THEMA EUROPA

Europas Weg in die Zukunft – Erneuerbare Energien

Von MdEP, Oliver Schäfer, Milan Nitzschke 02/2002 THEMA EUROPA: Europas Weg in die Zukunft – Erneuerbare Energien i NFO

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2 THEMA EUROPA: Europas Weg in die Zukunft – Erneuerbare Energien 02/2002

INHALT

VORWORT 5

1. FÜR EINE BESSERE UMWELT: EUROPA BRAUCHT DIE ENERGIEWENDE 7 1.1 Klimaschutz zwingt zum Handeln 7 DAS KYOTO-PROTOKOLL 8 1.2 Wie stellen wir die künftige Energieversorgung sicher? 9 1.2.1 Das Grünbuch zur Energieversorgungssicherheit 9 Eine Lagebeschreibung Herausforderungen für die Euopäische Union 10 Die künftigen Schwerpunkte 1.3 Brauchen wir eine europäische Strategie? 12 Eckpfeiler einer neuen europäischen Energiepolitik 12

2. ERNEUERBARE ENERGIEN – SCHLÜSSEL ZUR ENERGIEWENDE 15 2.1 Europa ist Vorreiter 15 2.2 Innovationen für den Arbeitsmarkt 15 2.3 Der Elektrizitätsmarkt wird sich verändern 18 EXTERNE KOSTEN 19

3. ENERGIEEFFIZIENZ – ZWEITES STANDBEIN DER ENERGIEWENDE 21 3.1 Energieeffizienz im Gebäudebereich 21

4. ERNEUERBARE ENERGIEN IN DER PRAXIS BEISPIEL SOLARENERGIE: PRAKTIKABEL UND RENTABEL 23 BEISPIEL WASSERKRAFT: ZUKUNFT MIT TRADITION 24 BEISPIEL BIOMASSE: WÄCHST JAHR FÜR JAHR NACH 26 BEISPIEL WINDENERGIE: EINE ERFOLGSGESCHICHTE 28

5. DIE EU WILL DIE ENERGIEWENDE DURCH ERNEUERBARE ENERGIEN 29 5.1 Bestehende Förderprogramme Altener I und II 29 Forschungsrahmenprogramm 31

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5.2 Das Grünbuch Erneuerbare Energien – erste Schritte 1996 32 5.3 Das Weißbuch für Erneuerbare Energien – ein großer Sprung 1997 32 5.4 Die erste Richtlinie zur Förderung von Strom aus Erneuerbaren Energien – ein echter Durchbruch? 34 DIE FÖRDERSYSTEME 36 Europaweite Definition für Strom aus Erneuerbaren Energien 39 Garantierter Netzzugang 39 Verbraucherschutz durch Herkunftsnachweise 40 Vereinfachte Verwaltungsverfahren 40 Bestandsgarantie nach dem Subsidaritätsprinzip 41 Zielerfüllung 42 DER GEMEINSCHAFTSRAHMEN FÜR STAATLICHE UMWELTSCHUTZBEIHILFEN 43

6. BEDEUTUNG DER ERNEUERBAREN ENERGIEN FÜR ENTWICKLUNGSLÄNDER 45

7. DER EINSATZ VON BIOTREIBSTOFFEN IM VERKEHRSBEREICH 47

8. ENERGIEWENDE DURCH STEUERREFORM 49

9. FAZIT: WAS IST NOCH ZU TUN? 51

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VORWORT

„Die zukünftigen Energieträger werden Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Geothermie heißen.“

Mechtild Rothe MdEP

Die Zukunft der Energieversorgung gehört Jahren aber wissen wir, dass unter anderem den Erneuerbaren Energieträgern und den die Freisetzung von Kohlenstoffverbindun- intelligenten Energiedienstleistungen. gen zu einer weltbedrohenden Klimaverän- derung führt. Daher muss die Nutzung fos- Von den herkömmlichen Energieträgern Öl, siler Energieträger so früh wie möglich Gas, Kohle und Kernenergie werden wir gestoppt werden. Kernenergie ist in dieser uns mittel- bis langfristig verabschieden Situation keine Alternative, da sie selbst mit müssen. Dafür gibt es drei Gründe: unüberschaubaren Risiken verbunden und auch endlich ist. 1. Ressourcenverbrauch: Die erschöpfba- ren Ressourcen werden bei gleichbleibender Die zukünftigen Energieträger werden Nutzung in diesem Jahrhundert weitestge- Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Geo- hend verbraucht sein. thermie heißen. Je schneller wir die Wende hin zu diesen nachhaltigen Energieträgern 2. Energiebedarf: Der weltweite Bedarf an schaffen, desto mehr können wir von ihren Energieressourcen steigt drastisch an. Da- ungeheuren Vorteilen profitieren: her ist von einem noch schnelleren Ver- brauch der erschöpfbaren Energieträger Zeitlich unbeschränkte Nutzbarkeit und mit einem verschärften Kampf um die verbleibenden Ressourcen zu rechnen. Vermeidung von immensen Umweltkosten

3.Klimaschutz: Energieerzeugung aus Dezentrale Einsatzfähigkeit Kohle, Öl und Gas war schon immer umweltschädlich. Spätestens seit den 90er Riesiges wirtschaftliches Potenzial

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Auch das Verbrauchsverhalten wird sich Daher setzen sich die Sozialdemokraten im ändern. Angesichts von Umwelt- und Europäischen Parlament für die politische Rohstoffkosten liegt ein ebenfalls ungeheu- Beschleunigung der Energiewende ein. Den res Potential in Einsparmaßnahmen und Weg dorthin und die genauen Hintergründe effizienten Energieanwendungen. soll diese Broschüre veranschaulichen.

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1. FÜR EINE BESSERE UMWELT: EUROPA BRAUCHT DIE ENERGIEWENDE

1.1 Klimaschutz zwingt zum Handeln Schon heute nehmen weltweit Überschwem- mungen, Krankheiten und Dürren zu. Die Wir stehen vor einer der größten umweltpo- Tabelle (unten) zeigt die Zunahme großer litischen Herausforderungen: der globalen Katastrophen in den letzten Jahrzehnten . Klimaveränderung. Damit das Klimasystem nicht aus den Das International Panel for Climate Change Fugen gerät, müssen die Industrieländer (IPCC) gibt die folgenden Effekte als wahr- innerhalb von fünfzig Jahren ihre Emissio- scheinliche Ergebnisse einer fortdauernden nen an Kohlendioxid aus der Verbrennung Erwärmung an1: fossiler Energieträger um etwa 80 Prozent3 reduzieren. Ohne eine grundlegende Ände- Anstieg der Meeresspiegel rung der Energiewirtschaft und des Ener- gieverbrauchs ist das nicht machbar. Das Überflutung von Küstenregionen Klimaprotokoll von Kyoto verpflichtet die Europäische Union, ihre Treibhausgas- Verlangsamung des ozeanischen Wär- emissionen zwischen 1990 und 2010 um 8 mekreislaufes durch Erhöhung der Prozent zu reduzieren. Wie das Europäische Wassermengen mit der Folge einer Parlament hat auch die Europäische Kom- abrupten Abkühlung der nordatlanti- mission mehrfach darauf hingewiesen, dass schen Region dieses Ziel nur unter erheblichen Anstrengun- gen zu erreichen sei. Ohne zusätzliche Häufige extreme Wetterlagen Maßnahmen sei vielmehr ein Anstieg von 6- 8 % zu prognostizieren. Die Bundesrepublik Ernteeinbußen Deutschland hat im Rahmen des Lastenaus- gleichs ein Reduktionsziel von 21 Prozent. Wasserknappheit Diese anspruchsvollen Zielvorgaben gilt es zu erfüllen. Die Europäische Union hat Verwüstungen damit bereits begonnen. Allerdings müssen den ersten Schritten weitere folgen. Das Verlust an biologischer Vielfalt bedeutet, dass mit der Energiewende im Verkehr, bei den Haushalten und in der Zunahme von Infektionskrankheiten Industrie ernst gemacht werden muss.

Dekadenvergeich großer Naturkatastrophen2

Dekade 1950-1959 1960-1969 1970-1979 1980-1989 1990-1999

Anzahl 20 27 47 63 89

Schäden in Mrd. US$ 40,7 73,1 131,5 204,2 629,2

1 IPCC – International Panel for Climate Change: Summaries of Policymakers, Working Group II, www.ipcc.com 2 Quelle: Münchener Rück Versicherungsgruppe, http://www.munichre.com/pdf/topics_2000_a5.pdf. Als „groß“ werden hier Naturkatastrophen bezeichnet, wenn sie die Selbsthilfefähigkeit der betroffenen Region deutlich übersteigen und überregionale Hilfe erforderlich machen 3 IPCC – International Panel for Climate Change: Summaries of Policymakers, Working Group II, www.ipcc.com

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DAS KYOTO-PROTOKOLL

Das Kyoto-Protokoll ist Bestandteil der und viele andere Staaten sowie eine Reduk- Klimarahmenkonvention, die 1992 auf dem tion um 7 % für die USA und 6 % für Japan. Weltgipfel für Umwelt und Entwicklung in Innerhalb der EU sind die Reduktionsziele Rio de Janeiro verabschiedet wurde. Nach nach dem Lastenteilungsprinzip 1998 fest- der Unterzeichnung durch 186 Staaten trat gelegt worden. Danach muss Deutschland die Konvention 1994 in Kraft. In der Klima- um 21 % reduzieren. Auf der 6. Vertragsstaa- konvention wurde der Klimawandel erstmals tenkonferenz in Bonn wollte man das Kyoto- als ernstes Problem, das die Staatengemein- Protokoll weiter ausgestalten; ihr Scheitern schaft zum Handeln zwingt, anerkannt. Die konnte erst in letzter Minute abgewendet Vertragsstaaten verpflichten sich außerdem, werden. Die Bestimmungen wurden in wei- die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr ten Teilen aufgeweicht, jedoch wurde am not- 2000 wieder auf das Niveau von 1990 zu wendigen Klimaschutzprozess festgehalten. drücken. Als klimaschädliche Gase gelten: Kohlendioxid, Methan, Distickstoffoxid, Bisher ist das Kyoto-Protokoll von 33 Staaten Drei Jahre nach FCKW, FKW und Schwefelhexanfluorid. Die ratifiziert worden. Die Europäische Union hat Kyoto reisen Ende Klimakonvention bildet den Rahmen für kon- seine Ratifizierung für 2002 geplant und tritt März 1995 Experten krete Klimaschutzverhandlungen. Diese fan- als einheitlicher Verhandlungspartner auf. aus 117 Ländern zur Weltklimakonferenz den seit 1994 jährlich als Vertragsstaaten- Das Kyoto-Protokoll soll noch vor dem Gip- nach Berlin. Dort wer- konferenzen (COP – Conference of the Par- fel für Nachhaltigkeit im September 2002 in den die Ursachen der ties) statt. Auf der 3. Vertragsstaaten- Johannesburg in Kraft treten. Das kann es Klimaveränderungen, konferenz (COP 3) in Kyoto wurde das soge- nur, wenn mindestens 55 Staaten, die wie- ihre Folgen und Gegenmaßnahmen nannte Kyoto-Protokoll verabschiedet. Es derum 55 % der Treibhausgasemissionen ver- diskutiert. Der sieht vor, dass die Vertragsstaaten im ersten ursachen, ratifizieren. Ohne Japan und/oder Karikaturist hat seine Reduktionszeitraum (2008-2012) ihre Emis- die USA ist diese Voraussetzung nur sehr eigene Meinung. sionen insgesamt um 5 % gegenüber dem schwer zu erfüllen. Die japanische Regierung Zeichnung: Ausgangswert von 1990 senken. Das bedeu- hat in Bonn ihre Zustimmung signalisiert. Die Klaus Espermüller tet konkret eine Reduktion um 8 % für die EU neuen Vorschläge der Bush-Administration scheinen eine Zustimmung der USA auszu- schließen.

Die Europäische Union will jedoch in jedem Fall an ihrer Reduktionsverpflichtung festhal- ten. Vertragsstaaten können innerhalb des Kyoto-Protokolls auch Klimaschutz-Projekte außerhalb ihres nationalstaatlichen Gebietes fördern und sich dies auf ihre eigenen Zielvorgaben „gutschreiben“ lassen. Die Eu- ropäische Union hat dazu im letzten Jahr ein gesondertes Protokoll beschlossen, welches Atomenergieprojekte von diesen Maßnah- men ausdrücklich ausnimmt.

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1.2 Wie stellen wir die künftige erreichen, ist eine verstärkte Koordinierung Energieversorgung sicher? nationaler Energiepolitiken notwendig.

Die sogenannte „Energiepreiskrise” hat uns Am 29.11.2000 hat die Europäische Kommis- im letzten Jahr erneut verdeutlicht, wie sion ein Grünbuch zur Energieversorgungs- wichtig ein Umdenken in der Energiepolitik sicherheit vorgelegt. Es zeigt die Notwendig- ist. Das Krisenszenario ist nicht über Nacht keit für eine aktive Energiepolitik der EU auf. über uns hereingebrochen, sondern Folge einer sich seit langem abzeichnenden Ent- wicklung. Schon viel früher hätte uns Reichweiten der bewusst werden sollen, dass die fossilen Primärenergieträger Energieträger begrenzt und endlich sind. Nur einige wenige Staaten verfügen über nahezu 70 Prozent der vorhandenen fossi- Erdöl len Energieträger. Diese Abhängigkeit hät- ten wir längst überwinden können. Die Erdgas Industrienationen jedoch vertrauten zu sehr auf ihre ökonomische und militärische Kohle Macht. Aus der heutigen Perspektive erweist sich diese Verkennung der Realitäten als fol- genschwerer Fehler. Die Wahrnehmung der Uran fossilen Energieträger als begrenzte Res- source sollte jedoch nicht nur motivieren, heute 100 200 Jahre weitgehende Unabhängigkeit von den öl- und gasbesitzenden Regionen zu schaffen. Vielmehr geht es darum, eine nachhaltige, globale Energieversorgung für künftige Generationen sicherzustellen. 1.2.1 Das Grünbuch zur Energie- versorgungssicherheit Wir müssen wegkommen von der Diskus- sion um Preise für Rohöl und Gas. Diese Debatte kann ohnehin nur ein Zwischen- Eine Lagebeschreibung spiel sein und wird auf mittlere Sicht eine unnötige Debatte sein. Bei nur gleichblei- Die Abhängigkeit der Europäischen Union bendem, weltweiten Verbrauch werden die von Energieeinfuhren nimmt beständig zu. bekannten natürlichen Vorkommen der Die Union deckt ihren Energiebedarf zu 50 meisten fossilen Brennstoffe noch in diesem Prozent durch Energieeinfuhren; wenn Jahrhundert erschöpft sein (Erdöl 50 Jahre, nichts geschieht, wird dieser Anteil in 20 bis Erdgas 60 Jahre, Uran 70 Jahre). Lediglich 30 Jahren 70 Prozent erreichen. Diese die Kohle wird uns noch etwa 200 Jahre zur Einfuhrabhängigkeit birgt wirtschaftliche, Verfügung stehen. Aufgrund der Verknap- gesellschaftliche, ökologische und sicher- pung werden die Energiepreise zunehmend heitspolitische Gefahren für die Union. steigen. Deshalb ist es längst überfällig, den Energieversorgung ist elementare Daseins- Einstieg in eine neue Energiepolitik mit den vorsorge. Alle Wertschöpfungsprozesse sind Schwerpunkten „Erneuerbare Energien” von der Energiezufuhr und somit auch von und Energieeffizienz zu finden. Um dies zu Energiepreisen abhängig. Die Energie-

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einfuhren machen 6 Prozent der Gesamt- die Europäische Union sich zahlreichen einfuhren aus. Geographisch betrachtet Herausforderungen stellen, die bei der Ent- stammen 45 Prozent der Erdöleinfuhren wicklung einer solchen Strategie berück- aus dem Mittleren und Nahen Osten und sichtigt werden müssen. 40 Prozent der Erdgaseinfuhren aus Russland. Die Europäische Union verfügt Diese sind: noch nicht über ausreichende Möglich- keiten, auf den Weltmarkt Einfluss zu neh- Umwelterwägungen müssen bei energie- men. Diese Schwächen zeigte der drastische politischen Entscheidungen stets be- Anstieg der Erdölpreise Ende 2000 deutlich rücksichtigt werden, insbesondere im auf. Hinblick auf den Klimaschutz

Die Europäische Union sollte dieser proble- Verwirklichung des Energiebinnen- matischen Situation durch die Entwicklung marktes, in dessen Rahmen der Nach- einer Strategie für die Energieversorgungs- frage eine neue Rolle zukommt aber sicherheit begegnen, die darauf abzielt, die auch neue Spannungsverhältnisse ent- mit der Einfuhrabhängigkeit verbundenen stehen können z. B. kann ein Preisrück- Risiken und mittelfristig insbesondere diese gang Einsparungen und somit dem Abhängigkeit zu reduzieren. Klimaschutz entgegenwirken. Hier sind unsere Gesellschaften gefordert, gang- bare Lösungen zu finden.

