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finden lässt. (5) Großereignisse wie Fußball-Welt- Eine Analyse der Fußballberichterstattung in den und Europameisterschaften schaffen somit eine Jahren 2002 bis 2012 eigene Dynamik, die Zuschauerschichten auch au- ßerhalb der klassischen Sportliebhabergruppen zu Fußballprofile im mobilisieren in der Lage ist. deutschen Fernsehen Vor diesem Hintergrund soll auf Basis und zur Ver- Analyse der tiefung der vorliegenden Ergebnisse zu den Sport- Fußballangebote Von Angela Rühle* profilen im deutschen Fernsehen (6) untersucht im Free-TV werden, welche Profile sich für den Bereich der Fußballberichterstattung im deutschen Free-TV fin- Zuschauerrekorde Der Fernsehsportsommer 2014 wurde durch die den und welche Charakteristika sich für Großer- bei Fußball-WM Fußball-WM in Brasilien geprägt und brachte für eignisse, insbesondere Fußball-Weltmeisterschaf- die übertragenden Sender neue Spitzenwerte bei ten, in Bezug auf die Struktur der Programminhalte der Fernsehnutzung. Mit den Spielen Brasilien – beobachten lassen. Relevante Faktoren sind hier- Deutschland und Deutschland – Argentinien wurde bei „übertragender Sender“ und „Eventcharakter der bestehende Zuschauerrekord für Einzelsen- der Übertragungen“ und die Frage, inwiefern das dungen gleich zweimal hintereinander übertroffen. Programmangebot die Nutzung und damit auch die Zudem verzeichnete das Turnier die höchste je Akzeptanz einer Sportart oder eines Sportereignis- gemessene durchschnittliche Sehbeteiligung für ein ses beeinflusst. Nicht nur, welcher Fernsehsender WM-Turnier. (1) überträgt, ist dabei von Interesse, sondern auch, in Eine Analyse der Sportangebote in deutschen welchem Umfang er sich einem Ereignis widmet Free-TV-Sendern zwischen 2002 und 2012 zeigte, und in welcher programmlichen Form dieses auf- dass Sport eine stabil nachgefragte Säule im Pro- bereitet und kommuniziert wird. grammangebot deutscher Free-TV-Sender ist. (2) Über Sport wird in den verschiedenen Sendern in In einem Exkurs werden diese Ergebnisse zu den Aktuelle unterschiedlichem Umfang und in unterschiedlicher Programmangeboten zur Fußball-WM in Brasilien Ent­wicklungen zur Art und Weise berichtet. Fußball ist unter den ge- in Beziehung gesetzt, um aktuelle Trends skizzie- Fußball-WM 2014 zeigten Sportarten diejenige, die mit Abstand das ren zu können. Der vorliegende Beitrag entstand größte Zuschauerinteresse generiert. Gefragt da- im Kontext eines interdisziplinären Projektes der nach, für welche Sportart sie sich interessieren, Deutschen Sporthochschule Köln zum Thema „Die gaben in einer Befragung 2011 nahezu drei Viertel WM 2014 in Brasilien im Blickfeld der kommuni- der Befragten an, „sehr interessiert“ oder „inte­ kations- und politikwissenschaftlichen Forschung“ ressiert“ an Fußball zu sein. (3) Dementsprechend und bildet einen Baustein einer umfangreichen stellt Fußball für die Programmanbieter ein wert- Publikation zu diesem Thema, die voraussichtlich volles Gut dar, mit dem einerseits hohe Zuschauer- im Frühjahr 2015 erscheinen wird. quoten zu erzielen sind, für das andererseits aber auch große Summen in Übertragungsrechte inves- Als Datenbasis für die Untersuchung dienten die Programmprofile tiert werden müssen. Daten der AGF-Programmcodierung, bei der die der Sportbericht­ Sender ganze Sendungen anhand von Parametern erstattung Ereignischarakter Nicht zu unterschätzen ist beim Fußball auch der wie Programmsparte, Sendungsformat oder Thema beeinflusst die emotionale Faktor. Durch das Mitfiebern mit ein- verschiedenen Programmkategorien zuordnen. (7) Fernsehnutzung zelnen Mannschaften und den Eventcharakter, der Eine Analyse einzelner Beiträge im Rahmen von sowohl Wettbewerben wie der Fußball-Bundesliga multithematischen Sportsendungen ist auf dieser und erst recht großen Turnieren wie Europa- oder Basis nicht möglich, sehr wohl können aber Cha- Weltmeisterschaften innewohnt, erzeugen Fußball- rakteristika in der Berichterstattung verschiedener übertragungen regelmäßig große emotionale Ver- Sender beschrieben werden. Betrachtet wurden die bundenheit, die zum Beispiel beim gemeinsamen Sportangebote der an der AGF-Codierung beteilig- Schauen mit Freunden oder in Form sogenannter ten Free-TV-Sender in den Jahren 2002 bis 2012. Public Viewings ausgelebt werden. (4) In den Jahren 2002 bis 2012 waren es neben Auch Zielgruppen, die sonst dem sportlichen den Sport-Spartenprogrammen Eurosport und Geschehen im Fußball eher distanziert gegenüber- vor allem die öffentlich-rechtlichen Programme stehen, lassen sich von großen Events begeistern , das ZDF und die Dritten Programme der und schauen sich entsprechende Sendungen an. So ARD sowie die Privatsender RTL und Sat.1, die erklärt sich beispielsweise der hohe Frauenanteil kontinuierlich und in relevantem Umfang Sport in bei den Übertragungen großer Fußballereignisse, ihrem Programm zeigten. Daneben berichteten der sich in der regulären Sportrezeption so nicht N24, Das Vierte, ProSieben, RTL II, Vox, und Super RTL phasenweise in geringem Umfang über Sport. Bei etablierte sich Sport seit 2010 zunehmend als fester Programmbestandteil. machte mit der Wiederholung von Sportma- gazinen und einigen Sportreportagen ebenfalls ein * Media Perspektiven. kontinuierliches Programmangebot. Fußballprofile im deutschen Fernsehen 9 | Media Perspektiven 1/2015

Tab. 1 Programmumfang Fußball in den ausgewerteten Sendern 2002 bis 2012

2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 20111) 2012 Sendezeit in Std./Jahr 3 253 3 122 3 142 2 805 2 886 2 341 2 723 2 399 2 285 1 327 1 368 Anteil am gesamten Sportprogramm in den ausgewerteten Sendern in % 23,8 24,0 23,3 22,0 22,4 18,8 21,5 19,4 19,5 16,4 16,4 1) Seit 2011 ohne Sport 1, das sich aus der AGF-Programmcodierung zurückgezogen hat. Quelle: AGF in Zusammenarbeit mit GfK, Fernsehpanel (D+EU), eigene Berechnungen.

