoller Weise selbst bei torreichen Unentschieden mit der Realität überein, was die berechneten Abweichungswerte bestätigen. Diese Erkenntnis lässt sich natürlich auch für die österreichische Bundesliga bestätigen, was zu erwarten war, da sich die Statistiken in Österreich nicht grundlegend von denen in Deutschland unterscheiden.

Die gute Vorhersagekraft der Poisson-Verteilung für die Unentschieden im Fußball wird nur noch dann exakter, wenn die mittlere Toranzahl noch niedriger wird. Da jedoch der niedrigste Wert der mittleren Anzahl der erzielten Treffer pro Mannschaft in einem Spiel mit a = 2,815 - zu finden in der österreichischen Bundesliga - noch immer recht groß ist, nehmen wir nun die Halbzeitwerte zur Analyse. Die mittlere Trefferanzahl sinkt so, würde ein Spiel nach 45 Minuten vorüber sein, drastisch auf a = 1,241. Wenn man also die Poisson-Verteilung für die Halbzeitergebnisse mit dem neuen Wert berechnet und

49 schließlich mit den echten Zahlen vergleicht, kommt man auf folgendes Ergebnis, zu sehen in Abbildung 26.

Unentschieden mit k Toren zur Halbzeit in der Österreichischen Bundesliga 35,00%

30,00% 25,00% 20,00% Mit Poisson berechnete 15,00% Verteilung für a=0,6205 10,00% Tatsächliche Verteilung

Anzhalder Spiele in % 5,00% 0,00% 0 2 4 6 Anzahl der Tore k pro Spiel

Abbildung 26: Daten und Theorie für die Unentschieden zur Halbzeit in der österreichischen Bundesliga

Die Behauptung, dass die Poisson-Verteilung in diesem Fall für kleine a noch exakter wird, bestätigt sich also. Die Grafik zeigt sehr deutlich, dass mit steigender Toranzahl die Zahl der Unentschieden stark sinkt. Bei der Berechnung stimmt diesmal auch die Wahrscheinlichkeit einer torlosen Begegnung mit den echten Daten sehr genau überein. Das heißt, dass mit der Poisson-Verteilung die Anzahl der Tore auf 2 % Genauigkeit vorhergesagt wird. Ein Chi-Quadrattest ergibt einen Wert von 4,24 %.

Nachdem die Poisson-Verteilung gut bei der Vorhersage von Unentschieden im Männerfußball funktioniert, soll diese nun im Frauenfußball getestet werden. Zuerst werden als Basis der Untersuchung die Ergebnisse aller bisherigen Weltmeisterschaften inklusive Qualifikation verwendet. In Abbildung 27 sieht man die tatsächlichen Daten im Vergleich mit der theoretischen Berechnung mittels Poisson-Verteilung.

50

Unentschieden bei Frauen Weltmeisterschaften (inklusive Qualifikation) 9,00%

8,00%

7,00% 6,00% 5,00% Mit Poisson berechnete 4,00% Verteilung für a=1,896 3,00% Tatsächliche Verteilung

2,00% Anzahl derin Anzahl % Spiele 1,00% 0,00% 0 2 4 6 8 10 12 Anzahl der Tore k pro Spiel

Abbildung 27: Unentschieden im Frauenfußball - Daten und Theorie

In der Grafik ist zu erkennen, dass diesmal die Berechnung mit der Poisson-Verteilung nicht mit der tatsächlichen Anzahl der Unentschieden im Frauenfußball übereinstimmt. Es enden offensichtlich viel weniger Spiele mit einem Unentschieden, als es die Theorie prognostiziert. Bei den Spielen, die 2:2 enden, ist der Unterschied besonders augenscheinlich, die berechnete relative Abweichung beträgt hier 53,5 %. Tatsächlich enden lediglich 9,7 % aller berücksichtigten Spiele mit einem Unentschieden, also deutlich weniger als bei den Männern, hier sind es im Schnitt rund 25 %. Die Abbildung bestätigt jedoch auch hier die Annahme, dass mit zunehmender mittlerer Trefferzahl pro Mannschaft die Zahl der Unentschieden abnimmt.

Nimmt man nun ausschließlich die Unentschieden der Weltmeisterschaft 2011 zur Hand, gibt es überhaupt keinen Zusammenhang mehr, wie Abbildung 28 erkennen lässt.

51

Daten und Theorie WM 2011 14,00%

12,00%

10,00%

8,00% Berechnete Verteilung mit 6,00% Poisson für a=1,343 Tatsächliche Verteilung

4,00% Anzahl derin Anzahl % Spiele 2,00%

0,00% 0 2 4 6 8 10 Gefallene Tore k bei einem Unentschieden

Abbildung 28: Unentschieden bei der WM 2011 - Daten und Theorie

Obwohl es bei der Weltmeisterschaft der Frauen 2011 in Deutschland mit 18,75 % einen höheren Prozentsatz an Unentschieden gab, als bei allen bisherigen Weltmeisterschaften, stimmt die berechnete Verteilung nicht mit den tatsächlichen Daten überein. So gab es untypischerweise mehr Spiele, die mit 2:2 endeten, als mit 1:1, was zu einer deutlichen Verschiebung der übrigen Prozentzahlen führt.

Im Endeffekt verhielten sich die Verteilungen von Unentschieden bei den Frauen bislang nicht wie die der Männer. Von Tabelle 6 kann man sämtliche Werte auf einen Blick ablesen. Insgesamt wurden zehn Werte, vier davon aus dem Frauenfußball, in der Grafik festgehalten.

52

Tabelle 6: Überblick aller berücksichtigten Bewerbe samt Daten und berechneten Werten

Bewerb Männer Torschnitt Unentschieden Berechnung Männer WM zur Halbzeit 1,23 42,74% 41,37% Österr. Bundesliga zur Halbzeit 1,241 41,13% 41,16% Deutsche Bundesliga zur Halbzeit 1,339 39,16% 39,34% Österreichische Bundesliga 2,815 26% 25,20% Männer WM 2,86 22,40% 24,97% Deutsche Bundesliga 3,08 25,80% 23,94%

Bewerb Frauen Frauen WM zur Halbzeit 1,467 34,44% 37,21% Frauen WM + Q zur Halbzeit 1,682 25,26% 37,24% Frauen WM 3,472 13,33% 22,38% Frauen WM + Q 3,792 9,70% 21,31%

Bei näherer Betrachtung der Zahlen wird die Aussage des Frauenfußball-Experten Hans Strikovic, dessen ausführliches Interview später folgt, bestätigt. Er beantwortete die Frage, was denn der größte Unterschied zwischen Männer- und Frauenfußball sei, schlicht und einfach mit dem Satz: „Frauen können nicht unentschieden spielen.“

Eine Übersicht über alle gesammelten Daten, die Unentschieden bei Männern und Frauen betreffend, sieht man in Abbildung 29. Hier sind die einzelnen Werte zusammen mit einer Theoriekurve bezüglich der tatsächlichen Mittelwerte dargestellt.

53

Unentschieden und Toranzahl 50,00% 45,00%

40,00% 35,00% 30,00% 25,00% Männer 20,00% Frauen 15,00% Poisson Unentschieden% in 10,00% 5,00% 0,00% 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 Mittlere Toranzahl a

Abbildung 29: Abhängigkeit des Unentschiedens von der Toranzahl - Daten und Theorie

Die obige Grafik stellt also die Abhängigkeit eines Unentschiedens von der Toranzahl dar. Als Daten wurden die Werte der mittleren Toranzahl eines bestimmten Bewerbes und dem dazugehörigen Prozentsatz an tatsächlichen Unentschieden verwendet.

Laut Statistik endeten zum Beispiel bislang in der österreichischen Bundesliga bei einer mittleren Toranzahl von = 2,815 pro Spiel genau 26 % aller Spiele mit einem Unentschieden. Der dazu berechnete Wert mittels Poisson-Verteilung beläuft sich auf 25,2 %, was gut übereinstimmt.

Grundsätzlich kann man erkennen, dass sämtliche berechnete Werte von Männerbewerben ausnahmslos sehr gut mit den tatsächlichen Daten übereinstimmen. So gut die Werte bei den Männern zusammenpassen, so schlecht verhält es sich bei den Frauen. Lediglich ein einziger Wert (Frauen WM zur Halbzeit) liegt in der Nähe der Theoriekurve. Alle anderen Werte von Frauenbewerben liegen weit entfernt von der berechneten Poisson-Verteilung.

