KONFLIKT UND MILITÄR – ZYPERN SEIT 1974

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters des Lehramtsstudiums Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Peter LANG

am Institut für Geschichte

Begutachter: Ao.Univ.-Prof. Dr.h.c.mult. Dr.phil. Harald Heppner

Graz, 2011

EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Datum: Unterschrift:

2 INHALTSVERZEICHNIS

1. Vorwort S. 4 2. Einleitung S. 6 3. Allgemeine Definitionen S. 7 4. Geschichte Zyperns und Entstehung des Zypernkonflikts S. 8 4.1 Historische Entwicklung bis 1571 S. 8 4.2 Zeit osmanischer Herrschaft S. 12 4.3 Ende osmanischer Herrschaft und Zypern als britische Kolonie S. 19 5. Ursachen der Zypernkrise von 1974 S. 25 5.1 Unabhängigkeit von 1960 und Scheitern der Republik S. 36 6. Die United Nations Peacekeeping Force in (UNFICYP) 1964-1974 S. 45 7. Zypern seit 1974 S. 53 7.1 Die türkische Intervention von 1974 – Höhepunkt der Zypernkrise S. 57 7.1.1 Folgen der türkischen Intervention – Bevölkerungsaustausch und Inselteilung S. 63 7.2 Entwicklungen von 1974 bis zur Proklamation der TRNZ 1983 S. 68 7.2.1 Das östliche Mittelmeer als strategisches Ziel der Supermächte im Kalten Krieg S. 71 7.2.2 Die griechischen und türkischen Beziehungen zur NATO – Konflikte in der Ägäis, auf Zypern und die US-Stützpunktfrage S. 74 7.2.3 Denktasch vollzieht die Teilung – Gründung der TRNZ 1983 S. 80 7.3 Von der Gründung der TRNZ bis zum Annan-Plan S. 84 7.3.1 Die amerikanischen Wirtschafts- und Militärhilfen bis zum Ende des Kalten Krieges als Politikum im Ägäis- und Zypernkonflikt S. 84 7.3.2 Das regionale Umfeld des Zypernkonflikts vom Ende des Kalten Krieges bis zum Annan-Plan S. 91 7.3.3 Gescheiterte Einigungsgespräche und Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen Zyperns S. 100 7.4 Der Annan-Plan und die Frage des EU-Beitritts Zyperns S. 110 8. Die United Nations Peacekeeping Force in Cyprus (UNFICYP) seit 1974 S. 120 9. Bestandsaufnahme: Jüngste Entwicklungen und Gegenwart S. 132 10. Schlussbetrachtung S. 138 11. Anhang S. 156 12. Literatur- und Abbildungsverzeichnis S. 166

3 1. VORWORT

ZUM UNTERSUCHUNGSZIEL: Grundlegendes Untersuchungsziel der vorliegenden Arbeit ist die Feststellung der Bedeutung des Militärs als Mittel zur Durchsetzung politischer Agitationen1 auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene im Zuge des Zypernkonflikts. Der Einsatz von Streitkräften, egal welcher Herkunft, Autorität oder Legitimität war (und ist) verbunden mit einer Etablierung oder Auf- rechterhaltung politischer Souveränität im Rahmen von Konfliktsituationen. Dies geschieht im weitesten Sinn durch die Androhung von Gewaltanwendung mittels eines Einsatzes von Waf- fen(systemen), kann allerdings auch zu dessen Verhinderung geschehen, wie es etwa der allge- meine Charakter internationaler Friedensmissionen wiedergespiegelt.2 Nach Kriterien histo- risch-wissenschaftlichen Arbeitens soll somit die untrennbare Verbindung von Konflikt und Militär vom Ursprung der Zypernfrage bis in die Gegenwart aufgezeigt werden. Im Besonderen wird dabei auf den Zeitraum ab der türkischen Militärintervention von 1974 bis zum EU- Beitritt des südlichen Teil Zyperns im Jahr 2004 eingegangen. Der Ursachendarstellung werden Beweggründe und Folgen militär(polit)ischer Entscheidungen der Konfliktparteien im Untersu- chungszeitraum beigefügt und in der Schlussbetrachtung zueinander in Beziehung gebracht.

ZUR METHODE: Durch die Wiederauflage der Österreichische(n) Militärische(n) Zeitschrift (ÖMZ) ab dem Jahr 1963 (Hrsg. Bundesministerium für Landesverteidigung) bestand die Möglichkeit der themati- schen Recherche, welcher für den Folgezeitraum eine wesentliche Bedeutung im Erreichen des Untersuchungsziels zukommt. Um die Nachvollziehbarkeit der Informationsfindung in den Sammelbändern der Jahrgänge 1 (1963) bis 48 (2010) zu gewährleisten, werden verwendete Artikel und Beiträge der ÖMZ entgegen dem alphabetisch gereihten Autorenverzeichnis der übrigen Quellen (Einzelwerke, Dissertationen, Lexika, Internetartikel) gesondert im Literatur- verzeichnis nach Erscheinungsdatum angeführt. Die jeweiligen Heftnummern der Zitate geben dabei Aufschluss über den Erscheinungsmonat: 1=Jän/Feb, 2=Mär/Apr, 3=Mai/Jun, 4=Jul/Aug, 5=Sept/Okt, 6=Nov/Dez. Es wurde bei der Bearbeitung der Diplomarbeit versucht, die chronologische Dokumen- tierung anhand der ÖMZ durch andere greifbare Sekundärliteratur der Universitätsbiblio- thek(en) Graz (und umgekehrt) zu ergänzen. Neuere Erscheinungen (z.B. „Cyprus at War – Diplomacy and Conflict during the 1974 Crisis“ von Jan Asmussen) konnten über das Institut

1 Agitation = politische Hetze; intensive politische Aufklärungs-, Werbetätigkeit. vgl. Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 24. Auflage, Mannheim 2006, S. 166. 2 Zur Theorie lokaler Konflikte, deren Erscheinungsformen, Ursachen und Wirkung siehe: FREISTETTER, Franz, Lokale Konflikte, Kriterien für Lagebeurteilungen und Handlungsweisen, in: Österreichische Militärische Zeit- schrift (=künftig ÖMZ), Jg. 18, 4/1980, Wien 1980, S. 283-290. 4 für Byzantinistik und Neogräzistik in Wien bezogen werden. Auch Internetseiten von (zum größten Teil namhaften) Institutionen, NGO’s oder anderer Medienkommunikationsportale wurden bei der Recherche genutzt.

ZUR ZITIERWEISE: Die Kenntlichmachung des Ursprungs von bezogenen Informationen oder Denkleistungen er- folgt am Ende eines Absatzes. Ein eingerückter Satz bildet hierfür den jeweiligen Beginn. Es können mehrere Quellenangaben in Fußnotenzitaten vorkommen. Wörtliche Zitate werden durch Anführungszeichen hervorgehoben. Zahlenwerte/Tabellen, Karten/ Grafiken sowie als notwendig erachtete Nebeninformationen werden eigens gekennzeichnet. Bsp.3 Folgezitate werden vordergründig zur Platzersparnis verwendet. Jedoch kann es sein, dass einzeilige Zitate, die zuvor bereits genannt wurden, auch an anderen Stellen ungekürzt angegeben werden, um die Nachvollziehbarkeit der Recherche in der ÖMZ zu unterstützen.

ZUR GLIEDERUNG DER ARBEIT: Kapitel vier und fünf der Diplomarbeit schildern die Geschichte Zyperns bis zur Entstehung des Zypernkonflikts, um so die Ursachen der Zypernkrise von 1974 zu verdeutlichen. Kapitel sechs beschreibt die augenscheinlichste militärische Erscheinungsform des Zy- pernkonflikts – die United Nations Peacekeeping Force in Cyprus (UNFICYP) in der Zeit vom Inkrafttreten der Resolution 186 (1964) bis zur türkischen Intervention von 1974. Kapitel sieben bildet den Kern dieser Arbeit, der die Folgen der Teilung Zyperns im Wirkungsfeld (militär-)politischer Entwicklungen auf internationaler, regionaler und lokaler Ebene aufzeigt. Eine hervorgehobene Stellung nehmen hierbei die Uneinigkeiten der Verhand- lungspartner in der Etablierung einer allgemein akzeptierten Rechtsgrundlage für einen unge- teilten zyprischen Staat, die Bedeutung des Mittelmeerraumes und seiner Anrainerstaaten im Kalten Krieg sowie der EU-Beitritt (Süd-)Zyperns im Jahr 2004 ein. Kapitel acht kehrt zum Jahr 1974 zurück und verfolgt die weitere Entwicklung der Frie- denstruppe der Vereinten Nationen in Zypern bis in die Gegenwart. Anschließend wird in Kapitel neun eine Bestandsaufnahme der jüngsten Entwicklungen rund um die Zypernfrage (seit 2004) unternommen sowie die derzeitige politische Haltungslage der darin involvierten Akteure begutachtet. Die Schlussbetrachtung (Kapitel zehn) widmet sich der Beantwortung der Untersu- chungsfrage der Diplomarbeit: Warum ist Zypern eine geteilte Insel und welche Rolle spielt dabei das Militär?

3 Einzelwerke (alphab. Reihung im Literaturverzeichnis): vgl. ASMUSSEN, Jan, Cyprus at War – Diplomacy and Conflict during the 1974 crisis, London 2008. Artikel/Beiträge der „Österreichische Militärische Zeitschrift“(ÖMZ) (chronolog. Reihung im LV): vgl. TAUS, Wolfgang, Internationale Rundschau - Türkei, in: ÖMZ, Jg. 48, 6/2010, Wien 2010, S. 798-802. 5 2. EINLEITUNG

Der fast 450 Jahre andauernde Konflikt zwischen griechischer und türkischer Bevölkerung auf der Ostmittelmeerinsel Zypern führte 1974 zur Teilung der Insel in zwei Hälften. Diese Teilung ist zum einen physisch erkennbar, etwa durch eine künstlich durch die Hauptstadt der Republik Zypern gezogene Grenze, deren Überschreitung über viele Jahre hinweg vor allem für Bewoh- ner des türkischen Nordteils nur schwer bis gar nicht möglich war und erst aktuell wieder durchlässiger zu werden beginnt. Zum anderen scheint eine imaginäre Grenze in den Köpfen der Bevölkerung selbst zu existieren, was den gescheiterten gemeinsamen EU-Beitritt der bei- den Inselteile 2004 erklären könnte. Gründe hierfür sind in der historischen Entwicklung natio- nalistischer Ideologien, Strömungen und Bewegungen zu finden – Ideologien, die Produkt eines 2500 Jahre alten Gegensatzes zwischen den Hauptprotagonisten des kleinasiatischen Raumes, Griechenlands und der Türkei sind. Ein Gegensatz, der im vorigen Jahrhundert Millionen Men- schen ihre angestammte Heimat verlieren ließ und mit der türkischen Invasion Zyperns von 1974 ein weiteres Kapitel der Auseinandersetzung geschrieben wurde.

Abb. 1, Karte „Topographie Zyperns“4

Abb. 2, Karte „Politische Landkarte Zyperns“5

4 entnommen aus: http://www.weltkarte.com/europa/zypern/topographische-karte-zypern.htm, abgerufen 17/04/11. 5 entnommen aus: http://www.die-geobine.de/karten/zypern.png, abgerufen 17/04/11. 6 3. ALLGEMEINE DEFINITIONEN

Vorab wird darauf hingewiesen, dass in der gesichteten Literatur eine Vielzahl von Schreibwei- sen für zyprische Orts- und Politikernamen vorkommen, was zum einen an den verschiedenen Umsetzungsmöglichkeiten griechischer Buchstaben, zum anderen aber auch aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt üblichen (Selbst)Bezeichnungen liegt. Als Beispiel wird hier die größte Hafenstadt im Osten der Insel Zypern angeführt, die in ihrer griechischen Bezeichnung Ammochostos, in der türkischen Gazimagusa oder auch Magosa und schließlich die auch im deutschen Sprachgebrauch übliche englische Bezeichnung als Namen aufweisen kann. Sprechen Zyperngriechen heute von Famagusta, so meinen sie einen vor 1974 ausschließ- lich von ihnen bewohnten Stadtteil namens Varosha, den die Türken auch Marash nennen. Die- ses Beispiel kann auch auf die Hauptstadt der Republik Zypern umgelegt werden.6 In dieser Arbeit werden die im deutschen Sprachgebrauch üblichen Bezeichnungen verwendet. Ebenfalls wichtig ist, die unterschiedlichen Bezeichnungen der Bevölkerung auf Zypern klarzustellen. Nach Piller (Zypern, die ungelöste Krise, S. 3f.) kommt es darauf an, aus welcher Intention her- aus die beiden Bevölkerungsteile betitelt werden wollen: Grundsätzlich sind die Bezeichnungen Nord- bzw. Südzyprioten zu vermeiden, da diese Ausdrucksweise, vor allem bis 1974, keine für diese Diplomarbeit relevanten Informationen beinhaltet. Will man die Volksgruppen voneinan- der unterscheiden, spricht man von Inselgriechen, Inseltürken, Zyperngriechen oder Zyperntür- ken, genauso von christlichen (orthodoxen) oder muslimischen Zyprioten. Geht es um die Ab- grenzung zu Festlandsgriechen und -türken, so verwendet man den Ausdruck Zyprioten oder Zyprer. Dies führt zur wohl umstrittensten Frage des Konfliktes auf Zypern: Sind Zyperngrie- chen Griechen bzw. Zyperntürken Türken und wäre dadurch ein Anschluss eines geteilten oder ungeteilte Zyperns an die „Mutterländer“ der Ethnien gerechtfertigt gewesen? Auf diese Frage wird in der vorliegenden Diplomarbeit mehrmals eingegangen. Während Piller die Frage mit einem klaren „Nein“ beantwortet7, bezieht sich Tzermias auf Sir Ronald Storrs, den britischen Gouverneur Zyperns der Jahre 1926 bis 1932, der meinte: „the Greekness of Cypriots is in my opinion indisputable“.8

6 vgl. PILLER, Uli, Zypern, die ungelöste Krise, Pfaffenweiler 1997, S. 3. 7 Laut Piller handelt es sich bei den Türken auf Zypern um eine eigene Volksgruppe und um keine ethnische Min- derheit, da diese sich durch Kultur, Bildung und Tradition von Festlandtürken abgrenzen (wollen) und somit als zweites Staatsvolk Zyperns angesehen werden müss(t)en, was durch die Verfassung von 1960 (die allerdings 1963 einseitig von der zyperngriechischen Führung revidiert wurde) auch so bestimmt wurde. Die Behauptung, dass die Zyperntürken gar eine eigene Nationalität darstellen, kann nur dann als korrekt bestätigt werden, wenn die „Türki- sche Republik Nordzypern“ (TRNZ) international anerkannt wäre. Die Zyperngriechen unterscheiden sich im gleichen Maße von der griechischen Festlandbevölkerung, wenngleich sich beide auf ihr hellenistisches Erbe beru- fen (das Hauptargument der Enosis-Forderung), obwohl Zypern nie unter griechischer Oberhoheit gewesen ist. Als unabhängig gilt weiters die zyprisch-orthodoxe Kirche, die zwar die gleichen Glaubensinhalte wie die griechisch- orthodoxe Kirche lehrt, jedoch auf eine eigene Geschichte seit der Missionierung durch Paulus und Barnabas zu- rückblicken kann. vgl. PILLER, Zypern, S. 4. 8 Siehe auch Schlussbetrachtung S. 141. 7 4. GESCHICHTE ZYPERNS UND ENTSTEHUNG DES ZYPERNKONFLIKTS

4.1 HISTORISCHE ENTWICKLUNG BIS 1571 Die ältesten nachgewiesenen Siedlungsreste zyprischer Ackerbauern dürften im Neolithikum des Zeitraumes vom 7. bis zum 4. Jahrtausend v. Chr. entstanden sein.9 Durch Ausgrabungen konnten Schädel- und Häuserreste sichergestellt werden, die auf Besiedlung aus dem anatoli- schen Kilikien sowie aus dem syrisch-palästinensischen Raum (um Ugarit) schließen lassen.10 Die Entdeckung von Kupfer11 auf der Insel wird auf das 3. Jahrtausend v. Chr. datiert.12 Die angestammte Bevölkerung (Eteocyprier)13 der nach Sizilien und Sardinien drittgrößten Mittel- meerinsel Zypern (9.251km²)14 vermischte sich (nicht immer friedlich) mit den zwischen dem 14. – 12. Jahrhundert v. Chr. vom griechischen Festland her einwandernden Siedlern aus My-

vgl. STORRS, Ronald, Orientations, London 1937, S. 550. zitiert nach: TZERMIAS, Pavlos, Geschichte der Republik Zypern, Tübingen 1991, S. 35, Fußnote 206. 9 vgl. MAIER, Franz Georg, Cypern, Insel am Kreuzweg der Geschichte, 2., erw. Aufl., München 1982. (Engl. Ausg. London 1981), S. 29. vgl. KARAGIORGIS, Vasos, Zypern im Altertum, in: TENEKIDIS, Giorgos, KRANIDIOTIS, Jannos (Hrsg.), Zypern, Geschichte, Probleme und Kämpfe seines Volkes, Athen 1981 (griechisch), S. 17-30. beide zitiert nach: TZERMIAS, Republik Zypern, S. 4, Fußnote 22. Piller datiert die ersten nachgewiesenen Siedlungsüberreste (bei Catalköy) auf etwa 7.000 v. Chr. vgl. PILLER, Zypern, S. 5. Zervakis bestätigt Piller bezüglich des Zeitraumes und gibt als Fundorte Chirokitia (ca. 7.000 bis 6.000 v. Chr.) bzw. Sotira (4.500 bis 3.800 v. Chr.) an. vgl. PELTENBURG, E.J., Palaeolithic To Late Bronze Ages, und KARAGEORGHIS, V., The Late Bronze Age (Late Cypriote), in: Footprints in Cyprus. David Hunt (Hrsg.), 2. Aufl., London 1990, S. 1-46. zitiert nach: ZERVAKIS, Historische Grundlagen, in: GROTHUSEN, STEFFANI, ZERVAKIS (Hrsg.), Südosteu- ropa Handbuch Band VIII - Zypern, Göttingen 1998, S. 39, Fußnote 2. Kizilyürek spricht von einer Besiedelung Zyperns ab dem 6. vorchristlichen Jahrtausend und bezieht sich auf Hei- de: vgl. HEIDE, Ulrich, Nationale Unabhängigkeit im Spannungsfeld von ethnischen Unterschieden, sozialen Konflik- ten und Kolonialpolitik, Untersuchungen zum Lernfeld Dritte Welt am Beispiel von Cypern, Frankfurt am Main 1980, S. 9. zitiert nach: KIZILYÜREK, Niyazi, Der Zypernkonflikt unter besonderer Berücksichtigung der internationalen Abhängigkeitsverhältnisse, Bremen 1990, S. 4, Fußnote 1. Ackermann lokalisiert die ersten nachgewiesenen Siedlungsüberreste auf Zypern bei Petra tou Limniti an der nordwestlichen Küste. vgl. ACKERMANN, Michael, Türkisch-Zypern, Geschichte und Gegenwart, Heiligenhofer Studien zu Volksgrup- penfragen (6), Heiligenhof-Bad Kissingen 1997, S. 12. 10 vgl. Fußnote 7, PELTENBURG/KARAGEORGHIS zitiert nach: ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 39, Fußnote 2. vgl. PILLER, Zypern, S. 5. vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 12. 11 (griech. Kypros = Kupfer) vgl. HERM, Gerhard, Die Phönizier, Das Purpurreich der Antike, Wien 1973, S. 188. vgl. Fußnote 7, PELTENBURG/KARAGEORGHIS zitiert nach: ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 39, Fußnote 2. 12 vgl. HEIDE, Ulrich, Nationale Unabhängigkeit im Spannungsfeld von ethnischen Unterschieden, sozialen Kon- flikten und Kolonialpolitik, Untersuchungen zum Lernfeld Dritte Welt am Beispiel von Cypern, Frankfurt am Main 1980, S. 9. zitiert nach: KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 4. 13 vgl. SPYRIDAKIS, C., An outline of the history of Cyprus, 1957, S.4. zitiert nach: GEORGHIADES, Die Zypernfrage, Bonn 1963, S. 7, Fußnote 1. 14 vgl. FISCHER Weltalmanach 2009, Zahlen Daten Fakten, Zypern, Frankfurt am Main 2008, S. 516. 8 kene, die ihre Lebensweise15 und Sprache16 mit auf Zypern brachten.17 Eine zweite griechische Besiedlungswelle, vornehmlich bestehend aus Achäern, lässt sich mit dem Ende des trojani- schen Krieges (1184 v.Chr.) festmachen, sofern man den Berichten der Ilias Glauben schenken mag.18 Die orientalische Bevölkerungskomponente wurde durch die im 9. Jahrhundert v. Chr. in Kition (dem heutigen Larnaka) angesiedelten Phönikier erstmals gestärkt.19 Im Konflikt zwischen den Ägyptern im Süden und den anatolischen Hethitern im Nor- den befand sich Zypern im Spannungsfeld dieser beiden Mächte, wobei durch Tributzahlungen der zyprischen Herrscherelite der Abhängigkeit an die jeweilige Oberhoheit Ausdruck verliehen wurde. So war die Insel von 709 v. Chr. ca. fünfzig Jahre lang den assyrischen Königen tribut- pflichtig, bis sie nach einer rund hundertjährigen Zeit der Unabhängigkeit von 560 – 546 v. Chr. unter ägyptische Herrschaft kam. Ihre Niederlage gegen den Makedonenherrscher Alexander beendete die Herrschaft der Perser über Zypern, sodass die Insel ab 294 v. Chr. bis 58 v. Chr. Teil der hellenistischen Welt wurde.20 Die „konservative Einstellung“ (eher „konservierende“)

15 Wie etwa den zur damaligen Zeit populären Aphrodite-Kult. „Aphrodite wird im griechischen Raum als Liebes- göttin verehrt; sie soll in der Nähe der Stadt Paphos dem Meer entstiegen sein. […] Zypern wird aus diesem Grund allerorts als die „Insel der Aphrodite“ bezeichnet.“ vgl. PILLER, Zypern, S. 5. 16 „Die Griechen auf Zypern bedienten sich des arkadisch-dorischen Dialekts, den die griechischen Siedler von Arkadien zur Insel mitbrachten, noch bevor die Dorier den Pelep(p)ones gänzlich besetzt hatten.“ vgl. GEORGHIADES, Zypernfrage, S. 7, Fußnote 2. 17 Tenekides spricht von einer minoischen Besiedelung ab dem 18. Jahrhundert v. Chr. vgl. TENEKIDES, Georges, Zypern, Jüngste Geschichte und politische Perspektiven, Genf 1966, S. 16. Als Grund für die mykenische Besiedelung auf Zypern gibt Kellner den entstehenden Druck durch die von Norden Richtung Peleponnes einwandernden indogermanischen Streitaxtleute an. vgl. KELLNER, in: WOLFE, James H., HEINRITZ Günter, HILF, Rudolf, KELLNER Leonhard (Hrsg.), Zypern. Teilung der Macht oder Teilung des Landes?, München 1987. S. 14. vgl. GEORGHIADES, Zypernfrage, S. 7. 18 vgl. GEORGHIADES, Zypernfrage, S. 7. (siehe Fußnote 4) 19 vgl. HERM, Die Phönizier, S. 189f. 20 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 40, 42-43. Tzermias macht den Beginn der Miteinbeziehung Zyperns in den hellenischen Kulturraum mit Euagoras fest, der im 4. Jahrhundert v. Chr. unter persischer Herrschaft enge Kontakte zu Athen zu unterhalten begann, und bezieht sich dabei auf: vgl. MAIER, Franz Georg, Cypern, Insel am Kreuzweg der Geschichte, 2., erw. Aufl., München 1982. (Engl. Ausg. London 1981), S. 60. zitiert nach: TZERMIAS, Republik Zypern, S. 5f, Fußnote 29. Piller verweist an dieser Stelle (nicht zum letzten Mal) auf den Umstand, dass „hellenistisch“ nicht „griechisch“ bedeutet, da es ein „Griechenland“ zu diesem Zeitpunkt nicht gab. vgl. PILLER, Zypern, S. 5. Tzermias betont in seinem Kapitel „Zypern vor der Entstehung der Republik“ im Hinblick auf die geographische Lage der Insel am Schnittpunkt dreier Kontinente nicht „den überwiegend hellenischen Charakter des zyprioti- schen Eigenlebens zu verkennen.“ Er schließt an mit: „Gewiß, das zypriotische Griechentum hat seine Eigenart […]“ und bringt somit die beiden Begriffe, die Piller so streng voneinander trennen will, in unmittelbaren Zusam- menhang. Tzermias argumentiert weiter, dass das griechisch-zypriotische Selbstverständnis in der gefühlten histo- rischen Kontinuität der Verbindung mit der hellenischen Kultur liegt, dies jedoch nicht in einem nationalistischen Sinne zu verstehen ist, da es strenggenommen keine Gesamtentwicklung einer „hellenischen Nation“ vom Alter- tum bis heute geben kann, weil der Begriff der Nation ein neuerer ist, der nicht in die Antike hineinprojiziert wer- den darf. Jedoch bilden in mancher Hinsicht „das antike und das heutige Zypern, wie überhaupt das alte Hellas und das moderne Griechenland, eine historische Einheit […].“ Die „Kontinuität der griechischen Geschichte wurzelt im hellenischen Bewußtsein der heutigen Griechen (einschließlich der Griechischzyprioten), einem Bewußtsein, das sich unter anderem von der Erhaltung der Sprache nährt.“ vgl. TZERMIAS, Republik Zypern, S. 2f. 9 der Zyprioten trotzte den Jahrhunderten der Fremdbeherrschung und brachte ihnen zum einen eine gewisse lokale Autonomie ein und erhielt zum anderen die griechischen Elemente ihrer Kultur, die sich allerdings auch orientalischer Elemente annahm.21 Ab dem Zeitpunkt der Herr- schaft der Ptolemäer setzte sich Griechisch endgültig als Umgangssprache durch, da sich Zy- pern kulturell und religiös fast ausschließlich an Alexandria orientierte.22 Die Insel wurde ab 58 v.Chr. zusammen mit Teilen Anatoliens als römische Provinz Ki- likien verwaltet und nach römischem Muster infrastrukturell erschlossen, als von Salamis aus, das in dieser Zeit das wirtschaftliche Zentrum Zyperns repräsentierte, die Apostel und Missio- nare Paulus und Markus zusammen mit ihrem Begleiter Barnabas den christlichen Glauben verbreiteten.23 Das aus den Ruinen des Imperium Romanum entstandene (griechisch-byzantische) ost- römische Reich kontrollierte fast 800 Jahre lang24 Zypern und prägte durch verstärkten Einfluss der orthodoxen Kirche25 nachhaltig den hellenistischen Charakterzug der Zyprer.

