70 Jahre bibliothekarische Ausbildung in Hamburg Ein Jubiläumsmagazin 140 Lernräume pro Studienjahr EMIL-Kurse (Lernmanagementsystem)

160Veranstaltungen im Studienjahr

70 Jahre bibliothekarische Ausbildung in Hamburg Ein Jubiläumsmagazin 204 ungefähr BA Bibliotheks- und Informationsmanagement (BIM)

235 Unterrichtsstunden im Studienjahr BA Medien und Information (MUI) 640 87 Master Information Medien Bibliothek 14Professorinnen und Professoren

14Wissenschaftliche und technische Mitarbeiter

526Im Wintersemester 2016/2017 immatrikulierte Studierende am Department Information

34Lehrbeauftragte Außerdem werfen wir einige Schlag­lichter auf aktuelle Lehr- Liebe und Forschungsthemen und bieten damit einen Einblick in Der Studiengang Bibliotheks- und Leserinnen unseren derzeitigen und zukünf­ Informationsmanagement ist für mich … tigen Studienalltag. Auch hier und Leser, haben wir, Sie ahnen es, Transfor­­ mation im Blick: Von unseren erfolgreichen­ Bachelorstudien­ … ein blühen- gängen und dem Masterstudien­ gang hin zu neuen Formaten, die der Master »Digitale Kommuni­ der Ponyhof kation« bieten wird. Bibliotheken bewegen sich heute immer wieder im »in/trans/formation« – Spannungs­feld von Tradition und im Sumpf der mit dem Motto unseres Jubiläumsjahrs den digitalen und gesellschaft­ verbinden wir Vergangenheit, Gegen­ lichen Herausforderungen unserer wart und Zukunft – von der Biblio­ ­the­ Zeit. Die Beiträge von Andreas Studiengänge. karschule zum Department Informa­­ Mittrowann, Ulrich Raulff, James tion. Die ständige Anpassung an Turek und Thomas Kunst werfen verän­ derte­ Rahmenbedingungen, der darauf erhellende – und Wandel und die Dynamik des Berufs­ hoffentlich überraschende – feldes und damit auch der Ausbildung­ Seitenblicke. halten uns in Atem. Dabei bewegt Fast alle Aktivitäten rund um besonders das Thema Digitalisierung das Jubiläum wurden von Studie­­ bereits seit mehreren Jahrzehnten die renden mitgedacht, entwickelt­ Bibliotheken und Informationsein­­ und umgesetzt. Ein großer Dank richtungen. Mit unserem Jubiläums­ für dieses Engagement und an magazin wollen wir Ihnen zeigen, alle, die unser Jubiläumsjahr in welche Transformationsprozesse das seiner Vielfalt ermöglicht und Department Information betreibt, unterstützt haben! um eine zeitgemäße Ausbildung zu ermöglichen. Herzlichst Ihre Einen sehr persönlichen Christine Gläser und Rückblick auf die wechselvolle wie Ulrike Verch spannungs­reiche Geschichte der (Departmentsleitung) biblio­thekarischen Ausbildung in Ham­burg bieten die Beiträge unserer geschätzten Emerita Birgit Dankert sowie der Alumni. Im Augenblick betrachten wir das Jubiläum selbst; das Jubiläumsjahr ist weit fortgeschritten: So können wir Ihnen bereits eine Rückschau auf unse­ re­ Auftaktveranstaltung »Move and Make«, die Ringvorlesung »Neues Lesen« und die Ausstellung »in/trans/ formation – 70 Jahre bibliothekarische Ausbildung in Hamburg« präsentieren.

2 blick Was bisher geschah: 1969

Gemeinsames 2006 1945 Grundstudium Department Informa- Sechs theoretische Einrichtung der tion – Fakultät DMI Semester und zusätz- Büchereikurse Mit der Neustruktu- liche Praktika In Zusammenarbeit mit 1950 rierung ent­sprechend sind die Grundlage den Hamburger der Bologna-Verein­- Neue Prüfungs­- für ein gemeinsames Öffentlichen Bücher- barung von 1999 ordnungen Studium an einer hallen werden die werden 2006 die Für beide Schulen neu zu gründenden ersten Büchereikurse Bachelorstudiengänge tritt eine verbind­ Fachhochschule. eingerichtet. »Bibliotheks- liche Ausbildungs- 1966 und Informations- und Prüfungsordnung 1995 management« sowie in Kraft. Einrichtung der 50 Jahre bibliothe- »Medien und Informa- Bibliothekarschule karische Ausbildung tion« eingeführt. Die Bibliothekar- 1970 Mit Blick zurück und schule wird gegründet Fachhochschule Blick nach vorn wird und bildet die Basis 1951 Hamburg in Hamburg das für eine gemeinsame Hamburg gründet als Jubiläum begangen. Fachschulstatus für Ausbildung von eine der ersten die Büchereikurse Bibliothekar/innen Städte Deutschlands Nach der Biblio- für Öffentliche und eine Fach­hochschule. theksschule wissenschaftliche erhalten auch die Bibliotheken. 1946 Büchereikurse Fachschul­status. Gründung der Biblio- 2002 theksschule 2010 Umzug Berliner Tor In der Staats- und Die HAW zieht mit Umzug in die Finkenau Universitätsbiblio- sechs ihrer insge- Die Fakultät DMI thek werden an der samt 13 Fachbereiche zieht auf den Kunst- Bibliotheksschule 1960 in das neue »Blaue und Mediencampus Bibliothekar/innen Haus« am Berliner Hamburg­ auf dem für wissenschaft­- Umzug in das Gebäude Tor. Gelände der ehema- liche Bibliotheken der Talmud Tora 1991 ligen Frauenklinik ausgebildet. Schule Studiengang Medien­- Finkenau. In den ehemaligen dokumentation Räumen der Talmud In der Medienstadt Tora Schule am Hamburg entsteht Grindelhof 30 findet der neue Studiengang die Ausbildung für »Mediendokumenta- das Bibliothekswesen tion«.­ einen neuen Platz.

4 Rückblick Rückblick 5 1 Text: Nils Kahlefendt vorstellte, muss nicht extra Fotos: Tim Hoppe, Paula Markert gehackt werden; er wurde 2014 und 2015 als Open-Access- Ressource zur Verfügung Happy ge­stellt, eine Neuauflage ist für 2017 geplant. In dem kolla­­ Birthday, bo­rativ entwickelten Trend­ report geht es um Technolo­ Dept.! gien und Herausforderungen Von der Fachtagung im Februar bis für wissenschaftliche Biblio­ zum feierlichen Finale am Tag theken. Und wohin ent­ der Bibliotheken im Oktober: wickeln sich öffentliche 2016 dreht sich am Department Bibliotheken und damit das Information der HAW Hamburg (fast) Berufsbild der Bibliothekare alles ums Jubiläum. und Bibliothekarinnen? Vier Kurze aufs Haus, bitte. Google Now zuckt die Schultern, Ute Krauß-Leichert (HAW Hamburg) beschreibt 3 Eins: Medienkompetenz-Förderung Häuser, die nicht mehr Trendscouts & oder neuen Trends in der staubige Bücher-Weihestätten Kultur-Hacker. Websuche geprägt, folgten am sein wollen, sondern Nachmittag spannende Vor­ kommunikative­ Treffpunkte Mit der Fach­ träge im Forum Finkenau: und Lernorte. Konsequenz für tagung »Move Was die auf Effizienzmaxi­ ­mie­ die Wissens-Manager der and Make« ins rung getrimmte Netzgesell­ Zukunft, die dort arbeiten: Jubiläumsjahr. schaft, die Trendforscher Peter Lebenslanges Lernen, Move Wippermann vorstellte, für and Make! Der Kopf ist rund, Ob es Geisterjäger gibt, die die Bibliothekare der Zukunft damit das Denken die Rich­ hart­näckigen Klischees den bedeutet, steht dahin – mit­ tung wechseln kann, so 2 4 Garaus machen? Mit der akku­ hilfe von intelligenten nannte der französische rat gekleideten, unschein­ Assistenten wie Google Now Schriftsteller Francis Picabia baren Maus, die zu Beginn von ist es immerhin schon mal das – vielleicht nicht der Ivan Reitmans Hollywood- möglich, Antworten auf schlechteste Geist, mit Kracher »Ghostbusters« (1984) Fragen zu erhalten, die noch hartnäckigen Bibliotheks- in der New York Public Library gar nicht gestellt wurden. Und Klischees aufzuräumen. vom Geist einer alten Dame was, bitte, ist ein Kultur-­Hacka­- geschockt wird, hat das thon? Stephan Bartholmei, Zwei: Feiern bibliothekarische Berufsbild Projektkoordinator Innovation in Zeiten der Digitalisierung bei der Deutschen Digitalen per Mausklick. 5 jedenfalls nichts mehr Bibliothek und Mitinitiator Die Website gemein: So könnte ein Fazit des Programmierwettbewerbs zum Jubiläums­ der Fachtagung »Move and »Cod1ng DaV1nc1«, sieht im jahr. Make – in/trans/formation spielerischen Umgang mit durch Themen, Trends und bereits digitalisiertem Content »in/trans/formation«, das auf Visionen« lauten, mit der das von Museen und Archiven ein studentisches Brainstor­­ Department Information der einen kreativen Akt – Daten- ming zurückgehende Motto HAW sein Jubiläumsjahr Dada mit Tiefgang, gewisser­ des Jubiläumsjahrs, setzt sich ein­läutete. War der Vormittag maßen. Der »Horizon Report aus den Begriffen »Informa­ (1) Konferenzpause im Forum Finkenau (2) Rudolf Mumenthaler (HTW Chur, links) im Gespräch durch intensive Workshop- Library Edition«, den Rudolf tion« und »Transformation«­ (3) Studierende im Gaming-Workshop Arbeit zu Video-Tutorials, Mumenthaler (HTW Chur) zusammen und verdeutlicht (4) Holger Wendt (HIBS) im Workshop zu Bibliotheksneubauten (5) Trendforscher Peter Wippermann Augenblick 7 den Wandel, dem Informatio­­ Publishing ein ernsthafter Besucher gleich zu Beginn 1 nen und deren Vermittler Konkurrent für die klassische mit einer historisch unterworfen sind. Jede Menge Verlagsbranche werden? nachempfundenen­ Bibliothek Infos rund ums Jubiläum Inwiefern kann Lesen seinen mit Karteikasten­ -Wand, bietet die Website www. Beitrag zur Integration Olivetti-Schreibmaschine­ und intransformation.hamburg, die leisten? Und was gilt es, beim Wahlscheiben-Telefon zurück ebenfalls als Projekt der Stu­ Lesen von E-Books bezüglich in die Vergangenheit. dierenden des Departments des Datenschutzes zu be­ Am Ende dann eine moderne entstand. Per Mausklick gibt denken? Die öffentliche Ring­ Bibliothek, ausgestattet mit es hier weiterführende Texte vorlesung am Forum Finkenau Büchern, Neuen Medien und und Präsentationsfolien zu stellte aktuelle Trends und den fast schon obligaten Workshops und Vorträgen, Themen aus dem Bereich bun­ten Sitzsäcken: Treffpunkt, eine virtuelle Ausstellung zu »Neues Lesen« vor. Von Mitte Lernort und Chill-out-Zone in 70 Jahren bibliothekarischer Mai bis Ende Juni 2016 gaben einem. Entlang eines Zeit­ Ausbildung in Hamburg, die sich Branchen-Experten mit strahls entfaltete sich die die physische Schau in der Vorträgen zu ihren Spezial­ Geschich­ te­ der bibliotheka­ ri­­ Finkenau digital flankiert, gebieten im Wochenrhythmus schen Ausbildung über 70 3 diverse Fotogalerien und ein die Klinke in die Hand. Das Jahre. In verschiedenen Erinnerungsbuch, in dem Spektrum reichte von der Themenräumen­ waren Ausstellungsbesucher, Absol­ Kinderbuchautorin Kirsten aktuelle Projekte, Praxispart­­ venten und Studierende Boie und Barbara Lison, der ner und internationale Erinnerungen und Eindrücke Vorsitzenden des Deutschen Kooperationen der HAW zu teilen können. Wie schreibt Bibliotheksverbands, über erleben. Der Zeitstrahl mün­ Festrednerin Birgit Dankert? Chefs digitaler Start--ups wie dete im virtuellen Gegenstück »Es ist schön aufregend, die Christoph Kappes (Sobooks) der analogen Schau, präsen­ Vergangenheit, Gegenwart und Constance Landsberg tiert auf einem ActivBoard. und Zukunft so dicht (Skoobe) bis zum langjährigen Schon während des Rund­ beieinander und ineinander Bundes-Datenschutz­ gangs luden zahlreiche QR- zu sehen.« beauftragten Peter Schaar. Codes dazu ein, weitere digi­tale Inhalte zu entdecken. Wenn analoge und digitale Drei: Wer das Vier: Olivetti Welt zwei Seiten einer Wissens-Medaille sind, ist man liest, kann & ActivBoard. 2 lesen. Medien- Die Jubiläums- mit einer hybriden Aus­ stellung wohl auf der Höhe Exper­ten über ausstellung. der Zeit. den Wandel Kumulierte Flachware – oder (1) + (2) Publikum im Forum Fin­kenau sinnlich erfahrbare Zugänge? (3) Studierende als Mode­ratoren: einer Kultur­ Ringvorlesung »Neues Lesen« Vermag es eine von Studieren­­ (4) Autorin Kirsten Boie im Dialog technik. den konzipierte und umge­­ (5) Alumni-Abend: Birgit Dankert im Gespräch mit ­SPIEGEL-Dokumentar Im Zuge der Digitalisierung setzte Ausstellung, komplexe, Klaus Falkenberg und Christine verändert sich auch Jahrzehnte währende Verän­ Gläser (HAW) unser Lese­verhalten: Längst ist derungen in der bibliothe­ ­ka­ 4 Lesen nicht mehr auf traditio­ rischen Ausbildung inte­ nelle Printmedien beschränkt, ressant zu veranschaulichen?­ und soziale Netzwerke Die als drittes großes machen aus der ehemals ein­ Highlight des Jubiläumsjahrs samen Beschäf­ tigung­ ein im Sommer 2016 eröffnete Gemeinschafts­ erlebnis.­ Fragen Ausstellung »in/trans/ über Fragen: Kann Self- formation« beamte ihre

8 Augenblick blick 9

5 Postmoderne zum Wohlfühlen: Internet zu interessieren – zu einer Zeit, Dirk Wissen in der Berliner Humboldt-Bibliothek Yes, da die Studieninhalte den rasanten tech­nischen Innovationen der 1990er- We Can! Jahre teilweise hinterherhinkten. Doch Wissen lässt nicht locker: Für seine Sie sind neugierig, am Puls der Di­plom­arbeit »Die Öffentliche Bibliothek digitalen­ Revolution und haben als Anbieter und Nutzer der virtuellen überraschende Karrieren hinge- Bibliothek: Internet in deutschen legt. Einig sind sie sich in Bibliotheken« erhält er gemeinsam mit der Über­zeugung, dass Lernen auch seiner Kommilitonin Katrin Toetzke den nach dem Studium nicht aufhört. ersten b.i.t.online-Innovationspreis 1998. Sechs HAW-Absolventen im Porträt. Von 2000 bis 2008 ist Dirk Wissen in der Stadtbücherei Würzburg tätig und versucht dort, seine Leib-und-Magen- Themen »Bibliothek« und »Internet« zu verbinden – heute eine Selbstverständ­ lichkeit in den meisten öffentlichen Bibliotheken: »Ich habe mich in Würz­ burg vor allem mit der Bedenken vieler Kollegen beschäftigt, das Internet werde den Menschen als Arbeitskraft verdrän­­ gen, und in internen Schulungen Text: Marius Nürnberg versucht, das Gegenteil zu vermitteln«, Foto: Bernhard Schurian erklärt er. Nebenbei promoviert er in Am Puls der Zeit: Wien. 2008 wechselt er nach Frankfurt Dirk Wissen, (Oder). Als Direktor der dortigen Stadt- Mitglied im Bundes- und Regionalbibliothek setzt er seinen Fokus auf Kooperationen mit Kultur- vorstand des und Bildungspartnern und die Veranstal­ Berufsverbands tungs- und Öffentlichkeitsarbeit. In der Information »europaoffenen Grenzstadt« ruft der Bibliothek, ist Kleist-Fan unter anderem die Veranstal­­ tungsreihe »Wissen trifft … Das Kultur­ gut unterwegs — gespräch an der Oder« ins Leben, in der nicht nur auf der er bekannten Autoren und Newcomern Datenautobahn. eine Plattform bietet. Aktuell ist er Bibliotheksleiter des Hamburg, Berlin, Würzburg, Bibliothekssystems im Berliner Bezirk Wien, Frankfurt (Oder): Der Reinickendorf, engagiert sich im Ich habe mich Lebenslauf von Dirk Wissen ist Bundesvorstand des Berufsverbands mit der Angst reich an Stationen. Darauf Information Bibliothek und als Mithe­­ vieler Kollegen ange­ sprochen,­ schmunzelt der raus­geber der Zeitschrift »BuB – Forum beschäftigt, Bibliothekar: »Offenbar zieht es Bibliothek und Information«. Auf die das Internet mich in regelmäßigen Abstän­ Frage, warum sich junge Menschen für werde den den an einen anderen Ort.« einen Bibliotheks­studiengang ent­ Menschen als Sein Diplom in Bibliotheks­ scheiden sollen, weiß Wissen postwen­ Arbeitskraft wesen legte Wissen 1998 an der dend Antwort: »Der Beruf bietet die verdrängen. HAW ab, die damals noch Chance, informations­technisch am Puls Fachhochschule Hamburg hieß. der Zeit zu sein – und zukunftsorientiert Schon früh begann er, sich für das gestalten zu können.«

10 blick Rückblick 11 Text: Marie-Sophie Petersen schließlich beim Deutschen Filminstitut Text: Tatjana Kathöfer Foto: Stephan Jockel DIF e. V. im Projekt »European Film Foto: Holger Wilkop Gateway«­ landete, wo sie sich auf die Augen auf im Bereiche »Metadaten« und »Projektko­­ Anders als gedacht: Daten­verkehr: ordination« spezialisierte. Bereiche also, Eigentlich wollte Francesca Schulze, in denen sie auch heute für die DDB Klaus Falkenberg Projektkoor­di­ arbeitet. Ihr Studium hat sie ideal auf Leiter einer Bib- natorin für die diese Spezialisierung vorbereitet: »Auch liothek in der Pro- wenn es anfangs mühselig war, sich in Deutsche Digitale die Standards und Dokumentations­ vinz werden. Heute Bibliothek, sprachen einzuarbeiten, hat sich der ist er Dokumen- kennt sich mit Aufwand­ gelohnt«, sagt sie heute, »Ich tar beim SPIEGEL. habe dadurch essenzielle Grundlagen für Dokumentations- Gleich links, hinter der Tür, die in ein meine Arbeit mit Metadaten erworben – ge­mütliches Großraumbüro führt, sitzt sprachen aus. eine Kernkompetenz, die noch heute die Klaus Falkenberg an seinem Schreibtisch. Die Deutsche Digitale Bibliothek in Studierenden dieses Studiengangs von Vor ihm stapeln sich Manuskripte, die Frankfurt ist nicht der schlechteste Ort Bewerbern anderer Fachgebiete unter­ darauf warten, von ihm unter die Lupe für eine Dokumentarin: Sie bündelt das scheidet. Deshalb möchte ich den Stu­ genommen zu werden. Bücher, bunte kulturelle und wissenschaftliche Erbe dierenden ans Herz legen, in den Lehr­ Textmarker und eine schwarze Lesebrille Deutschlands in digitaler Form – und ist veranstaltungen, in denen es um die Francesca Schulze lassen ahnen, dass hier sorgfältig gear­ damit das zentrale nationale Zugangs­ Grundlagen der formalen und inhalt­ beitet wird. Klaus Falkenberg, Jahrgang portal für Kultur und Wissen in Deutsch­ Zukunftsorientiertes zu studieren.« lichen Erschließung sowie Wissensorga­ 1959, ist Dokumentar beim deutschen land. Hier werden unvorstell­­ Besonders gut gefiel ihr am Studium, dass nisation geht, gut aufzupassen.« Wird Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL. bare Mengen an Daten einem die in den ersten Semestern erlernten gemacht, Frau Schulze! Mir war es Von 1983 bis 1986 studierte der heute breiten Publikum frei zugäng­ Grundlagen der Information und Doku­ wichtig,etwas 57-jährige an der HAW Bibliothekswesen. lich gemacht; Wissenschaf­ tler­ mentation im Pflichtpraktikum ange­ Solides, Der gebürtige Hamburger blickt gern und Studierende, Lehrer und wendet und vertieft werden konnten. Das Zukunftsorien­ -­ auf diese Zeit zurück: »Es gefiel mir, wie Schüler, Journalisten und absolvierte Schulze in der Videodoku­­ tiertes zu Verlage können hier die ver­ mentation von Greenpeace Deutschland studieren. schiedensten­ Themen recher­­ e. V., wo sie erfuhr, »welchen Wert die chieren. Francesca Schulze ist Informations- und Dokumentationsarbeit seit 2012 Projektkoordinatorin im für die Öffentlichkeit haben kann«. Im Bereich »Metadaten und Metadaten­ achten Semester folgte dann ein Aus­ entwicklung« der DDB. Regelmäßig hält landssemester­­ am Oslo and Akershus die 36-Jährige zudem Vorträge auf University College of Applied Sciences, Fachkonferenzen und Tagungen – und das sie zu ihrer Diplomarbeit in der bietet Workshops für interessierte norwegischen­ Behörde für Archive, Bib­ Institutionen an. liotheken und Museen inspirierte: »Das Schon nach dem Abitur wusste die Thema war die Konzepterstellung für die gebürtige Berlinerin, dass sie gern Erschließung einer hauseigenen Bilder­ »irgendwas im Bereich Medien« machen sammlung mithilfe einer Bildverwal­­ wollte. Sie sah sich allerdings weder als tungssoftware­ – mein ›richtiger‹ Einstieg Journalistin noch als Werberin. Und so in die Mediendokumentation.« landete die junge Frau im Diplom­ Anschließend arbeitete Schulze in studiengang »Mediendokumentation« verschiedenen Medienarchiven, wirkte (heute: »Medien und Information«) an der am Aufbau der Bibliothek und instituts­ HAW Hamburg, der sie durch seine eigenen Online-Angeboten des Deutschen medienorientierte und interdisziplinäre Historischen Instituts in Moskau mit und Ausrichtung überzeugte. »Mir war es war stellvertretende Archivleiterin der Klaus Falkenberg wichtig, etwas Solides, Ganske Verlagsgruppe – bis sie

12 Rückblick Rückblick 13 frei gestaltbar dieses Studium rechercherelevanten­ Informationen. Eppendorf. Für die Medizinstudenten siegte – und war von 2012 bis 2013 in damals war – und wie Zu seinen Aufgaben gehören unter ein toller Service: Die Lernplattform einem Projekt angestellt, das Es gefiel mir, verschieden und interessant ande­rem das Verifizieren von Informa­ Mephisto umfasst nicht nur elek­ Schulungen für Informationskom­ pe­­ wie frei die Fächer«, erklärt er. Vor tionen aus redaktionellen Texten, das tronische Angebote zur Ergänzung des tenz durchführte. Ab 2014 wechselte sie gestaltbar allem das Wissenschafts­ fach­ Abwickeln von Rechercheaufträgen Studiums wie Folien von Vorlesungen, für ein Jahr in die Retrokatalogisierung. dieses Studium Politische Lyrik lag ihm am sowie das Auswerten, Dokumentieren Vorbereitungsunterlagen für Seminare, Damals wurde beschlossen, eine Stelle damals war. Herzen. Dass er einmal­ für und Archivieren von Informationen Bearbeitungen medizinischer Fälle in der E-Learning-Plattform zu schaffen den SPIEGEL-Verlag tätig sein aus Fachartikeln. Zukünftigen HAW- oder Online-Übungsklausuren,­ – auch das UKE geht mit der Zeit. würde, war damals unvorstellbar. »Es Absolventen gibt er seinen eigenen sondern ermög­licht auch die Den Absolventen des Studiengangs Es ist span- war mein Wunsch, nach dem Studium­ Leitsatz mit auf den Weg: »Wenn man Kommunikation zwischen Bibliotheks- und Informationsmanage­­ nend, Teil der Chef einer Bibliothek in einer klei­ sich für eine Sache wirklich interessiert Lernenden und Lehrenden. ment würde sie zwei Dinge mit auf den digita­ len­ nen Ortschaft zu werden«, erzählt er und diese fleißig verfolgt, findet man Julia Thors Job ist also Weg geben: »Keine Angst vor Technik Entwicklung mit einem breiten Lachen. Doch es den Beruf, der einem gefällt.« irgendwo zwischen haben!« und »Ganz viel ausprobieren!«. zu sein! kam anders: Falkenberg nahm zu­ Dem Bibliothekars-Chefsessel auf dem technischem Service und Bib­ Egal, ob Hochschulsport, Auslands­ nächst einen Job in einem Hamburger­ platten Land trauert Klaus Falkenberg liothekdienstleistungen semester oder das Erlernen einer neuen Krankenhaus an. Dort betrieb er längst nicht mehr nach. anzusiedeln: Zu 60 Prozent ist sie im Sprache. Auch Julia Thor war nach dem Recher­ chen,­ sammelte wichtige Infor­­ E-Learning beschäftigt und zu 40 Studium einige Jahre in Norwegen – mationen aus Büchern und Fach­ Prozent als Bibliothekarin im Bereich und möchte diese Erinnerungen nicht zeitschriften und stellte diese auf CD Öffentlich­keitsarbeit. Besonders mag missen. »Einfach alles mitnehmen«, rät Text: Silke Fuchs für die Ärzte bereit. sie die Arbeit am neuen interaktiven sie. »Im Arbeitsalltag bleibt dafür leider Foto: Tim Hoppe Im Jahr 2000 kam der berufliche elektro­nischen Lehrbuch, das nicht mehr so viel Zeit«. Wendepunkt für den Dokumentar mit Keine Angst vor zusätzlich zu Mephisto für den jüngst den freundlichen Augen und der Technik: Julia eingeführten Studiengang iMed zerzausten Frisur. Der SPIEGEL suchte Thor ist verant- entstehen soll. iMed integriert von Text: Canan Kizilgöz für sein großes Titelthema »Die Welt wort­­lich für die Anfang an theoretische, theoretisch- Foto: Andreas Tamme im 21. Jahrhundert« einen zusätz­ klinische und klinisch-praktische Geht nicht gibt’s lichen Mitarbeiter in der Dokumen­ E-Learning-Platt­ Medizin und benötigt demzufolge­ ein tation, zunächst zeitlich befristet. form am UKE in spezielles E-Learning-Angebot. »Es ist nicht: Anne Chris- Doch Falkenberg blieb. Rund 16 Jahre Eppendorf und hat­ spannend, Teil dieser Entwicklung zu tensen, stellver- sind seitdem vergangen. Seine Arbeit den Sprung in die sein«, sagt sie. tretende Leiterin macht ihm nach wie vor Spaß: Er ist Von 2008 bis 2011 studierte Thor des Medien- und verantwortlich für das Überprüfen, digitale Wissens­ Bibliotheks- und Informations­ Beschaffen und Dokumentieren von vermittlung management an der HAW. Nach ihren Informations­zen­ Prägungen aus dieser Zeit gefragt, trums der Leuphana Julia Thor geschafft. lächelt sie und beobachtet die großen Univer­sität,kämpft Julia Thor lächelt freundlich, stellt das Schneeflocken, die vom Himmel fallen. an vielen Fron- Tablett mit Teekanne und Keksen auf Mit ihrem Studium an der HAW war den Tisch und setzt sich. Durch das sie sehr zufrieden: »Viel haben die ten — egal, ob es Fenster hinter ihr fällt mattblaues Kommilitonen ausgemacht«, sagt sie, um die hauseigene Licht auf den grauen Linoleumboden »wir haben uns gegenseitig motiviert.« App oder Sitzsäcke der Küche der Ärztlichen Zentral­ Dass es einen vorgegebenen Stunden­ im Lesesaal geht. bibliothek. Draußen fängt es gerade an plan gab, gefiel ihr. Auch die Tatsache, zu schneien. Julia Thor ist dort dass den Studierenden das ganze Gern denkt Anne Christensen an ihre angekommen, wo sie sein wollte: in Studium hindurch die Chance gege­ Studienzeit an der HAW zurück: einem Job in der Wissensbranche, am ben wurde, Kontakte zur Arbeitswelt »Es war eine schöne und aufregende Puls der Zeit. zu knüpfen, fand sie sinnvoll. So kam Zeit.« Lang ist’s her: 1998 machte sie Seit mehr als vier Jahren arbeitet Julia Thor auch zu ihrer heutigen ihren Abschluss, damals befand sich Julia Thor für die E-Learning-Plattform Stelle: In der Mailingliste eines Pro­ das Department noch am Grindelhof. der Ärztlichen Zentralbibliothek des fessors fand sie das Jobangebot aus Allerdings füllte sie ihr Studium nicht Universitätsklinikums in Hamburg- Eppendorf. Die junge Frau kam, sah, vollends aus: »Ich konnte nebenher