2.5.4. Es gibt ein Muster in der Torverteilung

Bisweilen konnte man schon einige Unterschiede zwischen den Torverteilungen der Männer und denen der Frauen feststellen. Angefangen bei der Annahme, dass sich Fußballmannschaften wie radioaktive Quellen verhalten und Tore nach der Poisson-

54

Verteilung schießen, was bei den Frauen nicht immer so exakt zutrifft, bis hin zu den Unterschieden bei den Unentschieden. Mittlerweile wurden viele Statistiken von Mittelwerten untersucht, verglichen und analysiert. Nun soll untersucht werden, wie sich die Torverteilung innerhalb der Spiele verhält.

Dazu wurde wieder die Datenbank von www.dasfussballstudio.de zur Hilfe genommen. Mit einer speziellen Funktion des Programms kann so eine Grafik aufgerufen werden, in der die absolute Anzahl erzielter Tore in jeder einzelnen Spielminute dargestellt wird.

Als erstes soll die Verteilung der Tore in der deutschen Bundesliga näher betrachtet werden, da von ihr am meisten Daten vorliegen. In Abbildung 30 kann man hier einen klaren Verlauf feststellen.

Abbildung 30: Anzahl der erzielten Tore in der jeweiligen Spielminute in der deutschen Bundesliga

55

Die Grafik zeigt einen stetig ansteigenden Verlauf - verdeutlicht durch eine Linie, die den fließenden Mittelwert darstellt - von links unten nach rechts oben, mit einer Ausnahme in Minute 46. Das bedeutet, dass mit Fortdauer der Spiele immer mehr Tore pro Spielminute fallen. So kann man beispielsweise der Statistik entnehmen, dass bislang in der 10. Spielminute insgesamt 430 Tore fielen und in der 80. Spielminute schon ganze 604. Was sofort ins Auge sticht, sind die Ausreißer in Minute 45 und Minute 90, hier werden überdurchschnittlich viele Tore erzielt. Das liegt daran, dass zu den Toren, die tatsächlich in der jeweiligen Minute erzielt werden auch die Tore, die innerhalb der jeweiligen Nachspielzeit27 fallen, dazugerechnet werden. Wenn ein Tor also zum Beispiel in Minute 45+2 der ersten Halbzeit, sprich der Nachspielzeit, fällt, wird es Minute 45 zugeordnet, da es laut Regelwerk die letzte offizielle Spielminute der ersten Halbzeit ist. Spielminute 47 ist demnach offiziell die 2. Minute der zweiten Halbzeit. Etwas anders verhält es sich mit der Nachspielzeit der zweiten Halbzeit. Da nach 90 Minuten Schluss ist, wird bei Toren, die in der Nachspielzeit fallen, in Spielberichten oft die genaue Spielminute angegeben, die aber nicht ganz korrekt ist, weil die Nachspielzeit der ersten Halbzeit nicht berücksichtigt wird. In unserer Grafik sind, wie im Fall der ersten Halbzeit, die Tore, die in der Nachspielzeit erzielt werden, der 90. Spielminute zugeordnet. Da es bei manchen Spielen oft eine lange Nachspielzeit gibt, und den Mannschaften so noch viel Zeit für einen Torerfolg bleibt, liegt die Zahl der erzielten Tore hier bei 1257, was um etwa 150 % mehr ist, als die durchschnittliche Zahl der erzielten Tore pro Spielminute, die bei ziemlich genau 500 liegt.

Die in Gelb gehaltene Verlaufskurve, die den fließenden Mittelwert beschreibt, zeigt ebenfalls einen starken Abfall bei Minute 1, in der nur 194 Treffer erzielt wurden, ebenso wie bei Minute 46, in welcher 297 Tore fielen. Die niedrigen Werte lassen davon ausgehen, dass beide Mannschaften eines Fußballspiels zu Beginn der ersten und zweiten Halbzeit sehr vorsichtig agieren, um nicht zu sagen zögerlich, um nicht früh in Rückstand zu geraten. Außerdem braucht ein guter Spielzug, der oft die Basis eines Torerfolgs ist, eine gewisse Zeit, sich zu entwickeln. Spieler müssen sich demnach möglichst günstig, also dem Spielsystem des Gegners entsprechend, positionieren um eine Kombination entstehen lassen zu können. Das ist in der kurzen Zeit von lediglich einer Minute beinahe nicht möglich, wenn man bedenkt, dass sich zum Zeitpunkt des Anstoßes alle Spieler einer

27 In jeder Spielhälfte wird die Zeit nachgespielt, die verloren geht für Auswechslungen, Verletzungen von Spielern, Transport verletzter Spieler vom Spielfeld, Zeitschinden oder jeden anderen Grund. Die nachzuspielende Zeit liegt im Ermessen des Schiedsrichters. Quelle: www.fifa.com 56

Mannschaft in der eigenen Spielhälfte befinden müssen. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich also alle elf Spieler der verteidigenden Mannschaft hinter dem Ball. Es dauert eine gewisse Zeit, um sich als Mannschaft richtig zu positionieren und den Ball gezielt nach vorne zu bringen. Tore, die in der 1. oder 46. Spielminute fallen, sind demnach zumeist Zufallsprodukte in der Entstehung oder Einzelaktionen, begünstigt durch eine Unachtsamkeit oder einen schweren individuellen Fehler der gegnerischen Mannschaft. So wird der Ball oft unmittelbar nach dem Ankick überfallsartig hoch nach vorne gespielt, um ein Überraschungsmoment zu erzeugen oder einen Fehler des Gegners, der zu diesem frühen Zeitpunkt des Spiels vielleicht noch nicht vollends konzentriert und konsequent agiert, zu provozieren. Diese taktische Maßnahme, auch „Kick and Rush“28 genannt, führt nicht selten zu einem Torerfolg, wie man an der Statistik sieht.

Der Grund dafür, dass im Laufe eines Spiels die Zahl der erzielten Tore steigt, kann mehrere Gründe haben. Grundsätzlich steht zu Beginn eines Spiels die taktische Ordnung im Vordergrund. Zwischen den Mannschaften findet ein Abtasten statt, da sich keines der beiden Teams entblößen und ins offene Messer laufen will. Es wird grundsätzlich von jeder Mannschaft das Ziel verfolgt, auf keinen Fall in Rückstand zu geraten. Der Grund dafür ist offensichtlich, denn wenn man im Verlauf eines Spiels nie in Rückstand gerät, kann man es auch nicht verlieren. Deshalb wird die taktische Spielweise zu Beginn eher defensiv ausgerichtet, um auch etwaige Kontersituationen29, aus denen oft Tore fallen, zu vermeiden. Thömmes (2011, S. 98) versteht unter dem Begriff Taktik „das planmäßige, auf eigene und gegnerische Leistungsfähigkeit und die äußeren Umstände abgestellte Verhalten in einem Einzel- oder Mannschaftswettkampf.“

Wenn es umgehend und überfallsartig zu einem schnellen Gegenangriff kommt, dann kann oft eine ungeordnete Defensive die Folge sein, was die Chance auf einen Treffer dramatisch erhöht. Aus diesem Grund schalten sich beim Spielstand von 0:0 nur wenige Spieler in Angriffe ein, um eben ein solches Szenario zu vermeiden. Die Rede ist hier von „kontrollierter Offensive“, einem Begriff, der vom deutschen Trainer Otto Rehagel geprägt wurde. Dabei soll während eines Angriffs auch die Abwehr nicht vernachlässigt werden (Bausenwein & Knauer, 2008, S. 54).

28 Der Begriff stammt aus dem englischen Fußball und bedeutet frei übersetzt „schießen und stürmen“ (Thömmes, 2011, S. 80). 29 Als Konter wird eine Situation bezeichnet, „bei der die zuvor auf Defensive bedachte Mannschaft plötzlich bei Ballgewinn die Initiative ergreift und den Überraschungsmoment zu ihrem Vorteil ausnutzt. Der Konter erweist sich in diesem Fall als ein besonders effektives Instrument der Taktik“ (Thömmes, 2011, S. 166). 57

Nicht selten entwickelt sich daraus das sogenannte „Rasenschach“, eine Spielsituation, die von Taktik geprägt ist und bei der wenige Torchancen entstehen. Da jedoch die überwältigende Mehrzahl der Spiele in der deutschen Bundesliga nicht torlos endet, immerhin gibt es einen Schnitt von fast genau drei Toren pro Spiel, kommt es zu eben obiger Grafik. Wie es zu diesem allgemeinen Torschnitt von ungefähr drei Toren pro Spiel im Männerfußball30 kommt, kann theoretisch erklärt werden.

