Im Fadenkreuz

Autor(en): Hägi, Markus

Objekttyp: Article

Zeitschrift: astro sapiens : die Zeitschrift von und für Amateur-Astronomen

Band (Jahr): 4 (1994)

Heft 4

PDF erstellt am: 28.09.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-896987

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Markus Hägi

Bestimmt ist es einigen Leserinnen und Lesern aufgefallen, dass unter dieser Rubrik recht selten Galaxien behandelt werden. Der Sternenhimmel über dem Mittelland erlaubt es längst nicht mehr, irgendwelche Details in den sonst so faszinierenden extragalaktischen Objekten zu untersuchen. Typischerweise sehe ich mit dem 25-cm-Rohr (in ländlicher Umgebung) etwa gleich viel oder weniger wie mit einem 15-cm-Instru- ment in den Bergen. Aber auch im Gebirge sind nur wenige Nächte ideal für die Galaxienjagd. Ich habe dennoch versucht, unter den gegebenen Umständen einige Details zweier bekannter Spiralen zu enthüllen.

Messier 77 Rund ein Grad südöstlich vom Stern 8 Ceti, im nördlichen Teil des Sternbildes Walfisch), befindet sich die Spiralgalaxie . M 77 ist das Hauptmitglied einer kleinen Gruppe von Galaxien, welche NGC 1055, NGC 1073, NGC 1087 und NGC 1090 einschliesst. Die Galaxie vom Typ Sbp zeigt drei ausgeprägte, linksorientierte Spiralarme. (Ein Spiralsystem nennt man linksorientiert, wenn man von aussen nach innen einem Spiralarm folgend, eine Drehung im Gegenuhrzeigersinn Abb. 1: Spiralgalaxie M 77, wie sie im vollzieht. Dabei muss die Ansicht 25-cm-Cassegrain bei 300x erscheint. Norden oben und Osten links Norden oben, Westen links. wiedergeben.) Das helle innere Spiralmuster misst40 x 20 Bogensekunden. messer um das ganze System hemm Ein schwächeres zweites Spiralmuster bilden [1], Der 75000 x 98000 Licht- geht hinaus auf einen Radius jahre messende Ring istnur auf vonetwa 50 Bogensekunden, gefolgt langbelichteten Aufnahmen zu erkennen von sehr lichtschwachen äusseren und enthält viele Knoten mit Armen, die einen elliptischen Ring Durchmessern von rund 1100 Lichtjahren, mit rund 6 Bogenminuten Durch- was etwa der Grösse des 30-Dora-

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Abb. 2: Übersichtskartefür die Galaxien NGC1068 M 77) und NGC1055. Aus Cambridge Atlas 2000.0, © Cambridge University Press 1991. Mit freundlicher Genehmigung. dus-Nebels in der Grossen Magel- Spektrum von M 77 einging. Untersucht lan'schen Wolke entspricht. M 77 ist man das Licht von Galaxien, eine der ersten Galaxien, bei denen so findet man wie bei den Sternen man grosse Rotverschiebungen im eine Anzahl von Absorptionslinien. Spektrum gemessen hat. Die Galaxie (Licht wird bei gewissen Wellenlängen bewegt sich demnach mit rund von den dort vorhandenen 1100 km-s"1 von unserer Sonne weg, chemischen Elementen verschluckt, was was eine Entfernung von etwa 70 zu den charakteristischen dunklen Millionen Lichtjahren suggeriert. Linien führt.) Viele extragalaktische (Hubble-Gesetz, wobeifür dieHubb- Nebel zeigen zusätzlich eine oder le-Konstante H-50 km-s_1-Mpc mehrere helle Emissionslinien, ähnlich verwendet wurde). denen in Planetarischen Nebeln. Im Jahre 1943 publizierte Carl Die Emissionslinien in Planetarischen Seyfert [2] einen Artikel, in dem er Nebeln werden verursacht auf aussergewöhnlicheMerkmale im durch stark ionisiertes Gas. Die Ioni-