14 blick Rückblick 15 trotzdem 20 Stunden die Woche Text: Anna Göthling arbei­ten«, erzählt sie. Tempi passati, Foto: Lukas Simon heute sind die Studierenden fest ins Korsett der Stundenpläne eingetaktet. Kein Job fürs Auf der Suche nach kreativen Nach ihrem Abschluss arbeitete ganze Leben: Lernorten: Anne Christensen, Christensen an einem Projekt der Friederike Hans- stellvertretende Leiterin der Universitätsbibliothek Lüneburg Staatsbibliothek Hamburg, das unter mann hat schon anderem von der HAW gefördert eini­ge Statio- wurde. Anschließend zog es sie nach Kassel, wo sie in der IT-Abteilung einer nen ­in der Medien­ wissenschaftlichen Bibliothek arbei­ branche hinter tete. Schnell wurde ihr deutlich, dass sich. Heute arbei- die Arbeit im IT-Bereich ihr am mei­ tet sie bei einem sten Freude machte. Seit 2011 arbeitet­ Christensen als stellvertreten­ de­ füh­renden Statis- Chefin der Universitätsbibliothek tik-Portal — und Lüneburg. Dort leitet sie mehrere lernt jeden Tag Pro­jekte gleichzeitig: Sie ist an etwas hinzu. der Entwicklung einer App für Wenn es um För- die Bibliotheksnutzer beteiligt Klock zwölf in Hamburg. Friederike dermittel für und denkt über die Schaffung Hansmann, genannt Freddy, hat unsere Konzepte kreativer Lernorte in Biblio­ Mittags­pause. Lässig gekleidet spaziert geht, müssen theken nach. »Hier ist Über­ die 31-jährige aus dem ehrwürdigen wir dicke Bret- zeugungskraft gefragt! Wenn Backsteingebäude gegenüber der ter bohren. es um Fördermittel für unsere Laeiszhalle, die mittellangen Haare Konzepte geht, müssen wir blond, die Erscheinung sportlich. dicke Bretter bohren. Versuchen Sie Zielstrebig steuert sie ein kleines Café mal zu erklären, warum Sie gerade in der Nachbarschaft an und bestellt Sitzsäcke in der Bibliothek benötigen«, sich eine Fritz-Kola mit Eiswürfeln. »Eis erzählt sie lachend. muss immer sein«, sagt sie, obwohl vor Zur HAW hat Christensen bis der Tür Schnee liegt. heute eine gute Bindung, lange war sie Seit drei Monaten arbeitet die hier auch als Lehrbeauftragte tätig. HAW-Absolventin bei der Statista In der modernen Informationsgesell­­ GmbH im Brahmskontor. Statista schaft hat sich die Rolle der Bibliothek betreibt eines der weltweit führenden gewandelt – und somit auch das Anfor­­ Statistik-Portale, hat neben dem Sitz in derungsprofil kommender Absolven­­ Hamburg auch Niederlassungen in ten. Genau das ist für Christensen eine Berlin, Frankfurt, New York, London der zentralen Herausforderungen: und Madrid und beschäftigt rund 250 »Mein Tipp an die Studenten von Mitarbeiter, darunter Datenbank- heute ist, sich genau zu fragen, warum Experten, Redakteure und Statistiker. sie das Ganze überhaupt machen: Hansmann ist Editorial Researcher. Wofür sind Bibliotheken heute da – Gar nicht verwunderlich, wenn man und wie können sie zur gesellschaft­­ bedenkt, dass ihr Lieblingsfach an der lichen Entwicklung beitragen? Seien Uni – abgesehen von den Projekten im Sie offen für Neues – und denken Sie Hauptstudium – Statistik war. Bei vielseitig!« Statista bekommt Freddy Hansmann nun täglich Themen zur Recherche auf den Tisch. Ihre Ergebnisse und Daten gibt sie an die Grafikabteilung weiter,

16 blick Rückblick 17 Der Studiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement ist für mich … … ein Raum für unerwar­ tete­

Mit der Statistik auf du und du: Friederike Hansmann vorm Über­ Hamburger Brahmskontor

die die Themen dann weiter aufberei­­ Nach dem Studium jobbte Hansmann tet. »Mir macht der Job sehr viel Spaß, unter anderem in der Kommunika­­ raschungen. weil die Arbeit echt vielfältig ist«, tions­abteilung von Plan International, er­klärt sie. »Bereits in den ersten später als Bibliothekarin in einer Mona­ten habe ich schon viel neues öffentlichen Bibliothek in Heidelberg. Wissen angehäuft.« Doch es zog sie nach Hamburg zurück. Nach Hamburg wollte die gebür­ Sie heuerte als Social-Media-Redak­ tige Karlsruherin schon immer. Weil teurin beim Frauenmagazin »Brigitte« sie außerdem das Recherchieren liebte, an und sammelte dort auch als nahm sie 2004 das Studium Biblio­ Bloggerin (»StyleNotes«) Erfahrung. theks- und Informationsmanage­ ment­ Doch bald merkte Hansmann, dass sie an der HAW auf. Im Grundstudium sich mit den Jahren zu weit von ihrer absolvierte sie zwei vier­ ursprünglichen Ausbildung und ihren wöchige Praktika, eines bei eigenen Interessen entfernt hatte. Sie Den Job fürs der Literarischen Gesellschaft kündigte – und wechselte zu Statista. Leben gibt es Karlsruhe und eines in der Freddy Hansmann hat viel erreicht, heute nicht öffentlichen Bibliothek in aber auch hart gearbeitet. Das Internet mehr. Wedel. Sie war sehr zielstrebig. und Social Media sind mittlerweile aus »In allen Semesterferien habe ihrem Leben nicht mehr weg­ ich ganz streberhaft Praktika ge­ zudenken. Man darf gespannt sein, macht«, erinnert sie sich. »Das würde wohin sie ihr Weg noch führt. Nur ich jedem raten, der noch nicht weiß, eins ist sicher: Den Job fürs Leben gibt wo der Berufsweg ihn hinführen soll.« es heute nicht mehr. Ein weiteres Praktikum absolvierte sie beim Kinderhilfswerk Plan Internatio­­ nal Deutschland e. V. »Ich wollte schon immer Leben vom Schreibtisch aus retten«, sagt sie und lacht dabei.

18 Rückblick blick 19 Fotos: Lukas Simon wissenschaftliche Diskussion und auf Lewandowski: Keine Frage, die Tech­ Interview: Julia Hladina, der anderen Seite eine gesellschaft­ nik entwickelt sich rasant. Im Mareike Lehmann liche Debatte. Außerdem gibt es eine Gegensatz zur klassischen Suche, wo juristische Ebene. So hat die Euro­ man Suchergebnisse auswählt, ist päische Kommission bereits seit natürlich kritisch zu hinterfragen, How einigen­ Jahren ein Kartellverfahren dass man bei der Sprachsuche gegen Google laufen. Hier warten wir eigentlich keine Auswahl aus einer to die ganze Zeit gespannt auf ein Urteil. Liste von Ergebnissen mehr trifft. Das Darf Google eigentlich seine eigenen potenziert die beschriebenen Proble­ Search? Ergebnisse aus den vertikalen Suchen me der »fairen Suche« noch einmal. Dirk Lewandowski und Sebastian gegenüber anderen Anbietern bevor­ Sünkler über Suchmaschinen- zugen? Die Entscheidung darüber wird Schwierig zu entscheiden, welches technologie im Wandel der Zeiten, weitreichende Auswirkungen haben: richtige Ergebnis dann für den praxisnahe Ausbildung und ihre Wenn dies einmal für die sogenannte jeweiligen Nutzer das ist, was er ganz persönlichen HAW-Highlights. Shopping-Suche entschieden ist, wer­ haben möchte … den davon mittelbar auch andere Bereiche betroffen sein. Wir sprechen Lewandowski: Wenn es denn ein also in einem großen gesellschaft­ »richtiges« Ergebnis gibt. lichen Gesamtkontext über Fairness Dirk Lewandowski von Suche und Suchergebnissen. Herr Lewandowski, Herr Sünkler, Heute ist die sprachgesteuerte Sünkler: Wir haben hier eine Time­ was treibt die Suchmaschinen­ Suche also in aller Munde. Wie war Sünkler: Auf der technischen Seite line zur Geschichte der Suchma­­ forschung aktuell um? das früher? Gibt es Meilensteine wird zurzeit besonders die sprach­ schinen, an der sich super ablesen der Forschung, die heute als Lewandowski: Es gibt eine technische gesteuerte Suche heiß diskutiert. Fast lässt, welche Dienste sich durchgesetzt selbstverständlich gelten? Ebene, über die Sebastian einiges täglich liest man etwas über Google haben und wie das alles anfing. Zu erzählen kann – und eine gesellschaft­ Assistant, Amazon Echo und so weiter. Lewandowski: Was sich enorm Beginn hatte Google ja keinen News­ liche Ebene: Wir sehen, dass gesell­ Auf dem Smartphone wird heute schon verändert hat, ist die Ergebnisdar­­ dienst, um aktuelle Nachrichten schaftliche Fragestellungen, die mit die Hälfte aller Suchanfragen bei stellung. Etwas, was uns vielleicht gar anzu­zeigen. Zum Beispiel 9/11, der Suchmaschinen verbunden sind, zur­ Google über Sprache getätigt! In der nicht mehr auffällt, weil wir immer Angriff auf das World Trade Center: zeit intensiv diskutiert werden. Google Öffentlichkeit gibt es noch eine gewisse nur kleine, graduelle Schritte sehen. Dort hatte Google gar keine aktuellen hat vor wenigen Wochen verkündet,­ Scheu – aber im privaten Bereich ist es Aber wenn wir uns die Ergebnisseiten Nachrichten. Da mussten Mitarbeiter dass sie pro Jahr über zwei total auf dem Vormarsch. Daraus von Suchmaschinen von, sagen wir, noch per Hand Treffer auf der Ergeb­ Billionen Suchanfragen ver­­ ergeben­ sich Fragen: Wie steht es bei vor zehn Jahren anschauen, dann sind nisliste nach oben platzieren, damit Darf Google arbeiten. Eine kaum vor­ der Sprachsuche, die ja nur ein Teil der die komplett anders: Wir haben eine man überhaupt aktuell informiert sein seine eigenen stellbare Zahl! Für jede wird sich durchsetzenden Personal- sehr viel stärkere grafische Fokussie­­ konnte. Ergebnisse eine Ergebnis­liste ausgegeben Assistant-Funktionalitäten ist, mit rung, eine Mischung aus unterschied­­ gegenüber ande- – die bei Themen, die Stereo­ Datensicherheit­ und Privatsphäre? lichen Ergebnissen. Wir behandeln Lewandowski: 1994, zu Beginn meines ren Anbietern typen hervorrufen können, Apples Siri etwa ist ja nicht nur ein diese Ergeb­nisse aber immer noch so, Studiums, habe ich auch Suchma­ ­schi­ bevorzugen? kritisch zu hinterfragen sind. System, mit dem man Spracheingaben als ob es gerankte Listen wären: Treffer nen verwendet. Altavista kam 1995, Geben Sie mal bei Google tätigen kann und Ergebnisse zurück­ Nummer eins, Treffer Nummer zwei – damals ein großartiger Schritt, aber »russische Frauen« ein – die Ergeb­ bekommt – Siri will dich ja optimieren das gibt es eigentlich gar nicht mehr! man kann sich nicht vorstellen, wie nisse vermitteln ein bestimmtes Bild, und organisieren. Es geht eben auch Auf der Ergebnisseite schlecht/unpassend die Such­ das einfach klischeebeladen und darum, dass der Nutzer gar nicht mehr erscheinen die Treffer bunt ergebnisse waren. Finden war mehr Auf dem Smart- stereotyp ist! Über diese Probleme so aktiv suchen muss, sondern das durchmischt, und bestimmte oder weniger Glückssache. Aber aus phone wird spricht man jetzt vermehrt, was sehr bekommt, was er eigentlich braucht, Treffer ziehen unsere Blicke damaliger Sicht war’s fantastisch! heute schon die gut ist. Eine andere Frage ist: Wie ist ohne das selber stark anzutriggern. anders an als andere. Diese In unserem informationsprofessio­ Hälfte aller eine »faire Suche« überhaupt möglich, Noch steckt das alles in den Kinder­ Präsentation von Ergebnissen nellen Bereich wird ja gern über Suchanfragen wenn man bedenkt, dass Google einen schuhen. Aber es wird weltweit extrem hat sich enorm verändert. Suchmaschinen gelästert – vielleicht über Sprache extrem hohen Marktanteil hat? Hier viel Geld investiert, um hier weiter­ sollte man die riesige Leistung, die getätigt! gibt es auf der einen Seite eine zukommen. dahintersteht, nicht ganz vergessen.

20 Einblick Einblick 21 Herr Sünkler, können Sie uns denn haben. Ich glaube, das Wichtige für Nutzerverhalten ohne Ver­ immer ausgebucht ist. Deswegen habe etwas über ihr Projekt »HowTo — Studierende ist, die Ideen, die in den ständ­nis der Technologie nicht ich mich auch dafür eingesetzt, dass es Suchmaschinen die HAW Suchmaschine« erzählen? Technologien stecken, zu erkennen grundlegend­ begreifen. zur Pflichtveranstaltung wird. Ich sind letzt- – und sie zu verstehen. Für den späte­ Umgekehrt gilt das Gleiche. würde mir wünschen, dass es auch im Sünkler: Auf der Leipziger Buchmesse endlich die ren Beruf, wohin immer es einen Ich habe den Eindruck, dass Bibliotheks- und Informationsmanage­ haben wir dafür den TIP Award 2016 Systeme, die verschlägt, muss man einfach verste­ unser Konzept gut ankommt. ment Pflichtveranstaltung wäre, denn bekommen, der drei studentische die digitale hen, wie Suchmaschinen funktio­ Das stelle ich auch in anderen da ist es ebenso dringend nötig. Anson­ Team­lösungen im Bereich der digita­ Entwicklung nieren. Speziell, wenn man hinterher Veranstaltungen fest, die ich sten gibt es Wahlveranstaltungen – len Transformation auszeichnet. Ziel vorantreiben. in irgendeiner Weise im Informa­ rund ums Thema Suchma­­ aber da man sich nicht in tausend des Projekts war ja, den Studieren die tionsbereich arbeitet. Dann ist das schinen gemacht habe: Das Stücke reißen kann, ist die Zahl der Möglichkeit zu geben, die Fähigkeiten, einfach unerlässlich! Suchmaschinen Interesse ist da – auch wenn es hie und Veranstaltungen, die ich anbiete, die sie in den Studiengängen erwer­ sind letztendlich die Systeme, die die da Berührungsängste gibt. Wobei ich natürlich begrenzt. Ich glaube, Bedarf ben, selbst für so ein praktisches digitale Entwicklung vorantreiben. glaube, dass das von Generation zu wäre noch viel mehr da. Pro­dukt anzuwenden. Und, auch wenn Das, was Sebastian mit der sprach­ Generation der Studierenden besser ich vielleicht vorgeprägt bin: Suche, basierten Suche beschrieben hat, wird geworden ist. Suchmaschinen, das ist doch ein tolles »Big Data« ist in aller Munde. auch in anderen Informationssys­­ Thema. Die Idee war, zusammen mit Auch bei Ihnen? temen kommen, das ist vollkommen den Studierenden eine Suchmaschine Wir haben bereits über die klar! Wenn man gut über Suchmaschi­ Lewandowski: Es ist eigentlich ganz zu programmieren, die anschließend Zukunft von Suchmaschinen im nen Bescheid weiß, dann überrascht lustig: »Big Data« ist ja so ein Schlag­ online geht. Wir haben in verschiede­ Allgemeinen gesprochen. Wie einen eigentlich nichts mehr in der wort, das in den letzten Jahren auf­ nen Gruppen gearbeitet, die sich mit wird sich die in Ihrer Lehre hier technischen Entwicklung anderer kam. Wenn man sich allerdings die unterschiedlichen technischen am Department wiederfinden? Bereiche. Suche anguckt, das war schon immer Aspekten von Suche beschäftigten, Lewandowski: Es gibt ja diverse »Big Data«. Also: alter Wein in neuen von Ranking und Such­ Sünkler: Wir haben auch keine Such­ Ver­anstaltungen, vor allem im Bereich Schläuchen? Wir sind gut vorbereitet, ergebnis-Darstellung bis zur Es ging darum, maschine von null programmiert, Medien und Information (MuI), die würde ich sagen. Verarbeitung von Such­ den Studierenden sondern eine Technologie benutzt, die sich mit dem Thema beschäftigen: anfragen. Es ging darum, den zu vermitteln, bereits existierte. Es ging eher darum, Bereits im ersten Semester gibt es Studierenden zu vermitteln, wie das, was sie die Konzepte dahinter zu begreifen – »Infor­mation Research I«, eine Einfüh­­ wie das, was sie täglich aktiv täglich aktiv und dass das alles kein Hexenwerk, rung in Suchmaschinen und Recher­ benutzen, tatsächlich funk­ benutzen, sondern gut nachvollziehbar ist. che im Web. Im zweiten Semester gibt tioniert. Ich würde diese tatsächlich es »Information Research II«, wo es Arbeit gern noch ein bisschen funktioniert. Herr Lewandowski, wie sind Ihre stärker um die Datenbanken geht. Es weiter vorantreiben. Ich weiß Erfahrungen bei der Heranführung gibt die Veranstaltung »Information nicht, wie es bei euch ist, aber der Studierenden an Themen wie Retrieval«, was früher praktisch die meisten Studierenden haben Angst » Technology« und »Information Research III« war, eine vor Programmieren, die finden das »Search Engine Use«? Pflichtveranstaltung im dritten alles ganz schrecklich (lacht). Aber: So Semester. Das ist dann quasi der Blick schlimm ist es doch gar nicht und Lewandowski: Ich glaube, dass sich unter die Haube: Wie funktioniert die eigentlich auch nicht so schwierig. Ich die Studierenden leichter im Use- ganze Technologie da drunter? Das glaube, wenn man ein ganz konkretes Bereich begeistern lassen. Bei der Tech­ Ganze geht von Suche bis zu Anwendungsfeld hat, kann es sogar nik ist wohl immer auch ein bisschen Empfehlungssystemen, reich­ Spaß machen! Angst dabei, dass man da irgendwie Ich glaube, lich garniert mit konkreten­ ganz tief in die Algorithmen einsteigen dass sich die Anwendungsfällen. Und für Lewandowski: Zur Beruhigung: muss. Muss man gar nicht! Sicher ist Studieren- die Zukunft haben wir uns Beschäftigung mit Suchmaschinen ein technisches Grundverständnis den leichter auch einiges vorgenommen:­ In heißt nicht notwendig, dass man nötig. Ich würde aber nie nur streng im Use-Bereich der nächsten Studienreform programmieren muss! Das Thema ist getrennte Veranstaltungen zu »Search begeistern ist im MuI auch Suchmaschi­ sehr vielfältig; wir haben hier schon Engine Technology« oder »Search lassen. nenop­­ ti­ mierung­ Pflichtveran­­ jede Menge Seminare angeboten, die Engine Use« anbieten, weil beides staltung. Momentan ist das ein auch ganz andere Aspekte abgedeckt zu­sam­mengehört. Sie können das Sebastian Sünkler sehr beliebtes Wahlmodul, das

22 Einblick Einblick 23 2010-2014

WOLFRAM ALPHA 2009-HEUTE

YAHOO! SEARCH! SUCHALLIANZ MIT BING

BING 2009-HEUTE

DUCKDUCKGO 2008-HEUTE

FRAGFINN 2007-HEUTE

LIVESEARCH 2006-2009

HELLES KÖPFCHEN 2004-HEUTE

SEEKPORT 2004-2009

YACY 2003-HEUTE

BAIDU 2000-HEUTE

NAVER 1999-HEUTE

MSN SEARCH 1998-2006

INFOSEEK 1998-2001

GOOGLE 1998-HEUTE

YANDEX 1997-HEUTE

BLINDE KUH 1997-HEUTE

BACKRUB 1996-1998

FIREBALL 1996-2008

METAGER 1996-HEUTE -RELAUNCH 2008-HEUTE (Z. T. ERGEBNISSE VON YAHOO!)

DOGPILE 1995-HEUTE

ALTA VISTA 1995-2002

METACRAWLER 1995-HEUTE

YAHOO! SEARCH 1994-2009

LYCOS 1994-2001

RBSE SPIDER 1994-1999

ALIWEB 1994-1999

VERONICA 1993-1999

JUMPSTATION 1993-1999

WORLDWIDEWEBWORM 1993-1999

ARCHIE 1990-1999

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

FTP-SERVER-INDEXIERUNG PAGERANK-ALGORITHMUS YAHOO! BOSTON UPDATE UNIVERSAL SEARCH SCHEMA.ORG ARCHIE INDEXIERTE FTP-SERVER JANUAR 1997, DER ALGORITHMUS KOOPERIERT MIT GOOGLE FEBRUAR 2003 2007-HEUTE JUNI 2011 DATEINAMEN AUF SERVERN SIND SUCHBAR WIRD ZUM PATENT ANGEMELDET 2000–2003 DAS ERSTE NAMENTLICH INTEGRATION VON BILDERN, EINHEITLICHE AUSZEICHNUNGS- BELEGTE GOOGLE-UPDATE NACHRICHTEN, VIDEOS ETC. SPRACHE GESTARTET VON WORLD WIDE WEB WANDERER AUF DEN SUCHERGEBNISSEITEN GOOGLE, YAHOO UND BING 1993-1996 CRAWLER GOOGLE, YAHOO UND MICROSOFT GOOGLE SUGGEST VERKNÜPFUNG VON BING RANKING DER SUCHERGEBNISSE PAGERANK-ALGORITHMUS EINIGEN SICH AUF AUGUST 2008 UND FACEBOOK RANKING DER SUCHERGEBNISSE SERGEY BRIN UND LAWRENCE PAGE NOFOLLOW-ATTRIBUT WIRD EINGEFÜHRT UND ZEIGT IN EINEM MAI 2012 BEI »RBSE SPIDER« IN EINER STELLEN DEN ALGORITHMUS VOR JANUAR 2005 DROPDOWN UNTER DEM SUCHFELD VOR- HIERARCHISCH GEORDNETEN LISTE SCHLÄGE FÜR VERWANDTE SUCHBEGRIFFE VENICE UPDATE YAHOO! WIRD FLORIDA UPDATE FEBRUAR 2012 LOKALE SUCH- ZUM WEBPORTAL NOVEMBER 2003 VINCE UPDATE ERGEBNISSE WERDEN STÄRKER DAS ERSTE GRÖSSERE SEPTEMBER 2009 BERÜCKSICHTIGT GOOGLE-UPDATE AUCH »BRAND UPDATE« GENANNT PAGERANK PENGUIN UPDATE DEZEMBER 2000 MICROSOFT STARTET EIGENE EINFÜHRUNG PERSONALISIERTE APRIL 2012 BESTRAFUNG VON FÜR JEDE SEITE SUCHMASCHINE SUCHERGEBNISSE FÜR ÜBEROPTIMIERTEN WEBSITES EINSEHBAR MSN SEARCH JEDEN NUTZER DEZEMBER 2009 PAID SEARCH MSN BOT 2002-HEUTE CRAWLER DER KAUF VON AARDVARK SE BEZAHLTE SUCHE - WERBEANZEI- MSN-SUCHMASCHINE DURCH GOOGLE GEN WERDEN IM OBEREN BEREICH VON MICROSOFT FEBRUAR 2010 Die Geschichte DER ERGEBNISLISTE ANGEZEIGT PANDA UPDATE FEBRUAR 2011 der Suchmaschinen RICHTET SICH GEGEN WEBSITES Aus »Auf den Spuren der Suche« von VON SCHLECHTER CONTENT Prof. Dr. Dirk Lewandowski und Friederike Kerkmann QUALITÄT

24 Einblick Einblick 25 Das heißt, intern ist man das Studentenprojekte … Die Themen Darmstadt. Ein Highlight war, ehrlich Professor Dr. Dirk Lewandowski, praktisch schon gewohnt — und nur liegen­ praktisch auf der Straße – und es gesagt, immer der Unterschied Jahrgang 1973, stammt aus Stuttgart. die Masse bekommt das jetzt erst sind spannende Themen! Und es ist, zwischen Hin- und Rückfahrt (lacht): Er studierte zunächst ganz konser­ mit? auch wenn das platt klingen mag, für Auf der Hinfahrt waren alle Studenten vativ Bibliothekswissenschaften in jeden etwas dabei: Nehmen Sie Ihr total aufgeregt, dass sie jetzt bei der seiner Heimatstadt, danach folgte ein Lewandowski: Sicher gibt es neue Hobby, beziehen es auf Suchen, und Telekom residieren müssen, auf der zweites Studium der Philosophie, An­wendungsfälle. Aber wenn Sie schon haben Sie ein schönes Thema für Rückfahrt waren sie dann alle total Informations- und Medienwissenschaft Suche betreiben, auch im kleinen eine Bachelor-Arbeit. Ist doch toll, gelöst und wir haben großartig in Düsseldorf. Daneben war Lewandow- Rahmen … Ich weiß nicht, wie viel ihr oder? gefeiert. Es waren super Projekte, die ski im Wirtschaftsministerium des bei »HowTo« an Dokumenten schon wir gemacht haben! Und natürlich Landes Nordrhein-Westfalen in der drinhabt? begeistert mich auch noch nach zehn Bibliothek und der Informationsver- Was treibt Sie in Forschung und Jahren eine tolle Abschlussarbeit. mittlung tätig. Nach freier Tätigkeit Sünkler: Ich weiß nicht, wo »Big Data« Lehre am Department an; gibt es Gerade hatte ich eine, die sich für Unternehmen und Universitäts­ anfängt. Das ist halt immer die Frage. Highlights in der alltäglichen mit Google Now und dem institute folgte 2007 der Ruf an die In »HowTo« stecken vielleicht um die Arbeit? Mich begeistert Umgang mit persönlichen HAW Hamburg, wo er als Professor für 50.000 Dokumente. auch noch nach Sünkler: Ich finde es super, dass wir Daten beschäf­tigt. Es ist eine Information Research & Information zehn Jahren hier als Lehrbeauftrage die Möglich­ Freude, das zu lesen – und es Retrieval lehrt. Lewandowski: Wenn Sie eine Biblio­ eine tolle keiten haben, Projekte zu Themen ist auch eine Freude zu sehen, thek mit 50.000 Bänden haben, dann Abschlussarbeit. durchzuführen, die wir selber span­ wie die Leute sich entwickeln ist das ja schon eine ganz nette Fach­ nend finden. In einem unserer aktuel­ im Laufe der Zeit. Ich glaube, Sebastian Sünkler, M.A., Jahrgang biblio­thek. Aber 50.000 Dokumente len Projekte haben wir uns – im Sebastian ist das beste Beispiel: Du 1982, studierte nach einer Ausbildung sind für Suchmaschinen­ nichts! Wir Auftrag der Telekom – Sprach-Assisten­ warst bei mir im ersten Semester und zum Technischen Assistenten für sprechen ja bei der Suche oft von ten angeguckt, also Google Now oder arbeitest jetzt hier. Informatik am Department Information vielen, vielen Millionen Dokumenten, Microsoft Cortana. Superspannend! der HAW Hamburg, wo er seit 2012 als auch wenn sie eine relativ kleine Genau das sind meine Highlights: dass wissenschaftlicher Mitarbeiter und Suchanwendung­ betreiben. Zum Schluss hätten wir noch einen ich die Freiheiten habe, Themen Lehrbeauftragter tätig ist. Sünkler Wenn man in die Websuche kleinen Satz, den wir Sie zu Beim Thema Suche anzu­gehen, die mich einerseits persön­ arbeitet hauptsächlich in einem geht, ist das ja gigantisch.­ Es vervollständigen bitten: Die gibt es 100.000 lich interessieren, die aber auch für Forschungsprojekt zur automatisierten geht um Milliarden von Lehre und Arbeit hier am Fragen, die noch die Studierenden immer wichtiger Kontrolle des Lebensmittelmarktes im Doku­menten, und von daher Department bedeutet für mich … nicht beantwor- wer­den. Erfreulich, dass wir künftig Internet. Neben der Projektarbeit ist das eigent­lich kein neues tet sind. auch noch besser ausgestattet sein Lewandowski: … die Freiheit, mich liegen weitere Forschungsschwerpunkte Thema. Es ist vielleicht eher werden. Wir haben jetzt endlich mit Themen, die mich wirklich von ihm im Bereich Evaluierungen von wichtiger, dass man den Trend Smart­phones gekauft für das Depart­ interessieren, zu beschäftigen – und Suchmaschinen und Verhalten von sieht, dass man Analysen macht ment, die man ausleihen und für die dabei auch noch mit intelligenten, Suchmaschinennutzern. aufgrund von Daten. Das ist neu. Forschung nutzen kann. In Sachen tollen Leuten, Mitarbeitern wie Ausstattung ist sicher noch Luft nach Studierenden, zusammenzuarbeiten. Gibt es noch weitere Projekte, oben. Wenn die Studierenden nachher die Sie in der Zukunft mit den raus in die ersten Jobs kommen und Sünkler: … meinen Lebensunterhalt Studierenden gern angehen würden? bestimmte Sachen noch nie gesehen zu bestreiten, das muss ich ehrlicher­ Lewandowski: Beim Thema Suche gibt haben, ist das schon schwierig. weise sagen. Genauso wichtig ist aber es 100.000 Fragen, die noch nicht die Freiheit, mich mit Themen aus­ beant­ wortet­ sind. Wir stehen praktisch Lewandowski: Ich bin jetzt bald zehn einanderzusetzen, die mich interes­ noch am Anfang! Man denkt immer, Jahre am Department, da ist die Frage sieren. Ich kann mich persönlich Sachen seien gelöst – das sind sie bei nach Highlights nicht einfach zu fort- und weiterbilden, kann mich frei Weitem nicht! Denken Sie an die beantworten. Sicher, Anerkennung entfalten. Also: jede Menge persön­ sprachgesteuerte Suche, die das Feld und gewonnene Preise sind toll. liche Entwicklung – und das Geld. Was momentan noch einmal komplett neu Groß­artig ist es auch, bei Bachelor- will man mehr? aufmischt! Aus diesen Fragen können Projekten mit den Studierenden zu sich Forschungsprojekte ergeben, den Kooperationspartnern zu fahren, Herr Lewandowski, Herr Sünkler, Bachelor-Arbeiten, etwa zur Deutschen Telekom nach vielen Dank für das Gespräch!