Wie beschrieben, ist die ausgeprägte Defensivtaktik in der Anfangsphase eines Spiels der ausschlaggebende Grund der dort geringen Toranzahl. Natürlich können aber zu jedem Zeitpunkt im Spiel Tore fallen, auch zu Beginn und auch wenn beide Mannschaften sehr defensiv spielen. Jedenfalls ändert ein Tor alles. Die Strategien und taktischen Überlegungen beider Teams ändern sich schlagartig und es entsteht eine völlig neue Situation. Natürlich will die Mannschaft, die in Rückstand geraten ist, den Ausgleich erzielen, die Mannschaft, die in Führung liegt, will das verhindern oder sogar den Vorsprung ausbauen. Grundsätzlich werden Spiele nach dem ersten erzielten Tor „offener“, das soll heißen, dass durch den neu entstandenen Offensivdrang des hinten liegenden Teams vermehrt Torchancen entstehen, was in weiterer Folge in der Regel zu mehr Toren führt. Zwar enden verhältnismäßig viele Spiele (etwa 12 %) mit einem 1:0 oder 0:1, doch noch viel mehr enden mit zwei oder mehr erzielten Toren.

Es entwickelt sich nach dem ersten Tor also eine Situation, die einen weiteren Torerfolg, egal welchen Teams, weiter begünstigt. Wenn ein Team mit 2:0 führt, gleicht das einer Vorentscheidung, da es relativ selten vorkommt, dass eine Mannschaft zwei Tore aufholen kann. Die führende Mannschaft versucht, das Ergebnis zu verwalten, sprich keinen Gegentreffer zu kassieren, und die hinten liegende Mannschaft versucht, das Spiel doch zu drehen oder - je nach Spielminute - wenigstens noch den Ausgleich zu schaffen, und wirft deshalb alles nach vorne. So ergeben sich wiederum Torchancen, auf der einen Seite durch den Druck vieler am Angriff beteiligter Spieler, auf der anderen Seite durch Kontersituationen. Diese Vielzahl an Torchancen begünstigt wiederum einen weiteren Torerfolg. Fällt jedoch das 1:1, ergibt sich eine ähnliche Situation, wie zu Beginn des Spiels, indem beide Mannschaften wieder aus einer gesicherten Abwehr heraus agieren. Da es jedoch in der Regel eine bessere Mannschaft gibt, die ein Spiel und somit den Gegner dominiert, will diese das Spiel auch gewinnen und erzeugt deshalb Druck. Das jedoch

30 Torschnitt pro Spiel im Männerfußball: Deutsche Bundesliga: 3,0; WM: 2,9; Österreichische Bundesliga: 2,8. Quelle: www.dasfussballstudio.de 58 unter Berücksichtigung der eigenen Stabilität in der Defensivordnung, um selbst nicht in Rückstand zu geraten.

Es ist eine logische Konsequenz, dass die Spieler mit Fortdauer des Spiels zunehmend körperlich und geistig ermüden. Durch die Ermüdung lässt die Konzentration im Laufe eines Spiels nach. Die hohe Zahl an Fehlern und Fouls, sowie die nachlassende taktische Disziplin am Ende einer Halbzeit, sind Aspekte, die zu einer steigenden Torwahrscheinlichkeit beitragen (Thömmes, 2011, S. 56).

Das erklärt also die steigende Zahl an Toren gegen Ende des Spiels. Natürlich spielen noch eine Reihe anderer Faktoren eine große Rolle, zum Beispiel die Qualität eingewechselter Spieler, die nicht selten eine Partie zu Gunsten ihrer Mannschaft drehen können, da sie unter anderem noch nicht ermüdet sind, Schiedsrichterentscheidungen zum Vorteil einer Mannschaft, sprich Elfmeter oder gelbe und rote Karten, die einer Mannschaft einen numerischen Vorteil am Feld verschaffen oder durch Glück begünstigte Tore, wie zum Beispiel abgefälschte Schüsse oder Eigentore. Platzverhältnisse, Witterungsbedingungen, Tagesverfassung einer Mannschaft sowie einzelner Spieler, Emotionen, Motivation, Selbstvertrauen, Angst, Aggressionen, Frustration und Moral sind einige weitere Mosaiksteinchen, die ein Spiel beeinflussen und oft gerade gegen Ende der 90 Minuten durch die steigende Spannung noch mehr zum Tragen kommen.

Der psychologische Einfluss der Fans im Stadion kann auch einen entscheidenden Vorteil für eine Mannschaft bringen, sei es durch Motivation des eigenen Teams oder durch Einschüchterung des Gegners oder des Schiedsrichters. Man denke an die berühmte „Rapid-Viertelstunde“31.

Die eben besprochene Grafik soll nun verglichen werden. Als erstes wird in Abbildung 31 der Torverlauf in Österreichs höchster Liga betrachtet.

31 Der grünweiße Anhang klatscht seit 1919 die letzten 15 Minuten eines Spiels ein, um bei den Kickern noch die letzten Reserven herauszukitzeln. Schon in den Jahren zuvor gelang es Rapid immer wieder, Spiele noch in der Schlussphase zu gewinnen. Die "Rapid-Viertelstunde" ist übrigens mehr als ein Mythos. In der abgelaufenen Saison trafen die Hütteldorfer 26mal in der letzten Viertelstunde (plus Nachspielzeit), gleich doppelt so oft wie die in dieser Disziplin zweitplatzierte Austria. Fünfmal brachte Rapid das den Sieg, dreimal ein Unentschieden (Bunda, 2011). 59

Abbildung 31: : Anzahl der erzielten Tore in der jeweiligen Spielminute in der österreichischen Bundesliga

Wie man sieht, ist der Verlauf in Österreich nahezu ident mit dem Verlauf in der deutschen Liga. Das lässt vermuten, dass sich der Männerfußball in den Profiligen Europas generell recht ähnlich verhält, was die Anzahl der erzielten Tore pro Spielminute betrifft. Zum Unterschied folgt nun in Abbildung 32 eine Grafik selben Schemas mit den Daten aller bisherigen Weltmeisterschaften der Frauen.

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Abbildung 32: : Anzahl der erzielten Tore in der jeweiligen Spielminute in den bisherigen Weltmeisterschaften der Frauen

Es ist im Vorfeld natürlich zu sagen, dass die Menge an verfügbaren Daten zu Frauen- Weltmeisterschaften ob der jungen Geschichte des Frauenfußballs noch nicht sehr groß ist.32 Es macht auch wenig Sinn, sich nur die Daten des letzten Turniers anzusehen, da die Datenmenge in diesem Fall nicht so aussagekräftig wäre.

Trotz der relativ geringen Datenmenge lässt sich zwar ein gewisser, schwacher Trend erkennen, aber insgesamt ist der Verlauf sehr unregelmäßig. Betrachtet man die grünen

32 Der Statistik liegen 180 Spiele zu Grunde. 61

Balken, die die jeweilige Toranzahl wiedergeben, im Einzelnen, so fällt auf, dass die Tore keineswegs einer Regelmäßigkeit folgen. Die Tore fallen offenbar nahezu willkürlich. Die Verteilung der Tore bei den Frauen folgt also offensichtlich nicht den Gesetzen des Männerfußballs, so gibt es auch in Minute 45 keinen Anstieg an Toren. Das mag vielleicht daran liegen, dass der Fußball bei den Frauen nicht so sehr von Taktik geprägt ist, wie bei den Männern. Viele Fans schätzen genau das am Frauenfußball. Es gibt hier weniger Geplänkel, sondern es gibt oft von Beginn weg einen offenen Schlagabtausch. Defensive wird nicht so groß geschrieben wie bei den Männern. Frauen suchen offenbar zu jedem Zeitpunkt im Spiel ihr Glück in der Offensive. Die Motivation und die Emotionen oder vielleicht auch die Ungeduld gewinnen oft die Überhand über taktische Disziplin und defensive Spielweise. Frauenmannschaften suchen die Entscheidung zu ihren Gunsten schon früh im Spiel, wohingegen Männermannschaften mehr Geduld aufbringen und oft erst gegen Ende eines Spiels die Entscheidung suchen.

Die geringe Zahl an Unentschieden und die Feststellung des Experten Hans Strikovic, dass Frauen „einfach nicht Unentschieden spielen können“ unterstreichen die These.

