6 Urbane Freiräume

Region / Rhein-Sieg-Kreis, Nordrhein-Westfalen Grünes C: Interkommunaler Freiraumverbund

Das regionale Landschaftskonzept und interkommunale Kommunikationsstrukturen sind wichtige Maß- nahmen, um dem Siedlungsdruck der stark verstädterten Region nachhaltig Grenzen zu setzen und die gefährdete Kulturlandschaft zwischen den Siedlungsbereichen zukunftsweisend zu sichern.

Kontext

Die Rheinschiene Bonn-Köln-Düsseldorf erzeugt Leben gerufen, mit dem die Ränder des Grünen C einen enormen Sog auf Zuzügler in der Stadtregion wirkungsvoll geschützt, gestärkt und gestaltet wer- um Bonn. Entwicklungsabsichten beschränken sich den sollten, um dem Siedlungsdruck der stark ver- nicht nur auf die Siedlungsflächen, sondern drücken städterten Region nachhaltig Grenzen zu setzen und auch in die landschaftlichen Zwischenräume um die gefährdete Kulturlandschaft zukunftsweisend die Stadt Bonn und die benachbarten Kommunen. zu sichern: Zwischen den Städten ist ein „Park der Siedlungsentwicklungen sind allerdings aufgrund von Kulturlandschaften“ entstanden. administrativen Grenzen (Landesgrenze zu Rhein- Nicht nur die Kommunalpolitiker mussten dafür ge- land-Pfalz im Süden) und der naturräumlichen Bedin- wonnen werden, ein gemeinsames Leitbild für die- gungen (Waldgebiete und Naturpark im Westen und sen Zwischenraum zu entwickeln und teilräumlich Osten) allerdings v. a. nur in nördlich von Bonn Räu- auf eine Baulandausweisung zu verzichten oder me in Richtung Köln möglich. diese zu modifizieren. Auch weitere Akteure wie Das Grüne C ist ein gemeinsames Projekt der Kom- z.B. Landwirte galt es als Partner zu gewinnen und munen , , Bonn, , Trois- davon zu überzeugen, dass eine Entwicklung die- dorf und . Im Rahmen der Regionale ses Raumes auch für sie Mehrwerte schaffen kann. 2010 konnte ein interkommunaler Verständigungs- Projektbeschreibung prozess zur Sicherung wesentlicher Teile eines rheinübergreifenden Freiraumnetzes im Bonner Das „Grüne C“ verknüpft 37 km² Landschaftsräume Norden und im Rhein-Sieg-Kreis unter Berücksich- im Norden der Stadt Bonn miteinander und schafft tigung ihrer spezifischen Eigenarten angeschoben dabei über eine Fährverbindung bei Mondorf einen werden. Mit dem regionalen Landschaftskonzept „Brückenschlag“ über den Rhein hinweg. Diese Grünes C wurde ein Struktur- und Pilotprojekt ins Freiräume, die rheinüberquerend an ein auf dem Boden liegendes „C“ erinnern, unterliegen einem hohen Nutzungsdruck: Siedlungserweiterung, Orts- randentwicklung, wirtschaftliches Wachstum, Ag- rarnutzung, Naherholung sowie Natur- und Land- schaftsschutz formulieren allesamt berechtigte Ansprüche an diesen Raum und stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander. Anstelle einer „harten“ Freiraumsicherung setzt das Konzept vor allem auf eine freiwillige Selbstverpflich- tung der beteiligten Partner. Durch einen intensiven Verständigungsprozess, an dem sechs Kommunen beteiligt waren und weiterhin beteiligt sind, konnte der drohende Zerfall des Grünverbindungssystems zwischen den wachsenden Städten und Gemeinden an seinen Engstellen verhindert werden. Auch mit der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, dem Rhei- nischen Landwirtschafts-Verband e.V. und der Land- wirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen wurde der Grünes C – Vereinfachter Lageplan (www.gruenes-c.de) Dialog gesucht, der in einem „Kommuniqué“ für ein

