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• ÖSTERREICHISCHER RUNDFUNK ~ LANDESSTUDIO STEIERMARK

Intendant: Wolfgang Lorenz

8042 Graz, Marburger Straße 20

Tel. (0316) 41 180

Programm: Karl Ernst Hoffmann, Georg Friedrich Haas Organisation: Karl Ernst Hoffmann, Ingrid Cwienk Tontechnische Disposition: Gerhard Kasper, Wolf Hannes Seifried 3

Datum Stefaniensaal Saal Steiermark Kammermusiksaal

Donnerstag, 20.00 22.00 20. Oktober Pro Arte Ensemble Graz Sylvaine Billier, Martine Dir.: K.E. Hoffmann Joste, Haba, Osterc, Wyschnegradsky, Louvier, -- Wyschnegradsky Marietan, Mather, Bancquart

Freitag, 18.00 20.00 21. Oktober Pro Arte Ensemble Graz Haba-Quartett Dir.: Adolf Hennig Scelsi, Pandula, Rojko, Kumrunrotschna Wyschnegradsky, Haba 22.00 Duo Microton Fran<:;:ois Benda Möllendorff, Haba, Osterc, Sturm, Reiner, Ponc, Lourie, Mager, Wyschnegradsky, Lang, lves

Samstag, 20.00 18.00 22. Oktober Thomas Christian Thomas Müller-Pering ORF-Symphonieorchester Pro Arte Ensemble Graz Dir.: Elgar Howarth Dir.: Fabio Luisi Carrillo, Scelsi, Zuckmantel, Hummel Wyschnegradsky 22.00 6 Pianisten Leitung: G.F. Haas Richter Herf, Haba, Wyschnegradsky, Mather, Danzmayr, Preßl

Sonntag, 20.00 11.00 12.00 23. Oktober Felicitas Keil Matinee Mikrotonal 1 Matinee Mikrotonal II Grazer Philharmoni- sches Orchester 13.00 ö Dir.: Niksa Bareza Matinee Mikrotonal III Krenek, Hauer, Bahk, Ferrero 18.00 Ensemble Acezantez Detoni, Radak 4

steirischer herbst '88

Generalsekretariat

Tel., (0316)73007, 74337, 74217

Presse- und Informationsbüro •

Tel. (0316) 79 O 65, 78 9 06

(bis 8. November)

Palais Attems, Sackstraße 17/1

8010 Graz 5 Das Musikprotokoll 1988 im Österreichischen Rundfunk Hörfunkprogramm Ö1:

Mo, 24.10. Pro Arte Ensemble Graz 14.30-15.55 Preisträgerkonzerte (Rojko, Kumrunrotschna, .. Zuckmantel, Hummel)' 21 .00-22.00 Klavier-Ensemble G.F. Haas (Richter Herf, Haba, Wyschnegradsky, Mather,Danzmayr, Pressl)

Di, 25.10. Martina Joste u. Sylvaine Billier, Paris 10.05-11.55 (Mather, Wyschnegradsky, Louvier, Marietan, Bancquart)

Haba-Quartett, Frankfurt (Haba, Scelsi, Wyschnegradsky, Pandula)

Mi, 26.10. Matinee Mikrotonal 1- III 23.05-0.30 (Marchettus, Luzzaschi, Gesualdo, Stein, Spring, Fokker, Mandelbaum, Badings, Blackwood, Sims, Xenakis, Wyschnegradsky, Stolzer-Slavenski, Bart6k; Mikrotonales aus dem • südslawischen Raum)

Do, 27.10. Grazer Philharmonisches Orchester • 10.05-11.55 (Bahk, Ferrero, Krenek, Hauer) Fr, 28.10. Pro Arte Ensemble Graz 14.30-15.55 (Haba, Osterc, Wyschnegradsky)

Georg Friedrich Haas, Karl-Heinz Schuh, Fran<:tois Benda (Haba, Wyschnegradsky, Osterc, lves, Sturm, Reiner, Ponc, Lourie, Mager, Möllendorff, Lang)

19.30-21 .00 ORF-Symphonieorchester (Carrillo, Scelsi, Wyschnegradsky)

• Mi, 2.11 . Ensemble Acezantez, Zagreb 23.05-0.30 (Detoni, Radak und Kollektivkompositionen des Ensembles) 6

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Karl Böhm (1894-1981) gegen diese Neuerung energisch auf, wurde in der Grazer Tagespost vom 18. 2. 1 9 1 7 verstimmt, und gab trotz guten Zuredens "Vierteltonmusik" absolut keine reinen Vierteltöne von sich. Letz­ Krieg auch in der Musik? Mit welchem Entset­ teres gelang erst nach Überwindung vieler zen mögen die Musikphilister den Schlachtruf Schwierigkeiten beim Harmonium. Vierteltonmusik vernommen haben, sie, die sie Wohlig eingebettet zwischen je zwei Tasten sich ohnehin schon mehr als genug tagtäglich liegen in halber Höhe der schwarzen die ominö• durch die modernen Komponisten beleidigt sen braunen Tasten, die uns die Tore zum Wun­ fühlen, müssen sich jetzt einen neuerlichen, derland der Vierteltöne öffnen. Wir haben es noch nie dagewesenen Angriff auf ihre geheilig­ also bei der neuen Musik nicht mehr mit zwölf, ten musikalischen Ohren gefallen lassen. sondern mit vierundzwanzig Tönen zu tun. Nun, so schlimm steht die Sache denn doch Jetzt zur Hauptsache: Wie klingt denn eigent­ nicht, und manche, welche es trotz des lich diese Vierteltonmusik? Ein abschließendes Grauens vor dem furchtbaren Worte gewagt Urteil nach einmaligem Anhören darüber abzu­ haben, den Vortrag des Berliner Schriftstellers geben, wäre wohl etwas vermessen. Eins kann Willi von Möllendorf anzuhören, werden densel­ man jedoch schon sicher sagen, unsere Viertel­ ben sehr angenehm enttäuscht verlassen tonkinder können beruhigt den Kampf mit den haben. Denn schon Art und Aussehen des Vor­ erbgesessenen alterprobten Ganz- und Halbtö• tragenden mußte auf die erregtesten und vor­ nen aufnehmen, wenn sich ihrer ein genialer eingenommensten Gemüter beruhigend wirken. Führer annimmt, der ihnen die Gleichheit ge­ Ohne viel Flausen zu machen, ging Herr genüber den Rivalen sichert. Einzelne Tonver­ Möllendorf sofort in medias res. Er stellte uns bindungen klingen heute noch schrecklich, bei sein langjähriges Schmerzenskind, das bichro­ entsprechender Verwendung, ordentlich vorbe­ matische Harmonium, gleich in Ausübung reitet, oder als Durchgangsnoten, zeigen sie seines Daseinszweckes vor. Einige der landläu• sich schon viel kultivierter. Da muß eben figsten Modulationen mit Vierteltönen - darauf­ erobert werden. hin erstes Erstaunen. Die Sache klingt nicht Der Vortragende beteuerte endlich immerwie­ einmal so übel, raunten die Alten, die Sache ist der, es sei keineswegs in seiner Absicht großartig, riefen begeistert die Jungen. Größte gelegen, die Diatonik oder Chromatik durch die Aufmerksamkeit aller war also für die darauffol­ Bichromatik zu verdrängen, oder gar unmöglich gende theoretische Erörterung schon gewon­ zu machen, alle drei können und müssen sogar nen. friedlich nebeneinander und untereinander be­ Der Vortragende erzählte, wie er sich schon stehen, werden auf einander angewiesen sein. von Jugend auf mit dem Plane herumgetragen Sein Plan ist nur aus dem Bestreben hervorge­ habe, die Tonreihe und somit deren Kombina­ gangen, dem nachgerade eng gewordenen tionsmöglichkeiten durch Einschiebung von Reich der Töne neue Expansionsmöglichkeiten Vierteltönen zu erweitern. Zu diesem Behufe zu geben. ließ er sich zuerst ein bichromatisches Klavier Warum sollten wir, die wir in der Technik jeden bauen, doch ach, unser vielgeliebtes Mädchen Tag neue Wunder erleben und wo uns Dinge, für alles versagte diesmal, es lehnte sich die vor 20 Jahren noch neu waren, heute schon selbstverständlich vorkommen, der Musik nicht ein gleiches Vertrauen entgegen­ bringen, zumal wir uns hier zum unbedingten Glauben an eine Zukunft gar nicht zwingen müssen, dieser Glaube stellt sich ganz von selbst ein. Eine Neuerung von so weittragender Bedeu­ tung, die uns schon nach einmaliger intensive­ rer Beschäftigung nahezu selbstverständlich vorkommt, muß Existenzmöglichkeit und Existenzberechtigung haben.

