GrabfeldDas Heimatblätter für Kultur, Geschichte und Brauchtum im Grabfeld Herausgeber: Verein für Heimatgeschichte im Grabfeld e.V. und Museumspädagogisches Zentrum Bad Königshofen i. Gr. Nummer 19 Nummer 19 Bad Königshofen, November 2011 Seite 1

Eine 400 Jahre alte Aufstellung Aus dem Inhalt Die Bauten der Echterzeit Die Bauten der Echterzeit im Königshöfer Grabfeld 1- 5 Grußwort des Vorsitzenden ...... 3 im Königshöfer Grabfeld Zur Person Julius Echters ...... 4 Otto Röder: „Altes Grabfeldlied“ . . . 5 REINHOLD ALBERT Gabolshausen war ebenfalls Filiale von Die Villensiedlung Waldhaus Untereßfeld und wurde durch einen Kaplan bei Römhild ...... 6 or 400 Jahren (1611-14) wurden die betreut. In dieser Kirche sei lange Zeit nichts Pieratoweihnacht ...... 6 fürstbischöflichen Keller (Verwal- gebessert und gebaut worden. Erst 1612 Christine Uhlein: „Die Zeit“ . . . . . 8 tungsbeamte) im Fürstbistum Würz- erhielt die Kirche neue Bodenplatten (Kosten V Literaturschau ...... 8 burg aufgefordert, für ihre Amtsbezirke Auf- 18 fl). Weiter ist vermerkt: In diesem Ort gibt stellungen zu fertigen, in denen alle unter es keine Schule, lediglich ein kleines, altes Der Bildhäuser Bauernhaufen im Bauernkrieg 1525 ...... 10 Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn Kirchhäuslein auf dem Kirchhof, worin der Schriftverein des Vereins ausgeführten baulichen Maßnahmen aufge- Gemeinde- und Flurknecht wohnt. Es wird für Heimatgeschichte im Grabfeld . . 21 führt sind.1 Das Königshöfer Grabfeld ist mitgeteilt, dass die beiden Torhäuser sehr alt Lotte Uhlein „Advent“ ...... 21 hierin wie folgt vertreten. seien und niemand wisse, wann sie gebaut Erika Jeger „Winter im Grabfeld“ . . . 21 In Alsleben wurde in der Echterzeit die wurden. Der Besitz der Grafen von Wildberg Kirche renoviert und der Kirchturm 1609 Kirche, Turm und Pfarrhaus in Großbardorf in Lauringen und Umgebung . . . . . 22 neu gebaut, ebenso das Pfarrhaus mit Pfarr- seien ebenfalls ohne Mangel, die Schule Nach dem Mauerbau in Berlin vor scheune und das Schulhaus. Vermerkt ist in wurde 1605 neu erbaut, das Pfarrhaus bereits 50 Jahren wurde auch die der Aufstellung des Amtskellers, dass zur vor 32 Jahren (1580). In Großeibstadt wurde Innerdeutsche Grenze ausgebaut . . . 26 Pfarrei die Kreuzkapelle gehöre, in der vier- die Schule 1589 neu gebaut, ebenso Kir- Dr. Fritz Steigerwald war ein mal jährlich Gottesdienst durch den örtlichen che, Turm und Pfarrhaus. Nähere Angaben Glücksfall für Rhön-Grabfeld . . . . . 30 Pfarrer gehalten werde. machte der Keller nicht. 100 Jahre Liutpoldbrunnen Die Königshöfer Filiale Althausen werde Die Pfarrei wäre nunmehr Filiale in Bad Königshofen ...... 32 durch den Kaplan sonn- und feiertäglich von Eyershausen, hielt er weiter fest. An der mit dem Gottesdienst versehen. Das dor- tige Kirchlein habe keinen Mangel. An ihr wurde 1609 eine neue Sakristei angebaut. Sie kostete 65 fl (Gulden). Die Empore wurde ebenfalls 1609 eingefügt (Kosten 15 fl). 1603 wurde die Schule neu gebaut (Kosten 230 fl). Zur Pfarrei Untereßfeld gehörte die Filiale Aub, die vom Kaplan in Untereßfeld betreut werde. Kirche und Turm seien gut, schrieb der fürstbischöfliche Amtskeller. 1603 wurde ein weiteres Stockwerk auf den Turm und eine neue Kirchturmspitze aufgesetzt (Kosten 355 fl), 1600 der Pfarrhof gebaut (Kosten 436 fl) und 1607 eine neue Wirtsstallung (205 fl). Zu Eichenhausen heißt es lediglich, dass es zusammen mit Wargolshausen von Wülfers- hausen aus mit versehen werde. In Eyershausen wurde in der Echterzeit 1610 eine neue Kirchturmspitze samt einem zusätzlichen steinernen Stockwerk erstellt (Kosten 520 fl). Der Pfarrhof wurde 1574/75 gebaut, die Schule 1601 (400 fl), das Wirts- haus 1571, das Schafhirten- und das Kuhhir- tenhaus 1599. Zur Gemeindeschmiede heißt es, sie wäre noch gut und neu, aber niemand wisse, wann sie gebaut wurde. Die Mühle wäre vor ungefähr 100 Jahren (also um 1510) errichtet worden. Für deren Renovierung Gemeindehaus mit Schmiede (heute Rathaus) in Obereßfeld wurden unter Julius Echter 1606 wurden 100 fl investiert. erbaut. Es kostete 310 Gulden. Auch hier ziert ein Wappen Echters den Eingangsbereich. Seite ­­2 Das Grabfeld Nr. 19 · November 2011

Kirche wäre kein sonderlicher neuer Haupt- bau ausgeführt worden, außer, dass man 1609 eine neue Empore einbaute (Kosten 18 fl). 1580 wurde eine neue Kirchturmspitze auf den Turm gesetzt. Der bauliche Zustand des Gotteshauses wäre gut. Das Schulhaus wurde 1598 (Kosten 273 fl) ebenso neu gebaut, wie das Wirtshaus 1585 (512 fl), das Backhaus 1565 (140 fl) und die Gemeindeschmiede (160 fl). Das Buttenhaus wurde 1610 errichtet und wäre ... nichts, denn eine bloße Vie- rung. Bereits 1567 waren das Ober- und das Mitteltor erstellt worden. Das obere Tor kostete 210 fl, das Mitteltor 90 fl. Was aber

Zahlreiche Bauten wurden in der von 1573 – 1617 währenden Regierungszeit des Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn im Königshöfer Grabfeld ausgeführt. So wurde das nach ihm benannte Juliusspital 1583/84 erbaut. Es kostete 4.081 Gulden.

Am 1581 erbauten oberen neuen Tor der Festung Königshofen – heute eines der wenig verblie- Im Speisesaal des Juliusspitals befindet sich benen Bauten dieser bedeutenden Anlage - befand sich ebenfalls das Wappen Julius Echters eine Figur des Erbauers Julius Echter nach mit einer „ziemlich großen Tafel“, wie es in den Quellen heißt. Auf dieser war vermerkt, dass der zu Beginn dieses Jahrausends vorge- es zur Bewachung der Grenzen und zur öffentlichen Sicherheit der Provinzbewohner wie auch nommenen Restaurierung. Das Foto auf der zur Stärkung und Mehrung des Glaubens erbaut worden sei. rechten Seite entstand um 1900. Nr. 19 · November 2011 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­3

Liebe Mitglieder unseres Vereins, liebe Leserinnen und Leser dieses Heimatblattes Ein gutes Jahr, liebe Leserinnen und Leser, Ein Dank gilt auch der Stadt Bad Königs- haben Sie auf das „Grabfeld“, das Heimat- hofen, die es uns ermöglicht hat, im neuen blatt des Vereins für Heimatgeschichte Kulturarsenal Darre nun einen Vereins- im Grabfeld, gewartet. Viele, das weiß raum zur Verfügung zu haben. Wir haben ich, sind gespannt, was Reinhold Albert, an 100 Jahre Luitpoldbrunnen am Markt- Kreisheimat- und Archivpfleger, wieder platz in Bad Königshofen erinnert und Interessantes zusammengefasst hat. Sie Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold dürfen auch gespannt sein, denn die Palet- Albert hat die Geschichte dazu wieder in te ist wieder breit gefächert und reicht von seiner gewohnt, akribischen Art und Wei- Geschichte bis hin zu Geschichten. se, aufgearbeitet. Auch ihm dafür und für Das Jahr 2011 neigt sich dem Ende entge- seine gesamte Arbeit in seinem Amt ein gen und damit geht auch wieder ein Stück herzliches Dankeschön. Grabfeldgeschichte zu Ende. Der Verein Dies vor allem auch in Bezug auf das für Heimatgeschichte hat sich wieder be- 200-Jährige Jubiläum von Althausen. Hier müht durch interessante Vorträge, Füh- hat Reinhold Albert ein Buch verfasst und rungen und Ausstellungen auf Heimatge- war auch für die neue Informationstafel schichte, speziell im Grabfeld aufmerksam an der Kirche zuständig. Auch damit ha- zu machen. Ich denke da vor allem an ben wir, wie schon in den Vorjahren, ein unser Erzählcafe, das im Mehrgenera- Zeichen gesetzt. Das gilt auch für eine In- tionenhaus St. Michael stattfindet. Da formationstafel in Höchheim, die an einen hatten wir in diesem Jahr unter anderem Besuch des deutschen Dichters Friedrich Ärzte zu Gast, die aus ihrer Dienstzeit be- Schiller erinnert. Unser Verein bringt sich richteten, aber es waren auch Bräuche und ein bei der anstehenden Instandsetzung Geschichte mit Reinhold Albert im Pro- der Zunftstangen in der Stadtpfarrkirche gramm. Ich denke für jeden Geschmack Bad Königshofen und hat auch das Lieder- war wieder einiges dabei. buch von Clemens Behr unterstützt. Nach wie vor sind wir daran interessiert, Danke sagen wir der Raiffeisenbank Ober- das Obertor, das letzte Stadttor der Fe- eßfeld-Römhild und der Genobank Bad stung Königshofen, wieder für die Öffent- Königshofen sowie der Sparkasse für die lichkeit zugängig zu machen, wobei hier finanzielle Unterstützung. Das Jahr 2011 schon Gespräche stattgefunden haben. war für den Verein für Heimatgeschichte Wir haben uns mit der Kirchengemein- wieder ein interessantes und man darf de Eyershausen gefreut, dass dort das feststellen, erfolgreiches Jahr. Das haben „Heilige Grab“ wieder zu Ehren kommen uns unsre Gäste, wie Bezirkstagspräsident soll und vielleicht im kommenden Jahr Erwin Dotzel, Weihbischof Helmut Bauer erstmals wieder zu sehen ist. Auf großes aber auch Landrat Thomas Habermann Interesse stießen die Führungen an der bestätigt. Sie und viele andere folgen ger- das Untere Tor kostete und wann es gebaut einstigen deutsch-deutsche Grenze. Da ne unseren Einladungen. wurde, wisse niemand in Herbstadt. waren Landfrauen ebenso unterwegs, wie In Ipthausen wäre eine Frühmesse einge- Schülerinnen und Schüler aus Fulda, und Zum Jahreswechsel möchte ich jetzt aber richtet. Das Kirchlein wurde 1612 renoviert und der Altarstein erneuert. Ferner wurde auch die Akademie Frankenwarte war vor allem Ihnen, den Mitgliedern des Ver- eine neue Altartafel eingesetzt (Kosten 99 fl). wieder auf Spuren der Vergangenheit. eins für Heimatgeschichte danken. Wer es Das Torhaus in Ipthausen wurde 1604 erstellt Vor allem der Grenzgängerweg zwischen noch nicht ist, der findet die Anmeldung (323 fl), die Schmiede am Torhaus 1609 (52 und Schlechtsart ist zu einem in dieser Zeitschrift. Sie haben es durch fl) und die Spitalscheune 1595 (250 fl). heimlichen Renner geworden. Ihre Beiträge ermöglicht, dass wir wieder Zu Kleinbardorf heißt es lediglich, dass Nicht zu vergessen aber auch den Ba- einiges in die Wege leiten konnten, damit Kirche und Pfarrhaus ... zur notturft zugericht rockkünstler Johann Joseph Kessler, den die Geschichte des Grabfeldes nicht in Ver- wären und zur Großbardorfer Filiale Klein- eibstadt, dass sie eine Kirche besitze. wir als Geschichtsverein in einer eigenen gessenheit gerät. Umfangreich sind die Eintragungen über die Ausstellung würdigen. Eine Ausstellung, Amtsstadt Königshofen. Hier säßen zwei verbunden mit einem Vortrag, die nicht Ihnen allen, natürlich aber auch all den Priester, und zwar ein Pfarrer und ein Kaplan. nur in Bad Königshofen zu sehen sein wird, Lesern dieses Heimatblattes Grabfeld, Sieben Benefizien bestünden neben der Pfar- sondern unterfrankenweit auf Reisen ge- wünsche ich ein gesundes und zufriedenes rei, wovon der Pfarrer die Einnahmen von hen soll. Hier sage ich dem Bezirk Unter- Jahr 2012. vieren genieße, und zwar angelimiss(ariam), franken, vornehmlich unserem Bezirkshei- vicariam S. Crucis, S. Nicolai und S. Johannis matpfleger Dr. Klaus Reder, ein herzliches Hanns Friedrich Baptistae. Das Vikariam S. Jacobi genieße der Kaplan, das Vicariam S. Sebastiani der Dankeschön für die gewährte finanzielle Vorsitzender des Vereins für Pfarrer zu Eyershausen und das Vicaria hos- Unterstützung. Heimatgeschichte im Grabfeld pitalis werde für die Schule verwendet. Seite ­­4 Das Grabfeld Nr. 19 · November 2011

Die Pfarrkirche in Königshofen wurde Friedrich von Wirsberg (1558-1573), schrieb ein steineres Wappen des alten Domdechants von 1587 - 1589 renoviert (Gesamtkosten der Amtskeller 1612. Wenig später wurde Johann Konrad Kottwitz von Aulenbach.2 1.050 fl). Als einzelne Posten werden auf- auch ein Echter-Wappen am Brüstungsfeld Das Bräuhaus in Königshofen wurde 1588 geführt: Die Malerkosten betrugen 115 Gul- des zweiten Geschosses angebracht. erbaut und kostete 840 fl. Vom Zeughaus den. Für das „Fortlegen“ des Kirchendaches Das Hofhaus (die spätere Kaserne) neben und der Mühle lägen in der Amtskellerei wurden 120 Gulden aufgewendet und das der Kellerei wurde 1606 erstellt und kostete in Königshofen keine Unterlagen vor. Das neue Gesprenge am Chor kostete 18 Gulden. 2.298 fl. Daran befinde sich über dem Tor Zeughaus trage ebenfalls das Echter-Wappen Das Erneuern aller Fenster kam auf 104 ein kleines unförmiges Wäpplein ohne Tafel, in schöner großer Form und eine Tafel. Gulden und das Renovieren der Orgel auf 53 notierte der Keller. Der bischöfliche Beamte Eine Saalebrücke ist 1598 (443 fl), die mit Gulden. 1603 schließlich wurde eine neue schreibt weiter: Wann die Zehnt- und Hof- zwei Bogen 1610 (Kosten 160 fl) gebaut Kirchturmspitze aufgesetzt, die 639 Gulden scheunen erbaut wurden und was sie gekostet worden. Der Turm oberhalb des mittleren kostete. In einem Fenster im Chor wäre haben, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Tores wurde 1611 gebaut (Kosten 376 fl). Der Reverendissimi-Wappen (das ist das Wappen Die Kellerei wurde 1564, das Amtshaus 1578 1596-1598 erstellte Brunnenkasten (heute des Hochwürdigsten, hier des Fürstbischofs erstellt. Sie kosteten 4.820 Gulden. Über der Vierröhrenbrunnen) auf dem Markt kostete Julius Echter). Ein gemaltes Echter-Wappen Tür der Kellerei ist eine Tafel, die ebenfalls 1.500 fl. In der Mitte stehe auf dem Röhren- befinde sich auch noch oben im Chorbogen. Bischof Friedrich von Wirsbergs Wappen stock ein Bild Echters in Mannshöhe und Das Kirchhaus (Kirchnerhaus, heute Rück- (1558-1573) trägt. Der Keller schrieb: Das ist Amtstracht, darunter das Echter-Wappen. gebäude der Hypo-Bank) wurde anno 1585 die Rent-, Zins- und Zollhaus. Am Amtshaus Die Festung Königshofen wurde schließlich erbaut und kostete 128 Gulden. Die Bauzeit bei der fürstbischöflichen Kellerei wurde von 1573 bis 1612 ausgebaut und es wur- des Spitals (Juliusspital) war 1583/84. Es 1611 ein Brunnenkasten für 164 fl erstellt. den hierfür 79.564 fl investiert. Am oberen kostete 4.081 Gulden. Die neue Schule wurde Zum Wechterswinkelschen Schutt- oder neuen Tor, das 1581 erbaut wurde, befand anno 1596/97 (Kosten 2.300 fl) erbaut, der Kastenhaus (Schranne) überliefert er: Das sich das Wappen Julius Echters mit einer Pfarrhof 1589 (2.269 fl) und das Siechhaus große Haus ist anno 1589 (Kosten 2.800 fl), ziemlich großen Tafel folgenden Inhalts: 1603 (363 fl). Das Rathaus wurde anno 1573 das kleine 1610 (Kosten 1.200 fl) erbaut wor- Julius Dei gratia Episcopus Wirtzeburgen- – 1575 erstellt und kostete 4.420 Gulden. Am den. Am hinteren Bau befinde sich oben das sis et Franciae Orientalis Dux, (tam ad) Erker befinde sich das Wappen von Bischof Echter-Wappen und im unteren Stockwerk Custodiam Finium publicamque Provincia- lium (securitatem) hec a Predecessoribus coepta Propugnacula et Portam, quam (ad) fidei firmitatem et amplitudinem extulit Anno Zur Person Julius Echters Domini 1581. Das heißt: Julius, von Gottes Julius Echter von Mespel- Gnaden Bischof von Würzburg und Herzog brunn (* 18.3.1545 in Me- von Ostfranken, errichtete diese von seinen spelbrunn) war seit dem 4. Vorgängern begonnenen Bollwerke und das Tor im Jahre des Herrn 1581 ebenso zur Dezember 1573 bis zu seinem Bewachung der Grenzen und zur öffentlichen Tode 1617 Fürstbischof von Sicherheit der Provinzbewohner wie auch Würzburg und Herzog von zur Stärkung und Mehrung des Glaubens. Franken. Er galt als großer In Merkershausen wurde in der Echterzeit Bauherr und Verwaltungsre- der Kirchturm neu gebaut. Es heißt, die former. Seine Kindheit ver- Kirche sei wohl zugerichtet und für das brachte er auf Schloss Me- Volk groß genug. Sie wurde 1601 renoviert spelbrunn, wo er von Haus- (Kosten 514 fl) und es wurden zwei neue lehrern unterrichtet wurde. Glocken angeschafft. Die Schule wurde anno 1554 wurde er Stiftsschüler 1507 errichtet, der Pfarrhof 1605, der Stadel in Aschaffenburg. Ab 1557 1608 (sie kosteten beide 1.100 fl), das Wirts- besuchte er die Domschule in haus 1573 und das Backhaus 1603. In der Untereßfelder Filiale Obereßfeld wur- Würzburg. Er beschloss seine den in der damaligen Zeit die Kirche und der Studien mit dem Licentiat. Be- Kirchturm neu gebaut, nachdem 1595 ein reits am 10. November 1569 Gewitter die Kirche zerschlug. Die Kosten wurde Julius Echter Domka- für die Wiederherrichtung waren dem Kel- pitular in Würzburg und am 1. ler nicht bekannt. Weiter heißt es: Dieser Dezember 1573 nach dem Tod Ort hat keine Schule außer einem kleinen von Friedrich von Wirsberg Kirchhäuslein, darin der Kirchner, der auch zum Fürstbischof von Würz- Flurknecht ist, seine Wohnung hat. Es steht burg gewählt. Julius Echters bei der Kirche in freiem Feld. Gemeindehaus wichtigstes Unternehmen war mit Schmiede (heute Rathaus) wurden 1606 die Durchführung der Ge- Fürstbischof Julius Echter auf einem im Martin-von-Wag- (Kosten 310 fl), das benachbarte Hirtenhaus genreformation im Hochstift ner-Museum in Würzburg verwahrten Gemälde von 1586. 1583 (21 fl) erstellt. Würzburg. Über die Herbstädter Filiale Ottelmanns- hausen wird mitgeteilt, dass hier alle sechs Julius Echters gegenreformatorische Maßnahmen führten dazu, dass konversionsunwillige Wochen einmal Gottesdienst gehalten werde. Protestanten in großem Umfang auswandern mussten. Unter ihm wurden auch wieder He- Fürstbischof Julius habe dieser Kirche zwei xenverfolgungen in starkem Maße aufgenommen und nahmen zum Teil entsetzliche Formen Messingleuchter verehrt. Das Gotteshaus an. Echter vertrieb auch die Juden aus Würzburg und konfiszierte deren Grundbesitz. wurde 1609 innen renoviert, mit einem neuen In den von Julius Echter initiierten Renaissancebauten wurden oft bewusst gotische Form- Fußboden versehen und erhielt neue Stühle. Der Turm und das äußere Gemäuer seien elemente integriert. Dieser Stil wird daher auch als Echtergotik bzw. Echter- oder Juliusstil jedoch sehr bös. Das Hofhaus (im Dörfles- bezeichnet. Große Leistungen waren der Bau zahlreicher Kirchen (mit den bekannten Ech- hof) wurde 1605 gebaut und kostete 1633 fl. tertürmen) und Schulen, die Erneuerung des staatlichen Rechtswesens und eine Verwaltungs- 1597 war dort bereits die große Scheune neu reform, die gekoppelt mit einem strengen Sparkurs und der Einbeziehung von weltlichem und gebaut worden (1.014 fl). Über der Tür des geistlichem Vermögen das Bistum aus der Verschuldung führte, ohne die Steuern zu erhöhen. Hofhauses wäre ein kleines Wäpplein, sonst weiter nichts. Nr. 19 · November 2011 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­5

haus wurde vom Kloster St. Stephan zu Würzburg 1608/09 errichtet (Kosten 2.000 fl). Das Schulhaus schließlich wurde 1600 (Kosten 315 fl), das Wirtshaus 1612 (625 fl), das Backhaus und die Schuttung 1592 (412 fl) erstellt. Die Mühle im Dorf wurde 1610 für 2.100 fl vom Fürstbischof gekauft, abge- brochen und 1611 wieder ganz mit Steinen gebaut (406 fl) Das Brauhaus schließlich wurde 1598 errichtet und kostete 258 fl, das Gemeindehaus 1584 (435 fl) und die Gemein- deschmiede 1588 (210 fl). Nicht erwähnt sind in den Aufstellungen Serrfeld, Schwanhausen, Leinach sowie die Milzgrundortschaften.

1 Hofmann, Hermann: Vier Archivalien (1611-1614) über Julius-Echter-Bauten außerhalb Würzburgs. In: Würzburger Diözesan-Geschichtsblätter, 37./38. Band, Würzburg 1975, S. 687 f. 22 Der Würzburger Domdekan und Mainzer Domherr Jo- hann Konrad Kottwitz von Aulenbach, der auch Probst von Stift Haug zu Würzburg und von Wechterswinkel war, starb am 29.12.1610 in Würzburg. Sein Grab- denkmal befindet sich im Würzburger Dom über der Sakristeitüre.