EUR 15 – Ölimporte nach Herkunftsländern (1999) Die künftigen Schwerpunkte Andere 8% OPEC Iran Mexiko 9% 2% Im Grünbuch „Versorgungssicherheit” wird

Libyen gefordert, dass eine Energiestrategie insbe- ehem. UdSSR 10% 18% Irak sondere darauf ausgerichtet sein muss, im 7% Hinblick auf das Wohl der Bürger und der OPEC 51% Wirtschaft sicherzustellen, dass Energie- träger fortlaufend und zu für alle Ver- Nigeria Saudi Arabien 4% braucher erschwinglichen Preisen auf dem 13% Algerien Markt zur Verfügung stehen, ohne dass Norwegen 4% Venezuela 21% 2% Umwelterwägungen und das Ziel einer Kuweit nachhaltigen Entwicklung in den Hinter- 2% grund gedrängt werden.

Es kann kurz- bis mittelfristig leider nicht darum gehen, ein Höchstmaß an Energie- Herausforderungen für die autarkie zu erzielen oder die Abhängigkeit Europäische Union auf das geringstmögliche Niveau zu dros- seln, sondern darum, die mit dieser Abhän- Im energiepolitischen Zieldreieck muss eine gigkeit verbundenen Risiken zu mildern. Politik für mehr Versorgungssicherheit mit Langfristig sollte jedoch angestrebt werden, den Eckpunkten Umweltverträglichkeit und auf heimische Erneuerbare Energieträger Kosteneffizienz harmonieren. Dabei muss umzusteigen.

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DAS KÜNFTIGE ENERGIEPOLITISCHE DREIECK

Versorgungs- sicherheit

kostengünstige umwelt- Energiedienst- verträgliche leistung Energie- verwendung

Ausgangspunkt der Debatte sollten die ge- Die Union muss den mittelfristigen genwärtig eingesetzten Energieressourcen Beitrag der Kernenergie prüfen und sein. Das Grünbuch und die Stellungnahme sich gemäß dem Willen der Mehrheit des Europäischen Parlaments zeigen mögli- der Unionsländer zu einem Ausstieg che Grundzüge für eine langfristige energie- entschließen. Der Beitrag der Kern- politische Strategie auf: energie dürfte bei unveränderten Aus- gangsbedingungen in Zukunft noch Die Union muss neben der Förderung weiter zurückgehen. Derzeit nutzen nur des Angebotes von nachhaltigen Ener- acht von 15 Mitgliedsstaaten die gietechnologien entschlossen auf eine Kernenergie, davon haben fünf bereits Regulierung der Energienachfrage den Ausstieg oder Moratorien beschlos- hinwirken. Der Aktionsspielraum auf sen. Damit bekunden nur noch drei der Nachfrageseite (z.B. Energieeinspa- Mitgliedsstaaten ihren Willen zur weite- rungen, Energieeffizienz) ist größer als ren Kernenergienutzung. Leider ordnen die Handlungsmöglichkeiten zur Beein- aber auch die Europäische Kommission flussung des europäischen Energiean- und Teile des Europäischen Parlamentes gebotes (z.B. der Ausbau von Kraftwer- der Kernenergie und Kernfusion eine ken). Es muss versucht werden, die bis- weiterhin wichtige Rolle in der europäi- her steigende Nachfrage insbesondere schen Energieversorgung zu. Die deut- dadurch einzudämmen, dass z.B. durch schen Sozialdemokraten im Parlament gemeinschaftsweite steuerliche Maßnah- stellen sich dem gemeinsam mit vielen men eine grundlegende Änderung des anderen vehement entgegen. Neben den Verbraucherverhaltens eintritt. Auf der ungelösten Sicherheitsrisiken, darf man Angebotsseite sollen Erneuerbare Ener- in diesem Zusammenhang auch nicht gieträger und effiziente Energieanwen- vergessen, dass die Kernenergie eine dungen gefördert werden. endliche Energiequelle ist. Selbst

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wenn man die Wiederaufarbeitung bieten. Vielmehr soll der Anstoß zu einem genutzter Kernbrennstäbe mit einrech- gründlichen Überdenken dieser Fragen net, steht uns die Quelle bei den heute gegeben werden. angewandten Technologien nur noch etwa 100 Jahre zur Verfügung. Unab- hängig davon sind aber Forschungs- Eckpfeiler einer neuen anstrengungen im Bereich sicherer europäischen Energiepolitik Entsorgungstechnologien für Nuklear- abfälle und für die Sicherheit der noch Energiepolitische Entscheidungen einzel- im Betrieb befindlichen Reaktoren aktiv ner Mitgliedsstaaten wirken sich aufgrund voranzutreiben. der Liberalisierung notwendigerweise auf die Märkte der anderen Mitgliedsstaaten Die von der Kommission mit ihrem Grün- aus. Klimapolitische Herausforderungen buch angeregte Debatte zu diesen Schlüssel- betreffen aufgrund nicht möglicher geogra- fragen sollte sich ursprünglich nur über das phischer Abgrenzungen alle in gleicher Jahr 2001 erstrecken. Angesichts der Be- Weise. Diesen Herausforderungen gilt es deutung dieses Themas werden die Diskus- sich europäisch zu stellen. sionen aber intensiv weitergeführt. Zur Erfüllung des Zieldreiecks – Versor- gungssicherheit, umweltverträgliche Ener- 1.3 Brauchen wir eine europäische gieproduktion und kostengünstige Energie- Strategie? dienstleistungen- kann man anhand jeweils eines kurzen Beispiels deutlich machen, Der Energiepolitik ist eine europäische warum eine europäische Energiepolitik Dimension zugewachsen: Die Mitglied- unerlässlich ist. staaten sind sowohl bei Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels als auch Beispiel eins : Das Ziel der kostengünsti- im Hinblick auf die Verwirklichung des gen, oder besser: effizienten Energie- Energiebinnenmarktes voneinander abhän- bereitstellung gig. Dieser Umstand spiegelt sich jedoch Die europaweite Liberalisierung der Märkte nicht in neuen Zuständigkeiten der Ge- für Elektrizität und Gas und damit die meinschaft wider. Die Einflussnahme der Neuschaffung eines europäischen Marktes Gemeinschaft kann über Zuständigkeiten in hat zum Ziel, Monopolstrukturen und verschiedenen Bereichen, vor allem Binnen- nationale Abschottungen zu durchbrechen. markt, Umwelt- und Finanzpolitik, dort ins- Das Ergebnis, auf das die Staaten der besondere bei der Steuergesetzgebung, Europäischen Union hinarbeiten wollen, ist erfolgen. Das bisherige Fehlen eines politi- die optimale Verteilung der europäischen schen Konsenses zugunsten einer gemein- Energieproduktions- und Handelsressour- schaftlichen Energiepolitik begrenzt jedoch cen und damit die Schaffung eines nicht- die Interventionsmöglichkeiten. Im Ener- verzerrten Preises für Energiedienst- giebereich ist eine Erweiterung der Befug- leistungen. Dieses Ziel ist auch Jahre nach nisse der Gemeinschaft sinnvoll, damit die der Verabschiedung der beiden Richtlinien Europäische Union ihre Energieversorgung – Liberalisierung des Elektrizitätsbinnen- besser in den Griff bekommen kann. Es ist marktes (96/92/EG) und Liberalisierung des nicht beabsichtigt, ein Patentrezept für die Gasbinnenmarktes (98/30/EG) – noch nicht Strategie der Versorgungssicherung anzu- erreicht. Die Auseinandersetzung beispiels-

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weise mit Frankreich über die Anwendung liches Ziel zur Reduktion der Treibhausgase des Reziprozitätsprinzips (Die EU-Richt- gesetzt. Um dies zu erreichen, ist eine Sen- linie sieht für jene Mitgliedsstaaten, die kung des Energieverbrauchs und ein massi- über den Marktöffnungsgrad eines anderen ver Ausbau von Erneuerbaren Energieträ- hinausgehen, die Möglichkeit vor, den gern in der gesamten EU notwendig. Ein Marktzutritt für Lieferanten aus Mitglieds- wichtiger Beitrag zum Erreichen dieses staaten mit einer geringeren Strommarkt- Ziels liegt im Beschluss der EU, den Anteil öffnung einzuschränken) zeigt deutlich, Erneuerbarer Energieträger am Energie- dass die Anstrengungen für eine gemeinsa- verbrauch bis zum Jahr 2010 zu verdoppeln. me europäische Energiepolitik verstärkt Wie jedoch soll ein EU-weites Ziel erreicht werden müssen. werden, wenn Weichenstellungen über den jeweiligen Energiemix allein den Mitglieds- Beispiel zwei: Die Schaffung einer nach- ländern überlassen bleibt? haltigen Versorgungssicherheit Die Abhängigkeit der EU von Energie- Im Rothe-Bericht zum Weißbuch zur För- importen liegt derzeit bei etwa 50 %. Bis zum derung Erneuerbarer Energieträger hat das Jahre 2020 wird sich dieser Anteil bei gleich- EP deshalb bereits 1997 gefordert : bleibenden Bedingungen auf etwa 70 % er- höht haben. Die meisten Importe stammen „Die EU sieht das Ziel der Verdoppelung des aus ökonomisch und politisch höchst insta- Anteils erneuerbarer Energie am Gesamt- bilen Ländern mit teilweise sehr fra- energieverbrauch bis 2010 auf 15% (nach gilen Beziehungen zu den Abnehmer- Substitutionsprinzip) als Mindestziel und ländern. Die derzeitige weltpolitische Krise erwartet die bindende Selbstverpflichtung der ist ebenso Symptom wie verstärkender Fak- Mitgliedsstaaten auf nationale Gesamtziele tor dieser Instabilität. Politische und ökono- und Orientierungsziele pro Energieart; als mische Lösungen können in ausreichendem spezifisches Teilziel muss die angestrebte Umfang nicht von einzelnen Mitglieds- Menge von Strom aus erneuerbarer Energie staaten der EU gefunden werden. Hier kann dargestellt sein; betont, dass die im Weißbuch nur ein gemeinsames Auftreten der Euro- vorgesehene Möglichkeit einer späteren päischen Union das nötige Gewicht ver- Revision dieses Zieles niemals eine Ab- schaffen. schwächung des festgelegten Zieles bedeuten kann, sondern, dass es sich dabei ausschließ- Beispiel drei : lich um eine Revision nach oben handeln Die EU hat sich in Kyoto ein gemeinschaft- kann;

Einfuhrabhängigkeit der EU

1998 2010 2020 2030

EU 49 % 54 % 62 % 71 %

Quelle: Europäische Kommission

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Das Fehlen einer ausreichenden energiepo- Die im ersten europäischen Gesetz zu litischen Kompetenz der EU und die Erneuerbaren Energien, der „Richtlinie zur Bestimmungen des EU-Vertrages, dass Förderung der Stromerzeugung aus Er- Eingriffe in den Energiemix nur durch ein- neuerbaren Energieträgern im Elektrizi- stimmigen Beschluss im Ministerrat mög- tätsbinnenmarkt“, vorgesehenen nationalen lich sind, haben rechtsverbindliche Ziel- Richtziele für Elektrizität aus Erneuerbaren setzungen jedoch bisher unmöglich gemacht. Energien und der Option auf mögliche bin- dende Ziele sind deshalb als Erfolg für den DER ARTIKEL 175 Ausbau der Elektrizitätsgewinnung aus DES EG-VERTRAGES Erneuerbaren Energien zu betrachten. Artikel 175 (ex Artikel 130 s) Die Konsequenz aus den genannten Bei- spielen muss eine stärkere Kompetenz der (1) Der Rat beschließt gemäß dem Verfahren EU in Hinblick auf eine nachhaltige des Artikels 251 (Mitentscheidungs- Energiepolitik sein. Seit Jahren stellt das verfahren, qualifizierte Mehrheit; Anm. d. Europäische Parlament diese Forderung Red.) und nach Anhörung des Wirtschafts- auf, die jedoch durch Regierungen einiger und Sozialausschusses sowie des Ausschus- Mitgliedsstaaten stetig blockiert wird. Es ist ses der Regionen über das Tätigwerden der an der Zeit, die nächste Regierungskonfe- Gemeinschaft zur Erreichung der in Artikel renz für eine entsprechende Vertragsverän- 174 genannten Ziele. derung endlich zu nutzen.

(2) Abweichend von dem Beschlussver- fahren des Absatzes 1 und unbeschadet des Artikels 95 erlässt der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Euro- päischen Parlaments, des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Ausschusses der Regionen einstimmig - Vorschriften überwiegend steuerlicher Art, - Maßnahmen im Bereich der Raumord- nung, der Bodennutzung – mit Ausnahme der Abfallbewirtschaftung und allgemei- ner Maßnahmen – sowie der Bewirtschaf- tung der Wasserressourcen - Maßnahmen, welche die Wahl eines Mit- gliedstaats zwischen verschiedenen Ener- giequellen und die allgemeine Struktur seiner Energieversorgung erheblich be- rühren. (Hervorhebungen d. d. Red.) Der Rat kann nach dem Verfahren des Unterabsatzes 1 festlegen, in welchen der in Schon seit Anfang des 14. Jahrhunderts fangen die diesem Absatz genannten Bereiche mit qua- Menschen in Europa die Kraft des Windes zur Energie- lifizierter Mehrheit beschlossen wird. gewinnung ein: Reetverkleidete Windmühle in Nebel auf Amrum (Nordfriesland)

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2. ERNEUERBARE ENERGIEN – SCHLÜSSEL ZUR ENERGIEWENDE

Erneuerbare Energien sind ein unverzicht- wird nachgewiesen, dass eine Minderung barer Bestandteil einer wirksamen Klima- der CO2-Emissionen alleine in Deutsch- schutzstrategie und helfen, die Kyoto-Ziele land bis zum Jahre 2020 um 40 Prozent zu erreichen. Sie dienen der Ressourcen- machbar und mit positiven volkswirtschaft- schonung und vermindern die Freisetzung lichen Auswirkungen verbunden ist. Ähnli- von Luftschadstoffen. Zudem ermöglichen ches gilt für die gesamte Europäische sie den Aufbau einer dezentralen Energie- Union. versorgungsstruktur, verbunden mit der Chance zu einer stetigen Regionalentwick- lung und neuen Beschäftigungsmöglich- 2.2 Innovationen für den Arbeitsmarkt keiten. Sie schaffen Versorgungssicherheit und helfen im internationalen Kontext auch Die Behauptung, ambitionierte Klima- den Entwicklungsländern bei der Lösung schutzziele und ein Einleiten der Energie- vieler Probleme. wende gefährde Arbeitsplätze ist nicht nur populistisch, sondern auch falsch: Schon Gegenwärtig werden Erneuerbare Energie- heute sind europaweit – dank des gezielten 20.000-30.000 träger aber ungleichmäßig und in unzurei- Ausbaus von Erneuerbaren Energieträgern- Arbeitsplätze hat chender Weise genutzt, obgleich erhebliche allein der Windraft- etwa 120.000 Menschen im Bereich der sektor bis heute in Potentiale in allen Mitgliedsländern vorhan- Erneuerbaren Energien beschäftigt – mehr Deutschland ge- den sind. Trotz ihrer beträchtlichen wirt- als in der Atom- oder Kohleindustrie. Bis schaffen. Im Bereich schaftlichen Bedeutung ist ihr Anteil am zum Jahr 2020 erwartet das renommierte der Erneuerbaren gesamten Energieverbrauch der EU äußerst Schweizer Forschungsinstitut Prognos allei- Energien arbeiten gering. Wenn es nicht gelingt, einen deut- zur Zeit europaweit ne in Deutschland sogar fast 200.000 neue 120.000 Menschen. lich größeren Teil des Energiebedarfs durch und dauerhafte Arbeitsplätze.4 Erneuerbare Energieträger zu decken, wird Foto: NORDEX es nicht nur immer schwerer werden, den auf internationaler Ebene bestehenden Umwelt- und Klimaschutzverpflichtungen nachzukommen, sondern werden auch be- deutende ökonomische Entwicklungschan- cen versäumt.

2.1 Europa ist Vorreiter

Mit den Klimaschutzzielen der Europäi- schen Union, die notwendig und alternativ- los sind, wurde gleichzeitig eine enorme Dynamik für Investitionen und Innova- tionen zum Klimaschutz angestoßen.

