Deutscher – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020 23021

Ulrich Lange (A) ( [FDP]: Was ist jetzt die Vizepräsident : (C) Wahrheit? Haben Sie FDP gewählt oder Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen zur Aktuellen nicht? – Dr. [FDP]: Sie lieben Stunde liegen nicht vor. Ich schließe diesen Tagesord- die FDP, geben Sie es zu! Wahrscheinlich wäh- nungspunkt. len Sie sie sogar heimlich!) Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 a bis 14 c auf: § 33 PUAG besagt, dass wir einen Abschlussbericht zu a) Zweite und dritte Beratung des von der Bun- machen haben. Genau den haben wir abzuwarten, und das desregierung eingebrachten Entwurfs eines wollen Sie nicht. § 24 PUAG sagt Ihnen, was eine Gegen- Dritten Gesetzes zur Änderung des überstellung ist. Verwenden Sie nicht fälschlich das Wort Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes „Kreuzverhör“. Ein Kreuzverhör gibt es bei den Ameri- kanern, und die Amerikaner leben zurzeit leider von Fake Drucksache 19/21749 News. Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung und Landwirtschaft (Beifall bei der CDU/CSU) (10. Ausschuss) Lieber Kollege Özdemir, mit dem Untersuchungsaus- Drucksache 19/22700 schuss haben Sie ja wirklich nichts zu tun, aber anschei- nend mit der Wirtschaft. Und Sie glauben, dann beurtei- b) Zweite und dritte Beratung des von der Bun- len zu können, wer die Wahrheit spricht und wer lügt? Es desregierung eingebrachten Entwurfs eines ist schon bemerkenswert, dass Sie heute hier ausgerech- Dritten Gesetzes zur Änderung agrar- net für diejenigen Partei ergreifen und sie verteidigen marktrechtlicher Bestimmungen wollen, die Gegenstand einer Kleinen Anfrage Ihrer Par- Drucksachen 19/21984, 19/22817, tei im Bayerischen Landtag vom 30. September 2016 19/23054 Nr. 12 wegen eines Strafverfahrens aufgrund des Verkaufs von Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- Schwarzmarkttickets waren. schusses für Ernährung und Landwirtschaft ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (10. Ausschuss) NEN]: Was reden Sie?) Drucksache 19/23162 Wer über ehrenwerte Kaufmänner redet, der muss sich c) Beratung der Beschlussempfehlung und des die gesamte Geschichte der einzelnen Personen anschau- Berichts des Ausschusses für Ernährung und en, meine Damen und Herren; auch das gehört zur Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem An- (B) Bewertung, wenn man so selbstsicher sagt: Einer lügt, trag der Abgeordneten Dr. Gero Clemens (D) und einer spricht die Wahrheit. Hocker, , , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP (Beifall bei der CDU/CSU) Ergebnisoffenen Dialog mit Landwirten Meine Damen und Herren, auch die Aussage des Zeu- führen – Beratungen zu Agrarpaket und gen Schulz – lieber Kollege Krischer, der Zeuge Schulz Düngeverordnung auf wissenschaftliche hat Ihnen eines kaputtgemacht: die Show – war rechts- Grundlagen stellen und Betroffene einbe- staatlich in Ordnung. Es gehört zum Rechtsstaat, dass ziehen diejenigen als Zeugen aussagen dürfen, die an einem Drucksachen 19/16476, 19/17879 Termin teilgenommen haben. Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ände- (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- rung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes liegt NEN]: Warum sagen sie das nicht drei Wochen ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor. vorher?) Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten Und wenn Sie einen Zeugen nicht wollen, dann zeigt es, beschlossen. – Ich eröffne die Aussprache, sobald Sie dass dieser Zeuge vielleicht eine Aussage bringt, die alle die Plätze gewechselt haben und die für die Debatte Ihnen nicht passt. nötige Ruhe eingekehrt ist. Ich eröffne die Aussprache und rufe den ersten Redner (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- in der Debatte auf. Das ist der Kollege Hermann Färber NEN]: Er hat eine super Aussage gemacht!) von der CDU/CSU. Aber wer an der Wahrheit arbeitet, muss alle hören. (Beifall bei der CDU/CSU) Das ist unsere Aufgabe; dafür gehen wir jetzt wieder aus dem Plenum zurück in den Untersuchungsausschuss. Hermann Färber (CDU/CSU): Wir suchen die Wahrheit, und die finden wir definitiv Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- nicht hier in dieser Aktuellen Stunde. Sie war leider ein ren! Mit dem vorliegenden Gesetz kürzen wir die Direkt- klassisches Beispiel für den Missbrauch des Plenums. zahlungen der Landwirte im Haushaltsjahr 2021 um Danke schön. 6 Prozent und schichten dieses Geld von der erste in die zweite Säule der GAP um. Im Jahr 2022 stehen dann (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. damit insgesamt 295 Millionen Euro für die Förderung Dr. [AfD]) der ländlichen Räume zur Verfügung. Die Länder können 23022 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020