Programmvolumen Fußball im deutschen Free-TV 2002 bis 2012 Abb. 1 Programmumfang Fußball in Eurosport und Sport1 2002 bis 2012 Fußball tendenziell Fußballsendungen boten in diesem Zeitraum die Sendezeit in Std. rückläufig Sender Das Erste, ZDF, RTL, Eurosport, Sport1, Sat.1, kabel eins sowie die Dritten Programme der ARD in ihren Programmen an. Sie strahlten zusam- 1 574 Sport1 mengenommen zwischen 3 253 (2002) und 2 285 Sendestunden (2010) Fußball jährlich aus (vgl. 400 1 398 1 442 Tabelle 1). Der Anteil des Fußballs am gesamten Sportangebot lag in der Summe der genannten Sen- 1 231 der zwischen 24,0 Prozent (2003) und 18,8 Prozent 1 193 (2007). Fußball war damit die meistgezeigte Ein- 1 102 1 096 zelsportart im deutschen Fernsehen. (8) 1 244 1 126 Das Gesamtvolumen der Fußballberichterstat- 1 088 1 056 918 tung hat im deutschen Free-TV zwischen 2002 und 1 024 1 029 948 2012 tendenziell abgenommen. Am umfangreichs- 916 ten wurde über Fußball Anfang der 2000er Jahre 870 824 berichtet, seitdem wurde – gemessen am gesam- 752 ten Programmumfang aller berichtender Sender – immer weniger Fußball ausgestrahlt. Eine Beurteilung der Entwicklung nach 2010 wird dadurch erschwert, dass sich Sport1 2011 aus 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 der Programmcodierung der AGF zurückgezogen hat und seit diesem Zeitpunkt keine entsprechen- den Daten für den Sender mehr vorliegen. Be- Quelle: AGF in Zusammenarbeit mit GfK, Fernsehpanel (D+EU), eigene Berechnungen. trachtet man das Angebot aller Sender ohne Sport1, zeigt sich, dass das Volumen der Fußballsendun- gen seit 2010 in etwa stabil geblieben ist und sich derations Cup, U19 WM, FA Cup u.ä.). Im Zeit­ auf einem Niveau bei etwa 1 350 Sendestunden verlauf räumte der Sender dem Fußball aber ten- eingependelt hat. Dies entspricht gut 16 Prozent denziell immer weniger Sendezeit ein. Betrug der des gesamten Sportumfangs. Programmumfang von Fußball 2002 noch 1 400 Sendestunden, lag er 2010, dem letzten verfügbaren Sport1: Am umfangreichsten berichtete Sport1 über Fuß- Datenbestand, noch bei 918 Programmstunden umfangreiche ball. Im Durchschnitt kam der Sender auf rund (vgl. Abbildungen 1 und 2). Der Anteil am gesamten Fußballberichte, 1 262 Sendestunden Fußball pro Jahr. (9) Für Sport1 Sportangebot des Senders sank von 32,1 Prozent geringer Liveanteil war Fußball das wichtigste Programmelement im auf 26,6 Prozent. (10) Rahmen seiner Sportberichterstattung. Die Fußball- berichte konzentrierten sich allerdings – in Erman- Eurosport war der Sender, der am zweitumfang- Eurosport: gelung eigener Übertragungsrechte – auf beglei- reichsten über Fußball berichtete und im Mittel Rückläufige tende Programmelemente wie Reportagen und 989 Stunden Fußball jährlich ausstrahlte. Bis 2008 Programmanteile Dokumentationen, die gut 60 Prozent der Sende- war Fußball auch bei Eurosport die Sportart, über für Fußball zeit füllten, sowie Talksendungen (15 %) zum Ge- die am ausführlichsten berichtet wurde. Die Pro- schehen in der ersten und zweiten Bundesliga. grammanteile lagen in diesem Zeitraum zwischen Sendungen wie „Hattrick“, „Bundesliga pur“, „Bun- 16,6 Prozent (2007) und 21,6 Prozent (2004). Ab desliga aktuell“ oder das Talkformat „Doppelpass“ 2009 wurde Fußball von Tennis als meistgezeigte standen für dieses Konzept. Live wurde in deutlich Sportart auf Eurosport abgelöst. In der Folge ver- geringerem Umfang berichtet. Nur in knapp einem ringerte sich der Programmanteil von Fußball weiter Fünftel der Fußballsendezeit wurden bei Sport1 und betrug 2012 noch 14,2 Prozent. (11) Ereignisse übertragen. Dabei handelte es sich häufig um Spiele der zweiten Bundesliga sowie um einige Turniere, die im Allgemeinen etwas we- niger Aufmerksamkeit erregen als etwa Bundes­ liga oder Europa- und Weltmeisterschaften (Confe- Angela Rühle Media Perspektiven 1/2015 | 10

Abb. 2 Fußballsendungen nach Programmsparten und Sendern 2002 bis 2012 Sendungsdauer in %

3,3 4,4 2,7 10,6 Ratespiel/Game 14,9

25,1 27,9 22,4 5,7 34 Doku. mit fikt. Hilfsmitteln

Show/Nummern- 54,8 programm 55,5 23,8 Nachrichten 20,6 60,1 Talk/Gespräch

74,1 70,5 Magazin allgemein

47,8 45,1 40,8 Reportage/ 33,9 Dokumentation

19,1 Übertragung

Eurosport Sport1 Das Erste ZDF RTL Sat.1 kabel eins

Quelle: AGF in Zusammenarbeit mit GfK, Fernsehpanel (D+EU), eigene Berechnungen.