, 8 Georg Friedrich Haas - Im russischen Futurismus wurde der Begriff Häba und Wyschnegradsky hatten gespürt, MUSIK MIT MIKROINTERVALLEN "Viertelton" zum Symbol einer utopischen, neu daß die Einführung von Mikrointervallen Konse­ "Alle lntervallgrößen, die kleiner als ein tempe­ zu erschaffenden Welt. Kompositionen wurden quenzen auf die gesamte Kompositionstechnik rierter Halbton sind, werden unter dem Sam­ jedoch - mit Ausnahme von Louries Prelude op. haben muß, gelangten aber zu unterschiedli­ melbegriff «Mikroton» zusammengefaßt." 12/2, das bis heute wahrscheinlich noch nie chen Ergebnissen: (Sigrun Schneider: Mikrotöne in der Musik des aufgeführt wurde - zunächst keine geschrie­ Wyschnegradsky übertrug die Technik des 20. Jahrhunderts; Bonn-Bad Godesberg 1975, ben. Erst , der nur am Komponierens in feinsten Abstufungen auch s. 9) Rande zum Futuristenkreis zu zählen ist, griff auf die Rhythmik und träumte von einer Ultra­ Musik, die diese Kleinintervalle bewußt als diesen Gedanken auf und arbeitete sein Leben chromatik der Klangfarben. Häba sah in den mi­ Kompositionselemente einsetzt, hat es auch in lang an der Verwirklichung der Idee des "Ultra­ krotonalen Systemen mit ihren im Vergleich mit der europäischen Musikgeschichte immer chromatismus". der zwölftönigen Chromatik wesentlich vielfälti• wieder gegeben. Von einer "mikrotonalen - Charles lves· Beschäftigung mit Mikrointer- · geren Möglichkeiten der Melodie- und Akkord­ Traditon" kann aber nur bedingt gesprochen vallen läßt sich aus der transzendentalistischen bildung das ideale Material, um die aus der werden, zu verschiedenartig sind die Ansatz­ Philosophie und einer daraus ableitbaren Schönberg- bzw. Schrekertradition stammen­ punkte der einzelnen Komponisten und Theore­ Neigung zur naturalistischen Abbildung realer den Forderungen des Wiederholungsverbotes tiker: (auch "verstimmter") Klangereignisse herbe­ und der Athematik zu verwirklichen. Er hielt - Die Verwendung von Mikrointervallen ist in gründen. jeden Zusammenklang und jede Akkordverbin­ der einstimmigen Musik des Mittelalters viel­ - Alois Häba berief sich auf freie lntonationen dung grundsätzlich für musikalisch verwertbar, fach belegt. Marchettus de Padua entwarf in der osteuropäischen Volksmusik. wogegen Wyschnegradsky exakt durchkonzi­ 1317/18 eine Lehre der Dissonanz-Konsonanz­ - In der Absicht, den Grenzbereich der Wahr­ pierte Tonsysteme (wie die "diatonisierte Chro­ Fortschreitungen im zweistimmigen Satz auf nehmbarkeit unterschiedlicher Tonhöhen musi­ matik" und die "nichtoktavierenden Klangräu• der Grundlage eines Fünfteltonsystems. kalisch zu nützen, schrieb Juliän Carrillo seine me") erdachte und synästhetische Spekulatio­ - Probleme der reinen Stimmung (Quinten, Kompositionen mit Viertel-, Achtel- und Sech­ nen entwarf. Auch menschlich ist kaum ein grö• Terzen) führten zur Konstruktion von spekulati­ zehnteltoni ntervallen. ßerer Kontrast denkbar als der zwischen dem ven Sytemen mit 19, 31, 53, ... Tönen pro -Schließlich sei noch auf jene - meist verges­ introvertierten, völlig isolierten Wyschnegrads­ Oktave, die jedoch (vielleicht mit Ausnahme senen - Musiker verwiesen, die am Rande des ky und Alois Häba, der einer der wichtigsten von Vicentinos Archicembalo im 31-Tonsystem) Musiklebens und weitgehend unbeachtet die Kompositionslehrer dieses Jahrhunderts war keine praktische Bedeutung hatten. Möglichkeiten mikrotonaler Klangbildungen un­ und es in seiner Karriere als Organisator bis - Auf die Beschäftigung mit der griechischen tersuchten, wie der Lehrer Joseph Anton Gruß zum Mitbegründer und Leiter eines Opernhau­ Musiktheorie gehen u.a. die Vierteltonpassa­ (1816-1893), der Kirchenmusiker Lorenz ses (der "Oper des 5. Mai") in Prag brachte. gen in der "Air a la Grecque" von Charles Spengler (1840-1909) und der Militärkapellmei• Vor dem zweiten Weltkrieg war Habas Klasse Delusse (1760 gedruckt) und im "Choeur des ster George lves. für Vierteltonkomposition maßgeblich an der Oceanides" aus Jaques Fromental Halevys Gestaltung des Prager Kulturlebens beteiligt, "Promethee enchaine" (1847) zurück. so arbeitete Karel Reiner für das Avantgarde­ - Unter Berufung auf die Chromatik in der In den Zwanzigerjahren dieses Jahrhunderts Theater von Emil Frantisek Burian, Miroslav Musik Richard Wagners bemühten sich stellte sich die Vierteltonmusik als eine der Ponc schrieb vierteltönige Schauspielmusiken Richard H. Stein (1906/09) und Willi Möllen• wichtigen Tendenzen der Neuen Musik dar: für das Prager Nationaltheater, es gab zahlrei­ dorff (1917), Vierteltöne in die traditionelle Har­ Ungefähr im selben Zeitraum, in dem che Konzerte mit Vierteltonmusik. Als Interpre­ monielehre einzubeziehen. A. Schönberg die Zwölftontechnik entwickelte ten am Vierteltonklavier wirkten vor allem Karel (und in dem andrerseits der Jazz in die europä• Reiner (der Häbas Werke auch beim Kongreß ische Musikszene integriert wurde), trafen in über arabische Musik in Kairo 1932 vorstellte) Berlin Wyschnegradsky, Häba, Stein, Möllen• und Erwin Schulhoff, aber auch Walter Süß• dorff und Mager zusammen, wurden die ersten kind, Max Brand u.v.a. konzertfähigen Vierteltonklaviere gebaut, veröf• fentlichte die Universal Edition auf Anregung Franz Schrekers Häbas erste Vierteltonkompo­ sitionen, bildete sich in Leningrad um den Kom­ pon·isten Georgij M. Rimskij-Korsakow ein Vier­ teltonkreis (dessen Werke heute mit Ausnahme dreier von der Edition Sikorski veröffentlichter Violinstücke nicht zugänglich sind, da unter der stalinistischen Kulturpolitik die Mikrotonalität lt amtlich zum "Irrweg" erklärt wurde), schrieb Carrillo in Mexiko seine ersten mikrotonalen Kompositionen, veranstalteten in den USA Hans Barth und Charles lves ein Vierteltonkon­ zert, führte Leopold Stokowski die Werke von Barth und Carrillo der Öffentlichkeit vor. 9 Für die nationalsozialistische Kulturpolitik galt An erster Stelle ist hier zu Vierteltonmusik als "entartet". Aus diesem nennen, der die Oktave in 43 ungleich große Grund sind heute die mikrotonalen Werke von Schritte teilte. Die Aufführungsmöglichkeiten Stein, Möllendorff und Mager nicht nur verges­ seiner Musik sind aber dadurch behindert, daß sen, sondern bis auf spärliche Reste unauffind- sie an die von ihm entwickelten Instrumente ge­ " bar. bunden sind. Aus Partchs Einfluß auf jüngere Nach der Machtergreifung Hitlers wurde der Komponisten (, , La Wirkungskreis von Alois Haba zunächst auf die Monte Young, Johnny Reinhard u.v.a.) resul­ CSR eingeschränkt, - noch 1931 war in tiert heute eine vielfältige Szene mikrotonal ar­ • München seine Vierteltonoper "Matka" ("Die beitender Musiker in den USA. Das besondere Mutter") mit großem Erfolg uraufgeführt Interesse gilt hierbei der Untersuchung neuer worden. Mit dem Einmarsch der deutschen tonaler Möglichkeiten ("tonal" ist dabei durch­ Truppen in Prag endete auch hier die kulturelle aus traditionell, im Sinne einer Anlehnung an Freiheit. Häba wurde - in ähnlicher Weise wie die Dur-Moll-Tonalität zu verstehen). Easley Krenek - kurzerhand zum "Juden" erklärt, viele Blackwood sieht in der Komposition in Mikroin­ seiner Schüler wurden verfolgt: K. Reiner und tervallen einen dritten Weg für die Musik am K. Ancerl überlebte·n das KZ, Viktor Ullmann Ende des 20. Jahrhunderts, neben "primitiven (der Haba durch das gemeinsame Interesse an Minimalismus" und "zufälligen Dissonanzballun­ Uraufführungen/Österreichische der Anthroposophie besonders nahegestanden gen". war), Gideon Klein und der erste Interpret am Erstaufführungen Vierteltonklavier, Erwin Schulhoff, starben in Auschwitz bzw. Wülzbourg, Walter Süßkind emi­ In Österreich wird die Verbreitung mikrotonaler Bei den einzelnen Konzertprogrammen grierte in die USA, Habas jugoslawische Musik seit einigen Jahren vor allem durch das sind nur die Uraufführungen, nicht aber Schüler Vuckovic und Sturm kamen im Partisa­ von Franz Richter Herf geleitete Institut für _ek­ nenkrieg um. melische Musik in Salzburg gefördert. Mathe­ die Österreichischen Erstaufführungen Nach 1945 konnte Haba nur kurze Zeit an dem matisch gesehen ist das ekmelische Tonsy­ vermerkt, da es vor allem bei bereits anknüpfen, was er vor dem Krieg begonnen stem mit seinen 72 Tönen pro Oktave mit den verstorbenen Komponisten nicht mehr hatte: Die stalinistische Kulturpolitik lehnte Zwölfteltonsystemen von Haba und Wyschne- mit Sicherheit festzustellen war, ob Auf­ dann seine Musik als "formalistisch" ab. 9.radsky identisch. Der Ausgangspunkt der führung_en der betreffenden Komposi­ Uberlegungen ist jedoch die Frage nach der Reinheit der Intonation. Richter Herf hebt tion in Osterreich stattgefunden haben. Die wissenschaftliche Karriere eines der bedeu­ immer wieder die Nähe der ekmelischen Inter­ tendsten holländischen Physiker, Adriaan valle zu den Intervallen der Obertonreihe Fokker, wurde durch die Besetzung der Nieder- hervor. e lande durch die deutschen Truppen unterbro­ chen. Er benutzte die erzwungene Arbeitspau­ se, um sich intensiv mit den Grundlagen der Vierteltöne - und vereinzelt auch andere Mi­ Musik auseinanderzusetzen und versuchte, krointervalle - sind seit den Fünfzigerjahren ein das von (1629-1695) in selbstverständliches Element innerhalb der zeit­ seinem "Novus cyclus harmonicus" entwickelte genössischen Kompositionstechniken gewor­ Tonsystem wiederzubeleben. den, ähnlich wie Serialismus, Aleatorik oder die Fokkers (bzw. Huygens') Ansatzpunkt unter­ Erforschung neuer Klang- und Spielmöglichkei• schied sich grundsätzlich von der Denkweise ten der Instrumente. Eine Aufzählung der Kom­ von Haba, Wyschnegradsky und Carrillo. Er ponisten, die Mikrotöne in diesem Sinne ver­ strebte keine Unterteilung des Halbtons in 2, 3, wenden (Xenakis, None, Boulez, Stockhausen, 6 oder 8 Abschnitte an, sondern ging von den Cerha, Kagel, Cage, Ligeti, Penderecki, B.A. Frequenzverhältnissen der Obertonreihe aus, Zimmermann, Scelsi ... ) muß unvollständig an die das 31-Ton-System besonders günstige bleiben, da es kaum einen Gegenwartskompo­ Annäherungswerte liefert. Derartige "Reinton­ nisten von Rang gibt, der nicht zumindest gele­ systeme" wurden in der Vergangenheit zwar gentlich die musikalische Notwendigkeit immer wieder aufgestellt, Kompositionen, die gespürt hat, den Halbton in noch kleinere lnter­ diese Möglichkeiten praktisch nutzten, entstan­ vallschritte zu unterteilen. den aber erst seit der Mitte des 20. Jahrhun­ Die mikrotonale Musik, die vor diesen und die derts. außerhalb dieser Tendenzen entstanden ist, muß aber zum größten Teil für die Konzertpra­ xis erst erschlossen werden. 10 Dusan Pandula Von 1921 bis zu seinem Tode war Häba auf ALOIS HABA UND SEINE SCHULE seinem Gebiet ein Brennpunkt in der Weltöffent• In Böhmen begann man erst seit Dvoräk über lichkeit. 1923 wurde von ihm eine Komposi­ kompositorische Schulen zu sprechen. Unter tionsklasse für mikrotonale Musik in Prag eröff• seinen Händen wurde alles in Musik umgewan­ net, welche damit zum "Mekka" für viele Stu­ delt. Dieser Vollblutmusiker hatte seine Schüler dE;mten aus dem In- und Ausland wurde. Seine nicht mit einem Korsett versehen, sondern sie Ideen übten auf viele junge Menschen eine un­ zur Freiheit erzogen und jede Art von schuli­ geheure Anziehungskraft aus, wenn sie auch schem Zwang abgelehnt. Aui; seiner Schule anfangs manchmal belächelt wurden, ja Häba kamen von Europa bis USA viele Persönlichkei• sogar als Scharlatan bezeichnet worden war. ten, von denen besonders Josef Suk, V. Noväk Seine Schüler bekamen nicht nur ein gutes und Lees Janäcek hervorzuheben sind. Alle fachliches Rüstzeug mit auf den Weg, sondern drei wurden als Komponisten, aber auch als auch Disziplin, soziales und freiheitliches politi­ Pädagogen berühmt, wobei Noväk als Musik­ sches Denken nach humanen und christlichen pädagoge die wahrhaft moderne tschechische Idealen. Musik ins Leben rief. Sein interessantester und Mit Bedauern mußte man dann feststellen, daß meist diskut.ierter Schüler wurde Alois Häba. ein Teil seiner vertrautesten Anhänger ihn Häba, ein Theoretiker und Analytiker par excel­ künstlerisch, menschlich und politisch im Stich lence, konnte sich sofort in alle Disziplinen der ließen, nachdem sie eine führende Position in Musik hineinversetzen, was sich letztendlich der neuen Republik {nach 1945) eingenommen fruchtbar auf die gesamte tschechische Musik hatten. auswirkte. Seinem Eingreifen in die mikrotonale Aus der Haba-Schule kamen offiziell über 100 Musik, die allerdings nicht seine Entdeckung Schüler. Ich möchte nur auf einige hinweisen: war, ist es zu verdanken, daß hier Grundregeln Ponc, Bozinov, Osterc, lliev, Karel Häba sowohl für eine harmonische als auch polypho­ {Bruder), Jezek, Kubin, Maricova, Kolessa, nische Gestaltung geschaffen wurden. Das Lysko, Cavallini, Akses. hatten seine Vorgänger (wie z.B. Wyschne­ Haba hatte nicht nur Freunde. Unter anderem gradsky, Carrillo u.a.) bis dahin noch nicht machte Barvik, tschechischer Gefolgsmann getan. des Moskauer Stalinisten Chrenikov, Häba und seine Schüler dafür verantwortlich, daß keine zweite "Verkaufte Braut" mehr entstanden sei. Stanislav, ebenfalls ein gehorsamer Mitläufer des Regimes, hatte sich seine Sporen damit verdient, daß er Häbas Lehrtätigkeit einfach li­ quidierte. Zuvor wurde er in seiner Eigenschaft als Direktor der Großen Oper von dem damali­ gen Minister Nejedly "entmachtet", indem er es DER WEG DES LEBENS zu einer Fusion zwischen der Großen Oper und dem Nationaltheater kommen ließ. Alois Haba - Ein Filmporträt, Dies zeigt, wie man viribus unitis auf die Ver­ nichtung dieses progressiven Künstlers hingear­ hergestellt vom Filmkunst-Musik­ beitet hat, auf die Vernichtung eines Künstlers, verlag München der erfolgreich in Wien und Berlin begonnen hatte, in späteren Jahren in arabischen Freitag, 21.10, Ländern triumphal gefeiert wurde und für den nach seinem Tod die Tschechoslowakei nicht Samstag, 22.10, jeweils 17.15 und mehr als riur ein paar gelegentliche Äußerun- . 19.15 Uhr, gen übrig hatte. Es bleibt bittere Tatsache, daß Haba bis heute in seinem Heimatland nur sehr Sonntag, 23.1 0, 10.15 Uhr, selten gespielt wird. im Ausstellungsfoyer im 1. Stock des Grazer Congress. Alois Haba kommentiert in diesem 39- Minuten Film selbst eine Reihe seiner Werke in deutscher Sprache. 11

Aus der Faschingsbeilage der Zeitschrift "Der Auftakt", Prag 1925

AL OJS H >. BA PA U L l·IISVEM ITH ER~ST K f, ESEK REV O LUT I ON! AUFRUF

AN DIE HALBTONWELT

DIE HALBTONAUTOREN SIND BEUNRUHIGT WORDEN DURCH ALARMNACHRlC.HTEN EINIGER GEWISSENLOSER SPEKULANTEN, DIE BEHAUP­ TEN, DASS DIE HALBTONGRUBE ERSCHOPFT SEI. DER UNTERZEICHNETE VIERTELTONER KONSTATIERT ZUR BERUHIGUNG DER AUF­ GEREGTEN HALBTONER, DASS ER ERNSTE BE­ WEISE BESITZT, DASS DIE HALBTONGRURE Aus der Faschingsbeilage der Zeitschrift "Der Auftakt", Prag 1925 NOCH NICHT GENUGEND ERSCHÖPFT IST. Der Autor dieses Haba unterstellten Ausspru­ ches ist unbekannt SELBSTRETTUNG EINES JEDEN HALBTO­ NERS: INTENSIVER ZU DENKEN.

ALOIS HABA.

GEGEBEN PRAG, FEBER 1925. 12 Gottfried Eberle IVAN WYSCHNEGRADSKY Im alten i;!ußland kursierte unter den Armen ein geflügeltes Wort: Schtschi i kascha - pischtscha nascha: Kohlsuppe und Buchwei­ zengrütze, das ist unsere Nahrung. Als ich vor einigen Jahren den russischen Emigranten Ivan Wyschnegradsky in Paris besuchte, da hat er für uns Kascha gekocht, Buchweizengrütze, die Speise der Armen. Nein, reich ist er nie ge­ worden, obwohl er der Musik unerhörte Hori­ zonte eröffnet hat. Er war zu bescheiden, zu selbstkritisch, um für sich Propaganda machen zu können, obwohl in ihm ein stilles Sendungs­ bewußtsein lebte. "Von seinen Ideen ist mehr in die Gedankenwelt der zeitgenössischen Musik eingegangen, als deren geschäftstüchti­ gere Wortführer wahrhaben möchten", schrieb der Musikkritiker Hans Heinz Stuckenschmidt zu seinem 80. Geburtstag. Erst in den letzten Jahren beginnt man allmählich, Wyschne­ gradsky Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Man hat eine der bedeutendsten Epochen rus­ sischer Kunstgeschichte wiederentdeckt, das erste Viertel unseres Jahrhunderts, in dem Rußland ganz eigenständige Varianten der in­ ternationalen Tendenzen Symbolismus, Futuris­ mus und Konstruktivismus entwickelte, in dem die russische Musik mit Zwölftonkomposition, Mikrointervallik, graphischer Notation und Elek­ tronik experimentierte. Und in diesen Zusam­ menhang gehört auch Wyschnegradsky. Wer war Ivan Wyschnegradsky? 1893 wurde er in St. Petersburg geboren, der Metropole, die seinerzeit allem Modernen gegenüber aufge­ schlossen war. Geringe Bedeutung hatte für ihn sein Studium am Konservatorium (bei Nikolas Sokolow, einem Schüler von Rimskij­ Korsakow). Von der ersten großen Wagner-Be­ geisterung in Rußland ließ er sich mittragen. Ivan Wyschnegradsky am Vierteltonklavier, Paris 1929