Hermann Färber (A) damit ihre Förderprogramme im Bereich des Natur- und (Dr. [DIE LINKE]: Warum (C) Umweltschutzes mit ausreichenden Finanzmitteln aus- sind sie dann arm?) statten. „Mehr Maßnahmen für Umweltschutz und Kli- Wir haben in diesem Zusammenhang, ehrlich gesagt, maschutz“, so lautet die zentrale Forderung der Öffent- einen ganz anderen Eindruck. Die immer wiederkehrende lichkeit. Wir setzen hiermit ein wirksames Zeichen. Forderung nach einer Weidetierprämie scheint uns eher Wichtig ist uns aber, dass die Gelder an die landwirt- mit einem Versprechen bestimmter Gruppierungen an die schaftliche Mittelvergabe gebunden bleiben. Schäfer verbunden, ( [CDU/CSU]: So ist das!) (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Der war gut! Das ist ja lächerlich!) Denn dieser Betrag, den wir aus der ersten Säule entneh- men und der unserer Umwelt zugutekommen soll, wird und zwar mit dem Versprechen, für diese Weidetierprä- erst mal auf den Höfen, in den Betrieben fehlen, sowohl mie das eigentlich große Problem, nämlich die zuneh- für die Einkommenssicherung wie auch für die Risikoab- mende Bedrohung durch die Wolfsrisse, zu verschwei- sicherung. gen. Das tragen wir nicht mit. Ich möchte an dieser Stelle auch noch darauf hinwei- (Beifall bei der CDU/CSU) sen, dass es in der ersten Säule der GAP bereits viele Ich bin aber durchaus bereit, mit Ihnen einen Volle- Maßnahmen gibt, die unsere Bäuerinnen und Bauern rwerbsbetrieb mit Schafhaltung zu besuchen, unter der ergreifen, um Artenvielfalt und ökologische Lebensräu- Voraussetzung, dass dann auch alle Zahlen auf den Tisch me zu schützen. Dafür gebühren ihnen unsere Anerken- kommen, dass die Zahlen alle komplett offengelegt wer- nung und unser Respekt. den. Allerdings müssen Sie dann umgekehrt mit mir auch (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. in einen Betrieb gehen, der durch Wolfsrisse geschädigt Michael Theurer [FDP]) ist. Keinen Respekt vor den Bauern zeigt dagegen die FDP (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ich bin mit ihrem Antrag. ständig in solchen Betrieben!) (Michael Theurer [FDP]: Lüg doch nicht! Und dann schauen wir, was dabei herauskommt. Unglaublich!) Wir stimmen für den Gesetzentwurf der Bundesregie- Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie verschaukeln die rung, lehnen aber den Antrag der FDP und den Entschlie- Bauern mit Ihrem Antrag für einen ergebnisoffenen Dia- ßungsantrag der Linken ab. log zur Düngeverordnung. Es kann doch keinen ergebni- Herzlichen Dank. (B) soffenen Dialog mehr geben, nachdem wir rechtskräftig (D) vom Europäischen Gerichtshof verurteilt wurden und (Beifall bei der CDU/CSU) nach 29 Jahren und mehreren Anläufen endlich eine Dün- geverordnung auf den Weg gebracht haben. Da gibt es Vizepräsident Thomas Oppermann: keinen ergebnisoffenen Dialog; da gibt es eine Umset- Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der zung. AfD der Kollege . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Beifall bei der AfD) neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Stephan Protschka (AfD): Zu behaupten, dass es noch Alternativen gibt, um ein Herr Präsident! Habe die Ehre, liebe Kolleginnen und Vertragsverletzungsverfahren zu vermeiden, ist einfach Kollegen! Gott zum Gruße, liebe Gäste im Hohen Haus unredlich. Sie benutzen die Bauern, um daraus politisch und zu Hause vor dem TV-Gerät! Liebe Kollegen von der irgendwie Nektar zu saugen. Das geht so gar nicht. CDU/CSU, mit dieser Rechtsverordnung verarscht ihr aber schon eure Wähler nach Strich und Faden, oder? (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Bäuerliche Familienbetriebe – das wisst ihr ja wohl [SPD]) selbst – denken in Generationen und brauchen Verläss- Zum Antrag der Linken für eine Weidetierprämie – er lichkeit und Planbarkeit. Aber auf was sollen sich die wird ja immer wieder eingebracht – möchte ich Folgen- deutschen Bauern eigentlich noch verlassen, wenn Sie des sagen: hier jedes Mal Ihr Wort brechen und die heimische Land- (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Bis er be- wirtschaft regelmäßig mit einer neuen Auflagen- und schlossen wird! So lange machen wir das!) Verbotsflut überziehen? Wir lehnen gekoppelte Zahlungen grundsätzlich ab, weil Wir erinnern uns: Genau vor einem Jahr haben Sie die sie in der Vergangenheit in Europa zu Marktverzerrun- Direktzahlungen umgeschichtet und damit die deutschen gen, aber auch zu Fehlanreizen geführt haben. Die meis- Bauern um 75 Millionen Euro beraubt. Das sind wichtige ten Schäferinnen und Schäfer verfügen über Grünlandflä- Mittel, die nun erneut auf den Höfen fehlen. Sie, Herr chen. Sie profitieren von den Direktzahlungen in der Färber, haben damals im Ausschuss hoch und heilig ver- ersten Säule, wo die Prämien ja deutlich gestiegen sind. sprochen, dass das eine einmalige Aktion sei und nur für Aber genauso profitieren sie von den Zahlungen in der das Jahr 2020 gelten würde. zweiten Säule, die ja gerade heute durch diese Umschich- (Hermann Färber [CDU/CSU]: Deshalb stim- tung finanziell gestärkt wird. men wir heute wieder darüber ab!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020 23023