Im Vordergrund der Eurosport-Fußballberichterstat- einigen wenigen anderen Magazinsendungen, etwa tung standen ebenfalls Reportagen und Dokumen- ein Zehntel (10,6 %) des Fußballangebots auf Euro- tationen, die mit 55,5 Prozent etwas mehr als die sport abdeckte. Hälfte aller Sendungen zum Themenbereich Fußball ausmachten. In der Regel handelte es sich dabei Unter den Vollprogrammen, bei denen Sport nur Das Erste und ZDF: um begleitende Berichte zu den live gezeigten Tur- eines von mehreren Programmelementen ist, be- Programmangebot nieren. Der Anteil der Live-Übertragungen machte richteten die öffentlich-rechtlichen Programme am korrespondiert mit bei Eurosport etwa ein Drittel (33,9 %) des Program- ausführlichsten über Fußball. Das Erste strahlte im Ereignislage mangebots aus. Die Bandbreite der übertragenen Jahresdurchschnitt zwischen 2002 und 2012 rund Ereignisse war groß, man kann aber zusammen- 150 Sendestunden Fußball aus, beim ZDF waren es fassend sagen, dass – dem Selbstverständnis des 97 Stunden und die Dritten Programme der ARD Senders entsprechend – ein starker Fokus auf inter- kamen gemeinsam noch einmal auf rund 147 Sen- nationale Fußballereignisse gelegt wurde. Dieser destunden Fußball pro Jahr. (12) Dabei lassen sich umfasste zahlreiche Vorrunden- und Qualifikations- deutliche Schwankungen im Programmangebot ereignisse für die großen Herren-Turniere, Berichte erkennen, je nachdem, ob es sich um ein Jahr über U17- oder U20-Turniere sowie Übertragungen handelte, in dem eine Europa- oder Weltmeister- unter anderem von den Europameisterschaften, der schaft stattfand oder nicht. (13) In den Jahren, in UEFA Champions League und wichtigen Turnieren denen keines der großen Turniere stattfand, nahm im Frauenfußball. Neben dem europäischen Fuß- der Berichterstattungsumfang deutlich ab (vgl. Ab- ballgeschehen wurde auch über außereuropäische bildung 3). Das Erste berichtete in diesen Jahren Turniere, etwa die Afrika- oder Asienmeisterschaf- im Durchschnitt rund 110 Stunden über Fußball, im ten, berichtet. Mit der Sendung „Eurogoals“ ver- ZDF waren es rund 64 Stunden. Fand dagegen eine fügte Eurosport zudem über ein kontinuierliches Welt- oder Europameisterschaft statt, stieg dieser Fußballmagazin, das im Zeitverlauf, gemeinsam mit Wert auf 183 Stunden im Ersten und 124 Stunden im ZDF an. Das ZDF verdoppelte seine Sendezeit bei Großereignissen damit nahezu, das Erste zeigte rund 66 Prozent mehr Fußball als in den Jahren ohne Großturniere. Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land war für beide Programme Anlass, besonders umfangreich über Fußball zu Fußballprofile im deutschen Fernsehen 11 | Media Perspektiven 1/2015

berichten. In beiden Sendern wurde in keinem an- Abb. 3 Programmumfang Fußball im Ersten und dem ZDF 2002 bis 2012 deren Jahr des untersuchten Zeitraums so ausführ- Sendezeit in Std. lich über Fußball berichtet wie 2006. Das Erste Live-Berichte Im Programmangebot standen Live-Übertragungen ZDF wichtigste im Vordergrund. Im Ersten entfielen in den elf unter- Sendungsform suchten Jahren insgesamt 785 Sendestunden auf 202 Live-Berichte, beim ZDF waren es 751. Mit Pro- 193 199 grammanteilen von rund 48 Prozent im Ersten und 171 176 rund 70 Prozent beim ZDF waren Übertragungen 154 133 damit die mit Abstand wichtigste Sendungsform. 114 107 Berichtet wurde unter anderem von Länderspielen 92 105 der Herren- und Frauen-Mannschaften, den Quali- 156 129 fikationen und Endrunden der Europa- bzw. Welt- 115 119 meisterschaften, den Olympischen Spielen und des 110 117 DFB-Pokals, sowie einigen weiteren Turnieren (FIFA 79 Confederations Cup, Liga-Pokal, Europa League 68 57 62 u.a.). Beim ZDF kamen ab 2012 umfangreiche 55 Übertragungen von der UEFA Champions League hinzu. An zweiter Stelle folgten Reportagen und Dokumentationen, die im Ersten rund 24 Prozent 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 der Sendezeit, im ZDF rund 28 Prozent der Sende- zeit zu Fußballthemen ausmachten. Dabei handelte Quelle: AGF in Zusammenarbeit mit GfK, Fernsehpanel (D+EU), eigene Berechnungen. es sich im Wesentlichen um Begleitberichterstat- tung zu den gezeigten Live-Ereignissen. Ein Unter- schied zwischen den beiden öffentlich-rechtlichen Sendern zeigte sich darin, dass Das Erste mit der seit 2010 eine etwas größere Bedeutung im Ge- „Sportschau – Bundesliga“ für die es die Übertra- samtportfolio zukommt. Die Programmanteile des gungsrechte besitzt, themenspezifische Magazin- Fußballs lagen in den Jahren 2010 bis 2012 ten- sendungen anbot, während beim ZDF zwar Fußball denziell höher als zu Beginn der 2000er Jahre. Dies im Rahmen der multithematischen Sportmagazine bedeutet: Es wird zwar nicht ausführlicher über (z.B. dem „aktuellen sportstudio“) gezeigt wurde. Fußball berichtet, in der gesamten Sportbericht- Diese Magazine wurden aber – wegen der thema- erstattung der Sender macht dies aber einen größe- tischen Ausrichtung auf verschiedene Sportarten – ren Anteil aus, da das Gesamtvolumen an Sport- nicht als genuine Fußballmagazine ausgewiesen. sendungen gesunken ist. (14) Der Programmanteil von Fußballmagazinen belief Die privaten Vollprogramme konzentrieren sich sich somit im Ersten auf durchschnittlich rund 25 in ihrer Sportberichterstattung traditionell auf Prozent, während der Anteil der Fußballmagazine wenige Sportarten. Dabei findet eine Ausrichtung im ZDF unter 1 Prozent blieb. Ein weiteres Charak- auf ausgewählte, beliebte Sportarten statt, die teristikum des Fußballangebots im Ersten war, dass eine größtmögliche Refinanzierung der erworbe- mit Sendungen wie „Waldi’s Club“ auch Talk-For- nen Sportrechte­ über Werbeeinnahmen erwarten mate in die Berichterstattung integriert wurden. lassen. (15) Diese machten gut 3 Prozent der Sendezeit aus. Das ZDF setzte dagegen in geringem Umfang Für Sat.1 war Fußball im Untersuchungszeitraum Sat.1: Wechselnde (unter 1 %) Programmformate wie Ratespiele (Ge- die wichtigste Sportart. In der Regel entfielen min- Bedeutung von winnspiele), Show/Nummernprogramme und Doku- destens 70 Prozent aller Sportangebote des Senders Fußball mentationen mit fiktionalen Hilfsmitteln ein, um über auf Fußball, und von den privaten Vollprogrammen Fußball zu berichten. berichtete Sat.1 am ausführlichsten über Fußball. Im gesamten Untersuchungszeitraum wurden jähr- Fußball eine unter Trotz der umfangreichen Berichte ist Fußball nicht lich im Durchschnitt rund 73 Stunden Fußball­ mehreren Programm- das dominierende Sportangebot der öffentlich- themen gewidmet. Der Spitzenwert wurde im Jahr säulen des Sport­ rechtlichen Sender. Mit Programmanteilen zwischen 2002 mit 175 Programmstunden erzielt, am we- angebots von ARD/ 14,0 Prozent (2003) und 29,5 Prozent (2010) des nigsten wurde 2006 mit nur 19 Sendestunden be- Das Erste und ZDF gesamten Sportangebots im Ersten, bzw. zwischen richtet (vgl. Abbildung 4). Wie diese Zahlen bereits 9,3 Prozent (2003) und 23,7 Prozent (2006) im ZDF erkennen lassen, ist die Geschichte der Fußball- wird zwar ein beachtlicher Programmanteil dem Fußball gewidmet, der Großteil der Sendezeit wird auf beiden Sendern aber mit anderen Sportarten bestritten. Während die absolute Sendezeit für Fußball im Rahmen gewisser Schwankungsbreiten bei ARD und ZDF in etwa gleich geblieben ist, deuten die relativen Programmanteile darauf hin, dass Fußball Angela Rühle Media Perspektiven 1/2015 | 12