Somit kommt Tzermias zum Entschluss, dass „das Bewußtsein der Verbundenheit Zyperns mit dem neuen Grie- chentum in gewissen Sinne schon im byzantinischen Erbe wurzelt.“ Tzermias verweist in Fußnote 46 zusätzlich auf: MAIER, Franz Georg, Cypern, Insel am Kreuzweg der Geschich- te, 2., erw. Aufl., München 1982. (Engl. Ausg. London 1981), S. 80f. vgl. TZERMIAS, Republik Zypern, S. 8. vgl. TZERMIAS, Pavlos, Neugriechische Geschichte, Eine Einführung, Tübingen 1986, S. 27ff. 21 vgl. TZERMIAS, Republik Zypern, S. 5. Zervakis über die Zeit der archaischen Periode (750 bis 475 v. Chr.): „Durch die Schaukelpolitik der „freiwilligen“ Unterwerfung unter die jeweilige regionale Großmacht sicherten sich die Zyprer eine relativ hohe Eigenständig- keit. So gelangte Zypern aufgrund seiner zentralen Insellage im Ost-West-Handel und seines Rohstoffreichtums (Kupferminen, Holzreichtum, Werftbau) zu wirtschaftlicher und kultureller Blüte, wobei das griechische Element am stärksten prägend wirkte.“ vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 40. Hier sei noch auf Tzermias verwiesen, der, wie Zervakis, Zypern vor allem im Altertum und Mittelalter eine nicht unbedeutende Mittlerrolle zwischen den benachbarten Kulturen des Ostens und des Westens zuschreibt. vgl. TZERMIAS, Republik Zypern, S. 2, 4. Nach Heinrich und Marie Simon ist die stetige wechselwirkende Beeinflussung durch den Osten und den Westen ein Charakteristikum des Hellenismus. „Die Formen der griechischen Gesellschaftsstruktur wurden auf die östli- chen Gebiete übertragen, die ihrerseits auf Griechenland einwirkten. Dieser Prozeß der gegenseitigen Beeinflus- sung hat zwei Seiten, er bedeutet sowohl die Hellenisierung des Ostens als auch eine gewisse Orientalisierung Griechenlands.“ vgl. SIMON, Heinrich und Marie, Die alte Stoa und ihr Naturbegriff, Ein Beitrag zur Philosophiegeschichte des Hellenismus, Berlin 1956, S. 18. 22 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 43. Ackermann hingegen macht die Übernahme der griechischen Sprache durch die antiken Zyprioten mit der Christi- anisierung durch Paulus und Barnabas fest. Er argumentiert, dass durch die Verkündung des Neuen Testaments, welches in der Gelehrtensprache des Römischen Reiches, dem Griechischen, verfasst wurde, auch die christiani- sierte Bevölkerung Zyperns griechischsprachig wurde. vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 18. 23 vgl. PILLER, Zypern, S. 6. Zu Zypern in der Antike siehe auch Abb. 27 u. 28 im Anhang. 24 Mit der Teilung des römischen Reiches im Jahr 330 n. Chr. kommt Zypern zur oströmischen Reichshälfte und bleibt es bis 1191. vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 15. 25 Die zyprisch-orthodoxe Kirche errang im Autokephalie-Streit des 5. Jahrhunderts ihre Selbstständigkeit, da sie sich „überzeugend auf eine apostolische Gründung berufen konnte“. vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 45f. Zervakis verweist in diesem Zusammenhang in Fußnote 14 auf grundlegende Literatur zur zyprisch-orthodoxen Kirchengeschichte: HACKETT, J., A History of the Orthodox Church of Cyprus, London 1901 (Reprint New York 1972). 10 Nach der Eroberung Palästinas und Ägyptens Mitte des 6. Jahrhunderts stand Zypern von Sü- den und Osten her verstärkt im arabisch-muslimischen Blickfeld.26 Die arabischen Eroberungs- züge ab dem beginnenden 8. Jahrhundert n. Chr. brachten weitere Muslime und christliche Ara- ber auf die Insel. Obwohl es den Arabern nie gänzlich gelang die Insel dauerhaft zu beherrschen oder zu islamisieren, musste Zypern beinahe zweieinhalb Jahrhunderte sowohl dem Kalifen von Damaskus als auch dem byzantinischen Kaiser zu gleichen Teilen Steuern entrichten.27 Aufgrund ihrer geostrategischen Lage, war und ist die Insel Zypern seit jeher im Blick- punkt der Mächte des kleinasiatischen Raumes, aber auch darüber hinaus, wie die mittelalterli- che „Kolonisierung“ der Insel durch venezianische und fränkische Kaufleute zeigt. Unter der Herrschaft dieser Kaufleute diente die Hälfte der griechisch-orthodoxen Bevölkerung als Leib- eigene auf den Besitzungen der Franken und Venezianer.28 Historikern zufolge (u.a. Piller) soll in der Zeit des westfranzösischen Herrschergeschlechts der Lusignans29 in Famagusta für jeden Tag des Jahres eine (katholische) Kirche vorhanden gewesen sein, in denen die orthodoxe Be- völkerung zu katholischer Glaubensausübung genötigt wurde. Alternativ musste man auf jegli- che Form der Glaubensausübung verzichten; einzig in der Verteidigungsfrage waren sich die fränkisch-venezianischen Herrscher30 und die zyprische Bevölkerung einig. Sollte es zu einem osmanischen Angriff kommen, musste die Insel verteidigt werden. Diesen Gedanken festigte

Zum Autokephalie-Streit verweist Tzermias auf: KONIDARIS, Gerasimos I., Die Autokephalie der Kirche Zy- perns Athen 1976 (griechisch) und MITSIDIS, Andreas N., Die Autokephalie der Kirche Zyperns, Athen 1976. beides in: 15. Congrés International d´Etudes Byzantines, Athen 1976. vgl. TZERMIAS, Republik Zypern, S. 7, Fußnote 43. 26 „In der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts wurden über 3.000 Armenier (und Maroniten) aus dem be- nachbarten Festland zur Bewachung der Inselneutralität [im Grenzkrieg zwischen Byzanz und den Arabern] ange- siedelt, deren Loyalität zumindest Anfang des zehnten Jahrhunderts eher den Arabern galt.“ vgl. KYRRIS, C.P., Military Colonies in Cyprus in the Byzantine Period, Their Character, Purpose and Extend, in: Byzantinoslavica. 31 (1979) 2, S. 157-181. zitiert nach: ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 46, Fußnote 17. Die maronitische Kirche ist eine mit Rom unierte orientalisch-christliche Gemeinschaft, die im 7. Jahrhundert in Syrien vom heiligen Maron gegründet wurde. Ab dem 9. Jahrhundert besteht das Patriarchat von Antiochia. Au- ßerhalb Syriens (Erzdiözese von Aleppo und Damaskus) und dem Libanon gibt es maronitische Eparchien in Kairo und auf Zypern. Nach der muslimischen Eroberung Syriens im 7. Jhdt. n. Chr. zogen sich die arabischen Christen ins Libanongebirge zurück, wo sie bis ins 20. Jhdt. einen nicht unwesentlichen Bevölkerungsanteil stellen. Bis heute bestehen in sich geschlossene maronitische Dorfgemeinschaften auf Zypern. Zusätzlich zu den Problemati- ken des rechtlichen Status der einzelnen Bevölkerungsgruppen der seit 1974 geteilten Insel (z.B. Zyperngriechen im Nordteil, Zyperntürken im Südteil) muss sich die internationale Staatengemeinschaft, Griechenland, die Türkei und die zyprischen Regierungen um die Angelegenheiten und Rechte dieser dritten Bevölkerungsgruppe verstän- digen. vgl. BROCKHAUS, Band 3, 5. Aufl., Wiesbaden 1973, S. 491. 27 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 46. (weiterführende Informationen und Literatur, ZERVAKIS, S. 46, Fußnote 16.) 28 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 5. Für eine detailliertere Beschreibung der „Frangokratia“ (Frankenherrschaft) und „Latinokratia“ (Lateinerherr- schaft): vgl. TZERMIAS, Republik Zypern, S. 8-13. 29 Der englische König Richard nahm Zypern 1191 auf einem Kreuzzug in seinen Besitz. Er verkaufte die Insel im selben Jahr an den Templerorden, der 1192 diese an Guy de Lusignan weiterverkaufte. Das Herrschergeschlecht der Lusignans regierte daraufhin fast 300 Jahre lang die Insel (bis 1489). vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 15f. vgl. PILLER, Zypern, S. 6. 30 Die Venezianer lösten nach einem Machtkampf mit Genua 1489 das Herrschergeschlecht der Lusignangs ab. 11 man mit zusätzlicher anti-osmanischer Propaganda.31 Nach dem Fall Konstantinopels 1453 übersiedelten viele Byzantiner nach Zypern, wodurch das hellenistische Element32 auf der Insel weiter gestärkt wurde.33 Trotz der Unterdrückung durch die katholischen Herrscher blieb auch das griechische-orthodoxe Element auf Zypern bestimmend34; die Bevölkerungszahl Zyperns kann zu Beginn der osmanischen Eroberung auf 150.000 – 170.00035 Personen geschätzt wer- den. Während des 16. Jahrhunderts begann das aufstrebende Osmanische Reich seine Macht stetig im kleinasiatischen Raum auszubauen. So wurde auch Zypern aufgrund der Nähe (und der zentralen Lage im östlichen Mittelmeer) zum osmanischen Festland (kürzeste Verbindung 65 Kilometer36) zum Ziel osmanischer Expansionspläne. Mit dem Fall Famagustas, der letzten venezianischen Festung, fiel Zypern schließlich am 1. August 1571 unter die Herrschaft des Sultans.37 Mit diesem Datum kann der Beginn des Zypernkonfliktes festgemacht werden, auch wenn dieser sich über die noch kommenden Jahrhunderte unterschiedlich äußerte und entwi- ckelte.

4.2 ZEIT OSMANISCHER HERRSCHAFT Mit der osmanischen Eroberung wird Zypern für mehr als 300 Jahre Teil eines islamisch ge- prägten und dominierten Vielvölkerstaates. In dieser Zeit wurde einerseits die ethnische Zu- sammensetzung der Inselbevölkerung nachhaltig verändert, andererseits durch die Art und Wei-

31 vgl. PILLER, Zypern, S. 8. 32 Piller verweist in Kapitel 3.3 (Zypern, die ungelöste Krise) auf die neuzeitliche Fehlinterpretation des Alten Griechenland: „Spricht man vom „Alten Griechenland“, so kann damit nur ein Kulturkreis, aber kein Staatenbund oder gar ein zentralistischer Staat (…) gemeint sein.“ Laut Piller ist dies für Zypern insofern von Bedeutung, „wenn es darum geht, den Ausführungen des ersten zypriotischen Präsidenten Makarios III. entgegenzutreten. Zwar stand Zypern unter dem Einfluss der hellenistischen Kultur, und auch der Glaube glich dem der Griechen, aber da ein griechischer Staat bis 1830 nicht existierte, konnte auch Zypern nicht zu diesem Staat gehören. Andern- falls müßten auch Teile des Balkans, Italiens und Nordafrikas zu diesem griechischen Staat gehören.“ vgl. PILLER, Zypern, S. 7. 33 vgl. KNATZ, Lothar, Zypern, Freiburg 1990, S. 46. zitiert nach: ACKERMANN, Türkisch-Zypern. S. 30, Fußnote 3. 34 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 5. vgl. PILLER, Zypern, S. 8. 35 Aufgrund fehlender Bevölkerungserhebungen dieser Zeit weichen Zahlen in gesichteter Literatur ab. vgl. ST JOHN-JONES, L.W., The Population of Cyprus, Demographic Trends and Socioeconomic Influences, London 1983 (=Commonwealth Papers, 23), S. 28. zitiert nach: BREY, Hansjörg, Bevölkerungsstruktur, in: GROTHUSEN, STEFFANI, ZERVAKIS (Hrsg.), Süd- osteuropa-Handbuch Band VIII – Zypern, Göttingen 1998, S. 489, Fußnote 5. Andere Autoren liefern andere Schätzungen, die von einer Bevölkerungszahl von bis zu 200.000 ausgehen. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 5. 36 Kap Anamur – Zypern. vgl. PABST, Martin, Neue Bemühungen zur Beilegung des Zypernkonflikts, in: ÖMZ, Jg. 38, 5/2000, Wien 2000, S. 568. 37 vgl. PILLER, Zypern, S. 6. 12 se der osmanischen Herrschaft der Nährboden für den gegen Ende ihrer Herrschaftszeit auf- kommenden griechisch-zypriotischen Nationalismus gelegt.38 Nach der osmanischen Eroberung ließen sich in den kommenden Jahrzehnten etwa 20.000 Türken (meist in Garnisonen an strategischen Punkten angesiedelte Wehrbauern) auf der gesamten Insel nieder, die ab nun aufgrund der veränderten Herrschaftsverhältnisse als ethni- sche Minderheit durch eine herrschende Oberschicht die Entscheidungsgewalt gegenüber der griechischen Bevölkerungsmehrheit (laut Literatur zwischen 120.000 u. 200.000) inne hatten. Laut Beitrag Peter Zervakis’ im Südosteuropa – Handbuch Band VIII. scheiterte in den ersten Jahren der Herrschaft über Zypern jedoch die geplante Ansiedlung von 12.000 Familien aus Anatolien am Widerwillen der Auszusiedelnden. Selbst nach versprochenen Steuerbegünsti- gungen oder angedrohter Zwangsaussiedlung registrierten sich 1573 lediglich 800 Männer meist „zweifelhaften Rufs“ in Zypern.39 In unregelmäßigen Schüben stießen weitere türkische Siedler hinzu, wenn auch die bereits erwähnten 20.000 die Vorfahren der noch heute ansässigen Zyperntürken darstellen.40 Um 1606 wird die Zahl der türkischen Bevölkerungsgruppe auf 30.000 geschätzt.41 Die Inbesitznahme der Insel war verbunden mit blutigen Übergriffen seitens der Osma- nen, die noch heute im Bewusstsein der griechisch-zypriotischen Bevölkerung verankert sind.42 Die von der griechischen Geschichtsschreibung als „Turkokratia“ bezeichnete türkische Fremdherrschaft begann mit einer drastischen Veränderung der sozialen Strukturen der Insel. Es wurden die venezianische (=lateinische und damit katholische) Feudalherrschaft beendet, die Leibeigenschaft und Frondienste der griechisch-orthodoxen Bevölkerung abgeschafft und die

38 „Während der folgenden zwei oder drei Generationen schufen die türkischen Eroberer das Cypernproblem in seiner heutigen Form, indem sie die gleiche Politik anwendeten, die die Engländer zur selben Zeit in Irland ver- folgten und die dort „Plantation“ genannt wurde: - die Ansiedlung einer großen landfremden Bevölkerungsgruppe mit anderer Sprache und Religionszugehörigkeit, die die Vorherrschaft über die unterworfene Bevölkerung über- nehmen und aufrechterhalten sollte.“ vgl. WOODHOUSE, M., Das Cypernproblem und die Abkommen von 1959, in: Europa-Archiv, 3/1960, S. 64. zitiert nach: NOWACKI, Helmut, Der Zypernkrieg 1974, Eine Analyse seiner Ursachen, Hamburg 1982, S. 24, Fußnote 38. 39 vgl. STRAUSZ, J., Ottoman Rule in Cyprus, in: Cyprus in Textbooks – Textbooks in Cyprus, BREY, H., HÖPKEN, W. (Hrsg.) München (im Druck) 1998, S. 10. zitiert nach: ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 57, Fußnote 36. 40 vgl. TENEKIDES, Zypern, S. 39. vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 14. vgl. PILLER, Zypern, S. 8. 41 vgl. JENNINGS, R.C., Christians and Muslims in Ottoman Cyprus and the Mediterranean World, 1571-1640, New York 1993 (=University Studies in Near Eastern Civilizations, 18), S. 132-172, 212-239./GAZIOGLU, A.C., The Turks in Cyprus. A Province of the Ottoman Empire (1571-1878), London 1990, S. 74-93. zitiert nach: ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 57, Fußnote 37. 42 vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 20. Eine ganz andere Sicht der osmanischen Übernahme vertritt Ackermann: „Die griechisch-sprachige Bevölke- rungsmehrheit hatte den Machtwechsel auf Zypern nicht nur begrüßt, sondern herbeigesehnt, […].“ vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 36. Aber auch Piller spricht davon, dass die Osmanen nach der Eroberung der Insel von den Zyprern freundschaftlich begrüßt wurden, dass sich Freundschaften bildeten und sich Familien mischten. Aufgrund der 1754 eingeführten Ethnarchie war man „im großen und Ganzen zufriedener als unter den Venezianern.“ vgl. PILLER, Zypern, S. 9. 13 Steuerlasten gesenkt. Gegen eine einmalige geringe Abgabe konnten die befreiten Bauern ihre bisherig bestellten Felder in Besitz nehmen.43 Die in Albanien oder Bosnien durchgeführte Knabenlese blieb auf Zypern, ebenso wie Massen-Zwangskonvertierungen zum islamischen Glauben, aus. So bestand ein Teil der muslimischen Landbevölkerung auch aus freiwillig kon- vertierten Christen, die aus fiskalischem Interesse zum Islam übertraten, um den für nicht- Muslime geltenden doppelten Steuersatz oder die eingeführte Kopfsteuer zu umgehen.44 Ein interessantes Phänomen stellt die Tatsache dar, dass die Nachkommen dieser konvertierten, ehemals christlich-orthodoxen Menschen ihre Muttersprache von Griechisch auf Türkisch wechselten (1881 gaben 5 Prozent der Zyperntürken Griechisch als Muttersprache an, 1931 nur noch 3 Prozent). Neu eingewanderte Muslime hielten erwartungsgemäß an ihrer sprachlichen Tradition fest, obwohl viele von ihnen sich ebenso der griechischen Sprache bedienen konn- ten,45 was aus Berichten europäischer Kaufleute überliefert ist. Diese Entwicklung führte dazu, dass die griechisch-orthodoxe Bevölkerung die gesamtzyprische Bevölkerung in Christen be- ziehungsweise Türken einteilte, die muslimische Bevölkerungsgruppe jedoch zwischen Byzan- tinern/Griechen und Muslimen unterschied, da zumindest im Bewusstsein der Bevölkerung, Sprache und Religion mit der Zugehörigkeit zur ethnische Gruppe gleich gesetzt wurde. Diese Art der Unterscheidung hielt sich bis ins 20. Jahrhundert.46 In den Städten der Insel bildeten sich griechische und türkische Viertel, auf dem Land entstanden neben den bereits existierenden griechisch-zypriotischen Dörfern auch türkische, aber auch Dörfer mit gemischter Bevölkerung. Der Hauptteil der nun griechischen und türki- schen Bevölkerung Zyperns wirtschaftete als Pachtbauern auf so genannten Miri-Gründen (türk.: Miri = osmanisches Staatsland), um so anfallende Abgaben aufgrund des neu installier- ten osmanischen Steuersystems zu erbringen. Hier erscheint ein zunächst verbindendes Element der niederen Bevölkerungsschicht, weil griechische wie türkische Zyprer unter gleichen sozia- len Bedingungen lebten und arbeiteten. Beide litten gleichermaßen unter der Unterdrückung

43 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 56. 44 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 57. Die osmanische Gesellschaft wurde grob in Osmanli (die „Herde des Sultans“) und den Raya (die Sklaven des Sultans) eingeteilt. Während sich die Osmanli zum Islam bekannten und im Dienst des Staates standen, waren die Raya die Gruppe der steuerpflichtigen, vom Militärdienst ausgenommene nicht-Muslime, die jedoch oftmals ihre eigenen Gebräuche beibehalten durften (etwa die Ausübung des christlichen Glaubens). vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 35. Das Umgehen der Kopfsteuer durch Konvertierung zum Islam bedeute jedoch eine höhere Steuerlast für die ande- ren christlichen Zyprioten. vgl. PILLER, Zypern, S. 8, 10. 45 Bei dieser Feststellung bezieht sich Zervakis auf die Korrespondenz westeuropäischer Reisender mit den franzö- sischen Konsuln Larnakas. vgl. WILLIS, M.D., A New Document of Cypriot History, The Journal of Ambrosio Bembo (1671), in: Kypriakai Spoudai, 42 (1978), S. 35-46. vgl. POURADIER DUTAIL-LOIZIDOU, A., Consulat de France á Larnaca (1660-1696), Documents Inédits pour Servir á l`Histoire de Chypre, Bd. 1, Nikosia 1991 (=Sources et Ètudes de l`Histoire de Chypre, 17). beide zitiert nach: ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 57f, Fußnote 38. 46 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 57, 58. 14 durch (aus der türkischen Bevölkerungsgruppe rekrutierten) Großgrundbesitzer, und durch vom fürstlichen Lebensstil geprägte, orthodoxe Bischöfe sowie griechische Steuereintreiber und Geldverleiher. Beweis hierfür ist der Umstand, dass Bauernrevolten wie etwa jene in den Jahren 1765, 1783 oder 1804, von christlichen und/oder muslimischen Führern getragen wurden. So erhielt sich trotz des gegen Ende der osmanischen Besatzung aufkommenden griechischen Na- tionalismus eine durch Unterdrückung solidarisierte, friedlich koexistierende griechisch- türkische Landbevölkerung.47 Fixiert man mit der veränderten ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung den ers- ten Punkt des zukünftigen griechisch-türkisch zypriotischen Gegensatzes, so führt eine Analyse der zypriotischen Oberschicht(en) in der Zeit der osmanischen Herrschaft zu einem weiteren, nicht minder folgenreichen Punkt in der Genese des zeitgeschichtlichen Zypernkonfliktes. Die Aufgabenverteilung während der Zeit der osmanischen Herrschaft war klar festgelegt: So stellte die osmanische Oberschicht neben dem Kapudan Pascha48 vor allem hohe Beamte, die Richterschaft, Mullahs und einige Großgrundbesitzer. Den griechischen Anteil an der Ober- schicht stellten Vertreter der orthodoxen Kirche, Händler und Geldverleiher. Verbindendes Element dieser beiden Oberschichten war die gemeinsame Ausbeutung der schon vorher be- schriebenen Unterschicht von Pachtbauern.49 Einen weiteren Umstand neben der klar getrennten Aufgabenverteilung, der auch in wei- terer Folge desintegrativ auf die zyprischen Bevölkerungsgruppen einwirkte, stellte die Privile- gierung der griechisch-orthodoxen Kirche sowie die Einführung des Milletsystems dar. So wur- de die orthodoxe Kirche durch einen Erlass des Sultans von 1754 in das Verwaltungs- und Kontrollsystem mit einbezogen.50 Dem ranghöchsten Vertreter der orthodoxen Kirche auf Zy- pern, dem Erzbischof, wurde neben dem osmanischen Gouverneur als Vertreter des Sultans eine Art Mitregentschaft gewährt. Der Erzbischof führte von da an den Titel eines Etnarchen (=Volksführer). Er war von nun an geistliches und weltliches Oberhaupt der griechisch-

47 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 8f., S. 39f. Choisi gibt für christlich/muslime Bauernaufstände die Jahre 1665, 1764, 1765, 1830 und 1833 und verweist dabei auf Heide: vgl. HEIDE, U., Nationale Unabhängigkeit im Spannungsfeld von ethnischen Unterschieden, sozialen Konflikten oder Kolonialpolitik, Frankfurt am Main 2008, S. 51. zitiert nach: CHOISI, Jeanette, Wurzeln und Strukturen des Zypernkonfliktes 1878 bis 1990, Stuttgart 1993 S. 75, Fußnote 11. 48 Ab dem späten 17. Jahrhundert endete Zyperns Status als autonome Provinz des osmanischen Reiches aufgrund der überhöhten Steuerlasten und zunehmender Verarmung der Bevölkerung. Seit 1670 unterlag die Insel dem Oberbefehlshaber der osmanischen Marine, dem Kapudan Pascha (bis 1703). Die Insel blieb unter militärischer Jurisdiktion, so stand der Großwesir von 1703 bis 1745 Zypern vor, der die Insel jährlich an den meistbietenden Steuereintreiber versteigerte. Bis zum Ende der osmanischen Herrschaft 1878 wurde Zypern schließlich wieder als unabhängige Provinz regiert. vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 59. 49 vgl. ZEKI, Vehbi, Kibris Tarihi, Halkin Sesi Matbaasi, Lefkosa 1970, S. 77. zitiert nach: KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 9, 10, Fußnote 10. CHOISI, Wurzeln und Strukturen des Zypernkonfliktes, S. 77. 50 vgl. PILLER, Zypern, S. 8. 15 zypriotischen Bevölkerungsgruppe. Weiters durften die drei Bischöfe der orthodoxen Kirche Zyperns sich direkt an die „Hohe Pforte“ (=Regierungssitz des Sultans) wenden, und somit den Gouverneur in seiner Instanz übergehen.51 Dennoch waren vor dem auf Zypern eingeführten Rechtssystem nicht alle gleich; es existierte der Unglaubwürdigkeitsgrundsatz gegenüber Nicht- Muslime, sofern deren Aussage gegen Aussage eines Muslim stand.52 Nach der osmanischen Inbesitznahme wurde die katholische Kirche enteignet und ihr Klerus von der Insel vertrieben. Die zyprische griechisch-orthodoxe Kirche erlangte damit ihre in byzantinischer Zeit erhaltenen Rechte wieder zurück. Ein kleinerer Teil des ehemals katholi- schen Besitzes wurde zuerst an die auf Zypern stationierte Festungstruppe (ca. 4.000 Mann) aufgeteilt, der Großteil zum Verkauf dem orthodoxen Klerus angeboten. Durch diesen Vorgang entwickelte sich vor allem die griechisch-orthodoxe Mönchsgemeinschaft zu den größten Grundbesitzern Zyperns, die auch außerhalb der Insel (Russland, Istanbul, Anatolien) über Ländereien verfügte.53 Nach der Betrachtung von Unterschicht und Oberschicht, hinsichtlich Arbeitsaufgaben- bereich, Lebensumständen und Rechtsausstattung, fehlt die bewusst aufgesparte Frage nach Religion/Religionszugehörigkeit und deren politischer, sozialer und allgemein destabilisieren- der Wirkung und nach den am Beginn des 19. Jahrhunderts entstehenden Mittelschichten. Beide Aspekte fallen in die Beschreibung des installierten osmanischen Milletsystems. Das Milletsystem (=„kommunale Selbstverwaltung der Gemeinschaften gleichen religi- ösen Bekenntnisses“54) wurde Mitte des 18. Jahrhunderts auf Zypern eingeführt und stattete die griechisch-orthodoxe Kirche als Repräsentant und Sprecher der offiziell zugelassenen christli- chen Glaubensrichtungen (neben der griechisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft existierte noch eine maronitische sowie armenische Minderheit), mit dem Ethnarchen an ihrer Spitze, mit zahlreichen Privilegien und Freiheiten bezüglich der Führung seiner Religionsgemeinschaft aus

51 vgl. TENEKIDES, Zypern, S. 40. vgl. MAVROULEAS, Nikolaos, Entstehungsbedingungen, Bestimmungsfaktoren und Entwicklung des Zypern- konfliktes nach dem Zweiten Weltkrieg, Osnabrück 1978, S. 25f. u.a. vgl. JENNINGS, R.C., Christians and Muslims in Ottoman Cyprus and the Mediterranean World, 1571-1640, New York 1993 (=University Studies in Near Eastern Civilizations, 18), S. 69-106. zitiert nach: ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 60, Fußnote 42. vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 15 52 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 60. 53 vgl. KYRRIS, C.P. (Hrsg.), The Kanakaria Documents 1666-1850, Sale and Donation Deeds, Nikosia 1987 (=Texts and Studies of the History of Cyprus, 15). ohne Seitenangabe. zitiert nach: ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 56, Fußnote 34. 54 Zervakis gibt als weiterführende Literatur zur Diskussion des Milletsystems URSINUS, M., Millet, in: Encyclopaedia of Islam (Anm. 15), Bd. 7, S. 61-64. und URSINUS, M., Zur Diskussion „millet“ im Osmanischen Reich, in: Südostforschungen, 48, 1989, S. 195-207. an. vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 60, Fußnote 43. Dazu Nowacki: „Millets wurden im ottomanisch-türkischen Sprachgebrauch die gesetzlich anerkannten religiösen Gemeinschaften genannt, die ein beachtliches Maß an Selbstverwaltung und Selbstregierung zugestanden erhiel- ten.“ vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 22, Fußnote 31. Weiters zum Milletsystem: u.a. vgl. CHOISI, Wurzeln und Strukturen des Zypernkonfliktes, S. 76f. 16 (weitgehendes Selbstbestimmungsrecht in religiösen, kulturellen, und bildungspolitischen so- wie zivilrechtlichen Fragen). Zudem wurden die osmanischen Richter von der Hohen Pforte in Istanbul angewiesen, „jede Form von interkonfessioneller Einmischung zu ahnden und die Met- ropoliten in ihrer Amtsführung zu unterstützen“.55 Der Erzbischof wurde berechtigt, von den christlichen Zyprioten Steuern einzuheben, die er allerdings an die Hohe Pforte abliefern muss- te.56 Das Milletsystem schirmte jedoch die muslimische von der nicht-muslimischen Bevölke- rungsgruppe ab, da traditionelle Sitten, Bräuche, Riten und Feiertage streng ethnisch getrennt wurden und somit eine gegenseitige Integration der Bevölkerungsgruppen von Grund auf ver- hindert wurde. Der Vorgang der Staatsvolksbildung ist in dieser Zeit auf Zypern aufgrund der späteren Zugehörigkeit zum Britischen Empire noch kein Thema, jedoch wurde auch nach der Unabhängigkeit im Jahre 1960 durch die Nachwirkungen des Milletsystems dieser Prozess ver- hindert, während der mit dem 19. Jahrhundert aufkommende Nationalismus der jeweiligen Be- völkerungsgruppen sich reichlich daraus bediente.57 Das Milletsystem zielte nicht darauf ab ethnische Gemeinschaften zu schaffen, sondern religiöse. Da jedoch Religion mit Nationalität gleichgesetzt wurde führte das Milletsystem zu einer griechischen bzw. türkischen Identitäts- bildung. Diese strukturierende Kraft des osmanischen Milletsystems ist noch an vielen Stellen der zyprischen Verfassung von 1959/60 erkennbar und gilt als eine der Ursachen des gegenwär- tigen Zypernkonflikts.58 Im Laufe des 19. Jahrhunderts geriet das Osmanische Reich immer mehr in Abhängig- keit zu anderen europäischen Mächten, vor allem wirtschaftlich. So wurde Zypern dem Handel europäischer Staaten geöffnet. Vor allem in Larnaka entstanden zahlreiche Handelsposten, mit denen die christliche Bevölkerung Zyperns regen Austausch pflegte, während die türkische Be- völkerung sich an diesem Prozess kaum beteiligte. So führten ökonomische Veränderungen durch den regen Warenaustausch mit europäischen Kaufleuten zur Bildung einer bürgerlichen Mittelschicht, die sich aus Griechen, Armeniern, Juden und auf Zypern befindlichen Europäern rekrutierte. Diese Mittelschicht kontrollierte weitgehend den zyprischen Innen- und Außenhan- del und stand im krassen Gegensatz zur militärisch-administrativen türkischen Mittelschicht.59