26 Einblick Einblick 27 Thomas Kunst: daß in einem Kotelett weniger Das Spatium Bildungspotential stecken soll als in ¶ gegen das Zitieren einem ungelesenen Buch. Was geht aus Liebe nicht alles verloren ohne Bücher, »Ich glaube weder an Lehrer noch an Universitäten, ich glaube an Biblio­ theken. Die ideale Ausbildung besteht in meinen Augen darin, daß man ­ die, ¶ wenn es sie wirklich gibt, sich zehn Jahre in eine Bibliothek setzt, ein Buch nach dem anderen liest und auf diese Weise allmählich zu Sinn und Verstand kommt.« unter den Augen der Bibliothekare, —Ray Bradbury so weit davon ¶ entfernt sind, noch jemals als Überbringer versprengter, Der Gedanke, daß der Anteil der humanistischer ¶ Bildungsideale tausenden, einen Bibliothekar herhalten zu müssen, wenn es sie jederzeit ¶ umgebenden Bücher auch nun wirklich gibt, als bloße ¶ zwangsläufig seine unvermindert Eingangs- und Archivierungsobjekte anhaltende ¶ Bildungsbesessenheit, ja im Schnelldurchlauf, innerhalb sogar leidenschaftliche Lektürehingabe einer ¶ verklärt überlieferten, zur Folge ¶ haben soll, ist wohl beinahe schamlos mitgenutzten, aber seit ein paar Jahrhunderten, in aneignungslauen ¶ Berufstradition. seiner romantischen ¶ Verklärtheit, (1997) nicht mehr länger als glaubwürdig

Thomas Kunst, geboren 1965 in Stralsund, begann nach aufrechtzuhalten. ¶ Scheinbar richtig seinem Abitur zunächst ein Pädagogikstudium, brach dieses jedoch nach einem Jahr ab. Seit 1987 zählt er ist, daß man, wie man einen Fleischer als bibliothekarischer Mitarbeiter zum festen Inven- tar der Deutschen Bücherei Leipzig. Sein literari- mit Fleisch, einen ¶ Bibliothekar sches Debüt »Besorg noch für das Segel die Chaussee« erschien 1991, es folgten zahlreiche Lyrikbände, ständig nur mit Büchern und dem Romane, Hörbücher und Musik-CDs. Zuletzt erschienen 2015 der Roman »Freie Folge« (Jung und Jung) und die Lesen von Büchern in ¶ Verbindung Sammlung »Kunst. Gedichte 1984—2014« (Edition Azur). Thomas Kunst erhielt u. a. den Dresdner Lyrikpreis, zu bringen hat. Welch eine Anmaßung das Stipendium der Villa Massimo, den F.-C.-Weis- kopf-Preis der Akademie der Künste Berlin und 2014 steckt eigentlich in der ¶ Idee, den Lyrikpreis Meran.

28 Seitenblick Seitenblick 29 »Wer Katalogarbeit nicht gerne Go-ins und Sit-ins, eine Konzeption und Verwirk­ macht, besitzt keine Phanta­­ ruppige Streitkultur, lichung der Lektoratsko­ opera­­ sie« – das sagte mein Chef Demonstrationen­ und tion, der Gründung der Lan­ Volker Weimar im Frühjahr­ Birgit Dankert Streiks, aber eben auch desbücherei­ stelle­ Schleswig­ - 1971 zu mir, als nach geistes­ die Befreiung vom Hol­stein und der Übernahme wissenschaftlichem Studium »Muff unter den Talaren« einer neuen »Systematik«, an der Universität Tübingen waren tägliche Erfahrung. einer den wachsenden und und Zweitstudium am Fach­ immer differenzierteren bereich Bibliothekswesen der Beständen adäquaten gerade gegründeten Fachhoch­ formalen Klassifizierung der schule Hamburg in der Sachlite­ ratur­ und Belletristik. Büchereizentrale Flensburg­ Das alte wie das neue Klassi­ das Arbeitsleben für mich einem der Fachbereiche der Die Go-ins und Sit-ins, eine fizierungssystem diente begann. Nun wollte ich zwar neu gegründeten Fachhoch­ ruppige Streitkultur, Demon­ gleichzeitig als damals strikt damals – wie heute – mit schule Hamburg. Es war eine strationen und Streiks, aber eingehaltene Aufstellungs­ Bibliotheken die Welt und Sache der Ehre, sich für den eben auch die Befreiung vom ordnung der Bücher. Diese für nicht die Kataloge retten, aber neu gewählten Fachbereichs­ »Muff unter den Talaren« öffentliche Bibliotheken dass die Datenstrukturierung rat aufstellen zu lassen und waren – wie vorher schon in selbstverständliche doppelte nach erkennbaren Regeln dort mitzuarbeiten. Wer das Tübingen – tägliche Erfahrung. Qualität gehört zu den etwas mit den Werten der Entstehen einer deutschen Ich möchte diese politisierte zahlreichen Phänomenen, europäischen Aufklärung, mit Hochschule in Selbstverwal­ Atmosphäre nicht verherr­ deren Nutzen ich in meinem der Demokratisierung des tungs­gremien gestaltet und lichen, aber die Ziele und die Berufsleben langsam habe Wissens und auch etwas mit begleitet hat, kann auf Ansprüche waren hoch ge­ schwinden sehen. Das intellektueller Macht zu tun Erfahrungen von Interessen­ steckt, und es gelang schließ­ Verschwinden so mancher hat, war mir im Studium und vertre­tung und Verhandlungs­ lich auch, sie auf das zukünf­ ehemals hochgelobten bib­ in der Beschäftigung mit der strategie zurückgreifen, die tige Arbeitsfeld in wissen­ liothekarischen Einrichtung­ »Titelaufnahme«, der »Katalog­ sich auch in anderen politi­­ schaftlichen und öffentlichen­ habe ich meistens als Text: Birgit Dankert kunde« und der »formalen schen und beruflichen Bibliotheken zu übertragen. Entlastung empfunden. Fotos: Tim Hoppe Sacherschließung« – wie es Zusammen­hängen als nützlich damals in der bibliothekari­ erweisen. Dergleichen veraltet Doppelte Qualität? Freiheit des Handelns schen Ausbildung hieß – schon nicht und nützt sich auch Ein Jahrzehnt, von 1971 bis Selten hat wohl eine Berufs­ Wer Katalog­ klar geworden. Man hatte mir nicht ab. In den Gremien der 1981, arbeitete ich als Lektorin anfängerin so viel Freiheit und den Weg vom Katalog in die Bibliotheks- und Kulturpolitik, und Projektleiterin in der Handlungsmöglichkeiten arbeit nicht Welt und wieder zurück denen ich später angehörte, Büchereizentrale Flensburg, erhalten, wie ich sie in Flens­ gewissenhaft und zukunfts­ konnte ich dieses Rüstzeug gut einer seinerzeit vom Deut­ burg erfahren durfte. Dazu gerne macht, tauglich erschlossen. Meine gebrauchen. Diese früh erwor­ schen Grenzverein, den gehörte die Unterstüt­zung und Phantasie war auch mit den benen Fähigkeiten kamen mir Gebietskörperschaften und Förderung der Übernahme besitzt »Preußischen Instruktionen« besonders in den Verhandlun­­ dem Land Schleswig-Holstein bibliothekarischer Mandate in nicht kleinzukriegen. gen zur Integration des finanzierten Organisations­ nationalen und internationa­ keine deutsch-­deutschen Biblio­ zentrale für die öffentlichen len Gremien. Dazu gehörte Rüstzeug aus den thekswesens­­­ nach 1989, aber Bibliotheken kreisangehöriger auch die faire Behandlung, als Phantasie! wilden Jahren auch bei Fortbildungsveran­­ Städte in Schleswig-Holstein. ich in zwei Instanzen den von Vom Katalog in die Welt und Das bibliothekswissenschaft- staltungen in schwieriger Um­ Es handelte sich um ein mir angestrengten Arbeits­ wieder zurück: Was mir das Studium liche Studium in der Zeit vom gebung, etwa in Nordkorea, sogenann­ tes­ freies Lektorat, prozess gewann, in dem die am Grindelhof gebracht hat. Frühjahr 1969 bis Frühjahr zugute. Am Grindelhof lag der das Empfehlungslisten für die Bezahlung der Lektoratsarbeit 1971 fiel in eine politisch Campus der Universität betreuten Büchereien ver­ in Angleichung an die Tarif­ bri­sante Zeit, und davon war Ham­burg, an der die Junge fasste und zusammen mit den gruppen des höheren Dienstes auch im Grindelhof 30 viel zu Linke sich formierte, gleich Kollegen vor Ort bearbeitete. erreicht werden konnte. Es spüren – wenn man wollte! Die nebenan. Uni-Dozenten Meine Berufsjahre in Flens­ war ein Musterprozess, der Bibliotheksschule wurde zu übernahmen­ Lehraufträge. burg fielen in die Zeit der vielen Kolleginnen und

30 Rückblick Rückblick 31 Ich glaube nicht an Bedeutungs- die Kinder- und Jugendli­­ samten Hochschulzeit anhielt. Digitale Zeitenwende Inzwischen ist das Prinzip Hierarchien in Bibliotheken, teratur seit dem Studium in Es gab aber ein Zwischenspiel.­ Was besonders die Literatur­ Bib­liothek, so sehr sich die wohl aber an Arbeitsteilung, Tübingen als ein Kompetenz- Für sechs Monate übernahm­ welt und die Edelfedern des einzelnen Institutionen dieses Spezialisierung und die Synthese Gebiet – und eine große ich 1996 die Position der Direk­ Journalismus aller Medien Namens auch geändert haben unterschiedlicher Qualitäten. Freude – erarbeitet. Meine torin der Hamburger Öffent­ gerne als getrennte Bereiche mögen, gestärkt aus der Lehr­tätigkeit begann im lichen Bücherhallen. Ich wahrnehmen – Inhalte, Aus­ digitalen Zeitenwende hervor­ Früh­jahr 1981 und endete zu glaubte, die angesichts der sagen hier, ihre datenbasierte gegangen. Rückblickend ist Beginn des Jahres 2007. Die finanziellen Lage der HÖB Administration dort –, erkennt erkennbar, dass die Werte obligatorischen 18 Stunden unum­ gänglichen­ Einsparun­ der Bibliothekar und Infor­ Euro­pas, der Kampf um Biblio­­ Lehrverpflichtung bedingten gen und Schließungen in den mationsexperte als Einheit. theken in den Gremien der EU Kollegen zugutekam. Heute nach Bibliotheksgröße und natürlich die Übernahme Griff zu bekommen. Das war Diese übergeordnete Position einen wichtigen Teil dieses wäre er nicht mehr zu Aufgabenstellung. Ich glaube weiterer, wechselnder Fächer – ein Irrtum, vielleicht eine verantwortungsvoll und mit Wandlungsprozesses bedeutet gewinnen. Wenn der Sommer nicht an Bedeutungs-Hierar­ rückblickend war es eine Hybris. Daher ging ich zurück demokratisch definierten haben. Den »europäischen kommt in Schleswig-Holstein, chien in Bibliotheken, wohl bibliotheksorientierte All­ an die Fachhochschule. Bis Zielen zu gestalten bekam mit Gedanken« in die Bibliotheken erinnere ich mich immer noch aber an Arbeitsteilung, Spe­ round-Lehrtätigkeit mit klar heute bin ich dankbar, dass der EDV-gesteuerten Biblio­ zu tragen, sowohl als gemein­ gerne an zehn Jahre Urlaubs­ ziali­sierung und die Synthese umrissener Spezialisierung. mein soziales Umfeld mir theksarbeit ganz neue Dimen­ sames europäischen Handeln vertretung in den ländlichen unterschiedlicher Qualitäten Ich kann daran noch heute die­sen Schritt so leicht ge­ sionen. Ein Jahrzehnt – es in der Bibliothekspolitik als Büchereien der Region Schles­ zu einem benutzerorientierten nichts Verwerfliches oder macht hat. Jetzt hatte ich also überschnitt sich mit der Inte­ auch als deutsche Interessen­ wig, für deren fachliche zielgerichteten Ganzen. Dilettantisches ausmachen. auch ein berufliches Fiasko gration der deutsch-deutschen ver­tretung im europäischen Lei­tung und Unterstützung die Die Entwicklung der biblio­ erlebt. Aber die bibliothe­ Bibliotheken nach 1989 – Konsenshandeln, gehört zu Büchereizentrale Flensburg Zurück nach Hamburg thekarischen Ausbildung seit karische Überzeugung, der ich musste die Stellung der Biblio­ den wichtigen Erfahrungen verantwortlich war: an quir­ Aber dann wollte ich doch weg jener Zeit wird in diesem immer gefolgt war, nahm theken verteidigt, gehalten meiner aktiven Jahre und be­ lige Badegäste, Aufräum­ von dieser Arbeit, aus dieser Reader ausführlich behandelt. keinen Schaden. Das ließ ich werden, um nicht in den argu­ kam mit Erasmus-Programm arbeiten in den stillen, heißen Stadt, die mir so vertraut Daher soll hier nur erwähnt nicht zu. Ich machte einfach mentativ sehr einsichtigen wie Bologna-Prozess schon Sonnen- und Strand-Stunden, waren, doch – so schien es mir werden, dass es lebensvolle, weiter: mit den Bibliotheken, Mahlstrom der apokalypti­­ bald wirkungsvolle HAW- an die gefährlich prall gefüllte damals zumindest – gar keine intensive und kämpferische mit der Literatur, mit der schen Vorstellungen vom Ende Bedeutung. Kasse mit den hinterlegten Herausforderungen mehr Zeiten waren. Über lange Jahre Berufspolitik. der Bibliotheken zu geraten. Kautionen der Touristen und bieten konnten. Es war ein schoben sich die drei Talmud Tora Schule am Grindelhof die angsteinflößende Natur­ Glück für mich, dass die Handlungsfelder – Lehre mit gewalt der Gewitter an der Fachhochschule Hamburg sich den Studierenden, interne Nordsee-Küste. Ich habe diese entschlossen hatte, den Hochschulpolitik und Arbeit geliebt. Das konnte in Bereich Bibliotheksarbeit mit politische wie fachliche Arbeit meiner Umgebung niemand Kindern und Jugendlichen außerhalb der Hochschule – verstehen. Da zählte nichts als durch eine hauptamtliche in immer neuen Konstella­ Freundlichkeit, Sachkenntnis, Professur vertreten zu lassen. tionen in- und übereinander. Empathie und »klare Kante«. Dieses Gebiet hatte ich in der Auch hier erinnere ich mich Damals habe ich mir vorge­ Büchereizentrale nicht an das große Gefühl der Frei­ nommen, dass alles, was ich betreut, mir besonders aber heit, das fast während der ge­ auf Bibliothekskongressen, in den Goethe-Instituten welt­weit, auf der nationalen wie internationalen Planungs­ ebene, in Fachartikeln und Es war ein Glück für mich, vollmundigen Plenumsdiskus­ dass sich die ­Fachhoch- sio­nen zum Besten gebe, auch schule Hamburg entschlossen für Gelting an der Birk, Sankt hatte, den Bereich Biblio- Peter-Ording und Glücksburg theksarbeit mit Kindern vertretbar sein, »stimmen« und Jugendlichen durch musste. Es gibt keine unter­ eine hauptamtliche­ Profes- schiedlichen Wahrheiten je sur vertreten zu lassen.

32 Rückblick Rückblick 33 Schreiben als Bücher schreibe, müsse man Empathie zugewandt. Das Ich hatte immer gedacht, wenn gegenwärtig in der Ausbildung Glückserfahrung auch daran leiden – aber das erleichtert ganz offensichtlich man solche Bücher schreibe, befindlichen Studentinnen Meine Berufstätigkeit lief war gar nicht der Fall! die Erinnerung. Fünf Jahr­ müsse man auch daran leiden — und Studenten in ihrem schritt­weise und langsam aus. Besonders durch Nachfragen zehnte habe ich Biographien aber das war gar nicht der Fall! Berufsleben­ wahrscheinlich Immer noch gab und gibt es auf den vielen Lesungen aus von Familienmitgliedern, sehr oft begegnen wird. Er Projekte, für die auch ein sich den Biographien ist mir dann Freunden, Kollegen, ehema­­ schrieb seine Manuskripte und langsam änderndes, kleiner klar geworden, dass es zum ligen Studierenden, aber eben Briefe mit der Hand und auf werdendes Kompetenz-Profil großen Teil mein bibliotheka­­ auch Autoren der Kinder- und einer alten Olivetti-Schreibma­­ ausreicht. Meiner Erfahrung risches Handwerk und die Jugendliteratur bewusst schine. Viele dieser Doku­ nach hat alt werden viel mit Berufs­erfahrungen waren, die miterlebt – ohne jemals Datenbank an. Bei der ich zum Beispiel für die mente sind aber auch im Selbstdisziplin zu tun. Und gar mir das flotte und beglücken­­ darüber nachzudenken, wie Lindgren-Biographie konnte Lind­gren-Biographie das in der World Wide Web abrufbar. nicht so selten tun sich un­ de Schreiberlebnis bescherten. dies alles literarisch zu proto­ ich auf die für ein HAW- Schwedischen Nationalbib­­ Schreibt man unter diesen vorhergesehen neue Welten In meinen ersten zehn Berufs­ kollieren sei. Um Astrid Lind­ Projekt zum 100. Geburtstag liothek Stockholm verwaltete Rahmenbedingungen eine auf. Als die Wissenschaftliche jahren war ich in vielen Gre­ grens und vor allem Michael der Autorin 2007 von mir Astrid-Lindgren-Archiv mit Biographie, entwickelt man Buchgesellschaft mich fragte, mien, Projekten und Sitzun­ Endes Leben zu beschreiben, erstellte und gepflegte Daten­ jeweiliger Erlaubnis der ein Gefühl dafür, was die ob ich eine Biographie über gen immer die Jüngste – und konnte ich diese Erfahrungen bank zurückgreifen. Für die Erbengemeinschaft Lindgrens analoge, was die digitale Welt Astrid Lindgren schreiben wurde daher natürlich zur auf einmal hilfreich abrufen. Michael-Ende-Biographie und daneben die Datenfülle von Leben und Werk eines wolle, war ich 68 Jahre alt. Protokollantin bestellt. Diese Dass dieser Prozess gleichzeitig fertigte ich sie – wie immer der offiziellen Website www. Menschen preisgibt und Und als diese Biographie auch sehr gute Schule lehrte mich, eine gewisse Instrumentali­­ mit dem Literaturverwaltungs­ astridlindgren.se (www. verschweigt. Die Wandlung aus Verlagssicht auf dem Abläufe rekapitulierend sierung der Erinnerung programm Citavi – als ersten astrid-lindgren.de) benutzt. der bibliothekarischen Buchmarkt gut lief, einigten zusammenzufassen und »auf bedeutet, war mir von Anfang Arbeitsschritt neben der Die dort vorhandenen Quellen Auskunftsarbeit ist mir dabei wir uns zwei Jahre später auf den Punkt« zu bringen. In an etwas unheimlich. Lektüre aller Werke Michael sind online zugänglich ver­ so richtig handfest klar eine Michael-Ende-Biographie. Gutachten, Laudationes für Endes an. Diese Datenbanken zeichnet und zur Einsicht vor geworden. Die ersten Biogra­ Die Arbeit an diesen beiden Autoren und Bibliothekare, in Fakten, Daten, Zahlen: Vom sind geteilt in Dokumente von Ort bestellbar. Michael Ende phien anhand von Biographien war aufwendig den Lebensläufen unzähliger Handwerk und über die Autoren und aber ist geradezu ein Parade­ ausschließlich digital entstan­­ und enthielt eine anspruchs­ Bewerbungsunterlagen sind so Aber nun zum bibliothekari­­ geben den Inhalt mit Schlag­ beispiel für die vielfältigen denen und vorhandenen volle Zielsetzung. Aber sie fiel viele niedergeschriebene schen Handwerk. Früher be­ worten wieder. Ich konnte also Tools einer Personal- und Quellen – also voraussichtlich mir so leicht, dass ich fast ein Bio­graphien vor meinem gann ich ein Projekt mit einem bei der Nieder­schrift der Bio­ Literatur-Recherche. Die hier keine nachweisbaren schlechtes Gewissen bekam. gei­stigen Auge abgelaufen. Sie Literatur- und Stich­wort­ graphie zum Beispiel unter hauptsächlich benutzten Korrekturgänge, keine doku­ Denn ich hatte immer haben mich alle interessiert, verzeichnis. Heute fertige ich dem Schlagwort »Momo« alle Quellen – seine Werke, Fach­ mentierten Schriftwechsel gedacht, wenn man solche ich habe mich ihnen mit zunächst eine interaktive gespeicherten »Momo«- literatur, Archive, Presse- über die Entwicklung einer Ausgaben, Äußerungen Endes Datenbanken, Museen und literarischen Idee mehr – Studieren in den späten 60er-Jahren zu »Momo« und die Rezen­ Blogs – waren mir eben aus möchte ich gerne noch lesen, sionen, die Fachliteratur und den letzten 50 Jahren ver­ aber nicht mehr schreiben die multimedialen Adaptionen traut. Michael Ende bietet dürfen. Sicher bin ich, dass aufrufen. Dieses Gerüst von außerdem ein gutes Beispiel keine eingeschränkten, Fakten, Daten, Zahlen und für den Umgang mit soge­ sondern veränderte Lebens­ Relationen gibt mir Sicherheit. nannten hybriden Autoren – bilder mit neuen Erkenntnis­ Es spricht zu mir, ist so etwas ein Phänomen, das den möglichkeiten entstehen. wie das Skelett fürs Fleisch der Phantasie. Außerdem haben mich bibliothekarische Ausbildung wie Praxis gelehrt, mit den über Jahrtausende entwickel­ Dieses Gerüst von Fakten, ten Instrumenten unseres Daten, Zahlen und Relatio- Berufsstandes routiniert, nen gibt mir Sicherheit. immer auf die jeweils ganz Es spricht zu mir, ist so bestimmte Aufgabe ausge­ etwas wie das Skelett richtet umzugehen. So habe fürs Fleisch der Phantasie.

34 Rückblick Rückblick 35 Das Leben – ein Es waren immer neue Stationen, Entwicklungsroman? gültig für ein paar Jahre, Ich glaube schon lange nicht selbst in langen Kontinuitäten mehr daran, dass das nicht von wachsender Erkenntnis individuelle Leben sich analog über den »Sinn des Lebens« Der Studiengang Bibliotheks- und zu einem Entwicklungsroman oder der erfüllbaren Vision Informationsmanagement ist für mich … gestaltet. Daher sehe ich auch einer idealen Bibliothek geprägt. in der guten bibliothekari­­ schen Ausbildung, die ich durch­lief und die viel länger … sehr viel- dauerte als das Studium, in der nachfolgenden Berufs­ praxis, in meiner berufspoli­ fältig. Das tischen Tätigkeit, in den Birgit Dankert, geboren 1944 Lambert Schneider 2013) und konti­ nuierlichen­ Publikatio­­ in Mühltroff/Vogtland, stu- Michael Ende (»Michael Ende: nen und in der späten Hin­ dierte Germanistik, Philoso- Gefangen in Phantásien«, wendung zu literarischen Lernen findet phie und Kunstgeschichte in Lambert Schneider 2016) Biographien keine geradlinige Tübingen sowie Bibliotheks- erreichten eine große Öffent- Entwicklung. Es waren immer wissenschaft an der Fachhoch- lichkeit. Berufliche bzw. neue Stationen, gültig für ein schule Hamburg. Von 1971 bis Forschungsschwerpunkte von in einer paar Jahre, selbst in langen 1981 war sie als Lektorin und Birgit Dankert sind Bestands- Kontinuitäten nicht von Projektleiterin im Zentral- management für Bibliotheken, wachsender Erkenntnis über lektorat der Büchereizentra- Bibliothekspolitik, Arbeit in den »Sinn des Lebens« oder der familiären, len Flensburg/Rendsburg, Kinder- und Jugendbibliothe- erfüllbaren Vision einer später in der Landesbücherei­ ken, Kinder- und Jugendlite- idea­len Bibliothek geprägt. stelle Schleswig-Holstein. ratur sowie Kulturmanagement. Allerdings aber waren und Von 1981 bis zur Emeritierung lustigen sind sie immer hilfreich und 2007 war Dankert Professorin verlässlich vorhanden – sie für Bibliothekswissenschaft sind unersetzlich. Wohl dem, am Fachbereich Bibliothek und der sie zur Verfügung hat: die Atmosphäre Information der Fachhoch- bibliothekarischen Fähig­ schule Hamburg (jetzt: HAW keiten und Werte des demo­ Hamburg). Birgit Dankert war kra­tischen Zugangs zu unter anderem Vorsitzende des statt. strukturiertem Wissen, zu Arbeitskreises für Jugendli- Kunst, kulturellem Erbe und teratur e. V. (AKJ), des politischer Meinungsbildung. Vereins der Bibliothekare an Öffentlichen Bibliotheken sowie Sprecherin der Bundes- vereinigung Deutscher Biblio- theksverbände e. V. (BDB). Sie ist freie Mitarbeiterin im Kinder- und Jugendbuch-­ Ressort der »ZEIT« und Träge- rin der Karl-Preusker-­ Medaille. Die Biografien der Kinderbuch-Expertin zu Astrid Lindgren (»Astrid Lindgren: Eine lebenslange Kindheit«,

36 Rückblick blick 37 Text: Petra Düren, Frauke Schade Legitimität kann dabei nur durch die Fotos: Flickr Rob124, VIEW Pictures Ltd, Zuschreibung von Dritten erworben Paula Markert werden und entsteht in den »Arenen der öffentlichen Meinungsbildung« (Swaran Sandhu). Dabei sind für Mana- Biblio­theken alle Teilöffentlichkeiten relevant, mit denen sie in Verbindung ger stehen oder die in ihrem Umfeld prä­sent sind. Dies setzt einerseits von voraus, dass sich Bibliotheken exakt an den Bedürfnissen ihrer Nutzer/ morgen innen ausrichten, andererseits, dass Der Veränderungsdruck, der auf Bib- sie sich ihrer Rolle als Medien- und liotheken lastet, ist hoch — und setzt Informationsversorger und -vermittler vielfältigste Kompetenzen in Management in einer pluralistischen und demo­ und Marketing voraus. Am Department kratischen Gesellschaft bewusst sind. Information der HAW Hamburg erhalten Legitimtät ist dabei kein Freibrief, künftige Führungskräfte ihr Rüstzeug sondern wird stets neu verhandelt und für die digitale Zukunft. misst sich an der Fähigkeit, aktuelle Entwicklungen in bedarfsorientieren Dienstleistungskonzepten schlüssig und Erfolg versprechend umzusetzen. Der Veränderungsdruck von Biblio­ Die öffentliche Hand schätzt Biblio­ theken ist hoch und setzt vielseitige theken in Deutschland als so relevant Kenntnisse und Kompetenzen im ein, dass für ihre Finanzierung staat­ Management und Marketing voraus, lich gesorgt wird. Die Finanzierung­ die am Department Information der muss sich allerdings durch die HAW Hamburg vermittelt werden. Erfüllung eines relevanten Gemein­ In unseren Bachelorstudiengängen schaftsinteresses legitimieren. Bei »Bibliotheks- und Informationsmana­ steigender Aufgabenvielfalt in ge­ment« (BIM) sowie »Medien und den Kommunen und im Information« (MuI) werden die Studie­ Von Führungs- Hochschulraum sind renden vom ersten Semester an auf kräften werden Bibliotheken einem immer diese neuen Anforderungen, als Strategien und stärkeren Sparzwang aus­ Manager/innen und Führungskräfte zu Konzepte gesetzt, der zur Kürzung von agieren, vorbereitet; ebenso im Master­ erwartet, wie Budgets und Reduzierung von studiengang »Information, Medien, sich Biblio- Personal bis hin zu Fusionen Bibliothek« (IMB). theken in den und Schließungen von Biblio­ Management-Kompetenzen: Um nächsten Jahren theken führt. Erwartet werden Bibliotheken und Informationsein­­ positionieren. von Führungs­kräften Strate­ richtungen managen zu können, gien und Konzepte, wie sich werden den Studierenden im Bachelor­ Bibliotheken in den nächsten Jahren studiengang BIM in den Seminaren positionieren. Dabei müssen Biblio­ »Dienstleistungsmanagement I und II« theken mehr denn je zeigen, was ihren betriebswirtschaftliche Grundlagen Mehrwert ausmacht, was ihr Allein­ vermittelt. Um darüber hinaus der stellungs­merkmal ist und wie der Anforderung, Bibliotheken strategisch Erfolg ihres Handels mit an den auszurichten, nachkommen zu Katarakt aus Büchergeschossen: Neues strategischen Zielen ausgerichteten können, lernen die Studierenden in Zentralgebäude der Stadtbibliothek Kennzahlen gemessen werden kann. dem Seminar Stuttgart am Mailänder Platz

