CSU-LG – 9. WP Landesgruppensitzung: 22. 6. 1981

22. Juni 1981: Sitzung der Landesgruppe

ACSP, LG 1981: 10. Überschrift: » Protokoll der 14. Sitzung der CSU-Landesgruppe am 22. Juni 1981«. Zeit: 20.00–22.50 Uhr. Vorsitz: Zimmermann.

Anwesend: Biehle, Bötsch, Brunner, Engelsberger, Fellner, Geiger, Glos, Götz, Handlos, Hartmann, Hinsken, Höffkes, Höpfinger, Graf Huyn, Jobst, Keller, Kiechle, Kraus, Krone- Appuhn, Kunz, Lemmrich, Linsmeier, Lintner, Lowack, Niegel, Probst, Regenspurger, Riedl, Röhner, Rose, Rossmanith, Sauter, Seehofer, Spranger, Schneider, Voss, Waigel, Warnke, Wittmann, Zimmermann.

Sitzungsverlauf: A. Bericht des Landesgruppenvorsitzenden Zimmermann über den Zustand der sozial- liberalen Koalition, das Verhältnis zur CDU, den Wahlsieg der Sozialisten in Frankreich, die Lage in Polen, die politischen Verhältnisse in und die Frage der Diätenerhö- hung. B. Erläuterungen des Parlamentarischen Geschäftsführers Röhner zum Plenum der Woche. C. Allgemeine Aussprache mit besonderer Berücksichtigung der Frage der Diätenerhö- hung.

[A.] Bericht des Vorsitzenden Dr. Zimmermann verweist auf die letzte Sitzungswoche vor der Sommerpause. Er gra- tuliert Alois Rainer zum 60. und Lorenz Niegel zum 48. Geburtstag. Er begrüßt in be- sonderer Weise Otto von Habsburg1. Er kündigt das spätere Eintreffen von MdB Dol- linger an, der über die Ereignisse des Hamburger Kirchentages berichten soll. Dr. Zimmermann berichtet sodann von der CSU-Landesvorstandssitzung vom glei- chen Tage. Franz Josef Strauß habe dort einen einstündigen Lagebericht gegeben. Das dort vorliegende Medienpapier sei heftig kritisiert worden. Die medienpolitische Dis- kussion beginne jetzt nach jahrelangem Stillstand in eine neue Phase einzutreten. Zur weiteren Beratung wird am 6.11. eine Dreierkommission (Huber2, Oswald3, Klein) zu- sammentreten. Die innenpolitische Lage bezeichnet Dr. Zimmermann als wenig ermutigend. Er hält es für nützlich, daß sich die Landesgruppe in engstem Kreis vor der achtwöchigen Som- merpause am 5.–6. Juli noch einmal zu einer Klausurtagung zusammenfindet. Hier soll in Bischofsmais ausführlich die Situation analysiert und die Strategie für die Zukunft festgelegt werden. Die politische Lage ist gegenwärtig paradox: Die Koalition befindet sich in einem deso- laten Zustand, die SPD ist unheilbar zerrüttet und auch die jüngsten Ereignisse in Hamburg und Hessen vermögen hieran nichts zu ändern. Die CDU stellt in Berlin nach langer Zeit erstmals den Regierenden Bürgermeister4 und doch vermögen die dor-

1 Otto von Habsburg, Md Europäisches Parlament (CSU). 2 Herbert Huber, MdL Bayern (CSU). 3 Eduard Oswald, MdL Bayern (CSU). 4 Richard von Weizsäcker (CDU).