Das bestätigt auch eine im März 2001 ver- öffentlichte Studie der Prognos AG (Basel) „Klimaschutz und Arbeitsplätze“. Darin

4 Bundesministerium für Umwelt „Climate protection creates jobs and export opportunities“, Dokument Nr. 245/01, Berlin, 27. November 2001

15 02/2002 THEMA EUROPA: Europas Weg in die Zukunft – Erneuerbare Energien

STECKBRIEF Die erneuerbaren Energieträger im einzelnen5

Wasser: Stromerzeugung in Durchflussturbinen Derzeit 13% des EU-Bruttoenergieverbrauchs (BRD: 4%) Erweiterungspotenzial bei Kleinkraftwerken Effizienzsteigerungspotenzial bei Großkraftwerken Erzeugungspreise zur Zeit zwischen 2,5 (Grossanlagen) und 12 Cent/kWh

Wind: Stromerzeugung durch Windräder im Binnenland, an der Küste und auf dem Meer (Offshore) Derzeit weniger als 1% des EU-Verbrauchs (BRD > 2%) Großes Erweiterungspotenzial in allen Standortkategorien (insbesondere Offshore) Erzeugungspreise zur Zeit zwischen 6 (Küstennähe) und 9 Cent/kWh

Geothermie: Wärmepumpen und "Hot-Dry-Rock-Verfahren" zur Nutzung von Tiefenwärme (zur Stromerzeugung geeignet) Bisher praktisch ungenutzt Sehr großes Potenzial Erzeugungspreise zur Zeit zwischen 10 und 13 Cent/kWh

Sonnenwärme: Wärmenutzung an Gebäuden und durch Spiegeltechnik (zur Stromerzeugung mit Dampf geeignet) Riesiges Potenzial kaum genutzt Erzeugungspreise für Strom zwischen 9 (Mittelmeer) und 11 Cent/kWh

Photovoltaik: Stromerzeugung durch Lichtnutzung Riesiges Potenzial kaum genutzt Erzeugungspreise noch bei etwa 35 bis 60 Cent/kWh

Biomasse: Wärmeerzeugung mit Reststoffen, Energiepflanzen, Biogas (Stromerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung möglich) Nutzung als Treibstoff Großes Potenzial im Wärmebereich, bei Strom zwischen 20 und 30% (bisher praktisch ungenutzt) Erzeugungspreise für Strom zwischen 6 (Großanlagen) und 15 Cent/kWh

Mit unterschiedlichen Gewichtungen stehen alle Erneuerbaren Energieträger in allen europäischen Ländern zur Verfügung. Durch einen Mix der verschiedenen Technologien lassen sich Wetter- und Jahres- zeitschwankungen in der Energieerzeugung ausgleichen. Rein hypothetisch wäre ein vollständiger Umstieg von den konventionellen Energieträgern auf Erneuerbare Energieträger möglich. Aufgrund der teilweise sehr hohen Preise (insbesondere Photovoltaik) ist dies nur schrittweise erreichbar. Die Kosten reduzieren sich aber im Laufe von Erprobungszeiten und Stückzahlerhöhungen.

5 Daten aus: Staiß: Jahrbuch Erneuerbare Energien 2001; Fischendick, Langniß, Nitsch (2000): Nach dem Ausstieg: Zukunftskurs Erneuerbare Energien

16 THEMA EUROPA: Europas Weg in die Zukunft – Erneuerbare Energien 02/2002

Die EU nimmt im Anlagenbau in den ver- vergleichen das Wachstumspotential von schiedenen Energieerzeugungsbereichen Unternehmen in diesem Sektor bereits mit bereits heute eine weltweite Spitzenstellung dem der Kommunikationsbranche. ein. Es wäre unverantwortlich, Entwick- lungschancen in einem zukünftig so bedeut- In den nächsten zehn Jahren werden nach samen Marktsegment wie der Stromerzeu- verschiedenen Schätzungen in den Ent- gung aus Erneuerbaren Energien nicht zu wicklungs- und Schwellenländern mehrere nutzen. Die Marktentfaltung beispielsweise 100 Milliarden Dollar in den Ausbau der auf dem Windkraftsektor hat eine leistungs- dortigen Energiesysteme investiert. Davon fähige Industrie mit großen Exportchancen wird ein großer Teil auf Erneuerbare entstehen lassen, die mittlerweile 20.000 bis Energien fallen. Wenn die Union in diesem 30.000 Menschen alleine in Deutschland Sektor wettbewerbsfähig werden will, dann beschäftigt. Aufgrund der ökonomischen muss sie durch eigene Nutzung und der Chancen ist in diesem Sektor ein Wett- damit verbundenen Weiterentwicklung der bewerb unter den Anlagenherstellern ent- standen, der die Erzeugungskosten seit 1991 um etwa 50 Prozent sinken ließ. Aufgrund des technologischen Fortschritts ist der Absatz auf dem Weltmarkt stark angestiegen. Außerdem führen die Welt- klimaprobleme zu einem als sicher gelten- den Bedarf für Erneuerbare Energieträger. Die Bedeutung ist daher auch aus industrie- politischer Sicht erheblich. Dieser Prozess wird sich bei den anderen Erneuerbaren Energieträgern (insbesondere Photovoltaik und Biomasse) ebenso vollziehen. Analysten

17 02/2002 THEMA EUROPA: Europas Weg in die Zukunft – Erneuerbare Energien

zu einer wesentlich höheren Zahl gelangen.

Durch ihren dezentralen Charakter bieten Erneuerbare Energieträger auch bedeuten- de Möglichkeiten für die regionale und loka- le Entwicklung. Die Produktion und Nut- zung von Erneuerbaren Energieträgern för- dert nachhaltig die regionale Entwicklung, die darauf ausgerichtet ist, den sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt innerhalb der Gemeinschaft zu verbessern und die Lebensverhältnisse innerhalb der Europäi- schen Union anzugleichen.

2.3 Der Elektrizitätsmarkt wird sich verändern

Der Markt für Elektrizität, wie er sich auch Technologien dazu beitragen. Es ist aus nach der Einführung des liberalisierten industrie-, umwelt- und entwicklungspoliti- Europäischen Elektrizitätsbinnenmarktes schen Gründen erforderlich, dass die darstellt, ist geprägt durch umfangreiche Gemeinschaft eine Exportstrategie für Preisverzerrungen. Für neue Technologien, Erneuerbare Energien erarbeitet. Hierzu wie die Erneuerbaren Energien, ergeben muss das gesamte Instrumentarium von sich erhebliche Wettbewerbsnachteile durch Außenhandelsabkommen, Krediten, Bürg- die Marktdominanz etablierter Energiepro- schaften u.s.w. genutzt werden. duzenten. Diese Dominanz ist durch jahr- zehntelange Subventionssysteme sowie mo- Während bei den traditionellen Energie- nopolartige Strukturen entstanden und hat trägern seit längerem Arbeitsplatzredu- erhebliche Auswirkungen auf den heutigen zierungen zu verzeichnen sind, wird die Markt. Ausweitung der Erzeugung von Strom aus Erneuerbarer Energie die Schaffung neuer Diesen Strukturen muss die Europäische und zukunftsträchtiger Arbeitsplätze, be- Union entschieden entgegentreten und ein sonders bei kleinen und mittleren Unter- level-playing-field, welches allen Energie- nehmen, mit sich ziehen. Das Potential trägern gleiche Chancen gibt, herstellen. hierfür ist, auch im Hinblick auf die Ex- Dazu müssen geeignete Instrumente gefun- portchancen, enorm. Die Europäische den werden, die es erlauben, positive exter- Kommission schätzt die im Zusammenhang ne Effekte wie vermiedene Umwelt- und mit der Verdopplungsstrategie für Energie Risikokosten, unerschöpfbare Vorkommen, aus erneuerbaren Energiequellen bis 2010 kurze Transportwege und soziostrukturelle zu schaffenden Arbeitsplätze auf minde- Vorteile zu internalisieren, d.h. in den Preis stens 500.0006 für die EU. Eine Hochrech- einfließen zu lassen. nung der neuen Prognos Studie dürfte aber

6 „TERES II – The European Renewable Energy Study – The Prospects für Renewable Energy in 30 European Countries from 1995- 2020“, ESD for Altener; http://www.fire-italia.it/adapt/toe3.pdf

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EXTERNE KOSTEN

Für Umweltschäden, also den Verbrauch von Stromgestehungskosten gibt die Tabelle auf Umwelt, entstehen Kosten. Da im Regelfall Seite 20 auf der Basis von Daten aus der aber niemand von der Nutzung von Umwelt- europäischen ExternE-Studie. gütern wie der Atemluft ausgeschlossen werden kann, wird für sie auch kein Preis Bei der Kernenergie liegen die Daten sehr erhoben. Die Kosten sind somit extern. Sie weit auseinander. Je nachdem, ob man die werden nicht dem Verursacher zugerechnet, rechnerisch geringe Wahrscheinlichkeit einer sondern auf die Allgemeinheit verteilt. Reaktorkatastrophe oder die Berechnung der möglichen Folgeschäden einer solchen Im Falle der Energieversorgung entstehen Katastrophe zugrundelegt. Im ersten Fall, Kosten zum Beispiel durch: der von der Europäischen Kommission (ExternE) angenommen wird, liegen die Gesundheitsschäden in der Bevölkerung externen Kosten sehr niedrig. Im zweiten durch Luftschadstoffe und ionisierende Fall, den beispielsweise eine Studie der Strahlung Schweizer Unternehmen Prognos und Infras untersucht, sind sie verhältnismäßig hoch. Berufliche Gesundheitsschäden Die europäischen (beispielsweise beim Rohstoffabbau) Deutlich ist, dass die externen Kosten bei Wälder sind krank. den konventionellen Energieträgern eine Hauptursache: Der Treibhauseffekt / Erderwärmung im Vergleich zu den Gestehungskosten der CO2-Ausstoß druch Stromproduzenten erhebliche Größenord- Industrie-, Heizungs- und Verkehrsab- Schäden an Nutzpflanzen nung haben. Lässt man sich nicht auf die gase. Die Kosten rein rechnerisch geringen Kosten der Kern- (externe Kosten) Schäden an Wäldern und Ökosystemen energienutzung ein, sondern orientiert sich dieser ökologischen an den tatsächlichen Risikovermeidungs- Schäden werden von den Verursa- Materialschäden (beispielsweise an kosten, so sind alle konventionellen Ener- chern nicht getra- Gebäudefassaden) gieträger in den Gesamtkosten teurer als gen

Verunreinigung der Meere durch Öl

Beeinträchtigungen durch Lärm

Über die Bemessung dieser Kosten und die Zuordnung zu den einzelnen Verursachern gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. Wich- tig ist vor allem, wie man Schäden bewertet, die erst in der Zukunft oder nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreten.

Einen Eindruck über die möglichen externen Kosten und ihr Verhältnis zu den aktuellen

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beispielweise die Windenergie (auch als sachern angelastet werden, bilden die aktu- Wasser und nachhaltige Biomassenutzung). ellen Energiepreise nicht die tatsächlichen Diese Gesamtkosten sind nicht etwa hy- Kosten und Nutzen ab. Der Markt ist unvoll- pothetisch. Sie fallen real an, allerdings kommen. Es muss eine Internalisierung bei- werden sie nicht von den Stromproduzenten spielsweise durch eine stärkere Belastung und -kunden getragen, sondern von der der konventionellen Energien erfolgen. Ein Allgemeinheit. Ein Umstieg auf Erneuerbare Beispiel hierfür ist die deutsche Öko-Steuer, Energieträger muss also nicht gesamtwirt- die aber längst nicht ausreicht, um das schaftlich teurer sein. Vielmehr werden beschriebene Ungleichgewicht zu beseiti- Kosten gespart, was insgesamt auch der gen. (Die Stromsteuer beträgt im Jahr 2002 Ökonomie zugute kommt. Sinken zukünftig 2 Cent im Vergleich zu externen Kosten von auch die Kosten für Photovoltaikanlagen, so 3 bis 40 Cent/kWh). wird eine Energiewende ausschließlich posi- tive Effekte haben. Daher müssen im Gegenzug also Erneuer- bare Energieträger massiv gefördert wer- Internalisierung: den, damit ihr Umweltkostenvorteil zum Da externe Kosten bisher nicht den Verur- Tragen kommt.

Externe Kosten der Stromerzeugung

Stromge- Energieträger Externe Kosten Gesamtkosten stehungskosten

Steinkohle 3,5 Cent 8,0 Cent 11,5 Cent

Braunkohle 4,0 Cent 9,7 Cent 13,7 Cent

Gas 2,0 Cent 2,9 Cent 4,9 Cent (GuD-Kraftwerk

Kernkraft (EU- 2,5 Cent 3,2 Cent 5,7 Cent Kommission)

Kernkraft 2,5 Cent 41,6 Cent 44,1 Cent (Infras/Prognos)

Wind 7,0 Cent 0,1 Cent 7,1 Cent

Photovolatik 60,0 Cent 0,6 Cent 60,6 Cent Quelle: Europäische Kommission Quelle: Europäische

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3. ENERGIEEFFIZIENZ – ZWEITES STANDBEIN DER ENERGIEWENDE

Ein wesentlicher Beitrag zu einer Energie- die Praxis mancher Bauherren und Ver- wende wird von der Energieeffizienz und mieter, billige Geräte einzubauen, deren von der Energieeinsparung abhängen. Nur hohe Betriebs- bzw. Energiekosten dann wenn wir unseren gesamten Energiebedarf der Käufer oder Mieter trägt. durch Einsparungen und effektiveren Ein- satz der vorhandenen Mittel deutlich verrin- fehlende Informationen auf Seiten der gern, werden wir einen raschen Umstieg er- Verbraucher reichen können. finanzielle Hindernisse, z.B. hohe An- Die Europäische Union dringt deshalb be- schaffungskosten reits seit einigen Jahren darauf, den politi- schen Willen zur Förderung der Energie- 3.1 Energieeffizienz im Gebäudebereich effizienz in konkrete Maßnahmen umzu- wandeln. Nach Schätzungen beläuft sich Die Europäische Kommission hat im Jahr das verfügbare wirtschaftliche Potential zur 2001 einen Richtlinienvorschlag zur För- Steigerung der Energieeffizienz im Zeit- derung der Energieeffizienz in Gebäuden raum 1998 bis 2010 für alle Industriezweige vorgelegt. Da Wohn- und Dienstleistungs- zusammen auf rund 18 % des jährlichen gebäude insgesamt die größten Endver- Endenergieverbrauchs des Jahres 1995. braucher, insbesondere für Heizung, Be- leuchtung, Geräte und Ausrüstung sind, ist Dieses wirtschaftlich erzielbare Potential dies ein wesentlicher Schritt auf dem Weg wird jedoch nicht genügend ausgeschöpft. zur verbesserten Nutzung der Energie. Investitionen im Bereich Energieeffizienz stehen weiterhin Hindernisse entgegen. Der Zahlreiche Studien und praktische Erfah- Preis für Energie ist dabei von entscheiden- rungen zeigen, dass im Gebäudebereich ein der Bedeutung, denn die Energieeffizienz großes Potential für kostenwirksame Ener- wird sich nur dann im Markt etablieren, gieeinsparungen besteht, wahrscheinlich wenn die Energiepreise auch den tatsächli- mehr als in jedem anderen Bereich. Die chen Energiekosten entsprechen. Dies wird Anstrengungen der Mitgliedstaaten und der möglich durch Gemeinschaft zur Nutzung dieses Poten- zials müssen daher verstärkt werden. Es soll die Internalisierung von externen Kosten daher ein Schwerpunkt auf die Schaffung durch Steuern und Gebühren und eines klaren Rechtsrahmens für die Ver- ringerung des Nachfrageanstiegs gelegt die echte Liberalisierung des Strom- und werden. des Erdgasmarktes, die zu einer höheren Effizienz bei der Energieerzeugung füh- Ziel der Gemeinschaftsinitiative ist es ren wird, da die Konkurrenz der Unter- außerdem, bei der Steuerung des Energie- nehmen zukünftig weniger über die ge- bedarfs und bei Energieeinsparungen auch ringen Preisspielräume und mehr durch die Beitrittsländer einzubeziehen, wo der Energiedienstleistungsangebote ausge- Wohn- und Dienstleistungsbereich ein tragen wird. großes Potential für Energieeinsparungen bietet. Der Steigerung der Energieeffizienz stehen aber auch zahlreiche institutionelle und Angesichts der geringen Erneuerungsrate rechtliche Hindernisse im Wege, wie z. B. bei Gebäuden (Lebensdauer von 50 bis über

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Energieverbrauch im Gebäudebereich

Energienachfrage 2000

Haushalte 41% 31% Verkehrs- sektor 28% Industrie

Energieverbrauch in Energieverbrauch in öffentlichen Gebäuden privaten Gebäuden

Warmwasser Kochen Licht 9% 5% 14% Warmwasser 25% Kühlung Kochen 4% 7% Sonstiges Elektrische 16% Geräte Raumheizung 52% Raumheizung 57% 11 %

Directorate General for Energy and Transport Information and Communication

100 Jahren) liegt das größte Potenzial für rechnung für die Energieprofile einord- die Verbesserung der Energieprofile kurz- nen zu können. Damit können alle mög- und mittelfristig natürlich bei den bestehen- lichen Maßnahmen, wie etwa Isolie- den Gebäuden. rung, effiziente Heizsysteme und ande- res, aufgerechnet und verglichen werden. Die Richtlinie soll einen Rahmen für eine b) Durch diese Berechnungsgrundlage wird bessere Koordinierung zwischen den Mit- dann die Anwendung von Mindestnor- gliedstaaten bei der Entwicklung von men für Energieprofile auf neue Gebäude Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet schaf- und bestimmte bestehende Gebäude bei fen. ihrer Renovierung festgesetzt. c) Es sollen Zertifizierungssysteme für Die konkrete Anwendung dieses Rahmens neue und bestehende Gebäude auf der wird jedoch im wesentlichen Sache der ein- Grundlage der obigen Normen und öf- zelnen Mitgliedstaaten bleiben. fentliche Anbringung der Zertifikate über das Energieprofil sowie der empfohle- Der Vorschlag enthält vier Hauptelemente: nen Innentemperaturen und anderer re- levanter Klimaparameter in öffentlichen a) Schaffung eines allgemeinen Rahmens Gebäuden und Gebäuden mit starkem für eine gemeinsame Methode zur Publikumsverkehr eingeführt werden. Berechnung der integrierten Energie- Damit soll ein Vorbildcharakter der profile von Gebäuden. Das bedeutet, öffentlichen Hand ausgedrückt werden. dass vergleichbare Maßstäbe aufgestellt d) Weiterhin soll es Vorschriften zur geziel- werden sollen, um die bisher noch unter- ten Inspektion und Prüfung von Kesseln schiedlichen Gewichtungen bei der Be- und Heizungs-/Klimaanlagen geben.

