Treffpunkt Klassik – Neue CDs

Vorgestellt von Bettina Winkler

Sendung: 9. Mai 2021 Redaktion: SWR2 Treffpunkt Klassik – Neue CDs

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Pure Bach Präludium und Fuge c-Moll BWV 847, Italienisches Konzert, Franz.Suiten u.a. Viviane Chassot (Akkordeon) Prospero PROSP 0013

Francisco Guerrero Magnificat, Lamentations & Canciones El León de Oro Leitung: PeterPhillips Marco Antonio García de Paz (Canciones) Hyperion CDA68347

Carl Philipp Emanuel Bach Beyond the Limits - The Hamburg Symphonies Wq 182 Gli Incogniti Leitung: Amandine Beyer Harmonia mundi HMM 905321

La Famille Rameau Justin Taylor (Cembalo) Alpha 721

Georg Christoph Strattner Ich will den Herrn loben allezeit Geistliche Konzerte Miriam Feuersinger, Monika Mauch, Alexander Schneider, Daniel Schreiber, Markus Flaig Les Escapades Christophorus CHR 77454

Silvius Leopold Weiss Lautensonaten, transkribiert für das Lautencembalo Wolfgang Rübsam Brilliant Classics 95509

Signet Treffpunkt Klassik – Neue CDs….diesmal mit Musik von der Familie Rameau, dem spanischen Komponisten Francisco Guerrero und dem Lautenisten Silvius Leopold Weiss – mein Name ist Bettina Winkler. Los geht es aber mit Werken von . Und wie universell seine Musik interpretiert werden kann, beweist uns die Schweizer Akkordeonistin Viviane Chassot.

Musik 1 Johann Sebastian Bach: Präludium und Fuge c-Moll BWV 847 Viviane Chassot (Akkordeon) Prospero PROSP0013, Take 1-2, 2‘48

Präludium und Fuge c-Moll aus dem ersten Teil von Johann Sebastian Bachs „Wohltemperiertem Klavier“, gespielt von Viviane Chassot. Klarheit, Kraft, Lebendigkeit, diese Eigenschaften von Bachs Musik machen sie zeitlos und gleichzeitig offen für die unterschiedlichsten Interpretationen, auch im Hinblick auf die Instrumente. 2

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Tasteninstrumente sind naheliegend, deshalb scheint die Idee, Bach auf dem Akkordeon zu spielen, eigentlich gar nicht abwegig zu sein. Viviane Chassot ist mit der Musik des Leipziger Thomas-Kantors groß geworden, sie gehört zu den ersten Werken, die sie auf ihrem Instrument gespielt hat. Jetzt widmet sie dem Komponisten eine ganze CD. Dazu schreibt sie: „Was sehr für das Akkordeon als ein mögliches Instrument bei der Musik von Bach für Tasteninstrumente spricht, sind die bläserhaften Gestaltungsmöglichkeiten, die ich dank des Balges habe. Damit und mit einer differenzierten Artikulation kann ich die Musik zum Atmen und Sprechen bringen; Dynamik und Farbenvielfalt erreiche ich durch vielfältige Registrierungsmöglichkeiten.“ Wie eindrucksvoll das klingen kann, zeigt sie uns beim langsamen Satz aus Johann Sebastian Bachs Italienischem Konzert.

Musik 2 Johann Sebastian Bach: Andante aus dem Italienischen Konzert F-Dur BWV 971 Viviane Chassot (Akkordeon) Prospero PROSP0013, Take 4, 4’42

Fabelhaft, mit welch feinen Nuancen Viviane Chassot das Andante aus Bachs Italienischem Konzert interpretiert. Tatsächlich atmet und singt hier ihr Akkordeon, das sie virtuos beherrscht. Für Viviane Chassot ist dieser Satz eine Art Gesang, der einen ganzen Lebensweg beschreibt, an dessen Ende nicht der Tod, sondern die Hoffnung steht. Man hört, dass Bachs Musik für sie eine Herzensangelegenheit ist. Und das hat noch einen ganz besonderen Grund, denn sie hat ihr geholfen, ihre Brustkrebserkrankung zu überwinden. Darüber spricht und schreibt sie ganz offen und macht damit Mut: sie will sich diesem Schicksalsschlag stellen! Und zugleich ist das einmal mehr der Beweis dafür, welche Kräfte in der Musik schlummern können. Neben dem Italienischen Konzert hat sich Viviane Chassot Bachs B-Dur-Partita und zwei der französischen Suiten vorgenommen. Hier finden sich diverse Tanzsätze, bei denen auch volkstümliche Elemente eine Rolle spielen. Die klingen bisweilen fast wie Improvisationen, zumindest wenn Viviane Chassot sie sich vornimmt. Dabei will sie keinesfalls ein Cembalo imitieren, sondern vielmehr Bachs Musik mit den Möglichkeiten des Akkordeons spielen.