In Marschik (2003, S. 353) werden Fußballerinnen zum Thema Taktik befragt, wobei die Meinungen hier sehr unterschiedlich sind und keine klare Tendenz erkennbar ist. Eine Spielerin meinte etwa, dass der Frauenfußball mehr auf Technik aufgebaut und nicht so sehr von Taktik geprägt sei. Das könnte eine Erklärung für den höheren Torschnitt bei Frauenspielen sein. Die Nettospielzeit sowie das läuferische Pensum sollen bei Frauen übrigens in etwa den Werten der Männer entsprechen und das bei genetisch bedingter geringerer aerober und anaerober Kapazität. So sollen beispielsweise Frauen eine im Durchschnitt 30 % geringere Sauerstoffaufnahmekapazität besitzen als Männer (Brachmann, 2002, S. 15).

Die fortgeschrittene Ermüdung im Laufe eines Spiels ist also auch bei den Frauen ein Grund für die leicht steigende Toranzahl.

Eine Studie der TU München behauptet sogar, dass die Unterbrechungen im Frauenfußball kürzer sind als bei den Männern, was zu einer höheren Nettospielzeit führt. Demnach werden Verletzungen und andere Pausen im Spiel von Frauen seltener als taktisches Mittel eingesetzt und Torjubel sowie Auswechslungen weniger als Selbstinszenierung genutzt als bei den männlichen Kollegen (Deutscher Olympischer Sportbund, 2011).

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Die höhere Nettospielzeit bedingt auch eine größere körperliche Belastung, was wiederum die Ermüdung forciert, die ihrerseits zu einer steigenden Toranzahl führen kann. Der Schnitt aller bisherigen Weltmeisterschaften der Frauen liegt bei fast 3,5 Toren pro Spiel, was deutlich höher ist als bei den Männern. Das unterstreicht einerseits die Angriffslust der Mannschaften, andererseits liegt der höhere Schnitt auch an teils großen Qualitätsunterschieden der Nationalteams.

Tolan (2010, S. 259) meint dazu: „Es gibt schlicht viel zu viele Spiele mit vier und mehr Toren. Dies ist ein sicheres Indiz dafür, dass die Spielstärke der Nationalmannschaften im Frauenbereich nicht so ausgeglichen ist wie bei den Herren.“ Des Weiteren sind die relativ kleinen und schwachen Torfrauen ein Grund für die hohe Trefferanzahl.

Abbildung 33 zeigt die Anzahl erzielter Tore in der jeweiligen Spielminute in allen bisherigen Weltmeisterschafts- und Weltmeisterschaftsqualifikationsspielen der Frauen.

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Abbildung 33: Anzahl der erzielten Tore in der jeweiligen Spielminute in den bisherigen Weltmeisterschaften (inklusive Qualifikation) der Frauen

Die Grafik unterscheidet sich insofern von der eben besprochenen (Abb. 32), als dass lediglich die vorhin beobachtete Unregelmäßigkeit der Trefferanzahl pro Spielminute nun nicht mehr so eklatant wirkt. Es scheint außerdem, als würde eine größer werdende Datenmenge33 mit einem regelmäßigeren Verlauf einhergehen. Die Toranzahl nimmt mit Fortschreiten des Spiels wieder nur unwesentlich zu. Bemerkenswert ist, dass diesmal auch ein deutlicher Anstieg der Trefferzahl in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit zu sehen ist. Ansonsten sind alle Überlegungen, die oben erwähnt wurden, auch hier zutreffend.

33 In der Statistik wurden rund 1600 Spiele ausgewertet. 64

3. Zusammenfassung der statistischen Auswertungen

Die statistische Untersuchung der behandelten Fragen zeigt auf, dass es durchaus Parallelen zwischen Frauen- und Männerfußball gibt. Es zeigt sich jedoch auch, dass es in diversen Punkten zu großen Abweichungen und Unterschieden kommt, was den Frauenfußball deutlich von dem der Männer abgrenzt.

Die Hypothese, dass große Länder in der Regel auch gute Nationalteams haben, lässt sich zum Teil bestätigen. Sowohl bei den Männern, als auch bei den Frauen, gibt es einen leichten Trend, der diese Theorie unterstützt. Es gibt jedoch keinen Zusammenhang zwischen Männer- und Frauennationalmannschaft gleichen Landes. Zu beachten ist hier das Kriterium der verwendeten Tabellenart, es wurde der Unterschied zwischen der relativen und absoluten Tabelle festgestellt. Je nach verwendeter Tabellenart können die Ergebnisse variieren und somit die Interpretation der Ergebnisse in eine Richtung gelenkt werden. Im Hinblick auf die WM der Frauen 2011 ist die Annahme, dass große Nationen erfolgreicher abschneiden, sehr zutreffend. Die Analyse zeigt hier einen klaren Trend.

Nach einer Analyse der deutschen und österreichischen Bundesliga erzielen Männerfußballmannschaften Tore nach der Poisson-Verteilung. Auch bei den bisherigen Frauen-Weltmeisterschaften ist dieses Phänomen zutreffend, auch hier fallen Tore nach diesem Prinzip. Lediglich bei höheren Ergebnissen stimmt die Berechnung der Wahrscheinlichkeiten nicht mehr gut mit den beobachteten Daten überein. Bei der Analyse der bisherigen Weltmeisterschaften inklusive Qualifikationsspielen der Frauen stimmt die Poisson-Verteilung nicht mit der Realität überein. Hier kommt es zu signifikanten Abweichungen. Sie kommen dadurch zustande, dass der Leistungsunterschied zwischen den Nationalteams teilweise zu groß ist und deshalb viele Spiele mit einer großen Tordifferenz endeten.

Die Poisson-Verteilung setzt – anders als bei einzelnen Spielen - bei der Berechnung der Torverteilung eines Turnieres oder einer ganzen Liga voraus, dass die Mannschaften in ihrem Leistungsvermögen nicht zu stark schwanken. Bezogen auf die insgesamt 32 Spiele der WM 2011 gab es keinerlei Korrelation zwischen den tatsächlichen Ergebnissen und der dafür errechneten Poisson-Verteilung. Dass eine kleine Anzahl an Spielen jedoch auch gut berechenbar sein kann, zeigt die Auswertung der WM 2010 der Männer. Die Fußballmannschaften der Männer verhalten sich also eher wie radioaktive Quellen, als die der Frauen.

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Die Annahme, dass mit steigender Toranzahl die Wahrscheinlichkeit eines Unentschiedens geringer wird, kann bestätigt werden. Sie kann ebenso mit der Poisson-Verteilung gut vorausgesagt werden. Bei kleinen Mittelwerten stimmt die Berechnung allerdings besser mit den Daten überein, als bei großen. Das gilt jedoch nur für die Männer. Im Frauenfußball lässt sich die Zahl der Unentschieden nicht mit der Poisson-Berechnung vorhersagen. Insgesamt steigt aber mit kleiner werdendem Torschnitt die Wahrscheinlichkeit eines Unentschiedens bei den Frauen, wie auch bei den Männern. Die berechnete Vorhersage mit der Poisson-Verteilung trifft jedoch nur bei Männern sehr genau zu, bei den Frauen kommt es bei ähnlichem Trend zu Abweichungen.

Dass sich der Frauenfußball grundsätzlich vom Männerfußball unterscheidet, zeigt auch die letzte Analyse. Die Anzahl der erzielten Tore in den jeweiligen Spielminuten verhält bei den Frauen grundsätzlich anders als bei den Männern. Es ist beim Frauenfußball kein deutlich steigender Verlauf wie bei den Männern zu erkennen. Außerdem fallen die Tore bei den Frauen offenbar zeitlich gesehen willkürlich. Es muss jedoch auch gesagt werden, dass für den Frauenfußball deutlich weniger Daten existieren, als es bei den Männern der Fall ist. Vielleicht steigt mit wachsender Datenmenge auch die statistische Affinität zum Männerfußball.