Otto Röder (Merkershausen) Altes Grabfeldlied

Zimmerau, Zimmerau, hier beginnt der Grabfeldgau. Sulzdorf, Serrfeld und Schwanhausen, Sternberg, Brenn- und Gabolshausen, Ober-, Untereßfeld, Draa. Ursula, Ursula, weithin glänzt dein Kirchturm da. Alsleben, Trappstadt, Eyershausen, An nahezu jedem der unter ihm errichteten bzw. vergrößerten Bauten ließ Echter sein Wap- Königshofen und Ipthausen, pen anbringen, wie z.B. am ehemaligen Bezirks- bzw. Landratsamt in der Kellereistraße in Au- und Riedmühle‘ sind ganz nah. Königshofen. Breitensee, Breitensee, In Saal wurden Kirche, Turm und Schule in Trappstadt werde durch den Pfarrer zu Als- liegt unfern der Gleichberghöh. der Regierungszeit Julius Echters neu gebaut. leben mit versehen. Der Keller stellte fest: In , Rot- und Gollmuthhausen, Die Kirche ziere ein neuer Altar und das diesem Ort ist meines Wissens bei der Regie- Herbstadt, Höchheim, , Pfarrhaus wäre ohne Mangel. rung Echters nichts an Kirche und Schule Ottelmannshausen, Dörfleshof Am 30. Mai 1573 wurde der Sambachs- gebaut worden, denn es steckte lange unter hof vom Fürstbistum Würzburg für 2.700 fl den Ketzern, und zwar bis anno 1606. 1609 Sambachshof, Sambachshof, gekauft. Wohnhaus samt Scheunen wurden wurde eine neue Kirchhofmauer erstellt, die Sand- und Rot- und Lindleshof. 1586 im Auftrag des Fürstbistums neu auf- 169 fl kostete. Rüg- und Unterhof weit draußen, gebaut (Kosten 458 fl). In Untereßfeld wurde in der Echterzeit die zwischen Leinach und Althausen, Zur Untereßfelder Filiale Sternberg heißt es Kirche renoviert, Pfarrhaus und Schule neu Groß-, Kleinbardorf, Bargetsmühl‘. lediglich, dass es Truchseßisch wäre. Nach- gebaut. 1600 wurde der Kirchturm erhöht dem der Truchseß von Wetzhausen evange- und eine neue Kirchturmspitze aufgesetzt, Spitalmühl‘, Spitalmühl‘ lisch war, hatten es auch seine Untertanen die 347 fl kostete. 1598 wurde die Mauer um die Papier- und Linsenmühl‘. zu sein. Folglich investierte der Fürstbischof den Kirchhof erstellt (70 fl). Das neue Pfarr- Groß-, Kleineibstadt, Merkershausen, dort keinen Kreuzer. Das gleiche gilt für haus war zum Zeitpunkt der Aufzeichnungen Sulzfeld, Wülfers-, Waltershausen, Zimmerau, das den Schotten von Trappstadt des Kellers 1612 ... noch nicht gar fertig. und zuletzt das schöne Saal. gehörte - und auch für Sulzdorf und die evan- 1579 wurden in Untereßfeld zwei Torhäuser Heimattal, Heimattal, gelischen Milzgrundortschaften. erstellt (Kosten 300 fl). In ihnen wohnten meine Freunde allzumal. Sulzdorf wäre mit einem Prädikanten (evan- die Hirten. Am Wirtshaus erfolgte 1591 ein gelischen Pfarrer) besetzt, den Hans Eitel Anbau (80 fl). In der Schmiede wurde 1593 Grüne Auen, würz’ge Triften, Truchseß auf Rottenberg dahin setzte. Nichts für 15 fl eine Stube eingerichtet und eine gold’ne Saaten, reich an Früchten. desto trotz werde dort vom Untereßfelder Badstube wurde 1611 gekauft (310 fl). Schütz dich Gott, mein Grabfeldgau. Pfarrer wie zu allen Zeiten zelebriert, was Waltershausen besitze eine Kirche, die der ihm nicht verweigert werde. Marschalck von mit einem Prädi- Melodie: Morgenrot, Morgenrot In Sulzfeld wäre die Kirche wohl gebaut, kanten besetzt habe, so der Keller. Aus: Clemens Behr: Heimatlieder aus dem- die Altäre seien schön renoviert und sowohl In Wülfershausen wurde 1607 die Kirche fränkischen und thüringischen Grabfeldgau Pfarr- als auch Schulhaus ohne Mangel. neu gebaut. Sie kostete 1.372 fl. Das Pfarr- Seite ­­6 Das Grabfeld Nr. 19 · November 2011 Die Villensiedlung Waldhaus bei Römhild Almut von Zander um Schloss Glücksburg ausgestellt sind, ein Denkmal gesetzt. Alfred Götze, Professor für ie Villensiedlung im Römhilder Ortsteil Ur- und Frühgeschichte, machte sich um die DWaldhaus kann auf 100 Jahre ihres Be- Forschung am Kleinen Gleichberg und das stehens zurückblicken. Die zwischen 1910 Steinsburgmuseum verdient. und 1934 errichteten Häuser stehen alle noch. Auf ganz persönliche Art und Weise, er- Sie haben neue Besitzer und erstrahlen in innern einige Gedichte, Erinnerungen und neuem Glanz. Ihre alten Namen - Sonneck, Geschichten an ihre Verfasserin, Else Rinck- Erlehof, Keltenhof, Waldwinkel, Haus Hu- Wagner (1884-1955). Diese lebte mit ih- bertus - führen diese Häuser nicht mehr. Ein rem Mann Carl ab 1925 im Gärtnerhaus verwitterter Toreingang mit dem in die Jahre des PIERATO und gehörte zu dem Kreis gekommenen gusseisernen Schriftzug PIE- der „Pieraten“, wie sich die Bewohner des RATO erinnert aber doch noch an die alten PIERATO nannten. Im April 1938 zogen Zeiten. Geht man durch das große An- Rinck-Wagners, nachdem sie noch etwa wesen, wo einst ein großer Park mit ein Jahr in Römhild wohnten, nach Bachlauf, kleinen Brücken und Freiburg. Einige alte Herrschaften verschlungenen Wegen ange- aus Römhild, die damals Kinder legt war, so trifft man noch waren, erinnern sich noch an sie. auf die vertrauten Namen Else Rinck-Wagner war eine der Villen - Hartenburg, humorvolle geistreiche Frau, Waldruh und Steinsburg. sprühte vor Ideen und war für Das Ehepaar Pierre und eine Gesellschaft immer ei- Für mich war die Geschichte schon als Kind Erato Mavrogordato ne Bereicherung. Sie liebte ein Türchen in eine verschwundene Welt, die errichtete diesen Land- die Kleinstadt Römhild und ich nicht mehr erlebt habe. sitz zwischen 1910 und diesen süd-wthüringischen Auch wenn einem die Ausdrucksweise heu- 1913 und legte damit den Landstrich und verfasste te manchmal sehr fremd erscheint, so ist Grundstein zu der Wald- einige humorvolle und „Pieratoweihnacht“ dennoch Zeugnis von hauskolonie. Sie gaben romantische Texte über Zuneigung zu einer Landschaft, zu den dort ihrem Besitz den Namen ihre Zeit in der Waldhaus- lebenden Menschen und geprägt von Sehn- PIERATO, eine Zusam- kolonie, dem Platz, der ihr sucht nach „ paradiesischen Zeiten“ am klei- menfügung ihrer beider Heimat geworden war. Dem nen Gleichberg. Vornamen. damaligen Café Rommel in Was erinnert noch an die Römhild setzte sie mit ihrer 1 Günther Schörner, Von Odessa nach Römhild: Pierre kleine Gesellschaft, die sich Mavrogordato und seine Antikensammlung, Jenaer Geschichte „Das kleine Kaffee“ Hefte zur klassischen Archäologie 7. S.119-130 zwischen 1910 und 1934 am ein Denkmal. Ein heiter - ironi- Waldhaus niederließ, an die sches Gedicht über das Eintreffen Fremden aus Odessa, Charkow, Mavrogordatos und ihrer illustren Petersburg, Athen, Berlin, Königs- Gäste im Pierato fand sogar Eingang in Pieratoweihnacht berg und Weimar, die nachbarschaftliches dem wissenschaftlichen Aufsatz von Gün- Else Rinck-Wagner Leben pflegten? Welche Spuren haben sie ther Schörner über den Antikensammler hinterlassen? 1 Mavrogordato . Eine Geschichte über die ber der Welt liegt noch die tiefe, dunkle Da sind natürlich die Häuser, welche die künstlerische Arbeit von Erato Mavrogor- Ruhe des heiligen Morgens. Schnee ist Erbauer mit viel Liebe für ihre Zwecke Ü dato erschien 1935 in der Thüringer Tages- gefallen in der Nacht. Still und weiß steht planten und manchen jetzigen Besitzer auch zeitung. der Wald. Zarter reiner Schneeduft strömt vor Herausforderungen stellte. Das Ehepaar Mit „Pieratoweihnacht“ gibt sie einen heite- zum Fenster herein wie ein überirdischer Mavrogordato hat sich mit seinen Schenkun- ren, poetischen Einblick in einen Tag des Le- Hauch und man atmet wie in tiefer Andacht. gen an die Stadt Römhild, die jetzt im Muse- bens in der Waldhauskolonie von „Damals“. Kein Vogellaut, kein leisestes Wehen ist ver- nehmbar, heilige Ruhe ist ausgegossen über Wald und Park. Über dem Berg, der sich in sanfter Linie aus dem Dämmer des Morgens schwingt, schimmern die Sterne. Aus der andachtsvollen Morgenfrühe heißt es nun den Tag beginnen und die Hände tüchtig regen, denn bis zum Abend muss noch so mancherlei gerichtet und gerüstet werden. In der Diele stehn schon die Weihnachtskörbe, geschmückt mit Tannenreis und roten Bän- dern und gefüllt mit grossen und kleinen Pa- keten. Nach dem eilig eingenommenen Früh- stück huscht man schnell und ungesehn über die verschneiten Parkwege und stellt auf jede Hausschwelle seinen geschmückten Korb. Kling-ling, Das Christkind hat geläutet! Da öffnen sich die Haustüren und erwartungs- volle Hände nehmen das Körbchen herein und stellen es unter den schon geschmück- ten Baum. Noch müssen Diele und Zimmer festlich mit Tannengrün ausgeputzt werden und die schöne grosse Mistelkrone wird an goldenem Band im Türrahmen aufgehängt. Nr. 19 · November 2011 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­7

von denen eine sofort in Brand gesetzt wird. Nun muss noch den Tieren einbeschert wer- den. Mollys Schüsselchen ist schön sauber gefegt und eine ganze Knackwurst schwimmt in leckerer Bratensoße mit Brotbrocken, ein wahrer Weihnachtsschmaus. Wedelnd und ohne viele Umstände macht er sich gleich darüber her. Während ich mich an seinem Appetit ergötze fällt ein Schwarm Goldam- mern in den großen Hollunder im Hühnerhof ein. Sie sitzen wie goldene Kugeln im be- schneiten Geäst. Der Schnee hat die Körn- lein, die die gefräßige Hühnerschar vielleicht liegen ließ, zugedeckt, da muss noch schnell ein Futterplatz rein gefegt werden und eine Hand voll Körner für die armen hungrigen Goldkügelchen wird ausgestreut. Alsbald hört man ein Schwirren und Flattern und Zwitschern. Es gibt eine Rauferei mit ein paar frechen Meisen, die überall sind wo es was zu picken gibt. Auch Moritz, der stolze Rehbock bekommt seine Weihnachtsgabe, eine Hand voll knuspriger Kastanien und eine ganze Schüssel trockner Brotkrusten. Der Baum prangt schon im Schmuck der vie- schneiten Wald sieht sie aus und so festlich, Hoffentlich finden im Wald die Rehe und len selbstgefertigten Sterne und roten Kerzen „als ob der König Hochzeit hielte“. Gerade Häschen auch ein nahrhaftes Weihnachts- und auf der Vitrine glänzen in ihrer goldenen geht der Gärtner mit der großen Leiter hin- plätzchen. Noch liegt ja der Schnee nicht Pracht die Lichtengel. In ihrer Mitte steht über um in der Spitze der von Lametta silbern sehr hoch und es friert kaum. Da lässt sich grimmig und stolz König Nussknacker mit überrieselten hohen Tanne noch den großen noch allerlei aus dem Waldboden scharren. der Krone im weißen Haar, dem blauen reich Stern zu befestigen. Mizzi, die lastbare Eselin, wird vom Gärtner verzierten Rock, den roten Hosen und blan- Im Gärtnerhaus blinken die Lichter des klei- festlich gebürstet und gestriegelt, ihre Weih- ken Stulpenstiefeln. Auch das Räuchermänn- nen Weihnachtsbäumchens schon durch die nachtsfreude sind ein paar Stück Zucker und chen steht wieder an seinem Platz, der kleine Vorhänge und man hört Kinderstimmen und einige große gelbe Rüben. So ist allen Tie- Türke in Turban und Pluderhosen, mit dem nicht ganz harmonisches Trompetenblasen. ren ein Weihnachtsbröcklein ausgeteilt. Nur mächtigen Schnurrbart und der langen Pfeife. Zu den Kindern kommt das Christkind na- meine kleine Nixe feiert mit den Menschen Mein kleiner „standhafter Zinnsoldat“, der türlich zuerst. und bekommt ihr rotbebändertes Würstchen Repräsentant meines liebsten Märchens, den Vom Waldwinkel über der Straße sieht man auf ein Schemelchen unter den Baum gelegt. ich einmal im Kies des großen Fahrweges hinter der Kulisse der hohen beschneiten Bäu- Langsam beginnt es zu dämmern. Auch an gefunden habe steht bescheiden auf seinem me nur eine Rauchfahne aus dem Schornstein unserer Tür hat das Christkind des öfteren einen Beine neben dem Räuchermännchen, aufsteigen, aber mir ist, als umfächle der Duft geläutet und viele bunte Pakete warten auf dessen Schachtelgenosse er für den Rest des der brutzelnden, knusprigen Weihnachtsgans dem Gabentisch. Vom Erlehof brachten zwei Jahres ist. Die Gaben sind aufgebaut und das schon meine Nase. Der Tisch steht bereits warm vermummte Weihnachtsmännlein ei- Glöckchen steht bereit. zum festlichen Mahl gedeckt, geschmückt ne schöne Schale mit prächtigen goldenen Es ist herrlich, so zeitig mit allen Vorbe- mit Tannengrün und roten Cyklamen und Orangen, roten Äpfeln, Trauben und Feigen, reitungen fertig zu sein. So kann man noch die schönen bunten Kristallrömer prangen ein wahres Stillleben. Die Kaffeestunde ist einen Gang durch den Park machen und sich vor jedem Gedeck. Der Hausherr begibt sich fast in den Abend verrutscht, aber eine gute dem Zauber der beschneiten Landschaft hin- wohl eben in den Weinkeller um den „rech- Tasse Kaffee und ein Stück Stolle erfrischt geben. Um alle Häuser der kleinen Kolonie ten Tropfen“ zu wählen und den duftigen und belebt und damit hat nun eigentlich schon liegt der festliche Bann. Keine Tür öffnet „Kümmel“ sorglich in den kühlen Schnee zu das Festen angefangen. sich, niemand ist auf den Wegen zu sehn. versenken. Kurz vor 6 Uhr wartet das Auto vor der Überall sind sie bei den Vorbereitungen zum Auch um das gastliche Waldhaus ist es heute unteren Einfahrt und wir fahren, wie das Heiligen Abend. ganz still, doch hört man von Zeit zu Zeit die nun schon zur Tradition geworden ist, nach Im Erlehof haben sie den Baum mit großen abgerissenen Melodien eines Weihnachts- Römhild zur Weihnachtsandacht. Still und weißen Lilienblüten geschmückt, wie es in liedes herüber tönen. Der musikverständige lautlos steht der Wald, dann breiten sich zu der Heimat des Hausherrn und der Großmut- Waldhauswirt ist sicher dabei seinem Jüng- beiden Seiten der Landstraße die weißen ter, in Ostpreußen, üblich ist und an allen vier sten die letzte Politur des vorzuspielenden Felder, wie Schemen tauchen in der Ferne die Wänden des Weihnachtszimmers entlang Weihnachtsliedes beizubringen. stehen die weiß gedeckten Tische mit un- Welch schönes und tiefes Heimatgefühl gibt zählbar scheinenden Gaben für Alt und Jung. doch das Bewusstsein, in den Lebenskreis Das ist ein Weihnachtszimmer wie ein ganzer der Menschen mit eingeflochten zu sein, Christkindelmarkt. die gute Nachbarn und Freunde sind. Es ist In der Waldruh hängt der Hausherr eigen- eine abgegrenzte Welt des Friedens und der händig die großen bunten Kugeln an die festlichen Gemeinschaft. In zartem Schnee- Zweige und befestigt kritisch und symme- licht verdämmert nun der Weihnachtsnach- trisch die vielen Kerzen am schönen großen mittag. Da schlägt Molly an. Der Bäcker Rhönberge auf. Auch Römhild liegt in einen Baum, während in der Küche der traditionelle kommt und bringt die Weihnachtsstollen. zarten Schneenebel gehüllt. Sanft und voll Plumpudding schon im Wasserbad brodelt, Einen ganzen Wagen voll hat er herauffahren klingen nun die Glocken durch die weiche der brennend und mit einem Zweig Ilex ge- müssen, denn jedes Haus will zum Fest seine Schneeluft. Die Stadt ist ein verzaubertes schmückt der Schluss- und Höhepunkt des Thüringer Christstolle haben. Der Bäcker ist Winteridyll. Wie dicke Wattekissen liegt festlichen Weihnachtsschmauses ist. heute splendide, er legt uns eine große Tüte der Schnee auf den Dächern und Giebeln der Aus der Steinsburg fällt heller Lichterschein brauner selbst gebackener Lebkuchen als kleinen Häuser, hinter den niederen Fenstern in den beschneiten Park. Alle Fenster sind Weihnachtsgabe auf den Küchentisch. Für blinken Lichter und werfen ihren milden erleuchtet, wie ein Märchenschloss im ver- ihn ist schon ein Päckchen Zigarren bereit, Schein über die Gehsteige. Hie und da huscht Seite ­­8 Das Grabfeld Nr. 19 · November 2011

des schönen Hochaltars in unser Gemüt. Die berauschte Frömmigkeit barocker Kunst Literaturschau 2011 wirft Glanz und Rhythmus auch in die kargste Predigt eines gewöhnlichen grauen Regen- sonntags. Martin Arnegger: Die Werthers – Der Aber seltsam ist es, alle die kleinen Gestalten Mordfall Waltershausen € in den Bänken des hohen Gestühls zu sehn, ISBN 978-3-937950-99-0 14,00 in ihren bunten Mützchen und Kappen. Es Vor über acht zappelt und wispert und kichert als sei die Jahrzehnten Kirche voll kleiner Kobolde. Nun braust machte ein Krimi- die Orgel auf, gemeistert vom alten, weiß- nalfall, der in die haarigen Kantor. Voll und schön schwingen Geschichte als das die Akkorde durch den Raum und der Chor „Rätsel von Wal- auf der Empore fällt ein. „Gloria In Exelsis tershausen“ ein- Deo“. Dann verliest der Pfarrer vor dem Altar ging, bundesweit das Weihnachtsevangelium vom Kindlein in Schlagzeilen. Der der Krippe zu Bethlehem. Wir singen alle: Waltershäuser „Vom Himmel hoch da komm ich her“ und Schlossbesitzer die dünnen, kleinen Stimmen überschlagen Hauptmann Wal- sich vor Eifer des Mitsingens. Wir singen demar Werther und beten und singen, während es in den wurde am 1. De- noch eine Gestalt über die Straße, sonst ist es Bänken hinter uns piepst und rumort und zember 1932 in seinem Schlafzimmer im still und leer. Wir stehen vor der erleuchteten kichert. Ein kleines Wesen wird ungeduldig ersten Stock des adeligen Ansitzes ermordet. Kirche und lassen den Zauber dieser zeit- und müde und es entspinnt sich ein Kampf Der Tatverdacht richtete sich in erster Linie fernen Romantik in unser Herz und Gemüt mit flüstern und unterdrücktem Weinen. Die gegen den Schlossgärtner Karl Liebig, aber sickern. Friede auf Erden ist hier. gute Großmutter weiß sich kaum zu helfen, auch gegen die Ehefrau, Baronin Wilhelmine Aber schon trippelt es von allen Seiten her- da nimmt sie kurzentschlossen den kleinen von Werther, eine geborene von Feilitzsch. an. Es sind die Kirchgänger des Heiligen Ruhestörer auf den Schoß, der nun behaglich Martin Arnegger, ein entfernter Verwand- Abends. Kinder sind es, große, kleine, klein- in Großmutters Armen den Daumen in den ter der Baronin, aus Dunningen/Baden ste, diese geführt von der Großmutter oder Mund steckt und einschläft. Württemberg hat in diesen Tagen ein Buch der älteren Schwester. So ist es seit alters Das Amen ist gesprochen, die Orgel braust mit dem Titel „Verfolgt, verfemt, geächtet – Brauch in Römhild. Die Andacht des Heili- das „Halleluja“ und alles purzelt aus den Die Werthers – Der Mordfall Waltershausen“ gen Abend ist für die Kinder. Es ist wie eine Bänken und eilt nach Hause, wo die Kerzen veröffentlicht. Beim Lesen der Tagebücher Kinderwallfahrt zur Krippe des heiligen Kin- am Baum schon angezündet sind und die seiner Großmutter 2005 stieß der pensionier- des. Vielleicht aber entspringt dieser Brauch Erfüllung aller Wünsche wartet. te Ingenieur auf Eintragungen zur Ermor- auch einer praktischen Erwägung: solange Wir tauschen mit dem Pfarrer noch gute dung ihres Schwagers Waldemar Werther. die Mutter den Baum putzt und die Gaben Festwünsche und fahren dann durch den stil- Damals ahnte Arnegger in keiner Weise, aufbaut, schickt man die Kleinen mit den Al- len, hellen Abend unseren Gleichbergen zu. welche verschlungenen Wege notwendig ten zur Kirche um alles in Ruhe vorbereiten Ganz einsam ist es auf der Landstraße, kein wurden, um das gesteckte Ziel zu erreichen, zu können. Ich erinnere mich, dass meine Gespann müht sich den Berg hinan, kein Bäu- nämlich den rätselhaften Mord von Wal- alte Waschfrau mir erzählte, dass in ihrer erlein setzt den Knotenstock in bedächtigem tershausen aufzuklären. Martin Arnegger ist Jugend die Kinder mit brennenden Kerzen Anstieg, sie alle ruhen und feiern, Mensch überzeugt, dass es ihm in seinem über 300 in den Händen zur Weihnachtsliturgie in die und Tier. Still steht der Wald, in heiliger Seiten umfassenden Buch endlich gelang, Kirche gingen. Welch reizendes Bild muss Ruhe, Friede ist auf Erden. Über den Bergen jeglichen Verdacht von seiner Großtante das gewesen sein. Aus der Kirchentür fällt ein strahlen die Sterne der Weihnacht. Wilhelmine genommen zu haben. breiter heller Lichtstreifen auf die beschneite In einem 1933/34 stattgefundenen politisch Straße. Es ist ein wundervoller Anblick der gefärbten Prozess – das unselige Dritte Reich sich uns bietet als wir nun die Kirche be- Christine Uhlein hatte bereits seinen Anfang genommen – vor treten. Zwei hohe Tannen stehen in vollem dem Landgericht Schweinfurt wurde der SA- Lichterglanz zu beiden Seiten des schönen Die Zeit Mann Karl Liebig aus Mangel an Beweisen Hochaltars. Über den Stufen zum Aufgang Die Zeit ist ein seltsames Ding, freigesprochen. Dem Verteidiger Liebigs des Vorderschiffs schwebt und glitzert wie kann sie nicht sparen, gelang es, den Verdacht auf die Ehefrau des ein Sternenkranz der große Adventskranz. in keinem Sparschwein drin. Ermordeten zu lenken, die ebenfalls verhaftet Altar und Kanzel sind mit den kostbaren Spar ich Zeit, den ganzen Tag, worden war. alten Brokatdecken bekleidet, die noch aus trotzdem ich den Tag nicht verlängern mag. Nicht nur, dass die Vorfahren von Frau der Zeit des prunkliebenden Barock stam- Seh‘ jeden, der hastet und rennt, Werthers Schwiegertochter jüdisches Blut men und zum Kirchenschatz gehören. Unter weil ihm die Zeit durch die Finger rinnt. in ihren Adern hatten, sie hatte auch noch dem großen Kruzifix steht eine Vase mit den Bin ich faul oder fleißig, was macht das hochgeachtete jüdische Schweinfurter An- dunklen Blättern des Ilex in denen die roten schon, wälte mit der Wahrnehmung ihrer Interessen Beeren wie Blutstropfen leuchten. die Zeit holt sich ihren eigenen Lohn. beauftragt, was zu jener Zeit die national- Wie liebe ich unsere schöne alte Römhilder Knappert an meinen Lebensjahren, Stück für sozialistisch gefärbte Presse zu übler Pro- Kirche. Sie ist wie das Herzstück dieser klei- Stück, paganda veranlasste. So triumphierte die nen Welt, die mir zur Heimat geworden ist. In trägt Erlebtes in die Vergangenheit zurück. NS-Presse nach dem Urteil: „Karl Liebig ihr hat sich das Leben der Vergangenheit der So will ich meine Zeit gut verwenden ist frei, und es ist von ihm genommen der Stadt gesammelt. An ihren Wänden stehen und will sie an liebe Menschen verschenken. schwere Verdacht, den eine gewissenlose Für einen guten Menschen ist keine Stunde die steinernen Zeugen ihrer Geschichte. Alle Clique von adeligen Menschen auf ihn zu zu viel, sind sie mir bekannte Gestalten, die Ritter lenken verstanden!“ in ihrer schweren Rüstung mit gesenkten denn Zeit ist auch ein bestimmtes Gefühl. Geht Zeit mit liebevollen Gedanken einher, Als der Tat nach wie vor verdächtig galt Visieren und die edlen und frommen Grä- so tragen wir an ihrer Last nur halb so bis in unsere Tage die Witwe Wilhelmine finnen des Hauses Henneberg, im wallenden schwer. von Werther. Wie eine Erlösung klingt das Gewand und verhüllenden Schleier. Festlich So kam ich auf den Gedanken zum Schluss, Nachwort in Martin Arneggers spannenden auch an den unfestlichsten Sonntagen des dass Liebe und Zeit zusammen gehören muss. Buch: „Endlich, nach so langer Zeit für ein Jahres, schwingt die barocke Bewegtheit Stück Gerechtigkeit gesorgt zu haben, ist der Lohn für meine Mühen.“ Nr. 19 · November 2011 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­9