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tigen Erklärungen zum Thema Ausländer und Hausbesetzer wenig zu ermutigen. Im Vermittlungsausschuß haben wir jetzt sogar die Mehrheit, was aber nicht nur als Vor- teil anzusehen ist. Das politische Engagement draußen im Land ist gegenwärtig flau. Es finden kaum Ver- sammlungen statt und dem Normalbürger fehlt das Verständnis dafür, daß diese Regie- rung sich immer noch an der Macht hält. Besonders wohlmeinende Freunde beglück- wünschen die Abgeordneten dazu, daß sie gegenwärtig nicht in der Regierungsverant- wortung sein müssen. Alles weist darauf hin, daß das Problembewußtsein in der Bevöl- kerung noch weitgehend unterentwickelt ist. Wir sollten es uns nach Möglichkeit ersparen, noch einmal ein Wochenende wie das letzte erleben zu müssen, wo beispielsweise MdB Dregger5 der Regierung wirtschafts- und verteidigungspolitische Unterstützung zusagte, und wo Helmut Kohl6 nicht ein- mal mehr das Kindergeld für tabu erklären wollte, wenn es um Haushaltskürzungen geht. Es sollte sich in der gegenwärtigen Situation von selber verbieten, daß die Union in der Finanzpolitik gegenwärtig irgendwelche präjudizierenden Äußerungen macht. Gegenwärtig ist es einzig an der Regierungskoalition und der Bundesregierung ein- schneidende Sparbeschlüsse vorzulegen und hierum wird intern im Augenblick hart gerungen. Erschwerend kommt hinzu, daß aus der Wirtschaft für die Sommermonate steigende Arbeitslosenzahlen signalisiert werden. Zwischen der CDU und CSU ist seit dem 5. Oktober7 der große Friede ausgebrochen. Und dies liegt sicher ganz im Sinne von . Daraus ergibt sich für die CSU- Landesgruppe partiell die Gefahr des Identitätsverlustes. Und in der Tat ergeben sich auch für die CSU-Landesgruppe Profilierungsschwierigkeiten. Hierüber sollte auf der Klausurtagung gesprochen werden und jeder sollte sich dazu Gedanken machen. Dr. Zimmermann bittet noch einmal nachdrücklich alle Abgeordneten, sich an dieser Klau- surtagung zu beteiligen. In der Außenpolitik standen die französischen Wahlergebnisse im Vordergrund des In- teresses. Dabei muß der entscheidende Grund für den totalen politischen Umschwung im französischen Mehrheitswahlrecht gesehen werden. Nur hierdurch wurde es mög- lich, daß die Sozialisten trotz geringer Stimmengewinne – bei allerdings beträchtlichen Stimmenthaltungen im bürgerlichen Lager – eine solche Mehrheit erreichen konnten. Die Garde der Frankreich-Kenner hat sich in ihren Prognosen erheblich getäuscht. Auch Chiracs8 Spekulationen, die Angst der Franzosen vor einer linken Mehrheit ne- ben einem linken Präsidenten werde das Pendel bei den Wahlen zurückschlagen lassen, ist gründlich daneben gegangen. Aber auch die Zahl der kommunistischen Abgeordne- ten hat sich halbiert und Mitterrand9 hat ihnen Koalitionsbedingungen gestellt, die kaum ohne Demütigung für Marchais10 hinnehmbar sind. Dr. Zimmermann ist sich mit Franz Josef Strauß im Urteil einig, daß das französische Wahlergebnis keine nen- nenswerten außenpolitischen Konsequenzen haben wird. Wenn die Sozialisten aller- dings in der Innenpolitik das Tempo vorlegen sollten, wie es die SPD 1969 getan hat,

5 , MdB (CDU), stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. 6 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Bundesvorsitzender der CDU. 7 Bundestagswahl. 8 Jacques Chirac, Oberbürgermeister von Paris, Kandidat der Sammlungsbewegung für die Republik (RPR) bei den französischen Präsidentschaftswahlen im April 1981. 9 François Mitterrand, Staatspräsident Frankreichs seit Mai 1981, Vorsitzender der Sozialistischen Par- tei. 10 Georges Marchais, Vorsitzender der Kommunistischen Partei Frankreichs.