Musik 3 Johann Sebastian Bach: Bourée, Loure und aus der Französischen Suite Nr. 5 G-Dur BWV 816 Viviane Chassot (Akkordeon) Prospero PROSP0013, Take 16-18, 6’00

Neun Finger (der linke Daumen muss den Balg führen) und: barfuß – ist das das Geheimnis der Akkordeonistin Viviane Chassot, das es ihr ermöglicht, Johann Sebastian Bachs Musik für Tasteninstrumente so intensiv und berückend zu spielen? Sicherlich hilft diese Bodenhaftung bei Bourée, Loure und Gigue aus der Französischen Suite Nr. 5 G-Dur BWV 816. Aber auch die natürliche Musikalität, die leuchtende Virtuosität und die innige Gestaltung tragen mit dazu bei, dass Bachs Musik hier berührt und beglückt. Erschienen ist die CD „Pure Bach“ von Viviane Chassot beim Schweizer Label Prospero Classical, ein kleines Juwel, das aus der Vielzahl der Bach-Aufnahmen nicht nur wegen des Akkordeons heraussticht. Hier spielt eine Musikerin mit Herzblut und Verstand. SWR2 Treffpunkt Klassik mit neuen CDs – ich bin Bettina Winkler und bei mir geht es nun weiter mit Vokalmusik von Francisco Guerrero, neben Tomas Luis de Victoria vielleicht der wichtigste Vertreter der spanischen Hochrenaissance. Zu Lebzeiten war er als „El cantór de María“ bekannt. Und so hat das Ensemble El León de Oro – Der goldene Löwe für seine neue CD beim Label hyperion auch einige Marienmotetten ausgesucht.

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Musik 4 Francisco Guerrero: Ave virgo sanctissima El León de Oro Leitung: Peter Phillips 7533 hyperion CDA68347, Take 7, 3’32

Ave virgo sanctissima, Gegrüßest seist du, heiligste Jungfrau – eine Marien-Motette von Francisco Guerrero, die vielleicht meistbewunderte Motette der spanischen Renaissance. Komponisten im gesamten Habsburgischen Reich hat sie als Vorbild gedient. Sie vereint leidenschaftlichen Ausdruck mit der strengen Form des Kanons. Dabei bewegen sich die Sopran-Stimmen scheinbar schwerelos und lassen diese komplizierte Kompositionstechnik vollkommen vergessen – vor allem dann, wenn diese Musik so perfekt intoniert wird wie hier vom Ensemble El León de Oro. Weil wir uns gerade im Mai befinden, dem Marien-Monat, bleiben wir noch etwas bei Guerreros Musik für die Gottesmutter: Regina caeli – Himmelskönigen, freue dich. Das ist ein Werk des reifen Komponisten. In einem einzigen, fast atemlosen Schwung erklingen hier heitere Alleluia-Rufe, zwischen denen sich acht Stimmen umeinanderschlingen – ein einzigartiges Stück der spanischen Hochrenaissance. Francisco Guerrero führt alle acht Stimmen sowohl einzeln als auch im Zusammenklang zu einem dichten Gewebe, in dem sich sogar noch die gregorianische Melodie des „Regina caeli“ versteckt.

Musik 5 Francisco Guerrero: Regina caeli El León de Oro Leitung: Peter Phillips 7533 hyperion CDA68347, Take 19, 4’10

Das spanische Ensemble El León de Oro mit Francisco Guerreros Marien-Motette „Regina caeli“, prachtvolle Renaissancemusik, bei der der Chor mit perfekter Intonation und transparenter Stimmführung punkten kann. Leiter ist hier Peter Phillips, der auch die Tallis Scholars gegründet hat. Seit 2012 arbeitet er mit El León de Oro zusammen und ist dort neben Chefdirigent Marco Antonio García de Paz Ehrendirigent. Neben den Marien-Motetten, einem Magnificat und Lamentationen für die Karwoche haben die Musikerinnen und Musiker auch einige der „Canciones y villanescas espirituales“ von Francisco Guerrero aufgenommen. Diese geistlichen Lieder und Tänze wurden 1589 in Venedig veröffentlicht. Hier nimmt der Komponist weltliche Vorlagen, also Lieder und Bauerntänze, und gibt ihnen geistliche Texte. Davon gibt es jetzt noch ein Beispiel: Antes que comáis a Dios – Bevor Du Gott in diesem heiligen Mahl verzehrst, solltest du in deiner Seele bedenken, wer wahrlich Gott ist und wer du bist.