Literaturschau 2011

Heimatlieder aus dem fränkischen sphärenreservat Rhön, Dr. Karen Schaelow- und thüringischen Grabfeld Weber listet die Museen und Sammlungen Der ehemalige Bürgermeister von Bad Kö- im Landkreis Rhön-Grabfeld auf und Dr. nigshofen, Clemens Behr, ist nicht nur ein Astrid Hedrich-Scherpf zeigt neue Wege der begeisterter Musikant, sondern auch ein gro- Kunst- und Kulturförderung im Landkreis ßer Heimatfreund. Denn, wie schon Johann auf. Gottfried Seume (1763-1810) sagte: „Wo Der letzte Gaul – der erste Porsche – man singt, da Umbruchzeit lass dich ruhig nieder, böse Die 1960er und 1970er Jahre auf dem Menschen Land haben keine Anlässlich einer Sonderausstellung im Leider.“ Cle- Fränkischen Freilandmuseum mens Behr hat im September/Oktober 2011 erschien als Heimatlieder Band 5 der Schriftenreihe des FLM Fla- gesammelt dungen dieses Begleitheft mit zahlreichen von interessanten Themen aus den sechziger und über Bad Kö- siebziger Jahren. In diesem schrieb u.a. Dr. nigshofen bis Birgit Speckle (Bezirk Unterfranken) den Linden und Beitrag: „Interschmidt und Grabfeld-Möbel: von Bibra über Ein Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte Höchheim im Grabfeld“, Daniela Schedel aus Klein- bis Leinach. Natürlich dürfen so bekann- Heimatjahrbuch Rhön-Grabfeld 2012 eibstadt berichtet über die Edeka Rhön und te Evergreens wie das Kreuzberg- oder In diesen Tagen erscheint das neue Heimat- Reinhold Albert aus Sternberg ist mit dem Grabfeld- oder Frankenlied in dem 132 jahrbuch unseres Landkreises. Schriftleiter Beitrag „Das brennende Dorfgedächtnis – Seiten umfassenden Liederbuch nicht Reinhold Albert hat wieder zahlreiche Bei- die kulturellen und politischen Folgen der fehlen. Ein „Grabfeldlexikon“ rundet träge gesammelt, in denen Vergangenheit bayer. Gebietsreform von 1973“ vertreten. das in der Schriftenreihe des Vereins für und Gegenwart unseres Landkreises von Heinrich Hacker und Dr. Sabine Fechter vom Heimatgeschichte erschienene Büch- über 70 Autoren beleuchtet werden. Diesmal Freilandmuseum Fladungen stellen in ihren lein ab. werden u.a. zwei Grabfelder Künstler vorge- Aufsätzen Arbeit und Leben auf dem Land in stellt, und zwar Christine Wehe-Bamberger den 1960er und 1970er Jahren vor. aus Merkershausen und Reinhold Fiderer aus Reinhold Albert: Neues Heft der Mellrichstädter Irmelshausen. Rund 80 Beiträge sind in dem Schriftenreihe erschienen 512 Seiten umfassenden Buch enthalten, Althausen im Grabfeld „Besen binden“ wie vor 100 Jahren ist der so u.a. über die Entstehungsgeschichte des erschienen anlässlich der 200-Jahrfei- Titel des Heftes 9 der Sammelreihe des Ver- Hochaltars in Alsleben (Dr. Annette Faber), er der Gründung der Pfarrei Althausen, € eins zur Förderung des Heimatschrifttums über die Wappen der Schott und der Truch- 2011. 12,50 in . Es wurde herausgegeben sessen in der Stadtpfarrkirche Bad Königs- In gewohn- von Bernd Thanisch in Zusammenarbeit mit hofen (Michael Böckler) oder über die tra- ter Weise hat dem Heimatmuseum in Mellrichstadt. Auf ditionsreiche Wallfahrt der Simmershäuser Kreisheimat- über 30 Seiten stellt Hanisch in Wort und nach Vierzehnheiligen. und Archiv- Bild die vom Aussterben bedrohte Kunst Landrat Thomas Habermann schreibt in sei- pfleger Rein- des Besenbindens vor. Er geht auf die ver- nem Vorwort zu dieser 34. Ausgabe des tra- hold Albert die schiedenen Besenarten ein, berichtete, dass ditionsreichen Buches: „Durch aufwendi- Dorfgeschichte das Besenbinden eine vordringliche Arbeit ge Recherche des Schriftleiters wird unsere von Althausen während der Wintermonate war und erläu- regionale Geschichte aufgearbeitet und mit aufgearbei- tert die einzelnen Schritte des Besenbindens. aktuellen Themen bereichert. Ich bin immer tet. 200 Seiten Dazu geht er auf die Kunst des Besenbindens wieder begeistert, wie es dem Schriftleiter stark ist das in Literatur und Kunst ein. Das Heft kann und seinem Autorenteam gelingt, eine Auf- neue Buch, das beim Autoren Bernd Thanisch, Lönsstr. 20, lage herauszubringen, die so nachdrücklich in der Schrif- 97639 Mellrichstadt gegen einen geringen das Heimatgefühl und die kulturelle, religi- tenreihe des Unkostenpreis bezogen werden. Die Titel der öse, künstlerische, musikalische, mundartli- Vereins für bisher erschienenen Hefte: che und historische Eigenart unserer Heimat Heimatgeschichte im Grabfeld e.V. erschien. Anlass der Herausgabe war die Gründung Heft 1: Wäschewaschen und Wäschepflege und unseres Landkreises dokumentiert.“ der Pfarrei Althausen vor 200 Jahren. Kein zu Großmutters Zeiten Frankenland – Geringerer als der letzte Abt des Zisterzi- Heft 2: Flachsanbau und Flachsverarbeitung Zeitschrift für Fränkische Landeskunde enserklosters Bildhausen, Nivardus Schlim- in Rhön und Grabfeld zu Urgroß- und Kulturpflege, Heft 2, April 2011: bach, ein gebürtiger Althäuser, stiftete sie mutters Zeiten Anlässlich des 82. Bundestages des Fran- und ließ gleich noch neben der Kirche ein Heft 3: Von der Frucht zum Saft – Apfelsaft kenbundes in Bad Neustadt im Mai 2011 stattliches Pfarrhaus erbauen. Doch nicht selbst hergestellt behandelte die viermal jährlich erscheinende nur die Kirchengeschichte werden in dem Heft 4: Vom Korn zum Brot – Brotbacken Vereinszeitschrift, Heft 2/2011, zahlreiche Buch ausführlich behandelt, sondern auch wie zu Großmutters Zeiten Themen aus unserer Heimat. So berichten die allgemeine Dorfgeschichte. Beim Durch- Peter Ettel und Lukas Werther über die ar- blättern des Buches werden Erinnerungen Heft 5: Die Heuernte auf der Hohen Rhön – chäologischen Forschungen auf dem Veits- an die „gute alte Zeit“ wach. Es beinhaltet Wie’s früher einmal war berg bei , Michael Neubauer über viel Wissenswertes. Zahlreiches zum größ- Heft 7: Sauer ist gesund: Vom Herstellen des Egid von Boriè und sein Schloss Neuhaus, ten Teil historisches Bildmaterial wurde zu- Sauerkrauts Reinhold Albert über den Weinbau in Rhön- sammen getragen. Ausführlich wird auch die Heft 8: Der Seiler und sein Handwerk Grabfeld. Dr. Doris Pokorny über das Bio- Geschichte des Sambachshofs beschrieben. Seite ­­10 Das Grabfeld Nr. 19 · November 2011 Der Bildhäuser Bauernhaufen im BAUERNKRIEG 1525

Michael Böckler einer Gemeinde, auf das alle Gemeindemit- glieder ein Recht hatten. Wenn wir das kriegerische und blutige Ge- schehen im Jahre 1525 verstehen wollen, Die zwölf Artikel müssen wir uns in diese Zeit vor 500 Jahren Der einfache Mann leitet aus der Überset- hineindenken. zung des Neuen Testaments und den alten Die mittelalterliche Welt gliedert sich in eine germanischen Rechten Forderungen an die vorgegebene Ordnung. Diese Ordnung war Obrigkeit ab. sehr lange Zeit so selbstverständlich, dass sie einfach gelebt und nicht hinterfragt wurde. 1 Die Gemeinde soll wieder das Recht Ganz oben in dieser Ordnung standen der haben, ihren Pfarrer selbst zu wählen und Kaiser, darunter der Hochadel und gleich das Recht, ihn wieder abzusetzen, wenn danach die Würdenträger der Kirche, die er Unrecht tut. sowohl religiöse als auch weltliche Macht 2 Wir wollen auch weiterhin den zehnten und Gewalt ausübten. Teil aller Erträge an die Grundherren Darunter standen die Edelleute und Ritter. liefern. Das steht so in der Bibel. Diese standen in den Diensten der hohen 3. Niemand soll mehr leibeigen sein. In der Herren. Ihre Macht und Gewalt war eine Bibel steht, dass alle Menschen gleich gegebene, sie konnte jederzeit wieder ge- sind. Wollen weiter dienen, aber nicht als nommen werden. Leibeigene. Die Bürger, Handwerker und Kaufleute bil- 4. Die Tiere des Waldes, das wilde Geflügel den eine neue Intelligenz. Sie sind es, die eine und die Fische in den Bächen und Flüs- neue Macht in den Händen halten – das Geld sen sind dem armen Mann verboten. Sie – und sie wollen mehr Freiheiten für Handel sollen allen gehören. und Gewerbe. 5. Die Wälder der Gemeinden sollen wieder Die Basis dieser Pyramide sind die Macht- Allgemeingut sein. Damit sich der arme losen. Neben dem Landvolk gehören dazu Wahrheiten mit der neuen Buchdruckkunst. Mann mit Bau- und Brennholz versorgen die Frauen, die Leibeigenen und die Bettler. Durch das Aneinanderfügen von Buchstaben kann. Die Bettler erfüllen zu dieser Zeit noch eine können nun Bücher gedruckt werden. 6. Die Frondienste für die Grundherren wichtige Aufgabe. Sie sind für die Besit- werden immer mehr. Es sollen nur so zenden das Tor ins Himmelreich. Mit jeder viele sein wie früher, gemäß Gottes Wort. Wohltätigkeit können sich die Reichen in den Neu sind auch Flugblätter. Sie sollen nicht abgeschafft werden, aber Himmel einkaufen. Auf solchen Blättern sind Bilder, einfache auch nicht zu viele sein. Jede Bewegung und jeder Mensch, der dieses Bilder, die das Volk ansprechen. Dadurch 7. Wenn die Herren mehr Dienste verlan- System in Frage stellt, wird verfolgt und als wird das Nachrichtenwesen revolutioniert. gen, so wollen wir auch gehorsam sein. Ketzer hingerichtet. Von der Flüsterpropaganda zur bildlichen Aber die Dienste sollen mit gutem Geld In unserer Gegend war es 1476 Hans Böhm, Darstellung von Nachrichten in einer bis bezahlt werden. der so genannte Pfeifer von Niklashausen. Er dahin nie gekannten Auflage. 8. Alle zusätzlichen Abgaben sollen über- sprach als erster von Freiheit, Gleichheit und Freyheit steht auf der Fahne und den Flug- prüft und neu geschätzt werden. Brüderlichkeit. Niklashausen, ein Ort südlich blättern der Bauernbewegung. 9. Der arme Mann wird ohne Gericht will- von Würzburg, wurde in der Folge zu einem Der arme Mann will sich nicht mehr wie bis- kürlich von den Herren gestraft. Das soll Wallfahrtsort. her auf das Himmelreich vertrösten lassen. abgeschafft werden. Wenn man den Chronisten Glauben schenken Bürger, Handwerker und Händler wittern will, waren es täglich tausende Menschen, die die Chance, die hinderlichen und überkom- den neuen Propheten hören wollten. menen Strukturen zu verändern. Aber die Hans Böhm berief sich auf die Gottesmutter. Reichen und die Mächtigen sind nicht ge- Sie habe ihn erwählt, um die Menschheit aus willt, etwas von ihrem gewohnten Lebens- ihrer Bedrückung zu befreien. Er wetterte standard abzugeben. gegen den Luxus der Bürgerlichen und der Adeligen, gegen die Habgier der Pfaffen Die Lage der Landbevölkerung hat sich in und forderte für alle Menschen die gleichen den letzten Jahren zunehmend verschlech- Rechte und Pflichten ein. tert, die Situation wird als bedrückend, unge- Die Obrigkeit griff ein. Hans Böhm wurde recht und unerträglich empfunden. verhaftet und hingerichtet1. Abgaben, Schulden und Lasten stürzen ehe- Als nun Martin Luther, der mächtige Refor- mals freie Bauern in die Leibeigenschaft. mator, „Von der Freyhayt aines Christen- Fron und Abgaben werden unerbittlich er- menschen“ zu schreiben beginnt und mit sei- presst. Vor allem die Rechtlosigkeit bewegt ner deutschen Übersetzung des neuen Testa- den „armen Mann“. Er hat nichts mehr zu mentes das unverständliche – weil bis dahin verlieren. Die Bauern erinnern sich an das lateinische – Wort der Priester verständlich alte germanische Landrecht, an die Teilhabe wird, werden viele Fragen gestellt – auf die an der Allmende und an den ehemaligen ein- niemand eine angemessene Antwort hat. fachen Zugang zu den Tieren und Früchten Verbreitet werden dieses neue Wissen, diese der Wälder, sowie die alten Holzrechte. Die neuen Gedanken und die damit verbundenen Allmende war das gemeinsame Eigentum Nr. 19 · November 2011 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­11

ist eine schwere, zweihändig zu führende regen Kontakt mit Moritz Marschalk von Keule, die besser gearbeitet ist als eine Ostheim zu Waltershausen. Ruck wird von gewöhnliche Keule. Ihr runder, ovaler oder diesem Adeligen in seinem Studium der zylindrischer Kopf sitzt auf einem schma- neuen Lehre unterstützt. Der Abt von Bild- len Stiel. Sie ist ein Vorläufer des Streitkol- hausen zeigt keine Neigung, Ruck und seinen bens, besteht aber gänzlich aus Holz. Kameraden das Studium in Wittenberg zu - der Kriegsflegel bezahlen. Moritz Marschalk von Ostheim wurde ursprünglich zum Dreschen des Ge- zu Waltershausen bezieht über Ruck die treides verwendet. Für Kriegszwecke wur- neuesten Bücher aus Wittenberg und lässt die de der Dreschflegel oben noch zusätzlich heilige Messe nach der neuen evangelischen mit Eisen beschlagen. Lehre lesen6. - die Kriegssense Diese Sense wurde in gebogenem Zustand zum Mähen des Grases verwendet. Um als Conrad II. von Thüngen Stichwaffe zu dienen, wurde sie gerade Der Bischof von Würzburg ist ein Fürstbi- geschmiedet. schof. Er ist nicht nur geistliches Oberhaupt - der Spieß der regionalen katholischen Kirche, sondern Er wurde als Handwaffe benutzt oder von auch der weltliche Herrscher über seine Diö- Geschützen abgefeuert. Oft wurde ein bren- zese. Er ist das Oberhaupt jeder Verwaltung, nender Lappen um die Spitze gewickelt um jeder Polizei und oberster Kriegsherr. Brände zu legen. Politisch zerrissen ist das Gebiet im frän- kischen Oberland. Viele Grundherren teilen sich Grund und Boden und nicht einmal die Bildhausen 1525 Grafen von Henneberg hatten ein zusammen- 10. Die Herren sollen alle Gemeindeäcker Die älteste Darstellungen von Maria Bildhau- hängendes Herrschaftsgebiet. und Gemeindewiesen wieder an die Ge- sen findet sich auf dem Grabstein von Abt Am 9. April 1525, am Palmsonntag, wird in meinden zurückgeben. Michael Christ (1618). einem Gasthaus in Münnerstadt heiß disku- 11. Der Brauch, beim Tod des Ernährers den Wie Bildhausen im Jahr 1525 ausgesehen tiert. Die Nachrichten von Aufständen im Sü- Witwen und Waisen die besten Stücke den des Reiches reißen nicht ab. Von ersten wegzunehmen, soll ganz abgeschafft Erfolgen der Bewegung wird berichtet, von werden. brennenden Schlössern und von besetzten 12. Wenn eine dieser Forderungen gegen das Klöstern. Wort Gottes ist, wollen wir sie gleich Ergebnis: Bürger, Bauern und Handwerker zurücknehmen2. aus Münnerstadt, , Reichenbach und Fridritt beschließen im Weinrausch, das Heute würde man sagen, es sind Grundrechte, Kloster Bildhausen einzunehmen7. die hier eingefordert werden. Alle sind aus In Bildhausen erfährt Abt Valentin von die- der Bibel abgeleitet, zum Teil auch aus einem sem Vorhaben und bittet die umliegenden alten germanischen Rechtsbewusstsein. Die Bauernlager sprechen untereinander von 3 „christlichen Brüdern“ . 1) vgl. Weiss Elmar, Der Pfeifer von Niklashausen. Tau- Die Rückbindung an die Religion gipfelt berbischofsheim 1984. darin, dass jede einzelne Forderung, die aus 2) hier in leichte Sprache übersetzt. Das Original siehe: der Bibel zu widerlegen ist, sofort zurückge- Link Werner, Dokumente aus dem deutschen Bauern- 4 krieg. Leipzig 1974. S. 88ff. zogen werden soll . 3) vgl. Fries Lorenz, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken. Würzburg 1883. und Merx Otto, Akten Ganz Südwestdeutschland brennt. Die hat, wissen wir nicht. zur Geschichte des Bauernkrieges in Mitteldeutschland. Herren hatten nicht auf diese mäßigen For- 1524/25 gibt es in Bildhausen nur 4 Mönche Leipzig 1923, Nachdruck Aalen 1964. die jünger als 40 Jahre sind. 4) Link Werner, a.a.O., S. 94. derungen reagiert. Das Ergebnis ist Gewalt. 5) Henneberger Günter, Reformation und Bauernkrieg Gewalt erzeugt Gegengewalt. Die Auseinan- Von 15 jungen Mönchen, die zwischen 1520 in Neustadt. In: Ein Streifzug durch Frankens Ver- dersetzungen werden auf beiden Seiten mit und 1524 geweiht worden waren, verlassen gangenheit. Bad Neustädter Beiträge zur Geschichte äußerster Brutalität geführt. 11 das Kloster – erfasst von der neuen luthe- und Heimatkunde Frankens. Band 2. Bad Neustadt rischen Lehre5. 1982. S. 93. 6) ebd. S.93. Einer von ihnen, Johann Ruck, geht nach 7) Merx Otto, a.a.O., Band 1, erste Abteilung, S.24, Urk. Die Waffen der Bauern Wittenberg wo Luther lehrt. Er steht in einem 38. Fries Lorenz, a.a.O. Band I S. 346.. Die Bauern waren den Kriegsherren in Sa- chen Waffentechnik restlos unterlegen. Dies führte dazu, dass sich die Bauernkrieger mit allem was ihnen zur Verfügung stand, zu ver- teidigen suchten und / oder anzugreifen. Die meisten der Bauernkriegswaffen sind durch Umbauten aus landwirtschaftlichen Geräten entstanden. Diese, geschickt eingesetzt, wa- ren verheerende Waffen im Nahkampf.

Bei Mistgabeln und Heugabeln wurden die Stöcke zu langen Spießen verlängert. - der Morgenstern ist eine mit Eisenstacheln besetzte Stange oder Kugel. Damit wurden die Soldaten auf den Pferden aus ihren Satteln gehoben. - die Kriegskeule Seite ­­12 Das Grabfeld Nr. 19 · November 2011

Städte und Ämter um Hilfe. Begründet wird die Aufforderung mit der Unklar bleibt bis zum heutigen Tag, ob alle Hans von Maßbach – Amtmann zu Wild- Notwendigkeit die ungerechten Beschwer- Überfälle auf Veranlassung des Bildhäuser berg – schickt 150 Mann, um das Kloster zu nisse für den armen Mann abzustellen, „das Haufens geschahen. Viele Plünderungen sind schützen. got der almechtig nit lenger“ zusehen kann. eher spontane Erhebungen ohne zentralis- Neustadt schickt seinen Landsknecht. Königshofen lehnt erneut ab und weist auf tische Steuerung. Keine Hilfe kommt aus Königshofen, Mün- den versprochenen Landtag in Würzburg hin. Die Hauptleute erwähnen später, dass sie die nerstadt und Stadtlauringen8. Schloss Aschach wird für einige Zeit Zu- verschiedenen regionalen Haufen in Aura, fluchtsort für die geflohenen Amtmänner in Fladungen, in Hassfurt und in Heidenfeld Am 12. April 1525, dem Mittwoch in der Kar- der umliegenden Städte16. Der Bischof von als dem Bildhäuser Haufen zugehörig be- woche, ziehen rund 300 Bauern mit Pauken Würzburg, selbst von einem großen Bau- trachten24. und Trompeten nach Bildhausen. ernhaufen belagert, fordert gleichfalls alle Das Kloster wird ihnen ohne weiteren Wider- Ämter und Städte auf, den Treueid zu halten. stand übergeben. Alle Adeligen werden aufgefordert, dem Bi- Die 150 Knechte des Amtmanns zu Wildberg schof zu Hilfe zu eilen17. laufen zu dem Bauernheer über9. Hans von Maßbach reitet selbst nach Bild- Die Adeligen leben hausen, erreicht aber nichts. in Angst und Schrecken Vermittlungsversuche der Bürgermeister aus Die erste Wut der Bauern hat einige Burgen Neustadt und Münnerstadt sind ebenfalls und Schlösser dem Erdboden gleich gemacht. ohne Erfolg10. Die Edelleute müssen sich mit den anzahl- Abt Valentin hat mit den meisten Mitglie- mäßig übermächtigen Bauern vertragen und dern seines Konvents das Kloster bereits gleichzeitig dem Bischof erklären, warum sie verlassen. Er ist nach Königshofen auf seinen nicht nach Würzburg kommen können. Die Klöster mit ihren Zehntscheunen, ih- Bildhäuser Klosterhof geflüchtet11. Auch Wilhelm von Schaumberg zu Thundorf ren Weinkellern, ihren Fischweihern und In Bildhausen selbst werden Wege und Stege war vor dem Unslebener Schloss in arge sonstigen Nahrungsmitteln waren die natür- befestigt. Auf dem Petersberg wird ein Bau- Bedrängnis geraten. Er war vom Bischof von lichen Ziele der Bewegung. ernlager eingerichtet12. Würzburg zu den Truchsessen Georg und In ihren Mauern waren die vielen Aufstän- Die Bildhäuser wählen ihre Hauptmänner: Paul von beordert worden. dischen am besten zu ernähren. Hans Schnabel aus Münnerstadt. Er wird Er sollte dort wohl gerüstet die Unslebener einmal ein Leineweber, ein anderes Mal ein Adeligen bei ihren Botengängen unterstüt- Schreiner genannt. zen. Würzburg 1525 Hans Schaar aus Burglauer13. Er wurde von über 80 Bauern gestellt und Die Stadt Würzburg unter der Festung Mari- Die Bildhäuser fordern alle Städte, Ämter entging mit vielen guten Worten nur knapp enberg ist der neuen Lehre zugeneigt25. Der und Dörfer auf, sich ihnen anzuschließen14. einer möglichen Lynchung. Er durfte ei- Bischof residiert auf der Festung Marienberg. ne unruhige Nacht in dem noch intakten Die Festung wird von verschiedenen Bauern- Schloss verbringen. Am nächsten Tag musste haufen belagert und beschossen. Ostern 1525 er mehrfach geloben, nichts gegen die Auf- Ein hektischer Briefwechsel setzt ein. An ständischen zu unternehmen, bevor er wieder Allen Aufständischen im unterfränkischen manchen Tagen werden bis zu 20 Briefe von dannen ziehen durfte18. „Oberland“ wird für den 1. Mai ein Landtag hin- und hergeschickt. Bauernlager, Bischof, in Würzburg versprochen. Dort soll geprüft Städte, Adelige, alle haben Fragen, Forde- werden, ob die Beschwerden zu Recht be- rungen und Unsicherheiten15. stehen. Die Stadt Königshofen schickt am Karfreitag Hierzu werden alle Bauernhaufen und alle einen Boten nach Bildhausen um zu erkun- Städte eingeladen. den, warum sich die Bauern dort versammelt Am Ostermontag erreicht diese Nachricht hätten. Die Bauern antworteten, sie wollten Neustadt an der Saale. Gerade zur rechten das Evangelium und Gottes Wort und die Zeit. Am Ostersonntag war ein Bauer vor Gerechtigkeit handhaben und die Beschwer- der Stadt der Willkür einzelner Edelleute den vom armen Mann abtun nach christlicher zum Opfer gefallen; es brodelt in der Stadt26. Ordnung. Gleichzeitig wird die Stadt Kö- Dieses Versprechen auf einen Landtag ist ein nigshofen aufgefordert sich der Erhebung sehr kluger Schachzug. als christliche Brüder anzuschließen. Kö- Die Spitzen des Bildhäuser Haufens brechen nigshofen verweigert darauf dem Bildhäuser alle aktiven feindlichen Aktionen ab. Sie hof- Haufen, mit der Begründung man vertraue fen tatsächlich, dass die ganze Bewegung oh- auf die Gerechtigkeit des Fürstbischofes in ne weiteres Blutvergießen ausgehen könnte. Würzburg. Postwendend trifft am Ostermon- Die zwei Wochen bis zum versprochenen tag eine Nachricht ein, mit der erneuten Auf- Landtag nutzen beide Seiten: forderung sich dem Aufstand anzuschließen. Karwoche 1525 Die Bauern versuchen sich zu stärken. Sie Das Schloss Wildberg - der Sitz des Amt- setzen Dörfer, Städte und Adel unter Druck mannes Hans von Maßbach - soll schon in sich ihnen anzuschließen. Sie bringen aus den der ersten Woche des Aufstandes geplündert umliegenden Städten Geschütze, Pulver, Blei und verbrannt worden sein19. und Zelte in das Lager nach Bildhausen27. Kloster Johannishof – das heutige Anwesen von Dr. Pullmann – ebenfalls20. Die Zeit arbeitet aber für die Obrigkeit. Aus dem Süden nähert sich über Tauber- Karfreitag 1525 bischofsheim der schwäbische Bund mit ein- Das ganze Land ist in Aufruhr. Klöster und igen tausend Landsknechten in Waffen, aus Klosterhöfe werden von den jeweiligen Un- dem Westen der Landgraf von Hessen, aus tertanen spontan besetzt und geplündert. dem Norden Kurfürst Johann von Sachsen 28. Kloster Wechterswinkel21 , Kloster Frau- Lediglich die Grafen von Henneberg geraten enroth22 Kloster Aura22 Kloster Hausen22 in dieser Zeit stark unter Druck. Klosterhof Ottelmannshausen, ein Hof des Graf Hermann von Henneberg residiert im Kloster Veßra23 Stadtschloss zu Römhild. Nr. 19 · November 2011 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­13