38 Einblick blick 39 »Informationscontrolling« geeignete durch Social Media-Aktivitäten, Digi­ Kommunikation und Beteiligung Geschäfts­ideen, wie ein Businessplan Methoden und Verfahren (zum Bei­ talisierung und eine stetig wachsende erörtert und gemeinsam erarbeitet. erstellt wird, wie der Markt analysiert spiel SWOT-Analyse und Balanced Zahl von Veranstaltungen ergeben, Die Bedeutung von Führungsgrund­­ und wie das eigene Unternehmen Scorecard) kennen und anzuwenden. begegnet werden können – dies alles sätzen, Leitbildern und einer organisiert werden kann. Hier spielen Inhalte dieses Seminars reichen von vor dem Hintergrund des demogra­­ fehlertoleranten, unterstützenden neben den Kriterien für die Wahl des der strategischen bibliotheks- bzw. fischen Wandels und der Generation Y. Unter­nehmenskultur werden hervor­ Standortes und die Wahl der Organisa­ unternehmensweiten Planung über Zunächst lernen und üben die ge­hoben, bevor weitere Instrumente tionsform auch die möglichen Rechts­ die Entwicklung und Priorisierung von Stu­dierenden, wie Personalbedarf des Change-Management vorgestellt formen eine große Rolle. »Risiko­ Projekten und Maßnahmen, um diese geplant wird, wie und wo freie Per­ werden. Auch die Unterstützung durch management« wird ebenso besprochen Ziele zu erreichen, bis hin zu Kenn­ sonalstellen zielgerichtet ausgeschrie­­ externe Berater sowie Möglichkeiten wie die relevanten Grundlagen dazu, zahlen und einem aussagekräftigen ben werden können und wie das zur Messung des Erfolgs von Change- wie ein Finanzplan zu erstellen ist. Berichtswesen. In diesem Seminar passende Personal anschließend aus Management-Maßnahmen werden Zum Ende des Seminars werden werden von den Studierenden im den Bewerber/innen ausgewählt und thematisiert. Aspekte des Controllings vermittelt. Rah­men von praktischen Übungen eingearbeitet sowie integriert und Personalführung: Im Master­ Ergänzend hierzu werden im Master realistische strategische Ziele und gehalten wird. studium IMB wird das Thema Seminare mit den Themenschwer­­ Maßnahmen für Bibliotheken, aber Aber auch auf Personalent­ ­lassun­ »Personalführung« weiter vertieft.­ In punkten »Qualitätsmanagement« und auch Verlage entwickelt. gen werden die Studierenden vor­ diesem Seminar erfahren und »Wissensmanagement« angeboten. Medien- und Benutzerforschung: bereitet. Hier geht es nicht nur um die üben die Studierenden in Markenkommunikation: Die Studierenden Bibliotheken müssen stärker als bisher rechtlichen Grundlagen, sondern auch Form von Aufgaben und Markenkommunikation kann Unter­ spielen in die Wünsche und Bedürfnisse ihrer um den sensiblen Umgang mit dem zu Rollenspielen, welche nehmen wie Bibliotheken dabei Kleingruppen aktiven sowie potenziellen Nutzer/ entlassenden sowie dem verbleiben­ Anforderungen Führungs­ unterstützen, ihr Image zu profilieren beispielhafte innen kennen und berücksichtigen,­ den Personal. Es folgen Grundlagen kräfte zu erfüllen haben, und Legitimität zu bewahren, die große Verände- weshalb unsere Studierenden­ im der Personalführung in Abgrenzung bezogen auf Fach-, Methoden-, Bekanntheit ihrer Angebote zu stei­ rungen durch Seminar »Medien- und Benutzerfor­­ zum Managen unter Berücksichtigung Sozial- und Selbstkompetenz; gern und die Nachfrage nach diesen zu und wenden schung« Sekundär- und Primär­ von Teambuilding. aber auch, welche dieser erhöhen. Dabei versteht sich Change-Manage- forschung und hier die grundlegenden­ Change-Management: Im Kompetenzen erlernbar sind Markenkommunikation insgesamt als ment-Methoden qualitativen und quantita­ tiven­ Bachelorstudiengang BIM gibt es im und welche nicht. Sie lernen, 360-Grad-Kommunikation, die praktisch an. Forschungsmethoden kennenlernen.­ Wahlpflichtbereich die Möglichkeit, welche verschiedenen Rollen Kommunikationsinstrumente strate­­ Neben dem Fragebogen als quantiative sich mit dem Management von großen eine Führungskraft einneh­­ gisch und taktisch nutzt und aufeinan­­ Methode kennen sie am Ende des Veränderungen, wie sie in Bibliothe­­ men muss, sind vertraut mit der bezieht. In den Seminaren »Unter­ Semesters die qualitativen Methoden ken beispielsweise durch die Kommunikationsgrundlagen­ und nehmenskommunikation« und »Interview«, »Gruppendis­ kussion«,­ Digitalisierung, durch Fusionen und -theorien und kennen sich insbeson­ »Interne und Externe Kommunikation« »Beobachtung« sowie »Experiment«­ Schließungen­ oder durch die Imple­ dere mit den Vorausset­ ­zungen für und werden die grundlegenden Konzepte, und können diese bereits während des men­tierung von Total-Quality- dem Gewinn durch eine wertschätzen­ Methoden, Modelle und Handlungs­ Seminars und später im Laufe des Management auftreten, zu beschäf­ de Kommunikation aus. Auch kennen felder anhand von Fallstudien, Übun­ Studiums im Rahmen von Projekten tigen. Im Seminar »Change-­Manage- sie die verschie­denen Arten von gen, Best Practice zur Marken­ und beim Forschen für ihre eigenen ­ment« werden nicht nur die theo­ Sachgesprächen (zum Beispiel Vor­ entwicklung und -führung sowie zur Bachelorarbeiten anwenden. retischen Inhalte vermittelt und mit stellungsgespräche, regelmäßige Markenkommunikation erarbeitet Personalmanagement: Bereits im praktischen Beispielen ergänzt, Arbeitsbesprechungen, Beurteilungs-, und in den Wahlpflichtmodulen Bachelorstudium werden sondern die Studierenden spielen in Krankenrückkehr- sowie sowohl in den Bachelorstudiengängen unsere Studierenden auf eine Kleingruppen beispielhafte große Kündigungsgespräche). Ebenso sind als auch im Masterstudiengang IMB Bereits im mögliche Rolle als Führungs­ Veränderungen durch und wenden die Studierenden mit Konflikt­ vertieft. In den Seminaren werden Bachelorstudium kraft vorbereitet. Gerade in Change-Management-Methoden moderation vertraut und wissen, wie Kenntnisse erarbeitet, um Zielgruppen werden unsere öffentlichen und wissenschaft­ praktisch an. Nach den Phasen des solche Gespräche zu führen sind und Kommunikationsbedarfe zu Studierenden lichen Bibliotheken muss der Change Managements, der Relevanz – und ab wann Hilfe von außen hinzu­ identifizieren, Kommunikationsziele auf eine mög- Reduzierung von Personal bei von Change-Managern sowie mög­ gezogen werden muss. und -strategien zu entwickeln und in liche Rolle gleichzeitig zusätzlichen lichen Widerständen von Mitarbeiter/ Unternehmensführung: Kommunikationsinstrumenten als Führungs- Aufgaben und neuen Anfor­ innen und Führungskräften gegen die Im Seminar »Unternehmensführung« umzusetzen sowie Kommunikations­ kraft derungen an die Mitarbeiter/ Veränderung werden die Erfolgs­ im Master IMB erlernen die Studieren­­ erfolge auf der Grundlage von vorbereitet. innen, die sich zum Beispiel faktoren Information, den anhand selbst gewählter Kennzahlen und Erhebungen zu

40 Einblick Einblick 41 analysieren. Darüber hinaus journalistischer Berichterstattung als kommt es darauf an, die auch mit der hohen Reichweite von Markenkommuni- Grundlagen der Technik der Massenmedien begründet werden. kation kann Markenkommunikation zu Public Affairs beschäftigt sich primär Unternehmen wie ken­nen und anwenden zu mit der Kommunikation im politi­­ Bibliotheken können. schen Raum, aber auch mit der Mobi­ dabei unterstüt- Online-Kommunikation lisierung von Mitstreitern zur zen, ihr Image und Portale: Insbesondere bei Durchsetzung von Interessen (Public zu profilieren digitalen Informationsdienst­ Campaigning und Grassroots- und Legitimität leistungen von Bibliotheken Lobbying). zu bewahren, die wie für Medienunternehmen Fundraising: Fundraising ist vor Bekanntheit kommt der Online-Kommu­ allem für Non-Profit-Einrichtungen ihrer Angebote nikation eine herausragende relevant und richtet sich an poten­ zu steigern und Stellung zu. Dabei ist das zielle Ressourcengeber, die – über die die Nachfrage Portal oder die Unterneh­­ öffentliche Finanzierung hinaus – zur nach diesen zu menswebsite nicht nur Realisierung von Zielen und inno­ erhöhen. Kommuni­ ka­ tions­ -, sondern vativen Angeboten beitragen können. weitgehend auch Distribu­ Mediawerbung: Mediawerbung tions­kanal und muss alle potenziellen zielt vor allem auf die Imageprofi­ Zielgruppen­ erreichen. lierung von Unternehmen wie von Steigerung von Sichtbarkeit: Organisationen und ihren Angeboten Suchmaschinen sind Gatekeeper im sowie auf die Erhöhung ihrer Bekannt­ Web. Damit digitale Angebote im Web heit und Steigerung der Nachfrage gefunden und nachgefragt werden, nach Angeboten ab. Institutionelle kommt Suchmaschinenoptimierung, Mediawerbung hat dabei einen engen Suchwortvermarktung sowie der Bezug zur Öffentlichkeitsarbeit und strate­gischen Positionierung von digi­ richtet sich nicht ausschließlich an taler Information im Internet durch Kunden, sondern an alle Interessen­ Seman­tic-Web-Technologien eine hohe gruppen. Bedeutung zu. Die weiteren Kommuni­­ E-Mail-Marketing: E-Mailings und kationsinstrumente sind spezifischer­ Newsletter sind vor allem Instrumente an den verschiedenen Zielgruppen­ von der Beziehungspflege und Kunden­ Bibliotheken und Medienunterneh­­ bindung, eignen sich im Rahmen von men ausgerichtet. Kampagnen darüber hinaus aber auch Interne Kommunikation: Ohne zur Akquise von neuen Abonnenten eine gut funktionierende interne und Kunden. Kommunikation ist eine erfolgreiche Kommunikation in sozialen externe Markenkommunikation nicht Medien: Einen großen Raum nimmt denkbar. Interne Kommunikation und die Kommunikation in sozialen die Gestaltung einer agilen Unter­ Medien ein, die auch die mobile nehmens­kultur bilden gerade Kommunikation miteinbezieht. angesichts der hohen Veränderungs­ Social-Media-Kommunikation ist dynamik die Basis für die externe aufgrund der Dynamik und Viralität Markenkommunikation. digitaler Öffentlichkeiten ein heraus­ Medienarbeit und Public Affairs: forderndes Feld, das die Paradigmen Medienarbeit richtet sich in erster der klassischen Unternehmens­ Linie an redaktionelle Medien und in kommunikation auflöst. In den digi­ zweiter Linie an die Öffentlichkeit. talen Web-2.0-Arenen spielen

Dokk1, öffentliche Bibliothek Dabei kann die Relevanz der Medien­ Netzcommunitys nach anderen im dänischen Aarhus arbeit sowohl mit der Glaubwürdigkeit Regeln. Journalisten und traditionelle

42 blick Einblick 43 Meinungsführer erfahren als Gate­ Informationsökonomische Themen rund um das Informations­ keeper durch soziale Medien einen und dienstleistungsspezifische­ marketing finden dabei weitgehend Bedeutungs­verlust. Unabhängig von Grundlagen: Für die Vermarktung im Master statt. Alter, Beruf und Status treten mit von Medien und von Informations­ Bloggern und Influencern in sozialen dienstleistungen ist dabei ein grund­ Unsere Studiengänge bereiten Medien neue Meinungsführer auf, die legendes Verständnis der besonderen Studierende nicht nur auf die durch ihr Eigeninteresse an Themen Merkmale von Medien- und Infor­ klassischen Aufgaben in Bibliotheken ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit­ mationsdienstleistungen relevant. oder in Informations- und Medien­ genießen und eine neue Qualität von Klassisches Marketing: einrichtungen vor, sondern geben Orientie­rung und Reichweiten Ausgehend von informationsökono­­ ihnen darüber hinaus alle notwen­ schaffen. Die Identifikation und mischen Konzepten und solchen des digen Kompetenzen zum Leiten eines Gewinnung von Influencern­ für die Dienstleistungsmarketings werden in Teams, einer Abteilung oder sogar Frauke Schade, geboren 1971 in Bad Interessen von Unternehmen und den verschiedenen Phasen des klassi­ eines gesamten Unternehmens mit Oeynhausen, studierte Bibliothekswe- Organi­sationen ist dabei nicht nur für schen Marketings Kenntnisse, auf den Weg. sen an der Hochschule für Biblio- den Aufbau und die Pflege eigener Methoden, Strategien und Konzepte thekswesen Stuttgart (heute HdM) und digitaler Reputation durch Word of anhand von Analysen, Übungen, Kulturmanagement am Institut Kultur- Mouth relevant, sondern auch für das Interviews, Fallstudien, Best Practice management der PH Ludwigsburg. Von Ranking von Suchmaschinen wichtig. sowie durch Projekte erarbeitet und in 1996 bis 1999 leitete sie die Abtei- Neuere Handlungs­felder, wie cross­ weiteren Wahlverstaltungen des lung Öffentlichkeitsarbeit und mediale Kampagnen, Storytelling, Masters vertieft. Werbung, Veranstaltungen und Ausstel- Crowdsourcing, Personalisierung,­ Schwerpunkt Milieu- und lungen in der Stadtbibliothek Reut- hybride Werbe­formate oder Lebensstiltypologien: lingen; danach war sie Referentin für Bewegtbild-Kommunikation, werden Erfolgsentscheidend für Marketing ist Medienkultur der Stadt Reutlingen und immer dort aufgegriffen, wo sie in eine genaue Kenntnis der Zielgruppen Kommunikationsberaterin des an der einen sinnvollen Zusammenhang zu und ihrer Bedarfe. Vor dem Hinter­ Berliner Charité angesiedelten über­geordneten Themen der grund der Multioptionalität, Hetero­ bundesweiten Kompetenznetzes Schlag- Markenkommunikation gestellt genität und hohen Veränderungs­ Petra Düren, Jahrgang 1969, studierte anfall. Seit 2006 ist Frauke Schade werden und kanalspezifische­ dynamik der Gesellschaft stellt sich Betriebswirtschaftslehre an der Professorin für Informationsmarke- Synergien in der Kommuni­ dies als herausforderndes Feld dar. Universität des Saarlandes in Saar- ting, PR und Bestandsmanagement am kation genutzt werden Einen Schwerpunkt der Seminare brücken und der Turku School of Neuromarketing, Department Information der HAW Ham- können. bilden deshalb Milieutypologien sowie Economics and Business Administration Emotion-Selling, burg. Seit 2013 ist sie Vorsitzende Informationsmarketing: die Marktsegmentierung auf der in Turku (Finnland). Nach Tätigkeiten Cross-Media- der Konferenz der informations- und Erfolgreiches Marketing hat Grundlage eigener empirischer im Controlling der VGH und der Stadt- und Content- bibliothekswissenschaftlichen Aus- das rich­tige Gespür für Markt, Erhebungen sowie mittels Markt- und sparkasse Hannover arbeitete sie von Marketing und bildungs- und Studiengänge (KIBA) des Zeitgeist und Trends. Im Media-Studien. 2000 bis 2009 als kaufmännische Open Innovation Deutschen Bibliotheksverbands sowie Ringen um Aufmerksamkeit­ Neue Marketing-Trends: Im Leiterin und stellvertretende Direk- sind nur einige der Ausbildungssektion der DGI. versteht sich Marketing heute Marketing zeichnet sich jedoch auch torin an der TIB/UB Hannover. Neben- Marketing- als »universelles Konzept der eine Trendwende ab – weg von beruflich promovierte sie an der Trends, die auf Beein­flussung und als Sozial­ klassischen Marketingstrategien, hin Wirtschaftswissenschaftlichen Fakul- die zunehmende technik«, wobei es nicht mehr zu neuen, oftmals überraschenden tät der Leibniz Universität Hannover Zersplitterung, nur um die plakative Konzepten und Kampagnen: und hatte Lehraufträge an der HAW aber auch auf Vermarktung von Produkten Personalisierung, Neuromarketing, Hamburg sowie eine Vertretungsprofes- die Netzwerk- und Dienstleistungen geht, Emotion-Selling, Cross-Media- und sur an der Fachhochschule Hannover entwicklung der sondern darum, gesellschaft­ Content-Marketing und Open Innova­ inne. Nach einer Dozentur für Wirt- Gesellschaft liche Brüche, Tabuzonen und tion sind nur einige Marketing-Trends, schaftswissenschaften an der Berufs- reagieren und Wertewandel auszu­loten und die auf die zunehmende Zersplitte­ akademie Weserbergland e. V. in Hameln in den Semina Ideen zu verbreiten. rung, aber auch auf die Netzwerkent­­ ist Petra Düren seit März 2010 Pro- ren aufge- wicklung der Gesellschaft reagieren fessorin für Betriebswirtschaftslehre griffen werden. und in den Seminaren aufgegriffen für die Informations- und Dienst­ werden. Die Veranstaltungen zu leistungsbranche an der HAW Hamburg.

44 Einblick Einblick 45 Text: Steffen Burkhardt Hamburg hat unter der Schirmherr­­ Fotos: Paula Markert schaft des deutschen Bundesministers des Auswärtigen eine ganze Generation von Korrespondentinnen Der Studiengang Bibliotheks- und Social Media und Korrespondenten hervorgebracht, Informationsmanagement ist für mich … die aus China und aus Deutschland und die für die größten TV-Sender, Radiosta­­ tionen, Zeitungen, Zeitschriften und Trans­forma­ Online-Medien ihrer Heimatländer­ … ein einschnei- berichten. Ihre sachkundige und tion von fundierte Bericht­erstattung bedeutet Öffentlich- eine bessere Informationsqualität. Sie dendes Erlebnis baut Brücken zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen und bietet keit im Fluid schnelllebiger Konversations­ Hochschule der Vernetzung: Das ströme Orientierung. Im Zeitalter der für jeden International Media Center (IMC) Globalisierung von Öffentlichkeit hat sich zu einer führenden Einrich- durch Internetkommunikation ist tung für den interkulturellen Journalismus die zentrale Informa­ Studenten, Austausch in den Bereichen Medien tions­instanz einer Weltgesellschaft, und Kommunikation entwickelt. die sich selbst beobachten und Und auch im Masterprogramm des beschreiben muss, um Verständigung neuen Competence Center Communication zu ermöglichen. Mit dem Internet als der sich für (CCCOM) am Department werden bald technischem Medium, als globalem Gestalter des digitalen Wandels Informationskanal. ausgebildet. Informations- Informationsspezialisten gesucht Wenn Pegidisten in nationalen Social- Media-Foren die »Lügenpresse« skan­ dalisieren, Geflüchtete als Terroristen wissenschaften diffamieren und Migranten als »Sozialschmarotzer« etikettieren, dann braucht es Informationsspezialisten, interessiert. »Gerade in Zeiten, in denen Nationa­ die dem Getöse Fakten entge­ ­gen­ lismus und Populismus in vielen setzen: Journalisten, die in der Lage Regionen unserer Welt wieder auf dem sind, in komplexen Datenbeständen Vormarsch sind, ist eine sachkundige­ zu recherchieren und das Komplexi­ und fundierte Presseberichterstattung­ tätsniveau­ gesellschaftlicher unerlässlich«, schreibt Frank-Walter Zusammenhänge für die kognitiven Steinmeier in der soeben Fähigkeiten und psychischen erschienenen Bedürfnisse ihres Publikums aufzu­­ Wenn Pegidisten Abschlussdokumentation des bereiten. Dokumentare, die die »Lügenpres- Programms »Medienbot­ vermeintliche Fakten kritisch prüfen. se« skandali- schafter China – Deutschland«. Informationsmanager, die die sieren, braucht Dieses journalistische Ergebnisse journalistischer Arbeit in es Informations- Austauschprojekt am Inter­ ökonomisch tragfähigen spezialisten, national Media Center (IMC) Zusammenhängen publizieren und in die dem Getöse im Department Information Verlagshäusern, Rundfunkanstalten Fakten entgegen- der Fakultät Design, Medien und anderen Medieninstitutionen setzen. und Information der HAW erfolgreich absichern. Es braucht

46 blick Einblick 47 Bibliothekare in wissenschaftlichen Deutschland« die Presse- und Mei­ an das jüdische Leben in sammeln. Die Studierenden der Fakul­­ und öffentlichen Bibliotheken, nungs­freiheit in Deutschland und im Nazi­deutschland und lassen tät DMI können nicht nur als Stipen­ Mithilfe von die Wissenswelten erschließen und Ausland. Die Förderung des IMC setzt Überlebende davon berichten, diatinnen und Stipendiaten von den digitalen ihre Häuser so führen können, dass bereits beim Mediennachwuchs an: wie sie ihr Leben in den Ver­ Programmen des IMC lernen, sondern­ Erzähltechniken nicht nur Fachöffentlichkeiten, Studierende des Departments einig­ten Staaten neu auf­ auch im Unterricht außerhalb inter­ erstellten die sondern viele Bürger auf die Informa­ Information im Bereich Medien und gebaut haben. »The Memory nationaler Austauschprojekte. Immer Teams ein tions­angebote zugreifen, die ein Kommunikation haben die Mög­ Archives« spannt so einen wieder kommen auf Einladung des Archiv der differenziertes­ Verständnis der Welt lichkeit, im Rahmen ihres Studiums Bogen zwischen den IMC renommierte Gäste von den Erinnerung an ermög­lichen. Internetspezialisten, die an den internationalen Stipendien­ Partnerstädten Chicago und besten Medienhäusern der Welt an die das jüdische valide Informationen durch optimier­ ­te programmen des IMC teilzunehmen. Hamburg. Die Projektergeb­­ HAW Hamburg und bereichern mit Leben in Nazi-­ Suchverfahren besser zugänglich und Seit seiner Gründung hat das IMC nisse wurden 2015 in die ihrem Wissen aus anderen Kultur­ deutschland und nutzbar machen. Hierfür sind mehr als 200 Stipendien vergeben. Zu stän­dige Sammlung des United räumen das Studium auf unserem lassen Überle- aufgrund der digitalen Transformation den Kooperations­partnern zählen States Holocaust Memorial­ Mediencampus mit Vorträgen und bende davon von Öffentlichkeiten interdisziplinäre führende Universitäten wie die Museum in Washington­ DC Hintergrundgesprächen. berichten, wie wissenschaftliche, technologische und Columbia Graduate School of Jour­ aufgenommen. sie ihr Leben gestalterische Schnittstellenkom­­ nalism in New York, die Medill School Unabhängige Forschung in den Verei- petenzen erforderlich, wie sie in der der Northwestern University in Interkulturelles Verständnis In seiner Arbeit ist das IMC sowohl nigten Staaten Fakultät Design, Medien und Chicago, die School of Journalism and Interkulturelle Kommuni­ politisch als auch konfessionell neu aufgebaut Information ausgebildet werden. Mit Communication der Tsinghua Uni­ kation ist ein zentraler unabhängig und dem Gemeinwesen haben. dem Ergebnis einer Vielfalt an versity in Peking und die Staatliche Bestandteil von erfolgreichen verpflichtet. Seine Forschungsarbeit Informations- und Kommunikations­ Universität St. Petersburg in Russland. Karrieren in den globalen folgt den Standards für gute aufgaben, die weitaus mehr umfasst Studierende der Fakultät DMI konnten Arbeitszusammenhängen von Medien- wissenschaftliche Praxis der Deut­ als die hier im Kontext der Transfor­­ gemeinsam mit ausländischen und Kommunikationsberufen. In den schen Forschungsgemeinschaft (DFG) mation von Öffentlichkeit skizzierten Studierenden Informationen sammeln internationalen Austauschprogram­ und kooperiert eng mit den aus­ Anwendungsfelder. und journalistisch aufbereiten. men des IMC werden daher nicht nur gezeichneten Wissenschaftlern an der Gemeinsam haben sie die Online- die fachlichen Kompetenzen im HAW Hamburg und anderen Hoch­ Internationalisierung des Studiums Plattform »Flight for Life« über Vertrei­­ Bereich Medien, Kommunikation und schulen. Als Projekt mit gemeinnützi­­ Mediale Kommunikation ist mit Blick bung, Flucht und Integration ent­ Information der Studierenden gen Zielen tritt es uneinge­ ­schränkt für auf die Gesellschaft ein elementares wickelt und mit gut recherchierten gefördert, sondern auch ihr interkul­ den universellen Anspruch auf eine Arbeitsgebiet der Informations­ Multimedia-Geschichten produziert. turelles Verständnis gestärkt. Das gilt soziale und internationale Ordnung vermittlung. Das Department Informa­ insbesondere für nichtwestliche ein, in der die Rechte und Freiheiten tion hat daher einen seiner Studien­ »The Memory Archives« Kooperationen wie unseren Austausch so verwirklicht werden können, wie schwerpunkte im Bereich Medien und Ein anderes Projekt, das beispielhaft in Afrika. Wenn Studierende aus sie die Vereinten Nationen in ihrer Information und fördert die für die erfolgreiche Nachwuchs­ Deutschland gemeinsam mit Studie­ All­gemeinen Erklärung der Menschen­ Internationalisierung des Studiums förderung des IMC ist, sind die Archive renden aus Tansania ein journa­ rechte deklariert haben. Dies mag aus nicht nur durch Auslandsaufenthalte, der Erinnerung, »The Memory listisches Produkt erarbeiten, werden deutscher Perspektive pathetisch sondern auch durch internationale Archives«. Dieses Stipendienprogramm sie schnell mit historisch unterschied­ klin­gen, gewinnt aber bei Koopera­ Studienprojekte. Hierbei profitiert es ist eine eingehende Untersuchung lich tradierten Rollenkonzepten tions­gesprächen in vielen Ländern der von dem 2010 von mir ins Leben eines der schrecklichsten Verbrechen konfrontiert. Die Weiterentwicklung Welt – etwa, wenn es um Frauenrechte gerufenen International Media der letzten 100 Jahre. Es ist eine und Veränderung geschichtlich geht – eine sehr konkrete Bedeutung Center. Das IMC hat sich zu Zusammenstellung der Erinnerungen bedingter Kontexte durch Dialog und und ist ein klares Selektionskriterium Seit seiner einer führenden Einrichtung von Überlebenden des Holocaust und Annäherung ist die wichtigste Voraus­ für die Auswahl von Projektpartnern. Gründung hat für den interkulturellen ihrer Nachkommen, aufgeschrieben, setzung für das Gelingen der das IMC mehr Austausch durch Forschungs-, aufgezeichnet und erzählt von 20 Zusammenarbeit. Studierende des Hochschule 4.0 – Das Competence als 200 Entwicklungs- und Studenten des Departments Informa­ Departments Information, die mit Center Communication (CCCOM) Stipendien Austauschprogramme in den tion an der HAW Hamburg und der Studierenden der Journalism School Die Internetkommunikation hat nicht vergeben. Bereichen Medien und Medill Journalism School der North­ der University of Dar es Salaam ein nur die Internationalisierung von Kommunikation entwickelt. western University. Mithilfe von Hörbuch für die Landeszentrale für wirtschaftlichem, politischem und Es fördert nicht nur in Projekten wie digitalen Erzähltechniken erstellten politische Bildung produzierten, auch kulturellem Austausch, letztere »Medienbotschafter China – die Teams ein Archiv der Erinnerung konnten diese wertvolle Erfahrung vor allem durch soziale Medien,