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werden ihnen keine 12 Jahre zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung dürfte deshalb keine allzu große Freude an diesem Wahlergebnis haben. Die erneute Verschärfung der Lage um Polen gibt all denen Unrecht, die meinten, die Wogen würden sich mit der Zeit glätten. Sowohl Franz Josef Strauß als auch Dr. Zim- mermann haben sich vergeblich um ein Visum nach Polen bemüht. Dabei hat man sich nicht einmal getraut, ihnen dieses Begehren offen abzuschlagen, sondern in Telefonaten gegenüber den Referenten faule Ausreden vorgetragen. Breschnew11 weiß vermutlich heute selber noch nicht, was er tun soll. Es ist unerträglich, in welcher Weise sich führende SPD-Politiker um Kontakte mit Moskau bemühen. Was Bahr12 in Moskau über die Raketenrüstung zum Besten gege- ben hat, ist wahrlich bemerkenswert und dürfte mit Brandts13 Auffassung überein- stimmen. Hier werden die westlichen Positionen systematisch untergraben. Und das obwohl die Russen seit dem Amtsantritt Reagans14 gesprächsbereit im Sinne echter Verhandlungen sind wie nie zuvor. Denn die Sowjetunion ist in ihrer Außenpolitik immer realistisch und berechenbar gewesen. Diese gespenstischen Auftritte von SPD-Politikern in Moskau prägen übrigens Dr. Zimmermanns Erinnerung an den 40. Jahrestag der Kriegsauseinandersetzungen mit der Sowjetunion. Hier wird den Polen wieder einmal auf makabre Weise gezeigt, wie sehr sich doch Geschichte wiederholen kann. Der neue Berliner Bürgermeister Weizsäcker hat Dr. Zimmermann auf seine mehrfa- chen Berlin-Erklärungen angesprochen, sie ihm gegenüber hintergründig interpretiert und daran die Frage angeschlossen, ob Dr. Zimmermann diese Erklärungen in Zukunft nicht mit ihm abstimmen könne. Dr. Zimmermann hat dies lakonisch verneint und er- neut darauf hingewiesen, daß ihm bei der Beurteilung der Berliner Situation in keiner Weise wohl ist: Eine Parlamentsauflösung kann die CDU allein nicht beschließen, und auch ein Volksbegehren wird so schnell nicht wieder in die Wege zu leiten sein. Wenn aber erst ein halbes Jahr ohne politischen Erfolg ins Land gegangen ist, wird der CDU- Bonus verspielt sein. Dr. Zimmermann kann deshalb nur davor warnen, sich ständig von Zufallsabstimmungsergebnissen abhängig zu machen. Hier wird sich deshalb zei- gen müssen, ob die FDP zur konstruktiven Zusammenarbeit bereit ist, bzw. durch Übertritte einzelner FDP-Abgeordneter eine Mehrheit zustande kommt. Dr. Zimmermann kommt abschließend auf das Thema Diätenerhöhung zu sprechen. Hier hat in Anwesenheit des Bundestagspräsidenten ein Gespräch mit [den]15 Frakti- onsvorsitzenden stattgefunden, dessen Verlauf und Ergebnis Dr. Zimmermann als nie- derschmetternd empfunden hat. Wehner16 habe sich hierbei an keinerlei Zusagen erin- nern können, er ist einfach schweigend weggetaucht. Auch von der FDP war nichts zu erreichen, obwohl Dr. Zimmermann auf Mischnick17 eingeredet hat wie auf einen Esel. Er habe nach einer 3/4-Stunde dieses Rituals gehen wollen und an Wehner die Frage gerichtet, ob es seine Absicht sei, die Abgeordneten auf diese Weise um ihre Unabhän- gigkeit zu bringen. Wehner und Mischnick haben sich dann verpflichtet, ab 1.1.1982 ei-

11 Leonid Breschnew, Staats- und Parteichef der UdSSR. 12 , 1976–1981 Bundesgeschäftsführer der SPD, MdB. 13 , Parteivorsitzender der SPD, MdB. 14 Ronald Reagan, seit Januar 1981 Präsident der USA (Republikanische Partei). 15 Im Original: »dem«. 16 , Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. 17 Wolfgang Mischnick, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion.

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ner Diätenerhöhung um 400 DM zuzustimmen, allerdings erst dann, wenn der Haus- halt 1982 vorliegt. Bundestagspräsident Stücklen habe bisher davon abgesehen den Diäten-Bericht vorzu- legen. Dies wolle er jetzt nachholen, was Dr. Zimmermann begrüßen würde. Dies wür- de erheblich zur Klärung der Verhältnisse beitragen und gegenüber der Öffentlichkeit Druck abbauen. Dr. Zimmermann fragt, ob es in den anderen Fraktionen wirklich Ab- geordnete gibt, die einen Gruppenantrag auch tatsächlich unterschreiben würden. Dies sollten die Abgeordneten der Landesgruppe einmal feststellen. (Dr. Riedl wirft ein, daß die von Wehner für 1982 in Aussicht gestellte Diätenerhöhung in dieser Form gar nicht praktikabel sei.)