Entscheidend geprägt aber wurde er vom dung aller Künste realisiert und das in der Lage Denken und der Musik Alexandr Skrjabins ist, den heilsamen Schock hervorzurufen, der (1872-1915), des Pioniers der Neuen Musik in bei den Menschen die Kräfte des kosmischen Rußland. Nicht imitiert hat er ihn, er hat ihn Bewußtseins, die im tiefen Unterbewußtsein radikal weitergedacht. In Skrjabins letzten eines jeden menschlichen Wesens schlum­ Werken fand er bereits die Tendenz zur Ultra­ mern, wecken würde. Dieses Projekt, diese chromatik angelegt, zu Intervallen, die kleiner Vision beruht auf dem Glauben, den ich mit sind als der Halbton. Und er hat von einigen Skrjabin teile: daß nämlich die Kunst, insbeson­ Skrjabin-Passagen Viertelton-Versionen herge­ dere die Musik, die Macht habe, zu verändern". stellt. Wie Skrjabin träumte er sein Leben lang Diese Vision hatte Wyschnegradsky im Herbst von einem Gesamtkunstwerk, das es vermöch• 1916. Und sie brachte ein Schlüsselwerk te, die Menschheit zum kosmischen Bewußt­ hervor, das in selbstverfaßten Worten den Weg sein zu führen. "Dieses Endziel besteht für zum kosmischen Bewußtsein beschreibt: "La mich in der Idee eines Werks, das die Verbin- Journee de l'Existence" (1916/17), für Sprecher 13 und großes Orchester. Musikalisches Symbol gen, wie sie sich später ähnlich wiederfinden in dieses kosmischen Bewußtseins war für Boulez' Theorie von den geraden und kurvigen Wyschnegradsky die Idee des Klangkontinu­ Räumen. Und diese Räume werden in mehr ums: Raum und Zeit stufenlos mit der gesam­ oder minder gleiche Abstände geteilt, mehr ten denkbaren Sonorität erfüllt. Nicht meint oder minder dicht ausgefüllt. Was Wyschne­ • dieses Klangkontinuum die Summe aller mögli• gradsky Klangmilieu nennt, den Grad der Unter­ chen Töne, es ist vielmehr das Primäre, das Ab­ teilung einer bestimmten Tondistanz, heißt bei solute, dem gegenüber der physikalische Ton Stockhausen später vertikale Dichte. Und noch das Abgeleitete ist. Diese Intuition von der ein anderer Begriff Stockhausens ist von • Fülle des musikalischen Raum-Zeit-Kontinu­ Wyschnegradsky schon seit den zwanziger ums ist für Wyschnegradsky - ganz in Bergson­ Jahren avisiert. Er denkt die Ultrachromatik schen Begriffen - nichts anderes als der schöp• auch in der zeitlichen Dimension, teilt eine Zeit­ ferische Akt selbst. einheit gleichzeitig in 2, 3, 4, 5 ... Teile. Stock­ Der Drang, diesem Klangkontinuum möglichst hausen wird das später Zeitspektrum nennen. nahe zu kommen, musikalischen Raum mög• Schließlich beschäftigt ihn, wie Skrjabin, die lichst dicht zu füllen, treibt Wyschnegradsky zu Korrespondenz von Ton und Farbe. Er entwik­ immer feineren Unterteilungen des Tonraums. kelt analog zur chromatischen Leiter eine zwölf• Im Schlußklang von "La Journee de l'Existen­ stufige Farbskala, deren Elemente er nach ce" waren schon sämtliche Halbtöne im Raum strengen Gesetzen zu mosaikartigen Farbkrei­ von fünf Oktaven zu einer riesigen Tontraube sen anordnet. Im Nachlaß fanden sich Entwür• gebündelt. 1918 führt Wyschnegradsky in den fe zu einem Projekt, das die Farbkreise zur "Vier Fragmenten", opus 5, für Klavier erstmals Kuppel eines Tempels umstülpt, in dem viel­ Vierteltöne ein. 1945 schreibt er seine erste leicht ein Ritual stattfinden sollte, ähnlich dem Sechsteltonkomposition, "Prelude et Fugue", "Mysterium" Skrjabins, das in einer großen opus 30, 1959 schließlich "Arc-en-Ciel", opus Halbkugel in Indien zelebriert werden sollte. 37 im Zwölfteltonsystem, das "an die Grenze Wyschnegradskys Tod im Jahre 1979 hat der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit und dieses wie andere Projekte im Stadium des gewissermaßen an die äußerste Grenze des Fragments belassen. Kontinuums" führt. (Auszug aus dem Beitext der Schallplatte Ivan Zunächst aber galt es, zur Realisierung der Wyschnegradsky "Vierteltonmusik", Edition ... neuen Ideen das nötige Instrumentarium zu ent­ Block EB 107/8, Berlin) wickeln. Zu dem Zweck verließ Wyschnegrad­ sky 1920 Rußland, traf in Berlin andere Viertel­ tonkomponisten wie Willi Möllendorff, Jörg s Mager und Alois Haba und entwickelte schließ• lich ein dreimanualiges Vierteltonklavier. Es blieb eine Rarität. Später ließ Wyschnegradsky seine Vierteltonkompositionen auf zwei norma­ len Flügeln ausführen. Konzerte erlebte Wyschnegradsky nicht eben viele. In Paris, wo er sich 1923 niedergelassen hatte, gab es zunächst nur zwei: am 25. Januar 1937 ein Festival der Vierteltonmusik in der Salle Chopin und ebenda am 16. November 1945 einen Abend mit Yvette Grimaud, Yvonne Loriod, Serge Nigg und dem 20jährigen Pierre Boulez an vier Klavieren. Der II. Weltkrieg und eine darauffolgende drei­ jährige Tuberkuloseerkrankung bedeuteten eine tiefe Zäsur im Schaffen Wyschnegrad- • skys. Danach begann er zu systematisieren, was er bis dahin eher intuitiv, vom Ausdrucksbe­ dürfnis her entwickelt hatte. Er gliederte den Tonhöhenbereich nicht länger geradlinig nach Oktavzyklen, sondern nach unterschiedlich ver­ engten oder gedehnten Oktaven; Vorstellun- 14 Hans Rudolf Zeller Allerdings gehörte er nicht zu jener Avantgarde Ob Carrillo schon während seines ersten JUUAN CARRILLO junger Komponisten, die sich damals auch in Europa-Aufenthaltes auch von den aktuellen Zumindest im deutschsprachigen Raum wird Brüssel so umfassend produzierte, daß schein­ Bestrebungen zur weiteren Differenzierung des selbst heute noch kaum je der Name des Kom­ bar überholte Tendenzen der früheren Neuen Halbtonsystems Kenntnis erhielt, vor allem von ponisten, Instrumentenerfinders, Theoretikers, Musik kaum mehr Beachtung fanden. Erst Busonis Entwurf eines Drittel- bzw. Sechstelton­ Geigers und Dirigenten Julian Carrillo genannt, 1981 wurde Carrillo im Rahmen des Bonner systems, ist nicht sicher. Jedenfalls hatten sie wenn von der neuen Musik in Mexiko die Rede Festivals "Musik der anderen Tradition" auch längst eine akute Phase erreicht, als Carrillo ist. Andererseits läßt sich das zunächst unbe­ jenseits des Rheins, zudem Seite an Seite mit mit der Sechzehnteltonharfe über ein lnstru-' greifliche Verschweigen durchaus erklären, den europäischen Avantgardisten der Mikroto­ ment verfügte, auf dem sich Sechzehnteltöne denn allzu offenkundig widerlegt Carrillos nalität, Alois Haba und Ivan Wyschnegradsky, erzeugen ließen. Für die Praxis bedeutete dies, Leben und Werk das hartnäckig aufrechterhal­ präsentiert und neben anderen Stücken sein daß nun ein Komponieren im Sechzehntelton­ tene Klischee, wonach es einem lateinamerika­ Preludio a Colon aufgeführt, in dem er 1920 system oder "" nicht mehr nur theore­ nischen Komponisten stets um eine Synthese zum erstenmal die vermutlich 1917 gebaute tisch, ohne jede Aussicht auf eine klangliche von Folklore und europäischer Musiktradtion zu Sechzehnteltonharfe verwendete. Den Sech­ Realisierung möglich war. Zum einen waren gehen habe. Eben daran war Carrillo jedoch zehntelton indes, den er den 13. Ton nannte, damit alle Tonsysteme vom Halb-, Drittel-, nie interessiert, gedachte vielmehr die Basis be­ hatte Carrillo - 1875 in Ahualulco geboren und Viertel- bis zum Sechzehnteltonsystem in einer sagter Tradition von Grund aus zu erweitern. schon in jungen Jahren mit Folklorekapellen un­ Art Supersystem vereint. Zum anderen "ent­ Im experimentierfreudigen Amerika sprach man terwegs, dann jedoch am Konservatorium zum hielt" aber das Sechzehnteltonsystem mit daher schon früh von der "Musik der Zukunft", Geiger ausgebildet-, bereits 1895 auf seinem seinen 96 Tönen pro Oktave auch das Halb-, nachdem Leopold Stokowski bereits 1927 in Instrument experimentierend als kleinste noch Viertel- und Achteltonsystem. und daher basiert einem Konzert des Philadelphia-Orchesters zwi­ wahrnehmbare Tondifferenz entdeckt. Doch das schon erwähnte Preludio ebenso wie viele schen Kompositionen von Anton Webern, danach bot sich dank eines staatlichen Stipen­ andere Kompositionen Carrillos auf mehreren Wagner und Debussy Carrillos Concertino für diums die Chance, im Verlauf von Aufenthalten Systemen, wobei er aus Gründen der Zeichen­ Soloinstrumente und Orchester im Viertel-, in Deutschland, Frankreich und Belgien die eu­ ökonomie eine von ihm entwickelten Ziffernno­ Achtel- und Sechzehnteltonsystem uraufge­ ropäische Musik auch an der Quelle zu studie­ tation anwandte (die in "normale" Notenschrift führt hatte. Aber auch in Frankreich fand ren. 1899 wurde er Konzertmeister des Ge­ transkribiert werden muß). Zumeist komponier­ Carrillo Ende der 40er Jahre in dem Komponi­ wandhausorchesters und komponierte ein dort te er Sechzehnteltöne indes nicht als distinkte sten Jean Etienne Marie einen unermüdlichen uraufgeführtes Streichsextett, nahm 1900 in Tonstufen, sondern als kontinuierlich auf- oder aktiven Freund, der sich zusammen mit kompe­ Paris an einem Internationalen Musikkongreß absteigende Glissandi, was wiederum die tenten Musikern auch heute noch um die au­ teil und gewann 1904 einen 1. Preis für Violine Klangfarbe des Instruments determinierte, so thentische Realisierung seiner Partituren in Gent. Die so intensive wie kritische Auseinan­ daß etwa Carrillos Harfe, die ohnehin rein äu• 11 kümmert. In Brüssel wurden 1958 anläßlich der dersetzung mit der Tradition spiegelt sich in ßerlich in nichts mehr an die gebräuchliche Weltausstellung auch seine 15 "verwandelten" seinen frühen Stücken, in denen er mit Riesen­ Konzertharfe erinnert, einen unbeschreiblich Klaviere ausgestellt, die instrumental 16 ver­ schritten die entscheidenden Stationen der eu­ schwebenden, sphärischen und dennoch volu­ schiedene Tonsysteme, vom Ganzton- bis zum ropäischen Musik seit Bach und ihren Formen­ minösen Klangcharakter erhielt. Noch verblüf- Sechzehnteltonsystem verkörpern, und damit kanon rezipierte und in zwei Symphonien, jenes immense Klangfeld, das Carrillo seinem einem Streichquartett und einer Sonate für Komponieren und somit der Musik in den voran­ Violine solo über Haydn, Beethoven sehr gegangenen vier Jahrzehnten erschlossen schnell zu Debussy (und dessen Vorliebe für hatte. die Ganztonleiter) gelangte. 15

Ausstellung der Mikrointervall-Klaviere von Julian Carrillo, Paris, Herbst 1958; von links: Frl. Carrillo, Alois Haba, Frau Fokker, , Julian Carrillo, Ivan Wyschnegradsky

fender erscheint die Modifikation, die der ver­ seines musikalischen Konzepts zu schaffen. Zu traute Klavierklang durch das Sechzehntelton­ Carrillos Gesamtwerk zählen daher auch die klavier erfahren hat, dessen "Heulen" an eine zahlreichen (noch unübersetzten) Artikel und Sirene (und an die Sirenen bei Varese ... ) Schriften über "sein" System Sonido 13, aber denken läßt. Doch selbst der Dritteltonflügel ebenso über traditionelle Harmonie, Kontra­ klingt anders, wenn auch klavierähnlicher, punkt, Instrumentation, Notation ... Das kompo­ gleichwohl in der Klangfarbe modifiziert, und sitorische Oeuvre von mehr als 100 Opera - dies nicht zuletzt deshalb, weil Carrillo das tech­ darunter bis zuletzt auch Halbtonkompositio­ nische Problem. wie bei gleichbleibendem Okta­ nen: eine dritte Symphonie, zwei Messen, venumfang die Anzahl der Töne (und Tasten!) mehrere Opern, Streichquartette, Sonaten für pro Oktave zu erweitern sei, durch einen genia­ Violine bzw. Cello - ist dennoch erst in Umris­ len Kunstgriff zu lösen wußte, der darin sen bekannt, und nicht einmal dies ließe sich bestand, die Anzahl der Oktaven auf dem behaupten, wären nicht einige der mikrotona­ Klavier entsprechend dem jeweils darzustellen­ len Stücke wenigstens auf Schallplatte erschie­ den Tonsystem zu reduzieren, bis schließlich nen, so u.a. das Concertino für Dritteltonklavier das Sechzehntel!onklavier nur noch über eine und Orchester; Balbuceos für Sechzehntelton­ einzige Oktave verfügte. klavier und Orchester; das symphonische Schon in diesem Stadium der experimentellen Poem Horizontes und das Concertino für Vio­ Musik hatte der Komponist also nicht allein das loncello und Orchester im Viertel- und Achtel­ Ton material zu bestimmen, und vorweg seine tonsystem; drei Vierteltonstreichquartette ... al­ elementare Beschaffenheit, sondern auch die lesamt Bruchstücke einer großen, vom gängi• instrumentalen und theoretischen Vorausset­ gen Musikleben den Hörern noch immer vorent­ zungen für die kompositorische Realisierung haltenen Konzeption. 16 Rudolf Rasch Die Kombination von mehreren reinen Interval­ Fokker hat selbst auch ein ziemlich umfangrei­ ADRIAAN DANIEL FOKKER len bringt aber ein merkwürdiges Problem mit ches Opus an 31-Ton-Kompositionen geschrie­ Es hat immer Naturwissenschaftler gegeben, sich: sie führt früher oder später zu unreinen In­ ben, hauptsächlich für die große Orgel in die sich für Musik interessiert haben. In der tervallen. Um ein Tonsystem brauchbar einzu­ Haarlem, für zwei Violinen und für das Archi­ Antike und im Mittelalter war die Musik eine ma­ richten, ist es notwendig, auch Intervalle, die phon. thematische Wissenschaft. Später haben sich von der präzisen Reinheit abweichen, zu akzep­ Im Fokker-Jubiläumsjahr 1987 habe ich eine z.B. Galileo Galilei und Leonhard Euler intensiv tieren. Man muß Kompromisse eingehen. Einer Selektion von 31 seiner Musikwerke mit einer mit der Musik beschäftigt. In unserem Zeitalter der bekanntesten Kompromisse ist die zwölftö• ausführlichen Einleitung herausgegeben. ist der niederländische Physiker Adriaan nige gleichschwebende Temperatur, der man Fokker hat aber auch viele andere Kompo­ Fokker einer der wichtigsten 'musikalischen Na­ heutzutage auf Klavieren begegnet. In diesem nisten angeregt, Musik im 31-Ton-System zu turwissenschaftler'. Stimmungssystem sind die Quinten ziemlich schreiben, u.a. die niederländischen Tondichter Adriaan Daniel Fokker hat sich zuerst eine phy­ gut; die Großterzen und Kleinterzen aber Henk Badings (1907-1987), Jan van Dijk sikalische Laufbahn aufgebaut. Er studierte in weichen ab vom Ideal der reinen Stimmung. Es (1918), Hans Kox (1930) und Anton de Beer Leiden unter Hendrik Lorentz und hat danach hat aber seine Brauchbarkeit im täglichen Mu­ (1924), den Engländer Alan Ridout, den Ameri­ u.a. mit Albert Einstein zusammengearbeitet. sikleben erwiesen. kaner Joel Mandelbaum und den Russen Ivan Seit 1927 war er Konservator des physikali­ Fokker fand ein Tonsystem mit 31 Tönen pro Wyschnegradsky. schen Kabinetts des Teyler-Museums in Oktave sehr gut verwendbar. Die Oktave wird Haarlem (Niederlande). Aber nach 1942 hat er unterteilt in 31 gleichweit voneinander entfernte sein Leben umgewandelt und sich fast aus­ Tonstufen. Zehn dieser Schritte umfassen eine schließlich der Musik gewidmet. Er hat sich die nahezu reine Großterz, 18 eine etwas zu kleine Aufgabe gestellt, in der Musik ein Tonsystem Quint, und 25 Schritte eine sehr genaue soge­ zu entwickeln, in welchem die Reinheit der har­ nannte 'harmonische Sept', ein Intervall, das im monischen Zusammenklänge so weit wie 12-Ton-System fehlt. Im 31-Ton-System ist also möglich gewährt ist. Dreißig Jahre lang hat er eine Reihe sehr rein gestimmter Intervalle zu auf dieses Ziel hingearbeitet. finden, neben einer großen Zahl neuer und un­ Fokkers Ausgangspunkt war die Naturtonreihe, gewöhnlicher Zusammenklänge, welche vom die Reihe von Teiltönen eines komplexen Tons, Ton- und Klangvorrat der zwölftönigen Tempe­ mit Frequenzzahlen, die ein Vielfaches der ratur abweichen. Es genügte aber nicht, ein 31- Grundfrequenz sind. Daher ergeben sich reine Ton-System zu entwerfen. In den späten 40er­ Zusammenklänge, wenn die Intervalle nach ein­ Jahren hat Fokker eine Orgel mit einer Spezial­ fachen Zahlenverhältnissen gestimmt sind. So tastatur konstruiert, auf welcher es möglich ist, ist die Oktave in einem Verhältnis 1:2 am rich­ das vollständige 31-Ton-System zu spielen. Die tigsten (und schönsten), eine Quinte mit 2:3, Tastatur ist regelmäßig und symmetrisch und eine Quarte mit 3:4, eine Großterz mit 4:5, usw. faktisch gegründet auf der Idee des 'generali­ zed keyboard' des englischen Wissenschaftler R.H.M. Bosanquet (1841-1912). Diese 31-Ton­ Orgel ist 1950 erbaut worden und im Teyler­ Museum, Haarlem (Niederlande) installiert. Später, nach 1970, sind noch vier elektronische 31-Ton-Tastaturen gebaut worden. Diese elek­ tronischen Instrumente wurden Archiphon genannt, nach dem 31-Ton-'Archicembalo' des Nicola Vicentino im 16. Jahrhundert.