3.1. Interpretation der Unterschiede zwischen Frauen- und Männerfußball

Der Frauenfußball unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht deutlich vom Männerfußball. So fallen bei Frauenspielen grundsätzlich im Schnitt mehr Tore als bei den Herren. Das mag zum einen daran liegen, dass die Leistungsunterschiede zwischen den einzelnen Mannschaften größer sind, zum anderen daran, dass Frauen weniger taktisch geprägt und somit offensiver spielen. Ein großer Unterschied besteht auch in der Qualität der Torleute. Die Torfrauen sind in der Regel kleiner, was schon einen großen Nachteil darstellt. Dazu kommt, dass - nach einer Theorie vom Experten Hans Strikovic (siehe Interview im Anhang) - Frauen in der Regel nicht so viele Erfahrungsjahre im Umgang mit dem Spielgerät Ball aufweisen können wie Männer und deswegen einen klaren Nachteil in Sachen Ballgefühl und Berechnung der Flugbahn haben können. Darüber hinaus ist die Nettospielzeit bei den Frauen in etwa gleich lang (Brachmann, 2002) oder sogar etwas länger (Deutscher Olympischer Sportbund, 2011) als bei den Männern, jedoch ermüden Frauen genetisch bedingt schneller. Wie bereits erwähnt, führt Ermüdung in vielerlei

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Hinsicht zu einer größeren Torwahrscheinlichkeit. Mit der großen Toranzahl pro Spiel sinkt bei den Frauen die Zahl der Unentschieden drastisch. Obwohl ein deutlicher Trend hin zu einem niedrigeren Torschnitt bei der letzten WM zu erkennen war, ist die Quote der Unentschieden noch immer deutlich niedriger als bei den Männern. Tore fallen zeitlich gesehen in Frauenfußballspielen offenbar willkürlich. Zu jedem Zeitpunkt im Spiel ist die Wahrscheinlichkeit eines Torerfolgs nahezu gleich groß. Das mag vielleicht daran liegen, dass im Frauenfußball Taktik einen eher untergeordneten Platz einnimmt und der Defensive oft nicht die Aufmerksamkeit zuteilwird, wie bei den Männern.

Der größere Leistungsdruck bei den Männern ist auch ein nennenswerter Unterschied, da es unter den Frauen weniger Profis gibt, die mit dem Fußball ihren Lebensunterhalt verdienen und somit vom Erfolg abhängig sind. Diese Erfolgsabhängigkeit im Profigeschäft ist auch ein Grund, warum es bei den Männern oft härter, um nicht zu sagen unfairer zugeht, als bei den Frauen. Es wird jede Möglichkeit genutzt, dem Gegner zu schaden und ihn zu schwächen. Bei den Frauen sieht die Sache ein wenig anders aus, wie der Deutsche Olympische Sportbund (2011) behauptet.

Zuschauerinnen und Zuschauer schätzen am Frauenfußball, dass er ehrlich ist und nicht so viel Show betrieben wird wie bei den Männern. Spielerinnen bezeichnen die Zweikampfführung als „gegnerisches Miteinander“, was den partnerschaftlichen und kooperativen Umgang mit den Gegnerinnen ausdrücken soll. Der bei den Männern grundlegende Siegeswille sei demnach bei den Frauen noch nicht ganz angekommen, so kann der Frauenfußball mit der Leistungs- und Erfolgsorientierung des Männerfußballs nicht mithalten (Deutscher Olympischer Sportbund, 2011). Deshalb und aus vielen anderen Gründen spielen Frauen und Mädchen einfach anders Fußball als Männer und Jungen.

3.2. Diskussion, Schlussfolgerungen und Ausblick

Aus sämtlichen Ergebnissen lässt sich schlussfolgern, dass es generell gesehen wesentliche Unterschiede zwischen Frauen- und Männerfußball gibt. Es ist jedoch unbedingt notwendig darauf hinzuweisen, dass die verwendete Software zur Datenerhebung ein Gratisprogramm ist. Der Betreiber dieser Software übernimmt auch keinerlei Haftung für die absolute Zuverlässigkeit der gesammelten Daten. Eine Garantie für die Richtigkeit des Datenmaterials ist somit nicht gegeben, obwohl eine Vielzahl von Usern innerhalb dieses Gemeinschaftsprojektes ständig bestrebt ist, die größtmögliche Aktualität und Exaktheit zu 67 erhalten. Es sei angemerkt, dass selbst deutsche Fernsehanstalten in der Vergangenheit die Software verwendeten, was wiederum für die hohe Qualität der Daten spricht.

Eine andere Möglichkeit an Fußballdaten zu gelangen wäre, den ÖFB beziehungsweise den DFB oder gewissen Fernsehanstalten zu kontaktieren und Daten anzufordern. Dieser Prozess würde jedoch viel Zeit in Anspruch nehmen und die Gewährleistung der Richtigkeit der Daten wäre ebenso wenig gegeben. Außerdem würde das Vorhaben viel Geld kosten, da die Daten in der Regel nicht kostenlos hergegeben werden.

Die Hypothese, dass große Länder in der Regel auch gute Nationalteams haben, konnte zum Teil bestätigt werden. Es gab jedoch keinen direkten Zusammenhang zwischen den Erfolgen von Männer- und Frauennationalteams gleichen Landes. Das Kriterium der verwendeten Tabellenart spielt hier eine große Rolle, ebenso wie die (Nicht-) Berücksichtigung von China. China würde bei Berücksichtigung die letztendliche Aussage ob der großen Einwohnerzahl und des geringen Erfolges wesentlich verändern. In den Überlegungen wurde jeweils eine absolute Tabelle gewählt, da sie den bisherigen Erfolg eines Landes bei Weltmeisterschaften besser darstellt, als es eine relative Tabelle leistet. Bei der relativen Tabelle wird die erreichte Punktezahl eines Landes mit der Zahl der bestrittenen Spiele normiert. Wie oft eine Nation sich qualifizieren konnte, was ebenso für nachhaltige Qualität spricht, wird somit nicht berücksichtigt. Die automatische Qualifikation der Gastgeberländer blieb unberücksichtigt. Eine Berücksichtigung hätte jedoch einen nur geringen Effekt auf die Auswertung, da sich die erfolgreichen Austragungsländer ohnehin qualifiziert hätten und weniger erfolgreiche Austragungsländer letztendlich auch wenig Punkte machten. Somit ist die absolute Tabelle wieder von Vorteil, da die Anzahl bestrittener Spiele eines Austragungslandes nicht wirklich als sportlicher Erfolg zu werten sind.

Die Annahme, dass Fußballmannschaften sich wie radioaktive Quellen verhalten und Tore nach der Poisson-Verteilung schießen, kann ebenso teilweise bestätigt werden. Man sieht, dass die Poisson-Verteilung mit einer durchschnittlichen Quellenstärke unterschiedlich starker Mannschaften Torverteilungen nur näherungsweise beschreiben kann. Einzelne Spielausgänge hingegen können mit zwei individuellen Quellenstärken mit guter Wahrscheinlichkeit berechnet werden, wenn der Leistungsunterschied der Mannschaften groß genug ist.

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Grundsätzlich stimmen die Berechnungen im Männerfußball etwas besser mit den tatsächlichen Daten überein, auch bei kleinen Datensätzen findet man hier gute Übereinstimmungen (Beispiel WM 2010). Im Frauenfußball kommt es generell zu größeren Abweichungen, auch bei kleinen Datenmengen (WM 2011).

Es wurden außerdem nur die bisherigen Weltmeisterschaften inklusive Qualifikation berücksichtigt, nicht die Europameisterschaften oder die deutsche Frauenliga, die als eine der besten weltweit gilt, da hier zu wenige Daten zur Verfügung stehen. Möglicherweise würde die Statistik hier auch anders aussehen.

Es lässt sich erkennen, dass im Frauenfußball deutlich mehr Tore fallen als bei den Männern. Das könnte laut Expertenmeinungen daran liegen, dass Frauen „nicht unentschieden spielen können“, wie Hans Strikovic und Katharina Pregartbauer im Laufe der Interviews feststellten (siehe Anhang). Tatsächlich enden im Frauenfußball viel weniger Spiele mit einem Unentschieden als bei den Männern, was laut Pregartbauer daran liegt, dass bei Frauen immer auf Sieg gespielt wird. Strikovic erwähnte ebenso die bei Frauen in der Regel fehlenden Erfahrungsjahre im Umgang mit dem Ball, wie auch schlechte Torhüterinnen als mögliche Gründe für die höhere Toranzahl. Pregartbauer sieht außerdem den eklatanten Leistungsunterschied zwischen einzelnen Mannschaften als wichtigen Faktor im Zusammenhang mit der Trefferzahl.

Grundsätzlich ist auch auffällig, dass die österreichische Liga einen geringeren Torschnitt aufweist als die deutsche Bundesliga. Das könnte daran liegen, dass in der deutschen Liga mit 18 teilnehmenden Teams ein größeres Leistungsspektrum herrscht, im Gegensatz zu lediglich zehn Teams in Österreichs höchster Liga. Mögliche Erklärungen wie bessere Torhüter oder schlechtere Stürmer können verworfen werden, ebenso wie die einer defensiveren Spielweise.

Mit steigendem Torschnitt sinkt gleichzeitig die Quote der Unentschieden, im Männer- wie im Frauenfußball. Auch hier hat eine Berechnung mittels der Poisson-Verteilung zumindest bei den Männern eine gute Vorhersagekraft.