[B.] Paul Röhner spricht zum Plenum der Woche und gibt einen Bericht aus dem Frakti- onsvorstand. Er verweist darauf, daß die Plenarsitzungen Mittwoch nach der Frage- stunde beginnen. Dabei gibt es am Mittwoch um 14.30 Uhr möglicherweise eine Aktu- elle Stunde zu den Postgebührenerhöhungen. Anschließend ist dann eine Geschäfts- ordnungsdebatte vorgesehen, weil sich die Koalition geweigert hat, unseren Antrag zur Wohnungsbauförderung zu behandeln. Er bittet deshalb um höchstmögliche Präsenz. Am Donnerstag um 15.30 Uhr erfolgt dann die zweite und dritte Lesung über die 7. BAföG-Änderungsnovelle, wobei zugleich die Änderungsanträge zur Abstimmung ge- stellt werden. Hier ist zumindest in einem Fall eine namentliche Abstimmung vorgese- hen. Namentliche Abstimmung gibt es ebenfalls im Falle der Zurückweisung des Straf- rechtsänderungsgesetzes durch den Bundesrat. Hier wurde eine namentliche Abstim- mung deshalb beantragt, weil hierzu die Kanzlermehrheit erforderlich ist. Die Abge- ordneten sollen sich am Donnerstag zwischen 16.45 und 17.30 Uhr auf diese Abstim- mungen einstellen. Das Bundesbesoldungsanpassungsgesetz soll rückwirkend ab 1.5. in Kraft treten. Hier besteht die Möglichkeit das Diätengesetz als Artikelgesetz anzuhängen, was den Vorteil hätte, daß die Diätenerhöhungen jährlich angepasst werden könnten. Dies sollte von den Fraktionsvorsitzenden im Innenausschuß vorgeschlagen werden. Andernfalls bleibt nur noch die Möglichkeit eines interfraktionellen Gruppenantrages. Im Fraktionsvorstand ist eine fünfköpfige Kommission unter Leitung von Walther Leisler Kiep18 beschlossen worden, die sich mit Fragen des Haushaltes 1982 befassen soll. Von der CSU wurden hierzu MdB Riedl und MdB Waigel benannt. Die Initiative zur Erhöhung der Kilometer-Pauschale ist auf die Zeit nach der Sommerpause zurück- gestellt worden. Auch das Gesetz für sogenannte friedfertige Demonstrationen wird noch beraten. Am Dienstag um 14.30 Uhr wird die CDU ohne die CSU in Wahlen die Nachfolge von Blüm und Kunz beschließen.19 Hierzu sind einerseits Müller-Remscheid und Franke20

18 MdB (CDU), stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. 19 Die CDU-Abgeordnete Norbert Blüm und Gerhard Kunz legten am 15. Juni 1981 ihr Bundestags- mandat nieder, da beide Positionen im Senat des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Richard von Weizsäcker, übernahmen, Blüm als Senator für Bundesangelegenheiten und Bevollmächtigter des Landes Berlin beim Bund und Kunz als Senator für Finanzen. Blüm war stellvertretender Fraktions- vorsitzender, Kunz Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion. Nachfolger Blüms wurde Adolf Müller (Remscheid), Nachfolger von Kunz Wolfgang Schäuble. Vgl. DATENHANDBUCH, Bd. 1, S. 954.

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und andererseits Schäuble als Kandidaten vorgesehen. Um 15.00 Uhr wird dann die CDU/CSU-Fraktion gemeinsam den Nachfolger von Pieroth wählen, wofür im Au- genblick MdB Köhler zur Verfügung steht.21 Über die Nachfolge des Obmannes ist noch nichts entschieden worden. Die Berlin-Sitzung wird in der ersten oder zweiten Sitzungswoche stattfinden, was da- von abhängt, wann der Bundeshaushalt 1982 eingebracht wird. Wenn der Haushalt nicht eingebracht wird, findet die Sitzung am 14./15.9. statt. Die Sitzungen beginnen dann um 13.00 Uhr. Am Dienstag um 9.00 Uhr wären die Arbeitskreise, um 10.00 Uhr tagt die Gesamtfraktion und für 13.00 Uhr wäre die Rückreise vorgesehen. Paul Röhner teilt mit, daß bezüglich der jetzt verteilten Zeitpläne 1982 Einwände bis Ende August vorgetragen werden sollten. Dies wäre aber kaum möglich, weil die Län- dertermine, insbesondere dort wo Landtagswahlen stattfinden, noch gar nicht festste- hen. Er verweist darauf, daß er heute im Schnellverfahren die Anträge für den CSU- Parteitag verteilt habe. Zu den meisten dieser Anträge sollte aus der Sicht der Landes- gruppe Stellung genommen werden. Dazu muß das endgültige Papier Ende der Woche vorliegen. Paul Röhner wirbt abschließend noch einmal für die Tagung in Bischofsmais. Er verweist auf die etwas schwierigen Anfahrtswege stellt dafür aber eine sehr schöne Unterkunft in Aussicht.