(10.000 Mann). Graf Wilhelm schwört des- Aus dem Burckviertayl: Hans Werner, Cas- halb dem Werrahaufen am 3. Mai auf die par Wachbronner, Michel Schmidt, Claus zwölf Artikel30. Welfran. Aus dem Seumark viertayl: Claus Dieses Angebot macht er auch den übrigen Spor, Philips Clainkopff, Hans Vischer, Bauernhaufen in seinem Einflussgebiet. Pauls Wirsing33a. So zum Beispiel auch dem Bildhäuser Hau- fen. Aber die Bildhäuser sind misstrauisch. Der Bildhäuser Haufen ist straff durch-orga- Sie lehnen das Angebot erst einmal ab31. nisiert34. Den Hauptleuten ist ein Bauernrat zur Seite gestellt, ohne den sie nicht ent- Die Städte stecken ebenfalls zwischen allen scheiden können. Sie leiten den Bauernrat Fronten. Neben dem Stadtrat und dem Bür- und sind verpflichtet, alle Vorhaben mit ihm germeister sitzt in jeder Stadt ein Amtmann zu besprechen. – der Vertreter des Landesherrn – des Bi- Es gibt auch so genannte „Schultheißen“. Das schof von Würzburg. In Münnerstadt gibt es waren die Richter im Bauernhaufen. Ihnen außerdem noch einen Amtmann des Grafen standen weitere Feldrichter zur Seite. Hermann von Henneberg. Heinrich Krumbfuß, ein Goldschmied aus In der Bevölkerung sind alle Schichten Römhild, war der Schultheiß des Bildhäu- vertreten. Die meisten Einwohner sympa- ser Haufens. Am 01. Juni wurde er wegen thisieren mit den Bauernhaufen. Vor allem einer Schenkelverletzung von seinem Amt das städtische Proletariat, Tagelöhner und suspendiert. arbeitslose Handwerksgesellen sehen eine An seine Stelle trat Johann Martell, der Stadt- Chance, an ihrer aussichtslosen Lage Ent- schreiber von Königshofen, der vorher als scheidendes zu ändern. Sie drängen die Ver- Feldschreiber in der Kanzlei tätig gewesen antwortlichen der Stadt, sich den Bauern an- war. Martell war über seine Wahl nicht glück- zuschließen. Außerdem werden nicht selten lich, denn noch am selben Tag berichtete Klosterhöfe und die Häuser von Reichen und er nach Königshofen, er sei „leider zu dem Mächtigen geplündert, in Münnerstadt der schulteisen ampt erwelet ...“ wogegen er sich Bildhäuser Klosterhof, das Augustinerklo- nicht habe wehren können.. ster und die Liegenschaften der Deutschor- denskommende. Er ist dem Aufstand am nächsten. Gerade Die Ordnungskräfte sind überfordert und ha- 8) Henneberger Günther, a.a.O., S103. Fries Lorenz, einmal ca. 40 Kilometer trennen ihn von dem ben alle Hände voll zu tun, die Bevölkerung a.a.O. Band I S. 346 und Band II, S. 329. geballten Unmut des kleinen Mannes. Er im Zaum zu halten. 9) ebd. sieht Klöster und Schlösser in Flammen auf- Beide Amtmänner sind bereits nach Aschach 10) Däschlein, Königshofen und der Bauernkrieg 1525. gehen und fürchtet um seine eigene Existenz. entflohen32. In: Blätter für Heimatkunde. Beilage zum Boten vom Er versucht zu taktieren, sucht den Bund mit Grabfeld. 7/1932. S. 4 11) ebd. seinem Vetter Wilhelm von Henneberg und Wie sich die Ratsherren auch entscheiden, sie will es sich auch nicht mit dem Fürstbischof 12) siehe auch Fries Lorenz, a.a.O., Band I, S. 353. haben entweder die Rache des Bischofs oder 13) Jacobsen Jakob., Die Beteiligung nichtbäuerlicher in Würzburg verderben. die Gewalt der Bauernhaufen zu fürchten. Gruppen im Bauernkrieg 1524/25 – unter besonderer Er ist durch seinen aufwändigen Lebensstil Aktuell sehen sie sich der Wut, der Empörung Berücksichtigung Frankens, Staatsexamensarbeit Kiel hoch verschuldet. Deshalb kann er kein Söld- und dem aufgestachelten Fanatismus der ei- 1974. S. 24. Besonders wichtig zur inneren Struktur, nerheer kaufen. Er kann sich nicht gegen das genen Stadtbevölkerung ausgesetzt. Aufbau und Organisation des Bauernhaufens. Bauernheer schützen. 14) Merx Otto, a.a.O., Band 1, erste Abteilung, S.62, So bleibt ihnen oft nichts anderes übrig als Urk. 88. Er muss sich deshalb schon in der Zeit vor sich den Aufständischen anzuschließen. 15) ders. Band 1. dem Landtag den Aufständischen anschlie- Münnerstadt vollzieht diesen Schritt späte- 16) ders. Band 1, erste Abteilung, S.28, Urk. 46 ßen, um sein Land, seine Habe und seine stens mit der Aufstellung der Münnerstädter Schlösser zu schützen29. Forderungen am 21. April 152533. 18) vgl. Fries Lorenz, a.a.O., Band II, S. 254f. Wilhelm von Henneberg zu Schleusingen 19) Däschlein, Königshofen und der Bauernkrieg 1525. gerät zwischen zwei Bauernheere. Im Norden In: Blätter für Heimatkunde. Beilage zum Boten vom bildet sich der Werrahaufen, der von Schmal- Grabfeld. 8/1932. S. 1 20) ders. 10/1932 S.1. kalden bis Meiningen seine Macht ausübt 21) siehe auch Fries Lorenz, a.a.O., Band I, S. 352. 22) ders. Band I, S.348. 23) Däschlein, Königshofen und der Bauernkrieg 1525. In: Blätter für Heimatkunde. Beilage zum Boten vom Grabfeld. 10/1932. S. 1, Merx Otto, a.a.O., S 42f, Urk. 66f. 24) Fries Lorenz, a.a.O., Band I, S. 356 und 357 unten,) Merx Otto, Urk. 555, 25) ders. Band 1, S. 64f. 26) Henneberger Günter, a.a.O., S. 107f. 27) Merx Otto, Urk. 158, 159, 174, 420 28) Merx Otto, S. 316f 29) Wölfing Günther, Der Bauernkrieg im südthüringisch- Die Stadt Königshofen versucht mit der Er- hennebergischen Raum. Mit einem Bildteil fotografiert von Bernhard Großmann. Suhl 1989. S.24 richtung einer Stadtverordnung die öffent- 30) Merx Otto, a.a.O., S. 413, Urk. 579, 602 liche Ordnung aufrecht zu erhalten. Es wer- 31) ders. S. 459, Urk. 681 den zum Stadtrat, bestehend aus 18 Personen, 32) Fries Lorenz, a.a.O., Band II, S. 229ff noch 16 Personen dazu gewählt – vier aus 33) ders. S. 234, Lenk Werner (Hrsg.), Dokumente aus dem jedem Stadtviertel. Aus dem Bräuhausvier- deutschen Bauernkrieg. Leipzig 1974. S. 144f. tel: Karel Engelhart, Philips Schmidt, Hans 33a) Däschlein a.a.O. Folge 8, 1932. Salveter, Jorg Vink. 34) Die folgenden Ausführungen (S. 16 – 18) sind alle entnommen aus: Jacobsen J., Die Beteiligung nicht- Aus dem Kirchgasnerviertel: Pauls Schult- bäuerlicher Gruppen im Bauernkrieg 1524/25 – unter hais, Andres Kaytzler, Hans Vatter, Hans besonderer Berücksichtigung Frankens, Staatsexa- Knor. mensarbeit Kiel 1974. Seite ­­14 Das Grabfeld Nr. 19 · November 2011

nigshofen entsandte daraufhin Johann Mar- können und wollen keine Entscheidungen tell, der bis zu seiner Wahl zum Schultheißen treffen. am 01. Juni als Feldschreiber tätig war. Auch eine Tagung in Neustadt mit allen Schaut man hier genauer hin, so wird klar Städten und dem Bildhäuser Haufen geht ersichtlich, dass die Führungspositionen des ratlos auseinander36. Das einzige Ergebnis ist Bauernhaufens überwiegend einer eher bür- die Radikalisierung des gemeinen Mannes. gerlichen Schicht angehörten. Die Menschen Die Menschen fangen an zu begreifen. Sie hatten sicherlich andere Interessen als der werden nur hingehalten. Niemand will an einfache Landmann. Diese Zusammenset- ihrer Lage etwas ändern. zung führte auch immer wieder zu Span- nungen im Gefüge des Bauernhaufens. In diese Zeit der Orientierungslosigkeit, Ratlosigkeit und Radikalisierung fällt die Hinrichtung eines Spions im Bauernlager. Paul Truchsess von Unsleben war ein Ver- trauensmann des Bischofs von Würzburg. Er überbrachte dem Grafen Wilhelm von Henneberg 4000 Gulden zur Anwerbung eines Söldnerheeres. Wilhelm von Henne- berg sollte mit diesem Heer der belagerten Die Bauern schwören auf eine Fahne mit dem Festung in Würzburg zu Hilfe eilen. gekreuzigten Heiland Paul Truchsess blieb einige Zeit in Schleusin- gen. Beunruhigt über die Nachricht, dass sein Profosse sind Männer, die für Ordnung sor- Schloss in Unsleben gestürmt, geplündert gen. Sie achten darauf, dass die Regeln ein- und ausgebrannt sei, schickte er seinen treuen gehalten werden. Knecht Herd von Willmers in die Heimat um nach dem rechten zu sehen. Dieser Knecht Es gibt Finanz- und Wirtschaftsminister die wurde von den Bauernwachen gefangen und sogenannten Rentmeister in das Bauernlager in Bildhausen gebracht. - Sie sorgen für die Versorgung der Mas- Unter Anwendung der Folter sagt er aus, er sen mit den Vorräten der Städte, Klöster, habe ausspionieren sollen, wie viele Rei- Burgen und Schlösser, ter und Knechte notwendig seien, um die - Sie verwalten die überwiesenen oder Aufständischen im fränkischen Oberland zu durch Verkauf von Beutegut eingegan- schlagen. Den Auftrag dazu habe der Land- genen Gelder graf von Hessen gegeben. Dieser hatte die - Sie sind dem Bauernrat verantwortlich Fuldischen Bauern blutig niedergeschlagen und sei auf dem Weg ins fränkische Ober- Aus Münnerstadt werden Casper Wirt und land. Hans Buhl genannt. Georg von Bibra zu Irmelshausen Nach Lorenz Fries, dem Chronisten dieser Aus Königshofen Casper Kern. Er war beliebt bei seinen Untertanen und der Zeit, waren diese Aussagen unter unmensch- Es gibt Büchsenmeister, zuständig für die neuen Religion zugeneigt. licher Folter erzwungen. Herd von Wilmers Organisation von Waffen. Ein Mann, der mit Er hatte sich einer offiziellen Aufnahme in habe sie erfunden, um die furchtbaren Marter schwerem Gerät mit Kanonen aller Art umge- den Bauernhaufen verweigert. Er versuchte zu beenden und möglichst bald zu sterben. hen kann, wird aus Schweinfurt ausgeliehen. immer neutral zu bleiben und seine Unterta- Herd von Wilmers wurde als Spion im Bau- Beutemeister des Haufens waren: nen zu schützen. ernlager enthauptet37. - Jakob Hans (Schweinfurt) Nach dem Bauernkrieg musste er sich sowohl Es ist auch die Zeit des beginnenden Man- - Fritz Heffner (Häfner aus Königshofen) gegen Wilhelm von Henneberg als auch gels. Die Vorräte der Klöster und Klösterhöfe Diese beiden haben die Pferde und Harnische gegen Bischof Conrad von Thüngen wegen sind aufgebraucht. Jedes Lager bittet jedes der Reisigen und Edelleute beschlagnahmt, seiner humanen Haltung rechtfertigen35. um Hilfe und jeder ist sich selbst der Näch- verkauft „und nachfolgens den hauptleuten Der versprochene Landtag in Würzburg am ste. Die Städte und Dörfer taktieren weiter und reten berechnet“. Fritz Heffner wurde am 2. Mai bringt kein Ergebnis. Der Bischof und die Schlinge der Söldnerheere zieht sich 03. Juni vor Meiningen von seinem Haufen ist nach Heidelberg geflüchtet, alle anderen immer enger um das fränkische Oberland. abgeschnitten und mit einem Wagen voll Harnischen gefangen genommen. Als Proviantmeister des Haufens fungierte nach eigenem Bekenntnis Hans Caden aus Neustadt.

Kanzler und Feldschreiber Der Kanzler des Haufens, also der Chef der Schreibstube, ist spätestens seit dem 22. April Michel Schrimpf, Pfarrer in Werme- richshausen. Er beteiligt sich selbst auch an den Schreibarbeiten. Am 10. Mai werden, trey schreyber in der canzley angenommen“ und vom Kanzler vereidigt. Johann Erbays ( aus Mellrichstadt) Caspar (aus Münnerstadt) N.N. (aus Neustadt/Saale) Die Kanzlei des Bildhäuser Haufens war von den anfallenden Schreibarbeiten überlastet. Am 14. Mai bat man die Stadt Königshofen ihren Schreiber ins Lager zu schicken. Kö- Nr. 19 · November 2011 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­15

Erst am 10. Mai wird das Lager in Bildhau- sen geräumt. Das Bauernheer setzt sich in Richtung Schweinfurt in Bewegung. Die Aufständischen machen sich nach Würzburg auf, um gemeinsam mit den anderen Bauern- haufen die Festung Marienberg in Würzburg zu brechen. Der Marsch findet aber bereits in Münner- stadt ein vorläufiges Ende. Mellrichstadt ruft mit äußerster Dringlichkeit um Hilfe. Das Heer schwenkt um und zieht nach Mell- richstadt38. Der Landgraf Philipp von Hessen steht be- reits kurz vor Meiningen und es wird ver- mutet, dass er gegen die Aufständischen im fränkischen Oberland ziehen will. Das Ziel des Landgrafen war aber nicht Mei- ningen, sondern Mühlhausen in Thüringen, wo Thomas Münzer predigte.

Der Bildhäuser Haufen liegt bis zum 14. Mai in Mellrichstadt in Erwartung der Truppen des Landgrafen von Hessen. Als dieser sich dem Abt von Bildhausen entwendet hätten. Diese Kleinodien des Klosters Bildhausen nun zweifellos nach Thüringen wendet, mei- 43 nen die Bildhäuser, der Landgraf von Hessen werden in Schweinfurt eingelagert . würde vor ihnen fliehen39. Da beschließen sie das Heer zu teilen. Ein Hans Schnabel und Hans Scharr, die Haupt- guter Teil verblieb unter Führung des Bürger- leute des Bildhäuser Haufens, mahnen alle meisters von Meiningen, Claus Schilling und Aufständischen im fränkischen Oberland, dem Ratsherren Hans Frisch bei Mellrich- immer auf christlicher und brüderlicher stadt im fränkischen Oberland. Alle anderen Grundlage zu handeln. Wiewohl sie selbst brechen unter den Anführern Schnabel und Schlösser und feste Häuser erbrochen hätten, Schaar in Richtung Würzburg auf. sei bei der Verteilung der vorgefundenen Wertgegenstände immer zuerst beraten wor- Sie folgen den Hilferufen ihrer Kollegen, die den und vor allem an den armen Mann ge- den Frauenberg und den Bischof von Würz- dacht worden. burg belagern40. Bei Androhung von Leibesstrafen wenden Truchseß Ullrich, und der Markgraf Kasimir sich die genannten Anführer gegen jegliches unmenschliche, egoistische und räuberische von Brandenburg zu Ansbach sind aus dem 44 Süden in Richtung Würzburg unterwegs, um Verhalten . dem Bischof beizustehen. Das Bauernlager um Mellrichstadt hat groß- Schloss Rossrieth bei Mellrichstadt wurde 50 Die Stadt Schweinfurt wird als Zwischen- en Zulauf. Es sammeln sich radikale Kräfte. ebenfalls erobert und zerstört . stopp gewählt und informiert41, mit der Bitte, für eine entsprechende Versorgung vor der Stadt am Montag den 15. Mai zu sorgen.

Die Hauptleute des Bauernheeres sehen sich als die zuständige Ordnungsmacht in der Re- gion. Vor ihrem Zug in den Süden richten sie Schreiben an alle Städte, Dörfer und Zehn- ten mit der Ermahnung an alle Bürger und Gemeindemitglieder, ihren Bürgermeistern und Ordnungskräften unbedingten Gehor- sam zu leisten. Sie wollten damit Anarchie und Chaos vermeiden. Außerdem waren die Gemeinden und die Bürger angehalten, die Die umliegenden Burgen und Schlösser wer- Verteidigungsanlagen der Ortschaften und den gestürmt und geplündert Städte in Ordnung zu halten und nach Kräften Reste der Henneburg, erobert am 20. Mai 35) 45 Merx Otto, Urk. 62, 64, 79, 206, 264, 285, 324, 379, auszubessern42. 1525 . 380, 381, 459, 485, 514, 577 36) Henneberger Günter, a.a.O., S. 111. Beim Eintreffen in Schweinfurt lagert das Schloss Bibra wurde bereits am 06. Mai 1525 37) Fries Lorenz, a.a.O., Band I, S. 373ff 38) ders. Band I, S. 377 f Hauptheer vor der Stadt, die Hauptleute von Einheiten geplündert, die dem Bildhäu- 39) 46 Henneberger Günther, a.a.O., S. 112 nehmen ihre Herberge in der Stadt. Die ur- ser Haufen zugeordnet werden . 40) Merx, Urk. 724, Fries Lorenz, Band 1, S. 382f sprüngliche Absicht, am nächsten Tag in 41) Fries Lorenz, a.a.O., Band I, S. 387ff Richtung Würzburg weiter zu ziehen, wird Und noch weitere Burgen und Schlösser 42) ebd. 387 43) ebd. 387 fallen gelassen. gehen in Flammen auf. 44) 47 ebd. 388 Die Hutsburg bei Helmershausen 45) Merx, Urk. 768 46) Merx, Urk. 655 Die Wertsachen des Klosters Bildhausen hat- Die Lichtenburg bei Ostheim48. ten sie in einer verschlossenen und versiegel- 47) Merx, Urk. 731 48) Merx, Urk. 768 ten Truhe bei sich. Genannt werden: Kelch, Der Schlossherrin von Haina wird erlaubt, 49) Merx Urk. 648 49 Monstranzen, Kreuz, Stab und anderes, so sie ihre Mauern selbst zu brechen . 50) Merx, Urk. 655 Seite ­­16 Das Grabfeld Nr. 19 · November 2011

Luther beobachtet das Land. Er sieht die Erst nach der Einnahme von Rentweinsdorf Erfolge der Bauern und die Gewalt, die aus- am 23. Mai 1525 wendet sich der Bildhäuser geübt wird. Er hört von den Greueltaten der Haupthaufen wieder nach Nordwesten und Bauern und greift zur Feder. den Hilferufen der verbündeten Städte zu57. Die Gewalt und die Brutalität der Herren Am 27. Mai sind die beiden Teile des Bild- sieht er nicht. häuser Haufens wieder vor Mellrichstadt vereinigt58. Er schreibt wider die mörderischen und räu- berischen Rotten der Bauern. Herrmann von Henneberg zu Römhild wird Jetzt seien sie ganz rechtlos „man soll sie besonders unter Druck gesetzt. Er wurde zerschmeißen, würgen und stechen, heimlich mehrfach nachdrücklich aufgefordert, und öffentlich, wer da kann, wie man einen schwere Geschütze in das Lager zu liefern. tollen Hund totschlagen muss.“ Die Obrig- Die erste Kanone, die der Graf bereits am 7. keit, so schloß er, welche zaudere, tue Sünde, Mai nach Neustadt geschickt hatte, war bei da den Bauern nicht genüge, selbst des Teu- einem Probeschuss explodiert. Die Aufstän- fels zu sein, sondern sie viele frommen Leute essen, trinken und Beute machen. Somit dischen schicken das zerbrochene Geschütz zu ihrer Bosheit und Verdammnis zwingen. erscheint es nur logisch, die Landstriche zurück und fordern den Grafen auf, ein neues „Darum, liebe Herren, steche, schlage würge Richtung Würzburg zu meiden. zu schicken59. sie, wer da kann. Bleibst du darüber tot, wohl Die dort verbündeten Bauern im Kloster dir; seligeren Tod kannst du nimmermehr Theres hatten eingeladen, zusammen das überkommen.“51 Schloss Wallburg bei Eltmann zu brechen.

10 Tage später, am 16. Mai, erfahren die Hauptleute, dass im Schloss von Römhild ein schweres Geschütz stehen würde. Dieses Ge- Der Zabelstein war bereits erobert (16. schütz wird nun vom Bauernhaufen begehrt, 53 Mai) ; das Schloss Wallburg wird am 23. ein reger Schriftwechsel darum geführt. Graf 54 Mai gebrochen . Hermann von Henneberg versichert mehr- fach, dass dieses Geschütz unbrauchbar sei. Es würde bereits seit über 20 Jahren auf einem Fleck liegen. Es gäbe weder einen brauchbaren Wagen mit entsprechenden Rä- dern und Achsen, keinen Flaschenzug, um es überhaupt auf und abzuladen. Selbst die Auf- forderung der Bauern, es auf ihre Kosten her- richten zu lassen, nützt nichts. Es gäbe keinen entsprechen Handwerksmeister, weder Pferd noch Wagen. Selbst wenn dies alles gegeben wäre, könnte er nicht einmal ein Geleit stel- len und welcher Schaden könnte entstehen, wenn die Kanone entwendet und gegen sie gerichtet werden könnte. Die Bauern sollen Das Hauptheer des Bildhäuser Haufens liegt selbst mit entsprechender Ausrüstung und bei Schweinfurt. Handwerkern und Pferden kommen und die Am 17. Mai wird das Schloss Mainberg Kanone abholen. bei Schweinfurt zusammen mit regionalen Die Mellrichstädter lehnen trotz Befehls des Aufständischen erobert. Das Schloss Main- Haupthaufens das Geleit für die Kanone ab, berg ist der Amtssitz des Reichsvogtes. Als da sich bei Coburg und im Henneberger Land freie Reichsstadt ist Schweinfurt nicht dem immer mehr Truppen aufstellen. Bischof von Würzburg unterstellt, sondern Auch die Bauern von Milz und Eicha beteu- direkt dem Kaiser. Graf Wilhelm von Henne- ern, dass sie die Büchse mit ihren Pferden berg ist als Reichsvogt eingesetzt52. nicht fortbringen können. Schließlich wird den Zentbürgern zu Römhild befohlen, die Am 18. Mai zieht der Bildhäuser Bauernhau- Aus dem Norden werden die Hilferufe immer Büchse bis 23. Mai nach Königshofen zu fen am Main entlang in Richtung Haßfurt. drängender. bringen60. Dieser Schwenk in Richtung Bamberg wurde Die Stadt Mühlhausen und das Bauernheer bisher immer als orientierungsloses Maro- bei Frankenhausen ist vernichtend geschla- 1525 Mai 29 dieren interpretiert. Die Bauern vor Würz- gen (15. Mai)55. Überall sammeln sich die Die Lage spitzt sich bedrohlich zu. Die Lan- burg seien im Stich gelassen worden, der Truppen der Herren. Die Kräfte massieren desherren und ihre Söldnerheere sammeln Bildhäuser Haufen ging daher als uneffektiv sich und bedrohen Meiningen56. sich weiter bei Maßfeld, Coburg und Schmal- und ziellos in die Geschichte ein. kalden61. Andererseits gab es in Richtung Würzburg Aber Rentweinsdorf und das Schloss der Auch die Versammlung der Bauern bemüht nichts mehr, womit man 7000 Mann unter Herren von Rotenhan liegt in greifbarer Nä- sich um Verstärkung. Alle Städte und Zehn- Waffen ernähren konnte. Das Land war ver- he. Also „verirrt“ sich der große Bildhäuser ten werden erneut aufgefordert, gut ausge- wüstet, die Ortschaften zerstört, alles Essbare Haufen noch einmal in nordöstlicher Rich- rüstete und mit eigenem Proviant versehene aufgegessen. Gewaltbereite Männer wollen tung. Männer zur Verstärkung zu schicken62. Nr. 19 · November 2011 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­17

1525 Juni 3 Pfingstabend Der Kurfürst Johann von Sachsen und Graf Wilhelm von Henneberg erscheinen mit großem Kriegsvolk und sehr gut ausgerüstet vor Meiningen. Sie besetzen zwei strategisch wichtige Punkte vor der Stadt70. Gleichfalls erscheint der Bildhäuser Haufen 3000 Mann stark, um der Stadt beizustehen. Nicht weit vor der Stadt an einem Berg, „Dreißigacker“ genannt, wird das Bauern- heer von zwei Seiten unter Beschuss ge- nommen. Über 40 Bauern fallen sofort, der Rest versucht eine Wagenburg zu bilden. Etliche werden mit Ausrüstungs- und Provi- antwagen gefangen genommen, der Proviant fällt in Feindeshand. Die Lage wird immer aussichtsloser. Der Rest der Aufständischen rettet sich hinter die Stadtmauern71. 1525 Juni 3 Noch am selben Abend werden Hilferufe aus der Stadt geschmuggelt. Die Städte und Zehnten werden aufgefordert, der einge- schlossenen Stadt Meiningen zu Hilfe zu 72 Es kriselt im Lager. den, zumal man auch an die Würzburger eilen . Ein angesetzter Landtag in Schweinfurt er- Bauernhaufen habe liefern müssen. Die an- fordert, dass viele abgeordnete Räte der Städ- gekündigte Lieferung aus Richtung Hassfurt 51) vgl. Sievers Leo, Revolution in Deutschland. Geschich- te und Gemeinden zur dieser Veranstaltung sei nicht eingetroffen und könnte daher auch te der Bauernkriege. Frankfurt 1980. S. 319f 68 52) vgl. Merx Urk. 671, Urk. 710, Stadt Schwein-furt 63 nicht weitergeleitet werden . zurückgerufen werden . (Hrsg.), Zeitreise. Schweinfurt 1985. S. 20/21 Andere Städte und Gemeinden beschweren 1525 Mai 31 53) Fries Lorenz, Band I, S. 391 sich bei den Hauptleuten des Bauernlagers, 54) Weilersbacher Rainer Dr., Der Bauernkrieg im Knetz- dass die zum Haufen Abgeordneten bis zu Aus Schweinfurt kann keine Verstärkung gau. Knetzgauer Heimatbote. Weihnachtsausgabe eintreffen. Der angesetzte Landtag am 01. 2000. S.83 zwei Gulden pro Woche an Salär einfordern 55) Brendler Gerhard, Mit Morgenstern und Regenbogen- täten64. Juni mache es notwendig, alle verfügbaren fahne. Illustrierte historische Hefte 9. Berlin 1978, S.36f Kräfte in Schweinfurt zu bündeln. 56) Fries Lorenz, Band I, S. 413, Merx, Urk. 816 1525 Mai 30 57) ders. S. 407f 1525 Juni 2 58) ders. S. 413f Im Lager in Mellrichstadt kommt es zu Es entsteht das Gerücht, dass Hans Schnabel, 59) ders. S. 371 theologischen Auseinandersetzungen. Die 60) ders. S. 395ff, Merx Urk. 736, 797, 818, 820, 827 Ratsherren von Neustadt werden gebeten, einer der Hauptleute des Bildhäuser Lagers, 61) Merx Urk. 826, 827, 829, 834, 841, gelehrte und verständige Männer als Sach- sich heimlich mit dem Grafen Wilhelm von 62) Merx Urk. 830, 831, 63) Fries Lorenz, Band I, S. 414 verständige ins Lager zu schicken, darunter Henneberg verabredet habe. Urheber sind zwei Frauen aus Untermaßfeld. Vier Männer 64) ders. S. 415 Johann Lindemann, einen Vetter 2. Grades 65) ders. S. 417 von Martin Luther und Herrn Andresen, den bringen das Gerücht zum Haupthaufen nach 66) Henneberger Günther, a.a.O. S.112 Praedicanten65. Mellrichstadt. Hans Schnabel wehrt sich ve- 67) Fries Lorenz, Band I, S. 415 68) ders. S. 416 Es kommt auch zu ideologischen Auseinan- hement gegen diese Anschuldigungen und fordert die Räte zu Untermaßfeld auf, die 69) ders. S. 420f, Merx Urk. 852 dersetzungen. Ein Kürschner aus Thüringen, 70) ders. S. 422f der mit Thomas Münzer gezogen war und beiden Weiber zum Schweigen zu bringen 71) Merx Urk. 858 69 das Gemetzel bei Frankenhausen überlebt oder in das Bildhäuser Lager zu schaffen . 72) Fries Lorenz, Band I, S. 425 hatte, versucht die Menschen noch weiter zu radikalisieren. Man solle die Obrigkeit mit dem Schwert vertilgen und das Blut darum vergießen66. Nachschubprobleme Dem Bauernheer in Mellrichstadt gehen die Getränke und Nahrungsmittel aus. Zwei Wagen mit Weinfässern seien aus Rent- weinsdorf unterwegs. Sie sollen mit nassen Tüchern gekühlt von den Königshöfern wei- tergeleitet werden. Johann Martell, Stadtschreiber von Königs- hofen, der die Stadt entsprechend auffordert, legt einen Zettel zu dieser Nachricht hinzu. Die Stadtverordneten von Königshofen bräuchten sich nicht so mit der angeforderten Verstärkung beeilen. Er scheint auf zwei Seiten zu taktieren67. 1525 Mai 31 Aus Schweinfurt werden vier Wägen mit Brot zu 31 Gulden (ca. 240 Euro pro Wagen) geschickt, sonstiges Brot sei nicht vorhan- Seite ­­18 Das Grabfeld Nr. 19 · November 2011

die während des Aufstandes geschlossen wurden. 7.) Ausheben der Stadttore, Abbruch der Türme und Ringmauern der Städte 8.) Bezahlung der Geldstrafen innerhalb von 14 Tagen und den Wiederaufbau aller zerstörten Schlösser 9.) Anerkennung aller Fronen, Steuern und Reisegelder, die der Landesherr be- schließt. Die Vertreter der Städte und Dörfer müssen auf diese Punkte schwören und zwei Adelige bitten, ihr Siegel darunter zu setzen81.