Musik 6 Francisco Guerrero: Antes que comáis a Dios El León de Oro Leitung: Marco Antonio García de Paz 7533 hyperion CDA68347, Take 26-28, 2’50

El León de Oro unter der Leitung seines Chefdirigenten Marco Antonio García de Paz mit einem der geistlichen Lieder von Francisco Guerrero „Antes que comáis a Dios“. Beim englischen Label hyperion hat der Chor geistliche Musik dieses spanischen Renaissance-Komponisten aufgenommen. Ein Meister der Vokal-Polyphonie, dessen Klangvielfalt hier überzeugend zur Geltung kommt. Was für ein musikalischer Reichtum offenbart sich hier, verbunden mit Tiefgang und Ausdrucksstärke.

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Sie haben SWR2 Treffpunkt Klassik eingeschaltet, mein Name ist Bettina Winkler und ich stelle Ihnen heute aktuelle Neuerscheinungen vor. Von Spanien kehren wir nun nach Deutschland zurück, zu Carl Philipp Emanuel Bach. 1773 bekam er von Baron Gottfried van Swieten die Anregung, sechs Sinfonien zu schreiben. Der Name dieses Mäzens ist Ihnen vielleicht einmal im Zusammenhang mit Mozart begegnet. Van Swieten hat die Musik des Bach-Sohnes schon lange geschätzt und etliche seiner Werke subskribiert, die damalige Form des crowd-fundig! So widmet ihm Carl Philipp Emanuel Bach auch den dritten Band seiner Sonaten für Kenner und Liebhaber. Bei den Sinfonien Wq 182 verhält es sich aber etwas anders. Sie sind ein regelrechtes Auftragswerk. Der Mäzen weist hier den Komponisten ausdrücklich an, Werke zu schaffen, „ohne auf die Schwierigkeiten Rücksicht zu nehmen, die daraus für die Ausübung notwendig entstehen müssen“. Diese sechs Sinfonien hat nun das Ensemle Gli Incogniti unter der Leitung der Geigerin und Flötistin Amandine Beyer beim Label harmonia mundi eingespielt. Beyond the Limits – Grenzenlos, so heißt das Album und das hat natürlich mit den Anforderung des Barons van Swieten an den Komponisten zu tun. Tatsächlich überschreitet der hier die Grenzen des damals üblichen und schreibt eine einzigartige Musik, die trotz der technischen Herausforderungen nie das Gefühl für Begeisterung vermissen lässt. Anspruchsvoll und berauschend, so könnte man diese Musik beschreiben. Vor allem dann, wenn sie auch so gespielt wird von Gli Icogniti, voller Exzentrik und mit Mut zu Extremen. Ich will Ihnen eine komplette Sinfonie vorstellen, die vierte in A-dur mit den Sätzen Allegro ma non troppo, Largo ed innocentemente und Allegro assai.

Musik 7 Carl Philipp Emanuel Bach: Sinfonie A-Dur Wq 182 Nr. 4 Gli Icogniti Leitung: Amandine Beyer 7045 harmonia mundi HMM 905321, Take 10-12, 11‘22