Stephan Protschka (A) Ja, und Ihr Herr Kollege von der CSU – denn nur mit der AfD funktionieren Landwirtschaft, (C) er stand damals genau hier – hat im Hohen Hause noch Umweltschutz und Tierschutz. betont, dass er zur Vertragstreue und zur Zuverlässigkeit Danke, meine Damen und Herren. gegenüber unseren Bauern stehen und die Umschichtung deshalb ablehnen würde. Trotzdem hat er dann der (Beifall bei der AfD) Umschichtung zugestimmt, und trotzdem wollen Sie nun, entgegen Ihren ganzen Versprechungen, nochmals Vizepräsident Thomas Oppermann: umschichten. Für eine Regierungserklärung war es noch ein bisschen (Albert Stegemann [CDU/CSU]: Das ist jetzt früh, würde ich sagen. inhaltlich aus dem Zusammenhang gerissen! Das stimmt nicht! Das war nicht absehbar!) (Heiterkeit) Bekommen Sie eigentlich nicht mit, dass die Landwirte Als Nächster hat das Wort der Kollege Rainer Spiering seit einem Jahr regelmäßig zu Zehntausenden gegen Ihre für die Fraktion der SPD. verfehlte und fachfremde Agrarpolitik auf die Straße gehen? Die Bauern haben die Schnauze gestrichen voll (Beifall bei der SPD – [CDU/ von Ihnen. CSU]: Rainer, kommentier das mal passend!) Und was ist das eigentlich für ein Zeichen für unsere Landwirte, wenn Sie ihnen angesichts der von Ihnen ver- Rainer Spiering (SPD): ursachten Lockdown-Krise und der jetzt auftretenden Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Afrikanischen Schweinepest nun abermals tief ins Porte- Protschka, in Abwandlung eines Wortes bei uns zu Hau- monnaie greifen? Mit der Alternative für Deutschland ist se: Gott schütze uns vor Eis und Schnee – und vor Ihnen dies auf jeden Fall nicht zu machen. Wir stehen fest hinter als Landwirtschaftsminister. der deutschen Wirtschaft; wir stehen fest hinter der deut- (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der schen Landwirtschaft. SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNIS- (Beifall bei der AfD – Dr. Kirsten Tackmann SES 90/DIE GRÜNEN) [DIE LINKE]: Das haben sie nicht verdient!) Und übrigens – das meine ich jetzt ganz ernst –: Wenn Wenn sich ein Hoftor erst einmal geschlossen hat, dann ich deutscher Landwirt wäre und Sie im Rücken hätte, geht es nie wieder auf. Ich glaube, das wissen die Kol- würde ich ausgesprochen vorsichtig sein und immer legen von der Union am besten; es sind ja viele Landwirte einen Rückspiegel in der Hand haben. (B) dabei. Vernünftige Agrarpolitik muss deshalb die wirt- (D) schaftliche Existenz der bäuerlichen Landwirtschaft Zur Sache. Wir haben die Möglichkeit, 15 Prozent der schützen. Für die AfD ist es selbstverständlich. Wir leh- Mittel in die zweite Säule umzuschichten. Ich persönlich nen daher Ihre Verordnung ab. hätte das gut gefunden; aber es gehört zum demokrati- schen Gebaren, zu akzeptieren, dass wir eine zweite Liebe Frau Klöckner – heute leider nicht da –, lieber Kammer haben. In dieser zweiten Kammer sitzen nahezu Herr Fuchtel, liebe CDU/CSU, ich kann es ja verstehen, alle Parteien, die hier im Bundestag vertreten sind. Man dass Sie sich den Grünen schon anbiedern müssen, hat sich auf 6 Prozent der Direktzahlungsmittel verstän- (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- digt, und damit ist das für uns gut und in Ordnung, und NEN) wir werden dem selbstverständlich zustimmen. weil es der Koalitionspartner für die nächste Wahlperiode Eines hat mich ein bisschen traurig gemacht: Es gab ist, ganz nach dem Motto: Was interessiert mich mein vom Bundesrat die Empfehlung, Geld für die Weidetier- Geschwätz von gestern, Hauptsache, der dicke BMW prämie zur Verfügung zu stellen. Das ist von hohem oder Mercedes bleibt draußen stehen, damit ich weiter- Interesse. Gerade der Kollege aus dem Hoch- fahren kann – aber doch bitte nicht auf Kosten unserer sauerlandkreis, in dem eine starke Weidetierhaltung vor- Wirtschaft und nicht auf Kosten unserer Landwirtschaft! handen ist, hätte das sehr gerne gesehen. Ich glaube, wir haben eine Chance vergeben, den Milchviehwirten und ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: den Schäfern in Deutschland eine Hilfe für den Erhalt Oh, nicht weinen!) ihrer Höfe zu geben. Eine solche Hilfe ist nun leider nicht Ich danke hier noch mal allen deutschen Landwirten, mehr möglich. Ich bedaure das sehr. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ich NEN]: Und Landwirtinnen! – Hermann Färber auch! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE [CDU/CSU]: Nur den deutschen?) GRÜNEN]: Bedauern allein hilft aber nicht!) die trotz der Arbeit dieser Regierung durchhalten und für Für mich ist aber entscheidender als das Durchfüh- uns alle hochwertige Lebensmittel produzieren. Mit mir rungsgesetz, das wir heute verabschieden werden: Wie als Landwirtschaftsminister wird es in Zukunft wieder geht es mit der GAP 2021 weiter? Wir haben gestern Verlässlichkeit und Vernunft geben; Abend einen sehr interessanten Vortrag vom Deutschen (Beifall bei der AfD – Lachen bei der CDU/ Verband für Landschaftspflege gehört. In diesem ging es CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE um einen Vorschlag, GAP-Mittel zu verwenden. Viele GRÜNEN – Tobias Zech [CDU/CSU]: Es ist von denen, die hier heute vortragen, haben ihn gestern besser, Sie hören jetzt auf!) gehört. 23024 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020