Am 28. Juni werden in Königshofen 10 Män- ner hingerichtet: Hanns Hemel, Paul Gewer, Valtin Schlosser, Lorentz Schulthays, Caspar Thuchscherer, Hans Fuchs, Lazarus Renner von Alsleben, Dinckelhans von Merkershausen, Jacob Alb- recht aus Eyershausen, Caspar Albrecht aus Gabolshausen.82

Außerdem werden hingerichtet: am 30. Juni in Meiningen 14 Männer83 am 2. Juli in Mellrichstadt 4 Männer84 1525 Juni 4 Am 20. Juni bricht der Bischof von Würzburg Am 4. Juli in Neustadt 15 Männer85 Zumindest aus Mellrichstadt kommt die zu einer Henkersreise auf. Er erscheint in Am 5. Juli in Münnerstadt 12 Männer. Nachricht, es seien 250 Mann zur Verfü- jeder oberländischen Stadt und nimmt die Einige Tage vorher hatte bereits Wilhelm gung. Man bittet um Instruktionen wie sie Huldigung der Städte entgegen von Henneberg 22 Männer zu Münnerstadt sich verhalten sollen. Die Eingeschlossenen Außerdem werden in jeder Stadt die Rädels- hinrichten lassen86. in Meiningen berichten, dass sie große Not führer hingerichtet80. 1525 Juli 3 leiden. Alle verfügbaren Männer sollen so- 1525 Juni 24 fort in Marsch gesetzt werden und weitere Vor der Stadt Mellrichstadt bei der Zie- akquiriert werden73. Der Bischof formuliert eine Strafverschrei- gelhütte wird ein Hochgerüst aufgerichtet. Aus Hassfurt (5. Juni), Würzburg (6. Juni) bung, die alle Städte und Dörfer seines Hans Schnabel, Hans Schar, die Bildhäu- und Schweinfurt (7. Juni) kommen nur Ab- Landes unterschreiben müssen. Diese Straf- ser Hauptleute, und Heinrich Krumpfuß, sagen74. verschreibung bildet die Grundlage dafür, der Schultheiß des Bauernhaufens, werden dass der Landesherr die abgefallenen Städte enthauptet. Danach werden ihre Köpfe auf 1525 Juni 5 und Dörfer überhaupt wieder in Gnaden an- Spieße gesteckt87. Nach einigen Verhandlungen ergibt sich die nimmt und nicht vernichtet. Der Chronist berichtet von der Einnahme der Stadt dem Kurfürsten von Sachsen. 1.) die bedingungslose Anerkennung des Bi- Städte, vom flachen Land berichtet er nicht. Dieser berichtet an Graf Georg von Henne- schofs als Landesherren und der alten Dort haben die Menschen keine Chance. Sie berg, dass alle Aufständischen in der Stadt heiligen christlichen Kirche Meiningen entwaffnet worden sind. Sie ha- 2.) die Festset- ben 30 Pferde und 16 gute Geschütze abge- zung und Aus- geben und ihren Hauptmann Hans Schnabel lieferung aller ausgeliefert75. Daraufhin durften die Bauern Aufrührer und die Stadt verlassen und haben sich zerstreut. Anführer des Die Stadt huldigt dem Kurfürsten und über- Aufstandes und gibt 500 Gulden als Vorschuss auf die gefor- das Unterlas- derten 2000 Gulden76. sen eines neuen Die Hauptleute und Führungspersonen des Aufruhrs Bildhäuser Haufens werden gefangen ge- 3.) das Abliefern nommen. aller Gegen- stände, die als Hans Schnabel und seine Männer werden Waffen dienen mehrfach und ausführlich verhört. Viele könnten, erlaubt Einzelheiten zum Geschehen sind aus den bleibt lediglich Protokollen bekannt. So sagt Schnabel zum das Tragen eines Beispiel aus, er habe der Frau des Sigmund Brotmessers Truchseß von Sternberg mit eigner Hand 4.) die Übergabe al- und eigenem Schwert das Leben gerettet, als len Beutegutes sie von den Ebener Bauern getötet werden aus dem Bau- sollte77. ernkrieg 5.) Verzicht an al- Am 8. Juni, einem Freitag, wird das Gerücht len vor dem Auf- bekannt, dass der Bischof von Würzburg stand gewährten mit Heeresgewalt die aufständische Stadt Freiheiten und Würzburg eingenommen hat. Es werden 68 Einkommen. Männer hingerichtet78. 6.) Auflösung aller Am 10. Juni unterwirft sich Mellrichstadt Verpflichtungen dem Grafen Wilhelm von Henneberg79. und Schwüre, Nr. 19 · November 2011 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­19

ner Diözese geplündert, verwüstet oder ver- berg auf, das dazu notwendige Messgeschirr brannt sind. Die Nonnen und Mönche würden heraus zu geben. Die so genannten Klein- zum Teil in weltlichen Kleidern im Land odien waren im Verlauf des Bauernkrieges umherirren. in seine Hände gefallen. Daraufhin – am 05. Mai 1526 – setzt der Papst Graf Wilhelm verweigert die Herausgabe den Bischof von Würzburg für fünf Jahre mit Hinweis auf die verursachten Schäden als Kontrolleur und Beschützer über alle im Bauernkrieg92. fränkischen Klöster ein. Dadurch verlieren alle Klöster ihre relative Unabhängigkeit Die Nachricht, dass Abt Valentin wieder eine vom Fürstbischof. Sie sind ihm jetzt direkt Kapelle habe aufrichten lassen, lässt uns auf- unterstellt91. horchen. Sie könnte ein Beweis dafür sein, Am 10. Juni 1527, zwei Jahre nach der Em- dass sicher einige Gebäude, darunter wohl sind der Willkür der durchziehenden Lands- auch die Kirche in Flammen aufgegangen 88 pörung, berichten Abt, Prior und Konvent des knechte hilflos ausgeliefert . sind. Die Unterwerfung von Meiningen hatte die Klosters Bildhausen. Obrigkeit nicht Milde gestimmt. Das Mit- Wir haben wieder eine Kapelle in Bildhausen 1528 werden dem amtierenden Abt Valentin telalter kennt nur Schuld und Sühne. Es aufgerichtet. von der bischöflichen Kommission Sympa- gibt keine Ausnahmen und kein Erbarmen. Die Mönche wollen wieder eine Messe hal- thien zum Bauernaufstand nachgewiesen. Er 93 Es werden Schwurfinger abgeschlagen, das ten. Sie fordern Graf Wilhelm von Henne- wird deshalb abgesetzt . Augenlicht geblendet, vergewaltigt und ver- krüppelt. Literatur zum Thema Bauernkrieg Erst die Einsicht, dass nur eine gesunde Land- bevölkerung die hohen Steuern und Abgaben Albert Reinhold: Der Bauernkrieg von 1525 Lenk Werner (Hrsg.): Dokumente aus dem leisten kann, bietet dem unbarmherzigen Wü- im südöstlichen Grabfeld und die Wie- deutschen Bauernkrieg. Leipzig 1974. ten Einhalt. dertäufer. In: Heimat Jahrbuch 1996, S. Merx Otto: Akten zur Geschichte des Bauern- 271 – 276. krieges in Mitteldeutschland. Erste Abtei- Arnold Klaus: Der Bauernkrieg. In: Kolb E. / lung, Aalen 1964. Und Bildhausen selbst? Krenig E. – G., Unterfränkische Geschich- Nündel Harri, Käthe Kollwitz: Blätter te. Band 3, Würzburg 1995, S. 63 – 80. Wie mag es in Bildhausen aussehen? Nach über den Bauernkrieg. Leipzig 1975. Berninger Wolfram, Lipp Günther: Pleticha Heinrich (Hrsg.): Deutsche Ge- sechs Wochen Besatzung von bis zu 2000 Die Bauernkriege in Franken und im Ebener schichte. Band 6. Reformation und Gegen- Männern müssen alle Vorräte aufgebraucht, Land. Ebener Heimatblätter Heft 1. reformation 1517 -1618. Gütersloh 1983. alle Weinfässer leer, alles Getreide aufgeges- Brendler Gerhard: Mit Morgenstern und sen und alles Vieh und Geflügel geschlachtet Regenbogenfahne. Illustrierte historische Rost J. W.: Geschichte der fränkischen Cister- sein. Die Fischweiher sind ebenfalls leer Hefte 9. Berlin 1978. zienser Abtei Bildhausen. Würzburg 1852. gefischt. Breuers Dieter: Versklavt und verraten. Der Seitz I., Lutz Kröhn: Der Aufstand von Die Bauern haben mit den Besitzurkunden Aufstand der Bauern zu Anfang des 16. Iphofen. Lokal – historisches Heimatspiel Brot gebacken. Welche Gebäude stehen Jahrhunderts. Bergisch – Gladbach, Lübbe in 4 Bühnenbildern aus der Zeit des Bau- noch, sind welche verbrannt? – Wir wissen Verlag 2005. ernkrieges 1525. Scheinfeld 1926. es nicht. Däschlein: Königshofen und der Bauernkrieg Sievers Leo: Revolution in Deutschland. Ge- Am 11. Juni haben wir die erste Nachricht 1525. In: Blätter für Heimatkunde. Beilage schichte der Bauernkriege. Frankfurt 1980. von Abt Valentin. Er befindet sich in Königs- zum Boten vom Grabfeld. 7, 8,10 und Stadt Bad Königshofen (Hrsg.): Bad 17/1932. Königshofen in Vergangenheit und Gegen- hofen. Er bittet Graf Wilhelm für sich und Endres Rudolf: Der Bauernkrieg in Franken. wart. Königshofen 1982. seine Mitbrüder um eine sichere Bleibe, da In: Blätter für deutsche Landesgeschichte Stadt Schweinfurt (Hrsg.): Zeitreise. er nun schon in der neunten Woche im Elend 109. 1973. Schweinfurt 1985. herumirren würde89. Endres Rudolf: Der Bauernkrieg in Franken Strobach Hermann: Der arm man 1525. Im Oktober 1525 hat Bildhausen noch keine und Thüringen. In: Haus der Bayerischen Berlin (Ost) 1975. Einnahmen. Abt Valentin bittet den Grafen Geschichte (Hrsg.), Methoden und The- men der Landes- Regional- und Heimatge- Tübke Werner: Monumentalbild Franken- Wilhelm von Henneberg um Rückgabe des hausen. Dresden 1989. im Klosterhof zu Schweinfurt noch liegenden schichte in Bayern, Sachsen und Thüringen. Vogt Gabriel: Burg und Dorf Kloster und Getreides. Abt Valentin geht davon aus, dass Kolloquiumsbericht 1991. Fries Lorenz: Die Geschichte des Bauern Schloss Theres am Main. Münsterschwarz- dort noch 50 Malter = 200 Zentner lagern ach 1979. 90 Krieges in Ostfranken. Würzburg 1883. müssten . Volk Wendelin/Wabra Josef: Chronik Bischof Conrad von Thüngen meldet Papst Fuchs Walter Peter (Hrsg.): Akten zur Geschichte des Bauernkrieges in Mittel- von Kleinwenkheim. Selbstverlag 1988. Clemens in Rom, dass fast alle Klöster sei- deutschland. Band II. Jena 1942. Wagner Heinrich: Neustadt an der Saale. Gemeinde Höchheim (Hrsg.): Irmenoltes- Mün-chen 1982. husen – Irmelshausen 799 – 1999. Irmels- Wagner Heinrich: Mellrichstadt. München 73) ders. S. 424 hausen 1999. 1992. 74) ders. S. 425 Gräter Carlheintz: Der Bauernkrieg in 75) Merx, Urk. 887 Weilersbacher Rainer Dr.: Der Bauern- 76) Merx, Urk. 864 und Anmerkung 1 Franken. Würzburg 1975. S.51 – 55. krieg im Knetzgau. Knetzgauer Heimatbo- 77) Merx, Urk. 890, S. 553 Heilmann Hans – Joachim, Lienhard: te. Weihnachtsausgabe 2000. 78) Fries Lorenz, Band I, S. 431 Der Wundarzt von Würzburg. Bad Kissin- Weiss Elmar: Der Pfeifer von Niklashausen. 79) Merx, Urk. 892 gen o. J. Jugendroman über Franken anno Tauberbischofsheim 1984. 80) Fries Lorenz, Band I, S. 460 1524/25 81) Wieland Michael Dr.: Das Kloster zu St. Merx, Urk. 93 Henneberger Günter: Reformation und 82) Fries Lorenz, Band II, S. 175 Johannis Zelle unter Wildberg im Bau- Bauernkrieg in Neustadt. In: Ein Streif- 83) ders, S. 208 ernkriege. In: Archiv für den Amtsbezirk zug durch Frankens Vergangenheit. Bad 84) ders. S. 220 Königshofen i. Gr., Nr. 5, 1900. 85) ders. S. 261 Neustädter Beiträge zur Geschichte und Willmann Josef: Münnerstadt wie es einst 86) ders. S. 240 Heimatkunde Frankens. Band 2. Bad Neu- 87) ders. S. 220 stadt 1982. war. Bad Kissingen 2000. 88) z.B. Merx, Urk. 883 Heusinger W.F./Solf Gerwig K.: Sulzfeld Wölfing Günther: Der Bauernkrieg im süd- 89) Merx, Urk. 895 im Grabfeld. Mellrichstadt 1987. thüringisch – hennebergischen Raum. Mit 90) Merx S. 564 Anmerkung Jacobsen J.: Die Beteiligung nichtbäuerlicher einem Bildteil fotografiert von Bernhard 91) Rost Johann Wilhelm, Cisterzienser – Abtei Bildhausen. Großmann. Suhl 1989. Würzburg 1852. S. 55 Gruppen im Bauernkrieg 1524/25 - unter 92) Merx, Urk. 1076 besonderer Berücksichtigung Frankens, Zimmermann Wilhelm: Der große deutsche 93) Rost, S. 55 Staatsexamensarbeit Kiel 1974. Bauernkrieg. Berlin 19806 Seite ­­20 Das Grabfeld Nr. 19 · November 2011

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Seite 10 Mitte: Seite 13 Mitte: Seite 16 oben: Weiss Elmar, Der Pfeifer von Niklashausen. Willmann Josef, Münnerstadt wie es einst Stadt Schweinfurt (Hrsg.), a.a.O., S. 20. Tauberbischofsheim 1984. S. 110. war. Bad Kissingen 2000. S. 9. Mainberg, Ansicht aus Merians „Topogra- phia Franconiae 1648. Seite 10 rechts unten: Seite 14 links oben: Weiss Elmar, a.a.O., S.10 Brendler Gerhard, Mit Morgenstern und Re- Seite 16 Mitte: genbogenfahne. illustrierte historische Hefte Vogt Gabriel, Burg und Dorf Kloster und Seite 11 links oben: 9. Berlin (Ost) 1978. S. 15. Schloss Theres am Main. Münsterschwarz- Pleticha(Hrsg.), Deutsche Geschichte. Band ach 1979. S. 35. 6. Reformation und Gegenreformation 1517 Seite 14 Mitte: -1618. Gütersloh 1983. nach S. 152. Gemeinde Höchheim (Hrsg.), Irmenoltes- Seite 16 Mitte unten: husen – Irmelshausen 799 – 1999. Irmels- Zabelstein aus Volk Wendelin/Wabra Josef, Seite 11 unten: hausen 1999. S. 52. Chronik von Kleinwenkheim. Selbstverlag Stadt Bad Königshofen (Hrsg.): Bad Kö- 1988. S. 44. nigshofen in Vergangenheit und Gegenwart. Seite 14 unten: Königshofen 1982. S. 30. Wagner Heinrich, Mellrichstadt. München Seite 16 rechts: 1992. Abb. 3, Nach S. 379. Foto: Böckler Seite 11 Mitte: Nündel Harri (Hrsg.), Käthe Kollwitz. Blät- Seite 15 oben: Seite 17 links: ter über den Bauernkrieg. Leipzig 1975. 8./9. Stadt Schweinfurt (Hrsg.), Zeitreise Rudolf Schiestl. Bauernhaufen 1525. Quelle: Losbruch. Schweinfurt 1985. S. 50. www.galerie- jacobsa.de Seite 12 Mitte 2; Seite 15 Mitte unten: Seite 17 rechts unten: Seite 20: Seite 21: Heusinger W.F./Solf Gerwig K., Sulzfeld im Henneburg: http://mw2.google.com/mw- Wölfing /Großmann, a.a.O., S. 95. Grabfeld. Mellrichstadt 1987., S. 128. panoramio/photos/small/12745057.jpg Seite 18 links: Seite 12 rechts: Seite 15 rechts mittig: Nündel, a.a.O., Kollwitz 11. Die Gefange- Rudolf Schiestl. Die Nonnenfuhre. Quelle: Wölfing / Großmann, a.a.O., S. 83. nen. www.galerie-jacobsa.de Seite 15 rechts unten: Seite 18 rechts unten: Seite 13 links oben: Rossrieth: rhoenbilder.de/data/media/2/ Sievers Leo, Revolution in Deutschland. Ge- Quelle: piscasaweb.google.com rossrieth-016.jpg schichte der Bauernkriege. Frankfurt 1980. S. 301. Seite 13 links unten: Seite 16 links: Wölfing Günther, Der Bauernkrieg im südt- Brendel, a.a.O. S. 35. Seite 19 links oben: hüringisch – hennebergischen Raum. Mit Zimmermann Wilhelm, Der große deutsche einem Bildteil fotografiert von Bernhard Bauernkrieg. Berlin 1980, S. 669 Großmann. Suhl 1989. S. 34.

Leo W. Hamm Grabfelder Sagen aus der Zeit des Bauernkriegs Der wilde Stein Bauern vor das Kloster St. Johannis, um wird. Am Anfang des 14. Jahrhunderts Den Grafen von Henneberg war im Mit- ihm das gleiche Schicksal zu erteilen. starb das Geschlecht schon aus. Vor- telalter Breitensee untertänig. Aber die Hier glaubten sie, besonders leichtes her waren sie sorgende Herren über Spiel zu haben. Zuerst drangen sie in die Henneberger verliehen wieder Schloss, ihre Besitzungen und Sulzfeld ist unter unteren Räume, die aber waren leer. Als Gut und Dorf weiter an ihre Lehensträ- ihrer Herrschaft groß geworden. Doch sie die oberen Stockwerke aufsuchen ger. Alle führten gerechte Verwaltung, gar bald war dies vergessen. Da hieß wollten, fanden sie das Stiegenhaus nur der wilde Stein war ein Bauernschin- es, die Wildberger waren Raubritter verbarrikadiert.­ Hierher hatten sich der. Er trieb es so wild, dass die Bauern gewesen. Im Lindigholz oder in der die Nonnen geflüchtet. Nun berieten im Jahre 1525 trotz Übereinkommen Ortsgrube hätten sie mit ihren Knech- die Aufständi­schen im Klosterhof, was ten auf die von Schweinfurt nach mit Graf Wilhelm von Henneberg das weiter geschehen solle. Plötzlich flogen alte Schloss niederbrannten. Die Un- Königshofen ziehenden Pfeffersäcke aus den Fenstern der Obergeschosse und Ellenreiter gelauert und sie aus- taten des wilden Stein wurden später brennende Strohsäcke mitten unter die auf kaiserlichen Befehl gesühnt. Das geraubt. Ging das Geschäft schlecht, Beratenden. Erschreckt sprangen sie zur pressten sie die armen Bauern der umlie- Schloss wurde nicht mehr aufgebaut. Seite. Und weil sie glaubten, die Nonnen genden Dörfer aus. Um ihren Räubereien Im Grasgarten hinter der Gastwirtschaft verständi­gen durch diese Feuerzeichen ein Ende zu machen, wurde die Burg ist nur noch der Hügel zu sehen, wo es im Walde und hinter den Mauern von von den aufständi­schen Bauern erobert gestanden war. Sulzfeld lagernde Hilfstruppen, zogen und ausgeräuchert. Aber die Wildberger sie weiter. In Kleinbardorf trieben sie es waren zu dieser Zeit schon lange tot. im Schlos­se dafür umso ärger. Wie die Nonnen des Klosters Die Truchsesse von Wetzhausen hat- St. Johannis Rettung vor den ten als Amtleute ihre Herrschaft miss- Bauern fanden Die Grafen von Wildberg braucht und sich unbeliebt gemacht. Im Bauernkrieg war‘s, da zog der Bild- Undank ist der Welten Lohn. Das kann Nach dem Brande zogen sie auf den häuser Haufen vor die Wildburg und man sagen, wenn man hört, wie über Lindleshof, der früher Villa zu den zerstörte sie. Danach marschierten die die Grafen von Wildberg gesprochen Lynden geheißen hatte. Nr. 19 · November 2011 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­21