Gemeinde Alfter und die Städte Stadt/Gemeinde Bonn, Bornheim, Niederkassel, Freiraumtypen Park der Kulturlandschaften Sankt Augustin, Einwohner (alle Kommunen) 557.572 Projektträger Sechs Kommunen

Entwicklungsdynamik wachsend Projektlaufzeit 2010 – 2015

Raumbezug Stadtregion Status beschlossenes Konzept

09/2017 Materialband: Steckbriefe der Fallstudien 7

Der Link am Rheinufer (Ralf Schuhmann, Foto+Media Köln Bonn)

Aktionsbündnis Grünes C mündete. Die Landwirte An besonderen Orten entstanden wiedererkennba- profitieren von der Lenkung der Erholungsnutzung re Objekte („C-Signets“). An den Übergangsstellen und insbesondere auch durch die Sicherung der von Siedlungen zu Landschaftsräumen wurden so- größtenteils sehr ertragsreichen Böden. genannte Landschaftstore realisiert und an Statio- nen entlang des „Links“ im gesamten Projektraum Der Freiraum im Grünen C setzt sich aus großen wiederkennbare Merkzeichen angelegt. In der Ge- Acker-, Obst- und Gartenbauflächen, alten Kultur- bietskulisse des Grünen C wurden darüber hinaus landschaften, Naturschutzgebieten, Flüssen und zahlreiche kommunale Teilprojekte realisiert, wie Ufern, Kiesgruben, Wirtschaftswegen, Landstra- ­z. B. ein Generationen-Parcours, Kulturgärten oder ßen, Autobahnen und Leitungstrassen zusammen. der Brückenschlag Mondorfer Fähre, die attrak­tive Bestandteil sind die Landschaftsräume Meßdorfer Stationen entlang des Links und wichtige Naherho- Feldflur, Gartenland, Vorgebirgshang- und Kiesab- lungsangebote bilden. baulandschaft, Teile der Rhein- und Siegaue, die Hangelarer Heide, der Birlinghovener Wald und Die Landschaftstore und die Freiraumangebote er- das Pleisbachtal, die als Freiräume zwischen den öffnen nicht nur Räume für die Erholung und laden Ortslagen der beteiligten Kommunen weitgehend zum Besuch und zur Aneignung ein. Sie markieren in das Konzept einbezogen wurden. gleichzeitig auch Grenzen der Siedlungsentwick- lung an den Stadträndern. Informationen für Erho- In einem kooperativen Planungsverfahren wurde lungssuchende und Interessierte werden für jeden als verbindendes Element ein neues Wegesystem Landschaftsraum an den Stationen des Grünen C für Fußgänger und Radfahrer konzipiert. Dieses als dargestellt sowie auf einer eigenen Web-Seite des „Link“ bezeichnete Wegesystem schließt an die Sied- Grünen C und über einen Wegweiser durch das Grü- lungsräume an und macht den Raum des Grünen C ne C in Form einer kleinen handlichen Broschüre öffentlich erfahrbar. Die Ausstattungselemente und mit einem Lageplan bereitgestellt. das Design des Links sind in allen Kommunen gleich.

Ziele • Sicherung des noch verbliebenen, fragilen • Verdeutlichung der Wertigkeit und „Adressie- Freiraumnetzes in einem interkommunalen rung“ dieses Freiraums Planungsansatz • Qualifizierung von Freiräumen

Instrumente und Maßnahmen

Kommunikation, Planung und Kooperation • Große Teile der Flächen des Grünen C wurden • Zweistufiges kooperatives Planungsverfahren über Landschaftspläne geschützt und Durchführung eines landschaftsarchitek- • An die Planung und Umsetzung haben sich tonischen Wettbewerbs und Entwicklung ei- eine Evaluierung und Weiterentwicklungsan- ner Rahmenplanung sätze angeschlossen • Intensiver Dialog mit der Landwirtschaft / Kul- • Erstellung eines Integrierten Handlungskonzep- turlandschaft und Ratifizierung des „Kommu- tes Grüne Infrastruktur (IHK GI) durch die betei- niqués“ für ein Aktionsbündnis Grünes C ligten Kommunen sowie die Kommunen • Projektpatenschaften in Teilbereichen mit unter- und Königswinter; Bewerbung im Rahmen des schiedlichen Akteursgruppen aus der Bevölkerung Förder-Aufrufs „Grüne Infrastruktur NRW“.