Rainer Spiering (A) ( [CDU/CSU]: Der als die Schwarz-Gruppe, zu der auch Lidl gehört, oder (C) Protschka nicht!) wie sie alle heißen. Da hätte ich Sie gerne an meiner Seite. – Herr Protschka nicht. – Der Vorschlag des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege – ihn würde ich sehr (Beifall bei der SPD) ernst nehmen – verausgabt GAP-Mittel für Leistungen Ich komme jetzt zu einem Thema, das mir besonders gegenüber dem Gemeinwohl. Ich fand an dem Vorschlag am Herzen liegt. Die Klassifizierung, die Sie vorgeschrie- ausgesprochen spannend und charmant, dass die Mittel ben haben, ergibt nur dann einen Sinn, wenn sie schnell regional einsetzbar sind. Es sind 19 Punkte, die auch in wirksam ist. Das heißt, nicht 1 000 Blätter ausfüllen, Euro dotiert werden und die die Möglichkeit schaffen, je nicht Ordner füllen, sondern den Landwirtinnen und nach regionalen Unterschieden – unser Land ist ja land- Landwirten mit ganz einfachen Mitteln die Möglichkeit wirtschaftlich regional sehr unterschiedlich aufgestellt – geben, die Daten in einen Rechner einzugeben, digital an den einzelnen Landwirt für seine Arbeit zu entlohnen. Ich eine Behörde zu schicken, und zwei Stunden nachdem sie fand das total spannend. Es ist die Möglichkeit, Kollegin- sie abgeschickt haben, bekommen sie eine digitale Ant- nen und Kollegen, GAP-Mittel sinngerecht einzusetzen. wort und wissen, wie viel Euro sie in ihrer Tasche haben. Bevor ich mich auf die Verteilung dieser Mittel kon- Dafür zu sorgen, das wäre Aufgabe der Bundesrepublik zentriere, noch mal die grundsätzliche Frage: Worüber Deutschland und nicht der Landwirte. verfügen wir hier? Das sind Steuermittel aus Deutschland (Beifall bei der SPD) für Europa, die zurückfließen. Für diese Steuermittel hat dieses Haus Verantwortung. Was machen wir mit dem Abschließend: Ich hatte heute Morgen den französi- Geld? Wir geben das Geld in die Fläche. Bis auf die schen Agrarattaché bei uns im Haus. Ich habe gefragt: 6 Prozent, die in die zweite Säule fließen – es kommt Wie macht ihr das in Frankreich? Er gab eine erstaunliche noch ein bisschen was dazu –, machen wir Flächenförde- Antwort: Kappung bei 100 000 Euro. – Ich habe gefragt: rung. Was macht ihr mit dem übriggebliebenen Geld? – Und jetzt kommt für Sie alle die erstaunliche Antwort: Sie Was ist die Folge davon? Ein Hof, der sich um Weide- geben es in Tierhaltung und Biodiversität. Genau das tiere kümmert, der kleinteilige Arbeit macht, der rackert muss unser Ansatz sein. Wenn wir die Borchert-Kommis- und macht und tut, aber leider nur 15 Hektar hat, kriegt sion am Leben halten wollen, wenn wir das Geld zur 4 500 Euro pro Jahr. Ein Grundbesitzer, der 1 000 Hektar Verfügung stellen wollen, dann brauchen wir genau das- hat, bekommt 300 000 Euro. Wenn mir jemand diese selbe, was die Franzosen haben: Kappung, keine Beloh- Systematik erklären kann, und zwar so, dass für mich nung von Fläche, sondern Geld in die Arbeit und die einsehbar ist, dass es einen sozialen, ökologischen und Tierhaltung mithilfe der Digitalisierung. Wir können (B) wirtschaftlichen Sinn hat, dann wäre ich dankbar. Aber das schaffen. Hier sind die Franzosen ein sehr gutes Bei- (D) ich kann die Erklärung nicht finden, beim besten Willen spiel. Ich wäre sehr froh und dankbar, wenn wir diesen nicht. Weg gemeinsam gehen würden. (Hermann Färber [CDU/CSU]: Sie waren aber Herzlichen Dank. gestern auch da!) (Beifall bei der SPD) – Hermann, ich komme ja gleich dazu. Wir machen ja hier keine Zwiesprache. Vizepräsident Thomas Oppermann: Was ich an der Geschichte besonders schlimm finde: Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der Nicht ganz ohne Grund beklagen sich viele Landwirtin- FDP der Kollege Dr. Gero Clemens Hocker. nen und Landwirte über die Macht des deutschen Lebens- (Beifall bei der FDP) mitteleinzelhandels. Wenn ich jetzt in die neuen Bundes- länder schaue und mir dort angucke, wer aufkauft, dann Dr. Gero Clemens Hocker (FDP): finde ich sie alle, besonders die Lidl-Gruppe und die Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen Aldi-Gruppe. Das, was Sie hier protegieren, hilft den und Herren! Die Bundesregierung hat vor etwa einem Lebensmitteleinzelhändlern, ihre Kapitalmacht noch halben Jahr Landwirtschaft erstmals als systemrelevant stärker zu machen. Kolleginnen und Kollegen im ganzen bezeichnet. Wir haben das damals ausdrücklich begrüßt, Haus: Das können wir nicht wollen. weil wir genauso wie viele Tausend Betriebe in Deutsch- (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie land damit die Hoffnung verbunden haben, dass Land- bei Abgeordneten der CDU/CSU) wirte endlich tatsächlich honoriert werden für ihre Arbeit und dafür, dass sie uns in Krisen- und auch in Nicht- Wenn Sie diesen Widerspruch auflösen wollen, dann krisenzeiten hochwertigste Lebensmittel zu niedrigen tun Sie etwas, was klassisch sozialdemokratisch ist: Preisen anbieten. Belohnen Sie Arbeit. Belohnen Sie gute Arbeit. Aber Wertschätzung alleine reicht nicht aus. Mit dem Jetzt zu den 19 Punkten des Deutschen Verbandes für Begriff der Systemrelevanz sollte eigentlich verbunden Landschaftspflege. Je nach Region aufgeteilt – ob Lehm- sein, dass solche Branchen in Krisenzeiten nicht noch boden, Sandboden, Steinboden oder, oder; mit einer zusätzlich mit Auflagen belegt werden. Doch das ist in Klassifizierung – wird dort tätige Arbeit belohnt. Dann diesem Bereich nicht gelungen. Der Koalitionsausschuss können Sie ein System entwickeln, bei dem Sie auch selber hat noch am 22. April 2020 davon gesprochen, kleinere Höfe mit harter Arbeit viel, viel besser belohnen dass es ein Belastungsmoratorium für besonders relevan- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020 23025