[C.] Graf Huyn: In Arbeitskreis IV22 sind kurz- und langfristige Probleme angesprochen worden. Heute sei ein entwicklungspolitisches Papier verabschiedet worden. Zugleich sei eine Kleine Anfrage zum Erdgasgeschäft als Entwurf erarbeitet worden, für den Fall, daß dieses Thema in der Sommerpause akut wird. In Frankreich habe sich das Mehrheitswahlrecht doppelstufig ausgewirkt, obwohl die Sozialisten weniger Stimmen als 1978 bekommen haben, was aber durch die 30prozentige Wahlenthaltung insgesamt überkompensiert worden ist. Die Jungwähler hätten in ihrer Mehrheit rechts gewählt. Es wäre auch keine Wahl einer ideologischen Linken gewesen. Vielmehr sei hier die Antipathie gegenüber Giscard zum Ausdruck gekommen. In der Vergangenheit habe keine sozialistische Regierung länger als 2 Jahre gehalten. – Er habe die Polenkrise ge- gen die Unkenrufe der SPD vorausgesagt. Im Falle einer Intervention sollte der Bun- destag zu einer Sondersitzung zusammentreten. MdB Niegel: Er hat den Kalender erst flüchtig durchgesehen und festgestellt, daß am Osterdienstag23 praktisch eine Sitzungswoche beginnen soll. Dies wäre wegen der Osterferien unmöglich. Er habe ohnehin den Eindruck, daß der Kalender nach den terminlichen Erfordernissen nordrhein-westfälischer Referenten gestaltet worden ist. MdB Spranger weist darauf hin, daß die Diätenfrage seit Mai 1980 mit der Haushalts- gruppe und dem Präsidium vorbesprochen worden ist. Dabei habe er bei Dr. Zimmer-

20 Heinrich Franke, MdB (CDU), Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU- Bundestagsfraktion. 21 Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Arbeitsgruppe Entwicklungspolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Elmar Pieroth, schied am 16. Juli 1981 aus dem aus, da er Senator für Wirtschaft und Verkehr in Berlin wurde. Nachfolger als Arbeitsgruppenvorsitzender wurde der CDU-Abgeordnete Volkmar Köhler. Vgl. DATENHANDBUCH, Bd. 1, S. 992. 22 Außenpolitik, Verteidigung, Entwicklungshilfepolitik, Europa, innerdeutsche Beziehungen und Ber- lin-Fragen. 23 13. April 1982.

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mann und Paul Röhner immer Unterstützung gefunden. Wenn die Dinge jetzt nicht im 81er Haushalt geregelt werden, wird nichts mehr gehen. Die Dinge müssen entweder jetzt geregelt werden oder in der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause; auf kei- nen Fall darf der 82er Haushalt vorliegen. Er bedauert, daß der Diätenbericht des Bun- destagspräsidenten noch nicht vorliegt. Mittwoch soll nun der Innenausschuß in dieser Frage die Federführung übernehmen. Er habe sich davor nie gedrückt, wolle jetzt aber nicht unter Erfolgszwang gesetzt werden. Der Versuch einer Ankoppelung an die Be- amtenbesoldungserhöhung ist versucht worden; der Innenausschuß ist sich aber un- schlüssig, ob diese Besoldungsanpassung herbeigeführt werden soll. Hier will die SPD 24 eine Begrenzung ab A 16 und MdB Wernitz eine totale Kürzung ab B 3 herbeiführen. Die Unionsparteien dürfen nicht als diejenigen dastehen, die die Diätenerhöhung allein gewollt haben. Insofern wären die 400,– DM Wehners zumindest ein kleiner Schritt, wenn auch ohne 13. Gehalt und ohne Dynamik. Dr. Zimmermann würde einen Antrag des Innenausschusses sehr begrüßen. Ein Gruppenantrag wäre nur dann sinnvoll, wenn für jeden Unionsabgeordneten ein Koali- tionsabgeordneter mit unterschreibt. MdB Rose fragt, ob der Bundesrat den Haushalt ablehnt. MdB Röhner verweist auf die Haltung Schleswig-Holsteins, Niedersachsens und Bay- erns gegenüber den vom Bund beschlossenen Kürzungen im Hochschulausbau. Es sei gegenwärtig unklar, ob der Vermittlungsausschuß angerufen wird. Albrecht25 würde dahin tendieren, weil er der Auffassung ist, daß alle parlamentarischen Schritte ausge- schöpft worden sein müssen, bevor man nach Karlsruhe geht. Sollte ein Einspruch Platz greifen, müßte eine Sondersitzung stattfinden, und zwar in der Woche vom 8. bis 12.7. MdB Warnke verweist darauf, daß eine Anhebung der Diäten um 400,– DM einer Er- höhung von 4,3 % im 5. Jahr nicht stattgefundener Erhöhungen darstellen würde. Das wäre die schlechteste aller Lösungen. Dr. Zimmermann, Röhner und Spranger hätten sich in dieser Frage immer als mutige Matadore erwiesen, die auch widerstrebenden Äußerungen widerstanden hätten. Wenn die Dinge jetzt nicht geregelt würden, könnte man zu diesem Thema in Bischofsmais nur noch Leichenreden halten. Wenn sich jetzt alle Hoffnungen auf die »Würstchen im Innenausschuß« richteten, dann sei dies in der Sache ein unmögliches Verfahren. MdB Lemmrich berichtet über die parlamentarischen Beratungen der westeuropäi- schen Union, die in der letzten Woche stattgefunden haben. Dies sei das einzige euro- päische Gremium, in dem über Verteidigungsfragen intensiv diskutiert wird. Es sei schon makaber, erleben zu müssen, wie hier die holländischen Christdemokraten mit der SPD zusammen gegen die CDU/CSU stehen. Hier zeigt sich, wie schwer unsere Position in Zukunft noch werden wird. – Zum französischen Wahlergebnis habe mit 26 Sicherheit auch die Israelpolitik Giscards beigetragen, die etwa 800 000 französische Juden mit großer Verbitterung aufgenommen hätten. Auch die leitenden Angestellten wären zu Mitterrand übergelaufen, weil es ihnen imponiert habe, wie souverän er mit den Kommunisten umgegangen ist.