Carl Philipp Emanuel Bach auf dem Weg zur Wiener Klassik und gleichzeitig sogar schon als Wegbereiter der Romantik mit der vierten seiner sechs Hamburger Sinfonien Wq 182 in A-Dur, gespielt vom Ensemble Gli Icogniti unter der Leitung von Amandine Beyer. Nachdem sie bereits einige von Joseph Haydns Sinfonien aufgenommen habe, lag es nahe, sich auch dem Bach-Sohn zu widmen. Und wieder einmal besticht dessen Musik durch Extravaganz, Kühnheit und Weitblick, sozusagen Musik ohne Grenzen. Und so hat dieses Album, das beim Label harmonia mundi erschienen ist, auch passender Weise den Namen „Beyond the Limits“ bekommen. Lassen Sie sich von dieser faszinierenden Musik und diesem expressiven Ensemble begeistern! SWR2 Treffpunkt Klassik mit neuen CDs, ich bin Bettina Winkler und ich will sie nun zu einem Besuch bei der Familie Rameau einladen, eine ganze Familien-Bande, die der französische Cembalist Justin Taylor zum Thema seiner neuen CD gemacht hat, die beim Label Alpha erscheint. Da gibt es neben Vater Jean-Philippe auch noch Sohn, Bruder und Neffe.

Musik 8 Claude-François Rameau: La Forcray Justin Taylor (Cembalo) 00516 Alpha 721, Take 9, 1‘28

La Forcray, ein Charakterstück von Claude-François Rameau, dem Sohn des berühmten Jean- Philippe, gespielt von Justin Taylor auf einem französischen Cembalo aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Es steht im Schloss Assas und hat eine ganz besonders variationsreiche Klangpalette. Angeblich soll Rameau selbst darauf gespielt haben. Auf solch einem historischen Instrument zu spielen und so Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu verbinden, ist natürlich für jede Interpretin und jeden Interpreten ein besonderer Reiz. Das gilt auch für Justin Taylor, der sich in den letzten fünf Jahren nicht nur barocke Werke von Bach, Scarlatti oder Forqueray vorgenommen hat, 5

6 sondern auch Klaviermusik aus dem 20. Jahrhundert von György Ligeti. Er tritt nicht nur als Solist, sondern auch als Leiter seines jungen Ensembles Le Consort auf. Hier spielt er nun eine Allemande von Jean-Philippe Rameau, bei der das ganze Klangspektrum des wundervollen Cembalos aus dem Schloss Assas zur Geltung kommt.

Musik 9 Jean-Philipp Rameau: Allemande en mi Justin Taylor (Cembalo) 00516 Alpha 721, Take 11, 5‘01

Stimmungsvolle Musik von Jean-Philippe Rameau, eine Allemande aus seinen Pièces de Clavecin, gespielt von Justin Taylor. Er hat der Familie Rameau eine ganze CD gewidmet, und weil die Musik der anderen Familienmitglieder wirklich selten zu hören ist, gibt es jetzt noch ein graziöses Rondo von Lazare Rameau, dem Neffen von Jean-Philippe. Er war Organist in mehreren französischen Städten, viel weiß man nicht über ihn. 1788, am Vorabend der französischen Revolution, veröffentlichte er mehrere Triosonaten – letzte Glanzlichter des klassischen Cembalo-Stils.

Musik 10 Lazare Rameau: Rondo grazioso aus der Sonate Nr. 1 Justin Taylor (Cembalo) 00516 Alpha 721, Take 12, 4’06

Der Cembalist Justin Taylor mit dem Rondo grazioso aus Lazare Rameaus Triosonate Nr. 1, schönes Beispiel für den klassisch-französischen Cembalo-Stil des späten 18. Jahrhunderts. Mehr von der Familie Rameau, dem berühmten Onkel Jean-Philippe, seinem Sohn Claude-François und dem Bruder Claude gibt es auf der CD „Die Familie Rameau“, die Justin Taylor für das Label Alpha eingespielt hat. Einmal mehr beweist er hier, wie selbstverständlich und inspiriert junge französische Musikerinnen und Musiker inzwischen mit der historisch informierten Aufführungspraxis umgehen. Musik als Sprache des Herzens, voller Emotion, manchmal fast sentimental, aber auch virtuos und halsbrecherisch. Ergänzt werden die Rameau-Stücke mit einer musikalischen Hommage an diesen Komponisten von Claude Debussy. Sie hören SWR2 Treffpunkt Klassik, mein Name ist Bettina Winkler und ich stelle Ihnen heute einige spannende Neuerscheinungen aus dem Bereich der Alten Musik vor. Dazu gehören die geistlichen Konzerte von Georg Christoph Strattner, die das Karlsruher Gambenensemble Les Escapades zusammen mit Miriam Feuersinger, Monika Mauch, Alexander Schneider, Daniel Schreiber und Markus Flaig für das Label Christophorus aufgenommen hat. Protestantische Kirchenmusik aus dem 17. Jahrhundert, voller Farben- und Formenreichtum, musikalisch zwischen Schütz und Bach angesiedelt.