48 Einblick Einblick 49 beschleunigt und ausdifferenziert, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft son­dern auch die nationalen und schaffen. Das CCCOM übernimmt dazu loka­len Öffentlichkeiten im Privat­ vier zentrale Aufgabenbereiche für die leben der bürgerlichen Gesellschaft HAW Hamburg: und ihren Produktionszusammen­ Erstens stellt es mit dem »HAW hängen verändert. Diese Entwicklung Newsroom« eine Kommunikations­ zur Netzwerkgesellschaft ist allum­ plattform bereit, in der mit studenti­­ fassend und macht selbstverständlich schen Social-Media-Reportern Berichte nicht vor den Toren einer Hochschule über das HAW-Präsidium, die Hoch­ halt. Die HAW Hamburg hat heute schul­verwaltung, die Fakultäten sowie medial anders sozialisierte Studie­ über andere Competence Center pro­ rende als vor 20 Jahren respektive zu duziert werden. Das beinhaltetet Zeiten der Gründung der bibliothe­­ multimediale Berichte über Neuigkei­­ karischen Ausbildung in Hamburg. Die ten an der HAW Hamburg mit Nach­ Studierenden sind der Schatz unserer richtenwert, Reportagen über außerge­­ Hochschule. Ihnen das selbstständig wöhnliche Projekte in der Lehre, angewandte wissenschaftliche span­nende Entdeckungen in der Arbeiten zu vermitteln, mit ihnen die Forschung,­ wegweisende Kooperatio­­ Diskurse der Fachgesellschaften zu nen und Führungskräfte an der HAW Drittens führt das CCCOM verbinden ein hoher Praxisbezug und hinterfragen und gesellschaftlich zu Hamburg sowie Interviews zu aktuel­ anwendungsorientierte­ Kommunika­­ die Möglichkeit, studiengangs­ verorten sowie ihnen die Zugänge in len Themen der Gesellschaft. Diese tionsforschung durch – mit einem übergreifende Projekte zu realisieren. die Berufswelt zu erleichtern gehört Medienerzeugnisse sind multimedial­ besonderen Fokus auf die Herausforde­ Studierende des Bachelorstudiengangs zu den schönen Aufgaben einer Hoch­ (d. h. zum Beispiel Video-Plattformen, rungen der Digitalisierung. Die Studie­ »Bibliotheks- und Informations­ schule für angewandte Wissen­ Text- und Bildberichte, Audio-Slide­ renden im Department Information manage­ments« entwickeln beispiels­ schaften. Soll diese Aufgabe gelingen, shows) und können von der Stabsstelle werden so an die zentralen Fachdis­­ weise gemeinsam mit Kommilitonin­­ muss sich die Hochschule an die Presse und Kommunika­ ­tion für die kurse herangeführt und lernen, sie nen und Kommilitonen des veränderten Rahmenbedingungen der weitere Öffentlich­keitsarbeit der HAW durch selbstständig durchgeführte Bachelor­studiengangs »Medien und Netzwerkgesellschaft anpassen. So wie Hamburg kosten­frei verwendet angewandte Forschung zu hinter­ Information« interaktive Bücher, die Unternehmenswelt dies mit der werden. Die Studie­ ­renden des Depart­ fragen. Ausstellungskonzepte, Marketing­ Industrie 4.0 getan hat. ments Information lernen so die Viertens organisiert das CCCOM kampagnen und Multimedia-Projekte. Wir haben daher ein Compe­ mediale Produktion von journalis­ Kommunikations-Events, die die In ausgewählten Projekten besteht tence Center Communication, tischen Inhalten in Abgrenzung zu Vernetzung der Hochschule mit der zudem die Möglichkeit des depart­ Die Hochschule kurz CCCOM, am Department Public Relations besser kennen. Digital- und Medienwirtschaft ver­ ments­übergreifenden Arbeitens; so muss sich an Information initiiert, das die Zweitens realisiert das CCCOM mit stetigen. Dadurch sollen die Zugänge zum Beispiel in dem jährlich gemein­ die veränderten HAW Hamburg als eine Hoch­ seinen Studierenden Kommunika­ der Studierenden zum Arbeitsmarkt sam mit den Departments Medien­ Rahmenbedin- schule der Vernetzung für die tions­projekte für die HAW Hamburg. erleichtert und wichtige Impulse aus technik und Design angebotenen gungen der digitale Gesellschaft unter­ In den Kommunikationsprojekten der Berufswelt für die Hochschule Modul »Innovation in Digital Story­ Netzwerkgesell- stützen soll. Es folgt der Idee, werden kommunikative Lösungen für katalysiert werden. telling«, in dem die Studierenden auf schaft anpas- dass Vernetzung durch Aufgaben gefunden, die vom Präsi­ die interdisziplinäre Projektarbeit der sen. So wie die Kommunikation entsteht. Die dium, der Hochschulverwaltung, den »Teaching Hospitals« Berufswelt vorbereitet werden. Von Unternehmens- Hochschule 4.0 muss daher Dekanaten der vier Fakultäten und Neue Arbeitsfelder erfordern neue der Vielfalt der Profilbereiche des welt dies mit neue Kommunikations­ den anderen Competence Centern Studienkonzepte. Das Department Departments Information ist auch der der Industrie strukturen entwickeln, die die angeregt werden. Die Studierenden Infor­mation wird hierzu in Ergänzung Masterstudiengang »Information, 4.0 getan hat. kommunikative Themati­­ lernen hierbei auftraggebergebundene zu seinen erfolgreich etablierten Medien, Bibliothek« geprägt: Er ermög­ sierung aller relevanten Informationsprozesse sowie die Studien­gängen – erstmals in Deutsch­ licht den Studierenden eine indivi­ Ereignisse und Entwicklungen sowohl ökonomischen Rahmenbedingungen land – die kompetenzorientierten duelle Spezialisierung in den innerhalb der Hochschule wie auch von Informationsberufen kennen. Lernbedingungen der »Teaching vielfältigen Kompetenzfeldern des am Hochschulstandort und in der Darüber hinaus werden sie im Hospitals« für Kommunikationsberufe Lehr- und Forschungspersonals. Gesellschaft für die Mitglieder der Projektmanagement und -marketing an der HAW Hamburg einführen. Alle Zahlreiche hervorragend ausgerüstete Hochschule und ihre Stakeholder in geschult. Studiengänge im Department Labore stehen für die Lehre und

50 Einblick Einblick 51 angewandte Forschung zur Verfügung. und die AV-Produktion, Debating Der neue Studiengang des Depart­ Am CCCOM werden Studierende und (Rhe­torik des Sprechens, Interviewens ments Information ist Inkubator und Lehrende im Department Information und Moderierens), Blogging und Social Thinktank für Informationsszenarien.­ ab Sommersemester 2017 im neuen Media, Content- Management, Er trägt durch die Ausbildung von Labor des »HAW Newsrooms« täglich Community­ -Management,­ CEO-Posi­ Gestaltern des digitalen Wandels zur Nachrichten aus der HAW Hamburg tionierung, Media- Coaching, Event- Förderung des Medien- und Wirt­ produzieren. Im neuen Master­ Manage­ ment­ und 360-Grad-Story­ schaftsstandorts Hamburg bei – und studiengang »Digitale Kommunika­ telling. Das Lehrbuch­wissen für mehr: Er soll das Bewusstsein für den tion« werden Studierende dann für die Kommunikations- und Informations­ Wert relevanter Informationen in sich Kommunikation in der digitalen berufe wird dabei im Praxiseinsatz wandelnden Medienöffentlichkeiten Gesellschaft ausgebildet. Er ist der hinterfragt und weiterentwickelt.­ sichern. Dieser Prozess muss freilich erste Master für digitale Kommunika­ Forschung und Lehre sind im global gedacht werden. Mit Unter­ tion, der in einem Teaching-Hospital- neuen »Lehrkrankenhaus« des Depart­ stützung des International Steffen Burkhardt, Jahrgang 1977, Modell realisiert wird. Vergleichbare ments Information unmittelbar Media Center werden inter­ Der neue forscht und lehrt als Professor für kompetenzorientierte Studiengänge miteinander verknüpft. Das CCCOM kulturelle Begegnungen und Studiengang des Medien– und Kulturtheorie, gibt es nur in der US- arbeitet inter­disziplinär in Lehre und Kollabo­rationen gefördert, die Departments Medienforschung und Medienkompetenz Journalistenausbildung.­ Forschung mit Fokus auf die unsere Studierenden auf die Der »HAW News- soll das Bewusst- an der HAW Hamburg. Schwerpunkte Der Studiengang »Digitale Digitalisierung der Gesellschaft. Auch heterogenen Öffentlichkeiten room« dient der sein für den seiner Studien sind die Themenfelder Kommunikation«­ fokussiert die Studierenden des kostenlosen von morgen vorbereiten. Entwicklung Wert relevanter Globalisierung und digitale Öffent­ besonders die Kommunikation Masters »Digitale Kommunikation« Frank-Walter Steinmeier hat und Erprobung Informationen lichkeiten, politische Kommunikation, in den so­zialen Medien und bringen Abschlüsse aus unter­ dies mit Blick auf die Alumni neuer Kommuni­ka- in sich wandeln- Journalismus und Social Media. digitalen Öffentlichkeiten: schiedlichen Fächern mit, sodass das unseres China-Programms tionsszenarien den Medien- Burkhardt studierte Sozialwissen­ Warum funktioniert Themen­feld Digitalisierung aus treffend auf den Punkt im Unternehmen öffentlichkeiten schaften, Kulturgeschichte und Kommunikation heute anders unter­ schiedlichen­ fachlichen Per­ gebracht: »Es sind die 4.0. sichern. Kulturkunde an der Universität als früher? Warum kann ich spektiven reflektiert wird. Erfahrungen – der neue Blick Hamburg, an der er mit einer Studie heute nicht so kommunizieren auf das Fremde und über Medienskandale promovierte. wie früher? Kommunikationsstrate­ Inkubator und Thinktank für gleichzeitig auch auf sich selbst, die Heute leitet er das International gien und Kommunikationsnetzwerke,­ Informationsszenarien unschätzbar wertvoll sind.« Media Center (IMC), eines der Innovationen in interner und externer Die Studierenden arbeiten im ersten führenden Institute für interna­ Kommunikation,­ Evaluation/Control­ Studienjahr als Social-Media-Reporter tionalen Medienaustausch in der ling von Kommunikation sind für den »HAW Newsroom« unter Bundesrepublik Deutschland, und ist Schlüsselthemen des Studiengangs. Anleitung der assoziierten Professo­ Gründungsdirektor des Competence Der »HAW Newsroom« ist eine rinnen und Professoren des CCCOM Center Communication (CCCOM), dessen Lehrwerkstatt für Unternehmens­ und im engen Austausch mit der Masterprogramm im Sommersemester 2017 kommunikation am Beispiel des Stabsstelle Presse und Kommunika­­ startet. Seit 2014 hat Steffen »Unter­nehmens HAW Hamburg« in tion. Im zweiten Studienjahr Burkhardt zudem einen Lehrstuhl an einem professionellen Lab für realisieren sie am CCCOM vor ihrem der School of Law and Arts der Kommuni­kation über die Hochschule, Masterprojekt ein digitales Changsha University of Science and ihre Fakultäten und ihr Kommunikationsprojekt für die HAW Technology in Changsha (China) inne. Wirken in Gesellschaft, Stadt Hamburg im Sinne der Hochschule 4.0 Das Lehrbuch- und Land. Er dient der (z. B. News-Service, Apps, Kommunika­ wissen für Entwicklung und Erprobung tionsplattformen) und ein digitales Kommunikations- neuer Kommunikations­ Kommunikationsprojekt für Unter­ und Informations- szenarien im Unternehmen neh­men aus Industrie und Medien­ berufe wird im 4.0. Zu den praktischen wirtschaft am Standort Hamburg. Die Praxiseinsatz Kompetenzen, die vermittelt Studierenden des in der Fakultät DMI hinterfragt werden, zählen die angebotenen Studiengangs »Digitale und weiterent- Grundlagen der Informations­ Kommunikation« erwerben so wickelt. beschaffung und Recherche, Schlüssel­kompetenzen für ein Zu­ das journalistische Schreiben kunfts­thema mit hoher Bedeutung.

52 Einblick Einblick 53 Interview: Mareike Lehmann, Nutzerrechte betrifft. Das ist hoch­ mit dem Thema konfrontiert worden. Da Karen Wiesener komplex – aber auch hochinteressant! ist mir klar geworden, dass man auch Fotos: Lukas Simon ohne Habilitation Fachhochschul­ Krauß-Leichert: Für mich als studierte professor werden kann – auch im Biblio­ Soziologin legt das Fach, das ich lehre, theksbereich. Es gab eine Annonce für Wandel die Grundlagen, um die eine Professur – und es hat aus dem Strukturen, die Systeme der Stand geklappt. Die Spielregeln in den Informations- und Biblio­ des Internet- theksbranche überhaupt Verch: Ich hatte mich anfangs sogar zeitalters zu Bibliotheken? kennen­zulernen. Struktur ist bewusst gegen eine Habilitation, gegen beherrschen ist bei diesem Fach wichtig – aber eine Forscherlaufbahn entschieden. Eine entscheidend. Den müssen das macht es auch so schwierig, Zeit lang habe ich in einem Institut im Medien, Bibliotheken, Literatur und weil man den Überblick über Vorstand gearbeitet. Das fand ich Sie Information – aber die Zugriffe sind das gesamte System »Bibliothek – einerseits sehr spannend, zum anderen höchst unterschiedlich. Information – Dokumentation« haben erschien mir das reine Forscherdasein zu voran- muss. Egal, ob es sich um öffentliche wenig praxisbezogen. Ich habe eine Krauß-Leichert: Im Vergleich zu oder wissenschaftliche Bibliotheken Doppelausbildung als Juristin und treiben! anderen Departments haben wir schon handelt, um Archive oder Dokumen­ Bib­lio­thekarin – und es in den ersten Ulrike Verch und Ute Krauß- immer projektorientiert unterrichtet. tationseinrichtungen: Alles gehört in Berufsjahren sehr genossen, etwas Leichert über aktuelle Forschungs- Wir waren die Ersten, die inter­ diesen Bereich, nicht zu vergessen die Praktisches machen zu können. Als projekte, die Zukunft der disziplinäre Projekte angeboten haben, komplexen Felder Bibliotheks- und Uni-Fachreferentin in Bielefeld bin ich Bibliotheken und ein Berufsbild, auch verpflichtend im Curriculum. Informationspolitik. per Zufall über die Stellenausschreibung das sich radikal ändert. der HAW gestolpert. Ich las, zweimal, Verch: Auch das Praxissemester zeichnet dreimal – und hatte das Gefühl: Die Haben Sie von Anfang an eine uns aus, das war mir selbst gar nicht so suchen genau mich! Fand ich natürlich wissenschaftliche Karriere bewusst. Bei den Designern gibt’s das sehr schön … angestrebt? nicht … Frau Verch, Frau Krauß-Leichert, Krauß-Leichert: Nein, ich habe das was zeichnet das Department Frau Verch, ihr Projekt nicht geplant. Das erste Mal bin ich als Information gegenüber anderen Sie unterrichten zu unter­ »Netzdurchblick« läuft seit 2009. Leiterin einer Fachhochschulbibliothek Departments der Fakultät aus? schiedlichen Themen, Urheberrecht Wie kam es dazu? und Nationale Informations­ Ulrike Verch Ulrike Verch: Rein formal sind wir das Verch: Ich muss gestehen, dass die strukturen. Was hat Sie dazu kleinste Department, wir haben deutlich ur­sprüngliche Idee gar nicht von mir bewogen, damit in die Lehre zu weniger Studenten als etwa die Designer, stammt, ich habe das Projekt quasi von gehen? wir haben die wenigsten Professoren … Hans-Dieter Kübler geerbt. Als er in den Verch: In meinem Fach hat sich das Ruhestand ging, hat er eine Adoptiv­ Ute Krauß-Leichert: Das ist nichts geradezu angeboten, weil es einfach ein mutter für sein Projekt gesucht. »Netz­ Negatives! ganz wichtiges Thema ist, von dem ich durchblick« ist ein Ratgeber, der hoffe, dass auch die meisten Studie­ Internet- und Medienkompetenz gezielt Verch: So wollte ich das auch nicht renden es spannend finden: Die an Jugendliche vermitteln möchte. Als sagen! Alles hat Vor- und Nachteile: Es ist Spielregeln des Internetzeitalters zu das Projekt 2009 startete, war der Ansatz natürlich manchmal schwieriger, sich als beherrschen ist nicht nur für die spätere noch ziemlich einzigartig. Eine weitere kleines Department Gehör zu ver­ berufliche Praxis entscheidend, diese Besonderheit: Die Texte werden nicht schaffen. Aber ich denke, wir müssen Regeln durchdringen auch den eigenen von professionellen Medienpädagogen uns in keiner Weise verstecken! Ich finde Alltag. Durch die rasante Entwicklung geschrieben, sondern von den Studieren­ sogar, dass wir das spannendste Depart­ der Technik müssen rechtliche den selbst – das gibt ihnen eine beson­ ment sind: Bei uns gibt’s eine große Rahmenbedingungen immer wieder neu dere Nähe zur Zielgruppe. Ein schöner Themenvielfalt, und die Kollegenschaft justiert werden – gerade was die Nebeneffekt: Für die Studierenden ist es ist relativ heterogen zusammengesetzt. Spannungsfelder zwischen Verlagen und eine tolle Erfahrung, auf diesem Weg Was uns eint, ist der enge Bezug zu Bibliotheken hinsichtlich der selbst ihre Medienkompetenz zu schärfen. 54 Einblick 55 Hand der Studierenden – für wird wichtig bleiben. Weiterhin. Dafür viele eine erste Feuertaufe in braucht es attraktive, zweckmäßige Es ist wichtig, Sachen Öffentlichkeitsarbeit. Gebäude, die Möglichkeit des Zusam­ immer wieder Wir freuen uns über viele mentreffens, der Kommunikation, des Leute aus Zuhörer, neue Gesichter, Lernens bieten. Außerdem muss das der Praxis Externe, die wir kennenge­­ Personal gut ausgebildet sein und auch einzuladen. lernt haben. Aber auch Alumni die Möglichkeit zur Weiterbildung kommen wieder zurück zum haben. Um das vorhalten zu können, Campus. Hinsichtlich der Resonanz in vielen Fällen kostenlos, braucht es von den eigenen Kollegen und finanzielle Sicherheit. Studenten ist noch Luft nach oben.

Für Sie ist das Modell Bibliothek, Krauß-Leichert: Wir haben viel in der Struktur und mit dem positives Feedback bekommen, etwa Angebot, wie wir es heute kennen vom Lesenetzwerk oder dem Börsen­ und schätzen, zukunftsfähig? verein des Deutschen Buchhandels. Es ist wichtig, dass wir auch jenseits der Krauß-Leichert: Wir hoffen natürlich, Hochschultüren Öffentlichkeit für dass die Politik in Zukunft investiert – unsere Themen schaffen. und dass Bibliotheken nicht nur neu Ute Krauß-Leichert entstehen, sondern auch entsprechend gerade einmal die Hälfte von ihnen umgebaut, modernisiert werden. Wo Frau Krauß-Leichert, Sie haben Informationseinrichtungen sind eine Bibliothek von innen gesehen! es attraktive Angebote gibt, steigen die eine Leseförderungs- und generell im Umbruch. Wo sehen Ihre Rechtschreib- und Lesekompe­ Nutzerzahlen, das ist erwiesen. Wirkungsforschungsstudie Sie Bibliotheken in fünf Jahren? tenzen haben sich in den vier Jahren durchgeführt. Welche Ergebnisse erstaunlich verbessert. Das setzt Verch: Diese Frage begleitet mich Verch: Unsere Fakultätsbibliothek ist fanden Sie besonders interessant? natürlich ein gutes Netz von dezen­ schon, seitdem ich meine Arbeit im das beste Beispiel: Wir waren uns Gab es etwas, was Sie überrascht tralen Stadtteilbibliotheken voraus Bibliothekswesen begonnen habe: einig, dass wir dieses Gebäude wollen – hat? und ist sehr personalaufwendig. Alles Lohnt es sich eigentlich noch, und es ist realisiert worden. Auch Krauß-Leichert: Es gab weniger in allem keine überraschenden Ergeb­ Bibliothekarin zu werden? gegen Widerstände. Die Nutzerzahlen Über­raschungen als bestätigte nisse – aber ein Fazit, das Biblio­ Inzwischen bin ich da ganz zeigen, dass das der richtige Weg war. Hoffnungen. Dass Leseförderung theken in den Gesprächen mit Politik entspannt, Ich denke, dass es Die Bibliothek möglichst früh einsetzen und und Verwaltung oder in ihrer Öffent­ ihn noch in 2000 Jahren als sinnlich Eine attraktive bauliche Hülle regelmäßig angeboten werden soll, ist lichkeitsarbeit Mut machen sollte. Bibliotheken geben wird. Klar, erfahrbarer Ort ist aber nicht alles? bekannt. Unsere Studie hat sich ja sie werden sich von den wird wichtig speziell mit in und von Bibliotheken heu­tigen unterscheiden – aber Krauß-Leichert: Es kommt sehr stark Gerade findet die Ringvorlesung bleiben. durchgeführte Leseförderungs­­ Bibliotheken müssen sich auf das Engagement der Mitarbeite­­ »Neues Lesen« statt. Mit welchen aktivitäten beschäftigt – und wandeln, davon bin ich über­ rinnen und Mitarbeiter an, egal, ob Am Ende unser Erwartungen sind Sie angetreten? hier ist es leider oft üblich, zeugt! Ich bin nicht im Besitz einer öffentliche oder wissenschaftliche Studie hatten dass Schulklassen, wenn’s Verch: Wir wollten auf unserem Glaskugel, aber sicherlich werden Bib­lio­thek. Man muss im Vergleich mit 90 Prozent der hoch kommt, einmal im Jahr Campus etwas Spannendes bieten, mit Bibliotheken weiterhin als Arbeitsort der Konkurrenz bestehen, agil sein, Kinder einen gemeinsam eine Bibliothek tollen Gästen. Es ist wichtig, immer wichtig – und technologisch auf Höhe um nicht unterzugehen, das gilt für Bibliotheks- besuchen. Viel wichtiger ist es wieder Leute aus der Praxis ein­ der Zeit sein. Bibliotheken sind ein Institutionen mit internationaler ausweis! doch, dass man durch zuladen, für die Studierenden ist öffentlicher Ort mit breitem Angebot, Ausstrahlung wie für die kleine Stadt­ Regelmäßigkeit Nachhal­ dieses externe Know-how entschei­ von Information und Wissensvermitt­­ teilbibliothek. Das ist ja auch Ziel tigkeit erreicht. Am Ende unserer dend. Unser letzter Gast hat beispiels­ lung bis zur Befriedigung von Unter­ unserer Ausbildung: dass aus Ihnen vierjährigen Studie hatten 90 Prozent weise über E-Book-Flatrates aus Ver­ haltungsbedürfnissen. Absolventen werden, die sich auf dem der beteiligten Grundschulkinder­ lags­sicht erzählt, da ist momentan Markt gegenüber Politikern oder einen Ausweis, es wurde für sie zur vieles im Fluss, und das war sehr sehr Krauß-Leichert: Es wird auch kommunalen Verwaltungen behaup­ Selbstverständlichkeit, in die aufschlussreich. Das Marketing rund virtuelle Bibliotheken geben, aber die ten können, dass Sie aus Ihrer Bibliothek zu gehen. Anfangs hatte um die Ringvorlesung liegt in der Bibliothek als sinnlich erfahrbarer Ort Einrichtung etwas machen können.

56 Einblick Einblick 57 Früher hat man gedacht: Irgendwie nem Abschluss ganz unterschied­ ­liche letztlich Sie vorantreiben! Wir können Ulrike Verch, Jahrgang 1970, war nach wird’s schon weitergehen. Diese Zeiten Berufswege einzuschlagen. Momen­ tan­ nur die Anreize geben. Gelebt werden ihrem Studium der Rechtswissenschaft sind vorbei, auch für Bibliotheken. gibt es ja in fast allen Bereichen­ recht muss er dann vor Ort, durch Sie, die in Kiel, Stockholm und Freiburg von Wir müssen auch laut für unsere gute Einstiegschancen. Das sah neue Generation. Und wenn ich mir 1994 bis 1999 am Max-Planck-Institut Belange trommeln. zwischenzeitlich schon mal schlechter noch etwas wünschen dürfte: Es wäre für ausländisches und internationales aus: In den Nullerjahren hat die schön, wenn Sie auch nach dem Strafrecht in Freiburg tätig. Nach Multimediabranche unglaublich ge­ Studium mit uns in Kontakt blieben. einem Bibliotheksreferendariat Uns interessiert, ob und wie sich boomt, und es gab fast keine arbeitete sie als wissenschaftliche die BIM-Studierenden im Laufe der Bibliotheksstellen – das hat sich zum Krauß-Leichert: Das Alumni-Netz­ Angestellte an der Fernuniversität Jahre verändert haben? Glück sehr gewandelt! werk könnte noch mehr mit Leben Hagen. Von 2004 bis 2007 war sie als Verch: Ich finde wir haben ganz tolle, gefüllt werden, ein echtes gegen­ Bibliotheksrätin an der Universität interessierte und hoch motivierte seitiges Geben und Nehmen. Es gibt Bielefeld beschäftigt; 2005 promo- Der Männeranteil unter den Studenten. Die Technikangst ist nicht die Möglichkeit, dass Absolventen zu vierte sie an der Humboldt-Univer­ Studierenden war lange gering. mehr so groß – und Vorträgen eingeladen werden, Projekte sität zu Berlin. Seit 2007 hat Ulrike Hat sich das geändert? inzwischen haben die BIMs mit uns durchführen oder als Lehr­ Verch eine Professur am Department Früher hat auch ein Handy (lacht). Krauß-Leichert: Er ist immerhin beauftragte zurückkommen. Das ist Information der HAW Hamburg inne; man gedacht: besser geworden als in meinen auch für uns wichtig; nur so können seit 2014 ist sie Prodekanin und Irgendwie Krauß-Leichert: Die Studie­ Anfangs­jahren. Früher waren Männer wir uns fortent­wickeln und wissen, Departmentsleiterin. wird’s schon renden sind aufgeschlossener im höheren Dienst in der Mehrheit, was die Praxis von uns weitergehen. geworden. Wenn der stille, in auch das hat sich geändert. Heute sind erwartet. Sie, die Absolventen, Diese Zeiten Den Wandel sich gekehrte, introvertierte immer mehr Frauen in Führungs­ sind dann ja die Praxis – und, Ute Krauß-Leichert, Jahrgang 1954, sind vorbei. müssen Sie Typ dem Klischee des positionen. Gott sei Dank! wenn es ideal läuft, unsere leitete nach ihrer Ausbildung zur vorantreiben! Bibliothekars entsprochen­ künftigen Koope­ Diplom-Bibliothekarin die wissen- Wir können nur haben soll, muss ich sagen: Es gibt ihn rationspartner. Das wäre die schaftliche Bibliothek des Zentral­ Was würden Sie Ihren Studierenden die Anreize zwar immer noch, aber man muss perfekte Win-win-Situation. instituts für Seelische Gesundheit mit auf den Weg geben? geben. schon lange suchen … (Mannheim). Nach einem Studium der Krauß-Leichert: Seien sie flexibel, was Soziologie und Politischen Wissen- Frau Verch, Frau Krauß-Leichert, Verch: Ich glaube, die hatte ich nie. den Berufswunsch und den Ort an­ schaften an der Universität Mannheim vielen Dank für das Gespräch! geht, an dem Sie arbeiten. Ganz viele war sie von 1984 bis 1987 am Euro- Krauß-Leichert: Ich habe ja 1995 Studierende wollen gern hierbleiben,­ pa-Institut der Universität Mannheim angefangen, das ist schon eine lange kann man ja verstehen. Aber: tätig. Nach einem Auslandsaufenthalt Zeit, die ich jetzt in der Lehre bin. Im Hamburg ist nicht der Nabel der Welt! in Spanien promovierte sie 1989 mit Laufe der Jahre gab es immer wieder Es ist eine Frage der Prioritäten: Erst einer Arbeit über »Implikationen des bestimmte Phasen, die sich abwech­ kommt der Job – und dann muss man Einsatzes der neuen Informations- und selten: Mal gab es ganz viele, die gucken, ob das örtlich passt. Und im Kommunikationstechnologien im Biblio- sagten, sie wollen nie in eine Biblio­ Zweifel auch mal umziehen. Werdet thekswesen der Bundesrepublik thek. Nachdem sie begonnen hatten, flexibler! Und versucht, schon im Deutschland«. Von 1991 bis 1995 Bibliotheks- und Informations­ Studium eine Art Netzwerk aufzubau­­ leitete sie die Bibliothek/Zentrale management zu studieren, en: Knüpfen Sie über Ihr Praktikum Dokumentationsstelle der Fachhoch- Heute sind konnte sich das um 180 Grad oder über Jobs Kontakte, nutzen Sie schule des Bundes für öffentliche mehr Frauen drehen. Die radikalen Pro- und Angebote, die wir Ihnen hier im Verwaltung (Mannheim/Schwerin). Seit in Führungs- Kontra-Aussagen gibt es so Studium anbieten – angefangen vom 1995 vertritt Krauß-Leichert als positionen. nicht mehr. Die Studieren­ ­den Besuch der Buchmessen bis zu Ex­ Professorin an der HAW Hamburg die Gott sei Dank! sind pragmatischer geworden, kursionen oder Auslandssemestern, Lehrgebiete Dienstleistungen im was ihre Berufswahl angeht.­ wenn das finanziell machbar ist. Informationssektor, Leseförderung und Sie schauen heute auch genauer auf Nehmen Sie so viel wie möglich mit! Informationsstrukturen. Von 2005 bis ihre Aufstiegschancen. Das finde ich 2014 war sie Prodekanin der Fakultät gut, deswegen versuchen wir, die Verch: Bleiben Sie engagiert, bleiben DMI und Leiterin des Departments Ausbildung so breit wie möglich Sie am Ball. Den Wandel, über den wir Information. anzulegen. So ist es möglich, mit sei­ gesprochen haben – den müssen

58 Einblick Einblick 59 Text: Ulrich Raulff gelebt; ich träumte nicht von Foto: Vincent Desjardins Urwäldern und Eisbergen. Il n’y a pas de hors-texte, las ich bei Derrida, es gebe kein Jenseits oder Außerhalb des Biblio- Texts. Ich war geneigt, das auch auf die Träger des Texts, das Buch und thek seine Sammlungen, auszudehnen. Für mich gab es kein Jenseits der als Schatzkammer des Wissens, Museum Bibliothek, jedenfalls kein sinnvolles, menschlicher Marotten: Bibliothèque sie war meine Umwelt, meine nationale de France, Paris Biotop eigenste Natur. Letzte Printtankstelle vor der Bibliotheken hatten an meinem Datenautobahn: Wer in den Siebzigern Weg gelauert wie hungrige Bestien, studierte, machte nicht nur die die wussten, dass ihnen leichte Beute Bibliothek zu seinem Lebensraum, winkte. Kaum auf dem Gymnasium sondern auch seinen Lebensraum zur angekommen, hatte mich schon der Bibliothek. Deutschlehrer in die Lehrerbibliothek verschleppt und in die Elemente der Katalogisierung eingeführt. Von mei­nen Mitschülern bedauert, sah ich selbst mich am Ziel geheimster Wün­sche angekommen und genoss die Freuden der freiwilligen Knecht­ schaft. Statt während der Pausen auf dem Hof spielen zu müssen, was für mich bedeutet hätte, mich von den stärkeren und gewandteren Jungs, also praktisch allen Mitschülern, ver­hauen zu lassen, durfte ich in der Stille der Lehrerbibliothek blasse Karteikarten mit meinen großen, noch ungelenken Buchstaben bede­­ cken, die Titel der Wälzer von Ranke Wenn ich über mein Leben nachdachte, ausbuchstabieren und mich ratlos schien es mir, als müsste es, rein durch die grünen Bände der Philo­ logisch gesehen, eine Zeit gegeben sophen in der Edition Meiner blättern. haben, in der ich nicht in der Biblio­ Nur selten störte ein Lehrer die Stille thek gelebt hatte. Aber so sehr ich der Bibliothek. Ich ließ meine Blicke auch grübelte, ich konnte mich nicht über die Rücken der ungelesenen an sie erinnern. Wenn Bücher laufen und fragte mich, ob es ich versuchte, mir ihnen wohl recht sei, wenn meine Bibliotheken eine Zeit vor den kleinen Finger sie aus ihrem hatten an meinem Büchern vorzustellen, Schlummer weckten und aufschlugen. Weg gelauert erschien sie mir nicht Meinem kindlichen Animismus zum wie hungrige wie ein goldenes, Trotz ahnte ich, dass es ihnen voll­ Bestien, sondern wie ein kommen gleichgültig wäre. Jahr­ die wussten, bleier­ nes­ Zeitalter. zehnte später las ich irgendwo, dass dass ihnen Schon immer hatte der Text den Leser nicht brauche. Dies leichte Beute ich Bücher geliebt war die Lehre der Lehrerbibliothek winkte. und in Bibliotheken gewesen.