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23 Alois Haba, Chor-Suite Georg Friedrich Haas II. Komponiert 1922. 1924 in Frankfurt/Main Urauf­ über Wyschnegradskys Deux Choeurs Na tj6mnych mogilach führung des ersten Teiles durch den Dirigenten Die zwei Chöre op. 14 entstanden im Exil in Wir Stolze bauen einen Palast für die Arbeiter Hermann Scherchen. Häba wurde für die "Chor Paris. aus den alten Gräbern des Vergänglichen, Suite" durch das ostmährische Volkslied inspi­ In einem Gespräch mit Juan Allende-Blin sagte die aus Tränen und verzweifelten Herzen ent­ riert. Es basiert auf keinem Text sondern auf Wyschnegradsky u.a.: standen sind. Empfindungsworten (Interjektionen). Die slowa­ "Aber im Augenblick der kommunistischen Re­ Wir Stolze erbauen ihn, wir erbauen einen kischen Volkssänger benutzen diese Interjektio­ volution war ich mir gar nicht bewußt, bis zu Palast für die Arbeiter. nen häufig beim Singen von Melodien, die welchem Grad sie großartig war, bis zu Unser Mut bringt uns in Bewegung. keinen Text haben. Sie beinhalten keinen Sinn, welchem Grad sie fruchtbar war und weltweite Wir wissen, wie zu bauen ist, obwohl die Nacht nur Freude an der Melodik und Rhythmik. Perspektiven eröffnete. Ich wußte nicht, wie so dunkel ist, fruchtbar sie war, und wie weit sie Perspektiven und eine Festung, erbaut aus Steinen, erhebt für die Welt aufzeichnete. Genau ein Jahr sich für die Stöhnenden, später, am 7. November 1918, wurde mir der erhebt sich im nächtlichen Nebel der Schweig­ Slavko Osterc, Cvetoci bezeg Kommunismus zu einer Offenbarung. Gleichzei­ samen, Die Kantate Cvetoci bezeg ist Ostercs letztes tig gab es auch die Ultrachromatik, diese Vision wie die Sonne die Trugbilder des Schicksals Werk im Vierteltonsystem. Vier Jahre später des Kontinuums, und auch da habe ich die lichtet. (1940) vertonte er denselben Text nochmals Kraft gespürt, die im Kommunismus steckte. Mit eisern bewaffneten Streitkräften kommen ohne Verwendung von Mikrointervallen (für Diese '"'Hammerschläge"'' haben bei mir Wider­ wir, ohne Tränen, Chor a cappella). hall gefunden." ohne Knechterei, mit eisernen Streitkräften Die erste Vierteltonkomposition Wyschnegrads­ kommen wir, kys, die "4 Fragments op. 5", trägt eben dieses wir kommen ohne Tränen, ohne Knechterei. Datum: "Petrograd, 7. Novembre 1918". Allzu kühner Gefährte, fürchte Dich nicht vor Kümmernissen, wer würdest Du sein, stündest Du nicht unter Blühender Flieder uns, Um das riesige Haus liegt ein weitläufiger Hof, wenn Du an den Aufstieg glaubst, dann lege öde und leer, bis auf die nackte Erde zertreten - 1. Deinen Stein auf das Fundament. als hätte man ein Haus in die libysche Wüste Levez les yeux vers la Lumiere gestellt. Hebt eure Augen zum Licht Im Hintergrund Fabriken und Villen mit Gärten - alle, die ihr jung, rein und jugendlich, Fata Morgana. jeder, der eine Seele besitzt wie Akkorde von tönenden Saiten Aus der Erde aber - wie ein Wunder ist das - jeder, dec eine Seele besitzt - sprießt ein kränklicher Flieder - die Augen zum Licht, zur Sonne. mit einer einzigen Blüte im niedrigen Strauch. Der eine liebt leidenschaftlich die Weite, Ganz weiß ist die Blüte, smaragden die Blätter - der andere schmilzt aus Kummer den feurigen eine weiße Blüte in der Wüste - ein Licht im Stahl, Dunkel. der eine steht vor dem schwarzen Abgrund Ein schwarzer Bergmann blieb vor ihm stehen, als ob der Held nachdenkt -- noch einer, zwei, drei, ... schweigsam und unbeugsam den Blick gerich­ tet Ein brausender Zug sauste an ihnen vorbei in eine über den Sternen befindliche Welt, und meine Augen erreichten noch . er mißt den Raum, der zurückzuweichen die drei schwarzen Bergleute - die weiße B1üte, beginnt, drei schwarze Wolken - Bündel weißer Sterne, die Augen zum Licht, zur Sonne, drei scharfe Nadeln für mein Herz. alle, die ihr jung, rein und jugendlich, jeder, der eine Seele besitzt wie eine Fackel, Tone Seliskar wie Akkor,de von tönenden Saiten.

1\) (J1 1\) (J') 27 Philippe Leroux Alain Louvier Pierre Marietan über Wyschnegradskys Integrations über Anneaux de Lumiere über Au dela du Temps l'Espace Die Integrations, op. 49, für zwei Klaviere im "Klingendes" Licht ist für mich kein theoreti­ Jenseits der Zeit der Raum. Abstand eines Vierteltons zueinander ge­ scher Begriff ... gewisse Intervalle, gewisse Ton­ Transmusique 2 - 1987 - ist für zwei Klaviere stimmt, sind vielleicht die repräsentativsten arten erscheinen mir von Licht durchflutet. Die gedacht, von denen eines einen Viertelton unter den Werken Ivan Wyschnegradskys. kleinen Intervalle - wie etwa die der akusti­ tiefer gestimmt ist als das andere. Es ist ein Teil Sie wurden 1967 komponiert und beinhalten schen Prismen - zerlegen dieses klingende eines ca. GO-minütigen Werkes, das aus 5 daher einen Großteil der Früchte, die seine Licht in eine Menge verschieden schneller Vi­ Stücken besteht, deren Grundelement die langen Nachforschungen getragen haben. brationen. Sowohl klingende als auch Lichtwel­ Quinte und dessen Form symmetrisch ist. Es Man findet darin - zusammengefaßt und er­ len ganz benachbarter Wellenlängen lassen geht darum, gerade aus diesen Gegebenheiten schlossen auf einem rein musikalischen Weg - analoge Phänomene entstehen: Schwingun­ Bewegung zu erzeugen, obwohl sie von Natur alle Vorstellungen, an denen Ivan Wyschne­ gen, Interferenzen, Brechungen ... die Musik aus Unbeweglichkeit symbolisieren; die Musik gradsky hängt; die wichtigsten davon sind fol­ der kleinen Intervalle ist ein zarter Regenbogen sozusagen aus der Zeit herauszulösen, indem gende: das Prinzip der nicht-oktavierenden mit zitternden Facetten. man ihrem Ablauf Dynamik verleiht. Ein Bei­ oder zyklischen Klangräume und die Systemati­ Der RING ist ein vielfältiges Symbol, eine mäch• spiel für diese aktivierende Verarbeitung stellt sierung der ultrachromatischen Tonskalen. Der tige Verbindung, die die Lichtatome zusammen­ die Schaffung von lnstabilitätspolen dar, ausge­ Terminus Integration, der den zwei Werken hält und die Ideen und Themen mit geheimen hend von der Übereinanderschichtung von ihren Titel gibt, bezeichnet eine strukturelle Vor­ Fäden verbindet, welche die Musiker oft Quinten, und zwar genau von ihrer Mitte aus­ gangsweise, die darin besteht, daß sie fälschlich als Variationen, zyklische Form oder gehend, was nur durch das Spiel mit Vierteltö• mehrere nicht-oktavierende Perioden mit Leitmotiv bezeichnen ... nen erreicht werden kann. Da eine äquidistante binären Strukturen oder mehreren Zyklen in RING und LICHT sind für mich zwei wesentli­ Terz im Rahmen einer Quinte weder groß noch möglichst gleichen Abständen durchdringt. che Ausdrucksformen der UNIVERSELLEN klein sein kann, entsteht eine dritte Möglichkeit, VIBRATION. die Instabilität erzeugt ...

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T ÖSTERREICHISCHES (REDIT-INSTITUT Graz, Hayptplatz 16 29 Bruce Mather Alain Bancquart Claude Balllf über Regime once, Type A über die Sonate für Klavier überWyschnegradskys Dieser trockene Titel ist eine Hommage an Ivan Die Tonskala, die ich für dieses Stück gewählt Etudes sur les Densites et les Volumes Wyschnegradsky. Die harmonische Organisa­ habe, wird durch eine nicht-oktavierende Skala Opus 39a, im Sommer 1956 komponiert, ist für tion des Werkes ist dem Prinzip der nichtokta­ von dreizehn Tönen geformt, welche der Ge­ zwei Klaviere gesetzt und erprobt die ultrachro­ vierenden Klangräume, ausgearbeitet von samtheit seiner Strukturen als Grundlage dient. matische Dichte von 24 Vierteltönen. Die Entfal­ Wyschnegradsky, entlehnt. "Regime once" Es handelt sich um ein Werk in fünf miteinan­ tung des Werkes erfolgt in drei Abschnitten. organisiert den Tonraum in einem Zirkel von der verbundenen Teilen, die verschiedene Va­ Der Hörer erlebt eine polyphon-räumliche Be­ sieben großen Septimen (oder 11 Halbtönen), riationstypen anwenden. wegung, die sich in drei Variationen des Klang­ also ein "nicht-oktavierender" Typ."Type A" ist Die harmonische Labilität, die aus den Mikro-In­ volumens und der tonalen Beziehungen, eine Kreuzung von zwei Transpositionen tervallen entspringt, findet ihr Echo in den Modi welche auf diese Weise ausgeschöpft werden, dieses Zirkels, die die großen Septimen in Inter­ der Tonwerte, dank einer Methode, die das an­ stufenförmig steigert. Es geht hier nicht mehr valle von 5 und 6 Vierteltönen unterteilt. wendet, was Wyschnegradsky "Mikro-Intervall­ darum, Stimmen zu formen, sondern Zusam­ Rhythmik" nannte: Tonwerte, die eher Bruch­ menballungen von Tönen, die zu Klangtrauben stücke von Takten als regelmäßige Takte ver­ verbunden sind. körpern. Daraus resultierte eine labile Rhyth­ mik, die dazu tendiert, den Takt als solchen zu annullieren, was eine enorme Schwierigkeit mit sich bringt, diese Musik auch wirklich zur Aus­ führung zu bringen: Diese Schwierigkeit ist nicht das Resultat von Willkürlichkeit, sondern ganz im Gegenteil die Folge des Anstrebens einer Kohärenz zwischen dem Vertikalen und dem Horizontalen. Die infolge der speziellen Stimmung freigewor­ dene Klangfülle des Instrumentes hat mich dazu gebracht, alle Resourcen einer blühenden Virtuosität auszuschöpfen.