Musik 11 Georg Christoph Strattner: „Ich will den Herrn loben allezeit“ Miriam Feuersinger, Monika Mauch (Sopran) Alexander Schneider (Altus), Daniel Schreiber (Tenor) Markus Flaig (Bass) Les Escapades 00612 Christophorus CHR 77454, Take 1, 3‘53

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Hier waren sie alle zusammen zu hören, das Gamben-Ensemble Les Escapades und die Solistinnen und Solisten der neuen CD mit geistlichen Konzerten von Georg Christoph Strattner mit dem Titel- gebenden Stück „Ich will den Herrn loben allezeit“. Strattner stammt aus dem burgenländischen Gols und kommt dann durch seinen Vetter Samuel Capricornus nach Pressburg, wo er die angesagteste Musik seiner Zeit kennenlernt. Als Capricornus an den Stuttgarter Hof berufen wird, geht Strattner mit, wechselt nach dem Tod seines Vetters aber an den Hof Markgraf Friedrichs VI von Baden-Durlach. 16 Jahre ist er dort als Komponist angestellt und muss die Hofgottesdienste wöchentlich mit eigenen Werken bestücken. Danach wechselt er nach Frankfurt, verlässt aber wegen eines Ehebruch-Skandals die Stadt und kommt schließlich nach Weimar, wo Johann Sebastian Bach kurzfristig sein Vorgesetzter ist. Soviel zu Strattners Biographie. Zurück zu seiner Musik. Hier erweist sich der Komponist als äußerst innovativ und experimentiert erfolgreich mit madrigalischen Textvorlagen, also freien Dichtungen, die er mit Bibelwort und Choral verschränkt – und da sind wir schon auf direktem Weg zu Bachs Kantaten! Ich will Ihnen noch ein weiteres geistliches Konzert von Georg Friedrich Strattner vorstellen: „Du Hirt Israel, höre“. Transparent und gleichzeitig volltönend finden sich hier Solisten und Ensemble in perfektem Einklang zusammen.

Musik 12 Georg Christoph Strattner: „Du Hirt Israel, höre“ Miriam Feuersinger (Sopran) Alexander Schneider (Altus) Daniel Schreiber (Tenor) Markus Flaig (Bass) Les Escapades 00612 Christophorus CHR 77454, Take 5, 6’45

“Du Hirt Israel, höre”, ein geistliches Konzert von Georg Christoph Strattner, der mehrere Jahre seines Lebens in Stuttgart und Durlach verbracht hat. Aufgenommen hat sie das Karlsruher Gambenensemble Les Escapades zusammen mit Miriam Feuersinger, Monika Mauch, Alexander Schneider, Daniel Schreiber und Markus Flaig. Diese fünf bestechen sowohl mit ihren solistischen Qualitäten als auch mit ihrer Fähigkeit, chorisch zu singen. Les Escapades bildet dazu das adäquate Gegenüber, ein erprobtes Ensemble, das viel Erfahrung im Umgang mit diesem Repertoire mitbringt, aber nie in Routine zu erstarren droht. Immer finden sie unter der Leitung von Cosimo Stawiarsky einen lebendigen Zugang zu diesen geistlichen Konzerten. Erschienen ist ihre CD mit dem Titel „Ich will den Herrn loben allezeit“ beim Label Christophorus. Hier verbinden sich lokale Musikgeschichte mit überzeugender Interpretationskunst und füllen so eine wahrhaft füllenswerte Repertoire-Lücke. SWR2 Treffpunkt Klassik mit neuen CDs, ich bin Bettina Winkler. Jetzt sind wir fast schon am Ende der Sendung angekommen, aber noch ein Schmankerl habe ich für sie: Sonaten des Lautenvirtuosen Silvius Leopold Weiss, aber nicht gespielt auf der Laute, sondern auf einem Lautenklavier. Der Interpret: Wolfgang Rübsam, das Label: Brilliant Classics.