Dr. Gero Clemens Hocker (A) te Branchen geben muss. Trotzdem ist die Düngeverord- Gegenteil: Das Geld landet zwar rechnerisch bei den (C) nung beschlossen worden; trotzdem diskutieren wir hier Agrarbetrieben, aber real profitieren ganz andere davon, in diesem Hohen Hause über zusätzliche Auflagen für zum Beispiel Bodenspekulanten, die die Bodenpreise Nutztierhalter durch Insektenschutzprogramme, Acker- explodieren lassen, oder Saatgut-, Verarbeitungs- oder baustrategien und viele andere Dinge mehr. Meine Handelskonzerne, die das Geld abschöpfen. Das ist ein Damen und Herren von der Bundesregierung, es ist uner- Fehler im System; das muss dringend geändert werden. träglich, wie wenig von Begriffen wie „Systemrelevanz“ oder „Belastungsmoratorium“ tatsächlich bei der Land- (Beifall bei der LINKEN) wirtschaft in Deutschland ankommt. Sonst bleibt es nämlich dabei, dass Fördermittel letzten (Beifall bei der FDP) Endes bestenfalls Symptome lindern. Aber geheilt wer- Auch Ihre Vorschläge zur Änderung des Direktzahlun- den muss doch die Krankheit. gen-Durchführungsgesetzes verstoßen gegen den Grund- satz, Betriebe nicht mit zusätzlichen Auflagen zu bele- (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!) gen; denn wenn Sie Gelder aus der ersten in die zweite Also: Schluss mit der konzernfreundlichen Agrarpolitik! Säule umschichten, dann hat das nur einen Effekt: dass Es muss das Prinzip gelten: Öffentliches Geld für öffent- der Landwirt künftig für das gleiche Einkommen mehr liche Leistungen. arbeiten muss, mehr Auflagen erfüllen muss, mehr Büro- kratiearbeit, mehr Dokumentation leisten muss. Und dazu (Beifall bei der LINKEN) sage ich Ihnen ganz ehrlich: Es ist unredlich, von „Sys- temrelevanz“ und „Belastungsmoratorium“ zu sprechen Dieses Prinzip muss nicht nur, aber eben auch in der und gleichzeitig Landwirte mit zusätzlichen Auflagen zu Agrarförderung gelten. belegen, meine Damen und Herren. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft muss für die (Beifall bei der FDP) kommende Förderperiode endlich die richtigen Weichen Ich sage Ihnen das ganz ausdrücklich: Wenn Sie tat- stellen; denn es geht um viel. Es geht um die Sicherung sächlich vorhaben, verehrter Herr Staatssekretär, verehrte unserer Ernährungssouveränität, um den Schutz von Kollegen der Bundesregierung, Gelder aus der ersten in Wasser, Boden, Luft und Klima. Eine nachhaltige Land- die zweite Säule umzuschichten, dann kann das nur pas- wirtschaft ist doch in unser aller Interesse. sieren, nachdem sie die Landwirte umfänglich von Büro- kratie entlastet haben. Diese Bürokratie nutzt häufig (Beifall bei der LINKEN) genug nur denjenigen, die die Einhaltung bürokratischer (B) Ohne Einigung zur neuen EU-Förderperiode gilt das (D) Vorgaben kontrollieren dürfen; aber sie leistet häufig alte Regelwerk. Aber auch mit diesem wäre deutlich genug einen Bärendienst für Boden, Luft, Wasser und mehr Nachhaltigkeit möglich, als Union und SPD heute Tierwohl. liefern. Dieses erneute Versagen hinterlässt ausgerechnet Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. die Schaf- und Ziegenhaltenden in einer bedrückenden Situation. Eigentlich machen sie alles richtig: Sie halten (Beifall bei der FDP) die Tiere so, wie die Gesellschaft das erwartet. Sie pfle- gen Kulturlandschaft und Deiche. Sie erhalten das Grün- Vizepräsident Thomas Oppermann: land. Sie schützen die biologische Vielfalt und das Klima. Vielen Dank. – Als Nächstes spricht für die Fraktion Sie kümmern sich um den Herdenschutz. Sie produzieren Die Linke die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann. mit Wolle einen nachwachsenden Rohstoff. Sie produzie- ren nachhaltig Lebensmittel. Aber: Das Schaf nährt eben (Beifall bei der LINKEN) längst nicht mehr seine Hirten. Freiwillige Programme ändern an der Selbstausbeutung leider sehr wenig. Des- Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): halb fordert Die Linke heute erneut eine Weidetierprä- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In mie, nicht als Almosen, sondern weil die Arbeit dieser dieser Debatte geht es um die sogenannte erste Säule nachhaltigen Landnutzung endlich ernsthaft bezahlt wer- der EU-Agrarförderung, auch Direktzahlungen oder Flä- den muss. chenprämie genannt. Das sind für Deutschland jährlich immerhin mehrere Milliarden Euro aus dem EU-Haus- (Beifall bei der LINKEN) halt. Für die Verwendung von so viel Steuergeld haben wir in der Tat auch als Gesetzgeber eine große Verant- Leider wird die Mehrheit heute aus dogmatischen wortung. Gründen ihre Zustimmung wieder verweigern. Aber es gibt Möglichkeiten zur Wiedergutmachung, und zwar Formal sollen vor allem drei Probleme gelöst werden: sehr bald. Wir als Linke werden für den Bundeshaus- Erstens sollen Einkommen und Risiken abgesichert wer- halt 2021 erneut ein Bundesprogramm „Schafhaltung“ den, zweitens sollen die zum Teil erheblichen beantragen, das den Namen auch wirklich verdient. Das Schwankungen der Agrarpreise abgesichert werden, und sollte und muss uns die Schaf- und Ziegenhaltung wirk- drittens sollen gesellschaftliche Leistungen, die nicht lich wert sein. über den Markt bezahlt werden, ausgeglichen werden. Das sind für viele Agrarbetriebe in der Tat sehr ernsthaf- Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. te, oft sogar existenzielle Risiken. Nur, die Probleme werden auf diese Weise überhaupt nicht gelöst. Im (Beifall bei der LINKEN) 23026 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020