55 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 60. 56 vgl. PILLER, Zypern, S. 8. vgl. CHOISI, Wurzeln und Strukturen des Zypernkonfliktes, S. 77. Choisi bezieht sich hier in Fußnote 20 auf Mavrouleas, Entwicklung des Zypernkonfliktes, S. 25f, jedoch lässt sich hier nur die Aussage der Privilegierung des orthodoxen Klerus finden und kein Hinweis auf das Abliefern der Steuern an die Hohe Pforte: vgl. MAVROULEAS, Entstehungsbedingungen, S. 25f. 57 „Der islamische Staat ist im Prinzip ziemlich tolerant gegenüber anderen Religionsgemeinschaften, er integriert sie jedoch nicht, weil ihnen die Grundlage der Einheit des Staates, der islamische Glaube fehlt.“ vgl. KOUHRY, A., Zur Grundgestalt der islamischen Religion, in: Neue Zürcher Zeitung, Fernausgabe Nr. 230, vom 5. Oktober 1979, S. 33. zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S. 23, Fußnote 32. 58 NOWACKI, Zypernkrieg, S. 23. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 136. 59 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 10f. vgl. MAVROULEAS, Entstehungsbedingungen, S. 21f. 17 Somit kann man auch bei den entstandenen Mittelschichten eine klare Aufgabenverteilung er- kennen, die aufs Neue ihre desintegrative Wirkung in der Folgezeit zeigen würde. Das Jahr 1821 bedeutete eine Zäsur in der neuzeitlichen griechisch-türkischen Geschich- te. Die griechische Unabhängigkeitsbewegung ging Hand in Hand mit der Entstehung und Fes- tigung des griechischen Nationalismus, der das Ziel hatte, alle Griechen (=alle griechisch spre- chenden, christlich griechisch-orthodoxen, auf dem Boden des alten Byzantinischen Reiches lebenden Menschen) in einem griechischen Nationalstaat zu vereinen. Dieser griechische Nati- onalismus, der seine volle Identität im frühen 19. Jahrhundert erreichte, wurde durch die grie- chisch-orthodoxe Kirche gefördert und breitete sich vom nationalen Zentrum auf die griechi- schen Peripherien aus.60 Inselgouverneur Kücük Mehmet klagte 1821 den zyprisch-orthodoxen Klerus an, wo- nach dieser die griechische Unabhängigkeitsbewegung unterstützen würde. Auf Anordnung des Inselgouverneurs wurde am 9. Juli Erzbischof Kyprianou mitsamt seinen über 450 Gefolgsleu- ten hingerichtet und somit der Ethnarchie bis 1878 ein Ende gesetzt. Ohne den orthodoxen Kle- rus konnten in der Folgezeit beginnende Aufstände schon im Keim erstickt werden.61 Das über lange Zeit oft nachbarschaftliche Verhältnis der zyprischen Bevölkerung (al- lerdings schichtbedingt) bekam in dieser Zeit einen bis heute andauernden Riss.62 Diese bluti- gen Ereignisse zeigten erstmals auf, dass die christliche Gemeinschaft innerhalb des Osmani- schen Reiches zwar geduldet, geschützt und oft auch gefördert wurde (wie ehemals durch die Privilegierung der orthodoxen Kirche auf Zypern), solange, am Beispiel der Griechen, die Or- thodoxen ihre religiöse und politische Unterordnung gegenüber des islamischen Staates akzep- tierten. Mit dem Jahr 1821 wurden aus den ehemaligen gemeinsamen Ausbeutern miteinander

vgl. HILL, G. The History of Cyprus, Cambridge 1952, Bd. 4, S. 225ff. zitiert nach: CHOISI, Wurzeln und Strukturen des Zypernkonfliktes, S. 77f, Fußnote 24. 60 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 11f. 61 Das Massaker von 1821 wurde vor allem von zyperngriechischer Seite zu Propagandazwecken am Leben gehal- ten. vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 104, 105. dazu in PILLER: „(Das Ereignis), das bis heute als ein Trauma im Verhältnis von Griechen und Türken auf der Insel nachwirkt, (…) hatte auch eine positive Wirkung: (…) die latente Spannung zwischen Laien und Kirche ließ nach; die griechi- schen Christen rückten gegenüber den türkischen Herren wieder mehr zu einer Einheit zusammen.“ vgl. MAIER, Franz Georg, Cypern – Insel am Kreuzweg der Geschichte, München 1982, S. 158. zitiert nach: PILLER, Zypern, S. 10, Fußnote 6. vgl. TENEKIDES, Zypern, S. 40f. vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 41. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 12. 62 Auch Zervakis spricht vom „Massaker“ von 1821 als historisch konstruierte Legende, die zum Aufbau eines griechischen Nationalbewusstseins mit Hilfe der Erschaffung eines türkischen Feindbildes benutzt wurde. Nach- dem das Ereignis in den Schulbücher des neugriechischen Staats seinen Einzug fand, prägte es in der Folgezeit auch die zyperngriechischen Schulkinder, sodass die Beziehungen zwischen Zyperngriechen und –türken bis heute belastet sind. Er bezieht sich dabei auf: KOULAPIS, L.-G., Die Darstellung der Osmanischen Geschichte in den Schulbüchern Griechenlands und der Türkei, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zweier gegenseitiger Nationa- lismen, Unveröffentlichte Magister-Hausarbeit, München 1993. zitiert nach: ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 63, Fußnote 50. 18 verfeindete Eliten, die um die Vorherrschaft Zyperns kämpften. Der Gegensatz zwischen osma- nischer Herrschaftselite und griechisch-orthodoxer Kirche, sowie der entstandenen christlichen Handelsbourgeoisie, war in der Folgezeit von großer Bedeutung für die Stabilisierung der briti- schen Herrschaft in der Zeit des zyprischen Kolonialstatus.63

4.3 ENDE OSMANISCHER HERRSCHAFT UND ZYPERN ALS BRITISCHE KOLONIE Durch den Erfolg vereinigter mitteleuropäischer Heere bei der zweiten Belagerung Wiens im Jahr 1683 wurde die osmanische Expansion in Europa endgültig aufgehalten. Seit den Kriegen gegen Russland befand sich das Osmanische Reich gegen Ende des 18. Jahrhunderts zusehends im Verfall, was in erster Linie ökonomisch bedingt war. Dazu kamen die allgegenwärtigen Probleme, die ein Vielvölkerstaat zu tragen hatte. Diese letzte Phase der osmanischen Herr- schaft auf Zypern (beginnendes 19. Jahrhundert bis 1878) war von den allgemeinen Reformver- suchen der Hohen Pforte für ihr großes Reich geprägt. Die Reformbewegungen zwischen 1839 und 1876, die vor allem auf Druck der europäischen Großmächte ausgelöst wurden, hatten ein in hohem Maße zentralisiertes Verwaltungssystem zum Ziel, mit dem eine effektivere Kontrolle aller gesellschaftlichen Lebensbereiche erreicht werden sollte.64 Ein Bestandteil des sogenann- ten „Tanzimats“ (Reorganisation)65 war die direkte Unterstellung sämtlicher Steuerpachten und ähnlicher Einrichtungen unter Staatsverwaltung. Somit wurde der osmanischen Oberschicht auf Zypern, die ja wie in vorigen Abschnitten besprochen vor allem in der Administration als Be- amte dienten, ihre unabhängigen Einkunftsquellen genommen, was sie in ihrer Autonomie und in ihren Bereicherungsmöglichkeiten beschnitt. Dies führte zu einem sozialen Abstieg der türki- schen Oberschicht auf Zypern, doch bedeutete der durch die Tanzimat-Reform vergrößerte Be- darf an Verwaltungspersonal auch einen gesellschaftlichen Aufstieg von ehemals der Unter- schicht angehörenden muslimischen Zyprioten. Viele städtische Kleinhändler und Handwerker ergriffen die Chance, eine Verwaltungslaufbahn bzw. -karriere einzuschlagen, da sich die Be- amtenschaft traditioneller Weise aus der muslimischen Bevölkerungsgruppe Zyperns rekrutier- te. Dieser Vorgang führte zur Bildung einer muslimisch zypriotischen Mittelschicht, die sich

63 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 12. 64 vgl. TZERMIAS, Republik Zypern, S. 24. Zur wirtschaftlichen Abhängigkeit des Osmanischen Reiches im 19. Jahrhundert: vgl. KESKIN, Hakki, Die Türkei, Vom Osmanischen Reich bis zum Nationalstaat, Berlin 1981, S. 24ff. vgl. TZERMIAS, Neugriechische Geschichte, S. 101. Zervakis bietet genaue Jahreszahlen der Reformbewegung an: 1839, 1856 und 1864. vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 64. vgl. KARPAT, K., The Land Regime, Social Structure, and Modernization in the Ottoman Empire, in: POLK, W.R., CHAMBERS, R.L. (Hrsg.), Beginnings of Modernization in the Middle East. The Nineteenth Century, Lon- don 1968, S. 69-90. zitiert nach: CHOISI, Wurzeln und Strukturen des Zypernkonfliktes, S. 75f, Fußnote 14. 65 vgl. TZERMIAS, Republik Zypern, S. 24. 19 aus gesellschaftlich degradierten Oberschichtsangehörigen und gesellschaftlich aufgewerteten Unterschichtsangehörigen zusammensetzte.66 Aus diesem Kontext heraus entstand eine große Ablehnungshaltung beider zyprischen Eliten gegenüber den Reformbestrebungen der Hohen Pforte, weil sie um ihre Privilegierung und ihren ökonomischen Status fürchteten (dasselbe geschah auch nach der Unabhängigkeitser- klärung Zyperns 1960).67 Neben der entmachteten muslimisch-zypriotischen Elite, beharrte auch der griechisch-orthodoxe Klerus auf der „alten Ordnung“, da sich auch die Kirche rück- sichtslos an den Unterschichten bereicherte.68 Trotz der angespannten Situation (zwei um die politische Vorherrschaft kämpfende, gleichzeitig aber gegen die Beschneidung ökonomischer Freiheiten sich solidarisierende zypri- sche Oberschichten) beendeten nicht die inneren Spannungen, sondern die veränderte weltpoli- tische Lage, die dreihundertjährige Herrschaft der Osmanen auf Zypern. Niederlagen gegen das auf dem Balkan expandierende Habsburger Reich, verlorene Grenzgebiete des aufstrebenden Russischen Reiches unter der Dynastie der Romanows sowie von Russland unterstützte nationale Unabhängigkeitsbewegungen auf dem Balkan kennzeichne- ten die Situation des Osmanischen Reiches Mitte des 19. Jahrhunderts. Seit 1828, als der durch die griechische Nationalversammlung in Nauplia für sieben Jahre zum ersten Präsidenten Grie- chenlands gewählte Ioannis Kapodistrias69 oberste Instanz des griechischen Staates wurde, ap- pellierten griechisch-zypriotische Nationalisten für eine Miteinbeziehung Zyperns in den grie- chischen Staat.70 Zugleich fiel aufgrund verstärkter griechischer Einwanderung ab dem Beginn

66 vgl. HEIDE, U., Nationale Unabhängigkeit im Spannungsfeld von ethnischen Unterschieden, sozialen Konflik- ten oder Kolonialpolitik, Frankfurt am Main 1980, S. 57f. zitiert nach: CHOISI, Wurzeln und Strukturen des Zypernkonfliktes, S. 76, Fußnote 17. 67 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 47ff. Beschrieben in Kapitel 2.1.3 „Die zypriotischen Eliten und ihre Beziehungen zur Türkei und zu Griechenland.“ Die zyperntürkische Elite verlor 1960 durch die Entkolonialisierung ihren privilegierten Status in der administrati- ven und exekutiven Ebene der Insel, während die zyperngriechische Elite, größtenteils vertreten durch den ortho- doxen Klerus, Rechtsanwälte und Geldverleiher, ohnehin seit 1895 die Enosis forderte. 68 Die konservative Einstellung der zyprisch-orthodoxen Kirche, jegliche Reformbewegungen, die auf Kosten ihres Machtanspruches geschehen sollten, abzulehnen, war nach Zervakis der Grund für die verzögerte Ausbreitung der griechischen Nationalbewegung auf Zypern. Piller kann hier ergänzend angeführt werden, da er festhält, das Zy- pern zur Blütezeit der Megali Idea an Griechenland noch kaum Interesse zeigte. vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 64. Zervakis verweist in Fußnote 52 zusätzlich auf: DIONYSSIOU, G.A., The Ottoman Period, in: CHARALAMBOUS/GEORGHALLIDES, London 1993. S. 43-52. und derselbe: The Ottoman Administration of Cyprus and the Tanzimat Reforms, Unveröffentlichter Konferenzbeitrag, London 1993 (Institut of Commonwealth Studies). vgl. PILLER, Zypern, S. 15, 17. 69 Ionnis Kapodistrias war zuvor als russischer Außenminister tätig gewesen. Das expandierende Russische Reich wurde zu einem wichtigen Verbündeten in der Frage der Unabhängigkeit der Griechen vom osmanischen Reich. Ackermann sieht eine Verbindung der Ereignisse der Frühphase des griechisch-zypriotischen Nationalismus zum Jahr 1997, als die geplante Aufstellung russischer Raketen im Südteil Zyperns nur durch internationalen Druck verhindert werden konnte. vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 42. 70 Der neu entstandene griechische Nationalismus wurde auch durch griechische Kaufleute getragen, die Kontakte zwischen Griechen im Osmanischen Reich (Kleinasien, Istanbul) und den Festlandsgriechen herstellten und so den Nationalgedanken auch ins Osmanische Reich trugen. 20 des 19. Jahrhunderts der Anteil der türkisch-zypriotischen Bevölkerung von 33 Prozent (bis 1850) auf 24,7 Prozent (1880).71 Es war schließlich das Britische Empire, das sich des Prob- lems des „Kranken Mann am Bosporus“ im Zuge seiner Eindämmungspolitik gegenüber Russ- land annahm.72 Obwohl im Rahmen des Berliner Kongresses im Juni/Juli 1878 der am 3. März dessel- ben Jahres unterzeichnete Vertrag von San Stefano eine Revision erfahren hatte, musste das Osmanische Reich weitere Gebietsverluste auf dem Balkan hinnehmen. Am 4. Juni 1878 wurde auf Initiative der britischen Regierung ein Beistandspakt mit dem Osmanischen Reich gegen weitere Übergriffe Russlands geschlossen. Die Unterzeichnung der „Convention of Defensive Alliance between Great Britain and (with respect to the Asiatic Provinces of Turkey)“ garantierte dem Sultan Waffenhilfe der Briten im Falle weiterer russischer Expansionen (Russ- land erhielt durch den Vertrag von San Stefano Bessarabien sowie die im Gebiet des heutigen Armenien befindlichen Festungen Kars, Ardahan und das ölreiche Batum). Als Gegenleistung dafür wurden umfassende Verwaltungsreformen im ganzen Reich besonders zum Schutz der christlichen Untertanen versprochen sowie die Insel Zypern zur Besetzung und Verwaltung durch das Empire freigegeben. Am 1. Juli erfuhr der oben genannte Vertrag einen Nachtrag

vgl. PILLER, Zypern, S. 13. 71 Obwohl Ackermann in seinem Buch „Türkisch Zypern“ selten Quellenverweise angibt, passen sich seine Daten- angaben dem ablesbaren (und belegbaren) Trend wie in Abb. 11, S. 66 „Ethnisch-religiöse Bevölkerungsstruktur Zyperns, Zensusjahre 1881 – 1973“ abgebildet, an. Vielmehr nachvollziehbar scheint die Ursache der Bevölke- rungsverschiebung zugunsten der Inselgriechen gegen Ende des 19. Jahrhunderts: Viele der Einwandernden kamen als reiche Kaufleute, Bankiers und Unternehmer aus Alexandria oder Konstanti- nopel; und sie kamen als Griechen, nicht als Zyprioten. Die Kleinasiatische Katastrophe (Niederlage Griechen- lands im Griechisch-Türkischen Krieg von 1919-1922) verstärkte die Immigration von anatolischen Griechen und christlichen Armenier, was die nationalistische Stimmung unter den Zyperngriechen zusätzlich anheizte. vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 42, 47. „Viele der aus ökonomischen Gründen abgewanderten Familien kehrten auf die Insel zurück; die Bevölkerungs- zahl stieg wieder an. Die Ablehnung der Griechen gegenüber den Türken blieb dann aber trotz dieses Auf- schwungs bestehen.“ Piller bestätigt mit dieser Ausführung Ackermann, wenn die aus ökonomischen Gründen wiedergekehrten Zypern- griechen aus den Gebieten kamen, die Ackermann beschreibt. vgl. PILLER, Zypern, S. 11. 72 Die Bedeutung Zyperns für das Britische Empire beschreibt Lord Baconfield in seinem Brief an Königin Vikto- ria vom 5. Mai 1878: „… wenn Zypern Eurer Majestät von der Hohen Pforte zugestanden wird und England gleichzeitig einen Bei- standspakt mit der Türkei eingeht, der der asiatischen Türkei Sicherheit vor russischen Übergriffen garantiert, wird die Macht Englands im Mittelmeerraum erheblich zunehmen, und das Indische Reich Ihrer Majestät wird uner- meßlich gestärkt werden. – Zypern ist der Schlüssel zu Westasien. – Eine solche Übereinkunft würde auch die Stellung der Türkei in Europa sehr stärken, und sie würde alles in allem einen festeren Wall gegen Rußland bilden, als sie es vor dem Krieg war. Wenn diese Politik durchgeführt wird – und sie muß durchgeführt werden brauchen Eure Majestät keine Koalition irgendwelcher Mächte zu fürchten. Sie wird das Indische Reich Eurer Majestät eng mit Großbritannien verbinden“ vgl. DISCHLER, Ludwig, Die Zypernfrage, Frankfurt am Main 1960, S. 61. (engl.) zitiert nach: GEORGHIADES, Zypernfrage, S. 15. (übersetzt) Zur strategischen Lage Zyperns in der Zeit der Übernahme durch die Briten in Kizilyürek: „Der Grund für das britische Interesse an der Insel war allein seine strategische Lage. Von Zypern aus sollten die Meeresengen zwi- schen dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeer gegen russische Vorstöße gesichert werden. Zugleich wollten die Briten den Suezkanal sichern.“ vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 14. vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 66f. 21 (Artikel 6), in dem Großbritannien Zypern wieder räumen würde, falls Russland die in Armeni- en eroberten Gebiete der Hohen Pforte zurückgeben würde. In weiteren Artikeln des Nachtrags (Artikel 1, 2, 4) musste die Hohe Pforte der britischen Krone für die Dauer der Besetzung das Recht auf eine Gesetzgebung zugestehen sowie britische Konsular- und Handelsabkommen ohne Absprache erlauben.73 Rein formal war der Sultan nach wie vor Oberhaupt der Insel. Aus diesem Grund erhielt er von den Briten einen jährlichen Pachtzins, der sich auf die Höhe der bisherig eingehobenen Steuern belief.74 Dennoch beendete das Jahr 1878 die Großmachtbestre- bungen des Osmanischen Reiches.75 Durch den Kriegseintritt des Osmanischen Reiches auf Seiten der Mittelmächte im Jahr 1914 wurden alle mit dem Britischen Empire geschlossenen Verträge von 1878 hinfällig, und Großbritannien annektierte Zypern am 5. November 1914. Im Friedensvertrag von Lausanne vom 24. Juli 192376 erkannte die Republik Türkei die Annexion und die volle britische Souve- ränität über die Insel als völkerrechtlich bindend an. Am 10. März 1925 wurde Zypern auch formell zur britischen Kronkolonie erklärt. Diesen völkerrechtlichen Status behielt Zypern bis 1960.77 Trotz des beschwichtigenden Appellbriefes des Lord Baconfield an Königin Viktoria vom 5. Mai 1878 war der geostrategische Wert der Insel von Anfang an unter der britischen Admiralität umstritten. Zwar zentral im östlichen Mittelmeer gelegen, konnte die Insel aufgrund ihrer veralteten Infrastruktur, insbesondere der des Hafens, nie eine beherrschende Rolle in der strategischen Wichtigkeit der Briten einnehmen. Viel bedeutender erschien die Kontrolle über die Meerengen bei den Dardanellen und am Bosporus. Mit der Besetzung Alexandrias und Port Saids im Jahre 1882 konnte der Suezkanal viel unmittelbarer geschützt werden.78 Eine lediglich

73 vgl. GEORGHIADES, Zypernfrage, S. 15ff. vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 67. vgl. TENEKIDES, Zypern, S. 50. vgl. HILLENBRAND, Klaus, Cypern, Aphrodites geteiltes Eiland, München 1990, S. 39f. vgl. PILLER, Zypern, S 11. 74 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 67. Georghiades gibt an, dass die Briten den jährlichen Überschuss der Einkünfte über die Ausgaben an die Hohe Pforte abliefern mussten (Artikel 3 des Nachtrages vom 14. August 1878 zur Konvention vom 4. Juni). vgl. GEORGHIADES, Zypernfrage, S. 16. Er bezieht sich hierbei auf Textdokumente in DISCHLER, Zypernfra- ge, S. 61ff. vgl. PILLER, Zypern, S. 11f. 75 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 66, 67. vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 16, 17. vgl. PILLER, Zypern, S. 12. 76 Nach Piller beendete das Jahr 1923 auch die mögliche Durchführbarkeit der Enosis im Sinne der „Megali Idea“, da durch den griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausch (der auf Zypern 40 Jahre später durchgeführt werden sollte) keine griechische Mehrheiten in Anatolien oder der Schwarzmeerküste anzutreffen waren. vgl. PILLER, Zypern, S. 22f. 77 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 67. vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 18. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 24. 78 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 17. Kizilyürek bezieht sich in Fußnote 24 auf ein Memorandumg von Lord Curzon „The Futur of Cyprus“ (Confidental), 3. Jänner 1919. Zur britischen Mittelmeerpolitik vor und nach dem Zweiten Weltkrieg und Zypern siehe Kizilyürek Kapitel 2.1.4, S. 60f. 22 123 Mann starke Infanterie-Kompanie bildete nach 1878 die reguläre Garnison, sodass Zypern lediglich als möglicher Truppenaufmarsch- und Sammelplatz in den strategischen Aufzeich- nungen der britischen Admiralität Einzug fand.79 Die britische Verwaltungspolitik zur Zeit des Empire unterschied sich von Kolonie zu Kolonie.80 Zwar hatte Zypern bis zum 10. März 1925 nicht den Status einer Kolonie inne, die Art und Weise wie der britische Hochkommissar (an dessen Stelle ab 1925 der Gouverneur tritt) die Geschicke der Insel im Sinne des Empires leitete, sind kaum zu unterscheiden. Den- noch gab es verschiedene Reformen in der Verwaltungsstruktur, die mangels einer akzeptablen Situation für die beiden Volksgruppen der Insel den Konflikt mehr nährte als entschärfte.81 Mit der Machtübernahme der Briten im Jahre 1878 bekam Zypern am 14. September ei- ne Kolonialverfassung. Unter dem Vorsitz des britischen Hochkommissars befand sich ein Ge- setzgebender Rat (Legislative Council) der zu Beginn nicht weniger als 4 und nicht mehr als 6 Mitglieder umfasste. Eine Hälfte des Gesetzgebenden Rates bestand aus offiziellen britischen Beamten, die andere Hälfte aus Inselbewohnern. Somit wurden bei Ratsentscheidungen immer britische Interessen gewahrt, da bei Stimmengleichheit der Hochkommissar mit seiner, dem Rat vorstehende Stimme entschied.82 Zudem erhielt die türkisch-zyprische Bevölkerungsgruppe Sonderrechte, die es ihr ermöglichte, außerhalb der zivilen britischen Gerichtsbarkeit durch die Beibehaltung der Şerîá-Gerichte und der Evkâf-Verwaltung83 vor allem Familien interne Ange-

79 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 67. 80 Dazu Kizilyürek: „[…] anders als die Franzosen, die die Sprache und Kultur als ein Mittel der Assimilierung der Kolonialbevölkerung, „mission civilatrice“, benutzten, nutzen die Briten die ethnischen und religiösen Unterschie- de aus, um ihre Herrschaft zu stabilisieren. Die ethnischen und religiösen Unterschiede wurden zum Instrument der Kolonialherrschaft, mit dem sich Konflikte fördern ließen. Die britische Interpretation der ethnischen und religiö- sen Unterschiede entsprach nicht der gesellschaftlichen Realität, sondern den Interessen der Kolonialverwaltung. Die Einführung des britischen repräsentativen Regierungssystems in den Kolonien beruhte auf ethnischen Unter- schieden, die durch das repräsentative System zu interethnischen Gruppenkonflikten führten.[…] Dies führte zu getrennten politischen Strukturen und zum späteren Machtkampf der Eliten beider Gruppen. Da die demographi- schen Unterschiede verschiedener Gruppen in der kolonialen Verwaltung institutionalisiert wurden, war die Integ- ration der jeweiligen Gruppen in einer Nationalität nicht möglich.“ vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 19, 20. Kizilyürek verweist in Fußnote 25 auf eine detaillierte Studie zur unterschiedlichen Kolonialpolitik: EASTON, Stewart C., The Rise and Fall of Western Colonialism, New York 1964. 81 „Sowohl bei der Errichtung der Kolonialherrschaft, als auch bei dem Versuch, diese Aufrecht zu erhalten, be- diente sich die britische Kolonialmacht der ethnischen und religiösen Unterschiede in der zypriotischen Gesell- schaft und nutzte die inneren Konflikte auf vielfältige Weise aus.“ vgl. KIZIYÜREK, Zypernkonflikt, S. 2, 24. 82 vgl. DISCHLER, Zypernfrage, S. 12. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 21. Schon ab diesem Zeitpunkt kann eine griechisch-zyprische Enttäuschung hinsichtlich eines erhofften Wandels nach der osmanischen Herrschaft festgemacht werden, wurde doch zuvor der britische Hochkommissar bei seiner Ankunft auf Zypern im Juli 1878 vom Erzbischof der zyprischen Kirche mit folgenden Worten begrüßt: „We accept the change of government in as much as we trust that Great Britain will help Cypros as it did the Jo- nian Islands to be united with Mother to which it is naturally connected.“ vgl. ORR, C.W., Cyprus under British rule, London 1918, S. 160. zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S. 30, Fußnote 56. 83 Religiöse Stiftung, Bestellung und Entlassung der Evkaf-Beamten durch Kolonialverwaltung bzw. durch briti- schen Gouverneur; fungierte als soziale und kulturelle Instanz der türkischen Zyprer. Dienstleistungen u.a. Kinder- und Erwachsenenbildung, Kunst- und Kulturförderung, Sportförderung, Sozialhilfe, Darlehens, Land- oder Geräte- 23 legenheiten nach religiösen Gesichtspunkten behandeln zu können.84 Durch die Reorganisation der gesamten Gerichtsbarkeit der Insel verlor hingegen die zyprisch-orthodoxe Kirche ihre Pri- vilegien, ohne vergleichbare Sonderrechte wie der der muslimischen Bevölkerungsgruppe er- halten zu haben. Die griechisch-zyprische Elite forderte zu diesem Zeitpunkt daher mehr Mit- spracherecht im Gesetzgebenden Rat und hoffte auch im Jahre 1881 (Jahr des Anschlusses Thessaliens an das 1832 gegründete griechische Königreich) auf einen Anschluss an Griechen- land.85 Nach der Volkszählung von 1881 wurde die anteilsmäßige Sitzverteilung im Gesetzge- benden Rat durch eine Verfassungsreform am 30. November 1882 festgelegt.86 Die Mitglieder- zahl wurde von den oben erwähnten maximal sechs Mitgliedern auf 18 (zweite Reform von 1925: 24) erhöht, wobei 12 Mitglieder (später 15) von der zyprischen Bevölkerung für fünf Jahre frei wählbar waren. Neben den sechs (ab 1925 neun) nicht frei wählbaren Ratssitzen fie- len acht (bzw. 13) Sitze auf „Non-Mohammedan-Voters“ (=griechisch-zypriotischen Volksver- treter, ein (bzw. zwei) maronitische Vertreter) und lediglich drei Sitze auf zypriotische Musli- me.87 Wählen durften männliche britische und osmanische Untertanen über 21 Jahren, die zuvor ordnungsgemäß die zu zahlende Grundsteuer an die Briten abliefern mussten. Damit zogen die britischen Herrscher den Ärger der griechisch-orthodoxen Kirche auf sich, die bis zum Macht- wechsel traditionell diese Steuer einheben durfte.88 Die griechisch-orthodoxe Kirche war, wie schon in der Vergangenheit Zyperns, ein wesentlicher Antrieb des zyprischen Anschlussgedan- kens an Griechenland. So nutzten die zyperngriechischen Mitglieder des Gesetzgebenden Rates die orthodoxe Kirche als öffentlichkeitsträchtige Plattform für nationalistische Anschlusswün- sche und brachten seit Juni 1895 jährlich schriftliche Eingaben zugunsten der Enosis89 ein. Die- se offenkundig britenfeindliche politische Einstellung veranlasste die in vehementer Opposition

leihgabe, Aufbau der Infrastruktur, Waisen-, Witwen- und Kinderbetreuung, Dienste an Moscheen, Schulen, Bibli- otheken und Krankenhäuser, Verteidigung der Volksgruppe und des Landes. vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 48, 52. 84 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 71. 85 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 22. 86 Die Verfassungsänderung von 1882 wurde durch Petitionen des Erbischofes Sofronios III. und den zyperngrie- chischen Notabeln eingeleitet. Zu den Petitionen verweist Zervakis, (Historische Grundlagen) auf Seite 72, Fußno- te 63 auf TILLYRIDES, A., Archbishop Sophronios III. (1865-1900) and the British, in: Kypriakai Spoudai, 42 (1978), S. 129-152. 87 Die Briten besaßen zusätzlich zu ihren 6/9 Ratssitzen das Veto- bzw. Entscheidungsrecht des Inselgouverneurs. vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 72. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 22, 24. vgl. PILLER, Zypern, S. 20. 88 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 28. 89 Die Enosis, oder die Verfolgung einer Enosispolitik (Unterstützer: Enoisten) formuliert die „Megali Idea“ poli- tisch aus, und bezeichnet die angestrebte Vereinigung der mehrheitlich von Griechen bewohnten Territorien mit dem griechischen Staat. Die erste Enosis fand 1863/64 mit dem Beitritt der Republik der Ionischen Inseln zum griechischen Nationalstaat statt. Die Vereinigung mit dem „Mutterland“ Griechenland war das Hauptziel des zy- perngriechischen Nationalismus, welches durch die türkische Intervention von 1974 und der damit verbundenen Teilung der Insel (=Taksim) scheiterte. vgl. PILLER, Zypern, S. 14, 18. 24 zur Enosis befindlichen türkischen Repräsentanten, fast nur noch mit den Briten zu stimmen.90 Damit hatte die britische Kolonialverfassung das erreicht, was sie bezwecken sollte: Die Aus- nutzung der griechisch-türkischen Rivalität zur Festigung der eigenen Position durch das be- wusste Ausspielen der beiden Volkgruppen gegeneinander.91