Der größte und wohl interessanteste Unterschied zwischen Frauen- und Männerfußball liegt im Muster der Verteilung der Tore innerhalb der 90 Minuten eines Spiels. Wo bei den Männern ein klares Muster im Sinne eines stetigen Anstiegs der Torhäufigkeit zu erkennen ist, gibt es bei Frauen anscheinend keine Regel. Es ist kein regelmäßiger Verlauf erkennbar, die Tore fallen beinahe zu jeder Zeit mit gleicher Wahrscheinlichkeit. Selbst die 69

Experten sind von der Grafik überrascht, Hans Strikovic etwa vergleicht die Spielanlage der Frauen in diesem Hinblick gar mit Kinderfußball, denn da ginge es auch „hin und her.“ Fehlende Trainingsjahre und mangelnde Spielerfahrung werden ebenso als Gründe aufgeführt wie eine hohe Fehleranfälligkeit. Strikovic betont jedoch, dass es grundsätzlich nach seinem Ermessen wenig Sinn macht, Frauenfußball mit Männerfußball zu vergleichen, da die physiologischen Voraussetzungen zu unterschiedlich sind. Das bestätigt Pregartbauer, die am eigenen Leib erfahren konnte, dass die besten Frauenmannschaften gegen Männer keine Chance haben. Als Grund sieht sie unter anderem die Vielzahl an kurzen Sprints, die den Männern entgegenkommen und somit Frauen - trotz vielleicht besserer Technik - den Kürzeren ziehen. Pregartbauer sieht in der Grafik bestätigt, dass Frauen nicht unentschieden spielen können. Ebenso erkennt sie aber eine gewisse Kontinuität über den gesamten Spielverlauf hinweg. Ungleiche Mannschaftsstärken werden von Ihr ebenso in diesem Zusammenhang erwähnt.

Es ist anzumerken, dass dieser Grafik den Frauenfußball betreffend deutlich weniger Daten zugrunde liegen als es bei den Herren der Fall ist. Es wäre interessant, die Untersuchung nach einigen Jahren und mit einer größeren Datenmenge zu wiederholen.

Abschließend kann man sagen, dass sich der Frauenfußball in den letzten Jahren verändert hat. Laut Katharina Pregartbauer hat sich vor allem das Spieltempo enorm gesteigert und auch die Dichte im Spitzenfeld ist höher geworden, wonach die Weltspitze immer enger zusammenrückt. Die Frauen-WM 2011 in Deutschland hat dem Sport eine enorme Aufwertung beschert und gezeigt, wie hoch das technisch-taktische Niveau des Frauenfußballs mittlerweile ist. Der Torschnitt hat sich ebenso drastisch reduziert, was auf ein ausgeglichenes Niveau schließen lässt. Hans Strikovic sieht die Entwicklung des Frauenfußballs in Österreich in den nächsten Jahren nur noch langsam fortschreiten, da es wegen des geringen Werbewertes einfach an den finanziellen Mitteln fehlt. Es wird seiner Ansicht nach noch dauern, bis der heimische Frauenfußball internationales Niveau erreicht.

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5. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Spielstatistik aus der „Kleinen Zeitung" zum Match Japan - USA am 17.07.2011 ... 13 Abbildung 2: Spielstatistik aus der "Kleinen Zeitung" zum Match Niederlande - Spanien am 12.07.2010 ...... 14 Abbildung 3: Quelle: Amiscopro Spielstatistik zum Match Frankreich - Argentinien vom 11.02.2009 ...... 16 Abbildung 4: Screenshot von "Das Fußball Studio" - Darstellung eines Spieltages ...... 20 Abbildung 5: Screenshot aus "Das Fußball Studio" – Ergebnisstatistik zur Frauenfußball WM .... 21 Abbildung 6: Screenshot aus "Das Fußball Studio" - detaillierte Auflistung aller 4:0 Siege ...... 21 Abbildung 7: Screenshot aus "Das Fußball Studio" - Rubrik "Wenn ..., dann!"...... 22 Abbildung 8: Grafik aus Tolan (2010. S. 150) - Tabellenplatz und Einwohnerzahl in der deutschen Bundesliga ...... 24 Abbildung 9: Erfolg der Nationalteams in Korrelation mit der jeweiligen Einwohnerzahl ...... 28 Abbildung 10: Vergleich der Frauen mit den Männern ...... 29 Abbildung 11: Korrelation der Einwohnerzahl mit dem Erfolg bei der WM 2011 ...... 30 Abbildung 12: Screenshot eines Poisson-Eingabefensters in Excel...... 34 Abbildung 13: Screenshot aus Excel - Berechnung der von Japan zu erwartenden Tore im Finale 35 Abbildung 14: Screenshot aus Excel – Berechnung des Spiels Japan – USA ...... 36 Abbildung 15: Torverteilung in der Deutschen Bundesliga ...... 38 Abbildung 16: Berechnung für die Deutsche Bundesliga mittels Poisson-Verteilung ...... 39 Abbildung 17: Tatsächliche und mittels Poisson-Verteilung berechnete Torverteilung der deutschen Bundesliga ...... 39 Abbildung 18: Tatsächliche und mittels Poisson-Verteilung berechnete Torverteilung der österreichischen Bundesliga ...... 40 Abbildung 19: Tatsächliche und mittels Poisson-Verteilung berechnete Torverteilung ohne Qualifikation ...... 41 Abbildung 20: Tatsächliche und mittels Poisson-Verteilung berechnete Torverteilung mit Qualifikation ...... 43 Abbildung 21: Berechnung für die Frauen-WM 2011 ...... 44 Abbildung 22: Berechnung für die Männer WM 2010 ...... 45 Abbildung 23: Unentschieden in der deutschen Bundesliga seit Saison 1963/1964 ...... 47 Abbildung 24: Screenshot aus Excel – Berechnung der Unentschieden der deutschen Bundesliga 48 Abbildung 25: Tatsächliche Anzahl der Unentschieden verglichen mit dem Ergebnis der Poisson- Verteilung ...... 49 Abbildung 26: Daten und Theorie für die Unentschieden zur Halbzeit in der österreichischen Bundesliga ...... 50 Abbildung 27: Unentschieden im Frauenfußball - Daten und Theorie ...... 51 Abbildung 28: Unentschieden bei der WM 2011 - Daten und Theorie ...... 52 Abbildung 29: Abhängigkeit des Unentschiedens von der Toranzahl - Daten und Theorie ...... 54 Abbildung 30: Anzahl der erzielten Tore in der jeweiligen Spielminute in der deutschen Bundesliga ...... 55 Abbildung 31: : Anzahl der erzielten Tore in der jeweiligen Spielminute in der österreichischen Bundesliga ...... 60 Abbildung 32: : Anzahl der erzielten Tore in der jeweiligen Spielminute in den bisherigen Weltmeisterschaften der Frauen ...... 61 73

Abbildung 33: Anzahl der erzielten Tore in der jeweiligen Spielminute in den bisherigen Weltmeisterschaften (inklusive Qualifikation) der Frauen ...... 64

Tabelle 1: Spielausgänge der WM 2011 ...... 5 Tabelle 2: Eckdaten im Vergleich ...... 8 Tabelle 3: Abschlusstabelle Österreichische Bundesliga im Spieljahr 2009/2010 ...... 17 Tabelle 4: Ewige Tabelle - "Absolut": Erfolg eines Landes bei den bisherigen sechs Weltmeisterschaften, dargestellt anhand einer absoluten - also insgesamt erzielten - Punktezahl...... 25 Tabelle 5: Ewige Tabelle - "Relativ": Erfolg eines Nationalteams, wobei die absolute Punkteanzahl mit der Zahl der bestrittenen Spiele normiert wird...... 26 Tabelle 6: Überblick aller berücksichtigten Bewerbe samt Daten und berechneten Werten ...... 53

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6. Anhang - Experteninterviews

Die Interviews wurden anhand eines im Vorfeld angefertigten Leitfadens durchgeführt und nach Einverständnis der Interviewpartner mit einem Diktiergerät aufgezeichnet. Es entwickelte sich in beiden Fällen ein Dialog, aus dem sich zusätzlich neue interessante Aspekte ergaben.