24 Axel Wernitz. 25 Ernst Albrecht, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen (CDU). 26 Valéry Giscard d`Estaing, 1974–1981 Staatspräsident von Frankreich, Vorsitzender der liberalen Républicains indépendants.

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MdB Glos weist darauf hin, daß die Bundesregierung ihm drei Anfragen zu Polen mit dem Hinweis auf Vertraulichkeit nicht beantwortet habe. Wer heute noch Bankaktien habe, solle sich schnellstens davon trennen, weil bei den deutschen Banken und Spar- kassen gegenwärtig 2,6 Milliarden Dollar ungesicherte Kredite in der Luft hingen. Das gesamte Haushaltsrisiko in dieser Frage betrage 15 Milliarden DM, denn man müsse davon ausgehen, daß der Bund letztlich auch für die ungesicherten Bankkredite einste- hen müsse. MdB Engelsberger lobt den Kollegen Müller für seine mutige Rede im Deutschen Bundestag zur Diätenfrage. Er habe recht mit seiner Unterscheidung in solche Abge- ordneten, die nur von ihren Diäten leben müssen, und solchen Abgeordneter, die, wie er, über Nebeneinkünfte verfügen. Für erstere Gruppe wäre die jetzige Diätenregelung grob ungerecht. Es wäre ein Unding, daß ein Mann mit der Vergangenheit Herbert Wehners in dieser Frage ein ganzes Parlament terrorisieren könne. Wenn erst der 82er Katastrophenhaushalt vorliegt, ginge mit Sicherheit gar nichts mehr. – In Frankreich wäre es zu einem glatten Verlust der bürgerlichen Mehrheit gekommen, da solle man sich nichts vormachen. Die hinfälligen Polenkredite wären ein weiterer Beweis für das finanzielle Chaos, in das uns die Ost-Politik gestürzt hat. Angesichts dieses Schul- denchaos berühre ihn die Vorstellung sonderbar, Franz Josef Strauß könne Finanzmi- nister unter einem Bundeskanzler Helmut Kohl werden. MdB Handlos bekennt offen, daß auch er zu den Abgeordneten gehört, die über Ne- beneinnahmen verfügen. Dennoch hält er es für im höchsten Maße unklug, jetzt über eine Diätenanhebung zu reden. Er weiß, daß er da ein unangenehmes Thema anspricht; aber Glaubwürdigkeit könne man in der Politik nur erringen, wenn man positive Bei- spiele gebe. (Wütende Zwischenrufe.) Er plädiert für ein Einfrieren der Einkommensverhältnisse bei allen. Angesichts der vor uns stehenden einschneidenden Haushaltsmaßnahmen wäre eine Diätenerhöhung jetzt das Schlimmste, was wir seit Jahren tun könnten, insbesondere als CSU. MdB Kiechle lobt den Kollegen Handlos für seine prinzipielle Offenheit und Uner- schrockenheit. Dennoch sehe er die Dinge in diesem Fall anders. Volkes Meinung sei, daß was nichts kostet, auch nichts tauge. Wenn wir 5 Jahre keine Diätenanhebung durchgeführt haben, dann sagt man eben, wir trauten uns nichts zu oder hätten kein Selbstwertgefühl. Es wäre auch nicht sinnvoll, daß Politiker aus ihrem Privatvermögen ihren Beruf bestreiten, von 7 500 DM zu versteuerndem Einkommen aber nicht leben könnten. Er verweist auf die Anschrift des Christlichen Gewerkschaftsbundes an Bundespostmi- nister Gscheidle27, in der diesem die Empfehlung gegenüber den Postbehörden vorge- worfen wird, Toyota-Autos zu kaufen, weil sie billiger seien. Hierfür würde die Bevöl- kerung kein Verständnis haben. MdB Biehle hat in der Diätenfrage bisher so gedacht wie Kollege Handlos. Aber 5 Jahre lang auf 5 % Diätenerhöhung zu verzichten, seien schon mehr als 25 %. Wie sehr die Einkommen steigen, merke er jedesmal an seinen Kfz-Reparaturrechnungen. Auch die Einkommen der Bürgermeister und Landräte wären kräftig gestiegen.