60 Seitenblick blick 61 Mein Studium fand, nachdem die Labor, eine Versuchsanlage. In ihr lie­ braun, resedagrün. Die Ravinen be­ gern als Postmoderne beschrieb. Auch an­fänglichen kognitiven und eroti­­ ßen sich die Autoren überprüfen und stan­den aus diversen Schreibmäpp­­ diejenigen, die in der Schule nie schen Turbulenzen hinter mir lagen, nachvollziehen, die, wie Georg Sim­ chen und -utensilien, das Glacis aus hatten rechnen wollen oder können, im lichten Lesesaal der Universitäts­ mel oder Gabriel Tarde, der wechsel­ Stapeln von Karten, Blättern, Zetteln schrieben irgendwann auf einem bibliothek sein natürliches Zentrum seitigen Betrachtung und Beobach­­ und Kopien. Computer und nahmen heiteren und in den kleinen, unüber­ tung eine Rolle in der Herausbildung­ In den späten achtziger Jahren Sinnes in Kauf, dass die Mathematik sichtlichen Seminarbiblio­ gesellschaftlicher Gruppen bei­ wurden die ersten Zettelburgen zur Grundlage ihres Schreibens Die Bibliothek theken seine verschwiegenen gemessen hatten. Im Biotop der geschleift und durch massive und wurde. Der Rechner bestimmte das entpuppte sich Epizentren. Die Bibliothek Bibliothek ließ sich studieren, wie in geräuschvoll arbeitende PCs ersetzt, neue Bild geistiger Arbeit und vertrieb als soziolo- offenbarte sich mir in neuen, einem stillen, inneren Prozess aus die als tragbar galten, obgleich sie die Schatten der alten Schwermuts­ gisches Labor, ungeahnten Formen. Bisher Sympathie Verlangen und aus Anti­ nach Gewicht und Umfang höhle. Dürer schien diesen paradoxen eine Versuchs­- hatte ich sie nur als alter ego pathie Feindschaft wurde. Unerhörte ihre hölzernen Vorgänger Kreislauf geahnt zu haben, als er die anlage. Wie eine wahrgenommen, als eine Art Hasspflanzen wuchsen in die Höhe, weit übertrafen. Unauf­ absolute Ikone moderner Intellektua­­ unsichtbare­ anderen Körper, mein natür­ zwischen denen ebenso erstaunliche haltsam begann sich damals lität, die Melencholia I, ins Zeichen Aura wölbte liches Milieu. Der ideale Ort, um Girlanden des Begehrens schwebten. die Ikonografie der Gelehr­ eines magischen Zahlenquadrats sich hinter den meinem Laster der Einsamkeit zu Neugierig unterzog ich mich allen samkeit zu verändern. Auch stellte. Scholaren des frönen. Anfangs widerstrebend, bald Exerzitien der Bibliothek, den offen­ das Aufschreibsystem der späten Papier- neugierig begann ich sie jetzt als baren wie den latenten Curricula. Ich Karteikarten samt dem zeitalters Ulrich Raulff, geboren 1950, Gesellschaftsform zu erleben, ein lernte die Kunst des Suchens und zugehörigen Speichersystem das Halbdunkel stu­ dierte­ Geschichte und Philosophie­ ver­­zaubertes Dorf, ein fouriersches Findens, ich schulte mich selbst darin, des Zettelkastens war schon der Gelehrten- in Marburg, Frankfurt und Paris, Phalansterium. Meine Begeisterung mit dem Allwissenden zu verhandeln. aus der Welt der Bürokratie stube. forschte in Europa und den USA. wuchs, als ich bemerkte, dass andere Ich übte die Kunst des unbemerkten des 20. Jahrhunderts über­ Er lebte in Berlin, Frankfurt und meine Leidenschaft teilten und mit Bibliotheksschlafs und arbeitete nommen worden. Aber durch München, leitete das Feuilleton der ihr meine Daseinsform.­ Ich entdeckte erfolgreich an der Modellierung der seine materielle Affinität zum Papier, F.A.Z. und war leitender Redakteur Geschwi­ster, Brüder im Bücherstaub, eigenen, wache Versunkenheit seine Verknüpfung mit Stift und der SZ. Seit 2004 ist er Direktor Schwestern in Halbleder. Uns alle simulierenden Schlafplastik. Ich be­ Handschrift, stilus und ductus, war es des Deutschen Literaturarchivs verband eine gemeinsame Form der griff, dass auch dieréguliers der rein äußerlich noch mit der Mar­bach. Den hier abgedruckten Existenz. Bibliothek Distinktionsgewinne klassischen Humanistenwelt von Text­auszug entnahmen wir mit In ihrem Zentrum stand die einstreichen wollten, vielleicht sogar Erasmus bis Blumenberg verbunden freundlicher­­ Genehmigung Ulrich Schaulust. Tag für Tag aufs neue mussten. Dies waren schwierigere geblieben. Sein präkybernetisches Raulffs Buch »Wiedersehen mit den übten alle, die angeblich zum Lesen Übungen. Funktionieren war dem Zettelkasten Siebzigern. Die wilden Jahre des gekommen waren, die Anders als im Seminar, einem nicht anzusehen gewesen. Mehr oder Lesens«, Klett-Cotta, Stuttgart Formen der unbemerkten klassischen Schauplatz rhetorischer weniger hatten die Arbeitsplätze in Ich lernte die 2014. Observation und des Aus­ Turniere, ließ sich in der Bibliothek den Bibliotheken immer noch so Kunst des spähens erträumter ero­ das erworbene Wissen nur visuell und ausgesehen, als hätte Holbein d. J. sie Suchens und tischer Beute. Auch Lieblings­­ virtuell zur Darstellung bringen. Die gemalt. Wie eine unsichtbare Aura Findens, ich feinde waren ein promi­ nenter­ Ostentation musste sich dement­ wölbte sich hinter den Scholaren des schulte mich Gegenstand verdeckter sprechend auf den Apparat des späten Papierzeitalters das selbst darin, Beobachtung. Wie jemand zu harvesting, den mitgebrachten und Halbdunkel der Gelehrtenstube. mit dem Allwis- jemandes anderen Lieblings­ umständlich in Betrieb gesetzten Mit dem Einzug der Laptops und senden zu feind geworden war, spielte Aufschreibapparat, beschränken. Notebooks begann die Ikonografie der verhandeln. keine Rolle, irgendwann saß Dieser bestand aus einer Art zentraler Humanistenwelt mit derjenigen der der Hasspfeil, wippte ein paar Festungsanlage mit vorgelagerten Techniker, der Tastaturen und Mal nach und bohrte sich langsam Ravinen und einem gehörigen Glacis. Kontroll­bildschirme zu verschmelzen. tiefer ein. Nach einiger Zeit gehörten Der in den siebziger Jahren gängige Unsichtbar für die meisten schloss die besten in der Bibliothek Typ von Burganlage war ein sich ein historischer Kreis. Der Sieges­ verbrachten Zeiten der Erwartung von voluminöser Karteikasten, aus Holz zug der Mathematik, ausgegangen Lieblingsfeinden und erotischen bestehend, wahlweise auch aus von den frühmodernen Bibliotheken Zielobjekten. Die Bibliothek schwarz-grünem Karton oder schon der Humanisten, eroberte die entpuppte sich als soziologisches aus buntem Plastik, gelb, orange, Bibliotheken zu einer Zeit, die sich

62 Seitenblick Seitenblick 63 I Have a Dream … Gemütliche Schlafkapseln, interaktive Lerneier und jede Menge superschlaue Tiere: Wie sich der Comic-Künstler James Turek die Bibliothek der Zukunft vorstellt.

Erster Futurologischer Kongress: Während der letzten fünf Jahre haben Bachelor- und Masterstudierende des Departments Information in verschiedenen Modulen und Projekten Interviews, Beobachtungen und Design-Workshops durchgeführt. Im Zuge dieser ethnografischen Forschungen wurden auch Nutzer und Bibliotheksmitarbeiter nach ihrer »Traumbibliothek« und nach Wünschen für den Lernort Biblio­ thek gefragt. Eine Auswahl der Ergebnisse dieser studentischen Arbeiten regte den Comic-Künstler James Turek zu einer ganz per­ sönlichen Interpretation der Bibliothek der Zukunft an.

James Turek, geboren 1973, wuchs in New Jersey, Connecticut und Florida auf. Mittlerweile lebt und arbeitet er in Leipzig, wo er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studierte.

64 Seitenblickblick Seitenblickblick 65 Text: Christine Gläser Fotos: Lukas Simon, Tim Hoppe Schweigst du noch oder lernst du schon? Lernraum DMI-Bibliothek: Grabes-­ stille Büchertempel waren gestern. Heute zeigen sich Bibliotheken als kommunikative und kreative Orte, an denen man mit seinen Ideen schon mal Wände bemalen darf.

»Puh, geschafft …!« Für Theresa ist es Bereich. Sie ist zufrieden. Schnell noch das letzte Seminar des Tages gewesen, via Facebook ein Date mit ihrem Team nun hat sie wieder ein Teamreferat mit abmachen. Und einen Gruppenraum Präsentation auf ihrer To-do-Liste. reservieren. Morgen geht’s weiter … Erste Absprachen hat sie bereits in der Die junge Frau, die wir der Unterrichtsstunde mit ihren Kommi­ Einfachheit halber Theresa genannt litonen getroffen. Aber worum geht’s haben, können wir in Hamburg eigentlich genau? Erst mal recher­ und anderswo laufend treffen: Studie­ chieren, ab in die Bibliothek! Auf dem ren im Zeitalter von Bachelor und Weg noch schnell Boxenstopp in der Master bedeutet, relativ viel Zeit auf Cafe­teria. Und dann: ein ruhiges dem Campus der Hochschule zu Plätzchen suchen. verbringen. Allen digitalen Entwick­ Am Bibliothekseingang steckt ein lun­gen und E-Learning-Angeboten Grüppchen Studenten die Köpfe zu­ zum Trotz spielt der physische Lernort sammen­ und diskutiert leidenschaft­ ­ also weiterhin eine große Rolle. lich; Theresa muss erst mal runterfah­­ Vielleicht ist es gerade der bewusste ren: Bitte Ruhe, bitte Konzen­ tra­ tion!­­ Gegenentwurf zur Virtualität des Die Recherche-PCs sind gerade be­ Inter­nets, der den Lernort Bibliothek setzt? Kein Problem; Theresa kann mit in digitalen Zeiten so attraktiv macht? ihrem Notebook auch ins HAW-WLAN. Bibliotheken lassen sich heute gern in Nach einer Stunde hat sie eine ziem­ »Starbucks«-Qualitäten messen: Bieten lich lange Liste mit Literatur und sie eine entspannte Chill-Atmosphäre Internetquellen beieinander. Für die mit bequemen Sesseln und Sofas, erste Durchsicht ihrer Recherche- angenehm gedämpftes Licht? Laden Die Fachbibliothek DMI am Früchte setzt sie sich in den Relax- sie ein zum Gespräch in kleinen Kunst- und Mediencampus Hamburg

66 blickEinblick blick 67 Gruppen, bieten sie freies WLAN? Und Theresa? Die hat mit ihrem Team Und, vor allem: Gibt es guten Kaffee? in einem der Gruppenräume der Insgesamt wünschen sich Studierende Bibliothek gerade die Generalprobe die Qualitäten des persönlichen für die Präsentation geschafft. Super, Wohnzimmers auch im Lernumfeld. dass sie eben noch eine Abbildung für Immer noch assoziiert man ihre Präsentationsdatei einscannen Bibliotheken mit reichlich traditio­ konnte. Schnell noch ins Lernmanage­­ nellen Merkmalen: kostbare Folianten, mentsystem hochladen: Dann kann’s riesige Bücherregalfronten. Was aber losgehen! tun Studierende heute in den Bibliotheken der Hoch­ Bibliotheken schulen? Am allerwenigsten: lassen sich lesen! Sie scannen, down­ heute gern in loaden, recherchieren, »Starbucks«- diskutieren, denken nach, Qualitäten entwickeln Ideen und ganze messen: Bieten Präsentationen,­ schreiben sie eine ent- Haus­ar­beiten in Word, füllen spannte Chill- Excel-Sheets, kommentieren Atmosphäre? E-Books … »Leser« und Gibt es guten »Nutzer«, die typischen Voka­ Kaffee? beln aus dem bibliothe­­ Christine Gläser, geboren 1964 in karischen Hauswortschatz, Nienburg/Weser, studierte nach ihrer entwerfen ein eher passives Bild. Ausbildung zur Diplom-Bibliothekarin Inzwischen spielt die beschriebene Art an der Fachhochschule Hamburg Bib- der »Produk­tion« von Idee, Dateien, liothekswissenschaft an der Hum- Texten oder Medien für die Studie­ boldt-Universität zu Berlin. renden eine viel größere Rolle. Und sie Von 1989 bis 2008 arbeitete sie als wird, wir ahnen es, immer wichtiger. wissenschaftliche Bibliothekarin am In Lernraumbibliotheken geht es Bibliotheks- und Informationssystem bunt zu, stereotype und rein funk­ der Universität Oldenburg. tionale Bibliotheksmöbel sind out of Seit September 2008 ist Gläser Pro- date. Jenseits des Bitte-möglichst-nicht- fessorin am Department Information atmen-Klischees zeigen sich diese der HAW Hamburg, wo sie die Bereiche Bibliotheken heute als kommunikative Informationsdienstleistungen,­ Elekt- und kreative Orte. Hier darf man mit ronisches Publizieren, Metadaten und seinen Ideen für Referate Wände Datenstrukturierung­ vertritt. bemalen, Möbel hin und her schieben Seit 2014 hat sie die stellvertre­ – oder mittendrin beim gemeinsamen tende Leitung des Departments inne. Kaffee laut über Konzepte diskutieren. Eine moderne Hochschulbibliothek ohne Lernraum-Komponenten zu bauen ist heutzutage eigentlich nicht mehr denkbar. Die 2015 vom Hoch­ schulinformationssystem (HIBS) eröffnete und in Kooperation mit dem Department Information geplante Fachbibliothek DMI ist ein lebendiges Lernort mit Chill-Atmosphäre: Die Fachbibliothek DMI Beispiel für diesen Trend. am Kunst- und Mediencampus Hamburg

68 blick Einblickblick 69 Neu­e­rungen in der formellen Erfassung von Büchern und dem anderen ganzen Kram, der in den Regalen einer Text: Arne Tiedemann Bü­che­rei vor sich hin schim­ Illustration: Christina Gransow melt, passieren kann, das Foto: Tim Hoppe eigene Ableben vor Ort ist. Am besten per Schlag, egal welcher. Hauptsache, es geht Zettel’s schnell. Dass einem einer hinterrücks den Knüppel über Albtraum den Kopp zieht, darauf kann Wenn Bibliothekare sich zur man ja nicht bauen. Aber das Fortbildung treffen, steigt die ist wohl Berufsrisiko, denn Stimmung wie ein Luftballon, entweder stirbt man als Biblio­­ gefüllt mit Schwefelhexafluorid. thekar an einer Staublunge, Guter, sauberer Spaß — für an chronischer Langeweile – den man auch noch bezahlt wird. oder wird von den ollen Schwar­ten aus dem obersten Ich verlasse ja äußerst ungern Regal erschlagen. Während die den eigenen Schreibtisch, aber ersten beiden Todesursachen nun musste es doch mal eher am Ende einer längeren wieder sein: Für drei tolle Tage Berufslaufbahn stehen, kann hieß es »Schulung in Katalo­ Letzteres wortwörtlich auch gisierung nach RDA« – und am den Berufsanfänger treffen. dritten Tage auferstanden von Also, wenn es mich auf solche den Katalogen. Wenn die Welt Art in der Bibliothek er­ des Bibliothekswesens, zuge­ wischen sollte, dann möchte geben, schon eine graue Welt ich vom kompletten MGG, voller Unspaß und Leisesein Musik in Geschichte und ist, dann ist die mit ihr ein­ Gegenwart, direkt aus den hergehende Unterwelt der obersten beiden Regelbrettern­ Katalogisierung nichts anderes heraus erschlagen werden. als die messbar gewordene 29 Bände plus Supplemente Langeweile im Quadrat. mit genügend Schlagwörtern Da guckt man lieber einen (ha, ha) für ein schönes sofor­ ganzen Abend Schwertrans­ tiges Ende. Und sollte ich noch porte auf N24 oder, noch etwas zucken, dann nehmen besser, eine komplette Staffel meine Kollegen am besten »Die Geissens«. bitte noch etwas vom Brock­ Außenstehende wussten es haus dazu. Nicht Meyers schon lange, doch selbst Taschenlexikon oder den DTV-­ In­sider der Branche müssen da Atlas Musik, das bringt es durchaus beipflichten, dass nicht. Ich werde das gleich am das Beste, was einem während Montag als Nebenabrede zu einer Schulung über die meinem Angestelltenvertrag

70 blick Seitenblickblick 71 verfügen lassen. Aber Fort­ »Einmal Currywurst mit ein Schüsselchen Süßkram. Beim Katalogisieren heißt ein­deutige Definition, was bildung – meine Güte! Das ist Pommes, bitte!« Die durstige Herde scharte die CD nun allen Ernstes ei­ne Entität eigentlich ist, aber wie ein langsamer, qualvoller Obwohl wir mit einem sich um das Wasserloch. Ich Silberling? bei Sätzen wie dem folgenden, Tod auf kleine Raten. Wie die verhältnismäßig supersexy schnappte von den anderen Wurde Jesus nicht von Judas der nun kurz vor Schluss noch Fliege im Spinnennetz. Dann Thema begannen – »Bezie­ Kursteilnehmern Satzfetzen für 30 Silberlinge verraten? einmal Ihre volle Aufmerk­ hau ich mir doch lieber selbst hungskennzeichnungen­­ bei auf wie »Ist ja doch ganz sam­keit verlangt, wissen wir eine rein. mehrteiligen Monografien« – interes­­ sant­ eigentlich« oder doch sofort Bescheid: Es keimte bei mir also und zur allgemeinen Ekstase »Dass das dann doch so ein »Die Daten, die eine Entität nicht gerade Hoffnung auf ein auch gleich eine praktische weites, aber auch spannendes beschreiben, die mit einer spritziges, kurzweiliges Ver­ Übung machten, verlor ich Feld ist, hätte ich nicht ge­ Ressource in Verbindung gnü­gen auf, als die Dozentin leicht die Konzentration und dacht!«. Oder auch »Schade, steht, sollten diese Entität von das anwesende Katalogvieh guckte nach gefühlten zwei dass die Fortbildung nur über anderen Entitäten und von mit den Worten »Na, vielleicht Stunden aufmerksamen drei Tage geht«. Und natürlich (in der Katalogisierung ehr­ wie Sie ja bestimmt alle seit anderen Identitäten, die von wird’s ja doch ganz gut« Zu­hö­rens beiläufig auf meine das beim Anheben einer fürchtig auch »Spatium« neulich wissen, durch »Dollar­ derselben Entität verwendet be­grüß­te. Das hat sie tatsäch­­ Armbanduhr: noch nicht mal Thermoskanne­ obligatorische genannt) soll in so beliebten zeichen b« und ohne Spatium, werden, unterscheiden.« lich so gesagt! Also, wenn mir 20 Minuten vergangen! So, wie »Ist das Kaffee oder Tee?«. Den Kategorien wie etwa der 4000 in der weiblichen wie auch in Ähnliche gehaltvolle zu Beginn einer Schulung nix wir es aus jedem halbwegs ersten Kaffee trank ich auf ex, (Haupttitel, Titelzusatz, der männlichen Form in Aussage­­ kraft­ hat zumindest Besseres einfallen würde als: normalen Cowboyfilm den zweiten goss ich mir über Verant­ wortlichkeitsangabe)­ einem Wort. Bei RDA wird das für mich folgender Satz: »Leute, ich weiß, das Thema ist kennen: Wenn einer der Kuh­ die Rübe, und schon ging es oder der 4030 (Veröffent­ Binnen-I großgeschrieben. Wir Die Diäten von Propheten der letzte Schrott, aber heute treiber mit Bauchschuss nun weiter, immer weiter, immer lichungsangabe) künftig im katalogisieren jetzt Heraus­ auf diesem Planeten mit steten Abend sind wir alle irgend­ zu schwach ist, um mit der weiter, weiter, weiter, immer Normalfall durch die aberwit­­ geberInnen, Komponist­ Innen,­ Bildungskapazitäten und wann wieder zu Hause!« – Gruppe Schritt zu halten … weiter. Meinen Verstand zige Kombination »Dollar­ AutorInnen, Bundeskanzler­ obsoleten Geheimdienstakti­ vi­­ dann wäre ich kein Entertai­­ auf dem Weg durch die Wüste musste ich jedoch zurücklas­­ zeichen h« beziehungsweise Innen und so weiterInnen. Das täten beim Trompeten sind ner. Und das muss man vorbei an angreifenden sen, denn er hat es tatsächlich »Dollarzeichen n« ersetzt jedoch, liebe Spinnen, Finnen das Ergebnis von Gebeten der heutzutage schon sein. »Info­ Indianern, ausgehungerten nicht geschafft. werden. Ja, leck mich doch am und Dach­rinnen, kann Poeten mit Prioritäten beim tainment« ist das Schlagwort Geiern und mehrteiligen Die Fortbildung plätscherte Arsch! Da können wir ja gleich aufgrund der tatsächlich 60 Betreten von Mondlandegerä­­ bei der Sache. Sie müssen die Monografien­ ohne zitierfähi­­ vor sich hin. Vorne wurde die alle nackt rumrennen (okay, bislang be­kannten Ge­ ten mit defekten Brems­ Bande doch bei Laune halten! gen Titel, so kamen auch mir ganze Zeit über eine Power­ nicht alle …) und die Schwer­ schlechtsiden­ ti­­ täten­ nur der raketen. Zum Beispiel mit dem einzig die Worte in den Sinn: »Macht point-Präsentation gezeigt, die kraft und das Grundgesetz Anfang sein! Wer von Ihnen Ich habe »Entität« schließ­ zulässigen Bibliothekswitz. ohne mich weiter, ich denke gleichzeitig Wort für Wort außer Kraft setzen. Ich glaub, dachte, es gibt nur Mann und lich im Duden nachge­­schla­gen. Uralt, aber einer im Raum nicht, dass ich es schaffe!« vorgelesen wurde, dazu hockte es hackt! Frau, dem habe ich eventuell Ich hätte es bleiben lassen lacht verlässlich immer Doch ich war selbst dazu zu jeder und jederin (so viel Zeit Und dann – ich glaube, ich gerade den Abend versaut. Wie sollen. Es ist das philoso­ phi­­­ drü­ber: Kommt ein Mann in schwach. Ich schleppte muss sein!) vor einem Riesen­ bin gerade emotional so also androgyn, gendervariabel,­ sche Dasein eines Dings. So die Bibliothek: »Einmal Curry­ meinen waidwunden Verstand bildschirm und klickte aufgepeitscht, dass ich mich weder/noch, trans, nicht binär, weit ist es also schon gekom­­ wurst mit Pommes, bitte!« Sagt in die erste Kaffeepause. synchron mit durch die rund traue, das öffentlich zu sagen transmasku­ lin,­ transfeminin,­ men. Wer sich noch mit dem die Bibliothekarin: »Was soll Hinten im Veranstaltungs­ 3700 Seiten Neuerungen in der – dieses sozial-politisch intersexuell, cross, drag, grauen RAK-Ordner, dem Buch das denn? Wir sind hier eine raum war ein Kaffee- und formalen Erfassung von korrekte vollvegane Freiland­ femme, egal, virtuell­ künftig mit den 70 Siegeln und spar­ Bibliothek!« Der Mann beugt Teebuffet aufgebaut, dazu eine Büchern, Monografien, Publi­ eier-Öko-Gegendere, liebe auch in der Katalogisierung­ zu tanischen Versen, abge­ sich vor und flüstert: Delacre-Gebäckmischung und kationen, Lektüren, Top Hits, an­wesende Damen und ihrem Recht kommen, sollte schleppt hat, dem ging jegliche­ Classic Hits, allen Hits der Herren. In der Sammelgrab­ eine Arbeitsgruppe­ schnellst­ Philosophie so ziemlich­ ab. 80er, 90er, 2000er und dem kategorie 3010 (Person als möglich­ klären. Es kommt aber noch Besten von heute. wei­tere geistige Schöpfer, Gewöhnen müssen wir uns besser, vor allem, wenn man Dann aber, kurz vorm Ende sonstige beteiligte Personen auch an neue Begriffe. Wie sich um das Katalogisieren von des ersten Tages, kam wirklich und Familien, also so oder so etwa das Wort »Entität«, wel­ Tonträgern schert. RDA Regel­ der Hammer! Die Welt der Mitwirkende in irgendeinem ches ich jedenfalls niemals stelle 2.2.2.4.: »Die Hauptinfor­ Biblio­ thekare­ und der zahlrei­­ Sinne) kommt nach der PPN zuvor je gehört hatte. Im Kapi­ mationsquelle für den Titel ist Fortbildung — meine Güte! chen anderen Schatten­wesen nun die Beziehungskenn­ tel null (ja, das gibt es tat­ der Silberling. Der Silberling Das ist wie ein lang­- ist seitdem in Aufruhr, denn zeichnung für das Ihnen am sächlich!) des RDA-Toolkits (ja, ist im Behältnis.« In welcher samer, qualvoller das seit ewigen Zeiten ver­ besten autoptisch vorliegende es muss einfach so heißen!) geschlossenen Abteilung sa­ Tod auf kleine Raten. wendete normale Leerzeichen­ Werk, eingeleitet ebenfalls, bekommen wir zwar keine ßen die Leute, die diese

72 Seitenblickblick Seitenblickblick 73 Begrifflichkeiten gewählt haben? Ich will gar keine logische Erklärung, ich will mich empören! Beim Katalo­­ gisieren heißt die CD nun Der Studiengang Bibliotheks- und allen Ernstes Silberling? Ich Informationsmanagement ist für mich … bin nicht besonders bibelfest, aber: Wurde Jesus nicht von Judas für 30 Silberlinge verraten? Da haben wir’s doch! … leider viel Kein Wunder, dass man als Arne Tiedemann, geboren 1973 Bibliothekar so langsam den in Elmshorn und aufgewachsen braven Glauben an das Gute an der Elbe in Kollmar, ist zu unbekannt, verliert und sich immer mehr im Brotberuf Bibliothekar an der dunklen Seite der Macht der Hochschule für Musik und verschreibt. Theater in Hamburg. Nebenher Das war der erste Tag. Ich dabei ist er ist er unter anderem freier fuhr wie gelähmt nach Hause Mitarbeiter der Elmshorner und legte mich desillusioniert Nachrichten; seine Kolumne zu Bett, na ja, wie jeden Abend »Tiedemanns Elbansichten« ist so umfangreich, eigentlich. Ich schlief unruhig vom sommerlichen Lücken­füller ein, und im Traum war ich 2006 zur festen Institu­tion allei­ne mit Bauchschuss unter­ des Blattes geworden. wegs durch die Buch­wüste, vielfältig­ Im Jahr 2008 erschien der über mir kreisten angriffslus­­ erste Kolumnenband als Buch, tige RAK-Ordner. Da erschien 2010 veröffentlichte Tiede- mir ein alter, faltiger­ Indianer­ mann zusammen mit dem Cartoo- und absolut häuptling, und gerade als ich nisten Piet Hamann die nord- ihn fragen wollte, in welcher deutsche Identitätsanleitung Kanne Tee und in welcher der »Wir hier im Norden«. Zuletzt Kaffee ist, sagte er zu mir: nicht ange- brachten Tiedemann und Hamann »Erst wenn der letzte Zettel­ Ende 2015 »Wir hier im Norden katalog abgeschafft, das letzte zwei« zwischen Buchdeckel. Buch digitalisiert und die www.strohhutbu.de staubt! letzte Datenbank installiert­ ist, werdet ihr feststellen, dass man Strom nicht ausleihen kann.«