Abb. 4 Programmumfang Fußball in Sat.1, RTL und kabel eins 2002 bis 2012 Berichterstattung. Neben den Live-Übertragungen Sendezeit in Std. fanden sich lediglich Reportagen/Dokumentationen im Programm, bei denen es sich in der Regel um Begleitprogramme zu den gezeigten Fußballereig- 175 Sat.1 nissen handelte.

RTL Bei kabel eins spielte Sport vor 2010 kaum eine kabel eins: 103 kabel eins 113 Rolle. Der Programmanteil lag unter 1 Prozent des Fußballangebot gesamten Programmangebots des Senders. Ab seit 2010 stetig 86 2010 wurde Sport aber zunehmend ins Programm ausgebaut 79 74 integriert. Wie bei anderen privaten Programmen 56 58 51 fand eine Konzentration auf wenige Sportarten 43 46 39 31 statt, im Fall von kabel eins handelte es sich dabei 19 19 48 um Fußball und Motorsport. Während der Motor- 1 34 4 0 3 sport seit 2010 kontinuierlich an Sendezeit ein- 8 0 1 büßte, wurde das Programmangebot an Fußball 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 stetig ausgebaut und stieg von acht Sendestunden 2010 auf 58 Sendestunden 2012 an. Gut zwei Drit- Quelle: AGF in Zusammenarbeit mit GfK, Fernsehpanel (D+EU), eigene Berechnungen. tel aller Sportsendungen auf kabel eins befassten sich 2012 mit Fußball. 2010 war es erst knapp ein Drittel des Sportangebots. Im Zentrum der Bericht- berichterstattung in Sat.1 wechselhaft. Bis 2003 erstattung standen europäische Vereinswettbe- hatte der Sender die Erstverwertungsrechte für die werbe, allen voran die UEFA Europa League. Dane- Fußball-Bundesliga inne. In diesem Zeitraum wurde ben wurde auch über die UEFA Champions League das Programmangebot von der Magazinsendung berichtet, für die der Mutterkonzern ProSieben- „ran!“ geprägt, die, ähnlich wie heute die „Sport- Sat.1 Media AG die Rechte erworben hatte und schau – Bundesliga“ im Ersten, ausführlich von diese sowohl für das Programm von Sat.1 als auch den Spielen der ersten Liga berichtete. Übertra- – in geringerem Umfang – für kabel eins nutzte. gungen und Reportagen/Dokumentationen gab es Dies führte dazu, dass kabel eins vorwiegend er- nur in sehr geringem Umfang. Nach dem Verlust eignisbezogen vom Fußball berichtete. Übertra- dieser Übertragungsrechte fand ab 2004 ein Pro- gungen standen im Mittelpunkt und machten im grammwechsel statt. Das Programmangebot an untersuchten Zeitraum knapp drei Viertel der Sen- Fußball wurde nahezu halbiert und sank bis 2006 dezeit für Fußball aus. Damit war kabel eins das kontinuierlich weiter. Ab 2007 wurde mit dem Er- private Vollprogramm, das den größten Anteil an werb der Übertragungsrechte für die UEFA Cham- Liveberichten in seinem Programm anbot. Einge- pions League wieder zunehmend mehr Fußball rahmt wurden diese Übertragungen von Reportagen gezeigt. Ab 2011 war wieder eine rückläufige Ent- und Dokumentationen, die nahezu durchgängig mit wicklung zu beobachten. Das Programmvolumen dem Live-Event in Zusammenhang standen. Darü- sank von 113 Sendestunden 2010 auf 48 Sende­ ber hinaus bot der Sender vereinzelt Fußball-Kurz- stunden 2012, da die Übertragungsrechte – wie nachrichten und -Magazine an, der Programm­ erwähnt – von Sat.1 zum ZDF wechselten. umfang beider Sendungsformen blieb aber gering Ab 2004 standen bei Sat.1 Übertragungen im (2,7 % Magazine, 0,8 % Nachrichten). Ab 2011 Mittelpunkt der Berichterstattung. Ihr Anteil an der konzentrierte sich Kabel eins ausschließlich auf Fußballsendezeit stieg von knapp 13 Prozent 2003 Live-Berichte und begleitende Reportagen, so dass auf Werte zwischen 51 Prozent (2004) und knapp keine anderen Programmformate mehr ausgestrahlt 73 Prozent (2008) an. Im Zentrum der Berichter- wurden. stattung stand dabei das Geschehen in der UEFA Champions League sowie ab 2009 auch der UEFA RTL gehört zu den privaten Sendern, die ein konti- RTL: Fußball kein Europa League. Daneben wurde in geringem Um- nuierliches Programmangebot im Bereich Sport kontinuierliches fang auch von anderen Turnieren, zum Beispiel dem machen. Im Mittelpunkt steht dabei allerdings Programmangebot UEFA Cup, Liga Pokal oder dem T-Home-Cup (2009) nicht der Fußball, sondern das Geschehen im For- berichtet. Magazinsendungen wurden nach 2003 mel-1-Rennsport. Fußball führt eher ein Schatten- deutlich zurückgefahren. Ihr Programmanteil sank dasein, was sich darin äußert, dass Fußball kein von 79 Prozent 2003 auf knapp 15 Prozent 2005. kontinuierliches Programmelement ist und in sehr Ab 2006 strahlte Sat.1 keine Fußballmagazine unterschiedlichem Umfang im Programm zu finden mehr aus. Ab diesem Zeitpunkt konzentrierte sich war. So wurde in den Jahren 2004 bis 2005, 2007 Sat.1 voll und ganz auf eine ereignisbezogene bis 2008 und 2011 bis 2012 kein Fußball in RTL gezeigt. In den übrigen Jahren schwankte der Pro- grammanteil des Fußballs am gesamten Sportpro- gramm des Senders zwischen knapp 2 Prozent (2009) und 32 Prozent (2002). Die Programminhalte sind ebenfalls nicht kon- tinuierlich. 