27 (SPD).

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Er wäre in letzter Zeit zuhauf von Bauernverbandsvertretern angesprochen worden, hier liege offenbar eine gezielte Aktion vor. Er bittet Kollegen Kiechle hier eine grund- sätzliche Aussage für die Partei vorzubereiten. Er verweist dann mit Erschrecken auf den Bundeswehrdiebstahl in Veitshöchheim, wo unter anderem 68 Maschinenpistolen entwendet worden sind. Die Batterie befand sich seit 16.6. in Urlaub, und die Waffen sind während dieser Zeit nicht bewacht worden. Die Diebe müssen sich zeitlich und sachlich gut ausgekannt haben, wie aus der Aus- wahl der gestohlenen Objekte eindeutig hervorgeht. Auch bei der Aufdeckung des Diebstahls sind erhebliche zeitliche Verzögerungen und riesige Schlampereien aufgetre- ten. Dem Zwischenruf von MdB Riedl, dies dürfe hier nicht gesagt werden, wird von Dr. Zimmermann widersprochen, weil diese Tatbestände ohnehin morgen in der Zeitung stünden. Es wäre ein einziger Skandal, wenn hier 21 Maschinenpistolen nicht bewacht würden unter einer Regierung, die gleichzeitig ein Jagdwaffengesetz erlassen hat, nach dem einfache Gewehre in Stahlschränken untergebracht werden müßten. Bei einer sol- chen Schlamperei müsse eindeutig der Batallionskommandeur gehen. MdB Bötsch begründet die Notwendigkeit einer Diätenerhöhung ebenfalls mit dem Hinweis auf die dynamischen Einkommen der Landräte und Bürgermeister. Er werde immer wieder angesprochen, warum er nicht in seinem Beruf geblieben sei. Dr. Zimmermann verweist darauf, daß Helmut Kohl in dieser Frage mit Genscher28 telefoniert habe und sich daraufhin optimistisch gezeigt habe. Bei Mischnick habe man hiervon aber nicht das Geringste festgestellt. MdB Hartmann warnt davor, das Diätenthema auf eine soziale Frage zu reduzieren. Hier sei das Selbstverständnis der Parlamentarier angesprochen. Das Thema käme bei ihm in keiner Versammlung zur Sprache und er fühle sich deshalb in dieser Frage von der öffentlichen Meinung überhaupt nicht verfolgt. MdB Höpfinger gäbe dem Kollegen Handlos dann recht, wenn die Frage im Zusam- menhang mit dem Haushalt 1982 angesprochen würde. Die Einkommenslage würde doch in der Tat allmählich knapp. Immer mehr Vereine kämen auf die Abgeordneten mit der Bitte um Unterstützung zu. Aber neben dem Finanziellen spiele das Ideologi- sche eine große Rolle: Je mehr auf diese Weise das parlamentarische Niveau gedrückt würde, umso größer wäre die Abhängigkeit der Abgeordneten. Die Unabhängigkeit des Parlaments wäre das Wichtigste. Niemand dürfe gezwungen sein, seine parlamentari- sche Arbeit schleifen zu lassen. MdB Lintner bedauert ebenfalls, daß der Bericht des Parlamentspräsidenten noch nicht vorliegt, weil dadurch die Fakten endlich auf den Tisch gelegt werden könnten, z. B. daß Abgeordnete kein 13. Gehalt beziehen. – Auch der Arbeitskreis der vertriebenen Landwirte würde sich verstärkt an die Abgeordneten wenden. Sie hätten sich damals für Staatsdarlehen neue Höfe gekauft, die jetzt aus Einkommen getilgt werden müßten. MdB Waigel empfindet es als trostlos, wie uns die Gegenseite ins offene Messer laufen läßt. »Wir diskutieren viel und erreichen fast nichts«. In den Ministerien und Ausschüs- sen sitze man ständig Beamten gegenüber, die alle mehr verdienten als wir. Das Pro- blem sei deshalb nicht allein mit der Diätenregelung zu lösen. – Der Bundespräsident29 würde sich auf seiner Deutschland-Wander-Tour zu wenig um die Bundestagsabge-