(A) Vizepräsident Thomas Oppermann: Wir brauchen die Neuausrichtung der Tierhaltung. Die (C) Vielen Dank. – Als Nächster spricht zu uns der Kollege Kuh muss raus aus dem Stall; sie muss wieder auf der für die Fraktion Bündnis 90/Die Weide sichtbar werden. Grünen. (Lachen bei Abgeordneten der FDP) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nur so können wir den großen Graben zwischen Land- wirtschaft und Gesellschaft wieder schließen. Aber Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nichts, gar nichts tun Sie dafür. NEN): Wir brauchen endlich Lösungen für die vielen, vielen Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Probleme bei Umwelt, Klima und Biodiversität. Wir Grünen stimmen der Änderung agrarmarktrechtlicher brauchen deshalb hohe Ambitionen für die GAP nach Bestimmungen im Rahmen des Coronapaketes ausdrück- 2021, die auch die Gestaltungsmöglichkeiten auf nationa- lich zu. Wir stimmen auch dem Entschließungsantrag der ler Ebene endlich nutzt. Linken, den Weidetierhaltern, den Schaf- und Ziegenhal- tern, endlich zu helfen, ausdrücklich zu. Wir brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine neue Agrarpolitik mit starken Eco-Schemes, den soge- (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- nannten Umweltleistungen, und eine Honorierung von NIS 90/DIE GRÜNEN) Gemeinwohlleistungen durch eine Gemeinwohlprämie. Wer das gestern Abend nicht verstanden hat, der wird Bei der Abstimmung über den Entwurf eines Dritten es, glaube ich, nicht mehr verstehen. Gesetzes zur Änderung des Direktzahlungen-Durchfüh- rungsgesetzes, betreffend den GAP-Übergangszeitraum (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 2021, enthalten wir uns. Dieses Gesetz gäbe uns die Mög- Wir brauchen eine starke Konditionalität: mit Moor- und lichkeit, wie schon der Kollege Spiering ausführlich dar- Grünlandschutz, mit vielen ökologisch wirksamen Ver- stellte, substanzielle Änderungen jetzt vorzunehmen. bundflächen für Artenvielfalt. Wir brauchen eine starke Aber Ministerin Klöckner und CDU/CSU zeigen null zweite Säule für eine zielgenaue Förderung einer bäuer- Bereitschaft – wie immer, meine lieben Kolleginnen lichen Landwirtschaft. und Kollegen. Nur so, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann es eine (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zukunftsperspektive für die bäuerliche Landwirtschaft Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- geben. Gehen wir es endlich an! NEN]: Wie immer! – [BÜND- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (B) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie immer! Keine (D) Veränderung!) Vizepräsident Thomas Oppermann: Stattdessen bauen Sie Potemkinsche Dörfer, hinter denen die vielen Probleme der Landwirtschaft verschwinden. Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist der Traurig, hinter der Showkulisse gibt es nur Stillstand Kollege für die Unionsfraktion. und keine Entwicklung. (Beifall bei der CDU/CSU) Das ist Ihre Arbeitshaltung zur GAP. Sie lassen zum Beispiel – leider – die Möglichkeit verstreichen, 15 Pro- Dieter Stier (CDU/CSU): zent der Gelder aus der ersten Säule – das ist diese unsin- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und nige Verteilung nach Fläche – in die zweite Säule umzu- Kollegen! Unsere Landwirte in Deutschland wurden be- schichten, so wie immer. Wieder brutalstmögliche reits vor Beginn der Coronapandemie sehr hart geprüft. Zurückhaltung bei Ihnen, statt voranzugehen, sich end- Scharfe Urteile, raue Töne und offene Anfeindungen sind lich für eine Weiterentwicklung der GAP mit wirksamen leider Alltag für fast jeden Tierhalter und Betriebsinha- Zukunftsperspektiven einzusetzen. ber. Leider hat das Verständnis für ihre tägliche Arbeit seitdem weitere Rückschläge einstecken müssen. Ich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – möchte daher zu Beginn meiner Anmerkungen unseren Albert Stegemann [CDU/CSU]: Das ist das Landwirten die oft versagte Anerkennung aussprechen, Geld der Bauern!) die sie dringend nötig und verdient haben und die – lassen Zum Glück ist es ja nur eine Übergangslösung für Sie mich das bitte ergänzen – von diesem Haus nur selten 2021, okay. Aber: Wie soll denn je der Umbau der GAP überzeugend von allen hier vertretenen Fraktionen über- zu einem Zukunftsinstrument gelingen, wenn Sie schon mittelt wird. die kleinsten Möglichkeiten nicht wahrnehmen? Es geht (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. um die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland. Wir Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) brauchen endlich eine Neuausrichtung der Agrarpolitik. Sie aber lassen wieder alles offen. Wir brauchen eine Wir sollten mit der Fehlbeurteilung aufräumen. Land- deutliche Regionalisierung der Erzeugung, eine Ausrich- wirtschaft ist mehr als nur stinkende Gülle und mehr als tung auf Qualität statt Masse für den Weltmarkt. Das laute staubverursachende Traktoren. Deswegen sage ich müssen Sie endlich angehen, liebe Kolleginnen und Kol- einen Dank an all jene in der Landwirtschaft und Tier- legen. haltung, die bis heute trotz dieser massiven Widerstände, trotz teilweise anhaltender Trockenheit, trotz ständig (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) steigender Bodenpreise und anderer Widrigkeiten unsere Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020 23027