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., 35 Andrezej Oobrowolski Uros Rojko Kaz Kumrunrotschna KOMPOSITIONSWETTBEWERB über Musik für Zwölf über Ätherwelle FÜR JUNGE KOMPONISTEN Die harmonische Struktur des Werkes im "Ätherwelle" ist nicht nur eine Komposition in Um jungen Komponisten den Einstieg in das öf• ganzen ist auf drei Intervallen (kleine Sekunde, Form einer umschreibenden Übertragung einer fentliche Musikleben zu erleichtern, veranstalten kleine Terz, Tritonus) entworfen, aus denen die Versdichtung (verschiedener sich überlagern• die Hochschule für Musik und darstellende Progression dreier Zusammenklänge (1. f-fis, g­ der sinnlicher bzw. übersinnlicher Texte), Kunst in Graz und das Musikprotokoll im steiri­ gis; 2. e-g, f-as; 3. a-es, d-as, g-des) direkt ent­ sondern auch eine Komposition, in der die schen herbst alle zwei Jahre einen internationa­ steht. Diese Zusammenklänge bilden mit ihrer Form durch Schematisierung einer instrumen­ len Kompositionswettbewerb. aufeinanderfolgenden und anhaltenden Anwe­ tal konstruierten Zeitstruktur entsteht. Teilnahmeberechtigt sind Komponisten aller Na­ senheit eine "Monolite-Statik", die aber wegen "Ätherwelle" bezieht sich auf den folgenden tionalitäten, die an einer Musikhochschule das ihrer inneren Variabilität und dynamischen Wel­ transformierten Goethe-Text und hat dabei für Hauptfach Komposition studieren oder das lenartigkeit verborgen bleibt. sich eine Bedeutung von "Klangschwingung" Hauptfach Komposition spätestens 2 Jahre vor Die Hauptaufgabe der Ausführenden besteht (als Gestalt des Stückes). der Ausschreibung des Wettbewerbes mit einem darin, sich dem Atmen des Musikmaterials an­ Die Komposition ist in 12 Teile gegliedert, jede Diplom absolviert haben. zupassen und zu fügen. Die Energie, die in hat einen eigenen Charakter, basiert jedoch auf Gegenstand des Wettbewerbes anläßlich des dem ersten Akkord entsteht, muß trotz vieler der gleichen Gestalt. Musikprotokolls 1988 war ein Werk für Kammer­ Zäsuren und Unterbrechungen die Spannung orchester bis 22 Musiker. Es wurden 89 Kompo­ des musikalischen Vorgangs in Atem halten. A: Wenn im Unendlichen dasselbe ="Luft" sitionen aus 13 Ländern (BRD, Finnland, Frank­ B: Sich wiederholend ewig fließt ="Feuer" C: ="In einer Zeitlücke" reich, Griechenland, Holland, Italien, Japan, D: Das tausendfältige Gewölbe ="Wasser" Österreich, Schweden, Schweiz, Spanien, E: Sich kräfig ineinander schließt; ="Erde" Rußland, Türkei) eingereicht. F: Strömt Lebenslust aus Am 23. November 1987 wurde der Wettbewerb allen Dingen ="Der neue Tag" entschieden. G: ="Aus der Zeitlücke Der Jury gehörten Klaus Ager, Andrzej Dobro­ heraus" wolski, Henryk Gorecki, Arne Nordheim, Angelo H: ="Sonne" 1: ="Spiel des Lichtes· Paccanini und Karl Ernst Hoffmann als Berater J: ="Über den Schatten" seitens des ORF an. K: Und alles Drängen, alles Ringen ="Gesang des Preise in Form einer Aufführung beim Musikpro­ Himmels" tokoll und einer Einladung für die Dauer des L: Ist ewigs Ruh in Gott dem Herrn. ="Hinüber" Festivals wurden vergeben an Thomas HUMMEL, BRD (Konzert für Gitarre und Streich­ orchester); Kaz KUMRUNROTSCHNA, Thai­ land/BRD (Ätherwelle für Kammerorchester); Uros ROJKO, Jugoslawien (Musik für Zwölf); Diethelm ZUCKMANTEL, BRD (Giacometti). Darüberhinaus wurden folgende Kompositionen durch eine Empfehlung für eine Aufführung beim Österreichischen Rundfunk ausgezeichnet: Detlef Heusinger, BRD (Von Insel zu Insel); Jan Müller-Wieland, BRD (Jamin). 36

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38 Peter Oswald über Scelsis 4. Streichquartett Mit seinem 1964 komponierten 4. Streichquar­ tett hat Giacinto Scelsi eine - gemessen auch an den damaligen Standards der Avantgarde - außergewöhnliche Vision der musikalischen Form realisiert. Der Klang ist in diesem Werk mit einer Konsequenz zum Zentrum der kompo­ sitorischen Triebkräfte geworden, wie es in der Literatur dieser Gattung ohne Gegenbeispiel ist. Alle Unterschiede von Ton und Klang, von Kern und Hülle sind aufgehoben. Was früher zur Hülle des einzelnen Tons gehörte - kleinere und größere Vibrationen, Schwebungen und Fluktuationen - wird nun entscheidender Be­ standteil der Komposition. Dies geschieht mittels einer konsequenten Verwendung von Mikrotönen sowie einer reich nuancierten Mikro­ artikulation. Nicht mehr unterschiedliche Ton­ punkte stellen den Klangraum her, sondern ein tendenziell unendliches Kontinuum. Denn der Ton wird nun "in seine Spektren" (Martin Zenck) gespalten. Dem dient auch die unge­ wöhnliche Stimmung der einzelnen Saiten, die mit ihren höchst unterschiedlichen Spannungs­ verhältnissen zur weiteren Differenzierung des Klangs beitragen. Dem entspricht auch die un­ gewöhnliche Notation, denn jede einzelne Saite bekommt ein eigenes System zugeord­ net. Mit all diesen von Scelsi selbst entwickel­ ten Techniken ist dem Komponisten ein für seine Zeit ungewöhnlicher Vorstoß in infrachro­ matische Klangräume gelungen. Scelsis Ent­ deckungen pulverisieren mit einem herkömmli• chen Instrumentarium die 12tönige chromati­ sche Skala. Die Folgen dieser Innovation werden erst heute, besonders bei vielen franzö• sischen und italienischen Komponisten, sicht­ bar. 39 Dusan Pandula Klaus Ebbeke Dusan Pandula über das 6. Streichquartett über Wyschnegradskys Composition über Habas 16. Streichquartett Meine Würfelkomposition - Streichquartett Nr. 6 Ivan Wyschnegradskys Opus 43, die "Composi­ Das 16. Quartett, Opus 98 komponierte Alois "Hommage a Rudolf Steiner" (1961) - wurde, tion pour Quatuor a Cordes dans l'echelle de Häba zwischen dem 30. Juni und 25. Juli 1967. nachdem ich mich mit ihr an einem italieni­ Quarts de Ton" stammt aus dem Jahr 1960 und was bei Haba ungewöhnlich schnell war. Es schen Wettbewerb beteiligt hatte, an das ist eines der wenigen Werke, das zu Lebzeiten war Habas erste Fünfteltonkomposition, die "Museum of Modern Art" in New York ge­ des Komponisten im Druck erschienen ist. auch als eine Reaktion auf die holländische schickt, wo sie sich noch heute befindet. Nicht zufällig umgeht Wyschnegradsky in der Fokker-Gruppe galt. Die Uraufführung erfolgte In ihrer Form ist diese Komposition klar und Überschrift das Wort "Streichquartett". Denn am 7. Oktober 1967 beim Prager Festival deutlich - wie ein geometrischer Würfel. anders als beim auch jeweils einsätzigen IGNM durch das damalige Novak-Quartett. Die Während die Bemühungen vieler Komponisten ersten und dritten - vom Autor auch so benann­ Satzform ist unklassisch, ohne Reprisen, wichti­ bei der Entstehung der Aleatorik in eine ten - Streichquartett handelt es sich bei der ger ist der Inhalt dieser Komposition. Häba be­ gewisse Anarchie gerieten, wollte ich in diesem "Composition" nicht um eine in sich zyklische nötigte hierzu 8 Sätze, die höchste Zahl in Werk keine Willkürlichkeiten schaffen, sondern Gesamtanlage. Vom Satzcharakter wäre viel seiner Quartettmusik. Die Benennungen verra­ es nach einem rein logischen Konzept aufbau­ eher an einen Allegro-Kopfsatz zu denken. Die ten eindeutig die Sorgen des Autors, seine Ge­ en. Aus diesem Grunde mußte ich in diese "Composition" gewinnt ihre Bewegungsenergie danken und Stimmungen, die er in dem ereig­ Komposition eine bestimmte Thematik einbau­ aus einem jambischen Eingangsmotiv, das nisreichen Jahr vor der Okkupation gehabt hat: en. Das erste Thema ist H - A - B - A und das weite Teile des Satzes obsessiv durchherrscht. Friedfertig - Erregung - Unentschlossen - Hart - zweite Thema ist in Krebsform der bekannte Thematische Ansätze - und dies scheint eine Ei­ Träumerisch - Konzentriert - Entschlossen - Spruch von Josef Joachim F - A - E (Frei Aber gentümlichkeit des späten Werkes zu sein - ge­ Heiter. Einsam), was bei mir "Einsam Aber Frei" war. langen kaum über signalartige Motive hinaus. Das ist die Beschreibung seines psychischen Dieses spiegelte vor mehr als 20 Jahren meine Einzig ein knapper Mittelteil exponiert einen dif­ Zustandes und des Zustandes vieler anderer trostlose Situation während der damaligen poli­ ferenten Charakter, der alsbald jedoch in ein im damaligen Dubcek-Regime. Der Klang der tischen Lage in der CSSR wider. Allerdings rhythmisches Übergangsfeld mündet, um dann Partitur ist transparent und verrät den reifen Alt­ hatte mir auch Häba mit dem Buch von Dr. in den stockenden Puls der Wiederaufnahme meister, in dessen Macht es lag, die Klänge so Rudolf Steiner ''Philosophie der Freiheit" bei des Beginns einzugehen. zu gestalten, daß die 4 Stimmen schlicht aber der Gestaltung dieses musikalischen Opus überzeugend zum Ausdruck kommen. Die Sätz• sehr geholfen. chen ergeben trotz ihrer aphoristischen Kürze Das Werk ist im Sekundenraster notiert und doch immerhin 13 Minuten Dauer. dauert 6 Minuten. Die Spielzeit kann sich nun immer um 6 Minuten beliebig verlängern, und jedesmal entsteht durch die aleatorische Technik eine neue Komposition. Die Anzahl dieser Kompositionen kann somit ins Unendli­ che gehen.

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Die "Luftballon-Suite op. 3" von Franc Wyschnegradsky entwickelte Technik, Werke weniger Tage im Juli 1926, der Interpret der Ur­ Sturm besteht zum größten Teil aus unvoll­ für Vierteltonklavier an zwei komplementär ge­ aufführung war Karel Reiner; die zweisätzige endeten Skizzen, lediglich der vierte Satz (im stimmten Instrumenten zu realisieren, auch auf Suite für Vierteltonklarinette und Klavier (die athematischen Stil) ist so überliefert, daß die Werke anderer Komponisten angewandt wird. von Fran<;ois Benda auf einer traditionellen Absicht des Komponisten eindeutig zu erken­ Das Programm enthält Originalkompositionen Halbtonklarinette realisiert wird} stammt aus nen ist. Die Manuskripte beider Werke befinden für zwei Klaviere im Vierteltonabstand (Lang, dem Jahr 1925. Beide Werke können als Bei­ sich in der Universitätsbibliothek Ljubljana. lves, 2. Satz}, Werke, die ursprünglich für ein spiele für die "athematische" Schreibweise Eines der ersten Werke, die Karel Reiner Vierteltonklavier konzipiert worden sind, dann gelten. nach seiner Befreiung aus dem Konzentrations­ aber vom Komponisten selbst für zwei Klaviere Der Versuch, Häbas Lehrtätigkeit innerhalb lager schrieb, war die Sonatine op. 83 (im Origi­ transkribiert wurden (Wyschnegradsky, lves, 1. eines Konzertes zu skizzieren, muß fragmenta­ nal für Vierteltontrompete und Posaune). Sie und 3. Satz} sowie Einrichtungen von Musik für risch bleiben, nicht nur wegen der großen wurde dem Posaunisten Bubäk anläßlich der ein vierteltöniges Tasteninstrument. Anzahl seiner Schüler (Jiri Vyslouzil legte Geburt seines Sohnes gewidmet. "Karl Reiner seiner Häba-Biographie eine Liste von 103 ist ein Bub. Er hat von seinem Lehrer Alois Namen bei} sondern vor allem, weil nur wenige Häba die spitzige Beobachtungsgabe geerbt Willi M ö 11 e n d o r ff verfaßte in seiner Werke erhalten geblieben sind. Vierteltonmusik und besitzt ein gut Stück Sticheligkeit. die er Schrift "Musik mit Vierteltönen" (Leipzig, 1917) wurde kaum gedruckt, viele Manuskripte gerne fühlen läßt ... Seine Kompositionen sind eine Harmonielehre, in der er die Veiwendung wurden zerstört, gingen verloren. Als Beispiele wie er selbst: klein. scharf. witzig. stachelig .... " von Vierteltönen als dissonante Durchgangs-, für unauffindbare Arbeiten seien hier die (Der Auftakt. Prag 1932, S. 152). Neben- und Vorhaltsnoten erlaubte sowie die Sonate für Vierteltonklarinette und Vierteltonkla­ Die "3 Etüden für das Vierteltonklavier op. Ga" Aufeinanderfolge verschiedenartiger tonaler vier von Viktor Ullmann (+ 1944 in Auschwitz), von Miroslav P o n c entstanden 1925, im Akkorde in Vierteltonschritten empfahl. Seine sowie die Werke für Vierteltonklavier von zweiten Jahr von Alois Häbas Lehrtätigkeit. "5 Stücke für das bichromatische Harmonium Walter Süßkind ( + 1980 in Berkeley, USA) und Ponc verwendete vorwiegend chromatische op. 26" bleiben - trotz der Veiwendung von Mi­ Vojislav Vuckovic (1942 in Belgrad hingerichtet) Skalen mit vierteltönigen Zwischenschritten; krotönen - völlig der tonalen Harmonik und der genannt. der erste Interpret dieser Etüden war Erwin Tradition des 19. Jhdts. verhaftet. Möllendorffs Schulhaff. Anregungen waren aber für die jüngeren Kom­ ponisten, vor allem für Alois Häba, von großer Bedeutung. "Im Herbst 1922 fand die erste internationale Zusammenkunft der Vierteltonkomponisten in meiner Wohnung statt. Sie ergab eine derartige Divergenz der Meinungen, daß nach stunden­ langen Debatten nicht einmal über die Frage der Notierung eine Einigung zu erzielen war." (Richard H. Stein: "Vierteltonmusik" in: Die Musik XV/7, April 1923, S. 514). Im selben Aufsatz eiwähnt Stein neben den damals anwesenden Komponisten Häba, Wyschnegradsky, Möllendorff und Mager noch Arthur L o u r i e als "besonders verdienstvollen Vorkämpfer für die Vierteltonsache". Juan Allende-Blin veröffentlichte in den "Musik­ Texten" (Nr. 4/1984) die einzige(?) Viertelton­ komposition von Lourie, das äußerst kurze Prelude op. 12/2, das 1915 für ein vom damali­ gen Standpunkt aus utopisches Instrument, ein Vierteltonklavier, geschrieben wurde. 47 Jörg M a g e r s Nachlaß ist in Darmstadt dem Bernhard Lang Bombenkrieg zum Opfer gefallen, die einzige über Stele erhaltene mikrotonale Komposition ist sein als 1. Programmatisch: "Zwei Königskinder" bzw. Notenbeispiel der Broschüre "Vierteltonmusik" "Ach Elslein" (1916) beigelegtes Werk "Die Flucht der 2. Technisch: String Processing und Armen". Mager montierte aus verschiedenarti­ selbstgenerative Strukturen gen Akkorden eine Untermalung zu seinem 3. Materialbezogen: Mein erstes durchgängig eigenen Text: vierteltöniges Stück "Als die Armen sahen, daß nimmer Hoffnung 4. Zeitbezogen: 1988 sei, der Armut Schandmal abzutun, zogen sie 5. Entstehungsgrund: Anregung durch aus aus aller Welt Enden, hin ans Meer und G.F. Haas sangen: Wir waren hungrig, und sie haben uns 6. Enstehungsort: <;3raz nicht gespeist! Wir waren fremd und sie haben uns nicht beherbergt! Wir waren krank und sie Charles lves haben uns nicht besucht! Schamlos, zu tragen über Three Quarter-Tone Pieces der Armut Nacktheit. Ehrlos, zu dulden der Von den drei kurzen Stücken, die ich unter Ver­ Armut Schmach! Laßt uns enden unsern Fluch, wendung von Vierteltönen komponiert habe, enden der Armut Hölle! Und sie stürzten sich waren das erste und das letzte ursprünglich für stolz ins Meer!" ein zweimanualiges Vierteltonklavier gedacht. Ivan W y s c h n e g r a d s k y s "24 Preludes Der erste Satz, Largo, ist vorwiegend diato­ op. 22" liegt eine Skala aus 13 Tonen zugrun­ nisch, wobei Vierteltöne als Durchgangs- oder de. Die lntervallabfolge dieser Skala (5 Halbton­ Vorhaltsnoten und Vierteltonakkorde als Erwei­ schritte - 1 Vierteltonschritt - 6 Halbtonschritte - terungen und Varianten eingesetzt werden, 1 Vierteltonschritt) ist in ihrem zweimaligen obwohl der Mittelteil aus Erweiterungen von Wechsel zwischen mehreren größeren und Vierteltonakkorden besteht. einem kleineren Intervall pro Oktave der Dur­ Der zweite Satz, Allegro, für zwei Klaviere, tonleiter nachempfunden, der Komponist eines um einen Viertelton höher gestimmt, spricht von einer "diatonisierten Chromatik". besteht zum Großteil aus Rhythmen, die von (Am Beginn des Prelude Nr. 10 ist diese Skala den beiden Klavieren kontrastiert und "aufge­ in Gegenbewegung zu hören.) Das Werk ent­ spalten" werden. Vom Standpunkt der Viertel­ stand 1934; anläßlich einer Umarbeitung in den tonharmonie aus führt das - streng betrachtet - 60er Jahren fügte Wyschnegradsky auch "leiter­ nicht sehr weit. fremde Tone" ein. In Wyschnegradskys System Der letzte Satz ist ein "Choral", gespielt von tritt an die Stelle des Quintenzirkels eine zwei Klavieren. Ein cantus firmus, von der Aneinanderreihung von jeweils um einen Vier­ Oberstimme in der Coda übernommen, ist eine telton vergrößerten reinen Quarten (dieses lnt­ Phrase aus Vierteltönen, die in eine Halbton­ tervall ist auch in der Naturtonreihe enthalten phrase übergeht und schließlich in Ganzton­ und entsteht zwischen dem 8. und 11. schritten endet, während die harmonische Oberton), die Zenträltöne der einzelnen Prelu­ Struktur durchgehend auf der Ebene der Viertel­ des folgen diesem Zirkel: Im Prelude Nr. 7 töne verharrt. beginnt die "diatonisiert chromatische Skala" mit dem a, im Prelude Nr. 8 mit dem erniedrig­ ten es, im Prelude Nr. 9 mit dem as, im Prelude Nr. 10 mit dem erniedrigten d usw. • 50 51 52