22 THEMA EUROPA: Europas Weg in die Zukunft – Erneuerbare Energien 02/2002

4. ERNEUERBARE ENERGIEN IN DER PRAXIS

BEISPIEL SOLARENERGIE: PRAKTIKABEL UND RENTABEL

Entgegen vieler Behauptungen, ist die Nut- Jahre keinen einzigen Cent kostet. Die Le- zung der Solarenergie in den Ländern der bensdauer eines Solarheizers beträgt übri- Europäischen Union sinnvoll und rentabel. gens etwa 20 Jahre. Man spart also noch Eine etwa 10 m2 große Photovoltaikanlage Geld mit der Installation. Und noch gar nicht auf einer Dachfläche in Nordrhein-Westfalen erwähnt sind hierbei die Vorteile für die erzeugt bei heutigem Wirkungsgrad jährlich Umwelt, die Versorgungssicherheit und die zwischen 800 und 1.000 kWh Strom. Für eine einheimische Wirtschaft. möglichst hohe Energieausbeute sind die Ausrichtung und der Neigungswinkel ent- Natürlich gibt es noch andere Möglichkei- scheidend. Nach einer Studie von Kalt- ten, das Sonnenlicht zu nutzen. So sind Pho- schmitt/Wiese sind in Deutschland etwa 800 tovoltaik und Solarthermieanlagen geradezu Holt sich die 2 Leuchtkraft aus km Dachfläche so günstig der Sonne zuge- ideal um kleinere Einheiten autark zu versor- der Sonne: wandt, dass sie für die photovoltaische gen. Gerade für Entwicklungsländer bietet Photovoltaisch Energieumwandlun geeignet sind. Dies ent- dies eine enorme Chance. Anstelle nahezu betriebene spricht allein 10 m2 pro Bundesbürger. 1 m2 unendlich lange Stromleitungen zu bauen, Straßenlaternen leuchten unab- Solarzellen auf dem Dach eines jeden Deut- können sogenannte „Insellösungen“ den hängig vom schen installiert, würde die Energieerzeu- Bedarf ausreichend abdecken. Leitungsnetz gung eines ganzen Atomkraftwerkes ersetzen. Die längste je an einem Stück In Florida gibt es etwa 800.000 private gebaute Stromleitung – von Swimming Pools. Da es auch in Florida kalte Kenia nach Südafrika – hatte Winter gibt, besitzen fast alle Pools auch ein zur Folge, dass sich entlang Warmwasserheizsystem. Die Durchschnitts- dieser Leitung Siedlungen gebil- kosten für die klassischen Formen der det haben, jenseits von alteinge- Warmwasserheizung betragen etwa: 1450 $ sessenen Lebensumgebungen, bei einer Elektroheizung, 500 $ bei einer die zu Verödung einerseits und elektrischen Umwälzpumpe und 580 $ bei zu Ghettoisierung andererseits der Nutzung von Gasheizungen. geführt haben.

Der neueste Trend in Florida sind aber Mithilfe von kleinen Photovol- Solarkollektoren zur Heizung der Pools. Ein taikanlagen kann dieser Effekt typisches Solarheizsystem für den durch- vermieden werden. Diese Anla- schnittlichen Pool eines „Floridianers“ ko- gen können die Stromversor- stet etwa 2000-4000 $ für die Anschaffung; gung für einzelne Haushalte und alle 10 Jahre kommen noch etwa 200-500 $ kleine Dorfgemeinschaften si- für Wartungskosten hinzu. cherstellen. Auch dort sind diese übrigens wirtschaftlicher als kon- Dies bedeutet, dass sich ein typischer Solar- ventionelle Stromerzeugungssy- heizer in 1,5 – spätestens sieben Jahren wirt- steme – durch die Einsparungen schaftlich amortisiert hat, da die Nutzung der Kosten für die notwendige der Sonnenenergie während der ganzen Infrastruktur.

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BEISPIEL WASSERKRAFT: ZUKUNFT MIT TRADITION

„Es klappert die Mühle am rauschenden Bereits 1880 wurde in England das erste Bach“, so beginnt ein altes Volkslied. Wasserkraftwerk in Betrieb genommen. In Deutschland dauerte es nicht viel länger, bis Was dort besungen wird, geht auf eine lange die erste Anlage ans Netz ging. Diese Tradition zurück. Anlage speiste damals etwa 44kW ins öffent- liche Netz ein. Geradezu lächerlich, wenn Schon um 1.000 vor Christus wurden Was- man bedenkt, dass Wasserkraft heutzutage serräder im Orient für meist mechanische die quantitativ bedeutendste Form Erneuer- Arbeiten genutzt. Und auch in unseren barer Energien in Europa ist. Breitengraden werden sie seit etwa 1.500 Jahren eingesetzt. Damit zählt die Um- Heute produzieren Wasserkraftwerke in ganz wandlung von Wasserkraft zu den ältesten Europa etwa 4,5 % des gesamten Strom- Wegen, Erneuerbare Energien zu nutzen. bedarfs der Europäischen Union. In man- chen Ländern wie etwa Österreich oder Und – auch beim Wind beginnt die Schweden erreichen die Anteile gar zwi- Geschichte mit Mühlen und kann dank der schen 40% und 60 %. Lange Zeit galt die Erfindung des Dynamos auch zur Elektrizi- Wasserkraft als nicht besonders umwelt- tätserzeugung genutzt werden. freundlich, da die Anlagen oft sehr groß sind

In den 60er Jahren fertiggestellt wurde das Pumpen- speicherkraftwerk Hohenwarte II bei Saalfeld in Thüringen. Acht 672 m lange Rohrbahnen verbinden das Kraftwerk mit einem künstlichen Hochspeicher. Mit preiswertem Nacht- strom wird das Wasser vom Tal in den Hochspeicher gepumpt. Tagsüber geht das Wasser den umgekehrten Weg und setzt die Turbinen des Kraftwerks in Gang.

Foto: VEAG- Wasserkraftmuseum Ziegenrück

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und erhebliche Eingriffe in die Natur bedeu- Neuesten Studien zur Folge sind dort sogar ten können. Dieses Urteil wird auch nicht längst ausgestorben geglaubte Fischarten immer zu unrecht gefällt. Wenn man bei- wieder aufgetaucht. spielsweise bedenkt, dass in China nicht nur etwa 1 Millionen Menschen ihr Land für ein Das Potential zum Neubau großer Wasser- neues Speicherkraftwerk verlassen müssen, kraftwerke in Europa ist jedoch nahezu voll- sondern dabei auch noch Tausende Qua- ständig ausgeschöpft. Erweiterungsmög- dratmeter Land – etwa in der doppelten lichkeiten bestehen bei kleinen Wasser- Größe Belgiens – zerstört werden, kann die- kraftanlagen und bei der Modernisierung se Art der Wasserkraftnutzung nicht als nach- bereits bestehender großer Wasserkraft- haltig bezeichnet werden. werke.

Allerdings ist das nur ein Teil der Ent- Wasserkraft in der EU wicklung.

In Wien, wo das modernste Wasserkraftwerk Anteil an der Stromerzeugung in % Euroapas erst vor drei Jahren seinen Dienst aufnahm, wurde gezeigt, dass es auch anders geht.

Das 1998 fertiggestellte Kraftwerk ist welt- weit das erste große Flußkraftwerk mitten in sterreich 69,6 % einer Millionenstadt. Gebaut wurde in Nass- Luxemburg bauweise direkt im Fluß. Mit 7,5 Metern 66,9 Laufraddurchmesser zählen die Turbinen zu Schweden 46,7 den größten in Europa. Die Produktion des Kraftwerks in Wien entspricht dem Ver- Portugal 27,6 brauch von rund der Hälfte aller privaten Finnland 19,9 Wiener Haushalte. Italien 18,1 Es entspricht unter Einhaltung von nicht Frankreich weniger als 200 Umwelt-Auflagen voll und 16,1 ganz dem Wiener Naturschutzgesetz. Neben Spanien 15,5 dem Bau des Kraftwerks wurden 10 Hektar Griechenland Wald gepflanzt. Auf der Donauinsel bieten 9,9 neue Biotope, Buchten und Inseln zusätzli- Irland 6,6 chen Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Deutschland 4,8 Der ökologisch ausgestaltete Umgehungs- Gro§britannien 2,1 bach mit Fischaufstieg wird von den Fischen Belgien gut angenommen. Ein von den Betreibern 1,2 eigens angestellter Biologe kümmert sich DŠnemark 0,1 regelmäßig um die Situation der Fische. Niederlande 0,1 Quelle: VDEW © Globus 4236

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BEISPIEL BIOMASSE: WÄCHST JAHR FÜR JAHR NACH

Nachwachsende Rohstoffe als Motor für Rapsölmethylester treibt anstelle von Heizöl Mobilität und ländliche Entwicklung übrigens auch stationäre Anlagen zur Strom- und Wärmeerzeugung an. Beispielhaft wird Treibstoffe dies im Reichstagsgebäude in Berlin umge- Trotz Mobilfunk und weltweiter Vernetzung setzt. per Internet: mehr denn je ist jeder von uns darauf angewiesen, mobil zu sein. Jeder Strom und Wärme benutzt einen Pkw oder greift auf öffentliche Seit über vierhunderttausend Jahren nutzen Verkehrsmittel zurück. Wie kostspielig das die Menschen Biomasse als Energieträger. In mit der Zeit werden kann, spüren wir deut- Form von Holz war sie lange Zeit das wich- lich: Mineralölprodukte werden immer höher tigste Heizmaterial – solange, bis Kohle, besteuert, wodurch nicht nur die Heizöl-, Erdöl und Erdgas sie ersetzten. Gegenwärtig sondern auch die Spritpreise steigen. Die werden weltweit noch etwa 15 bis 20 Pro- Alternativen dazu gibt es in der Natur. Raps- zent der Energie aus Biomasse gewonnen, öl zum Beispiel. In Form von Rapsölme- lediglich Entwicklungsländer überschreiten thylester ist es in Deutschland mittlerweile den Anteil mit bis zu 90 Prozent. Fast überall an rund 800 Tankstellen erhältlich. Ein wachsen große Mengen an Pflanzen, die Großteil der Hersteller hat die neueren sich für die Strom- und Wärmegewinnung Diesel-Pkw bereits für diesen Treibstoff zu- eignen. Das theoretische Potential über- gelassen, Umrüstungen des Wagens sind schreitet weltweit den derzeitigen Primär- nicht mehr nötig. Aber auch mit reinem energieverbrauch um ein Vielfaches. So- Pflanzenöl können Autos fahren – vorausge- lange Biomasse in dem Maße genutzt wird, setzt man passt ihre Motoren speziell darauf wie sie nachwächst, ist der Einsatz nachhal- an. tig. Das freigesetzte CO2 wird durch die wachsenden Pflanzen wieder absorbiert. Der In anderen Teilen der Erde geht man ganz Bioenergieträger mit dem größten Potential andere Wege: Bioalkohol oder Ethanol treibt ist das Holz. In waldreichen Regionen Benzinmotoren an. In Brasilien fahren Autos Deutschlands wird ein beträchtlicher Teil der mit Sprit aus vergorenem Zuckerrohr und Häuser noch mit Scheitholz beheizt. Zuckerrohrabfällen, die Amerikaner greifen Praktischer ist die Nutzung von Holzhack- für den gleichen Zweck auf Mais zurück. schnitzeln, die bei der Durchforstung oder Exotische Methoden, die sich bei uns kaum bei der Holzernte anfallen. Gewerbebetrie- durchsetzen können: die Herstellung ist viel be oder Kommunen heizen inzwischen mit zu teuer. Biodiesel ist also nach wie vor die Hackschnitzel oder Pellets aus Holzresten praktikabelste Variante des natürlichen der Industrie ebenso wie kommunale Treibstoffs in der EU. Rund 100.000 Tonnen Anlagen zur Versorgung von Wohnhäusern. wurden 1998 beispielsweise in Deutschland Vorreiter in der Europäischen Union sind hiervon abgesetzt. Aufgrund der günstigen hierbei Schweden und Österreich. Rohstoffpreise und der Mineralölsteuer- Befreiung stellt es eine echte Konkurrenz zu Da Pappeln, Weiden und Espen rasch wach- herkömmlichem Diesel dar. sen, erprobt man mittlerweile ihre systemati-

26 THEMA EUROPA: Europas Weg in die Zukunft – Erneuerbare Energien 02/2002

sche Nutzung für die Energieerzeugung. In Die Kapazitäten für eine energetische Nut- Versuchsplantagen angebaut, erbrachten sie zung von Biomasse sind also groß. Mit einer erfolgversprechende Resultate. Ähnlich eig- steigenden Bedeutung der Biomasse ist zu nen sich Getreide, Ölsaaten oder Gräser für rechnen; viele gute Gründe sprechen für ihre die Gewinnung von Biomasse. Nicht nur ein Nutzung: Wärme und Strom werden dort neuer Weg der Energieerzeugung, sondern erzeugt, wo sie gebraucht werden. Lange auch eine Anbaualternative für die Land- Transportwege sind nicht mehr nötig, die wirtschaft. Neben nachwachsenden Rohstof- damit verbundenen Kosten und Gefahren fen gehören auch biologisch abbaubare entfallen, da der Rohstoff quasi überall vor Abfälle und organische Reststoffe zur Bio- der Tür wächst. Auch gegenüber anderen masse. Stroh hat sich vor allem in Dänemark regenerativen Energien hat Biomasse einen durchgesetzt, wo seit längerem zahlreiche entscheidenden Vorteil: im Gegensatz zu Fernwärmewerke auf dieser Basis arbeiten. Wind oder Sonnenenergie ist sie als Ener- Auch in Deutschland gibt es erste Anlagen. gieträger speicherbar und kann an jedem Sogar Dung, Rinden, Laub oder Klär- Ort zum gewünschten Zeitpunkt für die schlamm können in Blockheizkraftwerken Energieversorgung eingesetzt werden. verbrannt werden, und tragen zur ökologi- schen Energieversorgung bei. Die Bundesregierung kommt der Marktein- führung regenerativer Energien mit einem Um die von Natur aus geringe Energiedichte neuen Förderprogramm entgegen. Nicht von Biomasse zu erhöhen, arbeiten die Wis- nur Forschungs- und Entwicklungsprojekte senschaftler inzwischen an Alternativen zur in diesem Bereich werden finanziell unter- Verbrennung. Die Verwandlung in gasför- stützt, auch Privatpersonen oder Institutio- mige oder flüssige Energieträger wird er- nen, die Biomasseverbrennungsanlagen ein- probt. richten wollen, erhalten nach Größe der Anlage gestaffelte Fördergelder. Not macht erfinderisch, Gülleüberschuss auch. So Prinzip einer Biomasse-Verbrennungsanlage machen sich findige Land- wirte inzwischen die Arbeit von Mikroorganismen zu- gehäckselte Ganzpflanzen / Stroh nutze. Das beim Vergären von Gülle, Kuhmist oder Gartenabfällen entstehen- de Gas wandeln sie in Gasbrennern zu Strom um, die dabei freiwerdende Wärme nutzen sie vor Ort zum Heizen. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland Biogas rund Brennstoffanlieferung Heuturm Kesselhaus ein Prozent des Energie- Nennleistung der Feuerungsanlage: 250 kW bedarfes decken könnte. Brennstoffverbrauch: 60-70 kg/h Ganzpflanzen/Stroh

27 02/2002 THEMA EUROPA: Europas Weg in die Zukunft – Erneuerbare Energien

BEISPIEL WINDENERGIE: EINE ERFOLGSGESCHICHTE

Das derzeitige Ziel für Windenergie in der nien sind derzeit etwa 500 MW installierte Europäischen Union ist eine Gesamtproduk- Leistung zu messen. tion von 40 Gigawatt bis 2010. Dieses Ziel stammt noch aus dem Weißbuch für Erneu- Diese Beispiele zeigen, dass nicht nur die erbare Energieträger. Noch vor zehn Jahren natürlichen Gegebenheiten, sondern kon- war dieses Ziel völlig unrealistisch. Heute krete politische Rahmenbedingungen von stellen die 40 GW ein wesentliches Element Bedeutung sind. So machte der deutsche innerhalb des beschriebenen Verdopplungs- Anteil an Windenergie in Europa 1990 etwa szenarios dar. Die Europäische Windenergie- 10% aus, heute liegt er bei etwa 50%. Dieser vereinigung (EWEA) geht allerdings schon Erfolg ist maßgeblich dem deutschen heute davon aus, dass ein realistisches Ziel Fördersystem zuzuschreiben. bei etwa 60 GW liegen könnte. Auf dem Hintergrund der Erfolgsgeschichte der eu- Das Beispiel der Windenergie in Deutsch- ropäischen Windenergienutzung im Laufe land zeigt: Die Zielmarke von 40 Gigawatt der letzten zehn Jahre ist dieses Ziel also kann erreicht werden, wenn die politischen sogar eher als vorsichtig zu bewerten. Aber Rahmenbedingungen in der Europäischen auch weltweit lassen sich die Zahlen sehen: Union und ihren Mitgliedstaaten stimmen, Der Zuwachs im Jahr 2001 betrug weltweit aber nur dann. Die erfolgreichsten Mitglied- 31 %! staaten in Hinsicht auf die Steigerungsraten, nämlich Deutschland, Spanien und Däne- Die Voraussetzungen Der Blick auf Deutschland zeigt das enorme mark, verdeutlichen die notwendige Strate- für Windenergie Potential für eine künftige Nutzung. 1990 lag gie: Es muss für Strom aus Erneuerbaren Europäischer die installierte Windenergieleistung noch Energien einen garantierten Zugang zu den Windatlas: Vor allem im Norden und bei etwa 55 Megawatt pro Jahr, heute sind bestehenden Energie-Netzwerken geben Westen sehr gute wir bei über 8500 MW angelangt. und die eingespeiste Elektrizität muss durch Voraussetzungen für einen angemessenen Preis vergütet wer- die Gewinnung von Ein Beispiel für das enorme Potential der den. Windenergie Windenergie ist Großbritannien. Die Mitgliedstaaten der EU müssen den Er- Nach Berechnun- neuerbaren Energien eine faire Chance auf gen der EWEA dem Energiemarkt einräumen. Die beste- könnte der henden Wettbewerbsverzerrungen müssen gesamte Strombe- kompensiert werden. Die Förderung Erneuer- ausgezeichnet darf der Insel mehr barer Energien bedeutet, eine Kompensa- sehr gut als viermal alleine tion der externen Kosten vorzunehmen und gut bis durch- durch Windenergie nicht wie häufig angenommen neue Sub- schnittlich

durchschnittlich gedeckt werden. ventionstatbestände einzuführen. Gleicher-

ungenügend Allerdings steckt die maßen wird damit eine Zukunftstechno- Nutzung dort noch logie gefördert, die für Europäische Unter- in den Kinderschu- nehmen aufgrund des bereits vorhandenen hen. In Großbritan- Know-hows eine einmalige Chance bietet.