5. URSACHEN DER ZYPERNKRISE VON 1974 Die Spaltung der beiden Volksgruppen wurde Ende des 19. Jahrhunderts von den Briten voran- getrieben, indem durch die Politisierung der beiden religiösen Konfessionen (die Briten über- nahmen die aus der osmanischen Zeit stammende sprachlich-religiöse Unterteilung und inte- grierten sie in ihr parlamentarisches Staatsmodell für Zypern)92 diese sich nunmehr als griechi- sche bzw. türkische politische Gruppierungen verstanden und, darauf aufgebaut, zwei verschie- dene Schulsysteme installiert wurden. Die politische Entscheidung auf einen integrierenden Schulunterricht mit Englisch als gemeinsamer Unterrichtssprache zu Gunsten einer „humanisti- schen Wertschätzung gegenüber dem Griechischen“ zu verzichten, erreichte das erhoffte Ge- genteil, denn durch die Kontrolle und weitgehende Selbstfinanzierung des Schulsystems durch die griechische Religionsgemeinschaft konnte eine in Griechenland ausgebildete Lehrerschaft mit aus Athen eingeführten Unterrichtsmaterialien streng nach staatlichem Lehrplan ihres „Mutterlandes“ die Schulkinder voll auf die Zugehörigkeit zum griechisch-orthodoxen Natio- nalstaat und seiner Kirche einschwören. Schlagwörter des Nationalismus wie „Vaterland“, „Glaube“, „Fahne“, „Königsfamilie“ und „Feiertage“ förderte die griechische Identität der or- thodoxen Zyprioten. Gleichzeitig führte dieser indoktrinierte Unterricht zu einer stärkeren Ab- lehnung der griechischen Zyprer gegenüber der britischen Kolonialherrschaft, die als unrecht- mäßig bezeichnet unterrichtet und folgerichtig als unrechtmäßig angesehen wurde. Besonders der jüngere Teil der zyperngriechischen Elite wie etwa Lehrer, Rechtsanwälte, Kaufleute, Geldverleiher, Grundbesitzer etc. hatten durch ihre Ausbildung (meist in Athen) die emotionale Bindungskraft der Megali Idea93 erfahren.94

90 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 71-73. vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 18, 20. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 54. vgl. PILLER, Zypern, S. 20, 21. 91 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 23. 92 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 70. vgl. PILLER, Zypern, S. 21. 93 „Die große Idee“; die Vereinigung aller Gebiete in denen sich auf den Hellenismus beziehende Griechen leben; Inanspruchnahme des byzantinischen Erbes in Kleinasien und dem östlichen Mittelmeerraum. u.a. vgl. PILLER, Zypern, S. 14. 94 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 73, 74. Auch in der Spätzeit der osmanischen Herrschaft auf Zypern, in der sich der europäische Philhellenismus am Höhepunkt befand (der griechische Nationalismus wurde von den europäischen Königshäusern gebilligt, schließ- lich galt das „Alte Griechenland“ als Wiege der europäischen Kultur), wurde der Enosis-Gedanke von in Athen ausgebildeten jungen Heimkehrern weitergetragen. vgl. PILLER, Zypern, S. 14. 25 Trotz der etappenweise erfolgten Einschwörung des nachrückenden griechisch-zyprischen Nachwuchses auf die Enosis wurde bis zum Jahre 1931 noch versucht, eine politische Lösung für die Zypernfrage zu finden. Vor allem der Regierungswechsel in London von 1929, dem Jahr, als die Labour Party die Regierung stellte, ließ die griechischen Zyprioten auf eine Wie- dervereinigung mit Griechenland hoffen. Es wurde vor allem auf das Versprechen des briti- schen Politikers Ramsay Mac Donald bei einer internationalen Sozialistenkonferenz von 1920 gehofft, der im Falle einer Machtergreifung das Selbstbestimmungsrecht anwenden lassen wür- de. So stellte am 20. Juli 1929 der Bischof von Kition Forderungen zur Reform des Gesetzge- benden Rates, der trotz einer 80 pozentigen griechisch-orthodoxen Bevölkerungsmehrheit nach wie vor gleich viele türkische und britische Abgeordnete wie griechische umfasste. Kolonial- minister Lord Passfield kommentierte die Forderungen mit den Worten:

„Was Zypern gegenwärtig nötig hat, sind weniger Gelegenheiten zur politischen Diskussionen und mehr Gelegenheiten zur konstruktiven Arbeit“.95

Auslöser für die Unruhen von 1931 waren neben mangelndem Gespür seitens des Kolonialmi- nisters zur Förderung des politischen Diskurses die Frage nach der Verwendung des zyprischen Staatshaushaltsüberschusses und neuen Zollbestimmungen. Hierbei geschah in der Abstim- mung ein unvorhersehbarer Moment, denn es stimmte der türkisch-zypriotische Abgeordnete Mehmet Nejati (Necati) Bey Missirlizade mit seinen inselgriechischen Kollegen gegen den An- trag der Briten. Die daraus entstandene Stimmenmehrheit passte dem Gouverneur allerdings nicht, und er ließ die Entscheidung per Dekret ändern.96 In einer geheimen Sitzung vom 1. September 1931 einigten sich griechische Ratsmit- glieder97 auf zukünftige Vorgehensweisen: passiver Widerstand, Verweigerung von Steuerzah- lungen und Boykott britischer Waren. Auch die orthodoxe Kirchenführung entschloss sich da- zu, energischer gegen die britische Kolonialregierung vorzugehen. Bischof Nikodemus von Kition rief am 20. Oktober 1931 die zyperngriechische Bevölkerung auf, für die Befreiung von der britischen Kolonialmacht zu kämpfen. Alle griechischen Ratsmitglieder traten zurück und innerhalb von 48 Stunden erfasste der Aufstand die gesamte Insel. 10 Tage lang tobten die Un-

vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 64. Piller zur Frage der Fehlinterpretation des „Alten Griechenland“: vgl. Fußnote 32 od. PILLER, Zypern, S. 7. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 34-37. 95 vgl. HILL, Sir G., A history of Cyprus Bd. 1-4, Cambridge 1940 -1952, Bd. 4 S. 431. zitiert nach: KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 21, Fußnote 26. 96 vgl. PILLER, Zypern, S. 24. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 26, 57f. 97 Die im Dezember 1921 ins Leben gerufene politische Organisation, bekannt unter dem Namen „Nationalver- sammlung“, forderte alle griechischen Zyprioten auf, unter der Führung des Erzbischofes die Union mit Griechen- land zu vollziehen und jegliche Kooperation mit der britischen Kolonialmacht einzustellen. vgl. KYRIAKIDES, Stanley, Constitutionalism and Crisis Government, University of Pennsylvania 1968, S. 18. zitiert nach: KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 31, Fußnote 51. 26 ruhen, die sechs griechischen Zyprioten das Leben kostete und etliche Verwundete forderte. Doch alle Opfer waren letztlich umsonst, die britische Kolonialregierung beschnitt nach der erfolgreichen Beendigung des Aufstands weiter die politischen Freiheiten der Griechen. Neben dem erzwungenen Exil der Bischöfe von Kition und wurden 2.000 Menschen inhaf- tiert, politische Vereinigungen und jegliche Art von politischer Betätigung untersagt, eine Pres- sezensur eingeführt, Englisch wurde als Pflichtsprache in den Grundschulen installiert, ein Ver- bot des Hissens der griechischen oder türkischen Flagge erlassen, das Läuten der Kirchenglo- cken außerhalb der Gottesdienstzeiten untersagt, die orthodoxe Kirche zu politischer Enthalt- samkeit aufgefordert, der Gesetzgebende Rat aufgelöst und der Insel-Gouverneur mit umfas- sender Gesetzgebungsgewalt befähigt.98 Ab diesem Zeitpunkt veränderte sich der Charakter des Versuches, Zypern auf politi- schem Wege zurück zum „griechischen Mutterland“ zu führen, da seit den Unruhen von 1931 zypriotische Politiker, im Exil lebend, von außen her die Enosis vorantreiben mussten.99 So wurde nach dem Tod des Erzbischofs Kyrillos III. die Wahl eines Nachfolgers untersagt, wo- rauf Exilpolitiker im Jahre 1937 das „London Cypriot Committee“ gründeten, das für zyprische Autonomie warb. Auf Zypern selbst durften Ordnungskräfte bei bloßen Verdachtsmomenten auf Störung der öffentlichen Ordnung Vorbeugehaft anwenden. Die Ordnungskräfte selbst wur- den in den 1930er Jahre verstärkt aus der als britenloyal eingestuften türkischen Bevölkerungs- gruppe rekrutiert.100 Wie zuvor erwähnt, ging die britische Kolonialverwaltung nach den Unruhen von 1931 zunächst weitgehend repressiv gegen die Zyperngriechen vor, doch alle Verbote und Weisun- gen hielten die zyperngriechischen Enoisten nicht von ihrem Bestreben ab, die Unabhängigkeit von Großbritannien101 zu erlangen, und sich mit Griechenland zu vereinigen. Ob der harten

98 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 78, 79. vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 21, 22. vgl. PILLER, Zypern, S. 24. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 26. 99 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 79. vgl. ZERVAKIS, Peter.A., Justice for Greece, Der Einfluß einer gräkoamerikanischen Interessengruppe auf die Außenpolitik der USA gegenüber Griechenland, 1945-1947, Die Aktivitäten der organisierten Gräkoamerikaner in der Zwischenkriegszeit, Stuttgart 1994 (=Studien zur modernen Geschichte, 47), S. 44-56. 100 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 79. 101 Exkurs: Nie war Zypern der Enosis näher als im Jahre 1915, als die britische Krone am 3. und 16. Oktober die Übergabe der Insel anbot, sofern Griechenland auf Seiten der Alliierten in den Ersten Weltkrieg eintreten würde. Die Ablehnung des Angebots durch die griechische Regierung unter Alexandros Zaimis war für die Enoisten ein Schlag ins Gesicht, konnte man nun nicht mehr auf die loyale Unterstützung Griechenlands hoffen. Das britische Angebot bedeutete allerdings auch, dass Zypern für Großbritannien entbehrlich war, seit dem Ägypten 1882 be- setzt wurde und die militärische Funktion Zyperns übernommen hatte (Sicherung des Suezkanals; Indienhandel). vgl. TENEKIDES, Zypern, S. 53. vgl. PILLER, Zypern, S. 19, 22. vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 77. Zervakis verweist an dieser Stelle zur weiteren Dokumentation der Ablehnung des britischen Angebots von 1915 in Fußnote 72 auf: KOUMOULIDES, J.T.A. (Hrsg.), Cyprus, the Enosis Struggle, and Greece, Sir John Stavridi and the British Offer of 1915, Teil 1/2, in: Journal of Modern Hellenism, 4/5 (1987/88), S. 93-119, 85-121 und THEODOULOU, Ch.A., The 1915 British Offer of Cyprus to Greece in the Light of War in the Balkans, in: 27 Vorgehensweise der britischen Kolonialpolizei auf Zypern selbst, konnten sie ihre Ziele weit- gehend nur aus dem politischen Exil (London, Athen, New York)102 verfolgen. Durch die Lega- lisierung der Gewerkschaften im Jahr 1932 erhielt die Enosis-Bewegung einen Aufschwung, da durch die zahlreicher werdenden gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Organisationen weitere Plattformen zu Beschwörung des griechischen Anschlusses geboten wurden. Der Aus- bruch des Zweiten Weltkrieges führte wegen der wachsenden Bedrohung durch die Mittel- mächte (Besetzung Griechenlands und Kretas 1940/41) zu einer geschlossenen Solidarisierung aller Zyprioten mit den Westalliierten. Dem auf Zypern gebildeten britischen „Cyprus Regi- ment“ traten ca. 22.500 Zyperngriechen und etwa 7.500 Zyperntürken bei,103 wohl in der Hoff- nung, dass eine neue Weltordnung nach dem Krieg die politischen Landkarten zu ihren Gunsten verändern würde.104 In Anerkennung der Leistungen und Opfer der zypriotischen Bevölkerung trat eine erste Liberalisierungswelle unter Gouverneur William Battershill ein. Kommunalwah- len (nach dem Aufstand von 1931 ausgesetzt) und politische Vereinigungen wurden wieder erlaubt. Ziel dieser Überlegungen der Briten war die schrittweise erfolgende Rückführung der repräsentativen Verfassung nach dem Krieg.105 Zwei zyperngriechische Gruppierungen stachen aus dem Konglomerat der 34 politi- schen Parteien Zyperns hervor. Zum einen die aus der Arbeiterbewegung hervorgegangene, 1941 wiedergegründete kommunistische AKEL106, sowie kurze Zeit später die rechtsgerichtete, klerusnahe Zyprische Nationalpartei (KEK)107. Zwar zielte die Politik beider Parteien darauf ab, Zypern aus dem britischen Koloniestatus herauszulösen, doch was danach mit Zypern gesche- hen sollte, unterschied die Parteien von einander. Während AKEL auf eine Eingliederung in die kommunistische Internationale abzielte und somit auch für kommunistische Zyperntürken wählbar wurde, verfolgte die KEK, der neben orthodoxen Kirchenvertretern auch bekannte Per- sönlichkeiten der Enosis-Bewegung angehörten, den Anschluss Zyperns an Griechenland. Mit der aufstrebenden kommunistischen Partei Griechenlands, die 1944/45 kurz vor der Macht- übernahme stand, wurde auch für die zyprischen Kommunisten die Union mit Griechenland attraktiv und so bekannte sich die Führung der AKEL in der Folgezeit ebenfalls zum Anschluss, obwohl die Entscheidung aus anderen Gesichtspunkten gefallen war: Nicht die griechische Na- tion unter dem Schlagwort „Megali Idea“ war ausschlaggebend, sondern eine gemeinsam er-

Epetiris tou Kentrou Epistimonikon Erevnon, 4 (1970-1971), S. 417-430. Zur Analyse der griechischen Sicht lt. Zervakis: THEODOULOU, Ch.A., Greek-Cypriot Manifestations of Allegiance to Greece and British Reactions (1915-1916), in: Kypriakai Spoudai, 35 (1971), S. 165-189. 102 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 79. siehe Fußnote 100, S. 27. 103 Kizilyürek und Piller geben als Zahl der teilnehmenden Zyprioten beider Volksgruppen 25.000 an. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 91. vgl. PILLER, Zypern, S. 25. 104 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 92 und Kapitel 2.1.4, S. 60-66. 105 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 79, 80, 82. 106 Anorthotikon Komma Ergazomenou Laou (Fortschrittspartei des werktätigen Volkes). 107 Kypriakon Ethnikon Komma. 28 hoffte kommunistische Regierung, die auch die zyprischen Linken der sozialistischen Internati- onale näher bringen würde. So tat sich die AKEL nicht schwer, sich hinter die nationalistische Führung der zyprischen Kirche zu stellen und gemeinsam mit griechischen Nationalisten durch Generalstreiks die Aufhebung aller britischen Notverordnungen (Ergebnis der Unruhen von 1931) zu erreichen. Die schlussendlich erfolgende Niederlage der Kommunisten im griechi- schen Bürgerkrieg im Jahre 1949 führte zu einem Kurswechsel der AKEL. In dieser Phase wandte man sich von den nationalen Enosis-Plänen ab und diskutierte (gemeinsam mit den Zy- perntürken) mit dem britischen Gouverneur Lord Winster über Verfassungsreformvorschläge, um das angestrebte Ziel, die Selbstverwaltung für Zypern, zu erreichen.108 Die 1931 ins Exil gezwungenen Enoisten durften ab 1946 wieder nach Zypern zurück- kehren. Sofort fühlten sie sich durch die erstarkten Kommunisten in ihrer traditionellen Macht- position auf Zypern angegriffen, wodurch auch die Linke zum Feindbild des nationalen Bünd- nisses wurde. Die 1947 gegründeten rechtsextremistischen zyperngriechischen Organisationen EOKA und PEON109 strebten zunächst entschieden die Beseitigung der kommunistischen und gewerkschaftlichen Führer an und läuteten eine Ära des Terrorismus auf Zypern ein. Die ext- reme Linke antwortete ihrerseits mit Sprengstoff-Anschlägen auf ihre rechten Opponenten. Die Situation eskalierte erstmals seit 1931 im Sommer 1948, als ein Generalstreik zu heftigen Aus- einandersetzungen mit der Polizei führte, der nur durch die Verlegung britischer Soldaten aus Palästina beendet werden konnte.110 Das Jahr 1949 brachte eine innenpolitische Wende. Langsam erkannte man, nationale Enoisten früher als kommunistische Linke, dass mit der vornehmlich agrarisch geprägten zypri- schen Landbevölkerung kein sozialistisch inspirierter Massenaufstand gegen die britische Be- satzung ins Leben gerufen werden konnte. Die als konservativ einzustufende bäuerliche Bevöl- kerungsmehrheit wurde letztlich durch die Enosis-Bewegung aktiviert, was nach der verlorenen Gemeinderatswahl von 1949 gegen die Nationalisten die AKEL dazu brachte, sich voll und ganz hinter die zyprische Kirche und den nationalen Block zu stellen, sodass sich eine einheit- lich pro-griechische Front gegen die britische Kolonialherrschaft herausbildete.111

108 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 80-82. vgl. DISCHLER, Ludwig, Die Zypernfrage, Frankfurt am Main 1960, S. 23-26, 91-95. zitiert nach: ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 82, Fußnote 85. 109 Ethniki Organosis Kypron Agonistan (Nationale Organisation zyperngriechischer Kämpfer) vgl. PILLER, Zypern, S. 126. PEON war eine militante Jugendorganisation der zyprisch-orthodoxen Kirche. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 99. vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 86f. 110 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 82. 111 Zur politischen Entwicklung auf Zypern in und nach dem Zweiten Weltkrieg: vgl. TZERMIAS, Republik Zypern, S. 46-51. vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 81, 82. vgl. TENEKIDES, Zypern, S. 60ff. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 92. 29 Der türkisch-zypriotische Nationalismus formierte sich etwas verzögert, was an der meist reak- tionären und pro-britischen Haltung der traditionellen türkischen Eliten Zyperns lag.112 Den- noch kann schon in den 1920er Jahren (Zervakis sieht die Ausbreitung des Kemalismus unter den Zyperntürken ab den 1930er Jahren) eine starke Zunahme des Einflusses der Kemalisten erkannt werden.113 So war es der Kemalist Fazil Küçük, Gründer der Nationaltürkischen Volks- partei Zyperns114, der auf einer Kundgebung in Nikosia vom 11. Dezember 1949 die zypern- griechische Bevölkerung und britische Kolonialverwaltung vor energischem Widerstand gegen die immer aggressiver auftretenden Enosis-Bestrebungen warnte.115 Mit dem Zerfall der großen Kolonialreiche im 20. Jahrhundert schöpften auch die zypri- otischen Enoisten erneut neue Hoffnung, die Union mit Griechenland zu vollbringen.116 Der Enosis-Gedanke hatte nun scheinbar auf die gesamte Insel übergriffen. Aber dies ist nur eine oberflächliche Betrachtungsweise, denn man darf nicht vergessen, dass die Enosis in Wirklich- keit ein Mittel zur Durchsetzung politischer Interessen einer konservativen, nationalistischen griechisch-zyprischen Elite war. Der Nationalismus, der nun offensichtlich den politischen, aber auch immer mehr den privaten Alltag Zyperns prägte, nutzte den auf Fahnen gehefteten Enosis-Wunsch als Werkzeug zur Beschwörung der zyprischen Bevölkerung zur Loslösung vom britischen Empire und zum Anschluss an Griechenland. Besonders am Beispiel der ortho- doxen Kirchenführung lässt sich dies gut verdeutlichen. Denn um ihre politische Rolle zu legi- timieren, sah sich die griechisch-orthodoxe Kirche Zyperns in einer Art „kulturell-ideologischer Einheit“ mit dem griechischen Nationalstaat verbunden, dessen Nationalismus im Rahmen ei- ner expansionistischen Außenpolitik auch Zypern mit einbezog.117 Das erste Mal wurde die Enosis-Ideologie in den Wirren des Jahres 1931 benutzt, als Erzbischof Makarios I. die Bevöl- kerung aufrief, sich der „Nationale Radikale Union Zyperns (EREK)“ anzuschließen, um die britischen Machthaber in allen wichtigen Entscheidungsfragen zu boykottieren und den Briten zu zeigen, wie unerwünscht sie seien. Die Enosis wurde zum umfassenden „Heilmittel“, hatte doch die Kirche selbst ihr den Segen gegeben.118 Für die griechisch-zyprische, somit orthodoxe, Bevölkerung zur Zeit der von Makarios II. ins Leben gerufenen Volksabstimmung, war der

112 vgl. TZERMIAS, Republik Zypern, S. 46. Tzermias verweist in Fußnote 249 auf weiterführende Literatur. u.a. ATTALIDES, Michalis, Die Beziehungen der Griechischzyprioten zu den Türkischzyprioten, in: TENEKIDIS/KRANIDIOTIS, Zypern, S. 411-443. Diese pro-britische Haltung wurde von der Kolonialmacht gefördert. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 106f. 113 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 82. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 55-57. 114 Kibris Milli Türk Halk Partisi, KMTHP, gegründet 1944. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 25, 105. 115 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 82f. vgl. MAIER, Franz Georg, Cypern, Insel am Kreuzweg der Geschichte, Stuttgart 1964, S. 157. zitiert nach: KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 93, Fußnote 189. 116 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 63. 117 vgl. CHOISI, Wurzeln und Strukturen des Zypernkonfliktes, S. 81. 118 vgl. PILLER, Zypern, S. 23f. 30 Anschlussgedanke an Griechenland Doktrin. Die Euphorie kannte keine Grenzen, die allermeis- ten sahen sich nun „endgültig als Griechen“.119 Da „die Griechen“ ihrerseits noch immer von der Megali Idea eingenommen waren, überschneiden sich hier zwei Nationalismen, und ihr ide- ologisches Fundament bildet der Hellenismus.120 Während der zyperngriechische Nationalismus sehr von Emotionalität geprägt war, ba- sierte der zyperntürkische Nationalismus vielmehr auf dem Vernunftgedanken, da man mit der Durchsetzung der Enosis die Sicherheit für die türkische Bevölkerungsgruppe gefährdet sah. Ein für die Türkei nicht unwesentlicher Moment stellt die geografische Lage der Insel dar, da im Falle eines Anschlusses Zyperns an Griechenland das strategische Gleichgewicht im Ostmit- telmeerraum zu Ungunsten der Türkei gestört werden würde. Ein drittes, emotionales, dem zy- perngriechischen Populismus ähnelndes Argument türkischer Nationalisten war der Hinweis, dass Zypern über 300 Jahre lang Teil des osmanischen Reiches, aber jedoch nie völkerrechtlich Teil Griechenlands gewesen war.121 Aufgrund der Weltwirtschaftskrise, der wirtschaftlichen Überlegenheit der Inselgriechen und der stetig wachsenden Enosis-Forderungen ihrer Nachbarn gewannen die Kemalisten im- mer mehr Anhänger.122 Trotzdem ist der zyperntürkische Nationalismus eher reaktionär ge- prägt, politische Verbände123, paramilitärische Gruppierungen124, Demonstrationen und Ge- waltanwendung waren in der Regel immer eine Antwort auf zyperngriechische Aktionen.125 Da ein Anschluss der gesamten Insel an die Türkei weit unwahrscheinlicher war als die Durchset- zung der Enosis begnügte man sich lange Zeit mit der Beibehaltung des Status quo, also der Machtausübung der Briten, welche der türkischen Bevölkerungsgruppe einen gewissen Schutz sowie Einbindung in die Administration und politische Teilhabe bot. Mit der Radikalisierung des Zypernkonfliktes schien die Taksim, also die Teilung der Insel, die einzige Alternative, welche 1974 de facto verwirklicht wurde.126

119 vgl. PILLER, Zypern, S. 24. vgl. PILLER, Zypern, Kapitel 3.1, S. 7. 120 „Hellenismus bedeutet in diesem Sinne eine irrationale Identifikation mit der idealisierten, glorifizierten Ver- gangenheit der griechischen „Kulturnation“, nämlich mit ihren byzantinischen und antiken kulturellen Wurzeln. Die Schaffung einer künstlichen, an das Altgriechische stark angelehnte Hochsprache (Katharevoussa), die Identi- fizierung des modernen Griechen (!) mit seinen antiken Helden und die Expansionsbestrebungen der Megali Idea waren und sind die wichtigsten ideologisch-politischen Ausdrucksmittel des Hellenismus.“ Adamantos Korais, Theoretiker des 19. Jahrhunderts. vgl. ATTALIDES, M., Cyprus, Nationalism and international politics, Edinburgh 1979, S. 32. zitiert nach: CHOISI, Wurzeln und Strukturen des Zypernkonfliktes, S. 83, Fußnote 1. 121 vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 177. vgl. PILLER, Zypern, S. 18, 27f. 122 vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 56. 123 So wie die erste, am 18. April 1943 gegründete, zyperntürkische Massenorganisation KATAK. 1944 wurde von Fazil Kücük die erste politische Partei gegründet (KMTHP = nationaltürkische Volkspartei Zyperns). vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 105. 124 Hier zu nennen VOLKAN, die Vorläuferorganisation der extremistischen T.M.T. 125 vgl. PILLER, Zypern, S. 16. 126 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 115f. vgl. PILLER, Zypern, S. 18. 31 Nachdem im Dezember 1949 ein Antrag des Ethnarchie-Rates zur Durchführung einer Volks- befragung, welche die Ermittlung der Meinung der Bevölkerung zur Enosis zum Ziel hatte, von der britischen Kolonialregierung abgelehnt wurde, führte die orthodoxe Kirchenführung, noch unter Makarios II., am 15. Jänner 1950 eine selbstorganisierte Befragung durch. Dabei sprachen sich 96 Prozent der 224.747 stimmberechtigten griechisch-orthodoxen Zyprioten für die Enosis aus. Das öffentlich in orthodoxen Kirchen abgehaltene Referendum wurde somit von 215.108 WählerInnen angenommen (4 Prozent stimmten dagegen), während mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten (263.253) nicht zur Abstimmung gingen.127 Für Makarios III. und die zy- perngriechischen Nationalisten war die Abstimmung das ultimative Bekenntnis des „zyprioti- schen Volkes“ zur Enosis.128 Im September 1950 wurde das Ergebnis an das Generalsekretariat der UNO, sowie an die Parlamente in Athen und London geschickt, mit dem Anliegen, das kla- re Ergebnis politisch umzusetzen.129 Makarios trat mehrmals vor die UNO-Vollversammlung in New York in der Hoffnung, internationale Unterstützung vor allem von Seiten der USA zu er- halten. Die Amerikaner hatten angesichts der kommunistischen Bedrohung im Kalten Krieg den Briten volle sicherheitspolitische Unterstützung in allen internationalen Foren (NATO, UNO) zugesichert und wiesen Makarios III. Enosis-Anliegen ab. Die wegen des Bündnisses mit Großbritannien zunächst neutral agierende Athener Regierung hielt der von Makarios III. auf- gewiegelten griechischen Öffentlichkeit nicht länger stand und unterstützte nun offen die Poli- tik des zyprischen Ethnarchen. Die griechische Regierung bot den Briten im Falle einer Verei- nigung Militärbasen auf Zypern an, um so keine strategischen Nachteile in den Zeiten des Kal- ten Krieges zu erhalten.130 Nachdem die internationalen Positionen festgelegt waren, indem Griechenland nun of- fen die Enosis unterstützte, Großbritannien weiter unnachgiebig am Koloniestatus aus strategi- schen Gründen festhielt131 sowie sich die USA zur Passivität entschieden, um dem britischen

vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 90. 127 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 83. vgl. DISCHLER, Zypernfrage, S. 28. 128 vgl. PILLER, Zypern, S. 25f. 129 Im Angesicht der Internationalisierung des Zypernkonflikts fand von zyperngriechischer Seite ein Wechsel in der offiziellen Bezeichnung des Anschlusswunsches statt. An der Stelle von „Enosis“ trat nun der Begriff des „Selbstbestimmungsrechts“, welcher aus einer praktischen Notwendigkeit heraus entstanden war. „Die Satzung der Vereinten Nationen enthält den Begriff „Anschluss“ nicht. Dort ist nur vom Prinzip der Selbstbestimmung der Völker die Rede. Für die [griechischen] Zyprioten allerdings hatten die Worte „Enosis“ und „Selbstbestimmung“ den selben Bedeutungsinhalt.“ vgl. GEORGHIADES, Zypernfrage, S. 55. 130 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 84, 85. vgl. PILLER, Zypern, S. 28. 131 Die ohnehin variable strategische Wichtigkeit Zyperns für Großbritannien stieg seit dem Verlust britischer Mili- tärbasen in Palästina (1948) und Ägypten (1954). vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 65. „Die Regierung Ihrer Majestät steht nicht auf dem Standpunkt, daß das Selbstbestimmungsrecht niemals auf Zy- pern anzuwenden sei. Sie ist vielmehr der Meinung, daß seine Gewährung zur Zeit sowohl wegen der gegenwärti- gen strategischen Bedeutung der Insel wie auch wegen der Folgen auf das Verhältnis zwischen den NATO- Mächten im östlichen Mittelmeerraum praktisch nicht zumutbar ist.“ 32 Bündnispartner nicht in kolonieinterne Angelegenheiten dreinzureden, meldete sich 1953 Anka- ra (die Türkei und Griechenland waren 1952 in die NATO aufgenommen worden) zu Wort, und bekundete mit dem Anliegen, dass Zypern unter britischer Herrschaft zu bleiben habe, erstmals ein ernsthaftes Interesse in der Zypernfrage. Je mehr sich die Krise verschärfte, desto mehr ver- trat die Türkei offen die Ansicht, dass die Taksim oder die vollständige Rückgabe Zyperns (die Türkei sah sich als Erbe des Osmanischen Reiches) die einzige Möglichkeit zum Schutz der türkischen Bevölkerungsgruppe wäre.132 Die Kontroverse über die Zypernfrage auf internatio- naler Ebene hatte eine drastische Verschlechterung der Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei zur Folge, was zeitweise zum Abbruch diplomatischer Gespräche führte.133 Durch die Weigerung der UNO im Jahr 1954, Schritte in der Causa der Zypernfrage zu unternehmen sowie angesichts der ablehnenden Haltung der britischen Regierung die Forde- rungen der griechischen Zyprioten zu erfüllen, kam es zu ersten terroristischen Anschlägen und in Folge zum ersten zypriotischen Bürgerkrieg. Resultat war, neben Hunderten Bürgerkriegsop- fer ethnischen Säuberungen und Bevölkerungsumschichtungen, die Unabhängigkeit Zyperns im Jahre 1960.134 Der antikoloniale, vom Nationalismus inspirierte und getragene Befreiungskampf der griechischen Zyprioten brach am 1. April 1955 aus. Die mit Makarios und der orthodoxen Kir-

vgl. EDEN, Anthony, Memoiren 1945 – 1957, Zypern, 1955-1956, Berlin 1960, S. 459. 132 vgl. OBERLING, P., The Road to Bellapais, The Turkish Cypriot Exodus to , New York 1982 (=East European Monographies, 25), S. 57. vgl. BERNER, U., Das Vergessene Volk, Der Weg der Zyperntürken von der Kolonialzeit zur Unabhängigkeit, Pfaffenweiler 1992, S. 57-70. beide zitiert nach: ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 86, Fußnote 93. vgl. GÜRKAN, H., Once upon a time, Cyprus, Nikosia 1986, S. 128ff. zitiert nach: CHOISI, Wurzeln und Struktur des Zypernkonfliktes, S. 188f, Fußnote 22. (Auch Zervakis, Histori- sche Grundlagen, gibt in S. 86, Fußnote 93, Choisi als Referenz an) vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 34. vgl. PILLER, Zypern, S. 27f, 29. 133 Die Beziehungen zwischen der Türkei und Griechenland kühlten im September 1955 nach einem Bombenatten- tat auf das türkische Konsulat in Thessaloniki merklich ab. [Anm. des Autors: Im Rahmen eines zweisemestrigen Auslands-Studienaufenthaltes in Thessaloniki 2007/2008 konnte der Autor der Diplomarbeit die umfangreichen Sicherungsmaßnahmen des türkischen Konsulates (=Geburtshaus von Kemal Atatürk) durch griechische Sicher- heitskräfte feststellen. Im Zuge der gewalttätigen Demonstrationen v.a. griechischer Jugendlicher wurde die nähere Umgebung des Konsulates von griechischen Sicherheitskräften hermetisch abgeriegelt.] vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 86. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 114. vgl. PILLER, Zypern, S. 31. 134 Ein Antrag der griechischen Regierung über die Aufnahme der Zypernfrage auf die Tagesordnung der IX. Voll- versammlung wurde am 20. August 1954 gestellt. vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 37. Kellner und Kizilyürek geben als Datum des Antrages auf Aufnahme der Zypernfrage auf die Tagesordnung der UNO den 16. August. vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 27. vgl. CUKALAS, K., Yunanistan Dosyasi, Istanbul 1970, S. 180. zitiert nach: KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 84, Fußnote 169. vgl. TENEKIDIS/KRANIDIOTIS, Kipros, Istoria, Provlimata Ke Agona Du Laotis, Athina 1981, S. 172. vgl. XIDI, LINARVADOS, HAZIARGIRI, O. Makarios Ke I Simmahi Du, Athina 1973, S. 23. beide zitiert nach: KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 100, Fußnote 203, 204. vgl. PILLER, Zypern, S. 28-31. 33 che Zyperns eng verbündete EOKA leitete mit Bombenattentaten auf öffentlich koloniale Ein- richtungen in den vier größten Städten Zyperns den ersten zypriotischen Bürgerkrieg ein. Nach ergebnislosen Gesprächen des Inselgouverneurs mit Makarios III. wurde der Ausnahmezustand über die Insel verhängt. Die Briten verlegten rund 20.000 Soldaten zur Bekämpfung der grie- chisch-zypriotischen Guerillas auf Zypern. Dass die Engländer nach der Entlassung von EOKA Mitgliedern aus den Sicherheitskräften massiv türkische Polizisten rekrutierten und die tür- kisch-zypriotischen Untergrundbewegungen wie der VOLKAN (Vorläuferorganisation des T.M.T.) mit Waffen und Munition ausrüsteten, verschärfte den Konflikt wesentlich135 und zog somit auch die türkisch Bevölkerungsgruppe sowie deren Schutzmacht, die Türkei, mit in die Krise. Die türkische Seite forderte seit dem Ausbruch der Krise von 1955 immer mehr die Tei- lung der Insel (Taksim).136 Somit wurde der antikoloniale Befreiungskampf auch zum Kampf der Bevölkerungsgruppen gegeneinander.137 Der Partisanenkrieg der EOKA dauerte vier Jahre.138 Die umfassende Kenntnis der Ört- lichkeiten und die durch erzeugten Patriotismus gesteigerte Moral der Soldaten Grivas’ standen einer zahlenmäßig überlegenen, mit besten technischen Mitteln ausgestatteten englischen Ar- mee gegenüber, deren Vorteil die Möglichkeit einer kompletten Abschottung der Insel war. Die Insel wurde zu einem riesigen Internierungslager, Verhaftungen ohne Haftbefehl, Haftstrafen ohne Urteil. Trotz dieser restriktiven Maßnahmen oder der von den Briten beschnittenen Pres- sefreiheit konnten sie den Widerstand der zyprischen Aufständischen nicht brechen.139 Grivas selbst betrachtete sich als Kämpfer für die gerechte Sache. Seine selbst formulierten Ziele wa- ren die Fortsetzung der Kampfhandlungen, bis sich die internationale Diplomatie unter der Schirmherrschaft der UNO sowie Großbritannien sich genötigt sahen, die Zypernfrage zu unter-

135 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 87. Die paramilitärische zyperntürkische Untergrundorganisation Volkan/Vulkan kann als Gegenstück zur zyperngrie- chischen EOKA gesehen werden, deren Terror fortan mit Gegenterror vergolten wurde. Sie war die Vorläuferorga- nisation der T.M.T. (Türk Mukavemet Teşkilatı/Türkische Widerstandsorganisation), die sich für eine Teilung der Insel aussprach und innerhalb der türkischen Volksgruppe agierte. vgl. WENTURIS, N.I., Der Integrationsprozeß im politischen System der Republik Zypern, Göttingen 1970, S. 39. zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S 49, Fußnote 109. 136 „Da Enosis und Taksim sich gegenseitig ausschließen, bot sich zum nationalen Einheitsstaat offenbar nur noch das „Experiment der (neutralen) Republik Cypern“ unter dem Schutz Griechenlands, der Türkei und Großbritanni- ens an.“ vgl. ZERVAKIS, Zypern, S. 70. Zervakis verweist im Text auf MAIER, allerdings ohne Zitat. 137 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 93. vgl. PILLER, Zypern, S. 29. vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 88f. 138 „Grivas hatte einen unerschütterlichen Glauben und die Gabe, seine Leute zu führen und zu begeistern. Hinzu kam seine Fähigkeit, einen Partisanenkrieg mit den sich daraus ergebenden bestimmten Konsequenzen durchzu- führen. Diese Art der Kriegsführung bestand aus Geheimhaltung, plötzlichen Angriffen und Verwirrung der engli- schen Truppen, aus List, Geschicklichkeit und Tapferkeit. Dagegen wehrten sich die Engländer, indem sie die ganze Bevölkerung als Geiseln sahen. Dies erbitterte natürlich den bis dahin nur passiven Widerstand leistenden Teil der Bevölkerung und selbst die wenigen, die den Engländern Sympathie entgegen gebracht hatten, wandten sich ab. So stand die ganze Insel auf der Seite der EOKA. Eine Tatsache, die die englische Unsicherheit steigerte.“ vgl. GEORGHIADES, Zypernfrage, S. 70-71. 139 vgl. GEORGHIADES, Zypernfrage, S. 70. 34 suchen und sie des Weiteren in Übereinstimmung mit den „Wünschen des zypriotischen Volkes und der ganzen griechischen Nation … zu lösen“.140 Der bewaffnete Untergrundkampf der EOKA war somit eine Maßnahme, um die Politik an die Verhandlungstische zu zwingen, denn mit militärischen Mitteln alleine wäre es der EOKA niemals gelungen, die koloniale Unabhän- gigkeit, konkreter formuliert, das Selbstbestimmungsrecht basierend auf der Volksabstimmung des Jahres 1950, durchzusetzen.141 Umgekehrt konnten die Engländer ihrerseits bis zur diplo- matischen Lösung des Konfliktes nie vor Anschlägen und Partisanenangriffen sicher sein.142 Doch bis zum Jahre 1957 führten alle diplomatischen Gespräche zu keinem Ergebnis143, dafür verschärfte sich die Lage zwischen den Volksgruppen Zyperns, als die zur Selbstverteidigung gegründete paramilitärische Untergrundorganisation VOLKAN (spätere T.M.T.) mit Spreng- stoff- und Sabotageakten gegen die EOKA vorzugehen begann. Nicht nur, dass es schon zahl- reiche Kriegsparteien auf der 9.251 km² großen Insel gab, wurde auch die Zivilbevölkerung in den Strudel der Gewalt gezogen, da Kollaboration mit dem Feind zumeist mit Exekution be- straft wurde. In den gemischt besiedelten Dörfern setzten erste Vertreibungen ein, deren Höhe- punkt jedoch erst im Jahr 1963/64 erreicht sein würde. Als Verräter galt derjenige, der die Ziele der EOKA bzw. T.M.T. nicht voll und ganz unterstützte.144 Für Inselgriechen hätte eine offen zur Schau gestellte Untergrabung der ENOSIS-Forderung Konsequenzen nach sich gezogen, für Inseltürken wäre ein fehlendes, uneingeschränktes Bekenntnis zur türkischen Volksgruppe ein Grund gewesen, Opfer von Gewalt aus den eigenen Reihen zu werden. Der als Befreiung von der britischen Kolonialherrschaft begonnene Kampf entwickelte sich zum Bürgerkrieg, dessen Höhepunkt die Straßenkämpfe im Juli 1958 in Nikosia darstellten.145

140 vgl. GRIVAS, Georgios, Partisanenkrieg heute, Frankfurt am Main 1964, S. 25. zitiert nach: KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 28, Fußnote 52. 141 „So war von Anfang an die Revolution auf die Hilfe der Politik angewiesen, und im Sinne der griechischen und zypriotischen Politiker war es, eben diese revolutionären Kräfte zu aktivieren. Eine endgültige Lösung des Prob- lems lag schließlich jedoch nur in der Hand der verhandelnden Politiker.“ vgl. GEORGHIADES, Zypernfrage, S. 72. 142 vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 29. 143 Die Vereinten Nationen wichen einer Entscheidung in der Zypernfrage 1954/55 geschickt aus, rechneten aber anscheinend nicht mit der Radikalität und dem Durchhaltevermögen der EOKA. So wurde seit dem Ausbruch des antikolonialen Befreiungskampfes mehrmals eine diplomatische Einigung, vor allem von britischer Seite ange- strebt (Dreierkonferenz in London GB/GRE/TRK mit dem Verfassungsvorschlag MacMillans; Verhandlungen zwischen Harding und Makarios III. im Oktober 1955 bei dem Makarios Dreipunkteplan abgelehnt wurde; der Verfassungsvorschlag Hardings von Februar 1956; der Radcliffe-Verfassungsentwurf von Dezember 1956; die UNO-Resolution vom 26. Februar 1957; der MacMillan-Plan vom Juni 1958; Makarios III. Vorschlag zur Unab- hängigkeit der Insel vom 22. September 1958; das NATO-Treffen vom 18. Dezember 1958, das schließlich zu den Verträgen von Zürich und London im Februar/März 1959 führte). u.a. vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 27, 30-45. 144 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 88. vgl. PILLER, Zypern, S. 30. 145 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 111f. vgl. DISCHLER, Zypernfrage, S. 53. zitiert nach: KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 117, Fußnote 253. vgl. PILLER, Zypern, S. 30f. 35 5.1 UNABHÄNGIGKEIT VON 1960 UND SCHEITERN DER REPUBLIK Die prekäre Situation auf der Insel und die stärkere Parteiergreifung der beiden „Mutterländer“ der Volksgruppen Zyperns führten zu einem Kurswechsel der britischen Krone. Der vom neuen britischen Premierminister Harold Macmillan im Juni 1958 vorgelegte Plan146 wurde von Ma- karios abgelehnt, da er eine sieben Jahre dauernde Partnerschaft mit getrennten kommunalen Legislativ-Organen und eigenen Gemeinden vorsah, was für die Inselgriechen eine Richtungs- änderung Richtung Taksim bedeutet hätte. Angesichts des Scheiterns aller Ziele der Inselgrie- chen begann man die eigene Position zu überdenken. Die Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht schien zur neuen obersten Priorität zu werden, da sie wahrscheinlicher zu errei- chen war als die Enosis. Als langfristiges Ziel blieb die Vereinigung mit Griechenland jedoch in den Gedanken der griechisch-zypriotischen Nationalisten erhalten.147 Nichtsdestotrotz erklärte sich Makarios III. im September 1958 bereit, auf die Vereini- gung mit Griechenland zugunsten eines ungeteilten, unabhängigen Zyperns zu verzichten, so- dass am 11. Februar 1959 in Zürich Politiker aus Griechenland (Constantin Karamanlis) und der Türkei (Adnan Menderes) in direkte Verhandlungen mit einer britischen Delegation zu- sammentraten148, um über die Unabhängigkeit Zyperns zu beraten. Vor allem Ankara konnte mit den ersten Verhandlungen zufrieden sein, da sie „mehr, als sie noch vor relativ kurzer Zeit erwarten konnten“ erreichten.149 Konkret konnte man durch den geschickten Schachzug der Taksim-Forderung, die natürlich abgelehnt wurde, dahingehend argumentieren, dass das volle Selbstbestimmungsrecht somit auch nicht der griechisch-zypriotischen Mehrheit gewährt wer- den könne, was einen Ausschluss der Enosis-Forderung mit sich brachte. Die in den Verträgen von Zürich und London vereinbarte Bi-Kommunalität kam den Inseltürken zugute, da trotz des ungleichen Anteils an der Bevölkerung Zyperns ihnen eine überproportionale Beteiligung150 am Staatsapparat gewährt wurde. Deshalb kritisierten die griechischen Zyprioten von Anfang an diese erste Verfassung der Republik Zypern, die in London unter Beisein der Vertreter der bei-

146 Die neue britische Regierung unter MacMillan formulierte ihre Strategie bezüglich Zyperns um. Anstatt die ganze Insel als Stützpunkt nutzen zu wollen (Zypern – „Der unsinkbare Flugzeugträger“), zielte man ob des immer wahrscheinlicher werdenden Endes ihrer Kolonialherrschaft, zumindest auf die Beibehaltung von Stützpunkten auf der Insel ab. So wurde der Unabhängigkeit Zyperns im Jahr 1960 die Tür geöffnet. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 76, 126. vgl. PILLER, Zypern, S. 19, 22. zum McMillan Plan: vgl. GEORGHIADES, Zypernfrage, 105f. 147 vgl. ST., Allgemeine Rundschau – Cypern, Zur Lage, in: ÖMZ, Jg. 2, 5/1964, Wien 1964, S. 339. vgl. GEORGHIADES, Die Zypernfrage, S. 106. 148 Kizilyürek gibt als Zeitraum der Konferenz den 6. bis zum 17. Februar an. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 124. 149 vgl. TÜTSCH, Hans E., Neue Zürcher Zeitung vom 28. Februar 1959, Nr. 588. zitiert nach: TZERMIAS, Republik Zypern, S. 204. 150 Tzermias hierzu: „Die überproportionale Beteiligung des türkischen Minderheitsvolkes am Staatsapparat (…) wurde von Anfang an seitens der Griechischzyprioten nicht zu Unrecht als eine Privilegierung der Inseltürken empfunden“. vgl. TZERMIAS, Republik Zypern, S. 204. vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 144. 36 den zyprischen Volksgruppen (Makarios III. bzw. Fazil Kücük) von den neu deklarierten „Schutzmächten“151 Griechenland, Großbritannien und der Türkei verabschiedet wurde. Man sah in der Verfassung eine Privilegierung der Inseltürken; der Nährboden für weitere Konflikte der 1960er Jahre wurde gelegt.152 Am 13. Dezember 1959 wurde Erzbischof Makarios III. von den Zyperngriechen zum Staatspräsidenten und Fazil Küçük von den Zyperntürken zum Vizepräsidenten der Republik Zypern gewählt.153 Am 16. August 1960 entließ Hugh Foot als letzter Kolonialgouverneur die Insel Zypern in eine (begrenzte) staatliche Unabhängigkeit.154 Die Unabhängigkeit wurde von den Beteiligten Protagonisten unterschiedlich gewertet. Für Grivas’ und radikale Nationalisten kam die Abkehr Makarios’ von der Enosis einem „Verrat an der Sache“ gleich.155 Dies hatte zur Folge, dass sich Grivas immer mehr von Makarios abwandte und insgeheim weiter die Enosis vorbereitete. Trotz der Ernennung zum Präsidenten der Republik Zypern prangerte Makarios seit dem Abschluss der Verträge von Zürich und London die seiner Meinung nach an dem ge- messenen Bevölkerungsanteil ungerechte Verteilung von Kompetenzen zwischen den Ethnien an. Im ersten Artikel des Grundvertrages der zypriotischen Verfassung156 wurde die Ab- grenzung der Territorien festgelegt. Die ehemalige britische Kolonialmacht erhielt zwei militä-

151 „Griechenland, der Türkei und Großbritannien wurde [durch Artikel 3 des Grundvertrages] das Recht zugestan- den, im Falle einer Verletzung der in der Verfassung vorgesehenen Punkte, die die territoriale Integrität der Repub- lik anbelangen, militärisch intervenieren zu dürfen.“ vgl. PILLER, Zypern, S. 32. u. a. 152 vgl. PILLER, Zypern, S. 40, 41. 153 In der Verfassung ist bestimmt, dass der Präsident der Republik Zypern ein Grieche, der Vizepräsident ein Tür- ke zu sein hat. Weil es somit im engeren Sinn keinen ganzheitlichen Staat gibt, da sowohl der Präsident als auch der Vizepräsident nur jeweils ihrer eigenen Volksgruppe vorstehen, kann der Vize- nicht den Präsidenten vertreten. Dies geschieht vielmehr durch den Parlamentspräsidenten, der wiederum ein Grieche ist. Der Staatsregierung der Republik Zypern gehört ein Kabinett mit sieben griechischen und drei türkischen (Proporzregierung von 70:30) Ministern an. Dem Präsidenten und Vizepräsidenten steht ein Vetorecht gegen Beschlüsse des Kabinetts in Aus- wärtigen-, Verteidigungs- und Sicherheitsangelegenheiten zu. All diese Umstände führen zur Erkenntnis, das Zy- pern per Verfassung zwei kommunale Parlamente und ein Zentralparlament besitzt. Sowie in der Regierung, gibt es in der Verfassung auch einen Proporz in der Verwaltung (70:30), Armee (60:40), Polizei (70:30) und der Ge- richtsbarkeit. Den Personenstand und religiöse Angelegenheiten werden allerdings volksgruppenintern geregelt. Die getrennten Stadtverwaltungen in den fünf größten Städten Nikosia, Limassol, Famagusta, Larnaka und Paphos, die gemäß Artikel 172 der Verfassung gebildet wurden, waren die Streitfrage, die zur Krise von 1963/1964 führte. vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 89f. vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 62, 63. vgl. TENEKIDES, Zypern, S. 130, 131. 154 vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 90. 155 vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 125, Fußnote 297. vgl. PILLER, Zypern, S. 31. 156 Auszug der wichtigsten Eckdaten der Verträge von Zürich und London 1959/1960 nach Ackermann: 1. Garantievertrag für Zypern Großbritannien, Griechenland und die Türkei verpflichten sich, die Unabhängigkeit und Sicherheit der Insel und seiner Bewohner zu respektieren und im Notfall zu sichern und zu helfen. 2. Verteidigungsabkommen bzw. Allianzvertrag Griechenland und die Türkei verpflichten sich, die zypriotische Regierung bei der Verteidigung der Insel zu unterstützen. Zu diesem Zweck werden 950 griechische und 650 türkische Soldaten auf der Insel stationiert. 3. Verzichtserklärung Großbritanniens auf die Souveränität über die Insel Zypern – mit Ausnahme von zwei Militärbasen im Süden des Landes. [Fortsetzung folgende Seite] 37 rische Stützpunkte (Sovereign Base Areas, SBA), die bis in die Gegenwart, völkerrechtlich ge- deckt, zum britischen Staatsgebiet zählen.157 Ein für die zukünftige Entwicklung der 1960er Jahre wichtiger Artikel bezog sich auf die Präsidentschaft. So hatte der aus der türkischen Bevölkerungsgruppe gewählte Vize- Präsident gegenüber dem griechischen Präsidenten ein Vetorecht, das er zum Schutze der tür- kisch-zypriotischen Interessen in Anspruch nehmen konnte. Ein dritter wichtiger Punkt der Ver- fassung von 1960 stellt Artikel 22 dar, der sowohl die Enosis als auch die Taksim ausschloss.158 Obwohl der Enosis-Wunsch noch immer unter den griechischen Nationalisten präsent war, ga- rantierte der in Verbindung mit Garantieverträgen (Artikel 4) stehende Zusatzartikel 185 den Inseltürken im Falle einer gewaltsamen Durchsetzung der Enosis eine legitime türkische Inter- vention.159 Umgekehrt bedeutete es aber auch, dass eine gewaltsame Teilung der Insel ebenfalls mit Gewalt verhindert hätte werden können. Schon bald nach der Unabhängigkeit begannen alte Gräben zwischen den zypriotischen Volksgruppen wieder aufzubrechen. Die in der Verfassung festgelegte Quote von 30 Prozent Zyperntürken in der Verwaltung führte zu einem Stellenabbau auf Kosten der Zyperngriechen, was weitverbreitet Unverständnis und Zorn hervorrief und folgerichtig ein Wiederaufflammen nationalistischer Propaganda seitens der zyperngriechischen Rechten nach sich zog. Daneben scheiterten alle Versuche, eine gemeinsame zypriotische Armee (Quote 60:40 zugunsten der Zyperngriechen, ca. 2.000 Mann) aufzustellen, da sich inseltürkische Einheiten weigerten, unter dem aus griechischen Offizieren rekrutiertem Offizierskorps zu dienen. Die von der Verfassung vorgesehene Stationierung von 950 griechischen und 650 türkischen Soldaten auf der Insel zum Zwecke der Ausbildung der geplanten zyprischen Armee war somit hinfällig und verschärfte

4. Erklärung der griechischen und der türkischen Regierung sowie der Vertreter beider zyprischer Volksgruppen, Makarios III. und Dr. Kücük, dass die verschiedenen Dokumente als vereinbarte Grundlage für die endgültige Bereinigung des Zypernproblems anerkannt werden.“ vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 68. 157 Die beiden britischen Militärbasen von Dhekelia und Akrotiri umfassen 256,4 Quadratkilometer (99 Quadrat- meilen); d.s. fast 3 Prozent der gesamten Inselfläche. vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 89. Zervakis verweist auf S. 89, Fußnote 104 auf Karten zur exakten territorialen Abgrenzung der britischen Militärba- sen. 158 vgl. GEORGHIADES, Zypernfrage, S. 139. Für den gesamten Wortlaut siehe S. 134-142. 159 vgl. PILLER, Zypern, S. 34. Genauer Wortlaut vgl. Fußnote 55. Genauer betrachtet bedeutete der Artikel, dass im Falle der Verletzung des status quo der Insel Beratungen der drei Garantiemächte Großbritannien, Griechenland und der Türkei zu erfolgen habe. Sollte es zu keinem gemeinsamen Vorgehen kommen, „hat jeder der drei Garantiemächte das Recht, zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung, Aktionen zu ergreifen.“ vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 59. Im Hinblick auf die türkische Invasion von 1974 ist festzuhalten, dass „das Interventionsrecht nach dem Garantie- vertrag nur dem Schutz der geschaffenen Ordnung dient“, jedoch nicht „die Beeinträchtigung der Substanz des zyprischen Staatsgebietes bezweckt. Wenn das Interventionsrecht die Unversehrtheit Zyperns verletzen würde, würden Zweck und Mittel des Garantievertrages miteinander in Widerspruch geraten.“ vgl. BESLER, A.F., Die völkerrechtliche Lage Zyperns unter besonderer Berücksichtigung des Selbstbestim- mungsrechts, München 1973, S. 45. zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S. 60, Fußnote 139. 38 die Situation weiter.160 Die scheinbar unvereinbaren Positionen der Volksgruppen ließen den Konflikt weiterschwelen161, die nationalistische Propagandamaschinerie lief auf Hochtouren und im Hintergrund wurden Waffen gesammelt.162 Eine von der griechisch-zypriotischen Re- gierung erlassene Nachrichtensperre vom 31. Juli 1963, die die Geheimhaltung militärpoliti- scher Vorgänge wie etwa von Waffenimporten und deren Herkunft, der Bautätigkeit von Befes- tigungsanlagen, errichteter Militärlager, dem Transport militärischer Einrichtungen, Truppen- bewegungen oder sonstiger Aktionen der Streitkräfte bezweckte, ist aufschlussreich, zumal be- kannt war, dass im Vorfeld der Zypernkrise von 1963/64 laufend Schiffe im Hafen von Limas- sol unidentifizierte Frachtgüter löschten.163 Für Grivas und Makarios war die Unabhängigkeit der Insel nur ein Zwischenstadium auf dem Weg zur Durchführung der Enosis.164 Im Geheimen entwickelte die zyperngriechische Führung unter Präsident Makarios dem Parlamentspräsidenten Glafkos Klerides und dem In- nenminister Georgiadsis einen Plan zur Verfassungsänderung. Der so genannte Akritas-Plan (=Selbstbezeichnung des Innenministers Georgiadsis) zielte auf folgende Punkte ab: Es sollte

 durch diplomatische Verhandlungen und einer Verschleierungstaktik bezüglich der wahren politi- schen Interessen eine internationale Anerkennung zur Verfassungsänderung erreicht werden,  die Verfassung dahingehend verändert werden, dass die türkisch-zypriotische Volksgruppe aus der gemeinsamen Machtverteilung verdrängt werden würde (Aufhebung des Partnerschaftsprinzips),  eine Ausschaltung der Garantieverträge erreicht werden, um eine türkische Intervention als aggres- sives Verhalten gegen eine gut gemeinte Änderung einer arbeitsunfähigen Verfassung darzustellen,  der Minderheitenstatus statt der gleichberechtigten Partnerschaft für die zyperntürkische Volks- gruppe eingeführt werden (Aufhebung des Partnerschaftsprinzips),  die Enosis durchgeführt werden.165