Dieter Stier (A) Ernährungsgrundlagen sichern, auch in Zeiten einer Pan- Diese Behauptung, liebe Freunde, ist einfach falsch. (C) demie. Wir alle sollten diese Leistung vorurteilsfrei aner- Sie lässt sich auch leicht widerlegen. Als die Landwirte kennen. vor knapp einem Jahr in zahlreichen Städten, insbeson- dere auch hier in Berlin, ihren Unmut zum Ausdruck (Beifall bei der CDU/CSU) brachten, war es da draußen vorm Brandenburger Tor Für mich ist klar: Nur ein Mindestmaß an Respekt kann Ministerin Klöckner, die sich den 40 000 geduldig zum die Grundlage für alle weiteren Diskussionen sein. Dialog gestellt hat. Verweigerungshaltung, lieber Kollege Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute stehen mehre- Hocker, sieht anders aus. Dafür haben selbst Kritiker re Dinge zur Beratung an: das Direktzahlungen-Durch- Anerkennung gehabt. führungsgesetz, die Änderung agrarmarktrechtlicher Bestimmungen, welche insbesondere europarechtliche Vizepräsident Thomas Oppermann: Umsetzungen beinhalten, aber auch ein Antrag der Gestatten Sie denn dem Kollegen Hocker eine Zwi- FDP-Fraktion vom Januar, dessen heutige Beratung aus schenbemerkung? meiner Sicht eigentlich schon durch den langen Zeitab- lauf entbehrlich gewesen wäre. Dieter Stier (CDU/CSU): Zum Direktzahlungen-Durchführungsgesetz und zur Aber selbstverständlich gestatte ich dies dem Kollegen Umschichtung der Mittel von der ersten in die zweite Hocker. Säule hat der Kollege Färber schon die bedeutendsten Punkte ausgeführt, die Vor- und Nachteile abgewogen. Dr. Gero Clemens Hocker (FDP): Es liegt jetzt bei den Ländern, bei der Umsetzung der Vielen Dank, verehrter Herr Kollege, dass ich diese Förderprogramme die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Zwischenfrage stellen darf. – Sie haben eben ja ausge- Ja, als Abgeordneter aus Sachsen-Anhalt kann ich führt, dass ein Dialog zwischen der Bundesregierung und Ihnen sagen, lieber Artur, dass bei uns die Vorgewende den Landwirten stattfindet. Würden Sie mir zustimmen, sicherlich etwas weiträumiger sind als in Süddeutsch- dass zu Beginn dieses Dialogs, zu dem ja über 40 Gruppen land. Deshalb ist es richtig, dass die Länder auch unter- und Organisationen eingeladen wurden, schon Referen- schiedliche Förderschwerpunkte bei der Umsetzung set- tenentwürfe kursiert haben, in denen es darum ging, wie zen können. in Zukunft Düngeverordnungen und weitere maßgebliche Ja, ich verstehe nicht, warum in meiner Heimatstadt Regelungen für Landwirtschaft auszusehen haben? Und Weißenfels zwar ein hochmoderner Schlachtbetrieb wollen Sie tatsächlich an Ihrer Aussage festhalten, dass arbeitet, aber seit dem Fall der Mauer die Tierhaltung es ein Dialog auf Augenhöhe ist, wenn die Ergebnisse zu (B) dort immer mehr schwindet. Ich kann denen, die das Beginn dieses Dialogs eigentlich schon festgestanden (D) zuständige Ressort in Sachsen-Anhalt verantworten, nur haben? zurufen: Setzen Sie andere Förderschwerpunkte! Unser Gesetzentwurf macht es möglich. Dieter Stier (CDU/CSU): (Zuruf der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/ Lieber Herr Kollege Hocker, vielen Dank für die Fra- DIE GRÜNEN]) ge. Die beantworte ich ganz kurz: Bei uns kursieren stän- dig Entwürfe, weil wir nämlich ständig arbeiten und des- Lassen Sie mich auch zum Antrag der FDP einige halb fortdauernd Ideen entwickeln. Die werden wir auch Anmerkungen machen. Ich stimme Ihnen vollkommen mit den Gruppen rechtzeitig besprechen; und das haben zu, wir zu dieser Zeit auch getan. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten der AfD) Tackmann [DIE LINKE]: Das ist meistens der dass Landwirte selbstbestimmte und wirtschaftlich eigen- Sinn von Entwürfen, dass man darüber redet! – verantwortliche Unternehmer sind und auch künftig blei- Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/ ben. DIE GRÜNEN]) (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das war Was, meine Damen und Herren – damit komme ich jetzt zu früh geklatscht!) noch einmal zum Antrag der FDP –, unterscheidet uns von Ihrem Antrag? Die Ministerin verspricht eben nichts, Das sehe ich genauso, und dafür müssen wir alles tun, was falsche Hoffnungen weckt, sondern sie sagt ganz und das ist auch unser Leitbild. schlicht, was möglich ist. Ich teile weiterhin Ihre Überzeugung, die uneinge- (Hermann Färber [CDU/CSU]: Genau!) schränkt richtig ist, dass zur Ausrichtung der Betriebe verlässliche und langfristige Rahmenbedingungen erfor- Spätestens hier treten die großen Unterschiede zwischen derlich sind. Hier gibt es überhaupt keine Unterschiede in Ihnen und uns in Sachen Herangehensweise auch zutage. der Betrachtungsweise. Aber Ihr abenteuerlicher Vor- Ihr Antrag stellt Scheinlösungen ins Schaufenster, die Sie wurf, wir würden uns bewusst jeglichem ernstgemeinten dann natürlich nicht verantworten müssen. So kommen Dialog verweigern, den kann ich für mich, aber sicherlich wir nicht voran. auch für die Kolleginnen und Kollegen der Großen Koali- Übrigens – noch ein letzter Satz –: Der Dialog auf tion so nicht im Raum stehen lassen. Augenhöhe, den Sie uns absprechen, hat längst stattge- (Beifall bei der CDU/CSU) funden. 23028 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. Oktober 2020