28 THEMA EUROPA: Europas Weg in die Zukunft – Erneuerbare Energien 02/2002

5. DIE EU WILL DIE ENERGIEWENDE DURCH ERNEUERBARE ENERGIEN

Die ersten Jahrzehnte europäischer Ener- Anreize für private und öffentliche giepolitik waren bestimmt durch eine klare Investitionen in die auf erneuerbaren Fixierung auf Kohle- und Atomenergie. Nur Energiequellen basierende Energieer- in diesen Bereichen hat auch bis heute die zeugung und -nutzung zu bieten. Europäische Union eine direkte vertragliche Zuständigkeit durch den EGKS- und den Förderungsberechtigte Euratom-Vertrag. Ziel der Europäischen sind Unternehmen, Vereine, Institutionen Gemeinschaften war es, die Energiegewin- und andere juristische Personen aus allen nung aus heimischer Kohle zu stützen und Mitgliedsländern der Union. die Atomenergie weitestmöglich (über 50% des Energieverbrauchs) auszubauen. Nach- Förderungsgegenstand dem sich in einigen wenigen Mitglieds- Zu den geförderten Aktionen und Maß- ländern wie Dänemark und Deutschland nahmen zählen: eine damals noch zahlenmäßig kleine, aber argumentativ starke Bewegung für die a) Studien und sonstige Aktionen zur Um- Nutzung Erneuerbarer Energien gebildet setzung und Ergänzung der Maßnah- hatte, konnte die Europäische Gemein- men, die die Gemeinschaft und die schaft nicht mehr umhin, in den 90er Mitgliedsstaaten zum Ausbau des Poten- Jahren trotz formell fehlender europäischer tials erneuerbarer Energieträger treffen. Zuständigkeit auch Förderprogramme für Erneuerbare Energien aufzulegen. b) Pilotaktionen zur Schaffung oder Er- weiterung der Infrastrukturen und Instrumente zur Förderung erneuer- 5.1 Altener I und II barere Energieträger in folgenden Be- reichen: Das ALTENER-Programm (1993-1997) war das erste eigenständige EU-Förderprogramm lokale und regionale Planung, für Erneuerbare Energien. Mit 40 Mio. Euro für vier Jahre war es jedoch mit einem Instrumente zur Planung, Entwick- äußerst unzureichenden – im Vergleich zu lung und Bewertung konventionellen Energien verschwindend geringen – Fördervolumen ausgestattet. Das neue Finanz- und Marktinstrumente. Altener-II-Programm läuft von 1998 bis 2002 und ist mit 77 Mio Euro ausgestattet. c) Förderung durch Verbreitung der Ergeb- nisse zum Ausbau der Informations-, Zielsetzung Aus- und Fortbildungsstrukturen, zur Festgeschriebene Ziele des Programms sind: Intensivierung des Austauschs von Er- fahrungen und Know-how mit dem Ziel, einen Beitrag dazu zu leisten, dass die die Abstimmung zwischen internationa- für die Umsetzung eines gemeinschaft- len, gemeinschaftlichen, nationalen, re- lichen Aktionsplans für erneuerbare gionalen und lokalen Maßnahmen zu Energieträger erforderlichen Rahmenbe- verbessern; Informationseingabe in ein dingungen, insbesondere die rechtlichen, zentrales System für die Sammlung, sozioökonomischen und verwaltungs- Auswertung und Verbreitung von Infor- technischen Voraussetzungen, geschaf- mationen und Know-how über Erneuer- fen werden sowie bare Energieträger.

29 02/2002 THEMA EUROPA: Europas Weg in die Zukunft – Erneuerbare Energien

d) Gezielte Aktionen zur Erleichterung der pagne eingeleitet werden, vor allem Marktdurchdringung erneuerbarer Ener- im Hinblick darauf zu unterstützen, gieträger und des einschlägigen Know- die Koordinierung zwischen den ein- hows mit dem Ziel, den Übergang von zelnen Maßnahmen zu verbessern der Demonstration zur Vermarktung zu und die Synergie zu verstärken, erleichtern und die Investitionstätigkeit durch Beratung bei der Vorbereitung die Fortschritte, die die Gemeinschaft und Darstellung von Projekten sowie und ihre Mitgliedstaaten bei der För- ihrer Durchführung zu fördern. derung Erneuerbarer Energieträger erzielt haben, zu verfolgen. e) Überwachungs- und Unterstützungs- aktionen mit dem Ziel, Die Projekte müssen folgende Bereiche betreffen: die Umsetzung der Gemeinschafts- strategie und des Aktionsplans zur Biomasse einschließlich Energiepflanzen, Förderung Erneuerbarer Energieträger Brennholz, land- und forstwirtschaft- zu überwachen, liche Abfälle, Siedlungsabfälle, flüssige Biokraftstoffe und Biogas, die Initiativen, die zur Umsetzung des Aktionsplans und der Anschubkam- thermische und photovoltaische Anwen-

Erneuerbare Energien in der Praxis: Energieerzeugung aus Biomasse in der Landwirtschaft (links), Stromerzeugung durch Sonnenenergie für den Deutschen Bundestag (Photo- voltaik) auf dem Dach des Reichstagsgebäu- des in Berlin (Mitte), Energiegewinnung aus Windkraft im Windpark Ochsenwerder, Hamburg (rechts)

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dungen der Sonnenenergie, rahmenprogramme. Im aktuellen 5. For- schungsrahmenprogramm (bis 2002) sind passive und aktive Nutzung der Sonnen- 98 Mio. Euro pro Jahr für die Entwicklung energie in Gebäuden, von neuen Technologien zur Nutzung Erneuerbarer Energien geplant. Im Ver- kleine Wasserkraftwerke (< 10 MW), gleich zur Förderung der Atomkraft (Si- cherungsmaßnahmen, Modernisierung) in Windenergie, Höhe von 315 Mio. Euro pro Jahr ist dieser Betrag immer noch sehr gering. Erdwärme,

Gezeiten- und Wellenenergie sowie ande- Andere EU-Programme: re Formen der Meeresenergie. Aus den europäischen Strukturfonds fließen jährlich etwa 50 Mio. Euro in Maßnahmen, die in Zusammenhang mit Erneuerbaren Forschungsrahmenprogramm Energieträgern stehen. In den übrigen EU- Programmen, z. B. dem Kohäsionsfonds, Neben ALTENER unterstützt die Euro- den Agrarprogrammen, den europäischen päische Union die Erneuerbaren Energien Entwicklungshilfeprogrammen sowie der im Rahmen der sogenannten Forschungs- Industrie- und Außenhandelspolitik sind die

31 02/2002 THEMA EUROPA: Europas Weg in die Zukunft – Erneuerbare Energien

Erneuerbaren Energien bislang nur am Dort wird eine Gemeinschaftsstrategie vor- Rande vertreten. geschlagen, mit deren Hilfe der Anteil der Erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2010 Im Parlamentsbeschluss zum Weißbuch auf 12 Prozent des Gesamtenergiever- „Erneuerbare Energien“ wurde die Kom- brauchs verdoppelt werden soll. Umgesetzt mission aufgefordert, den Erneuerbaren werden soll dieses Ziel mit Hilfe eines Energien in der Mittelvergabe aus den Aktionsplans für Erneuerbare Energien und Strukturfonds und den Gemeinschafts- einem Weißbuch. programmen besondere Bedeutung zu geben und dem Europäischen Parlament Im Grünbuch wurde zwar die bestehende regelmäßig über die konkrete Mittelvergabe Situation umfassend analysiert. Jedoch Bericht zu erstatten. Ersteres hat sich wurden nur vage Vorschläge für konkrete geringfügig verbessert. Eine Berichterstat- Maßnahmen und Elemente einer Gemein- tung steht noch aus. schaftsstrategie vorgelegt. In seiner Stel- lungnahme (Rothe-Bericht8) unterbreitete das Europäische Parlament einen konkre- 5.2 Das Grünbuch Erneuerbare ten Maßnahmenkatalog. Dieser beinhaltete: Energien – erste Schritte 1996: Gesetzesmaßnahmen, u.a. eine europäi- Erst durch eine Initiative des Europäi- sche Energiesteuer, europäische Einspei- schen Parlaments mit dem Mombaur- seregelung und einen Vertrag zur In Bielefeld sonnen Bericht7 wurden ab 1996 Erneuerbare Förderung Erneuerbarer Energien. sich die Fußball- Energien wirklich zum Thema in der EU. fans unter einer der größten Photo- Das Parlament forderte in großer Geschlos- Fördermaßnahmen, u. a. ein 1 Mio. voltaik-Anlagen senheit die Kommission zum Handeln auf. Dächer- und Fassadenprogramm für Deutschlands. Die Ein konkreter Aktionsplan zum Ausbau Photovoltaik, ein 15.000 MW-Programm Sonnenenergie- Erneuerbarer Energien wurde gefordert. Windenergie (On- und Offshore), ein nutzung auf der Bielefelder Alm Noch im selben Jahr legte die Europäische tausendmal 1 MW-Programm Biomasse. erzeugt pro Jahr Kommission das Grünbuch zu Erneuer- Begleitende Maßnahmen, u. a. die Ein- 85.000 kWh Strom. baren Energien vor. richtung einer Koordinierungsstelle für Erneuerbare Energien, Maßnahmen zur verbesserten Information, Beratung, Aus- und Weiterbildung, Entwicklung einer gemeinschaftlichen Gebäudericht- linie zur Nutzung von Sonnenenergie.

5.3 Das Weißbuch für Erneuerbare Energien – ein großer Sprung 1997:

Mit dem Weißbuch „Energie für die Zu- kunft: Erneuerbare Energiequellen“ präsen- tierte die EU-Kommission Ende November 1997 – wenige Tage vor der Klimakonferenz Foto: Stadtwerke Bielefeld 7 Abl. C 211 v. 22.07.96 8 Protokoll des EP vom 18/06/1998, gestützt auf Dokument A4-0207/98 - endgültige Ausgabe

32 THEMA EUROPA: Europas Weg in die Zukunft – Erneuerbare Energien 02/2002

in Kyoto – erstmals eine mittelfristige Ge- Durch den Ausbau Erneuerbarer Energien meinschaftsstrategie mit konkreten Aktio- können im Gegenzug 3.3 Milliarden Euro nen und Maßnahmen zur Markteinführung an Brennstoffkosten bis zum Jahr 2010 der Erneuerbaren Energien. Gleichzeitig eingespart werden. Die vermiedenen exter- werden wesentliche Forderungen des Euro- nen Kosten (eingesparte Sozial- und Um- päischen Parlaments aufgegriffen. Die be- weltkosten) werden auf weitere 2 Milliarden reits im Grünbuch geforderte Verdoppelung Euro geschätzt. des Anteils erneuerbarer Energien auf 12 Prozent bis zum Jahr 2010 wird auch vom Die „Kampagne für den Durchbruch“ der Weißbuch als ehrgeizige, aber realistische Erneuerbaren Energien besteht aus folgen- Zielsetzung betrachtet. den Elementen:

Die Kommission rechnet bis 2010 mit Eine Million Photovoltaik-Anlagen, zur Nettoinvestitionen von insgesamt 95 Mil- Hälfte in der EU, zur Hälfte in Dritt- liarden Euro, und bis zu 900.000 neuen ländern Arbeitsplätzen. Darin nicht enthalten ist der Exportumsatz von 17 Milliarden Euro im 15 Mio. m2 Solarkollektoren Jahr 2010, der nach Kommissionsschät- zungen mindestens 350.000 zusätzliche 10.000 MW aus großen Windparks Arbeitsplätze bringen würde. Die Kohlen- dioxid-Emissionen könnten bis 2010 um 10.000 MWth aus Biomasse-Anlagen 402 Millionen Tonnen pro Jahr reduziert werden. Die Abhängigkeit von Energieim- 1 Mio. biomassebeheizte Wohnungen porten würde um 17,4 Prozent zurückge- hen. Bis 2010 könnten so für die europäi- 1 Mio. MW Biogasinstallationen sche Volkswirtschaft 21 Milliarden Euro an herkömmlichen Brennstoffkosten (d.h. 5 Mio t Biotreibstoffe Energieimporten) eingespart werden. Windpark Sintfeld – im Sommer 2001 Um das 12-Prozent-Ziel zu erreichen, wird wurde der damals ein Aktionsprogramm („Kampagne für den größte Binnenwind- Durchbruch“) für Erneuerbare Energien park Europas in der vorgeschlagen. Durch öffentlich geförderte Nähe von Wünnen- Programme der EU und ihre Mitgliedstaa- berg (NRW) in Betrieb genommen. 65 An- ten soll die Nachfrage nach Erneuerbaren lagen (installierte Energien erhöht werden, womit Produk- Leistung 105 MW) tionskapazitäten ausgebaut und optimiert erzeugen ca. 180 Mio. werden können. kWh elektrische Energie pro Jahr

Bei einem geschätzten Investitionsvolumen Foto: Ulrich Mertens von über 20 Milliarden Euro will die Kommission gemeinsam mit den Mit- gliedstaaten rund vier Milliarden Euro in direkter Investitionsförderung zur Verfü- gung stellen, d.h. pro Jahr rund 300 Millionen Euro.