09/2017 8 Urbane Freiräume

Leitsystem, Markierungen und Stationen am „Link“ (bgmr Landschaftsarchtitekten)

Bauliche Maßnahmen dorf; Fischereilehrpfad in Troisdorf; Renatu- • Durchgängige Wegeverbindung („Link“) mit rierung Rheidter Werth in Niederkassel; Villa Landschaftstoren und Stationen Fortuna; Grünzug Buschdorf Rosenfeld (vgl. auch Homepage Grünes C) • Brückenschlag Mondorfer Fähre • Generationen-Parcours: Stadt Sankt Augustin Finanzierung • Gärten der Nationen / Kulturgärten Sankt Au- • Umsetzung des Gesamtvorhabens mit 18,64 gustin Mio. € • Informationssystem auf wiedererkennbaren • 20 % Eigenleistungen der sechs Kommunen Objekten („C-Signets“) • 80 % Zuwendung des Landes aus Landes-, • Weitere Maßnahmen: Grüne Mitte Sankt Au- Bundesmitteln und Mitteln der EU ‚Regiona- gustin; Siegauen Wanderparkplatz in Trois- le Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung 2007 - 2013 (EFRE – ZIEL-2-NRW)

Herausforderungen und Handlungsempfehlungen

Die Gestaltung der Siedlungsränder und der Ver- Bewegungsangebote, Blühfelder mit Aussichts- zicht auf die Ausweisung von Bauflächen sind in punkten) deutlich markiert. Der Grünzug ist darü- der Praxis große Herausforderungen. Pilotprojekte, ber hinaus planungsrechtlich durch entsprechende wie der Grünzug Buschdorf-Rosenfeld, der an einer Festsetzungen in einem Bebauungsplan gesichert. besonders engen Stelle des Freiraumkorridors zwi- Im Nachhinein wurde in der Öffentlichkeit kritisch schen dem Bonner Ortsteil Buschdorf und der Stadt über die vergleichsweise teuren Einzelele­mente Bornheim angelegt wurde, sollen den Umgang mit aus Beton diskutiert. Ausschlaggebend für die Ma- der Siedlungsrandgestaltung beispielhaft aufzeigen. terialwahl waren besonders die Robustheit und Hier wurde ein Ausgleich zwischen den Interessen damit die Langlebigkeit der Elemente. Die Größe der Siedlungsarrondierung und Sicherung der Kul- ermöglicht die gute Erkennbarkeit als Landmar- turlandschaft im Dialog gefunden. Bereits vor der ken in der weitläufigen Landschaft. In der Evalu- Ausbildung einer neuen Siedlungskante, die einer ierung der Kritik wurde gleichwohl geschlussfol- klaren Linie zum Landschaftsraum hin folgen soll, gert, dass bei ähnlichen Planungsaufgaben in den wurde die Grenze zum Freiraum durch den neuen frühen Leistungsphasen eine größere Beteiligung Radweg, durch sogenannte Landschaftstore sowie von Schlüsselpersonen und –gruppen und weniger qualifizierende Maßnahmen im Freiraum (Sport- und Fachdominanz in der Planung zu bevorzugen wäre. 09/2017 Materialband: Steckbriefe der Fallstudien 9

Landschaftstore markieren die Übergänge zu den angrenzenden Siedlungen (Ralf Schuhmann, Foto+Media Köln Bonn)