34 astro sapiens 4/94 Praxis sationsquelle ist dabei der extrem dert. Die Energie, die gebraucht heisse Zentralstern. Auch M 77 wird, um diesen Mahlstrom zu besitzt nun Emissionslinien (produziert erzeugen, ist gleich der, die Millionen unter anderem durch ionisierten Supernovae erzeugen würden.» Schwefel, Sauerstoff, Stickstoff, M 77 emittiert auch Strahlung im Helium und Neon sowie die Radiowellen-Bereich, wobei dort die üblichen Wasserstoff-Linien) mit der Besonderheit, dass sie extrem breit sind und offensichtlich aus dem Kerngebiet der Galaxie stammen. Dieses Gebiet ist, wie im Teleskop und auf Fotografien unschwer zu erkennen, äusserst klein und hell. Die Astronomin E.M. Burbidge [3] hat einige Jahre später nach Untersuchungen von Spektrallinien die Vermutung geäussert, dass eine grosse Anzahl emittierender Gasregionen Abb. 3: ST-4-Aufnahme von M 77 durch im Kern der Galaxie existieren, ein Celestron-14. Steven Williams, Grove die mit Geschwindigkeiten Creek Observatory, Trunkey, NSW, von einigen hundert Kilometern Australien [8], pro Sekunde nach aussen driften. Diese Ansicht hat sich bis heute gesamte Energie aus dem zentralen durchgesetzt. Timothy Ferris [4] hat Gebiet mit etwa 10 Bogensekunden die Resultate von Burbidge in Durchmesserzu kommenscheint [5]. seinem Buch «Galaxien» in etwas Mit hohen Erwartungen habe ich spektakulärere Sprache umgesetzt: «Der M 77 im Herbst mit meinem 15-cm- Kern von M 77 ist ein Vulkan von Teleskop aufgesucht. Denn, und das Aktivität. Gaswolken, jede so ist fast immer ein gutes Zeichen, laut massereich wie 10 Millionen Sonnen, Brian Skiff [6] soll M 77 bereits im 6- werden mit Geschwindigkeiten von cm-Refraktor beobachtbar sein. Mit fast600 km-s"1 nach aussen geschleu¬ dem sechsfachen Lichtsammelver-

Objekt Typ Grösse V tot V Fläch. Koordinaten (2000.0) NGC 1068 Galaxie 6.9 x 5.9' 8.8 12.7 02 h 42.7 min -0° 01' M 77 mag mag / NGC 1055 Galaxie 7.6 x 3.0' 10.6 mag 13.8 mag 02 h 41.8 min / 0° 26' Tab. 2: Die wichtigsten Daten der besprochenen Objekte.

astro sapiens 4/94 35 Praxis mögen bewaffnet, suchte ich die Die Galaxie verwandelte sich in ein Region um 8 Ceti ab, wobei mir ein Nordost-Südwest gerichtetes Oval guter Freund gerade nebenan mit mit einer immer noch sehr kleinen seinem Gerät zuvorzukommen Konzentration in der Mitte. Ich wurde versuchte. Fast gleichzeitig hallte es das Gefühl nicht los, im südwest- durch die Gegend: «Ichhab's, ich ,u,u -JU o « hab' sie!» Natürlich war er der • S 1019 Schnellere. Aber es stellte sich 1038 heraus, dass er die falsche Galaxie 1073 c • °. 10i3o • erwischt hat, die schönere • • 01032 • übrigens. Doch mehr dazu etwas • • später. Um es offen darzulegen: • M 77 bot einen üblen Anblick im • • 15-cm-Rohr. • • 'gP 1055 %62-ô Bei allen Vergrösse- • bis hinauf auf 150fach • •> rungen 0 starrte mir 1.5 Bogenminuten # 1068'M77 • q O1090 • westnordwestlich eines 10 109A, • • • mag 01067 • hellen Sterns ein verwaschener • ^ Si • Klecks entgegen. Eine zentrale, • • etwas ausgedehnte Kondensation • sorgte für etwas Abwechslung Abb. 4: Das 3x3°-Fe!d aus Abb. 1 hier ver- und rettete mich in jener grössert dargestellt. Aus Uranometria Nacht vor einem Gähnanfall. Im 2000.0, Copyright © 1987 by Willmann- 20-cm-Reflektor meines Freundes Beil, Inc. Mitfreundlicher Genehmigung. (er hatte es mittlerweile auch geschafft, das Ding einzustellen) liehen Teil der Galaxie eine Spiral- erschien der Klecks lediglich etwas; arm-artige Verdichtungerkennen zu heller und grösser. Einige Meter können. Kurzbelichtete Aufnahmen nebenan hatte sich ein weiterer von M 77 geben diesen Anblick sehr Beobachter mit einem weissen japanischen gut wieder, Rohr angesiedelt, welches fürr M 77 ist in jedem Falle für Tele- etwas mehr Geld etwas mehr Lichtt skope ab 25 cm Öffnung ein sehr anzubieten hatte: Der 25-cm-Casse- lohnenswertes Objekt. In sehr kla- grain nach Dall-Kirkham machte; ren Nächten werden auch kleinere dann auch denUnterschied. Bei Instrumente etwas von der Struktur niedrigen Vergrösserungen lieferte auchi der Galaxie preisgeben. Wer nicht dieses Gerät das bereits beschriebene so sehr auf Details aus ist und Bild. Wir schraubten die Vergrös- einfach neue Objekte kennenlernen serung auf 300fach hoch, wodurchi möchte, wird bei M 77 voll auf seine sich ein neuer Anblick offenbarte. Kosten kommen. Denn diese soge-