33 02/2002 THEMA EUROPA: Europas Weg in die Zukunft – Erneuerbare Energien

5.4 Die erste Richtlinie zur Förderung zwischen den nationalen Fördersystemen. von Strom aus Erneuerbaren Ener- So scheiterte diese Idee also an den zu gien – Ein echter Durchbruch ? erwartenden Mehrheitsverhältnissen im Ministerrat. Im November 2001 trat das erste Gesetz zur „Förderung der Stromerzeugung aus Er- Da die Kyoto-Verpflichtungen aber dennoch neuerbaren Energiequellen im Elektrizitäts- neuen Handlungsbedarf notwendig schuf- binnenmarkt“ (KOM(2000)279) in Kraft. en, wurde von der Kommission eine Richt- Damit ist die Kommission im Jahr 2000 der linie vorgeschlagen, die dem Subsidiaritäts- Forderung des Europäischen Parlamentes prinzip Rechnung trägt, gleichermaßen nachgekommen, zur Erreichung des aber die Europäische Verantwortung be- Weißbuchzieles, nämlich der Verdoppelung rücksichtigt. Es wurde anerkannt, dass es des Anteils Erneuerbarer Energien am erfolgversprechender ist, den bestehenden Energieverbrauch bis 2010, eine wesentli- nationalen Fördersystemen für Erneuerbare che gesetzgeberische Maßnahme auf den Energien in den nächsten Jahren die Chan- Weg zu bringen. ce zu geben, sich im Sinne der EU-Ziel- setzung als erfolgreich zu erweisen und zu- Die SPE-Fraktion hat sich aufgrund ihrer nächst kein harmonisiertes EU-Fördersystem Priorität für Erneuerbare Energien erfolg- vorzusehen. reich darum bemüht, die Berichterstattung für das Europäische Parlament zu überneh- Es bleibt den Mitgliedsstaaten also weiter- men. Als Berichterstatterin wurde Mechtild hin frei zu entscheiden, welches Förder- Rothe benannt. Nach mehr als einem Jahr modell sie wählen möchten. Hierzu zählen des Ringens und Verhandelns innerhalb grüne Zertifikate, Investitionsbeihilfen, und zwischen den Institutionen, insbeson- Steuerbefreiungen oder – erleichterungen, dere zwischen Parlament und Rat trat dann Steuererstattungen und direkte Preisstüt- im November 2001 die Richtlinie in Kraft. zungssysteme. Ein wichtiges Element zur Der rasche Ausbau der Erneuerbaren Verwirklichung des Ziels der Richtlinie Energien ist eine notwendige Konsequenz besteht darin, das ungestörte Funktionieren der umwelt- und energiepolitischen Ziele dieser Systeme zu gewährleisten, damit der Europäischen Union. Dies wurde damit das Vertrauen der Investoren erhalten erneut anerkannt. bleibt, bis es möglicherweise ein harmoni- siertes Fördersystem geben wird. Grundsätzliches Die Hoffnung des Europäischen Parlaments Zielsetzung noch während der Weißbuchdebatte war es, Ziel der Richtlinie ist es, bis 2010 eine Ver- ein europaweites Fördermodell zu errei- dopplung des Anteils Erneuerbarer Energie- chen, dass ähnlich gestaltet ist wie das deut- träger an der Stromerzeuger zu schaffen. sche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), nämlich eine Vergütung zu Festpreisen. Um eine klare Lastenverteilung – die sich zukünftig eher als Chancenverteilung erwei- Für diesen Vorschlag gab es aber keine sen wird – hinsichtlich des Ausbaus Er- Mehrheit im Rat. Die Mitgliedsstaaten be- neuerbarer Energieträger zu erreichen, trachten, wie eingangs erwähnt, die Ener- sind aber nationale Zielvorgaben auferlegt giepolitik immer noch als nationale Auf- worden, die von den Mitgliedsstaaten erfüllt gabe, zudem gibt es große Unterschiede werden sollen. Sie müssen auf das bereits

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im Weißbuch für Erneuerbare Energie- sung zunächst gefordert, die Zielvorgaben träger ausgeführte Ziel der Erhöhung des sofort rechtsverbindlich zu setzen und Anteiles von Erneuerbaren Energien am einen Sanktionsmechanismus auszuarbei- Elektrizitätsverbrauch auf 23,5 % ausge- ten, der die Nichterfüllung bestraft. richtet sein. Aufgrund neuer Prognosen hin- sichtlich des Gesamtenergieverbrauchs ist Einige Mitgliedsstaaten haben daraufhin diese Zahl auf 22,1 % verringert worden. An offen mit einem Boykott der Richtlinie ge- diese Vorgaben sind die Mitgliedsstaaten droht. Im Rat wurde die Forderung nach zunächst nicht rechtlich gebunden. Aller- Rechtsverbindlichkeit nur von Dänemark dings kann die Kommission, wenn absehbar und Deutschland unterstützt. ist, dass das Gesamtziel nicht erreicht wird, einen Vorschlag unterbreiten, der diese Intensive informelle Verhandlungen zwi- Vorgaben rechtlich bindend machen kann. schen der Schwedischen Präsidentschaft, Damit werden Mitgliedsländer gezwungen, als Vertreter des Rates, und der sozialdemo- ihre Fördersysteme hinsichtlich der natio- kratischen Berichterstatterin des Euro- nalen Zielerreichung zu überprüfen und päischen Parlamentes, Mechtild Rothe, gegebenenfalls anzupassen. Das Europäi- haben dann zu der angenommenen Kom- sche Parlament hatte in seiner ersten Le- promissformel geführt.

Strom aus Erneuerbaren Energien in Europa Ausbauziele für die EU-Mitgliedsländer

Auszug aus der Prozentualer Anteil aller EE Produzierte EE Richtlinie zur Förderung am Nettostromverbrauch in TWh der Stromerzeugung 1997 2010 1997 2010 aus Erneuerbaren Österreich 72,7 78,1 51,5 56,3 Energien Belgien 1,1 6,0 1,2 6,3 Dänemark 8,7 29,0 3,9 12,9 Finnland 24,7 35,0 23,2 33,7 Frankreich 15,0 21,0 80,6 112,9 Deutschland 4,5 12,5 27,5 76,4 Griechenland 8,6 20,1 6,2 14,5 Irland 3,6 13,2 1,2 4,5 Italien 16,0 25,0 57,3 89,6 Luxemburg 2,1 5,7 0,2 0,5 Niederlande 3,5 12,0 4,6 15,9 Portugal 38,5 45,6 23,9 28,3 Spanien 19,9 29,4 51,8 76,6 Schweden 49,1 60,0 79,8 97,6 Großbritannien 1,7 10,0 8,5 50,0 Europäische Union 13,9 22,1 424,5 674,9

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DIE FÖRDERSYSTEME

Direkte Preisstützung – das Festpreis- schte Menge vorgibt, zu der sich ein Preis system: entwickelt.

Das Festpreissystem wird bisher in Deutsch- Grundidee des Festpreissystems ist die Zah- land, Spanien, Dänemark und Österreich lung eines festen Preises für Strom aus eingesetzt. Eine Einführung ist außerdem in Erneuerbaren Energien, differenziert nach Frankreich beschlossen. Am weitesten ent- Energieträger und technischem Anlagen- wickelt ist das Förderinstrument inzwischen stand. Dabei soll gewährleistet sein, dass in Deutschland. Hier löste im Jahr 2000 das der jeweilige Stand der Technik an geeigne- Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) seinen ten Standorten aus Sicht der Betreiber wirt- Vorläufer, das sogenannte Einspeisegesetz, ab. schaftlich eingesetzt werden kann. Die nach- folgende Tabelle gibt beispielhaft die aktu- Das Festpreissystem wählt einen Preis für ellen Vergütungssätze nach dem deutschen Strom aus Erneuerbaren Energien aus, zu EEG wieder. Die Preise für Biomasse und dem sich eine Menge ergibt, während das Wind sind im Zeitverlauf degressiv gestal- System der grünen Zertifikate eine gewün- tet.9

Vergütungssätze nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)10

Energieträger Einspeisetarif (Cent/kWh)

Wasser (<5 MW) 7,7

Deponiegas (<5 MW) 7,7

Biomasse (<500 kW) 10,2

Bimomasse (<5 MW) 9,2

Biomasse (>5 MW) 8,7

Geothermie (<20 MW) 8,9

Geothermie (>20 MW) 7,2

Wind 9,1

Photovoltaik 50,6

36 THEMA EUROPA: Europas Weg in die Zukunft – Erneuerbare Energien 02/2002

Gegenüber vermiedenen Kosten von zur Handelbare („Grüne“) Zeit durchschnittlich 4,0 Cent/kWh (fixe und Zertifikate/Quotenmodelle: variable Kosten) für bereitgestellten Strom aus konventionellen Energieträgern, erge- Diese werden derzeit in Italien, Flandern ben sich Fördersätze von 3,2 bis 46,6 Cent/ (Belgien) und Großbritannien angewendet kWh für die verschiedenen Erneuerbaren oder geplant. Energieträger. Im System grüner Zertifikate werden Die Vergütung erhalten die Erzeuger von Lieferanten oder Verbraucher von Elektrizität Strom aus Erneuerbaren Energien von den verpflichtet, einen bestimmten Anteil des Betreibern der Netze, in die sie den Strom verkauften oder verbrauchten Stromes aus einspeisen. Die einzelnen Netzbetreiber Erneuerbaren Energien zu decken. Alternativ legen die Kosten über einen Schlüssel gleich- kommt auch eine Verpflichtung der Strom- mäßig auf alle Netzbetreiber in der produzenten oder Netzbetreiber in Frage. Bundesrepublik um, um unterschiedliche re- Dabei ist keine physische Erfüllung erforder- gionale Belastungen zu vermeiden. An- lich. Strom aus Erneuerbaren Energien erhält schließend finden die Kosten über das Netz- ein Zertifikat, das unabhängig gehandelt nutzungsentgelt Eingang in die Endkunden- werden kann. Ebenso wie bei handelbaren preise. Somit wird die Förderung der Emissionsrechten kann die erforderte Lei- Erneuerbaren Energieträger nicht aus dem stung (hier: Regenerativstromerzeugung Staatsbudget, sondern von der Gemeinschaft statt Emissionsminderung) dort erbracht der Energiekunden abhängig von deren werden, wo sie am günstigsten ist, während Stromverbrauch finanziert. Insofern werden Verpflichtete, die ihre Vorgabe nur zu höhe- die Kosten in die Energiekosten internalisiert. ren Kosten als dem aktuellen Marktpreis für In einem Gutachten hat das Büro für Energie- Zertifikate erfüllen könnten, stattdessen wirtschaft und technische Planung voraus- Zertifikate erwerben. Damit soll eine vorge- sichtliche Zusatzkosten aus Sicht der Ver- gebene Menge Strom aus Erneuerbaren braucher von 0,19 Cent/kWh errechnet. Das Energien effizient, also zu den geringstmög- gesamte Fördervolumen betrüge rückwir- lichen Kosten bereitgestellt werden. Die kend für das Jahr 2000 demnach etwa 1,12 Begünstigten einer solchen Quotenregelung Mrd. € für 13 GWh Elektrizität aus Erneuer- sind die Produzenten von Strom aus Erneu- baren Energien (davon 58 % Wind, 29 % erbaren Energiequellen. In dem Moment, in Wasser, 5 % Biomasse, 0,2 % Photovoltaik).11 dem sie ihre Zertifikate für erzeugten Rege- nerativstrom an die Verpflichteten verkaufen, Gemessen am Ausbaustand Erneuerbarer erfolgt eine Aufspaltung des Stroms in zwei Energien in den betreffenden Ländern ist Produkte: Das eine ist die Elektrizität, die das Festpreissystem das mit großem Ab- nicht mehr von der konventionell erzeugten stand erfolgreichste Fördermodell für unterschieden wird, das andere die Umwelt- Erneuerbare Energien. qualität des grünen Stroms, die in Form der Zertifikate auf einem eigenen Markt handel- 9 Jedes Jahr werden Beiträge für neu in Betrieb genommene Biomassekraftwerke und Windkraftanlagen um 1% abgesenkt. Bei Windkraftanlagen wird zusätzlich die Vergütung spätestens ab dem fünften Jahr unabhängig vom Anlagenertrag bis zu 12,1 PF/kWh gesenkt. 10 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) (2000), www.bmwi.de 11 Büro für Energiewirtschaft und technische Planung (BET): Auswirkungen des EEG und des KWKG auf die Endkundenpreise, 22.05.2001

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bar ist. Der Preis, den die Produzenten für tutionspotenzials mit den Nebenzielen die Zertifikate erzielen, stellt die Förderung Beschäftigungsförderung, Nutzung von dar, die sie durch die Quotenregelung erfah- Exportchancen, regionale Wirtschaftför- ren. Er soll die Mehrkosten decken, die für derung lässt sich eher durch eine Förderung die Erzeugung des regenerativen Stroms aller in Frage kommender Technologien gegenüber dem Strom aus erschöpfbaren erreichen. Daher können Teilquoten bei- Energieträgern anfallen. spielsweise für Windkraft oder Photovoltaik eingeführt werden. Im Interesse einer Aufgrund der Kostenunterschiede zwischen Vereinfachung des Systems werden in der den einzelnen Erneuerbaren Energieträgern aktuellen Diskussion Wertigkeitsfaktoren würde eine Zertifikatserteilung auf Basis vorgeschlagen, die den unterschiedlichen der erzeugten Energiemenge zu einer ein- Energieträgern zugerechnet werden. Im seitigen Bevorzugung von kostengünstigen Falle von Zertifikaten für beispielsweise Energieträgern wie der küstennahen Wind- erzeugte kWh Regenerativstrom müsste kraft führen. Die über die reine Erfüllung dann eine kWh Photovoltaikstrom mit einem eines Umweltstandards hinausgehende Ziel- Faktor multipliziert werden, um sie gegenü- setzung einer Technologieförderung zur ber Windstrom aufzuwerten. Dies würde Bereitstellung eines umfassenden Substi- allerdings zu einer geringeren Transparenz des tatsächlichen Stromaufkommens aus Erneuerbaren Energien führen.

Die Planungen in den Ländern, die diese Systeme anwenden oder anwenden wollen, unterscheiden sich jeweils in der Wahl der Verpflichteten. Während in Italien die Stromproduzenten eine Quote erfüllen müs- sen, wird diese in Großbritannien und Flandern den Stromlieferanten auferlegt. Erfahrungen mit einem solchen Modell gibt es bisher nur in den Niederlanden. Hier haben sich seit 1998 Stromlieferanten selbst verpflichtet, bis Ende des Jahres 2000 einen Anteil von etwa 2 % ihres Stromes aus erneu- erbaren Energiequellen zu decken. Dies bedeutete allerdings nur eine geringfügige Steigerung gegenüber dem Status Quo. Es wurde kein Wertigkeitsfaktor eingesetzt, so dass fast ausschließlich Windstrom gefördert wurde. Das Handelsvolumen war aufgrund Die EU will bis 2010 15% ihres Energiebedarfs der homogenen Erzeugungsbedingungen durch Erneuerbare Energien decken. Die Industrie ist darauf vorbereitet: Europas größte Solarzellen- für Windkraft in den Niederlanden sehr fabrik wurde 1999 von der Shell Solar Deutschland gering. Der Zertifikatspreis betrug im Durch- in Gelsenkirchen in Betrieb genommen. schnitt lediglich 2 Cent/kWh.

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Europaweite Definition für Strom aus Erneuerbaren Energien DEFINITION

Erstmals gibt es eine europaweit einheitli- Erneuerbare Energiequellen sind: che Definition darüber, was Erneuerbare Erneuerbare nichtfossile Energiequellen Energien sind. Die Diskussion hierüber (Wind, Sonne, Erdwärme, Wellen- und gestaltete sich äußerst mühselig. Kontro- Gezeitenenergie, Wasserkraft, Biomasse, vers war hierbei nicht die Frage, ob Wind, Sonne und Wasser Erneuerbare Energie- Deponiegas, Klärgas und Biogas) träger sind. Dies zweifelte natürlich nie- mand an. Biomasse: der biologisch abbaubare Anteil von Erzeugnissen, Abfällen und Aber die Frage, inwieweit Müll als Erneu- Rückständen der Landwirtschaft (ein- erbare Energie betrachtet werden soll, schließlich pflanzlicher und tierischer beschäftigte die Institutionen sehr lange. Stoffe), der Forstwirtschaft und damit ver- Eigentlich ist es unstrittig, dass biologisch bundener Industriezweige sowie der bio- abbaubare Abfälle als Biomasse gelten. logisch abbaubare Anteil von Abfällen Jedoch gab es auch Befürworter der Theo- aus Industrie und Haushalten rie, dass jeglicher Müll als regenerative Energiequelle zu betrachten sei, da er sich täglich „erneuere“, bzw. immer wieder neu Damit ist sichergestellt, dass die Erneuer- anfalle. Dies ist jedoch weder aus wissen- baren Energien keinen Imageschaden erlei- schaftlicher Sicht haltbar (eine Plastiktüte den und die Hierarchie der Europäischen wird aus Öl hergestellt, somit einem fossilen Union hinsichtlich der Abfallbehandlung Energieträger), noch aus politischer Sicht erhalten bleibt. wünschenswert (Abfallvermeidung und stoffliche Verwertung sind Grundprinzipien europäischer Politik). Vor allem Vertreter Garantierter Netzzugang der Konservativen Fraktion (PPE) im Europäischen Parlament haben dieses Zur Zeit sind vielerorts überhöhte An- Argument jedoch bis zuletzt aufrecht erhal- schlusskosten und Durchleitungsentgelte ten. Die Sozialdemokraten, gemeinsam mit für Strom aus Erneuerbaren Energieträgern den Grünen, blieben jedoch standhaft. noch unüberwindbare Hürden für die Erzeuger. Die Netzbetreiber, zumeist große, Auch im Rat gab es Befürworter dieser ehemalige Monopolunternehmen, verwei- erweiterten Definition. Die Absicht dahinter gern schlicht den Zugang zum Netz oder war klar: Wenn man die Gewinnung von setzen die Zugangskosten so hoch an, dass Elektrizität aus Müllverbrennung als Er- ein wirtschaftlicher Betrieb unmöglich ist. neuerbare Energie definiert hätte, wäre es Diese Hürden für Erneuerbare Energien wesentlich leichter gewesen die Ziel- wurden mit der Richtlinie abgebaut. Dem vorgaben zu erfüllen. Diesen leichten Weg Strom aus Erneuerbaren Energiequellen wollten vor allem Großbritannien, Italien muss ein vorrangiger Zugang zum Netz und die Niederlande gehen. Am Ende mus- gewährt werden. Wer also plant, eine Anlage sten aber auch diese Länder sich den besse- zur Produktion von Strom aus Erneuer- ren Argumenten beugen und haben folgen- baren Energieträgern zu installieren, hat dem Kompromiss zugestimmt: auch die Sicherheit, dass der Strom in das

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öffentliche Stromnetz eingespeist werden sten der „etablierten“ Energieträger wurde kann. ins Feld geführt. Sowohl im Europäischen Parlament fanden die Industrieverbände Zudem wurden Regeln aufgestellt, wonach unter Vertretern der Konservativen Fraktion die Anschlusskosten und Durchleitungs- ihr Sprachrohr, als auch im Europäischen entgelte fair, transparent und nicht diskri- Rat. minierend sein müssen. Das massive Lobbying hätte möglicherweise Diese offensichtlich notwendigen Verbesse- das Ende dieser wesentlichen Forderungen rungen waren jedoch sehr umstritten. Für schon im Europäischen Parlament bedeu- die Sozialdemokraten im Europäischen ten können. Es zeichnete sich ab, dass es Parlament war dieser Artikel seit Beginn der eine Mehrheit gegen die Forderungen geben Diskussion einer der wesentlichsten inner- könnte. Erst weitere intensive Verhand- Eine faire Regelung halb der Richtlinie. Die Forderungen waren lungen mit dem Rat durch die Bericht- der Einspeisung klar und deutlich. Gerade hier wurde aber erstatterin konnten die unberechtigten Erneuerbarer Energien in die massives Lobbying seitens der konventio- Befürchtungen ausräumen. Als der Rat öffentlichen nellen Energieindustrie betrieben. Die seine Zustimmung signalisierte, brach auch Stromnetze und Stabilität der öffentlichen Elektrizitätsnetze der Widerstand innerhalb des Parlamentes. der Durchleitungs- wurde in Frage gestellt, einer Bevorzugung entgelte ist der Erneuerbaren Energieträger zu ungun- Voraussetzung… Verbraucherschutz durch Herkunftsnachweise

Die Mitgliedsstaaten werden verpflichtet, in den nächsten zwei Jahren ein System zu erstellen, welches die Herkunft von Strom aus Erneuerbaren Energiequellen garan- tiert. Das bedeutet, dass es klare Kriterien geben wird, welcher Strom auch tatsächlich aus Erneuerbaren Energien hergestellt wurde. Dies ist ein großes Stück Euro- päischen Verbraucherschutzes unter dem Stichwort „Transparenz“. Künftig haben die Verbraucher und Verbraucherinnen also die Gewissheit: Wo „Ökostrom“ draufsteht, ist auch „Ökostrom“ drin.