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Interview mit Dipl. Päd. Hans Strikovic

(Verbandstrainer, Steirischer Fußballverband. Leitung Schulsport und Mädchenauswahl)

Gratkorn, am 13.09.2011; Dauer: ca. 70 Minuten

Hans Strikovic (61) hat bereits eine lange Trainerlaufbahn hinter sich. Sie begann Ende der 70er Jahre beim FC Gratkorn, wo er als Nachwuchsbetreuer diverse Mannschaften trainierte und nebenbei sämtliche Trainerlizenzausbildungen bis hin zur A-Lizenz absolvierte. 1986 wechselte er zum GAK, wo er nebenbei beim steirischen Fußballverband und im Mädchen- und Frauenfußball tätig wurde und im Jahr 2000 schließlich zum Akademieleiter bestellt wurde. Seit 2003 ist Hans Strikovic nur noch für den steirischen Fußballverband aktiv.

Wie sind Sie zum Mädchenfußball gekommen?

Frauenfußball hat mich schon immer interessiert und so habe ich Mitte der 90er Jahre beschlossen, bei der Entwicklung und Förderung mitzuhelfen. Ich habe daraufhin eine Mädchenauswahl des steirischen Verbandes betreut. Nach ein paar Jahren habe ich jedoch damit aufgehört, da ich so viele Verletzungen, vor allem Kreuzbandrisse, bei den Mädchen miterlebt habe, dass es mir keinen Spaß mehr machte. Heute ist ja bekannt, dass der Bandapparat der Mädchen und Frauen auf Grund der Hormone nicht so stabil ist wie der der Männer, was ein besonders großes Risiko darstellt.

Anfang 2000 bin ich dann aber wieder zum Frauenfußball zurückgekehrt, gemeinsam mit meinem langjährigen Freund und Kollegen Peter Kronjäger. Gemeinsam haben wir viel erreicht und den Frauenfußball in Österreich ein großes Stück weitergebracht.

Wie haben sich die Strukturen im Frauenfußball seitdem entwickelt?

Die Strukturen wachsen, wenn auch sehr, sehr langsam. Ein positiver Impuls kam zuletzt vom SK Sturm Graz, der die Frauenmannschaft von SV Stattegg übernommen hat. Der 76

Zulauf ist dort seitdem sehr groß, der Name Sturm zieht einfach, auch bei den Mädchen. Beim GAK ist für nächste Saison ein Damenteam geplant. Grundsätzlich trainieren Mädchen bis in die Jugend bei den Buben mit, da es einfach zu wenig Mädchen gibt. Das ist jedoch gut für die Entwicklung der Mädchen, sie profitieren ungemein davon. In Deutschland ist das genauso. Von einer richtig guten Struktur im Mädchenfußball sind wir jedoch noch weit entfernt, da es einfach zu wenig Mannschaften gibt. In Graz gehen beispielsweise die Mädchen, nachdem sie die diversen Auswahlen des Verbandes durchlaufen haben allesamt entweder zu Leoben oder zu LUV Graz. Die richtig guten werden alle von Neulengbach geholt, die mit Abstand beste Frauenmannschaft Österreichs. Es gibt hierzulande wenige Optionen. Von Neulengbach schaffen dann einige wenige den Sprung nach Deutschland.

Wo liegen die Unterschiede zwischen Frauen- und Männerfußball?

Grundsätzlich habe ich festgestellt, dass Frauen nicht Unentschieden spielen können, das fällt mir als erstes ein. Aber eigentlich möchte ich Frauen und Männer im Fußball nicht vergleichen. Meines Wissens gibt es nur zwei Sportarten, wo Gegenüberstellungen Sinn machen und Frauen und Männer im selben Wettbewerb antreten: Bogenschießen und Pferdesport.

Der größte Unterschied liegt wohl in der physiologischen Konstitution der Körper. Vom Spielvermögen her sehe ich keine wesentlichen Unterschiede. Frauen sind gleich bereit wie Männer, alles zu geben, sie nehmen auch Hilfe von den Trainern gerne an. Meiner Erfahrung nach sind Frauen sogar noch einen Tick ehrgeiziger als Männer. Man muss sie außerdem im Training nicht ständig kontrollieren. Sobald du dich bei den Buben umdrehst, machen sie, was sie wollen, das habe ich auch bei erwachsenen Fußballern so festgestellt. Bei Mädchen und Frauen ist das anders, sie arbeiten sehr konsequent, auch ohne ständige Kontrolle. Sie bringen sich beim Training außerdem selbst mehr ein, versuchen bei schwierigen Aufgaben gemeinsame Lösungswege zu finden. Das zeigt sich auch im Match, es kommt einem so vor, als hätten die Mädchen immer einen Masterplan. Es werden fast keine weiten Bälle gespielt, weil sie ja auch die Kraft dazu gar nicht haben. Deshalb muss alles spielerisch gelöst werden, also kann es sogar sein, dass es spielerische Vorteile auf Seiten der Mädchen gibt.

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Auch was die technischen Fertigkeiten betrifft, sind die Frauen den Männern beinahe ebenbürtig. Im Training sehe ich die Mädchen sämtliche Tricks machen, die ich auch bei den Jungs sehe. Frauen sind, wie vorhin erwähnt, sehr ehrgeizig und können alles lernen, was sie wollen.

Trotzdem passieren, wie bei der WM in Deutschland beobachtet, jedoch ziemlich viele technische Fehler. Den Spielerinnen wie auch den Torhüterinnen. Ich habe da meine Theorie, warum das ist. Es fängt schon sehr früh im Kindesalter an. Buben spielen mit dem Ball, Mädchen mit Puppen. Das ist meiner Meinung nach der entscheidende Ansatzpunkt. Den Mädchen fehlt in der Entwicklung einfach das jahrelange frühe Spielen mit dem Ball. Buben kennen deshalb, wenn sie mit dem Fußballspielen beginnen, schon die Flugbahnen des Balles. Sie wissen einfach, wie er sich verhält, wie er springt. Mädchen müssen das alles erst viel später lernen, und das dauert sehr lange. Vor allem bei den Torfrauen sieht man dieses Problem häufig. Wir fragten uns, warum wir in Österreich keine guten Torhüterinnen haben, dabei gibt es das Problem überall auf der Welt.

Was die Taktik betrifft, gibt es nicht viele Unterschiede. Das Verständnis ist bei den Mädchen schon früh sehr gut, wobei ich sagen muss, dass ich mit meinen Mädchenteams immer sehr viel Taktik trainiert habe, das kam also nicht von ungefähr.

Welchen Stellenwert räumen Sie der Statistik im Fußball ein?

Keinen großen. Ich schaue eher weniger darauf. Viel lieber schaue ich mir Spiele an, wenn ich einen Gegner nicht kenne, oder ich schicke einen Assistenten hin. Im Frauenfußball gibt es außerdem keine so detaillierten Statistiken, dass sie hilfreich wären. So eine umfassende Statistik kann jedoch schon helfen (Anm.: Bezogen auf die Spielstatistik vom Match Frankreich - Argentinien). Man muss die Daten jedoch immer in Relation setzen. Ich weiß beispielsweise, dass Österreich im letzten Spiel gegen Deutschland mehr gelaufen ist (Anm.: EM-Qualifikation der Männer. Spiel vom 02.09.2011 in Wien. Österreich verlor mit 2:6), jedoch nur dem Ball nach. Aber solche Statistiken sind meiner Meinung nach nicht besonders wichtig. Wir wissen zum Beispiel auch alle um die Stärken eines Lionel Messi oder eines Arjen Robben, trotzdem kann die beiden keiner stoppen. Da hilft mir auch keine Statistik. Man kann sich lediglich auf die Spielweise des Gegners einstellen und die eigene Mannschaft taktisch danach ausrichten.

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Welche Rolle spielt der Zufall im Fußball?

Je mehr wir trainieren und je besser die Qualität wird, desto weniger kommt der Zufall zum Tragen. Auf dem Spielfeld passieren meiner Meinung nach viele Zufälle. Obwohl Laufwege einstudiert werden, kommt es zu Abweichungen und neuen Situationen. Diese gilt es dann kreativ zu lösen. Ich finde, das kann als Zufall bezeichnet werden, wenn ein nicht eintrainierter und kreativer Pass mit dem Laufweg eines Mitspielers übereinstimmt. Viele Aktionen schauen vielleicht zufällig aus, sind jedoch penibel einstudiert, so wie bei den Spaniern oder beim FC Barcelona. Auch bei Freistoßen spielt immer wieder der Zufall eine Rolle. Irgendwie ist es jedoch schwer zu sagen wie groß der Einfluss des Zufalls wirklich ist, es ist auch eine Frage der Definition.

Warum fallen im Frauenfußball im Durchschnitt mehr Tore als bei den Männern?

Das ist eindeutig auf den Leistungsunterschied zwischen den Mannschaften zurückzuführen und auf die schwachen Torhüterinnen. Frauen wollen auch, wie ich schon sagte, unbedingt gewinnen. Sie werden mit Fortdauer des Spiels ungeduldig und unorganisiert.