Dieter Stier (A) (Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Das merkt stimmen wollen, um das Handzeichen. – Das sind alle (C) nur keiner!) Fraktionen des Hauses. Gegenstimmen sehe ich nicht, Enthaltungen auch nicht. Damit ist der Gesetzentwurf in Auch die Bundeskanzlerin – Herrn Hoppenstedt habe ich zweiter Beratung angenommen. hier gerade gesehen; das kann er ihr ja ausrichten – hat sich im November letzten Jahres auf dem extra anbe- Dritte Beratung raumten Agrargipfel mit Landwirten und Vertretern von und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Branchenverbänden persönlich ausgetauscht, weil wir Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – eben erkennen, dass die Lage der grünen Branche nicht Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Sind nicht gegeben. einfach ist. Sie sehen also, meine Damen und Herren: Der Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen. von Ihnen angemahnte Dialog hat längst stattgefunden. Er findet täglich statt. Er wird auch künftig sachorientiert Tagesordnungspunkt 14 c. Beschlussempfehlung des stattfinden, Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Ergebnisof- (Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/ fenen Dialog mit Landwirten führen – Beratungen zu DIE GRÜNEN]) Agrarpaket und Düngeverordnung auf wissenschaftliche und er wird auch ständig fortgeführt werden. Ihr Antrag Grundlagen stellen und Betroffene einbeziehen“. Der hilft uns dabei, mit Verlaub, leider nicht weiter. Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/17879, den Antrag der Fraktion der FDP Vielen Dank. auf Drucksache 19/16476 abzulehnen. Wer stimmt für (Beifall bei der CDU/CSU) diese Beschlussempfehlung? – Das sind Linke, Grüne, SPD und CDU/CSU. Wer stimmt dagegen? – AfD und FDP. Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist die Be- Vizepräsident Thomas Oppermann: schlussempfehlung gegen die Stimmen von AfD und Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen sind nicht vor- FDP angenommen und der Antrag abgelehnt. gesehen. Ich schließe die Aussprache. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf: Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Jens des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes. Der Aus- Brandenburg (Rhein-Neckar), , schuss für Ernährung und Landwirtschaft empfiehlt in (Südpfalz), weiterer Abge- seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/22700, ordneter und der Fraktion der FDP den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache Europäische Hochschullehre im digitalen Zeit- (B) 19/21749 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Ge- alter – Gründung einer European Digital Uni- (D) setzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – versity Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dage- Drucksache 19/23108 gen? – Das sind AfD und FDP. Wer enthält sich? – Grüne und Linke. Bei Enthaltung von Grünen und Linken gegen Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) die Stimmen von FDP und AfD ist damit der Gesetzent- Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union wurf in zweiter Beratung mit der Mehrheit der Koali- Ausschuss Digitale Agenda tionsfraktionen angenommen. Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten Dritte Beratung beschlossen. und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Ich bitte jetzt, erst mal den Platzwechsel zu vollziehen, Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – damit wir mit der Beratung beginnen können. Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dage- Dann eröffne ich die Aussprache. Als Erster erhält das gen? – FDP und AfD. Enthaltungen? – Grüne und Linke. Wort der Kollege Dr. für die Fraktion Damit ist der Gesetzentwurf mit der gleichen Mehrheit der FDP. angenommen. (Beifall bei der FDP) Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- ßungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache Dr. Jens Brandenburg (Rhein-Neckar) (FDP): 19/23127. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Die Fraktion Die Linke, die Grünen und die AfD. Wer Digitalisierung der Bildung ist in der Krise weit vorange- stimmt dagegen? – FDP, CDU/CSU und SPD. Damit ist schritten. Viele Hochschulen haben ja zum ersten Mal der Entschließungsantrag mit der Mehrheit der letztge- ihre Seminare und Vorlesungen vollständig online ange- nannten Fraktionen abgelehnt. boten. Diesen Innovationsschub wollen wir Freie Demo- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 14 b. Abstim- kraten nutzen und nach der Krise nicht in die Lehre von mung über den von der Bundesregierung eingebrachten 2019 zurückfallen. Es ist jetzt an der Zeit für bildungs- Gesetzentwurf zur Änderung agrarmarktrechtlicher politische Visionen. Eine solche große Vision hat Emma- Bestimmungen. Der Ausschuss für Ernährung und Land- nuel Macron in seiner Grundsatzrede vor drei Jahren an wirtschaft empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Pariser Sorbonne-Universität formuliert: europäische Drucksache 19/23162, den Gesetzentwurf der Bundesre- Hochschulen mit europäischen Semestern und Abschlüs- gierung auf Drucksachen 19/21984 und 19/22817 anzu- sen. Die deutsche Bundesregierung und andere nehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zu- Bedenkenträger haben diese wirklich große Vision