Schriftenreihe des Vereins Lotte Uhlein (Irmelshausen) für Heimatgeschichte im Grabfeld: Advent Band 1: Sabine Hansen, „Die Römhilder Band 19: Gerhard Schätzlein/Reinhold Albert: Der Herbst is nu bei ons eugezoche. Reimchronik“, (z.Zt. nicht lieferbar). Druck: Grenzerfahrungen II 1972 – 1988, Bayern, Bedeckt mit broune Blääder Holl-Druck GmbH, Hofheim i. Ufr, 1989. Hessen/Bezirk Suhl, Hildburghausen 2001, is der kahle Bode, Preis: 5,– 3 Preis 29,90 3 denn üweroll sän enzwäsche Band 2: Reinhold Albert, „Geschichte der Ju- Band 20: Michael Böckler: Die Schott von die Blume verblüht. den im Grabfeld“, Druck: Druckerei Schedel, Schottenstein im Grabfeld, Trappstadt 2003, Lang scho ist des Sommers‘ Kleineibstadt, 1990. Preis: 10,– 3 Preis 7,50 3 Licht on Wärm verglüht. Band 3: Leo W. Hamm, „Der Königshof im Gr- Band 21: Reinhold Albert: Ipthausen – eine Gons owe die Berch abfeld“, Druck: Schunk Druck- u. Verlags- Chronik, erschienen zum 250. Jubiläum der liecht nu scho der erschte Schneä. GmbH, Bad Königshofen, 1991 Preis: 15 3 Wallfahrtskirche Mariä Geburt, Kleineib- Zu Eis verwondelt sich onde der Seeä. Band 4: Reinhold Albert, „Geschichte der stadt 2004, Preis 22 3 Der Wender is halt äh rauher Gsell. Wüstung Eschelhorn (Urselhorn) und der St.- Band 22: Gerhard Schätzlein/Reinhold Al- Gons üwer Nocht is er zur Stell. Ursula-Kapelle bei Alsleben“. Druck: bert/ Hans-Jürgen Salier: Grenzerfahrungen Wie tät en dere Wenders-Kält Druckerei Schedel, Kleineibstadt, 1992. III 1989/90 Bezirk Suhl – Bayern/Hessen, oner Herz voller Ongst gehen, 3 3 Preis: 10 Hildburghausen 2005, Preis 32,90 würd‘ mer dorch dere Dunkelhäd Band 5: Barbara Rösch/Gerhard Schätzlein/ Band 23: Hanns Friedrich/Andrea Rückert: en däre Zeit net äh Lichtle sähn – Hanns Friedrich / Reinhold Albert, „Gren- Bildschönes Bad Königshofen, Kleineib- es löicht zu ons so woarm on sanft, zerfahrungen 1945-1990“, /Mell- stadt, 2006, Preis 15 3 3 wie aus en ferne Land, richstadt, 1993. Preis: 8 Band 24: Michael Böckler: Die Truchsesse dos früher vool vo solche Lichter woar, Band 6: Leo W. Hamm, „Sagen, Geschichten von Trappstadt 1317-1520, 2006; Glocken- doe lief mer noch fröhlich on Modder’s und Legenden aus dem Königshöfer Land“, taufe in Königshofen 1514, 2002. Hand. Druck: Druckerei Schedel, Kleineibstadt, Band 25: Andrea Rückert: Engel – Himm- Zu Zöpf gflochte woarn die longe Hoar. 1994; Preis 10 3 lische Boten auf Erden, Kleineibstadt, 2006. Dereweil sen scho ville Joahr vergange, Band 7: Reinhold Albert, „Kriegsende 1945 Band 26: Reinhold Albert: Chronik von die Welt hat sich verännerd und Nachkriegszeit im Königshöfer Grab- Rappershausen, Bad Neustadt 2007 dereweile scho hundermoal. feld“, Druck: Schunk Druck- und Verlags- Band 27: Reinhold Albert – 300 Jahre Kath. GmbH, 1995; Preis 10 3 Doch en dem ewigen Auf on Ab Pfarrkirche Untereßfeld, Bad Königshofen- das Lichtle wieder gans hell brönnd Band 8: Klaus Reder/Reinhold Albert, „Rhön Untereßfeld, 2008 gons woarm leucht’s ons däbei neus Herz, und Grabfeld im Spiegel der Beschreibungen Band 28: Reinhold Albert/Hans-Jürgen Salier: denn es wird Advent. der Bezirksärzte Mitte des 19. Jahrhunderts“, Grenzerfahrungen kompakt – Das Grenz- Druck: Druckerei Schedel, Kleineibstadt, regime zwischen Südthüringen und Bayern/ 3 1995; Preis 15 Hessen 1945 bis 1990, Salier Verlag; ISBN: Erika Jeger Band 9: Michael Böckler, „Unbekanntes 978-3-939611-35-6; 2009 Ganerbendorf Trappstadt“ Druck: Druckerei Clemens Behr – Heimatlieder aus Winter im Grabfeld 3 Band 29: Schedel, Kleineibstadt 1997; Preis 10 dem fränkischen und thüringischen Grab- Band 10: Detlev H. Pleiss/Leo W. Hamm: feldgau, Untereßfeld 2010. Wann Winter ist wird einem klar an einem Tag im Februar. „Der Dreißigjährige Krieg im Königshöfer Band 30: Reinhold Albert – Althausen im Gr- Land - Königshofen unter der schwedischen abfeld – erschienen anlässlich der 200-Jahr- Morgens spitzt müde die Sonne aus ihrem Ver- Besatzung 1631 - 1634“ Druck: Druckerei feier der Gründung der Pfarrei Althausen, 3 steck, Schedel, Kleineibstadt,1997; Preis 10 Untereßfeld 2011. so als schiebe sie langsam die Zudecke weg. Band 11: Fritz Köth, „Künstler aus dem Grab- Es ist schon 8 Uhr feld - Erich Mutze, Willi Pflüger, Theo Dre- Videoreihe Hanns Friedrich: her, Ludwig Stolarski, Willy Ruß“ . Druck: und von Erwärmung keine Spur Video 1: 1250 Jahre Bad Königshofen, Sie sendet noch aus ein eiskaltes Licht, Druckerei Alfons Schedel, Kleineibstadt, 3 3 1991. 15 das sich in Schneekristallen bricht. 1997; Preis 1 Video 2: 550 Jahre Stadtpfarrkirche Band 12: Reinhold Albert: „Geschichte des Bad Königshofen,1993. 10 3 Die Vögel werden langsam munter, Kapuzinerklosters und der Klosterkirche Bad Video 3: Der Todeszaun, 1994. 10 3 picken die dürren Samen herunter. Königshofen i. Gr.“ Druck: Druckerei Alfons Video 4: Beim frühen Morgenlicht: Sie scharren unter allen Hecken, 3 Schedel, Kleineibstadt, 1997; Preis 10 50 Jahre Männerwallfahrt, 1995. 15 3 um noch ein Würmchen zu entdecken. Band 13: Reinhold W.F. Heusinger und Gerwin Video 5: Rhöner Advents- und Weihnachts- K. Solf: „Die Grafen von Wildberg und ihre zeit, 1996. 10 3 Viele Tiere halten noch den Winterschlaf Wappengenossen, sowie die Dynasten von Video 6: Das Geheimnis des Steinplatten- und dichte Wolle trägt das Rhöner Schaf. Thundorf und Tannroda.“ Eigenverlag des grabes, 1998 10 3 Die Hühner plustern auf ihr Federkleid Vereins für Heimatgeschichte; Preis 10 3 Video 7: Das Gelübde – und wegen eines Apfels führen Amseln Streit. Band 14: Otto Schulz: „Wenn’s weihnachtet Männerwallfahrt, 2000 10 3 im Grabfeld“ – Weihnachtliche Geschichten Video 8: Als Zaun und Minen Menschen Aus deinem Mund steigt weißer Rauch und Spiele, Kleineibstadt 1998, Preis 10 3 trennten, 1999. 12 3 und die Pferde draußen dampfen auch. Band 15: Archäologische Arbeitsgruppe Rhön- Video 9: Die 12 Heiligen Nächte, 2000. 10 3 Auf dem schneebedeckten Boden Grabfeld, Walter Jahn (Hg.): VORZEIT - Video 10: Ratschen und Osterstorch, 2001 10 3 kann man leicht erkennen, SPUREN in Rhön und Grabfeld, Kleineib- Video 11: Plantanz Eyershausen, 2002 10 3 welche Tiere umeinander rennen. stadt, 1998, Preis 15 3 Video 12: Johann Peter Herrlein, 2003 12 3 3 Unter deinen Füßen knirscht der gefror‘ne Band 16: Otto Schulz: „...Wallt‘ ich den Bir- Video 13: Plantanz Oberessfeld, 2004 10 Schnee kenpfad“, Bad Königshofen 1999, Preis 5 3 Video 14: 1100 Jahre Burglauer, 1999 15 3 3 und die kalten Ohren tun schon weh. Band 17: Gerhard Schätzlein, Barbara Rösch, Video 15: 500 Jahre Schmalwasser, 2006. 10 3 Reinhold Albert: „Grenzerfahrungen 1945 Video 16: 950 Jahre , 2007 10 Vieles hat jetzt eine andere Gestalt, bis 1971“, ISBN 3-86180-089-6, Verlag Video 17: 150 Jahre Kolping der See ist begehbar, durchsichtig der Wald. 3 Frankenschwelle KG, 98646 Hildburg- Bad Königshofen, 2007 10 3 Mittags hat die Sonne schon ein bisschen Kraft, hausen Preis 19,80 3 Video 18: 750 Jahre Reyersbach, 2008. 10 mit der sie hier und da den Schnee wegschafft. Video 19: In Gottes Namen Band 18: Reinhold Albert: Chronik von Herb- 3 Am Abend versinkt sie mit feuriger Glut, stadt mit seinen Gemeindeteilen Ottelmanns- (Wallfahrt ), 2004 10 Video 20: Mit den Füßen beten damit auch der Mensch vom Tagwerk ausruht. hausen und Breitensee, Kleineibstadt 2001, 3 Preis 25 3 (Wallfahrt Eyershausen), 2003 10 Im Frühling dann, nach kalter Winternacht, auch langsam wieder Blütenpracht erwacht. Seite ­­22 Das Grabfeld Nr. 19 · November 2011 Der Besitz der Grafen von Wildberg in Lauringen und Umgebung

Reinhold W. F. Heusinger Über Lehensbesitz des niederen Adels in giltet eilf Schilling Heller“13 besaß. Er hatte in Oberlauringen wird zum ersten Mal 1289 Oberlauringen 1350 eine Kemenate, die hier ei den frühesten Erwähnungen des berichtet. Am 11.3.1289 trugen Engelhard erstmals erwähnt wird, und 1/3 des Zehnten Ortsnamens Lurungum - Lurungen und Otto von Werne dem Grafen Konrad sowie auch den Zehnt in Mailes. Die bereits wird nicht zwischen Ober- und Nie- von Wildberg eine Hube zu Oberlauringen 1317 genannte Mühle hat 1350 Appelo von B 6 derlauringen unterschieden. Es bestand an- zu Lehen auf. Wenkheim. fangs eine gemeinsame Markung. An einem Der ortsansässige Walter von Oberlauringen 1378 und 1391 wurde Cuntz von Rossach als 7. April zwischen 789 und 794 schenkte ein erhielt 1291 vom Grafen von Wildberg zwei Besitzer der Kemenate erwähnt, wahrschein- Grundbesitzer namens Landrat seinen Besitz Teile des Zehnten zu Stündigshausen (Wü- lich ein Bruder des o.g. Hans, dessen Sohn zu Lurungum und zu Sulzdorf an das Kloster stung bei Volkershausen) zu Lehen. Hierbei Heinz zusammen mit seinem Vetter Wilhelm Fulda. Die genannte Zeitspanne lässt sich war Wortwinus von Niederlauringen Zeuge.7 1409 und 1412 mit dem gleichen Besitz er- mangels einer Jahresangabe nur aus dem Graf Konrad urkundete am 12. April 1291 „in wähnt wird. Heinz von Rossach der Jüngere Urkundenschreiber und den genannten Zeu- villa Lurungen juxta Gastrum nostrum Wilt- verpfändete 1416 auf Wiedereinlösung an gen erschließen, die von exakt datierbaren perg“.8 Mit dem Dorf Lurungen neben dem Fritz Knoten (Knott) den halben Zehnten zu Urkunden bekannt sind. Mitübergeben wur- Schloss Wildberg kann nur Oberlauringen Mailes und die Kemenate zu Oberlauringen, den die dort wohnenden Hramölf, Albuwart, gemeint sein, wo der Graf sicherlich in der für die seine Frau Agnes von Reurieth 400 1 14 Waldrich und Bilitrud. späteren Kirchenburg, die wohl ursprünglich Gulden verschrieben bekommen hatte. Auch die zweite Erwähnung von Lurungun ein „festes Haus“ der Herrschaft gewesen Das Hochstift Würzburg verkaufte 1358 am 3. Mai 901 kann sich auf Ober- oder war - sie war noch 1595 im Besitz des Lan- ein Vorwerk (= Gutshof) in Oberlauringen Niederlauringen beziehen. Damals schenkte desherrn, nun des Fürstbischofs - oder in der an Hermann von Bibra.15 1366 verpfändete die reiche Grundbesitzerin Amalbirg, deren später erwähnten Kemenate die Urkunde Würzburg einen Hof in Oberlauringen an die Herrschaftssitz wahrscheinlich auf dem Ju- ausstellte. von Bibra als Wächterlohn auf dem Schloss denhügel, dem Wartberg bei Kleinbardorf, Schon seit 1298 verfügten durch Erbvertrag Wildberg.16 1378 erhielt den „Hof zu Ober- war, Güter in Sulzfeld, Bardorf, Wenkheim die Grafen von Henneberg über die Hälfte des lauringen“ (wohl das spätere Schlossgut) und und Lurungun an die Domkirche in Würz- Wildberger Besitzes, die ihnen mit dem Tod 1/3 des Zehnten Graf Georg von Henneberg burg.2 des letzten kinderlosen Grafen von Wildberg vom Hochstift Würzburg um 1.000 Gulden Erstmals wird am 11. April 811 bei der im Jahr 1305 endgültig zufiel.9 So haben als auf Wiederkauf verschrieben. Schenkung des Gosperaht zwischen Ober- Hennebergische Lehen Apel von Bardorf 1406 wurde von Fürstbischof Johann von und Niederlauringen unterschieden. Dieser einen See in Oberlauringen im Jahr 1317, Würzburg „Hof und See“ zu Oberlauringen schenkte sein Gut „in superiore villa, quae außerdem einen Weinberg in Stadtlauringen und ein Teil des Zehnten an Ritter Jörg nuncupatur Hlurunga in Grapfeldono mar- und ein Burggut zu Wildberg10 und Heinrich Truchseß verpfändet und später als Lehen cu“, also in dem oberen Dorf Hlrurunga im von Wenkheim, dem das Dorf Rudeshusen übertragen, worüber Jörg Truchseß am 21. Grabfeld, nämlich 10 Jochen, an das Kloster (= Rügshof bei Oberlauringen) gehörte, eine Dezember 1436 einen Revers ausstellt über Fulda.3 Am 5. Juni 824 schenkte Hruadhelm Mühle, zwei Acker Weinberge und einen die „mannlehenbare Eigenschaft des ihm 50 Morgen und 10 Leibeigene in Lurungero Gaden im Kirchhof zu Oberlauringen sowie veräußerten Hofes“.17 Am 3. Oktober 1434 marcu (ohne nähere Unterscheidung zwi- den Lindleshof.11 Im Jahr 1317 war also die wurde der Hof und ein Drittel des Zehnten schen Ober- und Niederlauringen.4 Kirchenbefestigung in Oberlauringen schon in Oberlauringen von Würzburg an Karl Erst nach über 450 Jahren, am 12. Aug. 1271, vorhanden. Aus dieser Zeit stammt wohl Truchseß von Wildberg verpfändet. Dieser wird wieder Oberlauringen erwähnt. Graf auch der Wehrturm mit Schießscharten und war mit einer Truchseß von Brennhausen ver- Konrad II. von Wildberg verschrieb diesen einer Mauerstärke von 1,42 m, nun das früh- heiratet und wird auch unter diesem Namen Ort mit der Hälfte von Stadtlauringen und der gotische Untergeschoss des heutigen Kirch- erwähnt. Er war Amtmann auf Wildberg, Hälfte von Sulzdorf als Leibgeding an seine turms. wonach er sich nun wie sein Vater Dietrich Frau Margarethe von Henneberg. Es wurden 1347 teilten die Grafen von Henneberg ihren benannte.18 (Als eigentliche Truchseß von dabei 52 Mann mitübergeben.5 Zu dieser Besitz. Die Ämter Rottenstein und Wildberg Untermaßfeld, einer Seitenlinie der Truch- Zeit waren also die Grafen von Wildberg kamen zur „neuen Herrschaft“ in Coburg. seß von Henneberg, hatten sie ursprünglich die Landesherren von Oberlauringen und Diese wurde kurz danach von den drei mit den Truchseß von Wetzhausen nichts Umgebung und konnten von ihrem Besitz Schwiegersöhnen der Witwe Jutta von Hen- zu tun, haben aber 1445 deren Wappen an- Lehen vergeben. neberg geteilt, wobei Graf Eberhard von genommen.) 1436 wird Michael Truchseß Württemberg Wildberg und Rottenstein er- als Lehenträger genannt. Im gleichen Jahr hielt und damit auch Ober- und Niederlau- wurde Georg Truchseß von Schweinshaup- ringen.12 1354 kaufte das Hochstift Würzburg ten mit Hof, See und Anteil am Zehnten in den Württembergischen Anteil am Wild- Oberlauringen belehnt. Dieser kaufte 1460 berger Erbe, nachdem es schon 1305 die vom Fürstbischof diesen Zehntanteil, der Hälfte von Wildberg vom Grafen Konrad nach seinem Tod seinem Bruder Karl, sodann von Wildberg testamentarisch erhalten hat- Peter Truchseß zufallen sollte. Da aber keine te. Das letzte Viertel von Schloss und Amt Coinvestitur vorlag (mit Karl zusammen), Wildberg, das noch im Besitz der Grafen von konnten dessen „leibslehenbare Erben“ diese Henneberg-Aschach verblieben war, kaufte Lehen aber nicht bekommen.19 Würzburg schließlich im Jahr 1368. Für die Am 16. Mai 1476 erfolgte die Belehnung Besitzungen von Henneberg-Schleusingen von Konrad von Hutten zu Frankenberg in in Oberlauringen, Leinach und Mailes Arnstein mit 1/3 des Zehnten, Hof und See blieb bis zum Aussterben des Geschlechts in Oberlauringen, was er von Hans Truchseß der Henneberger Grafen das Hennebergische gekauft hatte.20 Amt Sulzfeld zuständig. Die Kemenate hatte inzwischen Hans Zollner Als Hennebergischer Lehensmann wurde zu Römhild, der sie 1481 an Karl Zollner von 1319 in Oberlauringen Hans von Rossach Rottenstein zu Friesenhausen verkaufte. Des- Die Wildburg bei Sulzfeld im 14. Jahr- genannt, der hier „2 Teile des Zehnten, 1 Hof sen Sohn Eitel Zollner bekam 1482 die Lehen hundert. und 1 Gut daselbst (hat), daz im alle Jahre seines Vaters Karl, nämlich Kemenate, vier Nr. 19 · November 2011 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­23

Gaden und die Mühle, die er von Hans von Schaumberg zu Thundorf gekauft hatte.21 Von Karl Zollner hatte Konrad von Hutten, nun zu Oberlauringen, auch dessen Anteil am Rügshof erworben und 1485 an das Kloster St. Johannis bei Sulzfeld verkauft. Konrad von Hutten vertauschte 1488 das „Hofhaus vor dem Schloß“ an Bernhard von Steinau zu Burglauer gegen ein Hofhaus in Burglauer.22 Das erstmalig 1488 erwähnte Schloss in Oberlauringen war wahrschein- lich ein Wasserschloss und dürfte nach 1300 errichtet worden sein, nachdem die alte Wildberg’sche Burg als Kirche benutzt wurde. Dieses wohl besser als „Weiherhaus“ anzusprechende Gebäude soll nach Grunel- ius zwischen dem jetzigen Schloss und der Leinach gelegen haben, wo um 1876 noch entsprechende Wassergräben vorhanden wa- ren.23 Das jetzige Schloss wird erstmalig 1801 von Bundschuh als „in schöner eng- lischer Anlage“ liegend erwähnt und wur- de 1858 verändert, wie eine Jahreszahl im Das benachbarte Oberlauringen gehörte bis zur Reformation zur Pfarrei Großbardorf. Die Keller ausweist. Das Schlosstor ist zwar Ansichtskarte Großbardorfs aus der Sammlung von Elfriede Herda (Ostheim) wurde in der barock gestaltet, aber mit den Wappen Gru- ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgelegt. nelius und von Heyder versehen, also wohl erst errichtet worden, nachdem 1876 Georg der sein Wonung bey uns gehapt, der uns mit 1623 in einem Bericht des Vogtes zu Ober- Grunelius Schloss und Gut Oberlauringen Meß halten, predigen, Reichung der heiligen lauringen erwähnt: „Im Dorf steht noch ein gekauft hatte. Sakrament und Dauffen und was zue solch altes Haus, Seelhaus genannt, ist von alters Mit der Kemenate und ihren Höfen, vier sachen sich gepürdt nach Noturft außge- her ein Pfarr- oder Kaplanhaus gewest, ge- Gaden und 1/3 des Zehnten wurde Konrad richt hat ..., ... hat gedachter Pfarrherr von hört der Herrschaft, darinnen 4 alte Weiber, von Hutten am 3. Januar 1489 von Würzburg Großenbardorff bey uns jerlichs einkommen die das ganze Jahr mit Arbeiten der Herr- belehnt. Auch 1496 erhielten die von Hutten ongeverlich 80 Scheffel Getreidt an Korn und schaft an die Hand gehen und erhalten wer- wieder als Lehen Hof und See, den Zehnten, Habern und ongeverlich 30 oder 40 Aymer den.“ Das Haus wurde also als Armen- oder vier Gaden sowie fünf Mann. 1490 ist aber Weinß - so Wein geredt - und an Gült als 10 Pfründnerhaus benutzt. auch Fritz von Bibra in Oberlauringen an- Gulden, an dem Kleinzehendt, nemlich an 1549/50 beanspruchte der „Pfarrer von Stadt- sässig.24 Die Mühle erhielt 1496 Konrad von Kraut, Rüeben zwei und anderes, waß zum lauringen“ (wohl der Tag- oder Frühmes- Hutten zu Lehnen. Klein-Zehendt gehordt und wir haben solang midtleiden gehapt, das uns dünket, solches 1 Stengel E. E., Urkundenbuch d. Klosters Fulda, 1958 lenger zue leiden ist uns gantz schwerlich, 2 Zeißner Sebastian, Stadtlauringen einst und jetzt, Dettel- Großbardorf war Pfarreisitz dann so gedachter Pfarrherr gemelte Nut- bach 1920 CDF 255 (nach Karl Bosl, Franken um 800, Den Oberlauringer Zehnten hatten 1549 zung jerlich von uns haben will, solle er uns München 1969) Wilhelm von Hutten und Veit Ulrich von wie vor gemeldt mit einem Caplan versehen 3 CDF 255 (nach Karl Bosl, Franken um 800, München 1969) Dobenecker, Reg.Dipl. Thur., L, Nr. 126 Schaumberg zu je 1/3. Das restliche Drittel und versorgen. Dienstag Leonhardi 1546 4 Dobenecker, Reg.Dipl. Thur., L, Nr. 126 hatte der Pfarrer, eigentlich der zu Groß- jare.“25 5 Jäger Franz Anton, Geschichte Frankenlands, 1806 bardorf, ihn bekam aber der neue luthe- Auch 1549 beschwerte sich die Gemeinde (nach Rost, Königshofen, Würzburg 1832) rische Pfarrer in Oberlauringen, nachdem Oberlauringen, nun bei Bischof Melchior in 6 Reg.Boica, IVON, 1. Jg., pag. 405/7 7 wie 2 die Ansprüche des Stadtlauringer Pfarrers Würz­burg, über ihren Pfarrer zu Großbar- 8 Hoffmann Hermann, Urk.-Reg. z. Gesch. d. Zister- abgewiesen worden waren. Eigentlich war dorf, weil „er keinen Kaplan zu Oberlaurin- zienserkl. Himmelspforten, 1231 - 1400 (Quellen u. Oberlauringen eine Filiale der seit 1453 be- gen wider allen Herkommens“ halte und ,,... Forschungen z. Gesch. d. Bistums Würzburg, Bd. 14, stehenden Pfarrei Großbar­dorf. Das Kirchen- daß ein jeder Pfarrherr zu Großenbardorf 1962) 9 HUB, 11. II, S. 16 patronat hatte die Dompropstei in Würzburg. einen geschickten dauglichen Caplann bey 10 Hanisch Joh. Gottfr., Diplom.Gesch. d. gräfl. Hauses Dompropst war nun Moritz von Hutten, der uns zu Oberlauringen uff die Früemeß und Henneberg, 1. Teil, Leipzig 1788 (Hennebergisches seit 1539 auch Fürstbischof von Eichstätt der Filial daselbst gehalten, welcher Caplan Lehenverzeichnis von 1317) war, ein Bruder des späteren Oberlauringer uns mit allen christlichen Ampten, Meßhal- 11 Schultes J. A., Diplom.Gesch. d. gräfl. Hauses Henne- berg, 2. Teil, S. 37, Hildburghausen 1791 Dorfherrn Wilhelm von Hutten. Ein weiterer ten, Predigten versehen, dagegen ein jeder 12 wie 11, S. 87 ff. Bruder war Philipp von Hutten, der 1546 mit den dritten Theil an allen kleinen und großen 13 wie 10 Bartholomäus Welser in Südamerika ermor- Wein- und Getraid-Zehendt in Dorf und Feld, 14 Biedermann J. G., Geschlechtsregister der Ritterschaft det wurde. An ihn und den Vater Bernhard sampt anderen Gefellen, Nutzungen und ein- Landes zu Franken, 1747, Tafel CCXLV, B 15 v. Bibra Wilhelm, Gesch. d. Fam. d. Frh. v. Bibra, Mün- von Hutten zu Birkenfeld erinnern Epitaphe kommens umb daneben solchs christliche chen 1870 in der Wallfahrtskirche Maria Sondheim bei Ampt deß stattlicher zu verprengen, seine 16 Zeißner, Sebastian, Haßbergland, Hofheim 1924, S. 39 Arnstein. eigene Behausung deß Orts hatt“. Sie hätten 17 Stumpf, Histor. Archiv zu Franken, I., S. 68 Zu dieser Zeit hatten sich schon weite Teile von dem jetzigen Pfarrer seit drei Jahren kei- 18 Zeißner, Sebastian, Haßbergland, Hofheim 1924, S. 39 19 „Rechtsgegründete Verthaidigung der Fränkischen Le- Deutschlands der Reformation angeschlos- nen Kaplan bekommen, so dass zu befürchten hensgewohnheiten, 1733 (Foliant mit Sammlung von sen und der katholischen Kirche fehlten sei, sie kämen „... inn ewige Verderbung an Lehenstreitfällen. - beim Verfasser) Priester. So hatte auch der Pfarrer von Groß- Sehl und Leib“. Sie baten, dass der Kaplan, 20 wie 16 bardorf keinen Kaplan mehr für Oberlau- der jetzt in Großbardorf wohnt, „... sein 21 Biedermann J. G., Ritterkanton Baunach, A CCLXVI, Lehenbuch 27 ringen. Das Dorf fühlte sich vernachlässigt heußlich wonung bey uns habe, wie von alters 22 wie 16) S. 28, 29 und schrieb deshalb im Jahr 1546 an seinen Herkommen“, andernfalls „...sich von oben- 23 Heimstätt Hans, Manuskripte zur Geschichte von Ober- Patronatsherrn, den Dompropst zu Würz- gezeigter Nutzung des einkommens ziemlich lauringen, ca. 1960 burg und Fürstbischof von Eichstätt, u. a.: zu enthalten. Mittwoch nach misericordias 24 v. Bibra Wilhelm, Beiträge zur Gesch. d. Frh. v. Bibra, 26 München 1882, Bd. 2 „... dass der Pfarrer von Großbardorf uns zu 1549 jare“ (2. Sonntag nach Ostern). 25 G-Akten 15512, Staatsarchiv Würzburg Oberlauringen mit einem Caplan versehen, Dieses Kaplanshaus wurde noch im Jahr 26 wie 25 Seite ­­24 Das Grabfeld Nr. 19 · November 2011 ser, denn Stadtlauringen gehörte noch zur von Hutten zu Birkenfeld u. Oberlauringen, die in dem Herrn sterben.“ Jörg Füglein Pfarrei Maßbach) „Veyt Bangratz Stachell darhin das Dorff sonsten außer geistlicher hatte einen Garten „uffm Kirchhoff“, wofür von Staffelstein“ 1/3 des Zehnten zu Ober- und Zent-Gerechtigkeit zuständig, dahin ge- er 1 Fastnachtshuhn zu entrichten hatte. Der lauringen. Anscheinend war er an Stelle des ordnet und zumTheilß auch besoldet wird.“30 Kirchhof im Bereich der Kirchenburg war Pfarrers von Großbardorf mit der Versorgung Oberlauringen hatte also 1578 einen evange- 1595 Bischöfliches Lehen.34 von Oberlauringen beauftragt worden. Der lischen Pfarrer, dessen Name allerdings wie Innerhalb der Kirchenburg wurde 1579 die Oberlauringer Schultheiß schrieb: ,,... ist der seines Vorgängers unbekannt ist. erste Schule aus Steinen erbaut, in der auch der Pfarrer (von Stadtlauringen) auch gehn Die Herren von Hutten haben in Oberlaurin- der Lehrer wohnte, der ja im Hauptberuf Oberlauringen gangen zu den Zehnern allen gen im Jahr 1569 die Kemenate neu gebaut Mesner und Kantor war. Diese Schule zu dreyen (Lorenz Lang, Hans Scheit und Simon oder verändert, wie aus der Jahreszahl am unterhalten, verpflichten sich im Jahr 1580 Schuler) und gebotten, man solle den Zehnt „Schwarzen Adler“, der früheren Kemenate, Konrad und Georg von Hutten. Da die geist- nehmen.“ Der Schultheiß von Oberlaurin- zu ersehen ist. Sie wurde beim Verkauf 1811 liche Jurisdiktion immer noch vom Bischof gen, Jürg Helmerich, erklärte, dieses Drittel als „unteres oder Huttensches Schloß“ be- von Würzburg beansprucht wurde, setzte gehöre dein Pfarrherrn zu Oberlauringen.27 zeichnet. Dieses Gebäude hatte bis zur letz- Julius Echter 1582 und 1583 wieder einen Spätestens im Jahr 1550 war also ein Pfarrer ten Jahrhundertwende noch Treppengiebel. katholischen Pfarrer in Oberlauringen ein, in Oberlauringen. Dies wird durch ein Schrei- Zum Gutshof gehörte auch der Bereich der und zwar Laurentius Stützing. Ob der 1588 ben des Georg Ludwig von Hutten vom Jahr heutigen Staatsstraße und die Judengassen als Pfarrer von Oberlauringen genannte Con- 1582 an Bischof Julius Echter bestätigt: „Um (jetzt Rückertstraße und Lauergrund), über rad Dimpelius Lutheraner war, ist fraglich.35 das Jahr 1549 ist ein der Augsburgischen die ja Carl August Truchseß zum Bauen der Ebenso unklar waren die Verhältnisse in der Konfession verwandter Prediger nach Ober- Judenhäuser verfügen konnte, wie Friedrich Mutterpfarrei von Oberlauringen, nämlich in lauringen gekommen und dortselbst bis zu Rückert vermerkte.31 Großbardorf. Dieses Dorf gehörte ehemals seinem Tod (ca. 1574) verblieben.“28 Ca. 1579 wird berichtet, dass die Witwe des zu Henneberg-Schleusingen und war erst 1550 (Urkunde ohne Datum) berichtete die Wilhelm von Hutten ihren Ansitz in Oberlau- durch den Tauschvertrag vom 10. Juni 1585, Gemeinde Oberlauringen: „Der Zehent zu ringen habe, wo sie die vogteiliche Obrigkeit den Würzburg mit dem Rechtsnachfolger Oberlauringen, so die Pfarr Großbardorff mit ihren Söhnen Bernhard und Jörg Ludwig der ausgestorbenen Grafen von Henneberg, hat, ist vor jaren der Dumbprobstey zu Würz- ausübe.32 Sie habe Lehen vom Kloster St. Jo- nämlich Sachsen, geschlossen hatte, an das burg zustendig gewest“. Dem Pfarrer zu hannis bei Sulzfeld, nämlich „Weinberge auf Hochstift gekommen. Das Patronatsrecht Großbardorf sei der dortige Zehnt, den nun dem Hirschberg hinter dem Schloß“, außer- in Großbardorf hatte der Dompropst und die Dompropstei habe, der Zehnt zu Oberlau- dem „Ellern bei der Landwehr“ (Ödland als die geistliche Jurisdiktion der Bischof von ringen eingeräumt worden. „Unser gnediger Schafweide, an der nördlichen Gemarkungs- Würzburg. 1598 erbat die Gemeinde einen Herr zu Würzburg begert Abschrift, sich grenze von Oberlauringen). Mit „Schloß“, das anderen Pfarrer, da der jetzige seine Pflichten deren wegen der Pfarrbestellung zu Ober- vor dem Hirschberg lag, kann also nicht die vernachlässige und von zwei Dienstmägden lauringen haben zu gebrauchen.“29 Kemenate gemeint sein, sondern wahrschein- je ein Kind habe und nun mit der Schulmei- Das Hochstift Würzburg verkaufte schließ- lich ein später abgebrochenes Wasserschloss. sterstochter lebe, von der er neun Kinder lich am 7. Oktober 1553 an Wilhelm von Das Kloster St. Johannis unter Wildberg bei habe. Von diesen wären sieben noch am Hutten zu Birkenfeld den Würzburgischen Sulzfeld hatte in Oberlauringen weiteren Leben, die in Thüringen bei ihrer Freund- Dorfanteil von Oberlauringen - Würzburg Besitz, nämlich ein Haus und die 1., 2. und schaft (Verwandtschaft) entbunden und lu- hatte 1530 in Oberlau­ringen 30 Hintersassen 3. Hube, in die sich 1579 die Familien Zim- therisch getauft seien.36 Großbardorf musste - und behielt nur noch die Lehensherrschaft, mermann, Beck, Thüring, Füglein, Seyfried aber mehrere Jahre warten, bis ein anderer Landgericht und Zoll. Die geistliche Juris- und Kneuer teilten. Jörg Füglein verkaufte Pfarrer zur Verfügung stand. diktion, die es auch weiterhin beanspruchte, seine Hube nach 1579 an seinen Bruder blieb umstritten. Lorenz.33 An ihn erinnert noch der Grab- Gegenreformation in Sulzfeld In diese Zeit datierte auch der Vogt des Amtes stein in der Kirchenmauer: „Anno 1596, den und Umgebung Wildberg, Johann Boxberger, die Einführung 20. August, ist in Gott Zimmermann Han- Der Nachbarort Leinach war ebenfalls luthe- der Reformation in Oberlauringen. Er schrieb sen Zimmermanns Söhnlein (verschieden), risch geworden (mindestens seit 1608) und 1578: „Oberlauringen aber, welches vor 20 der Seelen Got gnade und hat sein Herlein wurde vom Prädikanten von Oberlauringen Jahren auch noch bey dieser Pfarrei (Groß- (= Großvater) Jörg Füglein ihme diesen mitversorgt. Noch 1660 wurde der Ort als bardorf) gewesen, hat jetziger Zeit einen son- Stein auffgerichtet. TIANTA BAIA (alles ver- Filiale von Oberlauringen bezeichnet. deren Praedikanten, welcher von der Frauen geht). - Apocalypse 14: Selig sind die Toten, Amtskeller Kraus zum Rottenstein berichtete am 7. Februar 1608: „Im Dörflein Leinach hat Philipp Fuchs zu Schweinshaupten 13 Mann, (Hans Eitel) Truchseß zu Wetzhausen 5, Jörg Ludwig von Hutten (zu Oberlau- ringen) 4, Pfarrei Stadtlauringen 10, Stift Würzburg 1 Mann. Er habe auch der Pfarrei Lauringen Untertanen auferlegt und bei Straf geboten, nicht allein die neuen Feiertage zu halten (Kalenderreform von 1582!), sondern auch ihre alte Pfarrkirche zu Großenbardorf auf dieselben zu besuchen.“37 Der Keller zu Stadtlauringen wurde am 27. März 1612 zum Bericht aufgefordert, „... was auf seine Behandlung der Unterta- nen der Pfarrei Stadtlauringen zu Leinach und Neuses anitzo geschieht, ob sie sich zur katholischen Religion begeben oder aber verkaufen wollen und ob sie den Gottes- dienst zu Sulzfeld besuchen.“ Am 26. Juni 1612 hatte der Amtskeller den Auftrag, zu berichten, ob die Leinacher den Gottesdienst befohlenermaßen zu Sulzfeld besuchen und „... uf den Fall sie doch in lutherische Ort Leinach, skizziert von Theo Dreher aus um 1960. auslaufen, dieselben ernstlich zu bestrafen.“ Nr. 19 · November 2011 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­25