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lern Staubband». Im 15-cm- Rohr ist südlich eines Dreiecks bestehend aus zwei hellen und einem schwächeren Sternein Hauch von Licht auszumachen, der in Ost-West- Richtung elongiert ist. Das Objekt war in jener Nacht leicht zu übersehen und nur indirekt auszumachen. Im 20- cm-Newton meines Kollegen hingegen war die Galaxie derart auffällig, dass er sie zuerst für M 77 hielt. Der Unterschied zwischen den beiden Objekten ist jedoch frappant: Abb. 5: Galaxie NGC 1055, skizziert am 25- NGC 1055 ist deutlich als cm-Spiegelteleskop bei 140x. Norden oben, Edge-on-Galaxie zu erkennen, Westen links. als Schimmer von länglicher Gestalt. Im 25-cm-Instru- nannte Seyfert-Galaxie ist hell und ment erscheint sie etwas grösser aber in jedem Teleskop einfach ansonsten strukturlos. Einer der An- aufzuspüren. Den Rest kann man sich mit Ferris' Beschreibung auch einfach dazudenken...

NGC 1055 » Ganz in der Nähe von M 77 liegt die geheimnisvolle Galaxie NGC 1055. Weder in der Fachliteratur noch À sonst wo habe ich besonders viel über dieses Objekt erfahren können. Im Sky Catalogue 2000.0 [7] wird der Spiralgalaxie vom Typ Sb II-III eine Radialgeschwindigkeit von etwa 1100 km-s4 zugewiesen (Bewegung weg von uns), was sie in die Abb. 6: Aufnahme von NGC 1055 durch gleiche Distanz versetzt wie M 77. das 0.9-m-Teleskop des McDonald Gemäss Burnham hat das Objekt Observatory mit einer Bildverstärker-Kamera. «Sombrero-Struktur mit äquatoria- J. Wray, University of Texas [9].

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wesenden glaubte hingegen, eine [2] Seyfert, C.K., Astrophysical Journal längliche Verdichtung am Nordrand 97, p. 28 (1943) erkennen zu können. Ich bin [3] Burbidge, E.M. et al., Astrophysical Journal 130, 26 (1959) gespannt, was grössere Teleskope an p. [4] Ferris, Timothy: Galaxien, S. 121. diesem Objekt zu leisten vermögen. Birkhäuser Verlag, Basel 1987 Brian Skiff NGC1055 bereits Laut ist [5] Osterbrock, D.E. et al., Astrophysi¬ 6-cm-Refraktor als im ziemlich cal Journal 141, p. 892 (1965) schwacher runder Fleck zu sehen, [6] Skiff, Brian; Luginbuhl, C.B.: Observing der etwas grösser als M 77 ist. In Handbook and Catalogue of unserer Beobachtungsnacht wäre Deep-Sky Objects, p. 76. Cambridge NGC 1055 in einem solchen Instrument University Press, Cambridge 1989 sicherlich nicht zu beobachten [7] Hirshfeld, Alan; Sinnott, Roger W.: Sky Catalogue 2000.0, Vol. 2. Sky gewesen, zumal der 15-cm-Reflek- Publishing Corp., Belmont MA 1985 tor bereits am Limit war. [8] Williams, Steven. Anonymous FTP- Server des Grove Creek Observatory Quellenverzeichnis unter gco.apana.org.au/pub/gco. [1] Burnham, Robert: Bumham's Cele¬ [9] Wray, James D.: The Color Atlas of stial Handbook, p. 644. Dover . Cambridge University Publications, New York 1978 Press, Cambridge 1988

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