Innovation und Vorbildcharakter „Die Regionale ist das richtige Format, um eine interkommunale Zu- sammenarbeit zu erreichen. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die enge Mit dem Projekt Grünes C konnte für die Wachstums- Kooperation mit der Landwirtschaft. Nur gemeinsam mit den Be- region Bonn / Rhein-Sieg-Kreis erstmals eine inter- kommunale Kommunikationskultur ins Leben gerufen wirtschaftern können die Kulturlandschaften an den Stadträndern werden. Hieraus sind Arbeitskreise zu den Planungen nachhaltig gesichert und gepflegt und damit in Wert gesetzt werden.“ der sechs Kommunen sowie zur Grünflächenunter- David Baier vom Amt für Stadtgrün der Stadt Bonn haltung hervorgegangen, die die interkommunale Zusammenarbeit verstetigen. Außerdem wurde ein intensiver Dialog über die Zukunft der Kulturland- 2009 Grünes C wird Stadtumbaugebiet; Koope- schaft mit den maßgeblichen beteiligten Akteuren rationsvereinbarung mit dem Rhein-Sieg- angestoßen. Auf der Basis eines gemeinsamen Kreis; Zuwendungsbescheid EFRE Ziel 2 „Kommuniqués“ für ein Aktionsbündnis Grünes C –Stadtumbau West ließen sich bauliche Maßnahmen und Angebote 2010 Erster Spatenstich in Troisdorf-Bergheim für die Naherholung ableiten. Sie qualifizieren den stark unter Entwicklungsdruck stehenden Freiraum 2012 Eröffnung Mondorfer Fähre zwischen den Siedlungen, lenken die Erholungs- 2010-15 Ausführungsplanung und Bauphase nutzung in die gewünschten Bereiche und helfen dadurch mit, wertvolle Landwirtschaftsflächen und 2015 Verleihung „Wir sind dabei“-Logo der KlimaExpo. Kulturlandschaften zu sichern. NRW. Initiative der NRW-Landesregierung Das Konzept mit dem Motto „Vielfalt im Verbund – Abschluss der baulichen Maßnahmen. Das „Grüne C“ vernetzt die Freiräume im Norden Evaluation empfiehlt die Freiraumsicherung der Stadt Bonn miteinander und schafft dabei einen und -entwicklung im Verdichtungsraum „Brückenschlag“ über den Rhein. Eine durchgängi- Bonn / Rhein-Sieg-Kreis weiter zu führen ge Wegeverbindung mit angelagerten Attraktionen Akteure und „Pausenräumen“ und neue, einheitlich gestal- tete Informationsträger erschließen den Raum und Projektträger: Gemeinde Alfter, Stadt Bonn, Stadt machen ihn als Ganzes erkennbar. Bornheim, Stadt Niederkassel, Stadt Sankt Au- gustin, Stadt Troisdorf in Kooperation mit dem Projektchronologie Rhein-Sieg-Kreis. 2003 Bewerbung der sechs Partnerkommunen Partner/Beteiligte: Stiftung Rheinische Kultur- mit dem Grünen C landschaft, der Rheinische Landwirtschafts-Ver- band e.V. und die Landwirtschaftskammer Nord- 2005 Status als Pilotprojekt „Masterplan:grün“ rhein-Westfalen, Region Köln Bonn e.V. 2005 Europaweiter Ideenwettbewerb; Förderan- Gesamtkonzept: 3+ Freiraumplaner, Aachen trag

2005/06 Kooperatives Planungsverfahren Kontakt 2007 Workshop „Sicherung von Landwirtschaft David Baier und Kulturlandschaft“, Szenarien für inte- Amt für Stadtgrün der Stadt Bonn grierte Landnutzungsstrategien Stadthaus, Berliner Platz 2, 53 111 Bonn 0228/77 42 58 Verleihung A-Stempel der Regionale 2010 [email protected] Wettbewerb „Brückenschlag Mondorfer Fähre“ Weiterführende Informationen 2008 Kommuniqué Aktionsbündnis Grünes C www.gruenes-c.de 09/2017