28 Hans-Dietrich Genscher, Bundesaußenminister, Vizekanzler, Bundesvorsitzender der FDP. 29 (CDU).

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ordneten kümmern. Er hielte sich zu viel an die Bürgermeister und Landräte, wie gene- rell an die Randgruppen. MdB Biehle verweist auf das Protokollheft des Bundespräsidialamtes, das von den ört- lichen Würdenträgern als Hilfe benutzt werden könnte. Dr. Zimmermann verweist noch einmal darauf, daß ein Antrag aus dem Innenaus- schuß gegenwärtig die beste Lösung darstellte. Ein Gruppenantrag wäre dann das weit- aus zweitbeste. Seit dem Weggang Porzners30 nach Berlin sei in der SPD offenbar nie- mand mehr, der mit Herbert Wehner über dieses Thema offen sprechen könne. Er stimmt MdB Höpfinger und MdB Kiechle zu, wer sich so benimmt, ist bald überhaupt nichts mehr wert. Das Bundesverfassungsgericht habe hinsichtlich der Bezugsgrößen ein miserables Ur- teil gefällt. Aber es hat keine Anpassung ausgeschlossen, zu der die Fraktionen offenbar nicht in der Lage sind. Wenn man diesen Mut aber nicht aufbringt, dürfe man sich nicht wundern, wenn man ein Inspektorenparlament bekäme. Wozu schlage man sich die Wochenenden von Freitagmittag bis Sonntagabend um die Ohren, wozu habe man ei- nen doppelten Wohnsitz, wenn dies in keiner Weise honoriert wird?! Wenn hier über die Diätenfrage geredet würde, dann deshalb, weil die Unabhängigkeitsfrage für man- chen Abgeordneten gestellt sei. Dr. Zimmermann wiederholt deshalb noch einmal, daß man sich um einen Ausschuß- antrag in Anwesenheit des Bundestagspräsidenten bemühen solle. Käme es zu einem Gruppenantrag würde er sich ganz vorne eintragen. Die Landtage in Bayern, Schles- wig-Holstein und Rheinland Pfalz hätten ihre Einkünfte genauso angehoben wie die Landräte oder die Stadträte von München. In der Sache wäre eigentlich ein großer Schritt angebracht, etwa in Richtung auf die Einkünfte eines parlamentarischen Staats- sekretärs mit 13. Gehalt. Das unterliege aber heute dem »Fallbeil«. Wenn sich aber in der SPD niemand bereit findet für einen Gruppenantrag, dann müßten alle Pläne be- graben werden. Die Aktion von MdB Müller, so gut sie gemeint gewesen sein mag, sei sinnlos gewesen, sie hätte nicht das Verständnis für die Probleme des Parlaments geför- dert. Wenn jetzt Bundestagspräsident Stücklen eine Kraftanstrengung unternehmen würde, stünde ihm das nicht nur zu, er wäre auch der einzige, der so etwas durchsetzen könnte. Dr. Zimmermann beendet die Sitzung um 22.50 Uhr.

30 Mit seiner Ernennung zum Senator für Finanzen in dem vom Regierenden Bürgermeister Hans- Jochen Vogel (SPD) geführten Berliner Senat im Januar 1981 legte der SPD-Bundestagsabgeordnete Konrad Porzner sein Bundestagsmandat nieder.

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