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C, CASINOS AUSTRIA Badm · Badgasteln · 8ttgfflz · Gru · Kltzb!lhd Kldnwalsenal • Unz Salzburg • Scdeld · Velden • Wien 53 Diethelm Zuckmantel Thomas Hummel über Giacomettl über Mikrotexturen Meine Kornpostion "Giacometti" für 19 Solo­ "Mikrotexturen" ist für mich eine Station in der streicher ist eine Hommage für den großen Bild­ Entwicklung einer eigenen Kompositionstech­ hauer und Maler Alberte Giacometti. Nur in nik, an deren Anfang das Trio für 3 Querflöten wenigen Kunstwerken unserer Zeit kann man steht und deren jüngstes Produkt "Sprach­ das, was künstlerische Wahrheit ist, so deutlich kristallisation I" für Ensemble ist. ausmachen, wie in den Arbeiten Giacomettis. Ein in dieser Entwicklung unter anderem neu Als Komponist ist dabei für mich besonders fas­ hinzutretender Aspekt von "Mikrotexturen" ist zinierend, daß die Suche nach Wahrheit stets die konsequent mikrotonale Struktur dieses auch von sehr strengen formalen Vorstellungen Werkes. Sie spiegelt in gewissem Sinne unsere ausgeht. Um der zerbrechlichen Formwelt Gia­ natürliche akustische Umwelt wider, in der comettis nahezukommen, habe ich für mein reine Intervalle eher selten sind (ich denke oft Stück Streicher gewählt. Im Gegensatz zu Blas­ an singende Kinder). Um mikrotonale Intervalle oder Schlaginstrumenten ist der Streicherklang durch Instrumente reproduzierbar darstellen zu zart und schwebend, aber ebenso in der Lage, können, bedarf es besonderer Techniken. die flächig angelegten, radikalen Formabläufe Diese bestehen, kurz gesagt, in der "Verstim­ zum Fließen zu bringen. mung" von Saiten auf Miktrotöne und Verwen­ dung von natürlichen Flageoletten, deren resul­ tierende Tonhöhe, bezogen auf den Grundton, genau definiert ist. 54 55 56 57 Hans Rudolf Zeller Peter Oswald Jose Bruyr über Carrillos Concertino Nr. 1 über Scelsis Chukrum über Wyschnegradskys Opus 23 Das 1. Konzert für Violine und Orchester im Chucrum, Scelsis 1963 geschriebene viersätzi• in Le Guide du Concert, 1937 Vierteltonsystem entstand 1963. Schon im ge Komposition für Streichorchester, läßt sich Das Werk setzt mit einer kurzen Exposition ersten Klang der kurzen Orchestereinleitung in vielerlei Hinsicht als wichtige Vorstufe zum eines rhythmischen Themas ein, gefolgt von des ersten Satzes, "Poco lento", wird das für ein Jahr später entstandenen Vierten Streich­ einem kurzen Interludium, das in ein melodi­ die drei Sätze des Konzerts verbindliche, quartett interpretieren. Auch in Chucrum ver­ sches Thema mündet. Diese zwei Themen sind sowohl seine horizontalen wie vertikalen Struk­ wendet Scelsi Vierteltöne nicht zu einer Weiter­ in einer Tonskala von dreizehn Tonen mit kon­ turen generierende Material exponiert. Darin differenzierung von motivisch-thematischen stanten Modulationen komponiert und beinhal­ bekundet sich unüberhörbar Carrillos Vorliebe Strukturen, sondern zur Herstellung eines konti­ ten zwei Vierteltonsprünge an zwei verschiede­ für die Monothematik, kraft der alle Motive nuierlichen Klangraums. Ausgangspunkt der nen Stellen. einer mehrsätzigen Großform mittels verschie­ vier Sätze ist jeweils ein einzelner Ton, der Darauf folgt eine kurze Rückkehr zum Anfangs­ denster Techniken variativer Umbildung aus durch unterschiedliche Lagen, reich nuancierte rhythmus, dann ein Interludium von majestäti• einer Anfangskonstellation abgeleitet und so Mikroartikulation, Rhythmik und Dynamik aufs schem Charakter. Danach kehrt das melodi­ deren unterschiedliche Aspekte entfaltet äußerste differenziert wird. Kehren der erste sche Thema wieder, aber diesmal außerhalb werden können. Motivisch relevant ist bereits wie auch der vierte Satz zu ihrem Ausgangs­ jeder Tonskala, in Intervallen von Halb- und die von den Celli intonierte, vierteltönig sequen­ punkt, dem a zurück, so erhebt sich das Ende Vierteltönen. zierte Oktave, auf die sich hernach auch die So­ des zweiten Satzes um sechs, das des dritten Eine fortschreitende dynamische Steigerung lovioline zubewegt. Der zweite Satz, "Lenta­ Satzes um drei Vierteltöne über die jeweilige mündet in ein Fortissimo, auf das ein "Allegro mente", beginnt hingegen mit fallenden über• Ausgangslage. Der Verlauf der einzelnen energico" folgt, das auf dem rhythmischen mäßigen Quinten, und hier ist die Feinstruktu­ Stücke wird nun wesentlich durch die Pulsatio­ Thema beruht. rierung von Partikeln aus den im ersten wie im nen bestimmt, mit denen sich der Klangstrom Wiederkehr des melodischen Themas. dritten Satz auftretenden Ganztonpassagen be­ von seiner Ausgangslage entfernt. Derartige Ein kurzes "Allegro martiale", und das Werk sonders deutlich mitzuverfolgen. Denn analog Pulsationen bestimmen aber auch das Innenle­ endet mit einem rhythmischen Thema (in der der Augmentation und Diminution von Zeitwer­ ben des einzelnen Klangs, der mit einem Tonskala von dreizehn Tonen) mit Superposi­ ten werden Ganztonintervalle mit Vierteltönen Akkord im herkömmlichen Sinn nun nichts tion der auf dem zweiten melodischen Thema (in entsprechend verkürzten Zeitwerten) ausge­ mehr gemein hat. Die beinahe durchgehende basierenden Akkorde, ebenfalls in einer Tonska­ füllt oder Halbtonmotive zu Ganztonmotiven Verunklarung von Taktschwerpunkten sowie die la von dreizehn Tönen. vergrößert und zudem vierteltönig sequenziert. ständigen Veränderungen der lntervallamplitu­ Daraufhin wäre auch der dritte Satz, "ad lib.", de der einzelnen Klänge tragen wesentlich zu zu hören, der motivisch, vor allem was die nun jenem vibrierenden Eindruck eines organisch gleichberechtigt ins Spiel kommenden großen flutenden und alle Grenzen beseitigenden Strö• und kleinen bzw. verkleinerten und vergrößer• mens bei. Der Hörer wiederum wird von Scelsi ten Intervalle anbelangt, eine Synthese der eingeladen, an diesen Entdeckungsreisen ins beiden vorangegangenen Sätze darstellt und Innere des Klangphänomens selbst teilzuneh­ mit einer großangelegten Kadenz der Solovioli­ men. ne ausklingt.

... 58 59 60 61 Franz Richter Herf Georg Frierich Haas Bruce Mather über Wie schwache Fontänen über Wyschnegradskys Arc-en-Ciel über Poeme du Dellre Akkordzerlegungen, Figuren und Triller erin­ "Ich mußte die Welt der Vierteltöne erobern, be­ Zur Tonhöhengestaltung von Poeme du Delire nern an Wasserspiele. Doch nicht die Schilde­ herrschen, dann die der Sechsteltöne, also erst ist Wyschnegradskys System der "nicht-oktavie­ rung der äußeren Erscheinungen, sondern das Binäre, und danach das Ternäre, zwei renden Klangräume" verwendet und modifiziert " deren Reflexion wird musikalisch zum Aus­ Arten von Ungleichgewicht im Verhältnis zu 12. auf eine Weise, die es erlaubt, Skalen von druck gebracht. Das Stück wurde 1976 für ek­ Da die Zahl der Halbtöne 12 ist, stellt dies ein Drittel- und Sechsteltönen zu erzeugen. melische Orgel (eine elektronische Feinstufen­ perfektes System dar. Perfekt, weil das Ternäre Formal betrachtet ist es ein Mosaik von sechs orgel) komponiert und für Violine, 2 Klarinetten und das Binäre das Gleichgewicht zu 12 halten verschiedenen Strukturen: und Gitarre, sowie für Streichquartett bearbei­ und zwar 3 x 4. Der Viertelton, das ergibt schon 1.) Monodie; 2.) eine langsame Melodie beglei­ tet. 3 x 8. Da siegt das Binäre. Der Sechstelton ist tet von komplexen, zerlegten Akkorden; 3.) ein 9 x 4. Das ist das Ungleichgewicht, das Ternäre Choral mit Akkorden aus 3, 5, 8 und 13 Tönen; Georg Friedrich Haas ist stärker als das Binäre. Man muß noch wei­ 4.) eine Melodie in gemäßigtem Tempo von ge­ über Wyschnegradskys Etüde tergehen. < ... > Nimmt man die Zahl der Töne schlossenen Akkorden begleitet; 5.) Triller und Die Etüde op. 44b von Ivan Wyschnegradsky für die Oktave, die sich aus den Zwölfteltönen Halbtonskalen begleitet von langsam zerlegten ist für Julian Carrillos Zwölfteltonklavier kompo­ ergeben, erhält man 72. Das Gleichgewicht Akkorden und 6.) rasche Tremolos und Ostina­ niert und wird in einer Einrichtung für 6 Klavie­ Ternär-Binär ist wieder hergestellt: 8 x 9 ... " tos. re aufgeführt. Das kurze Stück basiert auf dem (Ivan Wyschnegradsky im Gespräch mit Juan Poeme du Delire ist dem Andenken A. Skrja­ . Intervall von 17 Zwölfteltönen, einer um einen Allende-Blin in: Musik Konzepte 32/33: Alex­ bins und seines Schülers Ivan Wyschnegrads­ Zwölftelton verminderten kleinen Terz. andr Skrjabin und die Skrjabinisten, München ky gewidmet. Der Titel ist eine Anspielung auf 1983, S.116) Skrjabins Poeme de l'Extase und Poeme du Die Komposition Arc-en-Ciel (Regenbogen) Feu. zeichnet diesen Prozeß nach. Zunächst wech­ seln Viertel-, Halb- und Sechsteltonpassagen Wolfgang Danzmayr ab, bis es zur Synthese dieser Systeme in der über Tableau III Zwölfteltonskala kommt. 6 aus 45, der Österreicher liebster wöchentli• Wyschnegradsky bildet Akkorde, indem er cher Nervenkitzel, so könnte der Untertitel für mehrere große Septimen übereinanderschich• mein "Tableau III" lauten; denn die Lotto-Ergeb­ tet, die ihrerseits jeweils in 2, 3 oder 6 gleich nisse der letzten dreizehn Wochen bilden die große Intervalle aufgeteilt werden. Die auf Struktur dieser perlenkettenartigen Komposi­ diese Weise gebildeten Klänge enthalten keine tion. Oktaven, Wyschnegradsky spricht von Noch sind die Ergebnisse neu. Morgen und in "Espaces non-octaviants". Einen Extremfall 100 Jahren kräht kein Hahn mehr (nach ihnen). dieser "nicht-oktavierenden Räume" stellt der Auf diese Relativierung kommt es mir auch in Schlußklang des Werkes dar, ein Akkord aus meiner Musik an. 28 übereinandergeschichteten, jeweils um Vergessen Sie trotzdem nicht auf die rechtzeiti­ einen Zwölftelton verminderten großen Sekun­ ge Abgabe Ihres nächsten Lottoscheines. den. Hermann Markus Preßl über N.N. 12/6/3 ... der totale Sternenhimmel auf 58,8' reduziert: d.h. erweitert ... (Diese Komposition ist eine meditative Musik. Jeder Zuhörer bestimmt selbst die Dauer seiner Teilnahme an dieser Meditation).