1620 notierte der Sulzfelder Pfarrer: „Die von Sulzfeld schrieb am 24. April 1680 an die berg aus, nachdem sie am 2. August 1676 Gemeinde Leinach hat einen Kelch (ist also Geistlichen Räte in Würzburg, dass Leinach Oberlauringen gekauft hatten und am 19. evange­ lisch), der Prädikant von Oberlaurin- „vordem von Oberlauringen aus, welches Juni 1679 vom Fürstbischof damit belehnt gen kommt und communcieret omnes; Häre- selbst lutherisch, versehen worden“ sei. worden waren.47 tici arbeiten der Katholiken zum Hohn an den Am 13. Juni 1684 wurden die ältesten Män- 38 Festen novi calend.“ Auch 1623 berichtete ner in Leinach verhört, welche aussagten, 27 Adel 321 (XVII), St.Arch. Würzburg der Pfarrer von Sulzfeld, dass in Leinach dass „... Leinach ganz lutherisch gewesen 28 wie 23 viele lutherisch seien, „... tun den Katholiken und als 9 Untertanen käuflich ans Hohe Stift 29 G-Akten 17944, St.Arch. Würzburg auf ihren Feiertagen großen Spott an, gehen kommen, sothane Unterthanen zum katho- 30 Pfarreieinkommenbuch Großbardorf von 1578 (nach O. Adam, Großbardorf, 1989) mehr Katholiken nach Oberlauringen zu dem lischen Glauben gezogen, auch bei Vermei- 31 Rückert Friedrich, „Die Bauern und ihr gnädiger Hert`, Prädikanten in die Lutherisch Kirch.“ dung (von) 10 Thaler Straf an die Pfarrei in Erinnerungen aus den Kinderjahren eines Dorfamt- Zu dieser Zeit war in Oberlauringen Johann Sulzfeld verwiesen worden. Da aber nach- mannssohns, 1829 Deinert Pfarrer (1615-1629). Er hatte auch mals Oberlauringen katholisch worden, wa- 32 Standbuch 549, Staatsarchiv Würzburg 33 Salbuch 101, II a, St.Arch. Würzburg in Stadtlauringen Anhänger. 1621 wurde ren solche eine Zeitlang auf Oberlauringen, 34 Salbuch 183, St.Arch. Würzburg der Stadtlauringer Stadtschreiber Siegmund da dies aber wieder abgefallen, wiederumb 35 Ritterschaftl. Pfarrerbuch Franken, Neustadt/Aisch Vogt vom dortigen Pfarrer verklagt, weil er in auf Sulzfeld gezogen worden. Daß ihr Kirch- 1979 Oberlauringen beim Prädikanten gewesen sei lein consekriert gewesen, wüßten sie nicht“. 36 Ger. Königshofen, 208 (VII), St.Arch. Würzburg 37 Rentamt Königshofen, 86, St.Arch. Würzburg und an einem katholischen Fasttag „Fleisch Der 67 Jahre alte Michel Albert sagt aus, dass 38 Heusinger R. W. F. u. Solf E. K., Sulzfeld i. Gr., Mell- gefressen“ habe. Der Gemeindebäcker von „... sein Vater vor 110 Jahren geboren und richstadt 1987 Stadtlauringen wurde 1626 „abgeschafft“, lutherisch erzogen gewesen und nicht ge- 39 Standbuch 6 (Clagbuch), f 90, 174, Gem.Arch. Stadt- weil sein Sohn Veit Fuchs in Oberlauringen hört, daß ein pfarrlicher Actus (des Pfarrers lauringen 46 40 Mühlich A., Chronik d. Stadt Schweinfurt, 1817, S. 378 sei und „habe sich nit zur katholischen Reli- von Sulzfeld) allda vorgenommen worden“. 41 wie 35 .39 gion begeben wöllen“ Bei der Zugehörigkeit von Leinach zur ka- 42 Mainfränk. Jahrbuch 44, Bd. 115, 1992, S. 22 Im Jahr 1629 setzte Fürstbischof Philipp tholischen Pfarrei Sulzfeld ist es seitdem 43 Kretzer G. H. L., Gesch. d. Centgerichts u. d. Pfarrei Adolf von Ehrenberg in Oberlauringen ei- geblieben. Maßbach, Meiningen 1861 44 Salbuch 101, 111, St.Arch. Würzburg nen katholischen Pfarrer ein, was ihm aller- Das Patronatsrecht in Oberlauringen übten 45 Rentamt Königshofen, 85, St.Arch. Würzburg dings nur mit Hilfe von 300 (?) Soldaten des nach den Freiherren von Hutten die Frei- 46 wie 38 Amtskellers von Stadtlauringen gelang.40 Zu herren Truchseß von Wetzhausen zu Stern- 47 wie 2 dieser Maßnahme sah sich Bischof Philipp Adolf durch das Restitutionsedikt von Kaiser Ferdinand II. vom 6. März 1629 berechtigt, wonach den katholischen Reichsständen ge- Verein für Heimatgeschichte stattet wurde, ihre Untertanen zu rekatholi- sieren und wonach die nach dem Passauer im Grabfeld e.V. Vertrag 1552 von den Protestanten eingezo- Museumspädagogisches Zentrum (MPZ) genen Kirchengüter zurückgegeben werden im Vorgeschichtsmuseum Bad Königshofen i. Gr. sollten. Möglicherweise war der von 1626 bis 1633 als Pfarrer von Oberlauringen genannte Ich, Georg Jocator41 der von Julius Echter einge- setzte Pfarrer. Wahrscheinlich amtierte aber zur Zeit der schwedischen Besatzung, als von geb. am: 1631 bis 1634 drei finnische Musketiere als Schutzwache in Oberlauringen lagen, hier erkläre hiermit, daß ich dem Verein für Heimatgeschichte im Grab- ein lutherischer Pfarrer.42 Von 1633 bis 1640 wird Nikol Dimpel (ein Verwandter? des feld e.V. / Museumspädagogischen Zentrum (MPZ) bis auf schrift- 1588 genannten Pfarrers Dimpelius) als Pfar- lichen Widerruf als Mitglied beitrete. rer von Oberlauringen genannt, das von 1640 bis 1647 vom Maßbacher Pfarrer Johann Mit der Satzung und dem Mitgliedsbeitrag von 20,- Euro jährlich Langguth mitversehen wurde.43 Mit Peter bin ich einverstanden. Bauer sind ab 1650 nun nur noch Pfarrer der Augsburgischen Konfession in Oberlaurin- Anschrift: gen, das nun unbestritten evangelisch blieb. In der Oberlauringer Filiale Leinach kam es 1660 zur Gegenreformation, nachdem das Straße, Hausnummer Hochstift Würzburg 13 Untertanen des Eber- hard Fuchs von Schweinshaupten gekauft hatte. Würzburg hatte in Leinach schon elf Postleitzahl/Wohnort Untertanen; fünf Mann verblieben noch den Truchseß von Wetzhausen und vier Mann bei Telefon-Nummer Veit Ludwig von Hutten zu Oberlauringen, der auch den Zehent auf Leinacher Markung Bankverbindung: bis 1699 hatte (nach ihm Truchseß zu Ober- lauringen).44 „In diesem Jahr (1660) wurde die Reforma- Konto-Nummer: Bankleitzahl tion eingeführt (in Leinach) und auch die Fuchsischen Untertanen, davon 5 noch in Kreditinstitut Flüchten gehen, zum Catholischen Glau- ben angewiesen worden. Die Vogteyliche Obrigkeit hat jede Herrschaft bißhero auf den Seinigen exerciert.“45 Das „in dem leidig Ort/Datum schwedischen Kriegswesen ganz ufn Grund ruinierte Gotteshäuslein“ in Leinach wurde Unterschrift 1675 wieder aufgebaut. Pfarrer Kaufmann Seite ­­26 Das Grabfeld Nr. 19 · November 2011 Nach dem Mauerbau in Berlin vor 50 Jahren wurde auch die innerdeutsche Grenze ausgebaut

Reinhold Albert Streifen erhielt im Volksmund die Bezeich- keiner der Schüsse traf aber. Auch die Hunde nung „Todesstreifen“, weil bei dessen Be- erwischten ihn nicht.“ ach dem Bau der Berliner Mauer vor treten laut Vorschrift von östlicher Seite das Im Juli 1961 verirrten sich zwei Damen aus nunmehr einem halben Jahrhundert Feuer sofort zu eröffnen war. dem Rheinland, die auf Besuch auf dem Nam 13. August 1961 begann die DDR Folge der Grenzsperrmaßnahmen war ein Gutshof in Sternberg weilten, bei ihren Sonn- ab September 1961 auch an der etwa 125 km Sinken der Flüchtlingszahlen. Wurden 1952 tagsspaziergang in die „Ostzone“. Nachdem langen thüringischen Grenze zu Unterfran- in Unterfranken 499 Flüchtlinge registriert, eine Suchaktion der örtlichen Feuerwehr ken mit dem Ausbau der Sperranlagen. In der waren es 1953 nur mehr 105 und 1954 65. ergebnislos verlief, rief der Gutsbesitzer die Chronik der Grenzpolizeiinspektion Mell- Hauptschlupfloch der Fluchtwilligen jedoch zuständigen behördlichen Stellen in der DDR richstadt für das Jahr 1961 ist nachzulesen: war Berlin, so dass bis zum 13. August 1961 an, um sich über deren Verbleib zu erkun- „Am 13.8.1961 wurde die Sektorengrenze mehr als drei Millionen DDR-Bürger in den digen. Es wurde ihm dabei ein abschlägi- in Berlin abgeriegelt; der Flüchtlingsstrom Westen flüchteten. ger Bescheid erteilt. Bei einem neuerlichen damit unterbrochen. Mit dem Mauerbau in Der Bau der Berliner Mauer am 13. August Anruf am nächsten Tag teilte man mit, dass Ostberlin folgten weitere Sperrmaßnahmen 1961 weckte das Interesse an der innerdeut- die Vermissten nach dreitägiger Haft wieder an der Zonengrenze. Die bisher erteilten schen Grenze in Unterfranken, worauf sich über Bebra in die Bundesrepublik ausreisen Registriervermerke zum Betreten und Be- die Bayerische Grenzpolizei in jenen Tagen dürfen. wohnen der Sperrzone sowie des Schutzstrei- veranlasst sah, in einem Aufruf auf die Ge- Nicht selten kam es vor, dass Spaziergän- fens wurden widerrufen. Die Genehmigung fahren hinzuweisen, zumal die aufgestellten ger unter Drohung mit der Waffe hinüber erhielten nur noch Personen, „...die durch Warnschilder oft ignoriert wurden. In der befohlen wurde, oder die „Vopos“, wie die ihr bisheriges Verhalten die Gewähr für die Pressemitteilung heißt es u.a.: „Genau sehen DDR-Grenzbewacher im Volksmund ge- Sicherheit im Sperrgebiet boten.“ die ostzonalen Bewacher, wenn man auf dem nannt wurden, herüberkamen und ihn holten. Bereits ab 1949 waren auf höher gelegenen Zehnmeterstreifen steht. Damit gibt er den In Völkershausen bei Mellrichstadt ereignete Punkten auf sowjetzonalem Gebiet Wacht- Vopos Anlass ihn, wenn auch widerrecht- sich in jenen Tagen ein solcher Fall: Ein türme aufgestellt worden. Um den immensen lich, festzunehmen, da er das `Territorium Ostheimer kam dort in die Nähe des Zehn- Flüchtlingsstrom einzudämmen (von 1946 der DDR’ verletzte“. In jenen Tagen wurde meterstreifens. Zwei überraschend an dem bis 1952 flüchteten allein ca. 3.000 Perso- auch darauf verwiesen, dass die Behörden Streifen aufkreuzende Zivilisten luden ihn nen aus der Sowjetischen Besatzungszone der SBZ das Fotografieren an der Grenze als ein, näherzukommen und überwältigten ihn, nach Unterfranken), wurde 1952 entlang der Ausspähung auffassen und bestrafen würden. als der Ahnungslose herangekommen war. Demarkationslinie (DL) auf ostzonaler Seite Spektakuläre Fluchten ereigneten sich an Unmittelbar darauf erschienen sechs schwer- ein zehn Meter breiter Streifen angelegt, auf der unterfränkisch/thüringischen Grenze. So bewaffnete Volkspolizisten, die den Gefan- dem ein Stacheldrahtzaun errichtet wurde. berichtete eine Heimatzeitung am 20.4.1961 genen auf sowjetzonales Gebiet brachten und Von Lübeck bis Hof zog sich seitdem quer aus Rothausen: „Die Flucht in den Westen nach längerem Fußmarsch in einem kaser- durch Deutschland ein ausgeklügeltes und gelang in der Nacht zum Dienstag einem nenähnlichen Gebäude ablieferten. Er wurde auf fünf Kilometer gestaffeltes System von Feldwebel der Nationalen Volksarmee der stundenlang verhört und man schlug ihm Kontrollstreifen, Schutzstreifen, Sperrzonen Ostzone. Der 26jährige kam in voller Uni- schließlich vor, in der DDR zu bleiben oder mit Wachtürmen, Beobachtungsbunkern, form bei Rothausen über den Grenzstreifen aber regelmäßig Zeitungen, Fotoaufnahmen Stacheldrahtzäunen, Markierungspfählen, und bat bei den Behörden um politisches von Neubauten, Fahrzeugen usw. zu liefern. Spanischen Reitern, Straßensperren, Bret- Asyl. Seine Kollegen von drüben wollten Zum Schein ging er auf dieses Angebot ein. terzäunen, Betonpfeilern usw. - bewacht und die Flucht vereiteln, indem sie ihm Hunde Am nächsten Tag brachten ihn zehn Soldaten kontrolliert von 15 motorisierten und schwer- nachhetzten und auf ihn schossen. Etwa sie- wieder zurück in die Bundesrepublik, wo er bewaffneten Regimentern der ‚Deutschen ben Schüsse und eine Feuergarbe aus der sich den Behörden offenbarte. Grenzpolizei“ der DDR. Der Zehnmeter- Maschinenpistole wurde auf ihn abgegeben, Mitte August 1961 erschraken Bauern der un- terfränkischen Zonengrenzgemeinde Irmels- hausen bei ihrer Feldarbeit. Von der nahen Demarkationsline her peitschten Schüsse. 20 Meter vor dem Schlagbaum, noch auf DDR- Gebiet, brach ein junger Mann zusammen. Ohne sichtbare Gemütsbewegung eilten ei- nige Uniformierte hinzu und bewachten den Schwerverletzten so lange, bis er auf einer Zeltplane zurückgeschafft wurde. Im Sommer 1961 überquerte eine große Viehherde bei Frankenheim in der Rhön die Grenze. Sie wurde in Leubach eingefangen und über den Ortsverbindungsweg Leubach – Frankenheim wieder in die DDR zurück geführt. Dazu wurde ein Stück Stacheldraht geöffnet. Der Bürgermeister von Franken- heim bedankte sich bei den Leubachern mit einer kleinen Ansprache. Ein junger Mann aus einer Milzgrundge- meinde hatte im Mai 1961 eine Frau in Thü- Vor nunmehr 50 Jahren wurden nach dem Bau der Berliner Mauer ab September 1961 die ringen geheiratet. Nach dem Ablauf der Auf- Grenzsperranlagen an der thüringisch/bayerischen Landesgrenze ausgebaut. Im Vorder- enthaltsgenehmigung, versuchte seine Frau grund der 1952 angelegte Zehnmeterstreifen, im Hintergrund wird gerade der doppelreihige vergeblich die Papiere für eine Ausreise in Stacheldrahtzaun, zwischen den ab Sommer 1962 Minen verlegt wurden, errichtet. Unsere hi- den Westen zu erhalten. Anfang August 1961 storische Aufnahme entstand zwischen Schwanhausen/Ermershausen und Schweickershausen/ erhielt der Mann dann eine Einreisegeneh- Hellingen. Archivfotos: Reinhold Albert migung in die DDR. Man erklärte ihm dort, Nr. 19 · November 2011 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­27

her selbst errichtet hatte, den Sprung in die Freiheit gewagt. In dem Bericht heißt es weiter: „Volkspolizisten, die die Arbeiten überwachten, sandten ihm eine Salve nach, die aber ihr Ziel verfehlte. Offensichtlich wird in diesem Gebiet, wo die Betonpfosten bereits angebracht waren, die Zonengrenze völlig dichtgemacht. Bisher verlief bereits ein Drahtzaun entlang der Straße Behrungen – Berkach“. Am 12.9.1961 berichtet eine Tageszeitung unter der Schlagzeile „Ulbrichts Schergen bauen Drahtzaun - Stacheldrahtzaun wie um ein Konzentrationslager“, dass eine Gruppe von ca. 60 ostzonalen Arbeitern an der Zonen- grenze entlang der Straße Breitensee - Trapp- stadt damit beschäftigt sei, einen Drahtzaun zu errichten. Beginnend beim Waldstück an der Gemarkung Trappstadt stellten sie in einer Länge von ca. 3 km entlang des To- dessstreifens auf der westlichen Seite eine Pfahlreihe auf, die mit dem bereitliegenden Nur unter schärfster Bewachung durften die Bewohner aus den thüringischen Nachbargemein- Stacheldraht bespannt werde. Schon Tage den an der Landesgrenze ihrer Arbeit nachgehen. Vorliegende Aufnahme entstand im Herbst vorher sei die Strecke von einigen Vopos 1961 bei Trappstadt /Eicha und zeigt thüringische Bauern bei der Kartoffelernte. abgesteckt worden - alle drei Meter ein Pfahl. Die Arbeitsgruppe setze sich aus Vopos, An- einer Ausreise seiner Frau stünde nichts im Ein doppelreihiger Sperrzaun gehörigen von Betriebskampfgruppen und Wege, wenn er sich auf zwei Jahre verpflich- wurde errichtet FDJ’lern zusammen. Sie verrichteten unter te, für die DDR-Staatssicherheit zu arbeiten. Am 5.9.1961wurde aus Sondheim im Grab- Bewachung durch schwerbewaffnete Vopos Er kehrte allein in den Westen zurück, wo er feld berichtet, dass ein 23jähriger verheirate- und im Hintergrund aufgestellten Granat- bereits ein Eigenheim errichtet hatte. ter Angehöriger einer Betriebskampfgruppe werfern ihre „Sklavenarbeit“. Außerdem pa- Ende August 1961 floh der 54jährige Vor- aus Meiningen und Wasungen, die bei Beh- trouillierten Wachposten im Gelände. sitzende Bauproduktionsgenossenschaft rungen zur Errichtung eines Drahtzaunes Drei Buben der Internatsschule Haubinda im Römhild mit Frau und Sohn sowie dessen an der Zonengrenze eingesetzt wurden, auf Heldburger Unterland im Alter von 13 und 14 Verlobter, der Pfarrerstochter aus Milz, mit bayerisches Gebiet geflüchtet war. Er hatte Jahren gelang im September 1961 die Flucht zwei Motorrädern bei Milz nach Bayern. über das Drahthindernis, das er kurz vor- über die Grenze bei Trappstadt. Sie waren

Flugblatt, mit dem Besucher aus dem Westen an der innerdeutschen Grenze über Grenzverlauf und Grenzaufbau informiert wurden. Seite ­­28 Das Grabfeld Nr. 19 · November 2011