2002 und 2003 verfügte RTL über Aus- Fußballprofile im deutschen Fernsehen 13 | Media Perspektiven 1/2015 strahlungsrechte für die UEFA Champions League. Weltmeister wurde Spanien. Die deutsche Mann- In diesem Zeitraum prägte die Champions League schaft belegte nach den Niederlanden erneut Rang das Fußballangebot in RTL. Nachdem Sat.1 diese drei. Übertragungsrechte 2003 erworben hatte, stellte RTL das Programmangebot Fußball vorübergehend Aufgrund des überaus hohen Zuschauerinteresses Übertragungsrechte ein. Für die FIFA Weltmeisterschaft 2006 und 2010 an den Fußball-Weltmeisterschaften sind die Über- für Fußball-WM erwarb RTL die Rechte an einigen Spielen und be- tragungsrechte dazu ein unter Fernsehsendern hoch werden hoch richtete im Rahmen seines Fußballangebots aus- gehandelter Premiuminhalt, der auf dem Rechte- gehandelt schließlich von und rund um diese Turniere. Der markt regelmäßig Höchstpreise erzielt. Obwohl Sender räumte dem Fußball damit etwa ein Fünftel diese Rechte frei gehandelt werden, werden an die seines Sportprogramms ein (2006: 23,2 %, 2010: Übertragung selbst rundfunkrechtliche Bedingun- 19,3 %). In den Jahren dazwischen blieb das Fuß- gen geknüpft. Das deutsche Rundfunkrecht schreibt ballangebot auf RTL überschaubar. Es wurde ledig- vor, dass über den Verlauf und Ausgang von Sport- lich von einem Testspiel zwischen dem 1. FC Köln ereignissen „von erheblicher gesellschaftlicher und Bayern München sowie von der Gruppenaus- Bedeutung“ (16) im frei empfangbaren Fernsehen losung für die Weltmeisterschaften 2010 berichtet, berichtet werden muss, worunter in der staats- womit insgesamt 160 Minuten Fußball ausgestrahlt vertraglichen Regelung unter anderem Spiele bei wurden. 2011 und 2012 war erneut kein Fußball Fußball-Welt- und Europameisterschaften „mit im Programmangebot von RTL zu finden, und auch deutscher Beteiligung“ definiert werden. (17) Dies von der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien bedeutet somit nicht, dass alle Spiele eines Tur- berichtete der Sender nicht. niers frei empfangbar sein müssen. So erwarb der Bei RTL war der prozentuale Anteil begleitender Pay-TV-Sender Premiere die Erstausstrahlungs- Berichterstattungselemente besonders hoch. Wäh- rechte für die Fußball-Weltmeisterschaft 2002 in rend sowohl Sat.1 als auch kabel eins einen Groß- Japan und Südkorea. In einem Lizenzvertrag wur- teil ihres Fußballangebots mit Live-Berichten be- den die Rechte für die Übertragung im Free-TV für stritten, war das Verhältnis von Live-Berichten und 26 Spiele an Das Erste bzw. an das ZDF verkauft. begleitender Berichterstattung bei RTL deutlich aus- Infolgedessen waren von den insgesamt 64 Spie- geglichener. In der Regel wurde in den untersuchten len mehr als die Hälfte nicht im deutschen Free-TV Jahren sogar mehr begleitend in Form von Repor- zu sehen. 2006 sicherte sich Premiere erneut die tagen und Dokumentationen als live berichtet. Im Pay-TV-Rechte für alle 64 Spiele der Weltmeister- Durchschnitt der Jahre 2002 bis 2012 betrug der schaft. Nur acht Begegnungen wurden aber aus- prozentuale Anteil der Übertragungen 41 Prozent, schließlich von dem Pay-TV-Programm ausge- der von Reportagen/Dokumentationen rund 55 Pro- strahlt, 48 Partien waren bei ARD oder ZDF, acht zent. weitere bei RTL zu sehen. Erst bei der Fußball- Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika wurden alle Berichterstattung zu Großereignissen am Spiele des Turniers live im deutschen Free-TV ge- Beispiel der Fußball-Weltmeisterschaften 2002, zeigt. Neben dem Ersten und dem ZDF übertrugen 2006 und 2010 die Digitalsender EinsFestival und ZDFinfo jeweils Aufgrund des besonderen Ereignishintergrunds drei zeitgleich ausgestrahlte Vorrundenspiele, und einer Fußball-Weltmeisterschaft soll nun ein Blick RTL zeigte erneut neun Partien. 2014 beteiligte sich darauf geworfen werden, inwiefern sich die Be- RTL nicht mehr an der Übertragung des Turniers. richterstattung zu einem solchen Großereignis von Alle 64 Spiele wurden von öffentlich-rechtlichen der übrigen Fußballberichterstattung unterscheidet. Sendern ausgestrahlt, wobei jeweils 28 Partien auf Der Fokus wird hier bewusst auf die Berichterstat- Das Erste und das ZDF entfielen sowie jeweils vier tung zu Fußball-Weltmeisterschaften gelegt, da sich zeitgleich stattfindende Vorrundenspiele von den zahlreiche Parallelen in der Berichterstattung zu Digitalprogrammen EinsFestival und ZDFinfo ge- Fußball-Welt- und Europameisterschaften konsta- zeigt wurden. tieren lassen und diese infolgedessen nicht geson- dert ausgeführt werden müssen. In den Jahren, in denen eine Fußball-WM statt- WM-Jahre: Deutlich In den untersuchten Jahren 2002 bis 2012 fan- fand, wurde erwartungsgemäß besonders aus- erhöhter Umfang den drei Fußball-Weltmeisterschaften statt. 2002 führlich über Fußball berichtet. Die öffentlich- der Fußballbericht­ waren mit Japan und Südkorea zwei asiatische rechtlichen Sender Das Erste und ZDF, die von den erstattung Nationen Gastgeber des Großereignisses. Als Sieger Ereignissen berichteten, strahlten deutlich mehr ging der Rekordweltmeister Brasilien aus dem Fußball aus, als dies in den Jahren der Fall war, in Turnier hervor. Deutschland wurde vor der Über- denen keine Fußball-WM oder -EM stattfand. Zwi- raschungsmannschaft aus der Türkei Vizewelt- schen 2002 und 2012 sendeten Das Erste im meister. Die Weltmeisterschaft 2006, die in Deutsch- Durchschnitt 150 Stunden und das ZDF 97 Stunden land stattfand, erzielte hierzulande schon aufgrund des Austragungsortes besonders hohe Aufmerk- samkeit. Deutschland erreichte hinter dem Welt- meister Italien und dem Zweitplatzierten Frankreich den dritten Platz. 2010 fand das Turnier in Südafrika und damit erstmals auf afrikanischem Boden statt. Angela Rühle Media Perspektiven 1/2015 | 14