74 blickSeitenblick blick 75 Interview: Mareike Lehmann Informationen man mit be­schäftigen. Ich glaube, einen bestimm­ ten­ Code entwickeln, immer wieder Foto: Lukas Simon wel­chem Aufwand daraus vielen zwischen 20 und 30, die an­passen, einfacher Texte wird man auf gänzlich generieren kann. Es ging aber neu sind im Job, macht es auswerten, auf ihre Qualität­ neue Auf­gaben, neue Fragen auch darum, dass man die Spaß, von einem spannenden prüfen und verbessern. Das ist stoßen. Genau damit muss Data Datenanalyse möglichst Projekt zum nächsten zu ein weiterer wichtiger Aspekt man umzugehen lernen.­ Zum effi­zient gestaltet: Das wurde wechseln. So war es jedenfalls für das Informations­ Schluss noch eine persön­ Science mithilfe von Prozess­ - und bei mir. Aber irgendwann management-Studium: liche Bitte an die Studieren­­ Softwareentwicklung,­ Berater­ wollte ich mich wieder grund­ Dass man »Big Data« analy­ den: Ich freue mich immer Basics schulung und Template- legender mit bestimmten sieren und strukturieren kann. über Feedback: wenn jemand Immer schön neugierig bleiben: Erstellung gewährleistet. IBM Themen beschäftigen und Hat man sich diese »Data im Beruf angekommen ist Susanne Glissmann über all­- Watson ent­wickelt in diesem nicht immer nur von Dead­ Science«­-Grundlagen erarbei­­ und sieht, dass es genau die wissende Algorithmen,Technik-­ Bereich zurzeit ziemlich viel, lines getrieben sein. Diese tet, kann man immer noch Rich­tung war, die ich ihm kompetenz im Studium und des­wegen ist es wichtig, dass Freiheit hat mich an der HAW entscheiden, ob man ein viel­leicht empfohlen habe. die Zukunft des Informations-­­ die Studierenden sich mit sehr gereizt. Experte auf dem Gebiet managements. diesen Kernkompetenzen aus­ werden will oder nicht. Aber statten, vor allem, weil selbst Grundfertigkeiten Welche Inhalte sind aus diese in Zukunft von immer können hier schon ein großer Ihrer Sicht künftig strukturierten Textdaten. Das mehr Unternehmen gefordert Wettbewerbsvorteil auf dem für den Studiengang bedeutet im Idealfall, dass werden. Arbeitsmarkt sein. Bibliotheks- und man mithilfe von Text-Mining- Informationsmanagement Software Informationen­ Was hat sie daran gereizt, wichtig? Was würden Sie den erhalten kann, von denen man am Department Information Studierenden gerne mit zuvor nicht wusste, ob und Glissmann: Tatsache ist, dass zu lehren? auf den Weg geben? dass sie überhaupt in eben­ immer mehr Tätigkeiten diesen Texten enthalten sind. Glissmann: Ich habe oft bei automatisiert und von Maschi­ Glissmann: Es kommt nicht Ich habe aber nicht nur selbst IBM Research mit Studieren­­ nen übernommen werden. in erster Linie auf die Noten programmiert, son­dern auch den an verschiedenen Dazu gibt es auch zahlreiche an, sondern darauf, ob man Susanne Glissmann, Frau Glissmann, Sie die Berater von IBM in diesem Projekten gearbeitet. Außer­ Studien, z. B. den »Hochschul- das, was wir unterrichten, geboren 1979 in Bonn, stu- haben einige Jahre bei neuen Gebiet der auto­ dem war ich eine Zeit lang Bildungs-Report 2020« von ver­steht – und auch im dierte Wirtschaftsinformatik IBM Watson in den USA matischen Datenverar­ beitung­ als Mentor für junge Frauen McKinsey. Das heißt, man späteren Beruf anwenden an der Universität Paderborn gearbeitet. Welche geschult. Das Erläutern von im Bereich der Computer muss immer mehr Eigen­ver­ kann. Man darf nicht gleich und war dann als wissen- Kompetenzen, die wichtig Prozessen ist demnach Science Education tätig. Ich antwortung übernehmen – aufgeben, wenn man etwas schaftliche Mitarbeiterin am für die Studiengänge am ebenfalls eine wichtige­ habe sie motiviert, in eben­ und je versierter man nicht sofort versteht. Lieber Institut für Wirtschaftsin- Department Information Kompetenz. Die große­ Frage diese Richtung zu gehen – von technisch ist, desto mehr auch mal was Neues auspro­ formatik der Universität St. sind, bringen Sie aus für IBM war nämlich:­ Wie einem Mentee habe ich vor Möglichkeiten hat man, selber bieren – und schauen, wo man Gallen (Schweiz) tätig, wo der Praxis mit? sollten die Prozesse ablaufen, Kurzem erst erfahren, dass sie zu forschen. Ich denke, für landet! Das gilt auch für sie 2009 auch promovierte. Susanne Glissmann: Zum damit die automatische­ jetzt bei Google als Software­ den Studiengang ist es wichtig, Daten. Ich glaube, dass es ein Von 2007 bis 2008 war sie einen wäre da das auto­ Verarbeitung und Analyse von entwicklerin arbeitet. Also, dass alle ein Minimum an Fehler ist, wenn man von Visiting Scholar am Computer matische Auslesen und die »Big Data« standardmäßig­ für es hat mir schon immer Spaß Datenverarbeitungs- und Anfang an nur das macht, was Science Department der Stand- automatische Bearbeitung die verschiedensten­ gemacht, mit jungen Men­ -automatisierungsgrundlagen man kann; solche Routinen ford University/SAP Labs. von Daten, zum anderen die Unternehmen angeboten schen zusammenzuarbeiten. erwerben, wir sprechen hier setzen sich später im Beruf Seit 2008 arbeitete sie in Art und Weise, wie man werden kann? Die Antwort ist Mir ist außerdem die eigene von den »Data Science fort. Die Studierenden­ verschiedenen Funktionen am neue Informationen generie­­ nicht einfach, vor allem da die Weiterentwicklung im Basics« – und diese dann auch von heute müssen nicht alles IBM Research Center in San ren kann. Speziell ging es Art und Qualität der Daten Beruf wichtig, ich mag es, den in ihren Bachelor- und Master­ wissen, wozu gibt es das Inter­ José (USA). Seit 2016 ist auch um das sogenannte sich von einem zum anderen Dingen auf den Grund zu arbeiten anwenden können. net? Aber sie sollten wissen, Glissmann Professorin an der »Text Mining«, ein algorith­ Kunden stark unterscheiden ge­hen. Im Berufsalltag mit vie­ Dadurch trainieren die Stu­ wie man Antworten auf offene HAW Hamburg, wo sie die Lehr- musbasiertes­ Analyse­ kann. Bis man ein besseres len Deadlines bleibt häufig dierenden die automati­ sche­ Fragen schnell und effektiv gebiete Wissensrepräsenta- verfahren zur Entdeckung Verständnis von den Daten allerdings nur wenig Zeit, sich Auswertung von Daten und findet. Die Berufsfelder­ tion, Content and Information von Bedeutungsstrukturen hat, kann es schwer sein zu mit neuen Themen außerhalb können dann, indem sie nur werden sich aufgrund neuer Architecture und User Experi- aus un- oder nur schwach bestimmen, welche neuen von engen Projektzielen zu wenig Code schreiben oder Technologien immer weiter­ ence vertritt.

76 blickEinblick Einblickblick 77 Interview: Kristin Ameis Fotos: Krim Grüttner, Gerlinde Trinkhaus Zur Nachahmung empfohlen Innovationstreiber und Mitge­- stalter der Branche: Andreas Mittrowann, Bibliothekarischer Direktor bei der ekz, über Bibliotheken als Orte des inter- kulturellen Dialogs, die Herausforderungen der Digitalen Gesellschaft und Netzwerke der Kundenworkshops und Anwenderkon­­ Zukunft. ferenzen oder durch unsere jährliche­ Online-Kundenbefragung um. Hinzu kommen Konferenzreihen wie »Chancen«, die wir gemeinsam mit den bibliothekarischen Verbänden organisieren, oder unsere Hausmesse Der Autor Thomas Feibel bezeich­net »Inspirationen«. Diese Veranstaltungen die ekz als »prag­matischen sind, neben der Wissensvermittlung, Vordenker für die Zukunft der auch auf das Aufspüren von Innova­ ­tio­ Bibliotheken«. Was bedeutet nen im Bibliotheksbereich gerichtet. Innovation für Sie? Auf der Ebene der Bürgererwartungen Andreas Mittrowann: Bibliotheken an Bibliotheken haben wir das auch sehen sich derzeit mit rapiden Ver­ durch die Anfang 2016 veröffentlichte änderungen in Gesellschaft und repräsentative Studie »Die Zukunft der Technologie konfrontiert. Das HAW- Bibliotheken« realisiert, die gemein­ Jubiläumsmotto »in/trans/formation« sam mit dem Institut für Demoskopie trifft es ja auf den Punkt! Wenn Bib­ Allensbach umgesetzt wurde. liotheken sich verändern, müssen sich Hierdurch erhalten wir Aufschlüsse auch ihre Dienstleister dynamisch über die notwendige Positionierung an­passen. Innovation ist daher ein der ekz – und die notwendigen Inno­ zentraler Baustein in unserer Unter­ vationen. Und schließlich beobachten nehmensvision »Bibliotheken bewegen wir sorgfältig und systematisch­ die 2020«. Darin heißt es unter anderem: Veränderungen in unserem Umfeld, »Die ekz ist Innovationstreiber und auch international in den führenden Mitgestalter der Branche. Gemeinsam Bibliotheksländern. Meine Rolle ist es mit unseren Kunden denken wir ihre dabei unter anderem, die Entwick­ neuen Rollen und Aufgaben vor.« lungstendenzen in der Bibliothekswelt An einem Tisch: Mit dem 2010 gestarteten »Dialog in Deutsch« leisten die Hamburger Konkret setzen wir das im Rahmen aufzuspüren und innerhalb der ekz Bücherhallen aktive Integrationsarbeit partizipativer Prozesse wie weiterzugeben.

78 blick Seitenblickblick 79 Wie würden Sie aktuell die In Nordhausen in Thüringen habe ich petenz als Alternative zu kommer­ Die finanziellen Spielräume sind Kernaufgaben von Bibliotheken in beispielsweise erlebt, wie geflüchtete ziellen Anbietern sehe ich als eine allerorten knapp. Welche Chancen der Wissens- und Kinder und Jugendliche von einer wichtige Zukunftsweiche für unseren sehen Sie beim Thema Sponsoring Informationsgesellschaft Mitarbeiterin des Bundesfreiwilligen­ Bereich. Wenn schließlich mehr und oder Fundraising für Bibliotheken? beschreiben? dienstes täglich mit großem Engage­ mehr Bürgerservices digital werden, Mittrowann: In Deutschland haben ment betreut werden, das hat mich können Bibliotheken ihre Kunden Mittrowann: Lese- und wir in diesem Bereich eine andere­ tief beeindruckt. Bibliotheken können künftig beim Thema »E-Government« Sprachförderung, die Beglei­ Kultur als etwa in den USA. Die Bibliothek außerdem für viele Geflüchtete als umfassender unterstützen. tung von Bildungs- und Bibliotheken wie die New York Public kann für Institution deutlich machen, welchen Kreativpro­zessen sowie ein Library haben Fundraising-Abtei­lun­ Geflüchtete Stellenwert Demokratie und Chancen­ hybri­ des­ Medienangebot Da drängt sich der Vergleich mit gen mit mehr als 40 Mitarbeitern, und auch eine gleichheit in unserer Gesellschaft ge­­hören aus meiner Sicht den Idea Stores in London auf: es gehört dort zum guten Ton, seiner kleine »zweite haben. da­zu. Natürlich gibt es darü­ber Müssten sich nicht auch die alten Schule oder Universität regel­ Heimat« hinaus viele mögliche Auf­ Bibliotheken in Deutschland noch mäßig Spenden zukommen zu lassen. werden. gaben­felder und Rollen, die Auch auf Veränderungen in der mehr mit den Angeboten aus Dafür ist die Steuerlast in den USA Bibliotheken in der heutigen­ Digitalen Gesellschaft müssen die Bildung, Kultur und Sozialem – je nach Bundesstaat – aber auch Gesellschaft über­nehmen können. Ich Bibliotheken mit passenden vernetzen? ge­rin­ger als in Deutschland. In der ekz bin der festen Überzeugung,­ dass jede Angeboten reagieren. Wie könnten haben wir vor einigen Jahren ein Fund­ Mittrowann: Sehr beein­ Bibliothek die­se für sich individuell in diese künftig aussehen? raising-Seminar mit bekannten und druckt haben mich in diesem einem Strategieprozess­ Bibliotheken sehr erfahrenen Referenten durchge­ Mittrowann: Wir sehen bereits jetzt, Zusammenhang die Planungen erarbeiten sollte. Jede Gemeinde, jede wie die New führt, leider mit nur sehr wenigen dass viele Bibliotheken auf diesen für das neue Bildungshaus in Stadt und auch jedes universitäre York Public Teilnehmern. Wie ist das zu erklären? Bedarf eingehen. Ein gutes Beispiel ist Wolfsburg. Dort ist Umfeld weisen Unter­schiede auf, Library haben Einerseits stoßen Bibliotheken in die eLounge in der Stadtbibliothek vorgesehen, die Stadtbiblio­ die von der jeweiligen Bibliothek bei Fundraising- ihren Kommunen auf Hindernisse bei Erlangen. Dort können sich die Be­ thek, die Volks­hoch­schule und ihren Zielsetzungen berücksichtigt Abteilungen Sponsoring-Projekten, weil hier sucher zu E-Readern oder der Nutzung die Neue Schule Wolfsburg werden sollten. mit mehr Initiativen einfach nicht gewünscht der »Onleihe« beraten lassen. Eine nicht nur in einem gemein­ als 40 werden. Andererseits haben Fachkolle­ zentrale Aufgabe ist sicher auch die samen Gebäude unterzu­ Mitarbeitern. ginnen und -kollegen aber vielleicht Darstellung hybrider Services, also die bringen, sondern ihre Ange­ Das neue Selbstbild der Biblio­ auch Bedenken bei der Kooperation Schaffung einer Brücke zwischen bote systematisch miteinander theken als Orte des Dialogs und mit der Wirtschaft. Wir sollten in der physischen und digitalen Angeboten. zu vernetzen. Das ist aus meiner Sicht interkulturellen Austauschs hat Summe eher auf überzeugende Biblio­ Ein Beispiel dafür ist der eCircle, mit der richtige Weg, den ja auch bereits­ sich gerade in Zeiten der Flücht­ thekskonzepte und Marketingstra­­ dem digitale Medien integriert im die Bibliotheken in Nürnberg, lingsströme zu bewähren. Was kann tegien in Richtung Unterhaltsträger Buchregal angezeigt werden können. Regensburg und Bayreuth oder das zib die Bibliothek zum inter­ setzen – und Fundraising-Kampagnen Sehr beeindruckt bin ich auch vom in Unna beschreiten. Wichtig finde ich kulturellen Austausch beitragen? als sinnvolle Ergänzung betrachten. Projekt »Quellentaucher« der Fach­ den Gedanken, dass Kommunen mit Mittrowann: Hier sehe ich natürlich stelle für Öffentliche Bibliotheken in ihren Leistungen stärker die Verant­ Sie betreiben mit Globolibro Ihren vorrangig die Sprachförderung und NRW, das man in der Stadtbibliothek wortung für ein optimales, mit­ eigenen Blog zu aktuellen Trends den Dialog als Aufgabe – dies kann Köln bestaunen kann: Dort wird eine einander ver­schränktes Bildungs­ in öffentlichen Bibliotheken. Was durch ein entsprechendes Medien­ Verbindung von aktuellen Zeitthemen umfeld überneh­men, denn Schule, war der Auslöser dafür - und was angebot und flankierende Einrichtun­­ mit Social Media sowie dem gedruck­ Bibliothek oder VHS können die möchten Sie damit bewegen? gen wie etwa ein Sprachcafé erreicht ten und physischen Bibliothekbestand Aufgabe des lebenslangen­ Lernens werden. Wir wissen, dass WLAN für hergestellt. Untersuchungen zu den nicht allein stemmen. Mit Rahmen­ Mittrowann: Im Jahr 2003 war ich für geflüchtete Menschen essenziell ist, notwendigen bibliothekarischen vereinbarungen auf Landesebene­ zur die Bertelsmann Stiftung tätig, und über ihr Smartphone bleiben sie mit Zukunfts­ kompetenzen­ aus Großbri­­ Kooperation von Bibliotheken und wir haben zu diesem Zeitpunkt unser der Heimat in Verbindung. Aus meiner tannien und Victoria/Australien zeigen Volkshochschulen wie in Rheinland- Projekt »Internationales Netzwerk Sicht sollte jede Bibliothek ein kosten­ deutlich, dass Bibliotheksmit­ arbeiter­ Pfalz oder Bayern sind wir auf dem Öffent­licher Bibliotheken« intern ab­ freies WLAN-Netz für ihre Besucher künftig noch weit mehr als heute über richtigen Weg. ge­schlossen. Von den Mitgliedern des anbieten. Darüber hinaus kann die exzellente IT- und Anwendungs­ kennt­­­ Netzwerkes gab es aber auch in der Bibliothek für Geflüchtete auch eine nisse verfügen müssen. Die daraus Fol­gezeit immer wieder spannende kleine »zweite Heimat« werden. entstehende digitale Beratungskom­­ Nachrichten aus ihren Bibliotheken.­

80 Seitenblickblick Seitenblickblick 81 So habe ich die Idee Text: Ulrike Spree Metadatenmanager oder Social-Media- entwickelt, diese Informa­ Foto: Tim Hoppe Manager. Gleichzeitig beobachten­ wir Mein Hauptziel tionen auch einem breiteren in Gesprächen mit unseren­ Studie­ dabei war und Kreis zugänglich zu machen. renden, dass sich stereotype­ Vor­ ist es, gute Mein Hauptziel dabei war und Take Five stellungen, etwa über das Image von Bibliotheks­- ist es, gute Bibliotheksideen­ Ein Workshop zum Auftakt des Bibliotheken und Biblio­ the­ karen,­ mit ideen aus aus anderen Ländern auch in HAW-Jubiläumsjahrs fragte genauer den Jahren er­schreckend wenig anderen Ländern Deutschland bekannt zu nach: Wie hat die Bibliotheks- verändert haben. Noch immer gelten auch in machen, nach dem Motto »Zur und Informationswissenschaft die Welt Bibliothekare und Bibliothekarinnen­ Deutschland Nachahmung empfoh­ len«.­ Da verändert — und welche ihrer Ideen als konservativ, bürokratisch,­ über­ bekannt zu ich nicht immer die Zeit habe, sind reif für den Ruhestand? korrekt. Im Rahmen­ der Jubi­läums­ver­ machen. Andreas Mittrowann, geboren 1962 in ausführ­ lichere­ Beiträge zu anstaltung »70 Jahre bibliothekarische­ Bremerhaven, ist seit Januar 2008 veröffent­lichen, kam vor ein Ausbildung in Hamburg«­ haben wir die als Bibliothekarischer Direktor bei paar Jahren der Globolibro-Twitter- Frage von Bellardo Hahn nicht nur der ekz.bibliotheksservice GmbH in Account unter www.twitter.com/ auf­gegriffen, sondern im Rahmen Reutlingen tätig. Davor hat er in globolibro hinzu. eines Workshops gemeinsam­ der Bertelsmann Stiftung verschie- reflektiert, wie diese Entdeckungen­ dene Bibliotheksprojekte im In- und und Errungenschaf­­ ten­ unsere Berufs­ »70 Jahre bibliothekarische Ausland mitkonzipiert, geleitet Als die Präsidentin der American praxis verändert haben. Ausbildung« - was geben Sie dem und begleitet. Dazu gehörten Pro- Society for Information Science, Trudi Department Information der HAW gramme zur Leseförderung, zum Ein- Bellardo Hahn, ihre Kolleginnen und Innovationsschübe Hamburg mit auf den Weg? satz Neuer Medien in Bibliotheken Kollegen 2003 nach den ihrer Meinung Als besonders wegweisende Entwick­ sowie ein internationales Stipen- Mittrowann: Weiterhin fachlich top nach fünf bahnbrechendsten Errun­ lun­gen nannten die TeilnehmerInnen – dien- und Netzwerkprogramm. Nachdem und innovativ bleiben, aber gleich­ gen­schaften in der Welt der Biblio­ neben der Einführung der Online-Kata­ er an der HAW Hamburg zum Diplom-Bi- zeitig den Menschen im Fokus behal­ theks- und Informationswissen­ schaf­­ loge und der Verbund­ kata­ logisierung­ bliothekar ausgebildet wurde, hat er ten! Meine Zeit am damaligen Fach­ ten der letzten 30 Jahre fragte, – auch 2016 noch die Freihand­ von 1987 bis 1994 in verschiedenen bereich Bibliothek und Information­ in reich­ten die Antworten von der Ver­ aufstellung. Zur Erinnerung: Bereits Bibliotheken als IT-Koordinator, der Talmud Tora Schule ist mir – messung und Bändigung der Infor­ 1910 wurde in Hamburg die erste Lektor und in der Kundenberatung neben der fachlichen Ausbildung – mationsexplosion durch Bibliometrics­ öffentliche Bibliothek mit Freihand­ gewirkt. Auf seinem Blog Globolibro auch wegen der intensiven und prä­ und Werkzeuge wie Register, Indexe aufstellung eingerichtet, und noch (www.globolibro.de)­ und via Twitter genden menschlichen Kontakte in oder Thesauri bis zur Formulierung 1967 wurde es als relatives Novum (www.twitter.com/globolibro)­ ver- Erinnerung geblieben. Anders ausge­ nationaler politischer Fachinfor­ gefeiert, dass die Universitätsbiblio­­ öffentlicht Mittrowann seit 2006 drückt: Fachliche und menschliche mations­programme, in denen Grund­ thek Bielefeld ihre Bestände komplett laufend Beiträge zu internationalen Entwicklung gehen in der Studienzeit lagen von Datensicherheit und Ur­ in Freihand zugänglich machte. Bibliotheksentwicklungen. Hand in Hand. Ich wünsche mir, dass heberrecht festgelegt wurden. Als zweiten großen Innovationsschub Als Mitglied des Beirats begleitet dies auch weiterhin im Bewusstsein Nicht zu vergessen: die hatten alle Workshop-Teilnehmer­ er die Entwicklungen des Departments Welches sind bleibt. Automatisierung der Verar­ ­ Innen die Digitalisierung – zunächst Information. die fünf bahn-­ beitung von und des Zugangs der Titeldaten, später auch die Bereit­ brechendsten zu Informationen; schließlich stellung von digitalen Volltexten – in Errungen- auch die Entwicklung­ von Erinnerung. In diesem Zusammenhang schaften in der Informations­systemen aus der wurden dann auch die Recherchier­ Welt der Perspektive der Nutzer, die barkeit der Dokumente im Volltext, Bibliotheks- Erforschung des Informations­ die Integration von E-Books in die und Informa- verhaltens, der Informations­ Bibliotheksbestände und die Zugäng­ tionswissen- bedürfnisse­ und der indivi­ du­­ lich­machung als Open Access genannt. schaften der ellen Nutzerpräferenzen.­ In der Diskussion wurde deutlich, dass letzten 30 Bibliothekarische Berufsbilder verbindliche Regelwerke und vor allem Jahre? befinden sich im ständigen auch die Internationalisierung von (Trudi Bellardo Wandel: Wir sind heute Regelwerken und Normdaten Hahn, 2003 ) Sozialbiblio­­ theka­ rIn­ nen,­ unverzichtbare Werkzeuge sind, um

82 Seitenblickblick Augenblickblick 83 den Zugang zu Beständen zu ermög­ – und betonen die enge Wechselwir­­ Hahns Erfolgskatalog nicht explizit Diszipli­ nie­ rungs­ instrumente­ miss­ lichen. Als dritter Bereich für Verän­­ kung mit technischen Entwicklungen genannt wurde: die Formulierung brauchen, sondern als Tools einsetzen, derungen und Innovationen wurden und mit der Informatik.­ Was letztlich nationaler politischer Fachinforma­ um den Zugang zu Medien und Infor­ Fragen der internen Organisation­ bedeutet, dass wir unsere Ausgangs­ tions­programme. In der zweiten mationen zu erleichtern! Offen sein angesprochen: die Einführung von frage um diesen Aspekt erweitern und Runde wurde dann jedoch deutlich, für (techno­logischen) Wandel! Mischarbeitsplätzen, die zunehmende auch danach fragen müssen, welche dass sich Bibliotheks- und Informa­ Bedeutung von Öffentlichkeitsarbeit Entwicklungen in anderen Bereichen tions­wissenschaften weiterhin aktiv und Fundraising, nicht zu vergessen entscheidenden Einfluss auf unsere in politische Diskussionen einbringen die veränderte Rolle der Bibliothek Berufspraxis ausgeübt haben. müssen. Sie dürfen nicht schweigen, als öffentlicher Raum und »virtuelles »Errungenschaft« in diesem Sinne wenn darüber verhandelt wird, wie Labor«. kann dann auch die erfolgreiche der Zugang zu Information finanziert Adaption von Verfahren bedeuten, die und gesteuert werden soll – etwa in Blick über den Tellerrand etwa in der Computerlinguistik, den Diskussionen um Open Access und die Vergleichen wir die Ergebnisse unserer­ Wirtschaftswissenschaften oder im Zukunft des Urheberrechts. Diskussion mit den Antworten, die Marketing entwickelt wurden. Bellardo Hahn 2003 bekam, erkennt Lessons Learned man eine große Kontinuität: Auch Reif für den Ruhestand In der abschließenden Feedbackrunde 2016 werden Technologien und Mit diesem Fazit hätten wir den Work­ hoben alle TeilnehmerInnen hervor, Ulrike Spree, geboren 1960 in Arbeitsweisen von den Workshop- shop beenden können. Wir haben­ aber dass sie den Blick auf die unmittelbare Osnabrück, war nach ihrem TeilnehmerInnen vor allem daran nach der Besinnung auf die Leistungen Vergangenheit ihrer Profession als Lehramtsstudium der Fächer Deutsch gemessen, ob sie dem Informations­ der Vergangenheit noch einmal die inspirierend empfunden haben. In der und Geschichte in Bielefeld Lektorin verhalten der Nutzer ent­ Perspektive verändert und uns die täglichen Routine bleibe häufig zu für deutsche Sprache und Landeskunde sprechen – und geeignet sind, Frage gestellt, welche bibliotheks- und wenig Zeit, sich über strategische Ent­ an der University of Salford Welche diese bei der Informations­ informationswissenschaftlichen Ideen wicklungen, das »große Ganze« des (Großbritannien), hat mit einer Entwicklungen beschaffung optimal zu eigentlich reif für den Ruhestand sind? eigenen Berufsbilds, auszutauschen. Studie zur vergleichenden in anderen unterstützen. Uneinig waren Inspirationsquelle für diese Frage­ Dies führe zum einen dazu, dass man Gattungsgeschichte der populären Bereichen sich die Teilnehmenden stellung war der amerikanische im Zuge einer »déformation profes­ Enzyklopädie in Deutschland und haben Einfluss darüber, inwiefern es sich bei Lite­ratur­agent John Brockmann, der sionelle« zu selten lieb gewordene Großbritannien im 19. Jahrhundert an auf unsere den aufgeführten Entwicklun­ führende Denker danach gefragt hat, Selbstverständlichkeiten hinterfrage, der Universität Bielefeld promoviert Berufspraxis gen tatsächlich um typisch welche Ideen ihrer Meinung nach den zum anderen aber auch den Blick für und ist seit 1999 Professorin am ausgeübt? bibliotheks- und informations­ Fortschritt beeinträchtigt haben die Leistungen des Berufsstandes und, Department Information der HAW wissenschaftliche­ Errungen­ (»Welche wissenschaftliche Idee ist reif nicht zu vergessen, die eigenen Leis­­ Hamburg, wo sie die Fachgebiete schaften han­delte – und nicht für den Ruhestand?«, S. Fischer 2016). tungen verliere. Die Tatsache, dass sich Wissensorganisation und User vielmehr um Ideen, die in anderen Das Spek­trum der 15 Konzepte, die die die TeilnehmerInnen aus ganz Experience vertritt. Disziplinen wie der Informatik und Workshop-TeilnehmerInnen für die unterschiedlichen Bereichen – der Computer­lin­guistik oder im Verabschiedung in den Ruhestand von der kleinen öffentlichen Die »Glas- Rahmen der Betriebs­ wirtschaftslehre­ empfohlen haben, reichte von der Biblio­thek über große kugelwelt entstanden sind. Auch in den »Glaskugelwelt Bibliothek« über ein zu Forschungsbibliotheken­ bis Bibliothek« Fachwissenschaften wird diese Frage statisches Verständnis von Informa­­ zur Hochschul­ lehre­ – hat sich ebenso derzeit kontrovers dis­ku­tiert. Ein Blick tion bis zum bibliografischen Daten­ rekrutierten, hat den Blick für überlebt wie auf die deutsche (»Portal Bibliothek, format MARC oder der sattsam die Unterschiedlichkeiten­ die »Theken- Infor­mation, Dokumentation«) und bekannten »Thekenschranke«. Dass geschärft, aber auch deutlich schranke«. englischspra­ ­chige (»Portal Library and sich Bibliotheken an den Anforderun­­ gemacht, welche Gemein­ information science«) Wikipedia bietet gen der Nutzer messen lassen müssen samkeiten den Berufsstand­ eine Erklärung dafür, warum diese – und nicht, wie es eine Teilnehmerin prägen. Drei Hauptgedanken­ zogen Frage nicht eindeutig zu beantworten auf den Punkt brachte, zum Selbst­ sich dabei durch die Diskussion: ist: Beide Portale verweisen darauf, zweck werden dürfen –, war Konsens Informationsangebote und Dienst­ dass es sich bei Bibliotheks- und der Diskussion. Auffällig ferner, dass leistungen aus Perspektive der Informations­ wissenschaften­ um in der ersten Diskussionsrunde eine Nutzerinnen und Nutzern denken! inter­disziplinäre Fachgebiete handelt der Errungenschaften aus Bellardo Normen und Standards nicht als