Vereinfachte Verwaltungsverfahren

Nicht in allen Mitgliedsstaaten der Euro- päischen Union sind die behördlichen Auflagen klar geregelt und leicht zu durch- schauen. Deshalb soll mit der Richtlinie die spezifische Struktur des Sektors der Er- neuerbaren Energiequellen berücksichtigt

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werden. Das heisst, dass insbesondere die Verwaltungsverfahren zur Erteilung der Baugenehmigung von Anlagen zur Stromer- zeugung aus Erneuerbaren Energiequellen überprüft werden sollen. So sollen rechtli- che und andere Hemmnisse zum Ausbau von Erneuerbaren Energieträgern abgebaut werden, die Verfahren müssen auf den ent- sprechenden Verwaltungsebenen verein- facht und beschleunigt werden. Alle Vor- schriften in diesem Bereich müssen objektiv, transparent und nichtdiskriminierend sein.

Dies bedeutet aber nicht, dass gegen den Willen der Bevölkerung geplant und geneh- migt wird, sondern lediglich, dass die „Verweigerung“ von staatlicher Seite unter die Lupe genommen wird.

Bestandsgarantie nach dem Subsidiaritätsprinzip vorzulegen, der die Maßnahmen beschreibt, … für den Wie bereits erwähnt, gibt die Richtlinie den Durchbruch von die getroffen werden, um die nationalen Sonnenenergie, nationalen Systemen zunächst eine Bestands- Zielvorgaben zu erreichen. Windkraft und garantie. Zugleich wird für die Kommission anderen nach- aber auch die Möglichkeit eröffnet, im Danach werden die Mitgliedsstaaten durch haltigen Bedarfsfall einen Vorschlag für ein harmoni- die Richtlinie zur regelmäßigen Bericht- Energiequellen. siertes Fördersystem vorzulegen, wenn die erstattung über die Fortschritte hinsichtlich nationalen Förderbereiche nicht ausreichen. der Zielerfüllung gegenüber der Kom- mission verpflichtet. Bereits nach zwei Bereits eingerichtete nationale Anreiz- Jahren muss jedes Land einen Bericht über systeme zur Förderung regenerativer Ener- die Erfolge oder Misserfolge vorlegen. Die gieformen werden noch innerhalb einer Kommission wird diese Berichte prüfen Frist von sieben Jahren nach Verabschie- und kommentieren. Sollte absehbar wer- dung eines gemeinschaftsweiten Gesetzes den, dass einzelne Mitgliedsstaaten mit den geduldet. Darüber hinaus garantiert die gewählten Fördermechanismen keine Richtlinie allen Investoren einen Vertrau- Chance haben, ihre nationalen Ziele zu ensschutz, wie ihn die nationalen Me- erfüllen, gibt es zwei Möglichkeiten für die chanismen vorsehen. Für Deutschland Kommission. Zum einen kann sie einen bedeutet dies, dass alle bis 2008 getätigten Vorschlag machen, auf welche Art und Investitionen auch darüber hinaus die nach Weise eine Zielerfüllung doch noch möglich dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) werden könnte, also beispielsweise durch garantierten Vergütungen erhalten. die Umstellung des Fördersystems. Zum anderen kann sie einen Vorschlag unterbrei- Erste Aufgabe für die Mitgliedsstaaten ist ten, welcher die Zielvorgaben rechtsver- es, bereits nach einem Jahr einen Bericht bindlich werden lassen würde. Dies wäre

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natürlich mit Sanktionen verbunden und noch mindestens sieben Jahre weiterbeste- würde vermutlich automatisch zu einer hen. Darüberhinaus gibt es einen Vertrau- Umstellung des Fördersystems in den ensschutz für Investoren. betreffenden Mitgliedsstaaten führen.

Aufgrund der Evaluierung der nationalen Zielerfüllung Berichte kann die Kommission nach vier Jahren einen Vorschlag für ein harmonisier- Ein wesentlicher Schritt für die Mit- tes europaweites Fördersystem vorlegen. gliedstaaten ist es jetzt also, die vorgegebe- nen Ziele für den Anteil Erneuerbarer Durch den massiven Druck des Parlaments Energien bis 2010 zu erreichen. Die Zeit wurde erreicht, dass sich ein solches Modell für Lippenbekenntnisse und pure Absichts- insbesondere am Erfolg hinsichtlich des erklärungen ist vorbei. Die Mitgliedstaaten Ausbaus Erneuerbarer Energien zu orien- müssen sich festlegen, wie sie die mit der tieren hat. Unbeschadet dieses Vorschlages Richtlinie angestrebte Verdopplung bis werden die nationalen Regelungen jedoch 2010 erfüllen wollen.

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DER GEMEINSCHAFTSRAHMEN FÜR STAATLICHE UMWELTSCHUTZBEIHILFEN

Nach Artikel 6 des EG-Vertrages müssen die Der im letzten Jahr neu gestaltete Gemein- Erfordernisse des Umweltschutzes bei der schaftsrahmen hat im Vorfeld zu hitzigen Gestaltung aller Gemeinschaftspolitiken und Debatten geführt. Umweltschützer sahen die Massnahmen insbesondere zur Förderung Möglichkeit zur umweltgerechten Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen nahezu ausgeschlossen, Wettbewerbshüter werden. Die Wettbewerbspolitik der Euro- sahen den Gedanken der Wettbewerbs- päischen Union scheint diesem Anspruch politik vernachlässigt. manchmal entgegenzustehen, da es hier klar marktwirtschaftlich orientierte Kriterien gibt. Hinzu kam noch ein Gerichtsverfahren vor So sind grundsätzlich Beihilfen und staatli- dem Europäischen Gerichtshof gegen das che Förderungen ausgeschlossen, bzw. deutsche Gesetz zur Förderung von Strom deren Genehmigung unterliegt strengen aus Erneuerbaren Energien12. Vom Gericht Kriterien. Die Verträge sehen vor, dass war letztlich die Frage zu klären, ob dieses Beihilfen dann gewährt werden können, Gesetz als eine unerlaubte staatliche Beihilfe wenn damit eine nachhaltige Entwicklung anzusehen ist oder nicht. Die Entscheidung gefördert und das Verursacherprinzip durch- des Gerichtshof vom 13. März 2001 war gesetzt wird. dann deutlich: Das Einspeisegesetz ist keine Beihilfe im Sinne des Europäischen Wett- Wettbewerbspolitik und Umweltschutz bewerbsrechts, da der Staat keine direkten schließen einander also nicht aus. Die Mittel vergibt. Die Finanzierung der För- Erfordernisse des Umweltschutzes zu derung erfolgt über eine Umlage der berücksichtigen, bedeutet für die Union Stromverteiler, die an die Verbraucher wei- jedoch nicht, dass jede Beihilfe unter diesem tergegeben wird. Somit ist ein lange Jahre Stichwort genehmigt werden muss. währender Streit ausgeräumt.

Ausnahmen vom geltenden Wettbewerbs- Jedoch gibt es neben dem generellen recht können dann geschaffen werden, wenn Fördersystem noch weitere Maßnahmen zur übergeordnete Ziele verfolgt werden. Der Förderung Erneuerbarer Energien. So wurde Umweltschutz berührt normalerweise gleich in Deutschland beispielsweise das 100.000 zwei übergeordnete Interessen, das Verur- Dächerprogramm für Solarenergie aufge- sacherprinzip und die nachhaltige Ent- legt, in Österreich erhalten kleine Wasser- wicklung. Aber: Keine Ausnahme in der kraftwerke Investitionszuschüssen, in Schwe- Union ohne klare Regelung: Für den Bereich den übernimmt der Staat Beteiligungen an Umweltschutz hat die Kommission daher Biomassekraftwerken. den „Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen“ erlassen. Dieser gibt Der Gemeinschaftsrahmen sieht im Bereich vor, welche Maßnahmen staatlicher Förde- der Erneuerbaren Energien drei beihilfepoli- rung erlaubt sind. tische Optionen vor :

12 Rechtssache C-379/98

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Die erste Möglichkeit ist eine Beihilfe, die Diese Mechanismen werden von der Kom- die Differenz zwischen den Kosten für die mission grundsätzlich für zehn Jahre geneh- Energieerzeugung aus Erneuerbaren Ener- migt. Danach findet eine Überprüfung statt, gien und ihrem Marktpreis auszugleichen ob diese Beihilfe für die Verbesserung der sucht. Grundsätzlich dürfen diese Betriebs- Wettbewerbsfähigkeit noch weiter notwen- beihilfen nur gewährt werden, um die dig ist. Abschreibung der Anlagen zu gewährlei- sten. Allerdings kann durch die Beihilfe auch Die dritte Möglichkeit ist eine Betriebs- eine angemessene Kapitalrendite gedeckt beihilfe, die auf der Grundlage der vermie- werden, wenn die Mitgliedsstaaten nachwei- denen externen Kosten berechnet wird. sen können, dass dies insbesondere wegen Diese Kosten sind die Umweltkosten, die die der geringen Wettbewerbsfähigkeit be- Gesellschaft hätte tragen müssen, wenn die stimmter Erneuerbarer Energieträger uner- gleiche Energiemenge mit konventionellen lässlich ist. Energieträgern erzeugt worden wäre. Die Staatliche För- Kommission hat mit der Anerkennung des derung hilft der Prinzips der vermiedenen Umweltkosten Akzeptanz der einen wesentlichen Schritt nach vorne Erneuerbaren gemacht. Um die Kosten zu berechnen, Energien bei den Bürgern muss der beantragende Mitgliedsstaat eine auf die Beine. international anerkannte und der Kom- In Deutschland mission mitgeteilte Berechnungsmethode wirbt das verwenden. Der Mitgliedsstaat muss eine 100.000-Dächer- Programm für begründete und quantifizierte Analyse der die praktische Kosten im Vergleich zu einer Schätzung der Nutzung der externen Kosten konkurrierender konventio- Solarenergie. neller Energieerzeuger vorlegen, um zu zei- gen, dass die Beihilfe wirklich einen Aus- gleich für die nicht gedeckten externen Bei der Bestimmung der Höhe der Betriebs- Kosten schafft. Allerdings hat die Kommis- beihilfen müssen auch etwaige an das sion im derzeit gültigen Gemeinschafts- Unternehmen gezahlte Investitionsbeihilfen rahmen noch Einschränkungen und Bedin- beachtet werden. gungen auferlegt.

Grundsätzlich gilt: Die Fördervorschriften So darf die Beihilfe keinesfalls 5 Cent pro müssen von den Mitgliedsstaaten bei der kWh übersteigen. Ausserdem müssen Zu- Kommission angemeldet werden. schüsse, die über die Betriebsbeihilfen zum Ausgleich zwischen Erzeugungskosten und Die zweite Möglichkeit ist eine Unter- Marktpreis hinausgehen würden, obligato- stützung durch sogenannte „Marktmecha- risch von den Unternehmen reinvestiert nismen“. Dies sind grüne Zertifikate oder werden. Um sicherzustellen, dass keine Ausschreibungen, wie sie schon im Kapitel Wettbewerbsverzerrungen zwischen den über die Fördersysteme näher ausgeführt Erzeugern Erneuerbarer Energien entstehen, werden. müssen diese gleichbehandelt werden.

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6. BEDEUTUNG DER ERNEUERBAREN ENERGIEN FÜR ENTWICKLUNGSLÄNDER

Derzeit leben etwa 2 Milliarden Menschen Plan zu erfüllen. Durch ihren dezentralen auf der Erde ohne Zugang zur Energie- und netzungebundenen Charakter bieten versorgung. Dies bedeutet für diese Men- die Erneuerbaren Energien die Möglichkeit, schen nicht nur, erhebliche Nachteile im rasch Stromversorgung zu gewährleisten, täglichen Leben erdulden zu müssen. Es ohne zuvor riesige Investitionen in die nimmt ihnen auch nahezu jede Möglichkeit, Infrastruktur von Netzleitungen zu tätigen. ihren Entwicklungsstandard zu erhöhen. Besonders in den Ländern des Südens Diese Menschen leben meist in äußerster bestehen auch noch weit größere Potentiale Armut und weit unter dem Existenzmini- zur Nutzung Erneuerbarer Energien – ins- mum. besondere der Solarenergie – als in den Industriestaaten. Trotz einiger Pilotprojekte Die Europäische Union kann hier eine konnte bisher allerdings noch keine breiten- Vorreiterrolle einnehmen und ihren Teil bei- wirksame Nutzung Erneuerbarer Energie- tragen, damit sich diese Situation ändert. träger in den Entwicklungsländern erreicht werden. Im Sinne einer globalen Nach- Um diesen Menschen ein Minimum an haltigkeitsstrategie besteht für die Europäi- Energieversorgung zu gewährleisten, be- sche Union eine besondere Verpflichtung, stünde theoretisch die Möglichkeit, auf kon- den Durchbruch auf diesem Gebiet zu ventionelle Energieträger zurückzugreifen. unterstützen. Damit könnten zugleich posi- Allerdings müssen wir uns bewusst sein, tive Effekte für die ökonomischen und dass den Industrienationen gegenüber den sozialen Strukturen in den Entwicklungs- Entwicklungsländern eine besondere Ver- ländern bewirkt und mittel- bis langfristig antwortung zukommt, da sie zum größten ihre Abhängigkeit von teuren Rohstoff- Teil für den heutigen Treibhauseffekt ver- importen reduziert werden. antwortlich sind. Obwohl 80% der Welt- bevölkerung in Entwicklungsländern leben, Als durchaus erwünschter Nebeneffekt ist entfällt auf diese umgerechnet weniger als zudem mit positiven Auswirkungen auf die ein Drittel des Primärenergieverbrauchs pro Kopf, auf Afrika gar weniger als ein Zehntel. Der Energiebedarf der Entwick- lungsländer wird und soll in den nächsten Anteil an der Weltbevölkerung Jahren aber erheblich steigen. Experten 22% 78% rechnen etwa mit einer Verdopplung in den nächsten 30 Jahren13. Um einen entspre- chenden Mehrverbrauch an fossilen Ener- gieträgern – mit all seinen negativen Folgen – zu vermeiden, müssen Erneuerbare Ener- gieträger eingesetzt werden. Damit würden von Beginn an Fehler vermieden, die in den Industrieländern mit ihren überkommenen 82% 18% Energieversorgungsstrukturen gemacht Industrieländer (West und Ost) wurden.

Erneuerbare Energien sind auch geradezu Länder der ideal einsetzbar, um diesen ambitionierten Dritten Welt

13 http://www.renewabletaskforce.org/

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europäische Wirtschaft und damit den hie- wirken, dass Initiativen der Europäischen sigen Arbeitsmarkt zu rechnen. Investitionsbank, der Weltbank und anderer internationaler Finanzierungsorganisatio- Um den Ausbau Erneuerbarer Energien nen markt- und wettbewerbsfähige Anwen- zu gewährleisten, müssen mindestens drei dungen Erneuerbarer Energien durch Voraussetzungen gegeben sein: Technische Zugang zu Risikokapital erleichtern. Hilfe, finanzielle Hilfe und Hilfe zur Schaf- fung von institutionellen Rahmenbedingun- Als vorrangige Zielsetzungen gelten also : gen. eine Verbesserung der Lebensbedingun- Der Nutzung und Verbreitung Erneuerbarer gen in den Entwicklungsländern, insbe- Energien im Rahmen der Entwicklungs- sondere der ländlichen Bevölkerung, zusammenarbeit muss also ein besonderer durch eine effizientere Energieverwen- Stellenwert eingeräumt werden. dung unter Berücksichtigung der länder- spezifischen Potentiale zur Nutzung Ebenso wichtig ist es, private Investoren erneuerbarer Energien. und Anbieter von Know-How und Produk- ten verstärkt in die Entwicklungszusam- mittel- bis langfristige Reduzierung der menarbeit einzubeziehen. Es sollten Joint Abhängigkeit der meisten Entwicklungs- Ohne teuere Ventures mit Drittländern aufgebaut wer- länder von teueren Rohstoffimporten, Investitionen in den, so dass der Export von EU Techno- um damit finanzielle Mittel zur Armuts- Infrastruktur und Netzleitungen kann logien für Erneuerbare Energien erleichtert bekämpfung freizusetzen. die Bevölkerung in wird. Bestehende Programme zur Entwick- den Entwicklungs- lungszusammenarbeit sollten verstärkt auf die Beschleunigung der Marktbildung in ländern Zugang zur Projekte der Energieversorgung mit Er- Entwicklungsländern für regenerative Energieversorgung neuerbaren Energien ausgerichtet werden. Anlagen und Verbesserung des Markt- bekommen: Einsatz von Solarenergie in zuganges für kompetente europäische Kolumbien Die Europäische Union muss darauf hin- Firmen durch Entwicklungspartner- schaften mit der privaten Wirtschaft in den Entwicklungsländern.

die Förderung des Aufbaus eigenständi- ger und dezentralisierter Energieversor- gungsstrukturen in den Entwicklungs- ländern

eine nachhaltigere Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen in Entwick- lungsländern (u.a. Waldressourcen).