160 vgl. PILLER, Zypern, S. 39. 161 vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 46. 162 vgl. BERNER, U., Das Vergessene Volk, Der Weg der Zyperntürken von der Kolonialzeit zur Unabhängigkeit, Pfaffenweiler 1992, S. 107. zitiert nach: PILLER, Zypern, S. 39, Fußnote 60. 163 vgl. ST., Allgemeine Rundschau – Cypern, Zur Lage, in: ÖMZ, Jg. 2, 5/1964, Wien 1964, S. 339. 164 Am 28. September 1962 reiste Makarios nach Athen um am 8. November seinen Standpunkt bezüglich der Beziehung zwischen Athen und Nikosia darzulegen: „My visit to this country, which the have never stopped admiring and have regarded as their natio- nal centre, is not aimed solely to express my feelings of graduate. No matter if the Hellinism of Cyprus has the image of another country, their (Greek Cypriots’) eyes are always turned to motherland Greece.“ vgl. EGELI, Sabahattin, How the 1960 Republic of Cyprus was destroyed, Istanbul 1991, S. 27. zitiert nach: PILLER, Zypern, S. 40, 41, Fußnote 66. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 144f. 165 vgl. HILLENBRAND, Cypern, S. 57. vgl. PILLER, Zypern, S. 44. Für eine detailliertere Beschreibung des Akritas-Planes vgl. PILLER, Zypern, S. 45-47 der sich auf . BERNER, U., Das Vergessene Volk, Der Weg der Zyperntürken von der Kolonialzeit zur Unabhängigkeit, Pfaffenweiler 1992, S. 119ff. und PANTELI, Stavros, The Making of Modern Cyprus, Nikosia 1994, S. 196f. bezieht; u.a. Autoren (z.b. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 142ff.) 39 Als wahres politisches Interesse galt ihnen nach wie vor die Enosis. Vor allem der 1971 er- mordete Innenminister Georgiadsis erwog auch den Einsatz von Gewalt.166 Am 30. November 1963 sah sich Makarios in der Lage, nachdem er sich auf dem internationalen Parkett etablierte hatte und eine Schlichtung des Konflikts durch die NATO verhindern konnte167, den Akritas- Plan in die Tat umzusetzen. Seine 13 Punkte zur Verfassungsänderung lösten den Zweiten Zypriotischen Bürgerkrieg aus, da für die Zyperntürken die Änderung einem Ausschluss von politischer Machtteilhabe gleichkam. Schon wenige Tage nach der einseitigen Verfassungsän- derung seitens der zyperngriechischen Führung begannen irreguläre Truppen um Innenminis- ter Georgiadsis, Straßensperren und Polizeikontrollpunkte zu errichten, um mögliche türkische Gewaltakte schon im Keim zu ersticken.168 Schon bald explodierten die ersten Bomben, die Kontrahenten beschuldigten sich jeweils gegenseitig der Durchführung. Die wiederbewaffnete T.M.T. versuchte, soweit es ihr möglich war, die inseltürkische Bevölkerung vor Repressalien seitens der griechischen Nationalisten zu schützen und Widerstand zu leisten. Bis August 1964 starben an die 1.200 Menschen (1.000 Zyperntürken und 200 Zyperngriechen)169, zudem ver- ließen zwischen 19.000 und 20.000 Zyperntürken gemischt besiedelte Dörfer, um in rein türki- 170 sche Siedlungsgebiete zu ziehen. Die folgenden Tabellen (Abb. 3 u. 4) zeigen die Besiede- lungsstruktur nach Volksgruppenzugehörigkeit der zypriotischen Distrikte bis zur Krise von 1963/64:

Abb. 3, Tabelle „Verteilung zyprischer Siedlungen nach Volksgruppenzugehörigkeit bis 1964“171

Griechische Siedlungen 392 61,73% Türkische Siedlungen 117 18,42% Gemischte Siedlungen 126 19,85%

166 Piller spricht bei der Charakterisierung des Akritas-Planes von „einer fein durchdachten Planung eines nie voll- zogenen Genozids“. vgl. PILLER, Zypern, S. 44. 167 Die NATO und ihre Führungsmacht die USA, beschlossen wegen der Gefährdung der Südostflanke ihrer Ver- teidigungsstrategie für Europa ab 1955 (Erster Zypriotischer Bürgerkrieg) die Zypernfrage zu behandeln. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 94. 168 vgl. PILLER, Zypern, S. 48. 169 vgl. TATLI, Suzan, Der Zypernkonflikt, Pfaffenweiler 1986, S 54. 170 vgl. PILLER, Zypern, S. 49. 171vgl. KAROUZIS, G., Proposals for a solution tot he Cyprus problem, Cosmos Press, Nicosia 1976, S. 45. zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S 86, Fußnote 195. Nowacki verweist weiters auf: MARKIDES, K.C., The rise and fall of the Cyprus Republic, Yale University Press, London 1977, S. 1f. 40 Abb. 4, Tabelle „Verteilung Siedlungen nach Volksgruppenzugehörigkeit in zyprischen Distrikten bis 1964“

Distrikt Griechische Siedlungen Türkische Siedlungen Gemischte Siedlungen Nikosia 114 29 39 Kyrenia 30 7 11 Famagusta 55 25 18 Limassol 87 9 19 Larnaka 28 10 22 Paphos 78 37 17 GESAMT 392 117 126

Makarios hatte im Rahmen der Verfassungsänderung die Garantieverträge für ungültig erklärt, was die Lage zwischen den beiden Mutterländern dramatisch verschärfte. Die beiden NATO- Mitglieder Griechenland und die Türkei standen selbst vor Ausbruch von Kampfhandlungen (türkischer Luftangriff auf den von zyperngriechischen Truppen errichteten Belagerungsring um /Erenköy am 8. August 1964), sodass sich der UNO-Sicherheitsrat am 4. März 1964 zur Entsendung einer ca. 7.000 Mann (geplante Sollstärke) starken Friedenstruppe ent- schloss (Resolution 186/1964)172 und so eine weitere Eskalation der gewaltsamen Ereignisse auf Zypern verhinderte.173 Die Hauptaufgabe dieser Friedenstruppe bestand darin, die Kampf- parteien voneinander zu trennen. Um den größten Gefahrenherd zu sichern, teilte man Nikosia in einen griechischen und in einen türkischen Stadtteil. Seit dem Jahr 1964 trennt die so ge- nannte „Green Line“ die Hauptstadt der Republik Zypern.

Mit der Trennung der beiden zypriotischen Volksgruppen begann eine allmähliche Iso- lierung der Zyperntürken in Enklaven174 oder regelrechten Ghettos in den Städten (wie etwa in Famagusta). Zudem erkannte die UNO die zyperngriechischen Machthaber als legitime „Regie- rung der Republik Zypern“ an, was de facto eine Bestätigung der Verfassungsänderung und der nationalistischen Politik Makarios’ darstellte.175 Um die unterschiedlichen zyperngriechischen

172 vgl. PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 299. vgl. PILLER, Zypern, S. 50. vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 77. 173 US-Präsident Johnson richtete sich parallel an den Vertreter der türkischen Opposition, Ismet Inönü, um eine Invasion türkischer Truppen auf Zypern zu verhindern. vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 56, Fußnote 127. vgl. WOLFE, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 71. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 160f. 174 Es existierten zwischen 1963 und 1974 ca. 150 zyperntürkische Enklaven. vgl. STRÄSSLE, Paul Meinrad, Miszellen - Zypern und Ägäis, Konflikte zwischen der Türkei und Griechenland und ihre historischen Wurzeln, in: ÖMZ, Jg. 43, 3/2005, Wien 2005, S. 360. Zu zyperntürkischen Enklaven und der ethnischen Trennung auf Zypern siehe Abb. 29 u. 30 im Anhang. 175 Dazu Sir Anthony Kershaw, bis 1987 Ausschussvorsitzender für Auswärtige Angelegenheiten des britischen Unterhauses:„Es wurde entschieden, dass UN-Truppen zur Aufrechterhaltung der Ordnung auf die Insel geschickt werden sollen, aber die UN kann nur Truppen senden, wenn die legale Regierung eines Landes darum bittet. Die einzige Organisation, welche 1964 als Regierung von Zypern in Frage kam, war die von Makarios geführte Ver- waltung. Die türkischen Zyprer wiesen in scharfem Ton darauf hin, dass es sich nicht um die legale Regierung von 41 Militärorganisationen zu legalisieren, vereinte man diese kurzerhand zur „Nationalgarde der Republik Zypern“.176 Diese Nationalgarde repräsentiert (sich) auch heute noch (als) die legale Streitmacht Zyperns, obwohl sie in einem Akt der Not gegründet wurde, um einen rechtlichen Rahmen für den UNO-Einsatz zu gewährleisten. Die in den von Nationalgardisten belagerten und von der Außenwelt abgeschnittenen türkischen Enklaven177 konnten nur mit Mühe und über Umwege durch die Bemühungen des Roten Halbmondes unter der Schirmherrschaft der zyperntürkischen Volksgruppenvertreter, Fazil Küçük und Rauf Denktasch, mit dem Nötigsten versorgt werden. Auf internationaler Ebe- ne war man nicht wirklich daran interessiert, Partei für die verfolgten Zyperntürken zu ergrei- fen178, während die Zyperngriechen weiter militärisch aufrüsteten. Immer mehr Soldaten vom griechischen Festland wurden nach Zypern verlegt, um zusammen mit der zypriotischen Natio- nalgarde die zyperntürkische Bevölkerung zu terrorisieren.179 In der Zeit von 1963, dem Zeit- punkt des Verfassungsbruches seitens der Zyperngriechen bis zur Teilung der Insel durch die türkische Intervention von 1974, schlugen zyperntürkische Politiker mehrere juristische Lö- sungsansätze der Zypernkrise vor:180

Zypern handele, aber es war der Zeitdruck, der die UN sagen ließ: Seht, eure Menschen sterben – lasst sie die Truppen auf der Stelle haben und die Anwälte können es später aussortieren.“ vgl. STEPHEN, Michael, Die Zypern Frage, Köln 1999, S. 38. „2. Asks the Government of the Republic of Cyprus, which has the responsibility for the maintaince and restorati- on of law and order, to take all additional measures necessary to stop violence and bloodshed in Cyprus.“ vgl. Resolutions adopted by the United Nations on the Cyprus Problem 1964-1992, S. 5. zitiert nach: PILLER, Zypern, S. 50, Fußnote 83. 176 Durch die Intervention der UN erreichte Makarios de facto die Verwirklichung seiner im Akritas-Plan formu- lierten Ziele, da er die durch UN-Truppen geschaffene provisorische Ordnung für sich nutzte. Der indische UN- General Thimayya protestierte als Oberbefehlshaber gegen die durch die Legalisierung der Nationalgarde erzwun- gene Untätigkeit seiner Truppen, da die UN somit auch die Entwicklung der Dinge und die Einflussnahme auf sie verliere. Dies galt vor allem für die systematische Aushungerung der gewaltsam gebildeten türkischen Enklaven. vgl. ST., Allgemeine Rundschau – Cypern, Zur Lage, in: ÖMZ, Jg. 2, 5/1964, Wien 1964, S. 339. 177 Über vier Jahre lang wurde seitens der Griechen der Import alltäglicher Güter, wie etwa Straßenbaumaterial, Ziegeln, Werkzeuge, Autos, Ersatzteile, Nägel oder Schnürsenkel verhindert. Weiters wurden Pensionen und Ren- ten an Zyperntürken nicht mehr ausbezahlt, während seitens der Zyperntürken keine Steuer mehr entrichtet wur- den. vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 78. 178 Ein von US-Präsident Johnson in Auftrag gegebener Lösungsvorschlag wurde im Juli 1964 den Regierungen Zyperns, Griechenland und der Türkei vorgelegt. Die vorgeschlagene zyperntürkische Gemeindeautonomie (lokale Selbstregierung in Gebieten mit türkischer Mehrheit) konnte jedoch nicht überzeugen, sodass der Acheson-Plan von allen Empfängern abgelehnt wurde. Wolfe betont an dieser Stelle, dass entgegen verschiedener veröffentlich- ter Berichte (z. B. Kizilyürek, Zypernkonflikt, S. 167ff.) der Acheson-Plan keine Teilung Zyperns vorsah. Auch der Galo Plaza-Bericht vom 26. März 1965 konnte trotz der allgemeinen Bekundungen eine friedlichen Lö- sung in der Streitfrage suchen zu wollen nicht die wiederaufkeimenden bürgerkriegsähnlichen Zusammenstöße von 1967 verhindern, wobei ein weiteres Mal eine militärische Intervention der Türkei gerade noch verhindert werden konnte. vgl. WOLFE, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 71-73. Für eine Zusammenfassung des Galo Plaza-Berichts siehe Artikel der Internetseite der Republik Zypern: http://www.cyprus.gov.cy/moi/pio/pio.nsf/0/FAD964AC447341EAC2256D6D0039478A/$file/Galo%20Plaza%20 Report%20%28Sum%29.pdf, abgerufen 26/04/2011. 179 Auch Ackermann spricht wie Tatli von 1.000 Opfern unter den Zyperntürken im Schatten der Ereignisse vom Winter 1963/64. vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 75. 180 vgl. BALL, George W., The Past has another Pattern, Memoirs, London 1982, S. 347. zitiert nach: ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 79, Fußnote 4. 42 Die Kantonallösung181 Die Bundesstaatenlösung Griech.-Türk. Kondominium Zypern Wiederherstellung der Partner- Zweiteilung der Insel in Gleichstellung beider Volksgruppen auf schaftspolitik von 1960 mit allen Teilstaaten unter einer Zypern, deren Schutz und deren Rechte Rechten der Zyperntürken. Festle- Zentralregierung durch die Mutterländer Griechenland und gung der türkischen Siedlungsgebiete Türkei garantiert werden als türkische Kantone (am Beispiel der Schweiz).

Eine formulierte Ablehnung aller drei Vorschläge des südlichen Inselnachbarn erfolgte am 26. Juni 1967, als ein ausschließlich aus Zyperngriechen bestehendes Parlament in Nikosia eine Resolution verabschiedete, dessen Ziel die Vereinigung einer ungeteilten Insel Zypern mit Griechenland war.182 An dieser Stelle zeigte sich die schwache Position der Vereinten Nationen. Die UNO war nicht in der Lage, Makarios zum Einlenken zu bewegen. Dass die Türkei nicht schon in der Krise von 1963/64 von ihrem verfassungsmäßig gedeckten Interventionsrecht Gebrauch mach- te, lag wohl in der angespannten Beziehung zum NATO-Nachbarn Griechenland und den welt- politisch zum Tragen kommenden Folgen einer Auseinandersetzung, von der die Sowjetunion wohl am meisten profitiert hätte.183 Das früher enge Verhältnis der Türkei zu den USA wurde seit 1964 schwer durch die Drohung des US-Präsidenten Johnson belastet, im Fall einer türki- schen Invasion auf Zypern die Rüstungs- und Wirtschaftshilfe einstellen zu wollen. Dies führte zu einer Neuorientierung der türkischen Außenpolitik, zu einer Entspannung mit der Sowjet- union, einer Wiederannäherung an das arabische Lager und zu einer deutlichen Distanzierung von den USA.184

Abb. 5, Tab. „Vergleich militärisches Potenzial Griech./Türk. im Kontext des Zypernkonflikts Juni 1964“185 Griechenland Türkei Militärausgaben (1963, in US-Dollar) 167.000.000 235.000.000 Landstreitkräfte 161.000 452.000 Luftstreitkräfte 22.000 20.000 Marine 19.000 32.000

181 siehe Abb. 31 im Anhang. 182 vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 79. 183 vgl. ST., Allgemeine Rundschau – Cypern, Zur Lage, in: ÖMZ, Jg. 2, 5/1964, Wien 1964, S. 339. 184 vgl. H., Allgemeine Rundschau – Türkei, Streitkräfte und Militärhilfe, in: ÖMZ, Jg. 13, 3/1975, Wien 1975, S. 265. 185 Für detailliertere Angaben zur Stärke der Waffengattungen siehe: vgl. o. V., Allgemeine Rundschau – Griechenland, Türkei, in: ÖMZ, Jg. 2, 3/1964, Wien 1964, S. 209-210. Erst im Zuge des Zypernkonflikts hat Griechenland den Großteil der Personalstände seiner Verbände auf vollen Stand gebracht. Stand griechische Armee vor dem Zypernkonflikt, für die 1963 18,2% vom Budget/3,59% des Bruttonationaleinkommens verwendet wurde: Landstreitkräfte 115.000, Luftstreitkräfte 22.700, Marine 18.000 vgl. EP, Allgemeine Rundschau – Griechenland, in: ÖMZ, Jg. 1, 6/1963, Wien 1963, S. 369. Eine Steigerung der Militärausgaben für Griechenland und die Türkei zeigen die Zahlen des Jahres 1969: Wehrausgaben Griechenland 418 Millionen Dollar (5,1% BNP), Türkei 631 Millionen Dollar (4,6% BNP) vgl. o. V. (SIPRI-Yearbook of WorldArmaments and Disarmament, 1969/70), Allgemeine Rundschau – Wehraus- gaben der Welt, in: ÖMZ, Jg. 9, 2/1971, Wien 1971, S. 110. Veränderungen der Truppenzahl GRE bis 1971: Landstreitkräfte 118.000, Luftstreitkräfte 23.000, Marine 18.000 vgl. H/F, Allgemeine Rundschau – Südosteuropa, Zur Allgemeinen Lage, in: ÖMZ, Jg. 9, 5/1971, Wien 1971, S. 322. 43

Die so genannte „Kophinou-Krise“ und die in Athen durch einen Militärputsch an die Macht gelangte Junta bestimmten weiters die Ereignisse der Zypernkrise im Jahr 1967. Das Massaker vom 15. November 1967 an der zyperntürkischen Bevölkerung des Dorfes Kophinou veranlass- te Ankara einmal mehr den Druck auf Makarios und auch Griechenland zu erhöhen. Sollten die gestellten Forderungen zum Schutze der Zyperntürken nicht erfüllt werden, wäre wie im Jahr 1964 eine türkische Intervention auch 1967 möglich gewesen. Doch Griechenland erfüllte nach intensiven Gesprächen mit den USA, dem UNO-Generalsekretär und dem NATO- Generalsekretär die aufgetragenen Punkte. Das griechische Truppenkontingent auf Zypern wur- de verkleinert, Reparationszahlungen wurden geleistet und General Grivas musste die Insel verlassen.186 Die am 21. April 1967 an die Macht gekommene Junta in Athen kann als militaristisch, nationalistisch, panhellenisch und antikommunistisch bezeichnet werden und hatte radikale Enosis-Befürworter in ihren Reihen.187 Griechischen Quellen zufolge vertrat das Regime den Standpunkt, der Beitrag Griechenlands zur Verteidigung des Westens wäre größer als so man- che vom „Kommunismus infiltrierte“ Demokratie Westeuropas. Als Antwort auf die internatio- nale Kritik, dass die Zugehörigkeit zur NATO ein klares Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie mit Anerkennung der damit verbundenen Prinzipien einer freien Gesellschaft be- dingt, verwies die Militärregierung in Athen auf die Zugehörigkeit des ebenfalls autoritären Allianz-Mitgliedes Portugal.188 Makarios pflegte immer freundschaftliche Beziehungen zu Athen vor dem Putsch, doch die Junta stellte nun konkrete Forderungen, wie die Enosis auszu- sehen habe. In Athen verstand man unter „Enosis“ eine totale Fügung Zyperns im Sinne der Megali Idea. Doch Makarios sah sich nicht bereit, seine Präsidentschaft aufzugeben, und näher- te sich in dieser Zeit des Disputes wieder mehr den Zyperntürken und vor allem der UdSSR.

186 vgl. BILGE, Suat, The Cyprus Conflict and Turkey, in: KARPAT, Kemal H., Turkey´s foreign policy in transi- tion, Leiden 1975, S. 174f. vgl. KARPAT, Kemal H., War on Cyprus, The tragedy of Enosis, in: KARPAT, Kemal H., Turkey´s foreign policy in transition, Leiden 1975, S. 174, 188f. vgl. BAYÜLKEN, H., The Cyprus question and the United Nations, in: Foreign Policy, a quarterly review, Vol 4, Ankara 1975, S. 116. zitiert nach: Nowacki, Zypernkrieg, S. 175, Fußnote 63. Die zunehmende Ausgrenzung und Bedrohung der Zyperntürken führte im Dezember 1967 zur Bildung eines „provisorischen türkisch-zyprischen Verwaltungsrates“. Dieser provisorische Rat stellt somit die Urform der 1983 gegründeten TRNZ dar, mit welcher die institutionelle Teilung Zyperns vollendet wurde. vgl. FRANZ, E., Der Zypernkonflikt, Chronologie-Pressedokumente-Bibliographie, Aktueller Informationsdienst Moderner Orient, Sondernummer, Deutsches Orient-Institut, Hamburg 1976, S. 21. zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S. 149, Fußnote 371. vgl. BLITTERSDORF, W.Frhr von, Pluralismus der Bevölkerungsgruppen in der Verfassungsstruktur Südafrikas und Zyperns, Institut für Auswärtige Politik, Hamburg 1972, S. 49. zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S. 149, Fußnote 372. 187 vgl. PILLER, Zypern, S. 55. vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 213. 188 vgl. R., Allgemeine Rundschau – Griechenland, Verhältnis zur NATO, in: ÖMZ, Jg. 7, 5/1969, Wien 1969, S. 412. 44 6. DIE UNITED NATIONS PEACEKEEPING FORCE IN CYPRUS

(UNFICYP) 1964-1974

Zwar verlor Makarios durch seine Weigerung der uneingeschränkten Kooperation die Unter- stützung der Militärjunta in Athen und entfernte sich von einer bedingungslosen Enosis189, doch schwebte dieses Damoklesschwert weiter über Zypern, da die festlandsgriechische Regierung ihren panhellenischen Kurs ab 1967 verstärkt fortsetzte. Trotz der Sicherheitsmaßnahmen zur Wahrung der Verfassung im Zuge der Unabhän- gigkeit von Großbritannien im Jahr 1960, die neben der Stationierung festlandsgriechischer- und türkischer Truppen (jeweils Bataillons-Stärke) exterritoriale britische Militärbasen umfass- te (Sovereign Base Areas, SBA im Raum Akkrotiri und Famagusta), konnte der Konflikt zwi- schen den beiden zyprischen Volksgruppen nicht entschärft werden. Der 1963 unter der Schirmherrschaft Makarios‘ II. verabschiedete Akritas-Plan, der in 13 Punkten die Verfassung zu Gunsten der griechisch-zypriotischen Mehrheitsbevölkerung umgestalten sollte, führte un- weigerlich in die Zypernkrise von 1963/64-1974.190 Die bewaffneten Auseinandersetzungen terroristischer Vereinigungen wie der EOKA und der T.M.T. zu Weihnachten 1963 in einem gemischt besiedelten Vorort von Nikosia entwi- ckelten sich zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen, die von den Einheiten der britischen Militär- stützpunkte nicht verhindert werden konnten. An der Wahrung der Verfassung von 1960 waren allein die Vertreter der zyperntürki- schen Minderheit interessiert, garantierte sie doch ein proportionales Mitsprache- und Mitent- scheidungsrecht in der Verwaltung Zyperns, insbesondere für ihre Kommunen, die vor den mit Waffengewalt erzwungene Umsiedelungsmaßnahmen von 1963-1964 über die gesamte Insel verstreut lagen.191 Die Nato bemühte sich um Verständigung zwischen den beiden Volksgruppen, und die USA schlugen sogar eine deutsche Besatzungstruppe auf der Insel vor, als schlussendlich Ma- karios selbst sich an die Vereinten Nationen wandte und um eine Entsendung von UNO- Truppen bat.192 Am 4. März 1964 wurde vom Sicherheitsrat die Resolution 186 (1964) verab- schiedet, und so die United Nations Force in Cyprus (UNFICYP) als ordnende Friedensstreit- macht im Zypernkonflikt ins Leben gerufen. Das UN-Mandat sollte bis zur Lösung des Konf-

189 vgl. KADRITZKE, N., Der fingierte Bürgerkrieg, , Cyprus im Schnittpunkt fremder Interessen, in: Friedensana- lysen, Für Theorie und Praxis, Vierteljahresschrift für Erziehung, Politik und Wissenschaft, Frankfurt 1978, S. 45f. vgl. VANEZIS, P.N., Cyprus the unfinished agony, London 1977, S. 49f. vgl. XYDIS, A., Cyprus, What kind of problem, in: Cyprus Reviewed, Nicosia 1977, S. 27. alle zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S. 213, Fußnote 171. 190 vgl. WOLFE, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 71. 191 siehe Abb. 29, Karte „Die ethnische Trennung Zyperns 1960, 1970, 1974“ im Anhang. siehe Abb. 30, Skizze „Die zyperntürkischen Enklaven 1963-1974“ im Anhang. 192 vgl. WIMMER, Karl, Die österreichischen UNO-Kontingente, in: ÖMZ, Jg. 3, 5/1965, Wien 1965, S. 394. 45 liktes regelmäßig alle 3-6 Monate erneuert werden, wodurch sich ein für die Führung der Ein- satzkräfte kurzer Planungsrythmus ergab.193 Im Rahmen des Friedenseinsatzes stellte auch das österreichische Bundesheer ein Truppenkontingent (AUSCON), welches mit der Aufgabe des Sanitätsdienstes für die UN-Truppen beauftragt wurde. An der Spitze der ursprünglich 7.000 vorgesehenen UN-Truppen stand 1964 der britische Brigadier Wilson, der sein Kommando noch im selben Jahr an den indischen General Thimayya übergab, welcher auf internationaler Ebene vom UNO-Diplomat Galo Plaza unterstützt wurde.194 Unter der Führung des indischen Force Kommandanten Prem Chand und dem UNO-Diplomaten für Zypern, dem Mexikaner Osorio-Tafall, der als Sonderbeauftragter des UNO-Generalsekretärs fungierte, zeigt eine Trup- penaufstellung nach Nationalitäten der in Zonen und Distrikte195 unterteilten Insel für den 1. Juni 1970 folgende Mannstärke: Abb. 6, Tabelle „Mannstärke UNFICYP 1970“ 196

Militär UNCIVPOL (gesamt 2.969) (gesamt 175) Großbritannien 1052 Kanada 577 Irland 422 Dänemark 292 40 Schweden 289 40 Finnland 283 Österreich 54 45 Australien 50

Als grundlegenden Prinzipien für die Tätigkeit von UNFICYP galten:197

 Lösung anfallender Problemsituationen durch Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien  UNFICYP lediglich beratende/vermittelnde Rolle, keine Weisungsbefugnis/Befehlserteilung  Waffengebrauch nur zur Selbstverteidigung oder auf besonderen Befehl des Oberkommandos  Unparteilichkeit der Friedenstruppe gegenüber beiden Volksgruppen  Anerkennung der griechisch-zypriotischen Regierung als gesetzmäßige Regierung der Insel198  Neutralität von UNFICYP in den Verhandlungen zur politischen Lösung des Konflikts.