Wie interpretieren Sie die Grafik der erzielten Tore in der jeweiligen Spielminute?

Diese Grafik überrascht mich jetzt sehr, ich hätte Sie mir anders vorgestellt. Ich hätte die Spielanlage ähnlich vermutet wie bei den Herren. Es kann sein, dass Frauen auf Grund der fehlenden Trainingsjahre auch weniger Spielerfahrung haben. Die Grafik erinnert mich ein wenig an Kinderfußball, da fallen Tore auch zu jedem Zeitpunkt, da geht es hin und her. Ich denke, dass vielleicht gewisse Fehler, mangelnde Konzentration, nachlassende Kondition und taktische Nachlässigkeiten der Grund sein könnten.

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Wie sieht die Zukunft des Frauenfußballs aus?

Es kommt darauf an, wie viel finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Der Werbewert des Frauenfußballs ist gering, deshalb fehlt es an Geld. In Österreich ist der Frauenfußball einfach eine Randerscheinung und kann wegen fehlender Mädchenmannschaften auch nicht attraktiv verkauft werden, es ist ein Teufelskreis. LUV Graz hat etwa nur 250 Zuseher pro Spiel und spielt aber in der höchsten Spielklasse Österreichs. Die Entwicklung wird schon fortschreiten, es wird jedoch lange dauern, bis wir dort sind, wo wir hinwollen.

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Interview mit Katharina Pregartbauer

(Fußballerin und Studentin)

Graz, am 01.10.2011; Dauer: ca. 45 Minuten

Katharina Pregartbauer (30) spielt für die Damenmannschaft von LUV Graz und studiert Sportwissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz. Pregartbauer spielte in der steirischen Auswahlmannschaft und auch fürs Nationalteam. Nach längeren Aufenthalten in der Schweiz und in Innsbruck ist Graz nun mittlerweile wieder zum Lebensmittelpunkt geworden. Seit fünf Jahren schwingt sie nun wieder das Zepter im Mittelfeld des Bundesligisten.

Wie sind Sie zum Fußball gekommen sind?

Ich habe früher mit meinem Opa und meinen beiden Brüdern viel im Garten gespielt und dann in der Schule. Dann habe ich Lust auf mehr bekommen und habe beim GAK, der gleich in der Nähe war, angefragt. Dort habe ich mit den Burschen von der U-10 bis zur U- 13 mitgekickt. Dann habe ich ein Jahr Pause gemacht, weil es für Mädchen nicht erlaubt war, länger mit den Buben zu spielen. Ich habe dann eine Sondergenehmigung erhalten und ein weiteres Jahr mit den Jungs in Andritz mitgespielt. Dann hätte es eigentlich vorbei sein sollen.

Wie war Ihr weiterer Werdegang?

Da war dann ein Auswahltraining beim Steirischen Fußballverband. Dort war auch der Trainer der Leobener Damenmannschaft zufällig anwesend. Der hat mich gesehen und dann gleich gefragt, ob ich nicht bei ihnen spielen möchte. Zu der Zeit hat es in Graz nichts gegeben, wo man hätte spielen können. Nach Leoben und nachdem ich die Matura gemacht habe, bin ich in die Schweiz gegangen. Schweizer Trainer hatten mich in einem Ländermatch gesehen und wollten mich dann unbedingt haben. Einerseits bin ich dort

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Wo liegen Ihrer Meinung nach die Unterschiede zwischen Frauen- und Männerfußball?

In erster Linie absolut im Tempo. Es ist schwer zu sagen, ich glaube aber, dass die Burschen einfach mehr Druck haben, da es bei ihnen viel mehr Mannschaften gibt. Obwohl bei uns Mädels schon auch Gas gegeben wird, ist dort irgendwie mehr Schwung. Das könnte, wie gesagt, an der größeren Konkurrenz liegen. Die körperliche Konstitution spielt natürlich auch eine große Rolle. Wir können mit unserer Bundesligamannschaft nur bis zur U-17 der Burschen mithalten. Ab da haben wir keine Chance mehr. Das liegt, glaube ich, an der Vielzahl der kurzen Antritte, da kommen wir nicht mit und da kann man auch gegen technisch schwächere Mannschaften blöd ausschauen.

Wo gibt es sonst noch Unterschiede?

Im Spiel selber gibt es gar nicht so viele Unterschiede. Technisch sind wir mittlerweile relativ weit. Zu meiner jungen Zeit war das noch nicht so, aber was heute nachkommt, ist wirklich auf hohem Niveau. Heute spielen die Mädels auch viel früher bei den Burschen mit, damals gab es noch Quereinsteiger mit 20 Jahren. Der Trainingsumfang hat sich auch gesteigert. Das Leistungszentrum in St. Pölten und der steirische Verband beispielsweise fördern die Jugend auch enorm. Die Dichte ist heute viel höher. Es gibt Projekte wie Ballerina und ähnliche, die mehr Mädchen zum Fußball bringen wollen.

Wie stehen Sie zur Aussage: „Frauen können nicht Unentschieden spielen (Hans Strikovic).“?

Für mich ist ein Unentschieden wie eine Niederlage! Gegen Neulengbach wäre ein Unentschieden vielleicht OK, aber sonst nicht. Ansonsten kann ich mit einem Unentschieden nicht zufrieden sein, auch nicht gegen ebenbürtige Gegner. Wir wollen jedes Spiel gewinnen. Es gibt auch kein Abtasten. 82

Welchen Stellenwert hat Taktik?

Grundsätzlich den gleichen wie bei den Herren. Wir passen uns zwar nicht dem Gegner an, aber wir halten uns eigentlich schon an die Vorgaben des Trainers.

Wie erklären Sie sich den höheren Torschnitt bei den Frauen?

Ich glaube, dass die Torfrauen ein wesentlicher Grund sind. Sie sind relativ klein im Verhältnis zum Tor und auch die Sprungkraft ist geringer als bei den Männern, was entscheidend ist. Zum anderen liegt es sicher auch daran, dass die Leistungsunterschiede zwischen den Mannschaften sehr groß sind.

Was ist für Sie Zufall im Zusammenhang mit Fußball?

Tore entstehen teilweise schon irgendwie oft aus Zufall. Aber man muss genau überlegen, was im Fußball jetzt Zufall ist. Ein Konter ist eigentlich kein Zufall, wenn ich vorher den Ball erobere. Es ist schwer, das zu definieren.

Welchen Stellenwert räumen Sie der Statistik im Fußball ein?

Keinen hohen. Ballsportarten sind nicht wie beispielsweise Leichtathletik, wo man alles genau messen kann. Der Ball springt und verspringt. Ansonsten schauen wir uns keine Statistiken vorm Match an, um uns auf den Gegner einzustellen. Nur ein einziges Mal habe ich sowas miterlebt. Vor einem Länderspiel gegen die englischen Damen haben wir von jeder Gegenspielerin ein Profil bekommen. Es hat damals aber eigentlich schon geholfen, wenn ich so darüber nachdenke.

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Was sagt Ihnen die Grafik der Torverteilungen innerhalb eines Spieles?

Das könnte zusammenhängen mit der Theorie, dass wir nicht Unentschieden spielen können. Aber es ist eine gewisse Kontinuität zu erkennen bei der Grafik der Frauen, über den gesamten Spielverlauf hinweg. Der Verlauf mag vielleicht daran liegen, dass ungleich starke Mannschaften aufeinander treffen. Wäre interessant, wie sich die Grafik verändert, wenn es mehr Daten gibt.

Wie sieht die Zukunft des Frauenfußballs aus?

Das Tempo hat sich enorm gesteigert, das hat man bei der WM 2011 ganz klar gesehen. Ich war zum Eröffnungsspiel in Deutschland und habe das enorme Medieninteresse miterlebt. Das war wirklich faszinierend. Die Japanerinnen haben mich auch sehr überzeugt. Die haben technisch und taktisch eine absolute Meisterleistung geboten. Ich hoffe aber, dass das nicht der Höhepunkt des Frauenfußballs war. Es gibt ja einen rasanten Zuwachs an Spielerinnen und der ÖFB bemüht sich auch sehr um die Damen. Wir sind mittlerweile konkurrenzfähig geworden und verzeichnen gute Erfolge mit den Nachwuchsteams. Ich glaube auch, dass sich in den nächsten Jahren das Nationalteam noch verbessern wird. Die Weltspitze rückt enger zusammen. Europa hat nachgezogen, die USA sind nicht mehr so weit weg.

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