84 blickAugenblick Augenblickblick 85 Text: Kathrin Wardatzky gemeint, dass es nicht nur eine mations­management« waren in allen – und werden nun in ein neues Fotos: Malte Sörensen, Tony Webster, Version von Geschichte gibt – jeder Bereichen des Projekts vertreten und Datenmodell übertragen. Die Über­ LuxTonnerre, Public Domain Mensch erlebt Geschichte anders. Zu konnten ihre Fähigkeiten unter arbeitung des Designs und des Aufbaus Beginn des Projekts teilten sich­ die Beweis stellen: Neben Recherchekom­­ der Applikation finden unter Einsatz Studierenden nach ihren Interessen­ in petenz, Grundwissen im Urheber- neuer Technologien grundlegend­ statt. Projekt die Fach­gruppen Content, Redaktion und Lizenzrecht und Erfahrung im Gleichzeitig wird in der Projekt­ und technische Entwicklung­ auf. Der Um­gang mit Informationstech­ planung und -durchfüh­ ­rung der Zeitnetz Bereich Marketing wurde von allen nologien waren auch konzeptionelle Ansatz der agilen Software­ ­entwick­ Mit der Ringlinie U3 durch die gemein­sam ab­gedeckt. Insgesamt 21 Fähigkeiten gefragt. So musste lung erprobt und geprüft, ob sich das Hamburger Historie: Gemeinsam Studierende, unterstützt von fünf etwa eine sinnvolle Strukturierung Modell auch auf größere Projekte­ mit Kommilitonen der Universität Dozenten, haben das Projekt in der in der App enthaltenen Infor­ übertragen lässt. Hamburg entwickeln Studierende seiner ganzen Breite vorangetrieben;­ mationen entwickelt werden. Das war Das Zeitnetz-Projekt mag zwar auf des Departments Information das Spektrum der Arbeiten vor allem deshalb wichtig, weil dem ersten Blick nicht viel mit der eine interaktive Geschichts-App. reichte von der Definition einer jede/r Inhalts­ ersteller/in­ ganz eigene klassischen bibliothekarischen Ausbil­­ Ziel­gruppe und eines Images, Vor­stellungen von der dung zu tun haben. An ihm hat sich das mit der Applikation transportiert­ Struktur des ausgewählten jedoch gezeigt, wie vielseitig einsetz­­ Einen App- werden sollte, über die Konzept­ Contents hatte. In der Folge bar unsere im Studium erworbenen­ Prototyp entwicklung für Aufbau und Inhalte wurde beschlossen, alle Fähigkeiten sind. Durch die interdis­­ innerhalb eines bis hin zur konkreten Inhalts­ Inhalte mit Schlagworten zu ziplinäre Zusammenarbeit mit der Seme­sters produktion und der technischen verknüpfen. Dafür wurde ein Universität Hamburg konnte zudem als reines Umsetzung. Das bedeutete viel Arbeit, kontrolliertes Vokabular­ der eigene (Hochschul-)Horizont Studieren­den- aber auch die Freiheit, eigene entwickelt, um die einheit­ erweitert werden – ein Glücksfall, der projekt Ideen und Vorstellungen selbstständig liche Verschlagwortung zu von den Projektteilnehmern beider komplett von umzusetzen. gewährleisten. Ebenso sollte Seiten als sehr bereichernd empfun­ null Den roten Faden für die Inhalte unsere App der Medien­ ­kom­ den wurde. aufzuziehen von Zeitnetz bildet die Hamburger petenz- und Wissensver­ mitt­­ war ein U-Bahn-Linie U3. Die Idee: Die lung dienen, sodass auch aus ziemlich Ringlinie U3 berührt sowohl typische diesen Bereichen Fähigkeiten­ sportliches Hinter Zeitnetz verbirgt sich ein hoch­ Touristenattraktionen wie Rathaus in die Ent­wick­lung flossen. Vorhaben. schulübergreifendes­ Studierenden­­ oder Hafen, deckt aber auch Als größte Herausforde­ rung­ projekt aus dem Wintersemester­ touristisch noch kaum erschlossene sollte sich das Zeitmana­ ­ge­ 2015/16. Zusammen mit dem Fachbe­ Ziele wie etwa den Stadtteil ment des Projekts erweisen:­ Einen reich Geschichte der Universität Barmbek ab. Für die erste Version der App-Prototyp­ innerhalb eines­ Seme­ Hamburg wurde von den Studierenden Applikation wurden die Halte­ sters als reines Studierendenprojekt der Studiengänge »Bibliotheks- und stellen Rathaus, Rödingsmarkt, Baum­ – ohne externe Hilfe – komplett von Informationsmanagement« sowie »Me­ wall und Landungsbrücken bearbeitet. null aufzu­zie­hen war ein ziemlich dien und Information« des Depart­ Spätestens hier wird bei manchem sportliches­ Vorhaben.­ Dadurch ments Information der Prototyp für die Frage auftauchen, was dieses konnte zum Ende hin vor allem im eine mobile Applikation entwickelt. Projekt mit der bibliothekarischen tech­nischen Bereich vieles lediglich­ Sie sollte spielerisch über die Ausbildung zu tun hat? Studierende exemplarisch umgesetzt werden. Ein Geschichte Hamburgs informieren, des Faches »Bibliotheks- und Infor­ Teil unserer Technikgruppe­ hat so geschichtswissenschaftlichen An­ im Rahmen­ des Wahlpflichtkurses­ sprüchen gerecht werden und »Hybride Webappli­ kationen«­ im die Multiperspektivität der Sommersemester­­ 2016, zusammen Geschichte transportieren. mit neuen Mitstreitern,­ die technische »Multiperspektivität« kann man Ent­wick­lung der App noch einmal auch auf der Achterbahn komplett neu aufgerollt. Dabei blieben­ erleben, in unserem die bereits recherchierten Infor­ Zusammenhang ist jedoch mationen zu einzelnen Haltestellen­ und inte­ressanten Orten erhalten

86 blickEinblick Einblickblick 87 Text: Birgit Dankert Fotos: Jakob Börner, Sebastian Isacu Algorithmus

des Trümmerfrauen der Bibliotheken Erfolgs Wie aber sahen die Absolven­ Zwischen Wissen und Welt: 70 Jahre ten der ersten Jahrgänge bibliothekarische Ausbildung in bibliothekarischer Ausbildung Hamburg waren nicht selten Kampf um in Hamburg aus? Es waren Existenz, Akzeptanz und wertschät- aus dem Zweiten Weltkrieg zende Integration in das Hochschul- heim­gekehrte Soldaten mit system der Hansestadt. Wenn am schnellem Notabitur, das nun Ende ein Sieg steht, hat er viele in eine Berufsausbildung Mütter und Väter. mit Anstellungschancen mün­ den sollte. Flüchtlings­ mädchen aus dem Osten, in die zerbombte Stadt Hamburg Zurückgekehrte oder aus den umliegenden Regionen unter Beschwerden Einreisende: eine ganze Frauengeneration, viele Mitte November 1945 ohne Väter, Brüder, Männer.­ begannen in der später zur Sie suchten nach einem Brot­­ Fast-Food-Stube mutierten beruf – und waren deshalb Bücherhalle auf der Möncke­ froh, dass während des bergstraße die »Hamburger Nationalsozialismus­ auch Bücherei­ kurse­ in Verbindung öffentliche Bibliotheken eine mit den Hamburger Öffentli­ gewisse Professionalisierung­ chen Bücherhallen«. Der erste erfahren, wissenschaftliche­ Kurs umfasste 47 Teilnehme­­ Bibliotheken sich für Frauen rinnen. Es unterrichtete­ das zunehmend geöffnet hatten. Personal der Hamburger Angesichts der brach­ Öffentlichen Bücherhallen. liegenden Wirt­ schaft­ boten Ein Jahr später, im Oktober beide bezahlte Berufsfelder im 1946, öffnete die neu gegrün­ öffent­lichen Dienst. Den dete Hambur­ger Bibliotheks­ er­sten Kurs für die Arbeit in schule. Bib­ liothekare­ der öffentlichen Biblio­ theken­ Staats- und Universitäts­ biblio­­ absolvierten hauptsächlich thek bildeten für die Arbeit Frauen, deren stark praxis­ in wissenschaftlichen­ Biblio­ orientierte Ausbildung an den the­ken aus. Das geschah in Hamburger Öffentlichen Räumen der ins Wilhelm- Bücherhallen durch den Gymnasium an der Edmund- Zusammenbruch der städti­ Siemers-Allee/Ecke Grindel­ schen Infrastruktur unter­ allee verlagerten SUB und im brochen worden war. Diese Souterrain des Curio-Hauses Frauengeneration der ersten The Times They Are a-Changin': Ende 1945 begannen in der an der Rothenbaumchaussee. »Alumni« in der neu Bücherhalle auf der Mönckebergstrasse die Hamburger Büchereikurse

88 blick Rückblickblick 89 Integration in das Hamburger Die bibliothekarische Ausbil- Bildungs-, Ausbildungs- und dung in Hamburg konnte immer Hochschulsystem. Und damit dann etwas gewinnen, wenn sie nenne ich nur die äußeren bereit war, etwas auf­zu- Phänomene, nicht die der geben, was als besonders herber Binnenkämpfe innerhalb der Verlust erschien. Lehrpläne, (Selbst-)Verwal­ tungsgremien­ und Personal­­ debatten. Suche ich den Erfolg, so erscheint mir rückblickend, geordneten bibliothe­ ka­ rischen­ stadt Hamburg als Kommune­ dass die bibliothekarische Ausbildung Hamburgs hat die und Stadtstaat, wirtschaftliche­ Ausbildung in Hamburg Bibliotheken der Bundes­ Interessen des Standortes immer dann etwas gewinnen­ republik Deutschland aufge­ Hamburg, aber auch Soft Skills konn­te, wenn sie bereit war, baut. Sie muss sich bis heute wie zum Beispiel die Archi­ etwas aufzugeben, was ihren gefallen lassen, ihre nicht tektur, in der diese Ausbildung Vertreterinnen als beson­ ders­ Kunst- und Mediencampus Finkenau frei­willig gewählte Lebens­ stattfand: die klassizistische herber Verlust erschien. Und form als Sinnbild verschro­­ Bücherhalle, das Wilhelm- damit meine ich nicht nur die Zeitenwende Hochschulangelegenheit. Das akademischen Personals bener asexueller Bücher­ Gymnasium, das Curio-Haus Preußischen Instruktionen,­ Aber was gab es dafür zu ge­ sagt sich so leicht dahin, reiz­voll. Glücklicher- oder un­ würmer missbraucht zu sehen. und die Talmud Tora Schule sondern vielmehr Dinge wie winnen? 1966 vereinigten sich bedeutete aber in Wirklichkeit glück­licherweise kann diese Mit dem Narrativ eines am Grindelhof, das neue die Aufhebung der Zwei- beide Kurse in einer gemein­ eine Zeitenwende. Auf den Karte auch noch heute gespielt Entwicklungsromans lässt sich »Blaue« Hochhaus am Berliner Sparten-Studiengänge zur Vor­ samen Ausbildung zur ersten Blick gegensätzliche werden. die Geschichte der bibliothe­ Tor und schließlich die Fin­ bereitung auf wissenschaft­ Hamburger Bibliotheksschule Ziele wurden damit erreicht: Gleichzeitig aber er­mög­ karischen Ausbildung in Ham­ kenau. In jedem dieser Ge­ liche oder öffentliche und zogen in die ehemalige Die Akademisierung der lich­te die Neuordnung der burg nicht erzählen. Da war bäude herrschte und herrscht Bibliotheken, den Wegfall der Talmud Tora Schule am Ausbildung nach den Vorstel­ Ausbildung­­ in der Fachhoch­­ 1945 kein Embryo, kein wirk­ ein anderer Geist, eine eigene verwaltungsinternen Aus­ Grindelhof. Man löste sich von lungen einer national grei­ schule Hamburg die ganz licher Neuanfang, der sich Atmosphäre, die die vorge­ bildung mit damit verbun­ den noch aus der Kaiserzeit fenden Bildungsreform mit konkrete Beteiligung der zu einer weisen 70-Jährigen gebene Architektur aufnahm, dener Sicherheit als Anwärter stammenden Prüfungs­ der Einrichtung von praxis­ Studie­­ renden­ in den Selbst­ in der Finkenau entwickelte. sie ins Programm integrierte, im Beamtenverhältnis, die verordnungen, und die ersten orientierten Fachhochschulen­ verwaltungsgremien­ des Wohl aber lässt sich eine nicht selten kräftig konter­­ Auflösung des Entscheidungs- betriebswirtschaftlichen war das proklamierte Ziel. Für Fachberei­ches. Der Spielraum Art Erfolgs-Algorithmus den­ karierte. und Mitspracherechtes der Unterrichtsinhalte tauchten die mit spitzem Bleistift studentischer Beteiligung ken, in den die unterschied­­ norddeutschen Bibliotheken, auf. 1970/1971 erfolgte die rechnenden politischen­ und Verantwortung war lichen Faktoren des Fort­ die radikale Kürzung aller Eingliederung der Bibliotheks­ Ver­treter Hamburgs, die ja in diesen Gremien­ wesentlich Die Schlacken schreitens, der Festigung und Studienanteile zur Literatur- schulen in die neu gegründete immer zwischen föderativer­ größer als heute. Hier tat sich vergangener Tage der Zukunfts­fähigkeit dieser und Wissenschaftsgeschichte, Fachhochschule Hamburg als Verantwortung des Stadt­ eine vom Geist der Achtund­ Für den Zeitraum, den ich als Aus­bildung eingeflossen sind. den Verlust von Ressourcen an Fachbereich Bibliothekswesen. staates und Vorteilen für die sechzi­ ger­ geprägte Spielwiese Studentin und Mitglied des Dazu gehören die geopoli­­ den neuen, zweiten Studien­ Kernstück dieser Fachhoch­ Kommune Ausgleiche finden der Liberalität und Demo­ Lehrkörpers erlebt habe – 1969 tischen Rahmenbedingungen gang »Mediendokumentation«, schule war die traditionsreiche mussten, erschienen dabei kratie auf – eine solche bis 1971 und 1981 bis 2007 –, der Bundesrepublik Deutsch­ die abgegebene Verantwortung Hamburger Ingenieursaus­­ be­sonders die Kürze der Aufbruchs­stimmung habe ich galt immer die Losung: Kampf, land von 1949 bis heute, die für die HAW-Bibliotheken, bildung. Hamburger Biblio­ Studien­zeit und die Höhe der erst wieder in Zeiten des Zu­ Kampf, Kampf! Falls Sie diese gesellschaftspolitische­ die Selbstständigkeit des Fach­ theksausbildung wurde Lehrverpflichtung des sammen­­­ wachsens­ der deutsch- Erinnerungen auch haben: Programmatik einer immer bereiches, die Hintanstellung deutschen Bibliotheks­ land­­­ Es handelt sich nicht um eine offeneren Gemeinschaft, der Mitarbeit an nationaler schaft 1989 bis 1995 erlebt. Neurose, sondern um nach­ die An­forderungen der Biblio­ Bibliothekspolitik. Dieses Los­ Ungefährdet war diese neue weis­bare Realität. Die Ge­ theken­ – also der viel be­ lassen ist eine offensichtlich­ Qualität und Freiheit indes schichte­­ der bibliothe­ ka­ ri­­ schworenen Praxis – mit ihren ständig geforderte Tugend auf Hier tat sich eine vom Geist nicht. Ein Beispiel: In der Tal­ schen Ausbildung in Hamburg wechselnden­ Zielsetzungen, dem Weg nach vorne – die der Achtundsechziger geprägte mud Tora Schule, von deren war über Jahrzehnte ein die Hochschulpolitik, die Prio­ Schlacken vergangener Tage Spielwiese der Liberalität ruhmreicher und beschä­ ständiger Kampf um Existenz,­ ritäten der Freien und Hanse­ hinter sich lassen. und Demokratie auf. mender Vergangenheit damals Akzeptanz, wertschätzende

90 Rückblickblick Rückblickblick 91 Was die Fachhochschule Hamburg nach und nach auch in der lio­­thek auf der Welt versteht wirkten die Isolation von konfliktreichen Hintergrün­­ einmal angestrebt hatte — eigenes bibliothe­ karischen­ Ausbildung unter Leseförderung die Ein­ zwölf Jahren Nationalsozia­­ den bei Studierenden in den Promotionsrecht,­ vielleicht ein instal­liert werden. In dieser übung in Persönlichkeits­ lismus und ein gewisser letzten 70 Jahren, möchte ich Zusammenwachsen der Hamburger Situa­tion diente der Neubau rechte. Von den wenig demo­ trotziger Dünkel im Land der an die freigekauften DDR-Häft­ Hochschulen mit Universitätsstatus —, des Hochhauses am Berliner kratischen Spielregeln Dichter und Denker nach. Die linge erinnern, an junge Dissi­ gelang nicht. Tor der selbstbewussten zwischen Hochfinanz und Öffnung in die internationale denten aus der ČSSR nach dem Profilierung­ einer Informationsmonopolen ganz Welt kam mit der Kenntnis, Prager Frühling, an adoptierte­ Fachhochschule mit 13 zu schweigen. Wie sieht eine Akzep­tanz und modifizierten Boatpeople aus Vietnam, an Fachbereichen. 2002 zogen die Bibliotheksethik in globalen Adaption skandinavischer und Flüchtlinge aus Westafrika. Studiengänge aus der Talmud Systemen aus? angelsächsischer Bibliotheks­ Diese andere Hamburger Tora Schule in das »Blaue modelle. Dann allerdings Internationalität­ erfährt zur­ nicht gesprochen wurde, war ein. Manche Entwicklungen Haus« am Berliner­ Tor. Und Mehr Internationalität ging es Schlag auf Schlag – und zeit mit dem HAW-Angebot für auch ein anderer Fachbereich fangen früher an als zunächst das war nicht nur der Wechsel wagen in einem sehr interessanten Geflüchtete aus Syrien und – die »Sozipäds« – unterge­­ wahrgenommen: Mit dieser von Räumen. Liest man Dokumente und Zusammenwirken politischer, Schutzsuchende aus anderen bracht, und es gab harte Art des Praktikums begannen In ihrer durchschlagenden Zeugnisse bibliothekarischer hochschulpolitischer, wirt­ Ländern eine neue Phase. Man studentische Kämpfe, bis der die Studierenden, auch nach Wirkung mit der Gründung­ Ausbildung in Hamburg aus schaftlicher und informations­ kann der DMI-Fakultät nur Fachbereich Bibliothekswesen Arbeitsstellen jenseits der Bib­ der Fachhochschule 1970/1971 den Jahren 1945 bis zum technischer Entwicklungen. wünschen, dass sie die Belange das Gebäude für sich allein in liotheken Ausschau zu halten. vergleichbar war 2007 die Um­ Beginn der 1970er-Jahre, fällt Es gab auf einmal Exkursionen, dieser Art von Internationa­ Anspruch nehmen konnte. Studienrelevant wurde dieser wandlung der 13 Fachbereiche­ auf, wie selbstverständlich – Gastvorträge, das Erasmus- lität tatkräftig verfolgt. Schritt erst einige Jahre später, in vier Fakultäten mit der um nicht zu sagen: selbst­ Programm, den Bologna- Zugewinn an als angesichts vermehrter Ausrichtung auf die Bologna­ - genügsam – der Radius der Prozess, vor allem aber die IT-­ Das Beste beider Welten Wirksamkeit Bibliotheksschließungen, aber Regeln von Bachelor- und Wirksamkeit lokal, regional, Dominanz mit ihren globalen, Wie ein roter Faden zieht sich Als 1978 die Hamburger Tech­ auch neuer Kompetenzfelder Masterstudiengängen. In in Ausnahmen national grenzenlosen, von jedem PC durch 70 Jahre bibliotheka­­ ri­­ nische Universität eingerichtet­ von Wissensstrukturierung har­ten Profilierungs- und Ver­ gezogen wurde. Internationa­ oder iPhone zu erfüllenden An­ sche Ausbildung die Auseinan­­ wurde, war das für alle die und IT-Kenntnissen poten­ teilungskämpfen­ entstand lität war eine Sache biblio­ sprüchen­ und Möglichkeiten. der­setzung mit dem Medium FH-­Fachbereiche eine schwie­ zielle Arbeitsplätze der Absol­ die Fakultät DMI (Design, thekarisch interpretierter Internationalität drückt sich Buch. Für mehr als 25 Jahre rige Situation, die ähnliche venten außerhalb der Biblio­ Medien und Information) mit Kenntnis des europäischen auch in dem 2010 ergänzten stand es im Mittelpunkt allen Lehrinhalte anboten wie die theken angestrebt wurden. den ehemaligen Fach­ Kulturerbes, der Weltliteratur englischen Label »University bibliothekarischen Tuns. TU oder auch im weiteren 1993 vergrößerte und ak­ bereichen Gestaltung sowie und des Katalogisierens in of Applied Sciences« aus. Und gerade zu dem Zeitpunkt, Verlauf die Universität Ham­ tua­lisierte der Fachbereich Bibliothek und Information. nicht lateinischen Schriften. Die ersten nicht deutschen an dem eine gewissen Perfek­ burg. Uns wurde dabei viel­ Bibliothek und Information, Für die bibliothekarische Hinzu kamen einige Kennt­ Gruppen von Studierenden in tion erreicht war, die auch leicht zum ersten Mal klar, wie er inzwischen hieß, seinen Ausbildung in Hamburg nisse und Praktiken der den bibliothekarischen explodierende Produktions­ dass die bibliothekarische Wirkungskreis durch die Ein­ be­gann eine neue Ära, der Wissensstrukturierung­ aus Ausbildungsgängen Hamburgs zahlen und facettenreiche Ausbildung keine Konkurrenz richtung des neuen Studien­ bisher höchste Integrations­ den USA und, natürlich, waren allerdings keine um­ Serviceleistungen für eine in Stadt und Region besaß. ganges »Mediendokumenta­ grad in das Bildungsangebot Indien. Meiner Erinnerung sorgten­ Erasmus-Teilnehmer: pluralistische Gesellschaft be­ Konkurrenz sah wenig später tion«. Es gab ein Zwischen­ der Freien und Hansestadt nach hing diese Beschränkung Es waren vielfach sogenannte wältigte, schien das Buch und sieht auch heute ganz spiel: 1996 promovierte die Ham­burg. Dass der Zugewinn nicht mit der zunächst iso­ Russlanddeutsche und Türken, angesichts der sogenannten anders aus. Sie »lauert« in den erste Absol­ventin des Fach­ von Handlungskompetenz und lierten Stellung der Bundes­ oft kurdischer Herkunft, der Neuen Medien verdrängt oder Hochschulangeboten spe­ bereiches Biblio­thek und Wirksamkeit seine Kehrseite republik nach dem Zweiten zweiten Gastarbeiter­ verteidigt werden zu müssen. zieller Fähigkeiten technischer, Information am Fachbereich im langsamen Verschwinden Weltkrieg zusammen. Eher generation. Sprechen wir von Nach dem Kampf – auch hier sozialer, pädagogischer oder Bibliothekswissenschaften­ der von ehemals unangezweifelten in der HAW – gehört es zur medienorientierter Art, die in Humboldt-Universität Berlin. ethischen Maximen der Aus­ bibliothekarischen Qualität, der Bibliotheksarbeit zwar Was die Fachhochschule bil­dung hat, steht auf einem alle verfügbaren Medien ergeb­ gewünscht und gebraucht, Hamburg einmal­ angestrebt anderen Blatt. Der aufkläreri­ nisorientiert­ einzuset­ zen.­ aber immer eher randständig hatte – eigenes Promotions­ sche Grundgedanke, dass die Die Öffnung in die internationale Man kann die Überraschung­ verwirklicht wurden. recht, vielleicht ein Zusam­ Bibliotheken Demokratie Welt kam mit der Kenntnis, der Hamburger Wissenschafts­­ 1978 führte die gesamte menwachsen der Hamburger stiftende Institutionen sind, Akzeptanz und modifizierten Adap- politiker nachlesen, dass Fachhochschule Hamburg das Hochschulen mit Universitäts­ gerät in Zeiten der Globalisie­ tion skandinavischer und es gera­ de­ der Studiengang hochschulgelenkte Praktikum status –, gelang nicht. Eigene rung schon mal in den Hinter­ angel­sächsischer Biblio­theks- Biblio­ theks­ wesen­ war, der den mit der Dauer eines Semesters Forschung hingegen konnte grund: Nicht jede Kinderbib­­ ­modelle. ersten Computerpool in die

92 Rückblickblick Rückblickblick 93 Ausbildung integrierte, und Ist also die gegenwärtige die Institution Bibliothek an Situation ein Sieg? Bei aller der IT gesundete und nicht Skepsis, mit ein bisschen verkümmerte. Neid und mit großem Respekt: Ich glaube schon! Nach PISA Als Reverenz an die Print­ medien seien zwei Publikatio­­ nen genannt, die auf die Ich glaube schon! bibliothe­ ka­ rische­ Ausbildung in Hamburg großen Einfluss nahmen: Georg Pichts 1964 lungslinie hin. Leseförderung erschienenes Pamphlet »Die wird ja durch die Unter­ deutsche Bildungskatastrophe« suchungsmethoden­ der und die erste PISA-Studie der PISA-Studie zum quantifizier- OECD des Jahres 2000. Die und evaluierbaren Geschehen. poli­ ti­ schen­ Reaktionen auf Dieser begleitende, oder – Pichts Offenlegung erschre­ wie manche Kritiker meinen – ckender Defizite der bundes­ immer mehr dominierende republikanischen Bildungs­ Faktor der berechenbaren landschaft hatten für die Wirtschaftlichkeit im Kultur- bib­liothekarische Welt eine und Bildungsbereich prägt das doppelte Wirkung: gegenwärtige Hochschul­ Bibliotheken als Teil des geschehen, die Ausbildung, Bildungs­ angebotes­ wurden das Qualitätsbewusstsein. gestärkt, bibliothekarische Er tritt neben den Fokus der Ausbildung wurde durch ihre Strukturierung und Ver­ Implementierung in Fach­ mittlung von Wissen und hoch­schulen Teil der Information.­ deutschen Hochschulland­­ 6. Schweitzer E-Book Forum 2016 Ist also die gegenwärtige schaft. Die schockierenden Situation ein Sieg? Ergebnisse zur Lesekompetenz Bibliothekarische Ausbildung von 15-Jährigen in der ersten in diesem schönen Kunst- und Sie sind herzlich eingeladen! PISA-Studie erlaubte eine Mediencampus Hamburg, »Zukunft Bibliothek – offen und gestaltbar« bisher nicht für möglich und ein­gebettet in die Fakultät De­ finanzierbar gehaltene Fülle 24. November 2016 in Hamburg sign, Medien und Information­ von Angeboten zur Lese­ als Department Information,­ förderung in Bibliotheken und mit Bachelor- und Masterstu­­ Fachvorträge renommierter Referenten für Bibliothekare Ausbildung. Sie hat bis heute diengang und der Möglichkeit, nicht nachgelassen und findet aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. an der Humboldt-Universität in den aktuellen Ausbildungs­ Das Programm finden Sie hier in unserem Webshop: Berlin zu promovieren, ver­ aktivitäten dieses Hauses zur ankert im Hamburger Hoch­ schweitzer-online.de/info/E-Book-Forum-2016 Medien- und IT-Kompetenz schul­gesetz und vernetzt mit Bitte melden Sie sich an bei Frau Catherine Anderson: ihre Fortsetzung. der internationalen Biblio­ Ausgerechnet die PISA- [email protected] theks- und Medienwelt, mit Studie weist aber auch auf Investoren, Sponsoren und eine andere, für die bibliothe­ Wirtschaft! Bei aller Skepsis, karische Ausbildung in mit ein bisschen Neid und mit Hamburg wichtige Entwick­ großem Respekt: www.schweitzer-online.de

94 blickRückblick blick 95 Herausgeber: Department Information der Fakultät DMI, HAW Hamburg Konzeption: Nicole Gageur, Christine Gläser, Johanna Gumz, BA-Abschlüsse BIM seit 2008 Dagny Hildebrandt, Franziska Kirsch 296 Redaktionsleitung: Nicole Gageur, Christine Gläser 102iPads Redaktion: Nils Kahlefendt Lektorat: Dagny Hildebrandt Autoren: Kristin Ameis, Steffen Burkhardt, Birgit Dankert, Petra Düren, Silke Fuchs, Christine Gläser, Anna Göthling, Julia Hladina, Nils Kahlefendt, Tatjana Kathöfer, Canan Kizilgöz, BA-Abschlüsse MUI seit 2008 Thomas Kunst, Mareike Lehmann, Marius Nürnberg, 371 Marie-Sophie Petersen, Ulrich Raulff, Frauke Schade, Ulrike Spree, 162Windows Rechner Arne Tiedemann, Kathrin Wardatzky, Karen Wiesener Fotografen: Caroline Bergter, Jakob Börner, Tim Hoppe, Krim Güttner, Stephan Jockel, Paula Markert, Bernhard Schurian, Lukas Simon, Malte Sörensen, Andreas Tamme, Lux Tonnerre, Gerlinde Trinkhaus, MA-Abschlüsse seit 2010 Tony Webster, Holger Wilkop 102 Illustration: Christina Gransow 108Apple Macs Comic: James Turek Gestaltung: PBLC — Büro für visuelle Kommunikation Druck: Elbedruckerei Wittenberg Auflage: 1.000 Exemplare 40 BA-Abschlüsse Bibliotheks- und Informations­ ­ © Department Information, Fakultät DMI, HAW Hamburg, management pro Studienjahr September/Oktober 2016

30Notebooks www.intransformation.hamburg 50 BA-Abschlüsse Medien und Informations­ management pro Studienjahr 20 MA-Abschlüsse Information Medien Bibliothek pro Studienjahr

In den beiden BA-Studiengängen zusammen mehr als

semesterbegleitende Prüfungs- und Studienleistungen 5000im Studienjahr

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