193 vgl. PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 300. 194 vgl. CLAUSEN, Christian, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 443. Liste der UNFICYP Oberbefehlshaber 1964 – 1976: Gyani (Indien) Mär. 64 – Jun. 64 Thimayya (Indien) Jun. 64 – Dez. 65 Wilson (Großbritannien) Dez. 65 – Mai 66 Martola (Finnland) Mai 66 – Dez. 69 Chand (Indien) Dez. 69 – Dez. 76 vgl. Internetseite UNFICYP: http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=1448&tt=graphic&lang=l1, abgerufen 19/04/11. 195 Zur Betrachtung der zugewiesenen Sektoren der Truppenkontingente für 1964 siehe Abb. 32 im Anhang. 196 vgl. CLAUSEN, Christian, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 443. 197 vgl. CLAUSEN, Christian, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 443. 198 vgl. Fußnote 175. 46 In den Prinzipien zur UNFICYP-Mission auf Zypern ließ sich schon im Vorhinein das allge- meine Dilemma von UNO-Missionen erkennen. So war es den UNO-Truppen untersagt, direkt in Kampfhandlungen einzugreifen, sodass der Einsatz von Waffen lediglich zur Selbstverteidi- gung erlaubt wurde und damit in der Folgezeit der Ereignisse von 1964-1974 oftmals zur Untä- tigkeit verdammt waren. Daher war die zyperntürkische Bevölkerung weiterhin zyperngriechi- schen Repressionen ausgesetzt, durch die viele aus ihrer angestammten Heimat vertrieben wur- den. Die Statuten der UNFICYP-Mission waren ein weiterer Grund zur türkischen Intervention von 1974, um den anhaltenden Übergriffen auf die türkische Volksgruppe einen Riegel vorzu- schieben. Innerhalb der Kontingentsbereiche waren die Kommandanten der UNO-Bataillone für alle UNO-Maßnahmen voll verantwortlich und unterstanden nur dem UNIFYP-Hauptquartier. Im Hauptquartier waren Führung, Versorgung, zivile Verwaltung und die politisch- diplomatischen Dienste zusammengefasst. Wöchentliche Kommandantenbesprechungen und täglichen Stabsbesprechungen unterstützten die Kommunikation zwischen den Kontingenten.199 Die zivilen Teile des Kommandos wurden vor allem für die Verwaltungstätigkeit der UNFICYP verwendet. Das Finanz- und Rechnungswesen nahmen alle finanziellen, buchhalteri- schen und verwaltungstechnischen Aufgaben wahr, zu denen etwa Schadenersatzzahlungen, Zahlungen an Leihgeber von Ausrüstung oder die Abrechnungen mit anderen Behörden gehör- ten. Zudem wurde die UNIFCYP-Verwaltung, die aus Mitgliedern des UNO- Generalsekretariats und dem UN-Field Service200 bestand, mit den funktechnischen und postali- schen Diensten zur Nachrichtenübermittlung für militärische und zivilpolizeiliche Institutionen betraut.201 Die Operationsabteilung hatte Unterabteilungen für die eigentlichen Operationsangele- genheiten. Der als „Information“ bezeichnete Nachrichtendienst, Unterstützung in der Vermitt- lung zwischen den Volksgruppen in volkswirtschaftlichen Belangen202 („Operations Econo- mics“) sowie Fernmeldeangelegenheiten fielen in diesen Bereich. Die Personalabteilung bear- beitete neben dem Personalwesen auch die Fachgebiete des Sanitätswesens und stellte die Ord- nungsdienst-Militärpolizei. Die Versorgungsabteilung bestand aus einem allgemeinen Versor- gungsstab, stellte Verbindungen zu Behörden von Leihgebern für Ausrüstung und Gerät (UNO, britische Behörden, nationale Regierungen, zypriotische Behörden) her und verfügte über Fach- stäbe zur Erhaltung und Wartung der militärischen Ressourcen. Die zivile UNO-Polizei

199 vgl. CLAUSEN, Christian, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 443. 200 Heute: Department for Field Support (DFS) 201 vgl. CLAUSEN, Christian, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 444. 202 Betrifft die Koordination aller wirtschaftlichen, landwirtschaftlichen und sonstigen Maßnahmen, welche zur Verbesserung oder Wiederherstellung der Infrastruktur des Wirkungsbereiches dienen, beide Volksgruppen betref- fen und nicht in direkter Zusammenarbeit aller Beteiligten zur Durchführung gelangen können. vgl. CLAUSEN, Christian, Das österreichische UNO-Bataillon, in: ÖMZ, Jg. 10, 5/1972, Wien 1972, S. 321. 47 UNCIVPOL setzte sich aus zivilen Polizeibeamten zusammen und nahm alle polizeilichen Aufgaben wahr, die aufgrund der geteilten lokalen Polizei nicht von zypriotischen Behörden bewältigt werden konnten.203

Abb. 7, Organigramm „Kommandobaum UNFICYP Juni 1970“ (in Klammer Kontingentsangehörigkeit)204

Kommando UNFICYP

Befehlshaber Sonderbeauftrage d. UNO- Generalsekretärs

Chef d. Stabes Politischer u. Rechtsberater Verwaltungsdirektor Polizeiberater (UK/CAN)

Operationsabteilung (DÄN) Allgemeine Dienste UNO-Zivilpolizei/ UNCIVPOL

Operation Finanzwesen u. Rechnungswesen

Information

Volkswirtschaft

Fernmeldeangelegenheiten

Personalabteilung (FIN)

Personal (FIN)

Sanitätswesen (UK)

Ordnungsdienststelle (CAN)

Versorgungsabteilung (UK)

Versorgungsstab

Fachstab

Versorgungstrupp

Presse (UK)

Finanziert wurde die gesamte UNFICYP Mission durch Beiträge von 52 UNO- Mitgliedsstaaten, darunter auch Griechenland und die Türkei, sowie einem gewissen Anteil, der von der zypriotischen Regierung gestellt wurde. Jedoch war nach § 6 der Resolution des Sicherheitsrates Nr. 186 (1964) der Generalsekretär nicht berechtigt, die Kosten für den Einsatz aus den Pflichtbeiträgen der Mitgliedsstaaten zu decken und war somit auf freiwillige Beiträge angewiesen.205 Aus diesen freiwilligen Beiträgen wurde ein Sonderfonds eingerichtet, von dem

203 vgl. CLAUSEN, Christian, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 444. 204 vgl. CLAUSEN, Christian, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 445. Für eine detailliertere Aufstellung: vgl. CLAUSEN, Christian, Das österreichische UNO-Bataillon, in: ÖMZ, Jg. 10, 5/1972, Wien 1972, S. 314. 205 Grundsätzlich beschließt die UN-Generalversammlung das Budget der UN und ihrer Sonderaktivitäten. Bei UNEF 1 (Ägypten/Gaza, seit 22. Dezember 1956) und ONUC (Kongo, seit 14. Juli 1960) war umstritten, ob es sich bei den Kosten dieser Operationen um reguläre Ausgaben der UN handle. Ein im Fall von ONOC eingeholtes Gutachten des Internationalen Gerichtshofes vom 20. Juli 1962 hielt fest, dass die Kosten für UNOC reguläre Aus- gaben der UNO nach Art. 17 (2) der Satzung darstellen. Dies wurde von den kommunistischen Staaten jedoch nicht akzeptiert und führte 1964 zu der unbefriedigenden Lösung, dass die UN-Operation auf Zypern durch die Truppensteller sowie durch freiwillige Beiträge finanziert werden musste. 48 von Zeit zu Zeit den kontingentstellenden Staaten Refundierungsbeträge überwiesen wurden.206 Christian Clausen beziffert in seinem Aufsatz „Das österreichische UNO-Bataillon“ (ÖMZ 5/1972, S. 315) die Kosten für die UNO pro Mann und Monat mit 300 bis 315 US-Dollar.207 Die Hauptlast der Kosten trug Großbritannien, das dadurch jedoch auch eine dominierende Sonderrolle einnahm.208 So wurde die zu Ausbildungszwecken benötigten Ressourcen wie Sprengmittel und Übungsmunition im Bereich des britischen Kommandos gelagert. Vielfach war es der Fall, dass das UNO-Kommando aus britischen Quellen Militärgerät und Ausstat- tungsgüter anmietete. Auch benötigte Schieß- und Übungsplätze standen unter britischer Ver- waltung und wurden zum Zweck der Ausbildung von UNO-Truppen verwendet. Die Verpfle- gung wurde jedem Kontingent direkt vom Kommando des UNFICYP zugeteilt und ebenfalls aus dem Verpflegungslager der britischen Truppen entnommen. Untergebracht wurden die UNO-Kontingente in provisorisch gemieteten Zivilhäusern oder in Zeltlagern. Die Kosten für die Unterbringung der UNO-Truppen wurden bis 1972 der zypriotischen Regierung übertragen, die jedoch nur in beschränktem Ausmaß Budgetmittel hierfür vorsah, sodass die Errichtung langlebiger Truppenlager nicht möglich gemacht wurde.209 Da es sich um eine UNO-Mission handelte, hatte der Einfluss des UNO-Verwaltungsbüros eine große Bedeutung, dessen Büro- kratie sich auch im militärischen Bereich bemerkbar machte.210 Zwar wird in dem Bericht „Die UNO-Friedensmission in Zypern“ (ÖMZ 6/1970, S. 446) geschildert, dass aufgrund der ver- schiedenen Nationalitäten und Sprachen vor allem Übersetzungen von Inventarlisten oder Nie- derschriften manchmal problematisch verliefen211, jedoch Meinungsdifferenzen zwischen den Verbänden oder dem Hauptquartier größtenteils ausblieben, was von einem geschlossenen Auf- tritt der Kontingente auf Zypern zeugte. Ein weiterer Effekt wurde durch den Einsatz von Sol- daten unterschiedlicher Nationalität erzielt. Ein potentieller Aggressor stand im Falle einer kri- senhaften Entwicklung vor der äußerst schwierigen Entscheidung, Maßnahmen gegen Soldaten aus sechs Nationen zu ergreifen und im schlimmsten Fall gegen diese den Kampf zu eröffnen,

vgl. AGSTNER, Rudolf, Friedenserhaltende Operationen der Vereinten Nationen – Die Rechtsgrundlagen der Beteiligung Österreichs, in: ÖMZ, Jg. 27, 4/1989, Wien 1989, S. 287. 206 vgl. CLAUSEN, Christian, Das österreichische UNO-Bataillon, in: ÖMZ, Jg. 10, 5/1972, Wien 1972, S. 319. 207 Dieser Durchschnittswert, der 1975 für den Zyperneinsatz berechnet wurde, belief sich 1995 für jeden UNO- Einsatz auf 2.297 US-Dollar, wobei durch die im Zuge von UNEF II 1973 eingeführte obligatorische Kostenum- legung auf alle UNO-Mitgliedstaaten der „billigste“ Truppensteller 280 US-Dollar zahlen musste, der „teuerste“ hingegen über 4.400 US-Dollar. Dies führte nicht nur zu höheren Kosten für größere Truppensteller und damit zu Unzufriedenheit der betroffenen Staaten, sondern auch zu verspäteten Zahlungen der UNO an die Mitgliedsstaaten (im Oktober 1993 schuldete die UNO ihren Mitgliedsstaaten den vertraglich vereinbarten jährlichen Wertminde- rungskostenersatz (10%) für eingesetztes Gerät in der Höhe von 605 Millionen US-Dollar). vgl. HAZDRA, Peter, Militärische Einsätze im Rahmen der Vereinten Nationen, in: ÖMZ, Jg. 33, 4/1995, Wien 1995, S. 375. 208 vgl. CLAUSEN, Christian, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 446. 209 vgl. CLAUSEN, Christian, Das österreichische UNO-Bataillon, in: ÖMZ, Jg. 10, 5/1972, Wien 1972, S. 316, 318. 210 vgl. CLAUSEN, Christian, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 447. 211 Zum Beispiel von Finnisch auf Englisch. 49 was unweigerlich Konsequenzen von allen an UNFICYP beteiligten Nationen mit sich führen würde.212 Das Kommando UNFICYP hatte für den Kontingentskommandanten, den Stabsoffizier für wirtschaftliche Koordination sowie für die Offiziere im Hauptquartier eine einjährige Dienstzeit vorgeschlagen, während für andere Angehörige der Kontingente eine halbjährliche Dienstzeit vorgesehen war. Die Offiziere des Stabes versahen ihren Dienst auf Zypern zeitlich begrenzt auf freiwilliger Basis (Finnland, Österreich, Schweden, Dänemark) oder auf Befehl (Großbritannien, Kanada, Irland), wobei im Rahmen des UNO-Einsatzes fallweise Dienstgrade um ein oder zwei Stufen erhöht wurden. Ebenso bestand im Rahmen des UNFICYP die Mög- lichkeit, bereits sich im Ruhestand befindliche Offiziere (Schweden) für eine mehrjährige Dienstleistung mit einem höheren Rang zu reaktivieren. Somit konnte nicht von einem einheit- lichen Typ der UNFICYP-Offiziere gesprochen werden, da oft Unterschiede in Laufbahn, Alter und Herkunft bestanden. Hauptgesichtspunkte bei der Auswahl des österreichischen Kontin- gentspersonals (hier exemplarisch angeführt) lagen beim aktiven Kaderpersonal:213

 Freiwilligkeit  Abkömmlichkeit von beheimateter Einheit  Spezifische Eignung und bisheriger Verwendungserfolg  Sprachkenntnisse und Auslandserfahrung. bei Reservisten:

 Freiwilligkeit  Abkömmlichkeit aus dem Zivilberuf  Spezifische Eignung aufgrund bisheriger Ausbildung oder beruflicher Tätigkeit  Sprachkenntnisse und Auslandserfahrung  Teilnahme an freiwilligen Waffenübungen und Instruktionen.

Zur Charakterisierung des Einsatzes zwischen 1964 und 1974 lässt sich festhalten, dass durch die besondere Konstellation der Konfliktparteien und der in Not geratenen Zivilisten keine tak- tische Norm vorherrschte, wie die Truppenkontingente vorzugehen hatten. Jedes Kontingent musste in seinem zugewiesenen Bereich sich auf Geländeformen, Besiedelungsform und - dichte sowie auf lokal unterschiedliche Streitfragen der Konfliktparteien einstellen, und in ge- eignetster Form begegnen. Besonders in urbanen Gebieten fiel es UNO-Einsatzgruppen schwer, sich Bewegungsraum zwischen den nah beieinanderliegenden Konfliktparteien zu schaffen. Oft genauso unübersichtlich gestalteten sich Einsätze im ländlichen Raum, bei denen umstrittene Flurgrenzen unsichtbarer verliefen, als die seit 1963 bestehende „Green Line“ durch das Gebiet in und um der Hauptstadt Nikosia. Die eng verlaufenden Basargassen in der Altstadt von Niko- sia, bei denen die eine Seite von griechischen, die andere Seite von türkischen Händlern genutzt

212vgl. PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zy- pern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 301. 213 vgl. CLAUSEN, Christian, Das österreichische UNO-Bataillon, in: ÖMZ, Jg. 10, 5/1972, Wien 1972, S. 312. 50 wird, und in denen UNO-Trupps einzeln oder zu zweit in der Mitte der Gasse patrouillieren, sollen die vielfältig möglichen Einsatzsituationen im Rahmen der UNFICYP-Friedensmission verdeutlichen. Zumeist koordinierten stationäre Truppenquartiere die Wege der Patrouillen, bei denen UNO-Wachsoldaten bei Streitigkeiten auf der Straße oft durch körperliches Dazwischengehen deeskalierend ihre Wirkung erzielten. Vereinzelten Gewaltandrohungen, vor allem bei winterlichen214 Ausbesserungsarbeiten der Sandsackbarrieren auf beiden Seiten, die regelmäßig Proteste auf der Gegenseite provozierten, wurden durch die Intervention von UNFICYP-Zügen oder -Kompanien durch ihre Präsenz begegnet. Durch die Möglichkeit für beide Konfliktparteien, diplomatischen Protest gegen umstrittene Bautätigkeit oder gegen ge- waltsame Übergriffe der Gegenseite einbringen zu können, kam es auf die sachliche Berichter- stattung des UNO-Abschnittskommandanten („Situationsreport“) an, wie in Verhandlungen bei lokalen Konfliktfragen vorzugehen sei. Bei Feuergefechten wurde seitens des UNFICYP- Kommandos versucht, die Feuereinstellung zu erreichen und die Ursachen für den Feuerwech- sel zu ergründen und wenn möglich zu entschärfen. Zur Aufklärung solcher Vorfälle diente die unparteiische Berichterstattung der verstreut liegenden Beobachtungsposten, die auf Dächern oder Übersichtspunkten eingerichtet waren.215 Die Gebiete mit den meisten Unruhen und den schwersten Zwischenfällen waren der Norden und der Nordwesten der Insel, geografisch durch die Ausläufer des Troodos-Gebirges und der Kyrenia-Berge gekennzeichnet, in denen drei größere türkische Enklaven (die größte zwischen Nikosia und Kyrenia) bestanden. Hier lagen die UNO-Beobachtungsposten in einer Art Niemandsland zwischen den mehreren hundert Metern auseinanderliegenden Stellungen der Konfliktparteien: der griechisch-zypriotischen Nationalgarde auf der einen, die der türkischen Kämpfer auf der anderen Seite. In den meist offenen Landstrichen konnte zur Trennung der Konfliktparteien nicht mehr auf die Taktik des Einschubes von mehr Infanterietruppen wie in Städten zurückgegriffen werden, zur Lösung von Konflikten musste vor allem der diplomati- sche Weg von Verhandlungen gesucht werden. Koordinierte Angriffe von Kombattanten waren die Ausnahme; meist handelte es sich beim Einsatz von Waffen um das bloße Beschießen der gegnerischen Stellungen, sodass eine akute Bedrohung des Ausbruches von offenen Kampf- handlungen zur Zeit des Jahres 1970 nicht vorhanden war.216 Der Zeitraum von UNFICYP-Einsätzen war in der Regel von einer Dauer von zwei bis drei Wochen gekennzeichnet. Anschließend wurde der Einsatztrupp wieder ins Kontingentlager zurückgebracht. Der Einsatz von vielen kleineren Trupps erschwerte naturgemäß die Bildung von lokalen Schwerpunkten, doch lag die Hauptaufgabe der UNFICYP-Truppen nicht in der

214 Der Regen im Winter trägt zur Erosion der aus Sand und im schlechteren Fall aus Naturfasern bestehenden Sandsackbarrieren maßgeblich bei. 215 vgl. CLAUSEN, Christian, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 447. 216 vgl. CLAUSEN, Christian, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 448. 51 Unterdrückung von größeren Gefechten, sondern in der Verhinderung oder Beruhigung bei kleineren Zwischenfällen, die ohne Präsenz der Kontingente sich zu größeren Auseinanderset- zungen entwickeln hätten können.217 Zur Verdeutlichung der Zusammenarbeit der UNFICYP-Kontingente kann das Beispiel der halbjährlichen Ablösung des nationaltürkischen Bataillons über zyperngriechisches Gebiet genannt werden. Da der türkischen Volksgruppe kein Hafen zur Verlegung von Truppen zur Verfügung stand, oblag es UNFICYP, die Sicherung gegen Zwischenfälle bei dieser Ablöse zu übernehmen. Dabei führte der leitende Versorgungsoffizier der UNFICYP das Kommando, das britische Aufklärungsschwadron war für den Geleitschutz verantwortlich, die UNO- Transportkompanie stellte den notwendigen Frachtraum für die Fahrt von Nikosia nach Fama- gusta, die österreichische Polizei erledigte die Passabfertigung, das finnische Bataillon führte die örtliche Sicherung und Versorgung in der türkischen Garnison durch, und die Schweden wurden im Ein- und Ausladehafen eingesetzt.218 Im Jahr 1972 (Stand Juli) wurde der Anteil des österreichischen UNO-Kontingents durch die erstmalige Entsendung von Kampftruppenkontingente erhöht, obwohl durch die zeit- gleich erfolgende Verkleinerung des irischen UNO-Kontingents die Gesamttruppenstärke der UNFICYP im Vergleich zu 1970 (siehe Abb. 6, S. 46) leicht sank:

Abb. 8, Tabelle „Truppenstärke UNFICYP 1972“219

Militär Polizei (ges. 2.985) (ges. 169)

Großbritannien 1.049 Kanada 582 Österreich 345 50 Dänemark 296 41 Finnland 288

Schweden 286 40 Irland 139 Australien 38 Die UNO-Resolution 340 vom 25. Oktober 1973 verlangte die Entsendung von UNFICYP- Truppen nach Ägypten, um im wiederauflammenden Nahost-Konflikt die UNEF Einsatzgrup- pen zu unterstützen. Nach Abschluss der Operation „Dove“ erfolgte eine Neuordnung der terri- torialen Verwaltungsbereiche, unter der auch die Umwandlung des österreichischen Feldlaza- rettes in eine ortsfeste Krankenabteilung im nun britisch kontrollierten Sektor von Paphos ver- anlasst wurde.220

217 Ein Beispiel eines deeskalierenden Einsatzes von UNFICYP-Truppen siehe ÖMZ 6/1970, S. 448. 218vgl. CLAUSEN, Christian, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 448. 219 vgl. CLAUSEN, Christian, Das österreichische UNO-Bataillon, in: ÖMZ, Jg. 10, 5/1972, Wien 1972, S. 320. 220 Auf Befehl des UNIFCYP-Oberbefehlshabers Chand übernahmen die Kanadier den schwedischen Distrikt Famagusta, dänische und kanadische Truppen den finnischen Distrikt Kyrenia und eben Teile des britischen Ba- 52 Einschätzungen hinsichtlich der momentanen Gefahrenlage auf Zypern sprachen zu diesem Zeitpunkt noch von einer ruhigen und kontrollierten Situation. Das UNO-Kommando widmete sich intensiv Plänen zur weiteren Dekonfrontation, in dessen Verlauf die Aktivität und Stärke der UN-Bataillone schrittweise auf ein Minimum beschränkt werden sollte.221

7. ZYPERN SEIT 1974

Die physische Präsenz der türkischen Armee nach der Intervention vom 20. Juli 1974 teilte die Insel endgültig. Spätestens seit 1978 erinnert die Grenze zwischen dem zyperntürkischen Nor- den und dem zyperngriechischen Süden an andere geteilte Staaten wie etwa Deutschland bis zum Fall der Berliner Mauer oder die noch heute bestehende Grenze zwischen Nord- und Süd- korea. Einem durchlaufenden Grabensystem der türkischen Armee, in dem in regelmäßigen Abständen Beobachtungs-, Gruppen- und Zugunterständen angelegt sind, stehen, durch zahlrei- che Minenfelder voneinander getrennt, auf griechischer Seite tief gestaffelte, oft mit Betonbun- kern befestigte, Stellungen gegenüber.222 Auf die Frage, welches Moment des Zypernkonfliktes der ausschlaggebende war, dass es zu den blutigen Jahren von 1963 bis 1974 kam, kann nur geantwortet werden, dass für Maka- rios augenscheinlich kein Zwang zum Konsens mit der zyperntürkischen Minderheit und deren Vertretern vorhanden war. So druckte schon Ende 1959 die sowjetische Prawda: „Die Sowjet- regierung stellt sich auf die Seite der Regierung Zyperns“.223 So war es auch die Sowjetunion, die in Zypern ein „zweites Kuba“ zu sehen begann und die zypriotische Regierung, aus der die Zyperntürken mittlerweile widerrechtlich ausgeschlossen waren, 1964 mit Torpedobooten be- lieferte.224 Die UdSSR hatte seit Beginn der Spannungen zwischen Griechenland und der Tür-

taillons den zuvor von den Österreichern überwachten Distrikt Paphos. Durch die Entscheidung vom 28. Oktober 1973, zusätzlich das irische UNO-Kontingent von Zypern abzuziehen, wurde auch der Distrikt Larnaka von briti- schen Truppen übernommen, jedoch am 3. Dezember 1973 an das 200 Mann starke österreichische UN-Bataillon übergeben. Einige Militäraufgaben, wie etwa die tägliche Eskortierung griechisch-zypriotischer Kfz-Konvois durch die türkische Enklave nördlich von Nikosia, wurden von der UN-Zivilpolizei übernommen. Sowohl die griechisch-zypriotische als auch die türkisch-zypriotische Führung erklärten sich im Vorfeld bereit, ihre Aktivitä- ten entsprechend einzuschränken, um einem reibungslosen Ablauf der Operation zu ermöglichen. Am 31. Oktober war die Operation „Dove“ abgeschlossen und insgesamt 730 Soldaten, 60 Fahrzeuge und 214 Tonnen Versor- gungsgüter von Zypern Richtung Ägypten abgezogen. vgl. CLAUSEN, Christian, Operation Dove – Die Verlegung von UN-Truppen von Zypern nach Ägypten, in: ÖMZ, Jg. 13, 2/1975, Wien 1975, S. 102-109. und vgl. Zur Neugliederung der Kontingentsbereiche auf Zypern siehe Abb. 33 im Anhang. 221 vgl. CLAUSEN, Operation Dove, ÖMZ, 2/75, S. 102, 103. 222 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 202. 223 vgl. BARSEGOV, J.G., Die Zypernfrage und das Völkerrecht (russ.), in: Sowjetisches Jahrbuch des Völker- rechts 1958, Moskau 1959, S. 422ff. zitiert nach: ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 75, Fußnote 3. 224 Am 15. Oktober 1964 berichtete die griechisch-zypriotische Abendzeitung „Teleftea“, dass die ersten sowjeti- schen Torpedoboote von ihren in Ägypten ausgebildeten zypriotischen Mannschaften übernommen wurden. vgl. REUTER, Allgemeine Rundschau – Zypern, Sowjetische Torpedoboote für Zypern, in: ÖMZ, Jg. 2, 6/1964, Wien 1964, S. 429. 53 kei im Zuge der Zypernfrage versucht, die kommunistischen Kräfte in beiden Lagern zu stär- ken. Viele der in den 1960er Jahren dienenden Soldaten der griechischen Armee hatten eine zweijährige Dienstlaufzeit mit geringem Sold und sympathisierten mit den politisch Linken.225 Die zyperngriechische Taktik, die türkische Bevölkerung in Enklaven zu isolieren und von der Versorgung abzuschneiden, wurde somit auch durch Marineeinheiten verfolgt, mit dem Ziel die gesamte Insel nach außen abriegeln zu können, um eine Fremdeinwirkung auch militä- risch zu verhindern. Die Türken flohen zum großen Teil in jene zwei Räume, in denen sie die Bevölkerungsmehrheit stellten. Diese waren nördlich von Nikosia, nach Süden hin durch die Green-Line abgeschnitten und die im Nordwesten befindliche Region um Kokkina/Erenköy. Durch die Abriegelung der zyperntürkischen Enklaven hatten diese keine Verbindungsmög- lichkeit zueinander.226 Von den Ausschreitungen des Jahreswechsels 1963/64 bis 1970 wurde seitens der UNFICYP-Führung die politische Lage als stabil gewertet, sah man von vereinzelten Vorfällen, die durchaus Todesopfer forderten, ab. Eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit zwischen den Volksgruppen wurde vor allem durch beiderseitige wirtschaftliche Notwendigkeiten gestärkt, auf einer Insel, die bei gegebener Infrastruktur gute Voraussetzungen als Tourismusinsel hätte und damit ein einigender und stabilisierender Wirtschaftszweig gegeben wäre. Das geteilte Schulwesen trug seine desintegrative Wirkung durch die voranschreitende Indoktrinierung der jüngeren durch die ältere Generation zum Konflikt bei.227 Trotz aller Vermittlungsversuche des UNFICYP standen sich die bewaffneten Organisationen der beiden Konfliktparteien sechs Jah- re nach Beginn der Friedensmission nach wie vor gefechtsbereit gegenüber. Das Personal dieser Organisationen fehlte jedoch im zivilen Wirtschaftsleben, dessen Wachstum durch diesen Um- 228 stand weiter gehemmt blieb. Für die internationale Politik war der Zypernkonflikt bis zur Eskalation des Jahres 1974 ein Drahtseilakt, bei dem zum einen die strategische Wichtigkeit der Türkei zum Schutze der Südostflanke Europas im Hintergrund des Ost-West Gegensatzes229 dem traditionell mit West- europa stark verbundenen Griechenland230 gegenüber gestellt wurde. Noch im Jahr vor der In-

225 vgl. WPI, Allgemeine Rundschau – Griechenland, Politik und Armee, in: ÖMZ, Jg. 3, 6/1965, Wien 1965, S. 486. 226 siehe Abb. 30, 34 u. 35 im Anhang. 227 Viele der zypriotischen Schüler wachsen in einer Umgebung ohne Kontakt zu gleichaltrigen der anderen Volk- gruppe auf, ein nicht unwesentlicher Umstand wie es der Präsident der türkisch-zypriotischen Volkskammer, An- fang 1970 in einem Interview verdeutlicht: „ Die Zyprioten meiner Generation kennen einander zumindest noch. Die nächste Generation wächst aber in verschiedenen Schulsystemen heran und hat auch gar keine Freunde auf der anderen Seite.“ vgl. CLAUSEN, Christian, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 449. 228 vgl. CLAUSEN, Christian, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 449. 229 Zur strategischen Bedeutung des östlichen Mittelmeerraumes nach dem 2. Weltkrieg: vgl. u.a. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 68, 69. 230 Grundlage hierfür ist der Philhellenismus des 19. Jahrhunderts, sowie die britischen und amerikanischen Be- strebungen zur Eindämmung des Kommunismus auf der Balkanhalbinsel. Der Stellenwert Griechenlands als Sym- 54 tervention erhielt die Türkei umfassende Militärhilfe durch Programme der NATO und der USA231, da das türkische Militärbudget des Jahres 1973 (500 Mio. US-Dollar; 5,4 Prozent d. BNP) nicht die Kosten für erforderlichen Neuanschaffungen und Ausrüstungsverbesserungen decken konnte, um gemäß der ihr zugeschriebenen Rolle als Wächter der Zugänge des östlichen Mittelmeeres und des Nahostbereiches fungieren zu können.232 Zwar wurden seitens der Türkei westliche Hilfen zur Modernisierung des Landes und der Streitkräfte seit dem Zweiten Welt- krieg angenommen, mit dem NATO-Ziel die UdSSR vom Mittelmeer abschneiden zu können, jedoch lassen sich Mitte der 1960er Jahre Tendenzen einer politisch-strategischen Richtungsän- derung in der Türkei erkennen. Die Kräfte der politischen Linken forderten ab Herbst 1969 ei- nen Austritt aus der NATO, was zu einer breiten Diskussion über das Verhältnis zum Nordat- lantikpakt im Land führte. Die Situation auf Zypern geriet zum primären Spannungsfeld der Beziehungen zwischen der Türkei und den USA, da die türkische Regierung unter dem volks- republikanischen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit auf die Schaffung eines zypriotischen Fö- derativstaates drängte, während Griechenland die Unabhängigkeit der Insel unter Kontrolle der griechisch-zyprischen Nationalregierung forderte, und sich in seiner Politik auf die Unterstüt- zung Amerikas verlassen konnte.233 Doch auch so wie in der Türkei war in Griechenland in den Jahren vor 1974 ebenfalls ein zunehmender Antiamerikanismus bemerkbar, der seine negativen Auswirkungen auf die übrigen NATO-Staaten auszuüben begann.234 Wie in der Türkei wurde in der Öffentlichkeit über eine mögliche Distanzierung gegenüber der Nordatlantischen Allianz diskutiert, obwohl das offizielle Griechenland, nach der Selbsternennung von Oberst Giorgios Papadopoulos zum Präsidenten 1973 durch Ministerpräsident Spyros Markezinis repräsentiert, nach wie vor an der Zusammenarbeit sowohl mit der NATO als auch mit der EWG festhielt. Hauptkonfliktpunkt der Militärregierung unter Papadopoulos mit den USA war die bisherig kostenlos gewährten amerikanischen Militärhilfen. Man wollte zu einer Finanzierung durch Kaufverträge übergehen, um dem angespannten Verhältnis zum amerikanischen Kongress, der auf eine Demokratisie- bol des bewaffneten Freiheitskampfes gegen jahrhundertelange Fremdherrschaft litt durch die Enosis bejahende Haltung der Athener Militärjunta in den 1960/70er Jahren. u.a. vgl. PILLER, Zypern, S. 14. 231 Die USA unterstützten Griechenland und die Türkei das erste Mal im Rahmen der Truman-Doktrin nach Ende des Zweiten Weltkrieges mit je 400 Millionen US-Dollar. vgl. BARNET, Richard , Intervention and Revolution, London 1972. zitiert nach: KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 79, Fußnote 156. 232 vgl. R., Allgemeine Rundschau – Türkei, Die Militärhilfe der Nato, in: ÖMZ, Jg. 11, 1/1973, Wien 1973, S. 58. Zusätzlich: Schon im Jahr 1972 lief ein neues Militärhilfsprogramm der NATO für die die Türkei an. Die USA beteiligten sich mit 115 Millionen Dollar, davon 60 Millionen für Militäranschaffungen und 55 Millionen Wirt- schaftshilfe. vgl. H., Allgemeine Rundschau – Türkei, Streitkräfte und Militärhilfe, In: ÖMZ, Jg. 13, 3/1975, Wien 1975, S. 265. 233 vgl. H. M., Allgemeine Rundschau – Türkei, Verteidigung und NATO, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1974, Wien 1974, S. 245. 234 H. M., Allgemeine Rundschau – Griechenland, Außenpolitik und Verteidigungsfragen, in: ÖMZ, Jg. 12, 4/1974, Wien 1974, S. 318. 55 rung des Militärregimes in Athen drängte, politisch den Boden entziehen zu können. Nach dem Studentenaufstand an der Technischen Universität in Athen im November 1973 leitete Dimit- rios Ioannidis einen Putsch gegen seinen ehemaligen Weggefährten Papadopoulos ein, setzte diesen ab und machte Phaidon Gizikis zum neuen Präsidenten Griechenlands.235 Dieser neuen griechischen Regierung wurden im April 1974 zwei amerikanische Jagdbomberstaffeln zur Stärkung der Luftverteidigung zugeführt. Weitere Waffenkäufe aus Frankreich wurden noch im Juni 1974 geplant.236 Zusätzlich belasteten die seit 1971 stattfindenden Versuchsbohrungen zur zukünftigen Erdölförderung in der Nähe der griechischen Insel Thassos in der Nordägäis das Verhältnis der beiden NATO Mitglieder weiter, da die Türkei mit dem Argument, dass die Insel zum anatoli- schen Festlandsockel gehöre237, ebenfalls Anspruch auf die Erdölvorkommen erhob. Als Reak- tion auf die griechischen Probebohrungen erhielt die staatliche türkische Erdölgesellschaft Ende 1973 die Genehmigung an 27 Stellen der Ägäis, darunter auch an Stellen nahe der griechischen Inseln Lesbos und Chios, ebenfalls Probebohrungen durchführen zu dürfen. Dies wurde wiede- rum von griechischer Seite als Provokation empfunden und bewirkte antitürkische Kampagnen in Athen. Der Streit um den Festlandsockel wurde von der Militärregierung zum Anlass ge- nommen, nationalgriechische Standpunkte in der Innen- ,aber auch Außenpolitik energischer voranzutreiben. Die Verletzung des griechischen Luftraumes durch türkische Jagdbomber im Zuge eines gemeinschaftlichen NATO-Manövers am 28. März 1974 führte zu Truppenbewe- gungen an der griechisch-türkischen Grenze. Des Weiteren wurde ein am Manöver teilnehmen- des griechisches Kriegsschiff abgezogen und Ende Mai Urlaubssperren für griechisches und türkisches Militärpersonal verhängt, nachdem türkische Marineeinheiten zum Zwecke einer Forschungsexpedition in die östliche Ägäis eingelaufen waren.238