Fußball pro Jahr. In den Jahren der Fußball-WM in geringere Rolle spielen. Am augenfälligsten wird Japan, Deutschland und Südafrika waren dagegen dies anhand der Fußballmagazine im Ersten. In zwischen 171 Stunden (2002) und 202 Stunden Jahren, in denen keine Fußball-Welt- oder Europa- (2006) Fußball im Ersten bzw. zwischen 110 Stun- meisterschaften stattfanden (20), betrug der durch- den (2002) und 156 Stunden (2006) im ZDF zu schnittliche Programmumfang von Magazinsendun- sehen. In Jahren ohne Fußball-WM oder -EM strahl- gen rund 38 Sendestunden pro Jahr (vgl. Abbil- ten die beiden Sender zwischen 92 und 133 Stun- dung 5). In den WM-Jahren 2002, 2006 und 2010 den (Das Erste) bzw. zwischen 55 und 79 Stunden betrug das Programmvolumen der Fußballmagazine (ZDF) Fußball aus. Betrachtet man, welcher Pro- im Ersten im Durchschnitt dagegen 29 Stunden. grammanteil einen direkten Bezug zur jeweiligen Auf der anderen Seite stieg – erwartungsgemäß – Weltmeisterschaft aufwies (18), so zeigt sich, dass der Umfang der Live-Berichte mit dem besonderen im Durchschnitt aller drei Weltmeisterschaften ca. Ereignishintergrund. Im Ersten betrug das Volumen 110 Fußball-Programmstunden im Ersten auf die von Fußball-Übertragungen in Jahren ohne Groß­ jeweilige Weltmeisterschaft entfielen, im ZDF lag ereignis rund 56 Stunden. Darunter fielen Ereig- dieser Wert bei rund 76 Sendestunden. Dies deutet nisse wie Qualifikations- und Freundschaftsspiele darauf hin, dass die Berichterstattung von Groß­ der Nationalmannschaft, Länderspiele (u.a. WM) der ereignissen zu großen Teilen additiv zu der regulären Frauen, DFB-Pokal sowie weitere Turniere. In Jahren Fußballberichterstattung hinzukam. Die Programm- mit Fußball-Weltmeisterschaft stieg der Umfang der planung reagierte damit auf den Aktualitätswert Live-Berichte auf rund 84 Stunden an, wovon rund der Turniere, ohne etablierte Programmstrukturen 44 Sendestunden direkt der Weltmeisterschaft zu- völlig aufzuheben. geordnet werden konnten. Auch im ZDF ließ sich Anders sah dies beim einzigen privaten Free- diese Entwicklung beobachten. Der Programmum- TV-Anbieter aus, der in diesem Zeitraum WM-Spiele fang von Übertragungen stieg von durchschnittlich übertragen hat. Bei RTL war die Berichterstattung 54 Programmstunden auf 77 Programmstunden, von den Weltmeisterschaften 2006 bzw. 2010 je- davon 35 Sendestunden mit Bezug zur Weltmeis- weils das einzige Angebot, das in diesen Jahren im terschaft. Bereich Fußball gemacht wurde. 2006 kam RTL damit auf 46 Stunden, 2010 auf 31 Programm- Der deutlichste Effekt ist jedoch im Hinblick auf die Deutlich mehr stunden Fußball. (19) Programmform „Reportagen und Dokumentatio- ereignisbezogene, nen“ festzustellen. Hierbei handelt es sich in der begleitende Weltmeisterschaften Fußball-Weltmeisterschaften stellen Höhepunkte im Regel um Begleitberichterstattung, die aktuelle Programmelemente stellen Anlässe für Fußballgeschehen dar. Unter sportlichen Gesichts- Sportereignisse einrahmt und gegebenenfalls ein- hochemotionale punkten, da die besten Mannschaften aufeinander- ordnet. In Jahren ohne Großereignis summierten Gruppenerlebnisse dar treffen, aber auch emotional handelt es sich um sich diese Sendungen auf rund 12 Programmstun- besondere Ereignisse, da die Verbundenheit mit den im Ersten. In den Jahren der Fußball-Welt- der eigenen Mannschaft regelmäßig hochemotio- meisterschaften stieg dieser Durchschnittswert auf nale Gruppenprozesse auslöst, die sich beispiels- 72 Stunden an. Der Umfang der begleitenden Be- weise beim Public Viewing und dem darin zum richterstattung nahm damit um das Sechsfache zu. Ausdruck kommenden Bedürfnis nach gemeinsa- Ähnliches war beim ZDF zu beobachten, wo der Pro- mem Erleben äußern. Die Fernsehübertragungen grammumfang von acht Sendestunden auf 49 Sen- von den Fußball-Weltmeisterschaften begleiten destunden in WM-Jahren anstieg und sich damit diese Prozesse nicht nur, sie schaffen die wesent- ebenfalls versechsfachte. Bei 61 Sendestunden im liche Voraussetzung für gemeinschaftliche Erleb- Ersten bzw. 41 im ZDF handelte es sich dabei um nisse. Sendungen, die in direktem Zusammenhang mit der WM standen, zum Beispiel die begleitende Be- Programmformen Vor diesem Hintergrund ist die Frage interessant, richterstattung aus dem Studio sowie Reportagen in Jahren mit ob sich die Berichterstattung auf eine reine Doku- und Moderation. und ohne WM mentation des Geschehens beschränkt oder die Der begleitenden Berichterstattung wird somit Besonderheit des Ereignisses aufgreift und dies in im Umfeld von Fußball-Weltmeisterschaften beson- einem breiteren Rahmen aufbereitet. Darüber kann ders viel Sendezeit eingeräumt. Dies kann als ein zumindest ansatzweise die Programmform, in der weiteres Charakteristikum der ereignisbezogenen berichtet wird, Auskunft geben. Gemessen an den Berichterstattung zu Fußball-Weltmeisterschaften ausgestrahlten Programmformaten lassen sich klare gelten. Ebenfalls charakteristisch für eine WM- Unterschiede zwischen der Fußball-Berichterstat- Berichterstattung ist die weitgehende Begrenzung tung zu Weltmeisterschaften und der Fußball-Be- des Programmangebots auf die ereignisorientierten richterstattung außerhalb von WM- oder EM-Tur- Sendungsformen Übertragung und Reportagen/ nieren aufzeigen. So nehmen die auf das Ereignis Dokumentationen. Weitere Programmformen fanden bezogenen Programmformen bei einem Großer- sich nur in geringem Umfang im Angebot: Im Ersten eignis deutlich zu, während Standardformate eine wurden je WM rund fünf Stunden Talk- sowie gut eine Stunde Magazinsendungen ausgestrahlt. Das ZDF strahlte ein Gewinnspiel aus, das im Jahr 2002 sieben Sendeminuten und im Jahr 2006 47 Sende- minuten in Anspruch nahm. Fußballprofile im deutschen Fernsehen 15 | Media Perspektiven 1/2015