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• 66 67 68 Georg Friedrich Haas Richard H. Stein Adriaan Fokker, Harmonische variaties zu Marchettus, Luzzaschi und Gesualdo über sein Opus 26, Vorwort zur Partitur, 1906 Die formale Struktur gleicht einer Passacaglia. Marchettus de Padua teilt in seinem 1317/18 er­ ... Da das Klavier für Vierteltöne unbrauchbar Eine Folge von 9 Akkorden (acht verschiedene schienenen "Lucidarium" den (pythagorä• ist, konnten diese in den beiden vorliegenden und die Wiederholung des ersten) wird mehr­ ischen) Ganzton in 5 Abschnitte. Die musikali­ Kompositionen nur sehr sparsam angewandt mals in verschiedenen melodischen, kontra­ sche Notwendigkeit des Fünfteltonschrittes werden. Beim Zusammenspiel von drei oder punktischen und strukturellen Formen darge­ (der "Diesis") wird vor allem durch die Verbin­ vier Streichinstrumenten würden sich natürlich legt. Es werden insgesamt neun Sequenzen dung der "erträglichen Dissonanzen" (kleine ganz andere, weitaus tiefere und unvergleich­ vorgetragen. und große Terz, große Sext) mit den darauffol­ lich mannigfaltigere Wirkungen erzielen lassen. genden Konsonanzen (Einklang, Quint, Oktav) Doch da man mit der Einführung von Neuem Rudolf Rasch begründet: " ... je weniger nämlich die Disso­ sowieso nicht vorsichtig genug sein kann, lag über Mandelbaums Vier Miniaturen nanz von der Konsonanz entfernt ist, desto mir jetzt vorläufig an einer ausgiebigeren Ver­ Die Komposition der Vier Miniaturen für ein 31- weniger ist sie von ihrer Vollendung entfernt ... " wendung von Vierteltönen nichts. Vielmehr töniges Tasteninstrument durch Joel Mandel­ In der elektronischen Realisierung der - unvoll­ habe ich sogar absichtlich nur an solchen baum erstreckte sich über eine relativ lange ständig erhaltenen - dreistimmigen Motette Stellen Vierteltöne überhaupt verwandt, die Periode von 1963 bis 1979. Die Stücke wurden "Ave regina caelorum / Mater innocentia" des eine Umschreibung ohne diese zuließen, - für das Archiphon komponiert, können aber Marchettus werden die von ihm aufgestellten wodurch denn hoffentlich auch der ärgste auch auf anderen 31-tönigen Tasteninstrumen­ Regeln an seiner eigenen Komposition ange­ Nörgler zufrieden gestellt sein wird. Denn er ten gespielt werden, wie der 31-tönigen Pfeifen­ wandt. braucht ja nur die Varianten zu lesen und zu orgel im Teyler-Museeum in Haarlem und dem Nicola Vicentino entwarf in seinem 1555 ver­ spielen, und die Vierteltöne als nicht vorhanden 31-tönigen Scalatron. 31-tönige Tasteninstru­ öffentlichten Werk "L'antica musica ridotta alla zu betrachten ... mente wurden schon im 16. und 17. Jahrhun­ moderna pratica" Tasteninstrumente mit 31 Ton­ dert entwickelt und gebaut. Joel Mandelbaums stufen pro Oktave, das Archicembalo und das Vier Miniaturen nutzten die verschiedenen Mög• Arciorgano, die wahrscheinlich in einem gleich­ lichkeiten der 31-tönigen Stimmung und im spe­ mäßig temperierten 31-Tonsystem gestimmt ziellen die Möglichkeiten des von Fokker ent­ wurden. worfenen 31-tönigen Tastenbildes. Der einzige Interpret, der diese Instrumente be­ herrschte, war Luzzasco Luzzaschi, der auch Gesualdo di Venosa mit deren Möglichkeiten vertraut machte. Wenn man davon ausgeht, daß das Archicem­ balo u.a. zur Einstudierung von Vokalmusik ver­ wendet wurde, kann die Hypothese aufgestellt werden, daß die Madrigale Luzzaschis und Ge­ sualdos ursprünglich im Fünfteltonsystem (31 Töne pro Oktave) konzipiert waren. So wird auch Gesualdos ablehnende Haltung gegen­ über dem Basso continuo verständlich: Seine musikalischen Vorstellungen waren an Instru­ menten mit nur 12 Tönen pro Oktave nicht reali­ sierbar. 69 Georg Friedrich Haas Joel Mandelbaum Easley Blackwood, Mikrotonale Etüde Nr. 12 über Badings' über die neun Präludien Die 19 tönige Stimmung erlaubt diatonische Reeks van kleine klangstukken Die "Neun Präludien" sind Kompositionen, die Skalen, in welchen die große Sekund drei chro­ Die von Adriaan Fokker konzipierten "Euler­ ein Kapitel meiner Dissertation veranschauli­ matische Abstände umfaßt, die kleine Sekund Fokker-Genera'' bilden aus dem Fünfteltonsy• chen und die insgesamt meinen ersten zwei. Die Dreiklänge sind konsonant, der stem Auswahlskalen, die jeweils nur 12 Töne Versuch, mikrotonal zu komponieren, darstel­ Leitton im Verhältnis zur Tonika zu tief. Die dia­ pro Oktave enthalten und deren Töne durch len. tonische Funktion ist sonst praktisch ident mit von der Obertonreihe abgeleitete lntervallbezie­ Prelude I beginnt mit einer deutlichen Annähe• der der Zwölftonstimmung. Das chromatische hungen miteinander vernetzt sind. Badings' rung an die "goldene Teilung" der Oktave. (Der Verhalten ist dagegen anders: die reine Quart "Kleine klankstukken" sind in diesen Genera ge­ "goldene Schnitt" als Grundsatz wird von Thor­ ist in zwei gleiche Teile zerlegbar, eine übermä• schrieben: wald Kornerup, einem frühen dänischen Vertre­ ßige Sext und eine verminderte Septim sind ter der 19-Ton-Stimmung, empfohlen.) Es er­ gleichklingend. 1. Preludio: kundet folgende Merkmale dieser Stimmung: Die Etüde hat Sonatenform, in der das erste das Fehlen der enharmonischen Gleichwertig­ Thema diatonisch und das zweite chromatisch H--F#--C#--G# keit der verminderten Septakkorde, Quintenzir­ ist. Die Durchführung moduliert vollständig kel über 19 Tonhöhen, Zirkel von anderen Inter­ nach dem Zirkel der neunzehn Töne; angefügt vallen wie große Sekund und kleine Terz in 19 ist eine Koda, in der sowohl diatonische als Te,z 1 1 1 1 Schritten, Anpassung der 19-Ton-Stimmung an auch chromatische Elemente verwendet sind. G--D--A--E die traditionelle tonale Musik. Prelude II verwen­ Die Mikrotonalen Etüden entstanden im det große und kleine Dreiklänge, bevorzugt Rahmen eines vom National Endowment for jedoch lntervallprogressionen, die im Zwölfton• the Humanities in Verbindung mit dem Webster Te,z 1 1 1 1 E!1-Hl7--F--C system nicht zur Verfügung stehen. In Prelude College, Saint Louis, finanzierten Forschungs­ IV ("Morning Bells") wird das Verfahren umge­ projektes. Quint Quint Quint kehrt: Hier werden "verzerrte" Dreiklänge in einem bitonalen Rahmen verwendet. IX. Passepied Prelude III hat die große Sekund als Grundinter­ vall zur Festlegung von Skalen, Harmonien, ln­ tervallprogressionen und der Modulation, alles Gl-DL-AL auf eine, dem Gebrauch der reinen Quint in der Natur­ traditionellen Musik, analoge Weise. sept /i II / Prelude V besteht aus zwei "Chorälen", in denen sehr konventionelle rhythmische Muster A-i-.-ElH den Hintergrund für zwei verschiedene künstli• Terz che Skalen abgeben, die durch die Substituie­ rung der reinen Quint durch andere Intervalle El---HL- -FL erzeugt werden. / / / Prelude VI veranschaulicht Joseph Yassers Be­ F---C--G hauptung, daß "Supratonalität" Tonalität und Quint Quint Atonalität in sich vereinigen kann. Hier wird er­ möglicht, daß eine regelmäßige Zwölftonreihe innerhalb eines 19-Ton-Feldes moduliert. VI. Perpetuum mobile Prelude VI 1("Orientale") bringt eine Annähe• rung an eine pentatonische Skala innerhalb der HL-DL--Ft--At 19-Ton-Stimmung. Natur­ Prelude VIII ist auf reinen Quinten aufgebaut sept und ist am deutlichsten der traditionellen Praxis 1 1 1 1 verpflichtet. Prelude IX schließlich ist eine auf C--E--Gtt-CL miteinander verwandten Durtonarten aufbauen­ Natur­ de Phantasie. sept 1 1 1 1 Die "Nine Preludes ... "wurden im Juli 1961 in Dt--·G!1-Hl7--D Bloomington, Indiana, uraufgeführt. Terz Terz Terz

L = Erniedrigung um einen Fünftelton 1, = Erniedrigung um zwei Fünfteltöne l., = Erniedrigung um drei Fünfteltöne i = Erhöhung um einen Fünftelton ~ = Erhöhung um zwei Fünfteltöne 70 71 72 73 Ezra Sims Rudi Spring Georg Friedrich Haas über - and, as I was saying, ... über sein Trio über Bartoks Presto Die meisten meiner mikrotonalen Werke sind Das Trio wurde 1986 erstmals niedergeschrie­ aus der Sonata für Violine solo für gemischte Ensembles geschrieben. - and, ben. Anläßlich einer Aufführung 1987 spürte Bart6k hatte in seinen Kompositionen immer as I was saying, ... gehört zur Minderheit der ich, daß der Anfang noch auf einem gewöhn• wieder Vierteltöne als extremes Ausdrucksmit­ nur für Saiteninstrumente komponierten Musik. lich temperierten Klavier gespielt werden muß, tel angewandt (erstmals 1918/19- also noch Da das Stück auf Ersuchen von Aaren Picht in während das Felgende die neue Einstimmung vor A. Häba - im "Wunderbaren Mandarin" Eile geschrieben wurde, verwendete ich dafür erfordert. Es entstand eine in vielen Details ver­ unter Verwendung der von Richard H. Stein ent­ ausgewählte Viola-Stellen aus meinen früheren änderte zweite Fassung, die heute uraufgeführt wickelten Notenschrift). .. Kompositionen. Die zugrundegelegten Skalen - wird. Ob das, was nun erklingt, musikalisch In der Erstfassung des Finales der Sonata für Auswahlsysteme aus der 12teltonleiter - sind seine Berechtigung hat, darüber soll der Hörer Violine sind aber "die Mikrotöne keineswegs von den Intervallen der Obertonreihe abgeleitet. entscheiden. Die rhythmischen und akusti­ nur eine hinzugefügte Kuriosiät, sondern schen Grundlagen der Komposition, also auch sowohl von struktureller als auch von koloristi­ die Stimmung des umgestimmten Klaviers, scher Bedeutung; besser gesagt: Der koloristi­ Rudolf Frisius sind einem Ausschnitt der seit dem Mittelalter sche Aspekt der Mikrotöne hat strukturelle Be­ über Xenakis' Embellie immer wieder betrachteten Zahlenreihe (0-1-) 1- Die Komposition Embellie für Viola solo, ein deutung". (Ove Nordwall: "The Original Version 2-3-5-8-13-21-34-55-89-144 (-... ) zu verdan­ of Bart6k's Sonata for Solo Violin"). Werk aus dem Jahre 1981, beginnt scheinbar ken. Horizontal angewendet, ordnet diese Diese - u.a. auch von Rudolf Kolisch gespielte - archaisch: im Vordergrund stehen zunächst Reihe den dadurch eigentümlichen Rhythmus, Version ist bei der posthum erfolgten Veröffentli• Quinten und vierteltönig geschärfte übermäßi• vertikal, also mit daraus resultierenden Schwin­ chung der Sonata nicht berücksichtigt worden, ge Quarten. es wurde lediglich die Alternatiwariante ohne Der zweite Teil des Stückes präsentiert sich gungsverhältnissen, führt sie systematisch und unwillkürlich in die Mikrotonalität. quasi als Akkordfiguration mit raschen, heftigen Mikrointervalle abgedruckt. Tonakzenten. Dieser Teil leitet über zu verstärk• Die heutige Aufführung folgt der 1981 von ter melodischer Bewegung, die sich dann nach Peter Petersen in der Reihe "Musik-Konzepte" publizierten "vorbehaltlichen Ausgabe der Ur­ einiger Zeit wieder beruhigt. Georg Friedrich Haas Der Schlu ßteil des Stückes greift auf den quasi­ über Slavenskis Music for Natur-ton-system fassung". archaischen Anfang zurück, und er bringt Der erste Teil des Werkes ist für das "enharmo­ außerdem, neben anderen neuartigen Klang­ nische Harmonium" von Robert H.M. Bosan­ elementen, auch Geräusche ins Spiel. Das quet mit 53 Tonen pro Oktave ("Mercator­ Stück schließt mit einem repetierten Zweiklang System") geschrieben. Slavenski bildet aus und mit einem daran anschließenden Flageo­ diesem Material freie modale Tonleitern, nur lett-Glissando. selten komponiert er auch engstufige Melodie­ fortschreitungen (das kleinste Intervall des Mer­ (Aus "Musikkonzepte" 54/55, München. 1987} cator-Systems entspricht etwa einem Neuntel­ ton). Der zweite Teil der "Music for Natur-ton­ system", im Original für vier Trautonien und Pauken, beginnt mit einer Ausarbeitung der Obertonreihe auf dem Subkontra-C bis zum 34. Oberton und endet - ganz traditionell - im zwölf• tönig temperierten Tonsystem. 74

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i, 75 Dubravko Detoni über das Programm der Matinee In unserem Programm zeigen wir mikrotonale Elemente in verschiedenen Strukturen der tradi­ ,. tionellen Musik in unserem lande auf (sowohl erhaltener, noch lebendiger alter Volksmusik als auch erforschter alter Kirchen-, Hof- und städtischer Musik), welches auf den Kreuzwe­ gen vieler Kulturen liegt: Traditionen des byzan­ tinisch-orthodoxen und islamischen Orients, alte balkanische Residuen, westmediterrane und mitteleuropäische Einflüsse, letztere aber für das Thema am wenigsten aufschlußreich. Ausgehend von diesen Elementen zeigen wir kreative Transformationen in unsere zeitgenös• sische mikrotonale Musiksprache auf, dadurch eine lebendige Verbindung zwischen unserer zeitgenössischen Sensibilität und der noch le­ bendigen Archaik schaffend .