Musik 13 Silvius Leopold Weiss: Ouvertüre aus der Sonate d-Moll WeisSW 61 Wolfgang Rübsam (Lautencembalo) 09421 Brilliant Classics 95509, Take 1, 3’37

Die Ouvertüre zu einer Lautensonaten von Silvius Leopold Weiss in d-Moll, gespielt von Wolfgang Rübsam auf einem Lautenklavier. Weiss und Johann Sebastian Bach sind direkte Zeitgenossen, beide sterben im selben Jahr und beide haben sich wohl auch gekannt. Weiss ist zweimal in Leipzig zu Gast und hat gute Kontakte zu , der wie Weiss am Dresdner Hof tätig ist. Bachs Suite für Violine und Cembalo A- 7

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Dur BWV 1025 wurde erst kürzlich als eine Bearbeitung einer Lautensonate von Weiss identifiziert. Es wurde sogar zeitweise vermutet, Bach habe seine Lautenwerke für Weiss komponiert. Auf jeden Fall ist es gut möglich, dass Bach dessen Werke auf dem Lautenklavier gespielt hat, ein von ihm sehr geschätztes Instrument. Er besaß selbst zwei Exemplare und bezeichnete sie als Lautenwerck. Auch Wolfgang Rübsam schätzt dieses Instrument, wie man anhand seiner Diskographie schnell sehen kann. Ein Lautenclavicymbel oder Lautenklavier hat keine Metallsaiten wie ein Cembalo, sondern Darmsaiten. Dadurch klingt es viel weicher. Es vereint also die Bauart und virtuosen Möglichkeiten des Cembalos mit der klanglichen Intimität der Laute. Originale Instrumente sind leider nicht erhalten, es soll auch Kombinationen von Registern mit Darmbesaitung und aus Metall gegeben haben. Die Idee, die Lautenwerke von Silvius Leopold Weiss auf einem solchen Instrument zu spielen, hat also durchaus historische Wurzeln. Das Lautenklavier, das Wolfgang Rübsam spielt, hat der amerikanische Insrumentenbauer Keith Hill hergestellt. Es hat ein Manual mit einem Satz Darmsaiten und zwei Springern pro Saite, die an unterschiedlichen Stellen ansetzen. Dazu kommt noch ein Satz Resonanzsaiten aus Messing. Dadurch können ganz unterschiedliche Klangfarben entstehen.

Musik 14 Silvius Leopold Weiss: Bourée, Polonaise und Gigue aus der Lautensonate F-Dur WeisSW 97 Wolfgang Rübsam (Lautencembalo) 09421 Brilliant Classics 95509, Take 10-12, 5’12

Wolfgang Rübsam mit Bourée, Polonaise und Gigue aus der Lautensonaten F-Dur von Silvius Leopold Weiss, Werkverzeichnis 97, gespielt auf einem Lautenklavier von Keith Hill. Rübsam, Organist, Pianist, Komponist und Musikpädagoge, stammt ursprünglich aus Gießen, hat aber vor allem in den USA Karriere gemacht. Kleines Aperçu: er ist auch noch gelernter Herrenfriseur und hat einen eigenen Barbershop in Valparaiso, Indiana. In seinem Spiel schlägt sich unendlich viel Erfahrung mit dem barocken Repertoire und den damaligen Instrumenten nieder – Wolfgang Rübsams Diskographie zählt über 130 Tonträger! Deshalb war es ihm auch ein leichtes, die anspruchsvollen Weiss-Sonaten auf ein Lautenklavier zu übertragen. Ich schätze sein unaufgeregtes, konzentriertes Spiel, das gleichzeitig jede Menge Charme und auch Witz in den vielen, gezielt eingesetzten Verzierungen versprüht.

Musik 15 Silvius Leopold Weiss: Presto aus der Lautensonate G-Dur WeisSW 96 Wolfgang Rübsam (Lautencembalo) 09421 Brilliant Classics 95509, Take 30, 2’24

Eine letzte Kostprobe von Wolfgang Rübsams Einspielung der Lautensonaten von Silvius Leopold Weiss auf einem Lautenklavier, hier das finale Presto aus der Sonate G-Dur Werkverzeichnis 96. Erschienen ist diese Aufnahme beim Label Brilliant Classics. Das war SWR2 Treffpunkt Klassik mit neuen CDs. Wie immer finden sie die CD-Liste auf unserer Homepage unter SWR2.de, dort und auch mit der SWR2 App können Sie die Sendung ebenfalls anhören. Mein Name ist Bettina Winkler und ich wünsche Ihnen noch einen schönen Sonntag. Übrigens: Heute ist Muttertag – vielleicht sind meine CD-Empfehlungen ja eine kleine Anregung für ein nachträgliches Geschenk?

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