Abb. 5 Programmsparten der Fußballberichterstattung nach Ereignislage bei ARD/Das Erste und ZDF 2002 bis 2012 Sendezeit in Std.

200 Doku. mit fikt. 5 Hilfsmitteln 180 Show/Nummern- 160 programm

84 140 Talk/Gespräch 1 120 2 5 Nachrichten 100 77 80 44 56 Übertragung 72 60 1 35

40 12 Reportage/ 61 54 Dokumentation 49 20 38 41 29 Magazin 0 1 8 allgemein Jahre ohne nur WM-Jahre nur WM- Jahre ohne nur WM-Jahre nur WM- WM od. EM Sendungen WM od. EM Sendungen (der Herren) (der Herren) Das Erste ZDF

Quelle: AGF in Zusammenarbeit mit GfK, Fernsehpanel (D+EU), eigene Berechnungen.

Kontinuität in Dieses Muster zieht sich im Wesentlichen durch 2006 in geringem Umfang weitere Formate unter der WM-Bericht­ alle Weltmeisterschaften zwischen 2002 und 2012 den WM-bezogenen Sendungen. erstattung von und zeigt nur geringe Veränderungen, so dass von ARD und ZDF einer weitgehenden Kontinuität bei der Berichter- Aktuelle Tendenzen: Fußball-WM 2014 stattung von Fußball-Weltmeisterschaften in ARD Über die Fußball-WM in Brasilien 2014 wurde im Ö.-r. Programme und ZDF gesprochen werden kann. Unterschiede Ersten und dem ZDF so ausführlich berichtet wie berichteten ausführ­ zeigen sich einerseits in den ausgestrahlten Pro- noch bei keiner WM zuvor. Dies wurde auch durch licher als je zuvor grammvolumina, andererseits im Einsatz unter- den Umstand bedingt, dass neben den öffentlich- haltender Programmelemente. So wurde 2002 mit rechtlichen Programmen kein weiterer Free-TV- 87 Sendestunden im Ersten und 63 Sendestunden Sender von dem Turnier berichtete. Im Ersten wur- im ZDF am wenigsten Sendezeit für Berichte und den insgesamt 131, im ZDF 104 Programmstunden Übertragungen von der Fußball-WM in Japan und zur WM 2014 ausgestrahlt. Korea aufgewendet. Entscheidend dürfte hier die damalige Rechtesituation gewesen sein, durch die Auf den ersten Blick unterscheidet sich die Pro- Kontinuität bei die öffentlich-rechtlichen Sender nur 26 der 64 grammformatierung deutlich von früheren Turnieren. der Programm­ Spiele zeigen konnten. Am umfangreichsten wurde Der Umfang der Übertragungen stieg mit 93 Stun- formatierung 2006 berichtet, als das Erste 125 Stunden und das den im Ersten und 82 Stunden im ZDF deutlich an, ZDF 86 Sendestunden auf Berichte zur Weltmeis- während im gleichen Zug der Umfang begleiten- terschaft verwendeten. 2010 nahm der Berichter- der Reportagen und Dokumentationen zurückging stattungsumfang dann wieder etwas ab, lag mit (33 Std. im Ersten, 23 Std. im ZDF). Hierbei handelt 120 Sendestunden im Ersten und 81 Sendestunden es sich aber um einen oberflächlichen Befund. Be- im ZDF aber deutlich höher als 2002. trachtet man die Sendungscodierung genauer, so Im Ersten wurden ab 2006 neben Live- und be- zeigt sich, dass Studioberichte, die früher der Kate- gleitenden Berichten auch in geringem Umfang gorie Reportagen/Dokumentationen zugeschrieben WM-Magazine ausgestrahlt sowie ab 2010 kurze wurden, nun der Live-Berichterstattung zugeord- Nachrichtenformate („WM-Telegramm“). Unterhal- net wurden. Tatsächlich erfolgte die Moderation und tende Programmelemente fanden sich vor allem Begleitberichterstattung in der Regel live vom Spiel- 2006 und 2010 in Form von Talkformaten im Pro- ort bzw. aus den Studios in Rio de Janeiro. Ein we- gramm und waren mit der Person von Waldemar Hartmann und dessen Sendung „Waldis WM-Club“ verknüpft. Im ZDF fanden sich neben den ereignis­ orientierten Programmformen lediglich 2002 und Angela Rühle Media Perspektiven 1/2015 | 16