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ö 77 Dubravko Detoni Xenia Radak Dubravko Detoni über Euphonia über 1-2-3-4-8 über Cythromania Euphonia ist eine "Collage" sui generis, entwik­ Die Verbalpartitur minimalistischen Typs Das Stück ist eine Studie, die auf einigen neu­ kelt auf einer Folge von 15 kurzen, pseudoklas­ gründet auf einer spezifischen graphischen Be­ konstruierten Instrumenten basiert: sizistisch-romantisch fingierten Zitaten, Anfän­ arbeitung der Zahlen aus dem Titel. Das Grund­ Dem Cythraphon, einer Art Synthese und zum gen nie fortgesetzter und nie beendeter Motive. prinzip der Konstruktion ist die Wiederholung: Teil auch Parodie auf althergebrachte unga­ Diese Elemente werden in FrequenzveNielfälti­ Ku rze Melodiefloskeln erleben als Korrelat der risch-jugoslawische Volksinstrumente, elektro­ gungen überlagert, mikrotonal verschoben und graphischen Form der einzelnen Zahlen bzw. nisch verstärkt, und dem Tablophon, einer me­ zusammengezogen. Das Resultat ist ein vieldi­ ihrer Teile soviele Wiederholungen, als die inter­ chanisch-elektronischen Klangquelle, die auch mensionales Klanggebilde, in dem die Schich­ pretierte Zahl selbst bezeichnet. Ein jedes Mit­ für die Visualisierung von Klängen brauchbar • ten der Diatonik, der Chromatik und der mikro­ glied des Kammerensembles wirkt in diesem ist. Zu diesen Instrumenten kommen noch die tonalen Strukturen eng miteinander verwoben Prozeß auf doppelte Weise: Als Solist wählt es "normalen". Durch Interaktion entstehen ganz sind. ganz selbstständige melodisch-rhythmische Ak­ spezifische Klangeffekte ebenso, wie Gegen­ tionselemente. und als integrierter Teil der überstellungen von tonalen und mikrotonalen Gruppe akzeptiert es gleichzeitig das gemeinsa­ Strukturen. Auch der emotionale Spielraum ist me Denken und partizipiert organisch bei der breit und reicht von ganz schlichtem, quasi Schattung des kollektiven Klangobjektes. naivem Melodiespiel bis hin zu ekstatischen Das Resultat einer solchen Arbeit ist ein vielfälti­ Klangexplosionen. ger musikalischer Organismus, welcher mit beinahe maschineller Präzision pulsiert und Dubravko Detoni atmet, erst gegen Ende scheint der Atem leicht über Schwarze Musik auszugehen, es entsteht eine allmähliche Ver­ Das Werk ist in einer gewissen Weise komple­ langsamung: Die Musikdose ist ein wenig mentär zu dem bereits realisierten Werk müde, für die nächste Aufführung muß das "Weiße Musik". Es ist eine Studie über dunkle Uhrwerk wieder aufgezogen werden. bis schwarz gefärbte Klänge, wobei die parado­ xe Tatsache auffällt, daß oft hohe und sehr hohe Register "schwärzer" klingen, als tiefere. In der Strukturierung bedient sich "Schwarze Musik" mikrotonaler Melodiemoden und -module, welche alle absichtlich kleine Mängel haben. Die Module werden auf "neo"-polypho­ nen Wegen einer mikrorhythmischen Untersu­ chung unterworfen - ein Prozeß der Kritik inner­ halb des Ablaufes des Werkes. Noch ein Para­ doxon: Nach den Momenten, in denen der große Ablauf einen Stauungseindruck erzeugt, bringt "rallentando" neue Lebhaftigkeit und neue Dynamik in das Klanggewebe. 78

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• 80 81 82 Ernst Krenek, Perspektiven Das Orchesterstück bezieht seinen Titel aus dem Umstand, daß verschiedene, von der Kom­ position her festgelegte Bauteile in verschieden­ artiger Weise gemischt werden und so wech­ selnde Beleuchtung gewinnen. Diese wechseln­ de Beleuchtung kann etwa so erzielt werden, daß identische Tonkomplexe in anderer Instru­ mentierung wieder auftauchen oder daß sie im Verhältnis zu ihrer ersten Begegnung Platz tau­ schen bzw. anders gruppiert erscheinen. Verän• derungen solcher musikalischer Schichten können auch dadurch eintreten, daß sie in (aus­ komponierter) differenzierter Geschwindigkeit Gestalt gewinnen. Auch die zur Verfügung ste­ henden Klangmittel sind in mehrere Gruppen geteilt, von denen sich eine (vor allem durch ein präpariertes Klavier und ein Vibraphon cha­ rakterisiert) außerhalb des Orchesters befindet (Fernwirkung). Im Takt 353 ff. entstehen akkor­ dische Wirkungen. Sie sind das Ergebnis der Einführung einer Dauernreihe bzw. Frucht fol­ gender Überlegung: bei der Kombination einer Tonhöhen- und einer Dauernreihe sind Zusam­ menklänge von Tönen stets das Ergebnis einer von vornherein nicht zu übersehenden quasi automatischen Mechanik; wird umgekehrt die qualitative Zusammensetzung der Akkorde als Fixum angenommen, dann sind die Variablen die Reihenfolge der Akkorde und deren Dauer. Dieses serielle Verfahren hat Krenek erstmals in seiner Klavierkomposition "Sechs Vermesse­ ne" (1958) angewandt und jetzt auf das Orche­ ster übertragen.

> uoer"' ---- Junsang Bahk 118Uers Klavierkonzert 83 über Lorenzo Ferrero Sublim über The Mlracle Hauers Schaffen läßt sich in drei Phasen eintei- Die Komposition ist auf den Tönen B und E als Bill T. Jones und Arnie Zane hönen Im Sommer len: in eine atonal-expressionistische (Apoka­ Urtonmaterial aufgebaut. Unter Bedachtnahme 1985 zufällig meine Musik. lyptische Phantasie, op. 5; Hölderlin-Lieder, darauf, daß der Ton B den Mittelpunkt der her­ Ich war sehr überrascht darüber, mit welcher op.6 und op.12, u.a.), in eine zwölftönig-gestal• kömmlichen Notenskala bildet und daher zum Begeisterung diese von ihnen aufgenommen tende (ab der ersten Zwölftonkomposition, dem oberen und unteren Ton E im gleichen Abstand wurde, noch mehr aber darüber, daß sie sich Nomos op. 19 vom August 1919) sowie in eine steht, bildet der Tritonus E-B oder B-E in Form entschlossen, noch im Dezember desselben meditative, vom Zwölftonspiel geprägte Phase der Konsonanz wie auch der Dissonanz die tra­ Jahres in New York ein Ballett nach,verschie­ (ab 1939). Das Klavierkonzert ist zwischen 13. gende Achse des Musikstückes. denster Musik von mir zu inszenieren. April und 8. Mai 1928 entstanden und ent­ Der tragende Tritonus wird durch den Komposi­ Als ich ihre Arbeit besichtigen konnte, verstand stammt jener mittleren Schaffensphase, in der tionsvorgang in jeder möglichen Weise der ich endlich den Grund ihrer Begeisterung: Ihre Hauer "romantischen" Prinzipien noch nicht ab­ Klangfarbe und der Akustik abgewandelt, Interessen, ihre Zielsetzungen, ihre Beziehun­ geneigt ist; wir finden Werktitel wie "Romanti­ wobei jeweils eine Verwandlung fließend in die gen zum Publikum waren mit den meinen, die sche Phantasie" oder "Musikfilm" (mit Satzüber• nächste übergeht und dabei in den Tritonus als ich schon seit eh und je suchte, identisch. schriften wie "Erwartung", "Schmachtende Ausgangspunkt der nächsten Verwandlung So entstand das Projekt "The Miracle", ein Liebe", "Reiterstückchen", "Betrübnis" u.a.), wir mündet. Auf solche Art entsteht eine, auch Ballett in zwei Akten. begegnen der Oper (Salambo, Die schwarze akustisch wahrnehmbare Klangwellenbewe­ Die Handlung von "The Miracle" könnte man Spinne), einer Sinfonietta und auch dem Solo­ gung (Streicher). Der ständige Übergang von kurz zusammenfassen als das Märchen vom konzert (Violinkonzert, Klavierkonzert). Das einer Verwandlung zur nächsten soll die organi­ "Aschenbrödel" mit tragischem Schluß. kaum 15-minütige Klavierkonzert ist eigentlich sche Entwicklung der Klänge bewirken. Das Trotzdem beziehen sich die verschiedenen Be­ ein aus 11 Abschnitten farbig zusammengesetz­ Stück beginnt in großer Lautstärke wie ein aus wegungsarten in den Abschnitten des Balletts tes Konzertstück. in dem jeder einzelne Ab­ den Tönen B und E hervorbrechender Urknall. nicht auf detaillierte Elemente der Fabel, schnitt wie bei einem Variationswerk in sich ein­ Diese wichtige Einleitung signalisiert zugleich sondern haben eher allgemeinen Charakter. heitlich gestaltet erscheint. Das Klangbild die weitere musikalische Entwicklung. Bei den Die Einleitung enthält im besonderen das Leit­ basiert auf der von Hauer entwickelten Zwölf• Abwandlungen wechseln solche, die eine Be­ motiv des Balletts. Der Titel selbst erklärt den tonharmonik. wegung darstellen, mit unbeweglichen, welche Charakter von "Vexations". "Variations'' ist ein nur die Klangfarbe variieren. Als Ruhepunkt pas de cinq; bei dem sich fünf Personen unter­ des Stückes dient ein von der Piccoloflöte ge­ halten, indem sie während ihres Auftrittes über spieltes Konzentrat eines Volksliedes (Mir san ein gleiches Thema diskutieren. Das vierte hält die lustigen Hämmerschmiedgsölln), Stück ist ein pas de deux, der in seiner übertrie• welches vom Gehör erkannt werden kann und benen Süße leicht ironisch wirkt. Der fünfte daran erinnern soll, daß "Sublim" aus Anlaß Satz ist der letzte des zweiten Teiles und endet des Musikprotokolls im steirischen herbst 1987 mit tragischem Schluß. komponiert wurde. Anschließend faßt der ganze Klangapparat des Orchesters die Ver­ wandlungsvorgänge zusammen und steigert sie zu einem erlösenden Finale. Sublim für Or­ chester habe ich in der Zeit vom 12. Juli bis zum 15. August 1987 in Wien komponiert. die Jteiermärki,che~ Die bemärkenswerte Sparkasse für Musikbegeisterte 84

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BADINGS Henk "Sämtliche Sonaten für zwei Violinen" im 31- Tonsystem Marhel LC-3647 bzw. M 33

BANCQUART Alain "Symphonies Nr. 1 und 2" Paris: Radio France

BEHRENS Jack "Aspects" McGill University Records 83017

BLACKWOOD Easley "Twelve Microtonal Etudes" University of Chicago, Record E-639

GAGE John / HILLER Le Jaren "HPSCD" Nonesuch H-71224

CARRILLO Julian "Horizontes/Preludio a Col6n/Concertino pour piano 1/3 de ton" Philips 839.272 DSY

"Mass For Pope John XXIII" CRI S0246

EATONJohn "Microtonal Fantasy" Decca DL 710154 87 HABAAlois MATHER Bruce WYSCHNEGRADSKY Ivan "Streichquartett Nr. 14 im Vierteltonsystem" "Poeme du Delire" "Vierteltonmusik" "Streichquartett Nr. 15 im Fünfteltonsystem" McGill University Records 83017 (Op. 7, 21, 32, 40, 45, 48 und Ausschnitte aus "Fantasie für Solovioline im Vierteltonsystem" op. 22) u.a. "Sonata for Two Pianos" Edition Block EB 107/8 Panton 11 0364 H (Prag 1974) McGill University Records 77002 "Sämtliche Werke für Streicher" "The Avante-garde Czech Composer's Profile" (Arditti-Quartett) r ... , (Op. 41, 87, 96 und Ausschnitte aus op. 35 und MUZIEK IN DE AULA VAN TEYLERS Edition Block (in Vorbereitung) 46) MUSEUM Supraphon SUA ST 50681-2 Werke von G.B. Vitali, J.P. Sweelinck, H. Knox "1. Streichquartett, op. 13" H. Badings, A. de Beer im 31-Tonsystem (In: Musik um den Futurismus) "Matka" (Vierteltonoper) Teylers Museum RC 227 Akademie der Künste, Berlin STO5 Supraphon 1 11 1 418 "Dialogue a Trois, op. 51", "Composition, op. PARTCH Harry 46/1 ", "Prelude et Fugue, op. 30" HAMPTON Calvin "Harry Partch/John Cage" McGill University Records 83017 "Triple Play", "Catch-up" New World Records NW 214 Odyssey 32 16 o1 62 "Op. 19, 33 und 49" McGill University Records 77002 "Delusion of the Fury" HARRISON Lou Columbia Masterworks M2 30576 YOUNG La Monte "Three Pieces for Gamelan" "The Well-Tuned Piano" CRI 455 Gramavision 18-8701-4 SCELSI Giacinto HERF Franz Richter "Quattro Pezzi/Pranam 11/Okanagon/Kya" "Ekmelische Musik" RCA Artistique RC 350 FY 103 Diesis VR 5002 SIMS Ezra "Orchesterwerke in ekmelischer Musik" Discographie und Bibliographie wurden von • Diesis VR 5005 "" CRI SD 377 Georg Friedrich Haas unter Berücksichtigung der von Johnny Reinhard in der Zeitschrift "Odysseus". Oper in sechs Bildern, op. 12 "PITCH", Band 1, Nr. 2, veröffentlichten umfas­ Diesis VR 5003-4 "Third Quartet" CRI 223 USD senderen Verzeichnisse erstellt.

IVES Charles "Three Quarter-Tone Pieces" TUCKER Tui St. George Odyssey 32 16 o162 "Indian Summer". Three Microtonal Antiphons on Psalm Texts Opus One 107 JOHNSTON Ben "Streichquartett Nr. 2" Nonesuch H-71224

LYBBERT Donald "Lines for the Fallen" Odyssey 32 16 0162

MACEROTheo ' "One-Three Quarters" Odyssey 32 16 O162 88

Fotovermerk:

Seite 20, Alois Häba, MEIN WEG ZUR VIERTEL- UND SECHSTELTONMUSIK Musikedition Nymphenburg 2001

Seiten 12, 15, 21, Lucile Gayden IVAN WYSCHNEGRADSKY M. P. Belaieff, Frankfurt