Aufbau des doppelreihigen Stacheldrahtzauns zwischen Breitensee und Hindfeld 1961. ständigen Verhören ausgesetzt, nur weil sie in rigen „Vopo“ bei Alsleben unverhofft die entsprungener Sträfling festgenommen, der der Nähe des Schullandheimes Höhlen gebaut Flucht, ohne dass er es gewollt hätte. Der in versuchte, die Zonengrenze zu erreichen, hatten, in denen Spielzeuggewehre gefunden der Grenzkompanie Gompertshausen sta- um in die DDR zu gelangen. Von den west- wurden, womit sie sich verdächtigt machten. tionierte Berliner war erstaunt, als ihm ein lichen Sicherheitsorganen Zollgrenzdienst, Aus Breitensee wurde am 26.8.1961berich- Alslebener Bauer erklärte, er befinde sich Bundesgrenzschutz und Bayer. Grenzpolizei tet: „Der Todesstreifen unterdrückt jede auf westdeutschem Gebiet. Der junge Mann wurden an der Grenze auch einige Männer Menschlichkeit. ... Nur selten kommt einer zeigte sich daraufhin glücklich und ver- festgenommen, die sich durch eine Flucht in von den Nachbardörfern herüber zu einem sicherte, dass ihm nichts lieber sei, als endlich die DDR der Unterhaltspflicht für Frau und Bekannten oder Verwandten, die er zu Fuß dem Zwang des SED-Regimes entronnen zu Kinder entziehen wollten. in zehn Minuten erreichen könnte. Jetzt muss sein und blieb im Westen. Die Abriegelung der DDR-Grenze ging er einen weiten Umweg über Probstzella Es gab aber auch Individuen, die in die an- nach dem Mauerbau in Berlin recht flott machen. Jegliche menschliche Verbindung dere Richtung fliehen wollten. Zur gleichen vonstatten. Denn am 23.11.1961 berichteten ist durch den Todesstreifen abgebrochen.“ Zeit wurde bei Ermershausen von einem Tageszeitungen aus Mellrichstadt unter der Anfang Oktober 1961 gelang einem 19jäh- Beamten der Grenzpolizei in Grenznähe ein Überschrift: „Hunderte von Betonpfosten liegen bereit - Die Grenze wird immer dich- ter gemacht“: „Unter den Augen bewaff- neter Volkspolizisten waren in den letzten Tagen auf sowjetzonaler Seite entlang der Zonengrenze zwischen Eußenhausen und Rappershausen Arbeitskommandos unter der Anleitung von Forstpersonal mit der Erweiterung der Grenzsperren beschäftigt. Im Waldgebiet zwischen Rappershausen und dem thüringischen Dorf Behrungen werden jenseits des Zehnmeterstreifens mit Motorsä- gen die Bäume auf einer Breite von 100 bis 150 m abgeholzt, um Zonenbewohnern den Weg in die Freiheit unmöglich zu machen. Auch in der Nähe des Grenzdorfes Mühlfeld wurde das Vernichtungswerk mit Motorsä- gen begonnen, hier scheute man nicht da- vor zurück, die im Niemandsland stehenden Hecken und Sträucher umzuschlagen, um jede Deckungsmöglichkeit auszuschließen. Entlang der Straße zwischen Behrungen und Rappershausen sowie zwischen Behrungen und Sondheim wurden Hunderte von Beton- pfosten angefahren und in großen Stapeln bereitgestellt. Die Pfosten dienen offensicht- lich dem Zweck, auch das letzte noch offene Gegenüber dem Altlandkreis Königshofen wurde 1961 von der DDR der neue Stacheldraht- Stück zwischen Ost und West durch Stachel- doppelzaun aufgebaut. Der Zollbeamte Gerd Winkler fotografierte. drahtzäune zu verbarrikadieren.“ Nr. 19 · November 2011 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­29

Bevor der „antifaschistische Schutzwall“, wie der Eiserne Vorhang in der DDR ge- nannt wurde, noch undurchdringlicher wur- de, flohen zahlreiche DDR-Bürger in den Westen. So gelangten in den letzten Novem- bertagen vor 50 Jahren zehn Menschen über die Grenze in die Landkreise Königshofen und Mellrichstadt. Es handelte sich um ein Ehepaar mit einem 21jährigen und einem zwölfjährigen Sohn, zwei Angehörigen der sowjetzonalen Grenzpolizei in Zivil, einen Grenzsoldaten in Uniform und einen 18jäh- rigen ledigen Schlosser. Die Soldaten gaben als Fluchtgrund an, dass sie mit dem poli- tischen Verhältnissen in der sowjetischen Besatzungszone nicht mehr einverstanden gewesen seien und dass sie es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten, auf Grund der neuen Anordnung des Zonenregimes auf ihre Landsleute im Falle der Flucht schießen zu müssen. Ähnlich lautete das Argument eines bereits Anfang November 1961 geflo- Im Vordergrund der erste Sperrzaun von 1952, dahinter die 1962 freigelegte Fläche, auf wel- henen 20jährigen DDR-Grenzsoldaten, der cher der neue doppelreihige Sperrzaun mit dem Minenfeld aufgebaut wurde. in Uniform und mit voller Waffenausrüstung bei Mellrichstadt über die Grenze floh. Er gab an, dass er sich mit dem neuen Schießerlass nicht abfinden könne, der ihn verpflichte auf Deutsche schießen zu müssen. Das damals geflüchtete Ehepaar mit den beiden Söhnen befürchtete, zwangsweise aus dem Grenzgebiet ausgesiedelt zu werden. Denn Anfang Oktober 1961 schwappte nach 1952 eine zweite Zwangsevakuierungswelle über die grenznahen Dörfer in der DDR. Als Begründung wurde von den DDR-Machtha- bern angegeben: „ ... dass zur Sicherung des Friedens und zum Schutz des Lebens der Bür- ger an der Staatsgrenze West für eine Anzahl Bürger, die bisher in der Fünf-Kilometer- Sperrzone gewohnt haben, ein Wechsel des Wohnorts angeordnet wurde!“ Allein aus den grenznahen Dörfern im Nachbarland- kreis Hildburghausen mussten 104 Personen ihr Heimatdorf verlassen. Zunehmend machte man sich in den bayeri- schen Nachbarorten Sorge um Verwandte und Bekannte in den thüringischen Nach- Der Zollbeamte Wolfgang Krebs, der im Juni 1962 dieses Foto zwischen Zimmrau und Rieth bargemeinden. Gerüchteweise wurde näm- schoss, schrieb auf die Rückseite des Fotos: „Uffz. Scharfmacher in Aktion.“ lich bekannt, dass alle Orte zwangsevakuiert werden sollen. Diese Gerüchte wurden in westlichen Presseaufrufen als unbegründet bezeichnet. Es hieß: „Bei genauerer Unter- suchung der augenblicklichen Lage stellte sich heraus, dass alle derartigen Annahmen glücklicherweise keine Begründung haben. Festgestellt werden könne allerdings, etwas liege in der Luft!“ Ab 1.8.1962 wurde die Grenze noch un- menschlicher. Zwischen den beiden Stachel- drahtzäunen wurden nun zwei Reihen Holz- kastenminen verlegt - insgesamt 913.260 entlang der 1.394 km langen innerdeutschen Grenze. Nach bisherigen Erkenntnissen wur- den allein durch Minen 39 Menschen getötet und weitere 85 schwer verletzt. Der „Limes Socialistica“ wurde im Lauf der Jahre bis zur friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989 immer dichter. Ab 1966 folgte ein doppelreihiger Metallgitterzaun und ab Beginn der siebziger Jahre ein einrei- higer Metallgitterzaun mit Todesschussauto- maten, elektrisch geladenen Hinterlandsiche- Die Grenzsperranlagen zwischen Breitensee/Trappstadt und Hindfeld/Eicha, fotografiert rungszaun und Kraftfahrzeugsperrgraben. 1963. Im Vordergrund der alte Zaun von 1952, dahinter der doppelreihige Stacheldrahtzaun. Seite ­­30 Das Grabfeld Nr. 19 · November 2011

Dr. Fritz Steigerwald (†) erhielt 2010 den Grabfelder Kulturpreis Dr. Fritz Steigerwald war ein Glücksfall für Rhön-Grabfeld Reinhold Albert movierte er mit einer Arbeit aus dem Bereich Steigerwald und uns alle sicherlich 1989 des Betriebsverfassungsgesetzes. die friedliche Revolution in der DDR und Im November 2010 erhielt Altlandrat Dr. 1968 heirateten Fritz und Renate Steiger- die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes. Fritz Steigerwald als letzte seiner zahlreichen wald. Das Paar hat eine Tochter namens Dass er insbesondere in den ersten Jahren Ehrungen in seinem Leben bei einer Feier- Uta. Seine Ehefrau war ihm zu Hause ein nach der Vereinigung auf vielen Feldern stunde in Bad Königshofen den Kulturpreis Kraftquell. Ohne die Unterstützung seiner mitwirkte und vor allem mitmischte, war Grabfeld des Vereins für Heimatgeschichte Familie hätte Dr. Fritz Steigerwald das En- sicherlich der Höhepunkt der politischen im Grabfeld. Er verstarb nach einer langen orme, was er in seinem Leben leistete, vmtl. Tätigkeit Dr. Steigerwalds. Für die Autobahn und schweren Krankheit am 26. Juni 2011 nie geschafft. durch unseren Landkreis kämpfte er wie ein im Alter von 73 Jahren. 1976 wurde Dr. Steigerwald zum Landrat des Löwe – erfolgreich, wie wir heute wissen. Sein Amtsnachfolger Thomas Habermann Landkreises Rhön-Grabfeld gewählt. Wer Trotz unterdurchschnittlicher Finanzkraft schrieb in einem Nachruf: „Wir verlieren mit hätte damals gedacht, dass er bei seiner Ver- wurde in Steigerwalds Amtszeit Überdurch- ihm eine überragende kommunalpolitische abschiedung im Juli 2003 nach 27 Dienstjah- schnittliches geleistet. Dr. Fritz Steigerwald Persönlichkeit, die sich mit Leidenschaft und ren der dienstälteste Landrat Bayerns war? nutzte die großen Gestaltungsmöglichkeiten, Engagement in vielen Funktionen für den Bei seinem Amtsantritt war die Situation die ihm das Amt des Landrats boten, immer Landkreis Rhön-Grabfeld und seine main- des Landkreises nicht gerade günstig. Ins- selbstbewusst und erfolgreich. Der Umbau fränkische Heimat eingesetzt hat. Uneigen- besondere der Eiserne Vorhang - der Land- und die Erweiterung verschiedener Schu- nützig hat er stets alle politischen Aufgaben kreis hatte 112 km gemeinsame Grenze mit len war ihm ein großes Anliegen. Ebenso erfüllt. Er hat sich mit Offenheit und Mensch- der DDR – warf einen Schlagschatten auf die Beteiligung am Gemeinschaftskraftwerk lichkeit der gesamten Bevölkerung zuge- Rhön-Grabfeld. Wesentliches Merkmal die- Schweinfurt und die Erweiterung der Erd- wandt. Als Vertreter in verschiedenen Insti- ser Randlage war die hohe Abwanderung von gasversorgung im Landkreis, auch in das tutionen war er stets auf Ausgleich und gute bis zu 550 hauptsächlich junger Menschen Grabfeld. Zusammenarbeit bedacht. Der Lebensweg pro Jahr. Dem Landkreis bereitete damit ein- Was viele an Dr. Fritz Steigerwald bewundert von Dr. Fritz Steigerwald war von unermüd- hergehend auch die Verkehrsferne unseres haben, war sein enormes Gedächtnis. Wenn lichem Einsatz, großer Gestaltungskraft und Raumes und der Abbau staatlicher und auch er zu einer Veranstaltung ging, kannte er tiefer heimatlicher Verbundenheit geprägt. kommunaler Behörden zu schaffen. Hinzu nahezu jeden, wusste die speziellen kleinen Verwurzelt im christlichen Glauben hat er kamen für den Landkreis Rhön-Grabfeld und großen Nöte seines Gegenübers und über Jahre hinweg seine schwere Krankheit und seine Gemeinden noch eine deutliche bot bei Bedarf seine Hilfe an. Er war, wie geduldig ertragen und dabei Humor und Finanzschwäche mit hoher Schuldenlast und er selbst einmal betonte, „ein Landrat zum Tatkraft nie verloren. Er hat sich um den die Tatsache, dass der Rhön-Grabfeld-Kreis Anfassen.“ Dr. Fritz Steigerwald erwarb sich Landkreis Rhön-Grabfeld in hervorragender noch lange keine Einheit war. in allen gesellschaftlichen Gruppen große Weise verdient gemacht. Wir werden ihm 27 Jahre später hatte sich die Situation auch Wertschätzung. in Dankbarkeit ein ehrendes Andenken be- dank des ausgleichenden Wesens von Dr. Die Wertigkeit kultureller Arbeit im Land- wahren.“ Steigerwald grundlegend geändert. Rhön- kreis war Dr. Fritz Steigerwald ebenfalls stets Fritz Steigerwald wurde 1937 in Würzburg Grabfeld zeigt sich heute einheitlich und in ein Herzensanliegen. Als Beispiele mögen geboren, absolvierte 1958 das Abitur und sich geschlossen mit einem hohen Grad an die Einrichtung des Prähistorischen Muse- studierte anschließend Rechts- und Staats- Identifikation der Bürger mit ihm und auch ums in Bad Königshofen oder der Kreisgale- wissenschaften. 1967 trat er in den Dienst des untereinander. Diesen Wandel darf sich Fritz rie in Mellrichstadt gelten, nicht zu vergessen Freistaats Bayern. 1972 wurde Steigerwald Steigerwald auf die Erfolgsfahne heften. die Rettung des historischen Amtshauses in als juristischer Staatsbeamter an das Land- Höhepunkt der Veränderung des Status zum Stockheim. Das Kunstobjekt „Goldene Brü- ratsamt Rhön-Grabfeld versetzt. 1976 pro- Guten in Rhön und Grabfeld war für Dr. cke“ und der Skulpturenpark im ehemaligen Minengürtel an der Schanz bei Eußenhausen gehen auf seine Initiative zurück. Erika Jeger In seiner Amtszeit als Kreischef kam 1979 seiner Idee gemäß erstmals das unter Schrift- Schlachttag im Grabfeld leitung des unvergessenen Josef Kuhn auf- gelegte Heimatjahrbuch des Landkreises Heute soll ein Schlachtfest sein; Das Ganze nennt man auch Rhön-Grabfeld heraus, das heuer bereits in O‘ wehe Dir, Du armes Schwein! Schlachtschüssel, 34. Auflage erscheint. Es erfreut sich nach manche essen gar den Rüssel. wie vor großer Beliebtheit. Dr. Steigerwalds Der eine mag am liebsten Zunge, Wunsch in seinem Geleitwort anlässlich des Der Metzger kommt, zieht‘s aus der andere ein Stückchen Lunge. Erscheinens des ersten Heimatjahrbuchs dem Stall. Viele Leute schätzen auch 1979, dass es ein echtes Volksbuch werde Erst hört man‘s quicken, Kopffleisch, Niere, Herz und Bauch. und mit seinen Beiträgen eine willkommene dann den Knall. kulturelle Bereicherung darstelle, ging in Das Schwein fällt um, ist mausetot, Bei diesem Fleisch, mit Salz und Brot Erfüllung. das Blut färbt ringsum alles rot. vergisst man schnell den Schweinetot. Es soll nicht vergessen werden, dass die Dann wird gewurstelt und gemischt, Berufsfachschule für Musik in Bad Königs- zwischendurch mit Schnaps erfrischt. hofen, die einzige ihrer Art in Unterfranken, Mit heißem Wasser wird‘s traktiert, ausschließlich sein Werk ist sowie die Mu- kriegt seine Borsten abrasiert. Und wenn der schwere Tag geschafft, sikschule des Landkreises, letztere mit mehr Endlich hat es ausgelitten, schenkt dieses Tier gleich wieder Kraft, als 1.000 Schülerinnen und Schülern, ihm zu wird in Stücke kleingeschnitten. in Form von Wurstteig in der Dose verdanken ist. Ein Teil von diesem lieben Schwein und Schweinebraten mit viel Soße. Steigerwald war seit 1976 auch 2. Vorsitzen- kommt gleich in den Kessel rein. der des Trägervereins des VHS-Bildungs- Das Kesselfleisch ist wohlbekannt Am End‘ ist allen sonnenklar, zentrums Sambachshof. Die Verdoppelung und sehr beliebt im Frankenland. wir schlachten wieder nächstes Jahr. der Belegungskapazität des Sambachshofs als überregionale Bildungseinrichtung wur- Nr. 19 · November 2011 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­31 de vor Jahren erst möglich, als Steigerwald den Landkreis dazu bewog, bei der Finan- zierung einen namhaften örtlichen Beitrag zu leisten und seine guten Kontakte zum da- maligen Innerdeutschen Ministerium nutzte, um von dort die ausschlaggebende Förderung der Baukosten zu erreichen. Dass unser Landkreis Standort des unterfrän- kischen Freilandmuseums in Fladungen ist, mit Alleinstellungsmerkmalen wie Dorfkir- che und Museumsbahn, war ausschließlich Idee und erfolgreiches Bemühen Dr. Stei- gerwalds. Wie sehr Dr. Fritz Steigerwald und seine Familie mit unserer fränkischen Heimat ver- bunden sind, beweist die Stiftung eines Flur- denkmals, das die Familie 1999 anlässlich des 60. Geburtstags vor ihrem Wohnhaus in Bad Neustadt aufstellen ließ. Schon zu Lebzeiten wurde eine Straße nach ihm benannt, was nur wenigen Zeitgenossen Als letzte große Ehrung in seinem Leben erhielt der im Juni 2011 verstorbene Altlandrat Dr. widerfährt, und zwar der Dr.-Fitz-Steiger- Fritz Steigerwald im November 2010 den Grabfelder-Kulturpreis, der alle drei Jahre verliehen wald-Radweg von Bad Königshofen in Rich- wird und vom Verein für Heimatgeschichte im Grabfeld und der Brauerei Werner Lang gestiftet tung Bad Neustadt. Für seine Arbeit und sein wird. Das Foto zeigt in der Bildmitte Dr. Steigerwald mit Gattin Renate, daneben Erika Toen- außergewöhnliches Engagement hat Dr. Fritz nishen, deren verstorbener Ehemann Theo vorletzter Preisträger war sowie v.l. Bürgermeister Steigerwald zahlreiche Preise erhalten, so Thomas Helbling, Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert, Vereinsvorsitzenden und u.a. den sog. Frankenwürfel, der als höchste Kulturreferenten Hanns Friedrich sowie Werner Lang. Foto: Regina Vossenkaul fränkische Auszeichnung für Menschen des typischen fränkischen Schlags gilt. Erst im – bei der Arbeit der Erste und in der Freizeit Dr. Steigerwald großes Vertrauen und Anse- November vergangenen Jahres erhielt er den der Letzte, hen in der Bevölkerung und brachte unseren Grabfeld - Kulturpreis. – dabei immer höflich und bester Laune. Heimatlandkreis entscheidend voran. Bei seiner Verabschiedung als Landrat 2003 Kurz, er vereinigte alle Eigenschaften eines Dr. Fritz Steigerwald war aber auch ein tief- sagte der damalige bayerische Innenminister Übermenschen und des Normalmenschen in gläubiger Mensch, der im Glauben immer Dr. Günter Beckstein, Steigerwald sei das sich. Grundsatztreue und ein Gefühl für das wieder neue Kraft schöpfte. Daran erinnert Bild eines idealen Landrats gewesen, Machbare zeichneten ihn aus. Tatkraft und die Autobahnkirche an der A 71, deren Eröff- – wusste immer und überall Bescheid, die Sorge für das Wohl der Bürger waren nung er sicher gerne miterlebt hätte. Ihr galt – war allgegenwärtig, weitere Markenzeichen. Damit erwarb sich zuletzt seine ganz besondere Zuwendung.

„Das Grabfeld“ erscheint einmal jährlich mit finanzieller Unterstützung folgender Institutionen Firmen und Verbände:

ImpressumImpressum

Herausgeber: Verein für Heimatgeschichte im Grabfeld e.V. und Museumspädago- gisches Zentrum Bad Königshofen

Redaktion: Reinhold Albert (Sternberg); Leo W. Hamm (Bad Königshofen)

Fotos: Reinhold Albert und Privat

Satz und Gestaltung: dta-fotosatz (Alsleben)

Druck: Druckerei Seifert (Untereßfeld)

Sparkasse Auflage: Bad Neustadt a. d. Saale 7.500 Exemplare Seite ­­32 Das Grabfeld Nr. 19 · November 2011 100 Jahre Luitpoldbrunnen in Bad Königshofen Wolfram Weigand „Michaelsbrunnen“ schöpfen, der eigent- geboren wurde; mag sein, dass er poli- lich eine Zisterne war. tische Klugheit von seiner Mutter There- ir brauchen Wasser zum Trinken, Wir können uns gut vorstellen, dass die se von Sachsen – Hildburghausen geerbt Wzum Kochen, zum Baden, Duschen, Königshöfer Bauern früh meist durch das hat, jedenfalls schmückt jetzt die schöne Waschen, Putzen, Spülen, Schwimmen, Südtor auf ihre Felder fuhren, rund um die Schnitterin den eindrucksvollen, barock zum Bewässern von Gärten, Feldern, Parks, Stadt und Festung arbeiteten, und dabei nachempfundenen Brunnen, für die eine Fußball-, Golf- und Tennisplätzen, zum Quellen benutzten wie die an der späteren junge Frau aus dem Heimatort Aschach Bierbrauen, zum Kühlen und Heizen, zum Bleiche im Westen, den Schalksbrunnen des Bildhauers Schmitt Modell gestanden Löschen und Heilen .... und Kühbrünn an beiden Seiten des Hau- haben soll, als Allegorie der Fruchtbarkeit Wir brauchen es gasförmig, flüssig und bachs im Norden oder den Dunkbrunnen unseres Grabfeldes. Luitpold selbst lehnte als festes Eis. ... Wasser trägt die Schiffe, im Osten. sein geplantes Standbild ab und war mit Surfer, Schlitten-, Ski- und Schlittschuh- Aus dem reichen Schalksbrunnen rechtssei- einem Bronzerelief an der Brunnenmarkt- fahrer. Es treibt die Mühlräder, Turbinen tig des Haubachs wurde ab 1909 mit lang- seite zufrieden. und Generatoren ... Das Wasser ist ein Wasser ist der Le- Element des Lebens bensraum unzähli- – es sucht sich gedul- ger Tiere, Wasser dig einen Weg. Es dient als seelisches trägt alle möglichen Reinigungs- und Stoffe mit sich und es Segensmittel in besitzt die Kraft zur den allermeisten Selbstreinigung, vor Religionen. allem wenn es fließt. Wasser ist ein Ele- Das Wasser hat es den ment des Lebens! Königshöfern nicht Wir wissen nicht leicht gemacht, aber genau, wie die Kel- sie haben vom Was- ten, Thüringer und ser gelernt – sie ha- Franken in unserer ben den kalkhaltigen früheren Geschich- Gips abgebaut, sie te ihre Wasser- haben die Heilkraft probleme lösten, der Minerale und aber wir wissen des Eisens aus Regi- sicherlich, dass die us- und Urbaniquelle Grundwasserquali- genutzt und sind heu- tät kein günstiger te Mitglieder des Bä- Standortfaktor für derlandes Bayerische die Gründung eines Rhön. Für das Trink- Königshofes im 8. wasser haben sie den Jahrhunderts und Wasserzweckver- für das Wachsen band gegründet, der Der Luitpoldbrunnen auf dem Marktplatz in Bad Königshofen, gemalt von Fritz Toennishen im zur Stadt und Fe- hier gleich neben dem Jahr 2000. stung im Mittelal- Luitpoldbrunnen ei- ter und Barock war, ne sinnvolle Bleibe denn unser Wasser ist sehr gart oder besser sam und laut tuckernden Schwerölmotoren gefunden hat. Das Trinkwasser kommt aus gesagt, kalkhaltig. Es ist meist sauer oder und später auch mit einem Lanz-Traktor dem Quellen am Haubach, aus Klein- und besser gesagt mineralhaltig; es ist meist Wasser auf die Rothöhe gepumpt und von Großeibstadt. Das Mischwasser aus diesen eisenhaltig, was man bei der Kur auch dort in die Stadt geleitet. Ab 1911 wurde Quellen sprudelt nun wieder aus dem Lu- „Stahlwasser“ nennt. davon auch dieser Luitpoldbrunnen ge- itpoldbrunnen, natürlich durch eine kluge Wir wissen sicher, dass sich die frühen Kö- speist, allerdings offensichtlich nicht stän- Umwälzpumpe betrieben. nigshöfer neben den Grundwasserbrunnen dig, sondern nur, wenn Wasser für diesen Die Königshöfer schöpfen kein Trinkwasser auch mit Zisternen behalfen, die zwar wei- „Zierbrunnen“ übrig war. mehr aus ihren Brunnen, aber die Brunnen ches, sauberes Regenwasser speicherten, Brunnen waren schon immer bedeutende bleiben Zeugen der bewegten Wasser- und aber durch schmutziges Oberflächenwasser Orte im Gemeinwesen und wurden meist Entwicklungsgeschichte ihrer Stadt, und gefährdet waren. mit religiösen, politischen oder allego- sie bleiben Orte, wo man beim fließenden, Wir wissen sicher, dass die Königshöfer rischen Motiven geschmückt. Hier am plätschernden Wasser Besinnlichkeit und schon vor Julius Echter im ausgehenden Marktplatz schaute Fürstbischof Julius Kraft schöpfen kann für den spannenden Mittelalter, also zur Zeit der Fertigstellung Echter jahrzehntelang als Standbild vom Weg durchs Leben. Dazu passt die üp- unserer spätgotischen Stadtpfarrkirche eine „Vierröhrenbrunnen“, bevor er von den pige Steinbank des Luitpoldbrunnens, dazu „Fernwasserleitung“ besaßen, die durch Schweden herabgestürzt und durch einen passt der gleichaltrige Lindenbaum, dazu ausgehöhlte Eichenstämme gutes Wasser Obelisken ersetzt wurde. Der wehrhafte passen die Tische der Cafes und Wirtschaf- aus einem ergiebigen Quellbrunnen in einer Erzengel Michael grüßt mit seinem Flam- ten, dazu passen die freundlichen Damen Wiese südöstlich von Eyershausen führte menschwert vom „Michelsbrunnen“. Der im Büro des Wasserzweckverbandes, dazu und aus Haltbarkeitsgründen unter Was- „Luitpoldbrunnen“ wurde 1911 zum 90. passt der schweifende Blick auf das bunte ser im „Krummen Graben“ verlegt war. Geburtstag des Prinzregenten und dem 100. Markttreiben und die vielen historischen Jahrhundertelang konnten die Königshöfer Jubiläum der Zugehörigkeit Frankens zu Gebäude und Spuren des Zeitenstroms, der gutes Trinkwasser aus dem „Schlichtigs- Bayern gestiftet. über diesen Platz geflossen ist, und dazu brunnen“, dem „Vierröhrenbrunnen“ und Mag sein, das Luitpold frankenfreundlicher passen auch einige unserer schönsten Hei- wahrscheinlich zeitweilig auch aus dem war, weil er in der Würzburger Residenz mat- und Volkslieder.