sentlich ausgeglicheneres Bild ergibt sich, wenn verwendet, zum Beispiel in Form ausführlicher man den Anteil dieser Studio-Livesendungen aus Studioberichterstattung und Expertenrunden. dem Gesamtvolumen der Übertragungen heraus- rechnet. Bei dieser Betrachtung betrug das Volumen Die Berichterstattung von Fußball-Weltmeister- Weitgehende der Liveberichte im Ersten rund 52 Stunden im ZDF schaften zeichnet sich – gemessen an den einge- Kontinuität in der 56 Stunden. Die begleitende Berichterstattung (Re- setzten Programmformen – vor allem bei ARD/Das WM-Berichterstattung portagen/Dokumentationen plus Studiosendungen) Erste und ZDF durch weitgehende Kontinuität aus. summierte sich auf 74 Stunden im Ersten und 48 Jüngste Ergebnisse zur Weltmeisterschaft in Bra- Stunden im ZDF. Damit wurde sowohl der Programm­ silien zeigen, dass die eingesetzten Programmfor- umfang der Live-Übertragungen als auch der der men im Wesentlichen denen früherer Weltmeister- Begleitberichterstattung gegenüber früheren Welt- schaften entsprechen. Lediglich im Hinblick auf meisterschaften noch einmal ausgebaut. Im We- die journalistische Einrahmung in Form begleiten- sentlichen zeigt sich in der Programmformatierung der Programmelemente deutet sich an, dass diese aber auch hier Kontinuität. Das ZDF berichtete aus- weiter an Bedeutung gewinnt. schließlich in Form von Übertragungen und Repor- tagen/Dokumentationen, im Ersten fanden sich daneben in geringem Umfang auch Magazinsen- Anmerkungen:

dungen („WM-Club“) und Nachrichten („WM-Tele- 1) Vgl. Gerhard, Heinz/Camille Zubayr: Die Fußball-Welt- gramm“). meisterschaft 2014 im Fernsehen. Daten zur Rezeption und Bewertung. In: Media Perspektiven 9/2014, Fazit S. 447-455. 2) Vgl. Rühle, Angela: Sportprofile im deutschen Fernsehen Unterschiedliche Bezüglich der Fußballberichterstattung verschie- 2002 bis 2012. Entwicklung der Sportberichterstattung Programmprofile der dener Sender lassen sich unterschiedliche Profile im Free-TV. In: Media Perspektiven 9/2013, S. 423-440. Sender erkennbar erkennen, die einen Eindruck davon vermitteln, 3) Vgl. Rühle, Angela: Programmprofile zwischen Markt und welche Bedeutung dem Fußball für die Programm- öffentlichem Interesse. Sport im deutschen Fernsehen. In: Media Perspektiven 11/2012, S. 555-569, hier S. 556. strategie des Senders beigemessen wird. Im Be- 4) Vgl. Gerhard/Zubayr (Anm. 1). reich des öffentlich-rechtlichen Fernsehens spie- 5) Vgl. Rühle (Anm. 3), S. 565 f sowie Gerhard/Zubayr len neben programmstrategischen Überlegungen (Anm.1). 6) Vgl. Rühle (Anm. 2). rundfunkstaatsvertragliche Vorgaben eine Rolle bei 7) Weitere Informationen zur AGF-Programmcodierung der Fußballprogrammierung. sowie zur Verfügbarkeit der Daten für einzelne Sender können Rühle (Anm. 2) entnommen werden. Fußball-Bericht­ Die Fußballberichterstattung im deutschen Free-TV 8) Vgl. Rühle (Anm. 2), hier S. 426f. 9) Alle Durchschnittswerte für Sport1 beziehen sich auf erstattung variiert wird von dem jeweiligen Ereignis, über das berich- die Jahre 2002 bis 2010. nach Ereignislage tet wird, mitgeprägt. Während die Fußball-Bundes- 10) Vgl. auch Rühle (Anm. 2), S. 431f. liga – mit mehreren parallel stattfindenden Spielen 11) Vgl. Rühle (Anm. 2), S. 430. 12) Aus Platzgründen konzentriert sich die Analyse im außerhalb des Pay-TV weitgehend in Form regel- Folgenden auf eine Darstellung der nationalen Vollpro- mäßiger Magazinsendungen aufgegriffen wird, steht gramme. Auf eine detaillierte Untersuchung der Dritten schon bei nationalen wie internationalen Vereins- Programme sowie von 3sat musste leider verzichtet wettbewerben (z.B. DFB-Pokal, UEFA Champions- werden. 13) Wenn von Fußball-Welt- oder Europameisterschaften oder Europa-League) der Eventcharakter im Vor- die Rede ist, bezieht sich dies immer auf Wettbewerbe dergrund. Hier findet die Berichterstattung live der Herren. Frauenfußball-Ereignisse werden im Text sowie in Form begleitender Reportagen und Doku- sprachlich als solche hervorgehoben. mentationen statt. Mit der Bedeutung des jeweili- 14) Vgl. Rühle (Anm. 2), S. 424. 15) Vgl. Rühle (Anm. 2). gen Ereignisses scheint somit nicht nur der Bericht- 16) Vgl. Staatsvertrag über den Rundfunk und Telemedien erstattungsumfang, sondern auch der journalisti- (Rundfunkstaatsvertrag) in der Fassung des fünfzehnten sche Aufwand zuzunehmen. Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 15.-21.12.2010. In Kraft seit 1.1.2013, §4 Abs.1. Umfangreiche, Während der Umfang möglicher Live-Übertragungen In: Media Perspektiven Dokumentation 1/2012, S. 7. ereignisbezogene häufig durch den Umfang der erworbenen Lizenz- 17) Vgl. ebd., Abs. 2. Begleitberichterstat- rechte bestimmt wird, wird gerade bei Fußball- 18) Ermittelt wurde dies anhand der Sendungstitel, die einen direkten Bezug, z.B. über das Kürzel „WM“, zum tung charakterisiert Weltmeisterschaften ein besonders großer Pro- Ereignis aufweisen mussten. WM-Berichte grammumfang für begleitende Programmelemente 19) Da RTL nicht kontinuierlich über Fußball berichtete, ist keine Grundlage für einen weitergehenden Vergleich zwischen der WM- und der Nicht-WM-Berichterstattung gegeben. 20) Im Untersuchungszeitraum waren dies die Jahre 2003, 2005, 2007, 2009 und 2011.