Dies zu erreichen ist nicht einfach und wird einiges an Überzeugungsarbeit kosten. Alleine die positiven Effekte auf unsere eige- nen Lebensumstände würden aber ausrei- chend Argumente für einen verstärkten Einsatz der Union liefern.

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7. DER EINSATZ VON BIOTREIBSTOFFEN IM VERKEHRSBEREICH

Die erdrückende Abhängigkeit des Ver- Treibstoffverbrauchs in der Union wird kehrssektors vom Erdöl spielt bei dem durch Biotreibstoffe gedeckt. Vorreiter Anstieg der Erdöleinfuhren, die bis zum dabei ist Frankreich mit dem größten Jahr 2030 90% betragen dürften, eine Einsatzvolumen. Dahinter kommen Deutsch- wesentliche Rolle. Zudem ist der Verkehrs- land und Italien. Insgesamt nutzen aber nur sektor einer der Hauptverursacher von CO2 sechs Mitgliedsstaaten überhaupt Biotreib- Emissionen. Wichtigster Faktor dabei ist stoffe im erwähnenswerten Bereich. Dazu der Straßenverkehr; dieser verursacht etwa gehören neben den genannten noch 85% der Emissionen im Verkehrssektor. Spanien, Schweden und Österreich. Daher finden sich im Verkehrssektor geballt viele der Herausforderungen, denen sich die Die Europäische Kommission hat deshalb Union stellen muss, will sie ihre Ziele in im Dezember 2001 mehrere Vorschläge zum puncto Treibhausgasemissionen und siche- Erreichen der Grünbuchziele vorgelegt. re alternative Energieversorgung erreichen. Außerdem gibt es das selbstgesteckte Ziel Die Vorschläge bestehen aus einem Aktions- aus dem Grünbuch zur Energieversor- plan zur Förderung von Bio- und Alternativ- gungssicherheit, bis zum Jahr 2020 minde- treibstoffen, einem Richtlinienvorschlag zur stens 20% traditioneller Treibstoffe durch Förderung der Treibstoffe mit gesetzlichen Biotreibstoffe zu ersetzen. Rahmenbedingungen und technischen De- tails zur Durchführung und einem Richt- Biokraft- und -heizstoffe sind Kraft- und linienvorschlag zu steuerlichen Maßnah- Heizstoffe, die als Ersatz für herkömmliche men in diesem Bereich. Kraft- und Heizstoffe oder als Beimischung zu diesen verwendet werden können und Wichtiger Punkt dabei sind abgestufte durch die Verarbeitung biologischer Aus- Zielvorgaben, die von den Mitgliedsstaaten gangsstoffe (z. B. Pflanzenöle, Zuckerrüben, einzuhalten sind. Bis 2005 sollen demnach Weizen, andere Pflanzen und organische 2,75% ersetzt sein, 2010 bereits 5,75%. Abfälle) hergestellt werden. Voraussetzungen und Aufgaben die berück- Die Kommission, das Parlament und der sichtigt werden müssen sind : Rat haben sich seit langem für die Entwick- lung der Biokraft- und -heizstoffe, einge- Die mit Biotreibstoffen betankten Fahr- setzt. Auch in der Mitteilung „Nachhaltige zeuge sollten wettbewerbsfähig werden. Entwicklung in Europa für eine bessere Welt: Strategie der Europäischen Union für Flächendeckende Tankmöglichkeiten müs- die nachhaltige Entwicklung“ für die sen gegeben sein, besonders für den Tagung des Europäischen Rates in Göte- Lastverkehr. borg im Juni 2001 wurde die wichtige Rolle der Biokraft- und -heizstoffe für die Bestehende Sicherheitsstandards und Bewältigung des Klimawandels und für die Qualitäten müssen gewahrt werden. Entwicklung sauberer Energien nochmals hervorgehoben. Teilweise sind diese Voraussetzungen leicht zu erfüllen. Biotreibstoffe können grund- Obwohl das Potential enorm ist, spielen die sätzlich den herkömmlichen Treibstoffen Biotreibstoffe derzeit allerdings eine unter- beigemischt werden, ohne das es zu Qua- geordnete Rolle. Etwa 0,3% des gesamten litäts- oder Sicherheitsverlusten kommt.

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Dies bedeutet natürlich auch, dass keine Das Preisproblem bleibt dennoch bestehen. grösseren Investitionen in die Infrastruktur Biotreibstoffe sind teurer als herkömmliche getätigt werden müssen. Das vorhandene Treibstoffe, also Öl. Allerdings ist bei erhöh- Tankstellennetz kann vollständig genutzt ter Marktdurchdringung nicht nur ein auto- werden. Auch die Fahrzeuge müssen nicht matisches Fallen des Preises zu erwarten, umgerüstet werden. Bioethanol kann dabei sondern vielmehr sind auch die positiven zu etwa 15% beigemischt werden, Biodiesel Effekte in Hinblick auf die Umwelt und zu etwa 5%. Wenn man die Motoren noch Chancen für die ländliche Entwicklung in anpasst oder von Beginn an entsprechend den Preis einzubeziehen. So würde nach konstruiert, kann herkömmlicher Treibstoff Schätzungen eine Erhöhung des Biotreib- auch zu 100% ersetzt werden. stoffanteils um 1% zwischen 45000 und 75000 neue Beschäftigungsverhältnisse in Da Biotreibstoffe normalerweise zu 100% ländlichen Gebieten zur Folge haben. einheimische Treibstoffe sind, wird auch das Problem der Importabhängigkeit verrin- In diesem Zusammenhang wurde betont, gert. Der direkte Kostenvorteil im Hinblick welche Schlüsselrolle steuerlichen Instru- auf die Importabhängigkeit wird von der menten für das Erreichen der mengen- Kommission so eingeschätzt: Ersetzt man mäßigen Ziele zukommt, da durch sie die etwa 2% Dieseltreibstoffe durch Biotreib- Preisdifferenz zwischen Biokraftstoffen und stoffe, entspäche dies etwa einem Rückgang konkurrierenden Erzeugnissen verringert des Ölpreises um 1%. wird. Dies kann einerseits durch Steuer- verringerungen oder -be- freiungen für Biotreib- stoffe erfolgen, oder durch eine höhere Besteuerung herkömmlicher Treib- stoffe, etwa durch eine Ökosteuer.

Biotreibstoff ist exportunab- hängig, umweltfreundlich, schafft Arbeitsplätze im ländli- chen Bereich und wächst Jahr für Jahr nach. Raps ist ein ergie- biger Ersatz für Dieselkraftstoff: Rapsfeld bei Nürnberg

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8. ENERGIEWENDE DURCH STEUERREFORM

Das Konzept eines ökologischen Steuer- Schweden begann bereits Anfang der neun- modells ist simpel: Der knappe Rohstoff ziger Jahre mit der Einführung zahlreicher Energie wird teuerer, der reichlich vorhan- Umweltabgaben. Ihr wichtigster Pfeiler ist dene „Rohstoff“ Arbeit wird billiger. Ausge- die Energie- und Kohlendioxidsteuer. Das nommen sind Erneuerbare Energieträger. Aufkommen aus dieser Abgabe wird an die privaten Haushalte durch eine Senkung der Das klassische ökologische Steuermodell Einkommenssteuer zurückgegeben, die Un- sieht also wie folgt aus: Über einen be- ternehmen profitieren von einer Senkung stimmten Zeitraum werden Steuern auf den der Sozialversicherungsbeiträge. Für In- Verbrauch von Rohstoffen und Energie in landsflüge erhebt Schweden seit 1989 nach jährlich gleichbleibenden Schritten erhoben Flugzeugtypen differenzierte Abgaben auf und erhöht. Die staatlichen Mehreinnah- Stickoxid, Kohlendioxid und Kohlenwasser- men werden in Form sinkender Sozial- stoffe. Als Reaktion hat die nationale Flug- abgaben oder Steuern an die Verbraucher gesellschaft (SAS) mit technischen Ände- und die Industrie zurückgegeben, bzw. für rungen ihren Ausstoß von Kohlenwas- die Unterstützung ökologischer Projekte serstoffen um 90% verringert. Kombiniert verwendet. Durch höhere Preise wird die wird die Ökosteuer insgesamt mit positiven Wirtschaft motiviert, energiesparende Pro- finanziellen Anreizen: Wer seinen Ausstoß dukte zu entwickeln – etwa das Drei-Liter- von Schwefeldioxid entscheidend verrin- Auto. Auch das Handwerk profitiert: Zum gert, kann von der Abgabe befreit werden. Beispiel dadurch, dass Wohnungen und Häuser wärmedämmend umgerüstet wer- Der Einstieg in eine ökologische Steuer- den. Die Ökosteuer steigt langsam und plan- reform hat Dänemark seit 1992 zu einem bar an, so dass die Wirtschaft Zeit hat, ener- Vorreiter fortschrittlicher Umweltschutz- giesparende Fertigungsmethoden einzu- politik gemacht. Kernpunkt des Konzeptes führen. Energieintensive Branchen (z. B. ist auch hier eine stufenweise Erhöhung Stahlindustrie) zahlen zunächst nur einen und Einführung neuer Abgaben auf begren- gestaffelten Steuersatz. Außerdem profitiert zte Ressourcen wie Öl, Gas oder Kohle. Die die Wirtschaft, weil Lohnnebenkosten für Ernsthaftigkeit der Steuerreform lässt sich Arbeitgeber und Beschäftigte gleicher- an den Strukturänderungen innerhalb des maßen gesenkt werden können. Steueraufkommens ablesen: Nach Berech- nungen des dänischen Finanzministeriums Derzeit haben neun europäische Staaten sank der Anteil der Einkommenssteuer am eine nationale Kohlendioxid- oder Energie- Staatshaushalt von 37% in 1993 auf 30% in steuer eingeführt. Drei Länder – Dänemark, 2000, der Anteil der Umweltabgaben stieg die Niederlande und Schweden – setzen im gleichen Zeitraum von 10% auf 16%. Die dabei auf ein weitreichendes ökologisches Industrie wurde am Anfang weitgehend von Steuersystem. den Abgaben ausgenommen – völlig befreit werden heute noch die Unternehmen, die Deutschland hat den endgültigen Weg noch Energieeinsparmaßnahmen in erheblichem nicht gefunden, aber den Anfang bereits Masse ergreifen. gemacht. So unterschiedlich die Steuer- systeme auch sind, zwei Dinge zeigen sich: Die Einnahmen aus der Kohlendioxid- die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft Steuer werden zur Förderung von Energie- wird nicht eingeschränkt, und der sparmaßnahmen in der Wirtschaft (z.B. Energieverbrauch geht zurück. Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung) und

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zur Verminderung der Sozialbeiträge einge- Diese Beispiele verdeutlichen, dass eine setzt. Zudem sind die Preise für öffentliche Energiesteuer, eingebettet in ein ökologi- Verkehrsmittel durch staatliche Bezuschus- sches Steuerreformkonzept, keineswegs den sung um über 10% gesenkt worden. wirtschaftlichen Untergang bedeuten muss. Im Gegenteil, Wachstum kann damit an- Statt der Abwanderung der Industrie in gestoßen und Rohstoffe können eingespart andere Länder, wie dies oft prophezeit wird, werden . Wenn sich die Europäische Union verzeichnet Dänemark eine der höchsten endlich auf ein europaweites Konzept eini- Wachstumsraten in ganz Europa. Mit der gen könnte, würden auch mögliche Wettbe- Umweltabgabe wurden neue Exportchan- werbsverzerrungen zwischen den Mitglieds- cen für Unternehmen um Umweltbereich ländern, die ein unterschiedliches Energie- angestoßen. Die Windenergie-Industrie ist steueraufkommen haben, vermieden. Eine heute eine der wichtigsten Exportbranchen Chance für die Umwelt und eine Chance für Dänemarks. die Europäische Wirtschaft.

Einnahmen aus Steuern auf Energie und Verkehr am Gesamt- aufkommen aus Steuern und Sozialabgaben in % (1997) Energie Verkehr Energie u. Verkehr Belgien 3,5 1,9 5,4 Dänemark 4,5 4,3 8,8 Deutschland 4,4 1,0 5,4 Griechenland 8,1 1,1 9,2 Spanien 5,3 0,6 5,9 Frankreich 4,3 0,5 4,8 Irland 4,9 3,9 8,8 Italien 7,2 1,1 8,3 Luxemburg 7,2 0,3 7,5 Niederlande 4,4 3,3 7,7 Österreich 3,7 1,5 5,2 Portugal 7,2 2,5 9,7 Finnland 4,8 2,2 7,0 Schweden 5,2 0,7 5,9 Verein. Königreich 6,3 1,6 7,9 EU 15 5,2 1,3 6,5

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9. FAZIT: WAS IST NOCH ZU TUN?

Um eine Wende von den erschöpfbaren zu Beschluss und Umsetzung der Gebäude- den Erneuerbaren Energien und von der richtlinie umweltbelastenden zur nachhaltigen Ener- gienutzung zu erreichen, sind viele Schritte Beschluss und Umsetzung einer Richt- eingeleitet worden. Ganz wesentlich ist hier linie zur Förderung von Biotreibstoffen die Fortsetzung und die Kontrolle der begonnenen Maßnahmen. Förderung der Wasserstofftechnologie als Speichermedium und der Brennstoff- Ganz oben auf der Agenda stehen für die zelle zur dezentralen Energienutzung Sozialdemokraten im Europäischen Parla- ment: Angemessene Fördergelder im Bereich der Forschung, insbesondere im Euro- Einführung einer europäischen Energie- päischen Forschungsrahmenprogramm steuer zur angemessenen Belastung kon- ventioneller Energien Fortsetzung und Intensivierung von Infor- mations- und Weiterbildungskampagnen Schaffung eines europäischen Vertrages zur Förderung Erneuerbarer Energien Entwicklung neuer Anreizprogramme, wie das vom Europäischen Parlament Installierung geeigneter Fördersysteme geforderte „Goldene Sonnen“-Logo für für Erneuerbare Energien in den Mit- Tourismusgebiete mit hohem Anteil an gliedsstaaten der EU Erneuerbaren Energien

Überprüfung der Zielerreichung in den Neue Initiativen und Maßnahmen für Mitgliedsstaaten (insgesamt 12% Erneu- Erneuerbare Energien im Bereich der erbare Energien in der EU bis 2010) Entwicklungszusammenarbeit

Gewährleistung eines diskriminierungs- Eine besondere Herausforderung wird freien Zuganges aller Erneuerbarer bei all diesen Punkten die Einbeziehung Energieträger zu den Energienetzen der zukünftigen Staaten der EU darstellen.

Erhöhung der nationalen und europäi- Die Arbeit, die vor der Europäischen Union schen Fördermittel für Erneuerbare auf dem Weg zur Energiewende liegt, ist Energien also beträchtlich. Mit den Erfolgen der vergangenen Jahre im Rücken und dem Schaffung eines Herkunftsnachweis für Wissen um die Notwendigkeit dieser Poli- jegliche Energieform tik für eine nachhaltige Zukunft werden diese Aufgaben aber zu leisten sein. Dazu Förderung von effizienten Energiesyste- wollen die Sozialdemokraten in der Eu- men wie der Kraft-Wärmekopplung und ropäischen Union und insbesondere im moderner Gaskraftwerke für den Übergang Europäischen Parlament weiter maßgeblich vom Kohlenstoff- zum Solarzeitalter beitragen.

51 ZULETZT IN DIESER REIHE ERSCHIENEN:

Über Nizza hinaus Herausforderungen und Perspektiven für die Verfassung der erweiterten Europäischen Union

von Klaus Hänsch MdEP

Europa bildet sich EU-Fördermöglichkeiten im Jugend- und Bildungsbereich

von Lissy Gröner MdEP

Europa fördert EU-Fördermöglichkeiten

von MdEP

Unser Geld – unser Euro Der Euro ist mehr als nur neues Geld

von Christa Randzio-Plath MdEP

Im Mittelpunkt der Mensch Lösungsansätze für die Daseinsvorsorge in der Europäischen Union

von MdEP

Verkehr und Umwelt Strategien für ein nachhaltiges Verkehrssystem in Europa

von MdEP, Willi Piecyk MdEP, MdEP

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