235 vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 210, 211. 236 vgl. H. M., Allgemeine Rundschau – Griechenland, Außenpolitik und Verteidigungsfragen, in: ÖMZ, Jg. 12, 4/1974, Wien 1974, S. 318. 237 vgl. WA, Allgemeine Rundschau – NATO, Der Ägäiskonflikt, in: ÖMZ, Jg. 25, 4/1987, Wien 1987, S. 385. 238 vgl. H. M., Allgemeine Rundschau – Griechenland, Außenpolitik und Verteidigungsfragen, in: ÖMZ, Jg. 12, 4/1974, Wien 1974, S. 319. 56 7.1 DIE TÜRKISCHE INTERVENTION VON 1974 – HÖHEPUNKT DER ZYPERNKRISE

Für Athen galt als Voraussetzung der Enosis die Absetzung oder Ausschaltung239 Makarios III. Makarios war auf Zypern wegen der hohen Präsenz festlandgriechischer Truppen, denen er nicht mehr trauen konnte, nicht mehr sicher. Zwar galt die Enosis weiterhin als sein Hauptziel, jedoch war es nicht mehr die bedingungslose Enosis, wie er sie all die Jahre zuvor vertrat.240 Die Rückkehr General Grivas´ im September 1971, der für seine Radikalität bezüglich der Enosis bekannt war, verdeutlicht einmal mehr, dass ehemalige Kampfgenossen später zu erbitterten Feinden werden können. Grivas gründete die EOKA (B) wieder, und erhielt das Kommando über die zusammengelegten festlandgriechischen und zyperngriechischen Truppen. Als verlängerter Arm stellte er eine unmittelbare Gefahr für Makarios dar.241 Makarios begann in Griechenland verfolgten Demokraten und Kommunisten auf Zypern Asyl zu gewähren und beschwor die Zyperngriechen loyal hinter ihm zu stehen, da er als Präsi- dent der (illegalen) Republik Zyperns bereit sei „alle Schritte zu unternehmen, um Illegalität, Gewalt und Terrorismus zu bekämpfen“.242 Makarios musste sich nun jener Bedrohung stellen, die er selbst in den 1950er Jahren gegen die britische Kolonialregierung eingesetzt hatte, als er seinen Waffenbruder Grivas tatkräftig unterstützt hatte. Am 3. Juli 1974 (Asmussen und Nowa- cki nennen als Datum der Veröffentlichung den 5. Juli) stellte er dem griechischen Militärdikta- tor General Gizikis ein Ultimatum, alle griechischen Truppen von Zypern abzuziehen, da die 10.000-12.000 Mann starke zypriotische Nationalgarde von rund 650 festlandgriechischen Of- fizieren geführt wurde und unter deren Kommando zu einer „Brutstätte der Illegalität“ und ei- nem Zentrum der Verschwörung gegen den zypriotischen Staat wurde. Außerdem beschuldigte Makarios die Athener Regierung, die Aktivität der Untergrundorganisation EOKA-B zu unter-

239 Ende Jänner 1970 erhielt Erzbischof Makarios aus den USA erste Warnungen über einen bevorstehenden An- schlag auf seine Person. Am 8. März 1970 wurde sein von Nikosia aus startender Helikopter durch Maschinenge- wehrfeuer wieder zur Landung gezwungen. Makarios blieb unverletzt. Als Drahtzieher des Anschlags wurde Polycarpos Georgiadis vermutet, ein ehemaliger zyprischer Innenminister mit EOKA Vergangenheit, der jedoch jede Schuld von sich wies. Am 13. März fand man Georgiadis‘ (Kizilyürek: Giorgakis) Leiche an einer abgelege- nen Straße außerhalb von Nikosia. Trotz der Hinweise auf eine Mittäterschaft festlandsgriechischer Offiziere der zypriotischen Nationalgarde verliefen die Untersuchungen zu dem Mordfall (bewusst?) im Sand. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 16. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 178, 200. 240 vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 213. vgl. Fußnote 164. 241 Nach einem Treffen im März 1972, in dem Makarios vergeblich versuchte Grivas zu besänftigen, entschied der General die nationalistischen und militanten Gruppen auf Zypern zu organisieren, um Makarios mit dem Einsatz von Gewalt als Präsidenten Zyperns absetzen zu können. Ein weiterer Anschlag auf Makarios Leben, dessen Pla- nung Grivas zur Last gelegt wurde, erfolgte am 7. Oktober 1973 und schlug fehl. Grivas starb noch vor den sich überschlagenden Ereignissen des kommenden Sommers im Jänner 1974 an einem Herzanfall in seinem Versteck in Limassol. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 17. 242 vgl. PILLER, Zypern, S. 58. Piller bezieht sich in Fußnote 95 auf ein Zitat in der Süddeutschen Zeitung vom 16. Juli 1974. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 139f. 57 stützen und zu leiten.243 Makarios versuchte durch die Veröffentlichung der unter der Hand als Tatsachen gewerteten Anschuldigungen, Gizikis international ins schlechte Licht zu rücken.244 Jedoch wurde das Gegenteil erreicht, und der Präsident der Athener Junta beschloss den Putsch gegen Makarios am 13. Juli 1974.245 Zwei Tage später, am 15. Juli 1974, begann der Staatstreich gegen Makarios und dessen Regime. Obwohl der Tod des Erzbischofes nach der Übernahme der Kontrolle über die zypri- schen Radiostationen verkündet worden war, konnte er über die britische Militärbasis Akrotiri die Insel lebend verlassen246 und rief vor seiner Flucht über den Sender in Paphos die Bevölke- rung Zyperns mehrmals zum Widerstand gegen „die Rebellen“ auf. Nach schweren Kämpfen in Nikosia und anderen Städten Zyperns247 wurde Nikolaos Sampson zum neuen Präsidenten der „Regierung der Nationalen Rettung“ ernannt.248 Ziele der neuen Regierung waren a) eine Wiederherstellung der griechischen Einheit im Rahmen einer „hellenistischen Republik Zypern“, b) die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen dem griechischen Bevölkerungsanteil und der türkischen Minderheit, c) eine Volksabstimmung über die Zukunft der Insel innerhalb eines Jahres.249 Während die aufständischen Enoisten besonders im Westteil der Insel auf hartnäckigen Widerstand stießen, ersuchte Makarios den Generalsekretär der UNO um eine sofortige Einbe- rufung des Sicherheitsrates. Die griechische Regierung bestritt indessen in einer offiziellen Er- klärung jede Beteiligung am Putsch, wobei sie betonte, für eine Aufrechterhaltung eines unab- hängigen, einheitlichen Staates Zypern zu sein.250 Mit dieser Machtübernahme hatte Griechenland ein Stück weit die Megali Idea in die Tat umgesetzt und das Kräfteverhältnis zwischen Athen und Ankara verschoben. Noch am sel- ben Tag versetzte die türkische Regierung ihre Streitkräfte in Alarmbereitschaft und drohte mit einer Besetzung des Nordteils der Insel, für den Fall, dass es zu einem politischen Anschluss Zyperns an Griechenland komme. In einer ersten Reaktion empfahl die amerikanische Regie-

243 H.M., Allgemeine Rundschau – Zypern, Chronik der Ereignisse vom 3. Juli bis 27. Juli 1974, in: ÖMZ, Jg. 12, 5/1974, Wien 1974, S. 412. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 18. vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 184. 244 vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 265. 245 vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 19. vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 217. 246 Der Plan, bei einem eventuell stattfindenden Putsch Makarios von Zypern zu evakuieren, existierte unter dem Namen „Skylark“ bereits seit Februar 1972. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 36. vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 185. 247 Kurz nach der erfolgreichen Durchführung der Operation „Skylark“ kam es in Paphos zu bewaffneten Ausei- nandersetzungen zwischen den Verbänden der Putschisten und den Anhängern Makarios, die jedoch nach der er- haltenen Nachricht der Evakuierung des Erzbischofes demoralisiert den Wiederstand aufgaben und kapitulierten. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 37. 248 vgl. PILLER, Zypern, S. 59f. Zusätzlich: H.M., Chronik der Ereignisse vom 3. Juli bis 27. Juli 1974, S. 412. 249 vgl. H.M., Chronik der Ereignisse vom 3. Juli bis 27. Juli 1974, ÖMZ, 5/74, S. 412. 250 vgl. H.M., Chronik der Ereignisse vom 3. Juli bis 27. Juli 1974, ÖMZ, 5/74, S. 412. 58 rung sowohl der Türkei, als auch Griechenland eine Mäßigung ihres Verhaltens an den Tag zu legen.251 Die Regierungstruppen Sampsons brachen zwei Tage nach Putschbeginn den letzten Widerstand von bewaffneten Makarios-Anhängern. Der gestürzte Erzbischof versuchte die UNO und Großbritannien zu bewegen, die griechische Regierung zum Abzug der 650 Offiziere zu veranlassen. Der türkische Ministerpräsident Ecevit drängte inzwischen in London auf ein diplomatisches Vorgehen mit dem Putschistenregime in Nikosia, während auch der NATO-Rat in Brüssel Griechenland aufforderte, die besagten Offiziere von der Insel bringen zu lassen. Die sich zuspitzende Lage führte zu einer Mobilisierung von Teilen der türkischen Streitkräfte, die an der Südküste Kleinasiens in erhöhter Konzentration in Stellung gingen.252 Auch letzte Ver- mittlungsversuche Amerikas, Englands und der Sowjetunion brachte die griechische Regierung nicht dazu, die geforderten Schritte zur Deeskalation der Situation auf Zypern einzuleiten.

Abb. 9, Tabelle „Stärke militärischer Verbände auf Zypern vor der türkischen Intervention zum Zeitpunkt des Putsches gegen Makarios am 15. Juli 1974“253

Militärische Kräfte Neutral (Zypern-)Griechisch (Zypern-)Türkisch Britische Soldaten 8.000 UNFICYP 2.188 (griech./türk.) Festlandsoldaten 950 750 Präsidentengarde 500 National Garde 12.000 Polizei (makariostreu) 5.000 Milizen 15.000 15.000 GESAMT 10.188 33.450 15.750

Nachdem die Briten trotz der Ansuchen des türkischen Ministerpräsidenten Ecevit nicht gewillt waren, gemäß der Garantieverträge einzugreifen, entschied sich die Türkei auf Grundlage der Verfassung von 1960 (Artikel 4 des Garantievertrages), im unklar ausgehenden bewaffneten Kampf um die Machtausübung auf Zypern zum Schutz der zyperntürkischen Bevölkerung zu intervenieren.254 Am 20. Juli 1974 startete die türkische Operation Attila.255 Insgesamt rund 6.000 Mann starke türkische Verbände landeten in der Nacht vom 19. auf den 20. Juli in den Städten Kyrenia und Limassol, während Fallschirmtruppen nördlich der Hauptstadt Nikosia abspran-

251 vgl. H.M., Chronik der Ereignisse vom 3. Juli bis 27. Juli 1974, ÖMZ, 5/74, S. 412. 252 vgl. H.M., Chronik der Ereignisse vom 3. Juli bis 27. Juli 1974, ÖMZ, 5/74, S. 413. vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 185f. 253 vgl. The Cyprus Crisis in: Strategic Survey 1974, An JJSS Publication, The International Institute for Strategic Studies, London 1975, S. 79. zitiert nach NOWACKI, Zypernkrieg, S. 186, Fußnote 87. 254 vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 185. 255 Zur türkischen Landung auf Zypern siehe Abb. 36 im Anhang. 59 gen. Die auf Zypern stationierte UNFICYP-Friedenstruppe versuchte nach ersten heftigen Ge- fechten, bei denen die griechisch-zypriotische Nationalgarde einige Abwehrerfolge verzeichnen konnte, einen Waffenstillstand zu erreichen. In Folge sprangen weitere türkische Fallschirm- springer über Nikosia ab. Griechenland vollzog am selben Tag die Generalmobilmachung des Heeres, während in der Türkei in 14 von 67 Provinzen das Kriegsrecht verhängt wurde.256 Eine internationale Reaktion auf die Intervention ließ nicht lange auf sich warten. Die britischen Garnisonen in Akrotiri und Dhekelia wurden mit 1.400 Mann verstärkt, die Sowjet- union versetzte 7 Luftlandedivisionen in Alarmbereitschaft und Bulgarien nahm umfassende Truppenkonzentrationen an seiner Südgrenze vor. Mit siebenstündiger Verspätung forderte der Weltsicherheitsrat die Vereinbarung eines Waffenstillstandes.257 Einen Tag nach der Landung türkischer Truppen verlagerte sich das Schwergewicht der Kämpfe in den Raum zwischen Kyrenia und Nikosia sowie an die „Green Line“ der Hauptstadt selbst. Die griechische Regierung stellt am Abend des 21. Juli der Türkei das Ultimatum, ihre Truppen binnen 48 Stunden aus Zypern zurückzuziehen, ansonsten würde dies eine Kriegser- klärung Griechenlands nach sich ziehen. Jedoch waren Griechenland und die Türkei nach mas- sivem Druck der USA und Großbritanniens bereits am 22. Juli bereit, ein Waffenstillstandsab- kommen zu unterzeichnen, welches am Nachmittag desselben Tages in Kraft treten sollte. Trotz noch eingetroffener Verstärkungen war es den türkischen Truppen nicht gelungen, Kyrenia und Nikosia vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen, während sich das türkische Außenministe- rium bereit erklärte, in einer endgültigen Regelung die Unabhängigkeit Zyperns weiter anzuer- kennen. In Genf sollte über die Beilegung des Zypernkonflikts in einer Konferenz verhandelt werden, während die chinesische Regierung weiterhin Erzbischof Makarios als legitimes Ober- haupt Zyperns betrachtete.258 Trotz Waffenstillstandsabkommens kam es am 23. Juli noch immer zu bewaffneten Zu- sammenstößen. Die Regierung Sampson musste zurücktreten, und Glafkos Klerides259 wurde als neuer zypriotischer Parlamentspräsident vereidigt. Er versprach Wahlen abzuhalten, jedoch vertrat die Türkei mittlerweile die Position, dass eine Teilung der Insel die beste Lösung im Zypernkonflikt sei.260

256 Die türkischen Verluste des ersten Tages der Landung auf Zypern wurde von der Regierung in Ankara mit 57 Toten, 184 Verwundeten und 242 vermissten Soldaten beziffert. Der britische Militär-Attachè in Ankara sprach indes von mehr als 1.000 getöteten türkischen Soldaten. vgl. H.M., Chronik der Ereignisse vom 3. Juli bis 27. Juli, ÖMZ, 5/75, S. 413. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 106. 257 vgl. H.M., Chronik der Ereignisse vom 3. Juli bis 27. Juli, ÖMZ 5/74, S. 413. 258 vgl. H.M., Chronik der Ereignisse vom 3. Juli bis 27. Juli, ÖMZ, 5/74, S. 413. 259 Klerides war besonders für die USA ein Wunschkandidat, in den man große Hoffnungen bei zukünftigen Ver- handlungen zwischen Zyperngriechen- und Türken legte. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 237. 260 vgl. H.M., Chronik der Ereignisse vom 3. Juli bis 27. Juli, ÖMZ 5/74, S. 413. 60 Drei Tage nach der Intervention türkischer Truppen stürzte die Junta in Athen am 23. Juli 1974.261 Der bisher im Pariser Exil lebende griechische Politiker Konstantin Karamanlis bildete die neue Regierung Griechenlands. Die Pressezensur wurde aufgehoben und Makarios als lega- les Staatsoberhaupt Zyperns anerkannt. Die Zypernfrage war einmal mehr ins weltpolitische Interesse gerückt. Während der griechische Außenminister versuchte, in den am 25. Juli statt- findenden Genfer Gesprächen mit seinem britischen und türkischen Amtskollegen die Rückkehr des status quo ante der Invasion wiederherzustellen, forderte die Türkei, die mittlerweile mehr als 10.000 Soldaten auf der Insel stationiert hatte, mehr denn je eine Bundesstaatenlösung auf Zypern.262 Am 26. Juli flammten an einigen Stellen Zyperns Kämpfe auf, wodurch die türkischen Truppen ihren Brückenkopf zur Versorgung und Verstärkung ihrer Truppen weiter verbreiter- ten, und so seit Beginn der Operation zwischen 18.000 und 20.000 Soldaten samt schwerem Kriegsgerät auf Zypern stationierten.263 Die neue griechische Regierung in Athen forderte im Umkehrschluss die völlige Demilitarisierung der Insel, gleichzeitig meldete die Sowjetunion Ansprüche auf Mitspracherecht im Zypernkonflikt an und Kanada entschloss sich, sein UNFICYP-Kontingent auf ca. 950 Mann zu verstärken.264 Am 30. Juli verpflichtete sich die Türkei im Rahmen der „Genfer Deklaration“ dazu, ei- ne stufenweise Reduzierung ihrer Truppen vorzunehmen, wobei im Gegenzug ihr ein Interven- tionsrecht zugebilligt wurde, falls sich die türkisch-zypriotische Minderheit bedroht fühlen soll- te. Als Waffenstillstandslinien galten die zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung gehaltenen Stellungen der Konfliktparteien. Diese erste Phase der Zypernkonferenz konnte jedoch noch nicht die Kampfhandlungen auf Zypern beenden, denn schon am Folgetag setzten türkische Truppen ihre Vorstöße an einigen Stellen fort und verhinderten so eine Festlegung endgültiger Waffenstillstandslinien.265 Unterdessen wurde über eine Erhöhung der Truppenstärke der

261 Nowacki (Kizilyürek argumentiert ähnlich) interpretiert den Putsch gegen Makarios als einen Akt der Verzweif- lung der Athener Militärjunta. Man versuchte durch einen außenpolitischen, nationalen Erfolg vom siebenjährigen versagen in der Wirtschafts- und Innenpolitik abzulenken, was jedoch durch den dazukommenden außenpoliti- schen Druck im Zuge der Krise vom Juli 1974 misslang. vgl. AKSOY, M., Zur Zypernfrage, Alte und neue Tatsachen, Ankara 1974. zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S. 219. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 189f. 262 Diese Vorschläge beinhalteten eine föderale, kantonale Lösung mit rund 30% türkischen Gebietsanteil, einen zyperntürkischen Bundestaat sowie einen unabhängigen Bundesstaat mit je 29% der Fläche, zu einem Zeitpunkt, an dem die türkische Armee 37% der Insel besetzt hielten. vgl. BERNER, U., Das Vergessene Volk, Der Weg der Zyperntürken von der Kolonialzeit zur Unabhängigkeit, Pfaffenweiler 1992, S. 127. vollständiger Abdruck der Vorschläge in DENKTASCH, R.; HEINZE, Chr., Zum Zypernkonflikt, München 1988, S. 9-14. zitiert nach: ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 85, Fußnote 9. 263 vgl. H.M., Chronik der Ereignisse vom 3. Juli bis 27. Juli, ÖMZ, 5/74, S. 413. 264 vgl. H. M., Allgemeine Rundschau - Der Zypernkonflikt, Chronik der Ereignisse vom 28. Juli bis 15. Septem- ber 1974, in: ÖMZ, Jg. 12, 6/1974, Wien 1974, S. 486. 265 vgl. H.M., Chronik der Ereignisse vom 28. Juli bis 15. September, ÖMZ, 6/74, S. 486. 61 UNFICYP-Mission entschieden. Die am 31. Juli 3.483 stationierten Soldaten auf Zypern sollten durch Kontingentsverstärkungen auf einen Stand von 4.443 Mann gesteigert werden.266 In der zweiten Phase der Zypernkonferenz forderte die Türkei die Errichtung von zwei getrennten und autonomen Verwaltungsgebieten auf Zypern sowie die Befreiung von 98 (von insgesamt 142) türkischen Enklaven auf der Insel, die nach der türkischen Landung von der zypriotischen Nationalgarde besetzt wurden.267 Gegen die Forderung der Türkei, zwei getrennte Verwaltungsgebiete einzurichten, stellte sich der zypriotische Präsident Klerides und verwies auf das Selbstbestimmungsrecht der beiden Volksgruppen Zyperns, welches die Umgestaltung der zyprischen Verfassung durch die Verhandlungen zwischen Großbritannien, der Türkei und Griechenlands nicht erlauben würde. Am 12. August änderte die türkische Delegation in Genf ihre Haltung und schlug nunmehr die Bildung von getrennten Kantonen vor, wobei die türki- schen etwa ein Drittel des Inselterritoriums umfassen sollten. Dieser Vorschlag wurde von grie- chischer Seite abgelehnt, da man dies als eine Vorstufe zur Teilung der Insel ansah.268 Ohne zu einer Lösung der Krise gekommen zu sein, setzten die Türken am 14. August ihren Vorstoß Richtung Westen der Insel im Gebiet um , im Osten Richtung Famagusta, fort.269 Als Reaktion trat noch am selben Tag Griechenland aus der NATO aus, ohne über die Beibehaltung amerikanischer Militärstützpunkte entschieden zu haben. Die Amerikaner forder- ten die Türkei zum sofortigen Stopp von militärischen Operationen auf, während die zyprioti- sche Regierung von Nikosia nach Limassol verlegt wurde.270

266 vgl. HV, Allgemeine Rundschau - Der Zypernkonflikt, Resolutionen und Abkommen, in: ÖMZ, Jg. 12, 6/1974, Wien 1974, S. 488. 267 Der Großteil des Widerstandes der türkisch-zypriotischen Enklaven endete am 22. Juli, zwei Tage nach der türkischen Landung. Die meisten türkisch-zypriotischen Enklaven, die sich nicht in unmittelbarer Nähe der türki- schen Landungszonen befanden, wurden nach der Intervention von Nationalgardisten, oder schlimmer, von irregu- lären EOKA-B Verbänden, besetzt. Besonders nach dem Scheitern der zweiten Genfer Zypernkonferenz wurden dutzende gewaltsame Übergriffe von EOKA-B Truppen auf zyperntürkische Einrichtungen und Zivilisten berich- tet. Die EOKA-B vermied es als paramilitärische Guerillatruppe in offene Kampfhandlungen mit der vorstoßenden türkischen Armee zu geraten und begann daher hinter den zyperngriechischen Linien „Vergeltungsmaßnahmen“ zu ergreifen. Die Gefahr, die von den (zypern-)griechischen Paramilitärs ausging, wuchs für die Bewohner der zy- perntürkischen Enklaven, als im Zuge des allgemeinen Aufruhrs nach der Landung türkischer Truppen am 20. Juli 1974 Nationalgardisten Waffen an EOKA-B Kämpfer ausgaben. vgl. ASMUSSEN, Jan, Cyprus at War, London 2008, S. 139, 143f, 278. 268 vgl. H.M., Chronik der Ereignisse vom 28. Juli bis 15. September, ÖMZ, 6/74, S. 486. 269 Am frühen Nachmittag des 14. August begannen türkische Truppen mit ihrem Vormarsch, der allerdings nur sehr langsam erfolgte (3 Meilen pro Stunde). Als Grund hierfür nennt Jan Asmussen die türkische Überlegung, den Zyperngriechen genug Zeit zu bieten, um ihre Siedlungsgebiete Richtung Südteil der Insel verlassen zu können. Somit ersparte sich die Türkei eine mögliche Verantwortung und Verpflegung einer Vielzahl von zyperngriechi- schen Flüchtlingen. Der türkische Vorstoß vom 14. August bewirkte eine zyperngriechische Massenflucht in den Süden, da die nordzypriotischen Griechen durch Berichte über bereits stattgefundene Gräueltaten türkischer Solda- ten zusätzlich aufgestachelt wurden. So verließen am 15. August alle zyperngriechischen Bewohner Famagustas die Stadt, welche am frühen Abend vollständig von türkischen Truppen besetzt wurde. Asmussen führt weiter aus, das die Besetzung Famagustas mit seinem griechisch bewohnten Touristenviertel Varosha von den Türken ur- sprünglich nicht geplant war. Erst als man erkannte, dass die Stadt von ihren Bewohnern verlassen wurde, ent- schloss man sich dazu, sie zu besetzen. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 227-293. 270 vgl. H.M., Chronik der Ereignisse vom 28. Juli bis 15. September, ÖMZ 6/74, S. 486. 62 Am 16. August erklärte der türkische Ministerpräsident Ecevit die Einstellung der Kampfhand- lungen auf Zypern, die jedoch vereinzelt noch bis Anfang September weitergeführt werden soll- ten. Die türkische Armee hielt zu diesem Zeitpunkt fast 40 Prozent der Insel, als der türkisch- zypriotische Vizepräsident Denktasch die Errichtung eines türkischen (Bundes?)Staates bekannt gab (21. August 1974), der unter der Bezeichnung „türkisch föderierter Staat von Zypern“ (TFSC)271 am 13. Februar 1975 offiziell ausgerufen wurde. Durch diesen Schritt des Ministerra- tes und der gesetzgebenden Versammlung der (selbsterklärten) autonomen türkisch- zypriotischen Regierung wurden zugleich der alleinige Vertretungsanspruch von Präsident Klerides und das UNO-Mandat bestritten.272 Zudem stellte dieses Datum den Beginn des gro- ßen Bevölkerungsaustausches auf Zypern dar.

7.1.1 Folgen der türkischen Intervention – Bevölkerungsaustausch und Inselteilung

Die internationale Politik stand durch die Zypernkrise vom Sommer 1974 vor schwierigen Ver- handlungsrunden. In Griechenland kam es zu massiven antiamerikanischen Protesten; in Niko- sia wurde der amerikanische Botschafter Rodger Davies von griechisch-zypriotischen Extre- misten ermordet. Weiters trat der griechische Außenminister Mavros für die völlige Demilitari- sierung Zyperns bei gleichzeitiger Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung ein, wobei jegliche griechisch-zyprischen Anschlussbestrebungen abgelehnt und Makarios als legitimes Staatsoberhaupt Zyperns anerkannt würde.273 Die Sowjetunion forderte eine internationale Zy- pernkonferenz und den Abzug aller ausländischen Truppen von der Insel, was von der Türkei abgelehnt wurde. UNO-Generalsekretär Waldheim begann am 25. August eine Vermittlungs- reise nach Athen, Nikosia und Ankara, und der Weltsicherheitsrat forderte die Konfliktparteien auf, die Heimkehr der über 200.000 Vertriebenen oder sich auf der Flucht befindlichen Zyprio- ten in ihre Heimatgebiete zu ermöglichen. Die zypriotische Regierung und Denktasch kamen überein, vorgefundene Massengräber von unabhängigen Instanzen untersuchen lassen zu wol- len.274 Bis zu 45 Prozent der Insel waren bis zum effektiven Ende der Operation Attila (Ein- nahme Kokkina/Erenköy, 5. September) von ca. 40.000 türkischen Soldaten besetzt worden;

271 vgl. WOLFE, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 74. 272 vgl. H.M., Chronik der Ereignisse vom 28. Juli bis 15. September, ÖMZ 6/74, S. 487. 273 vgl. H.M., Chronik der Ereignisse vom 28. Juli bis 15. September, ÖMZ, 6/74, S. 488. Die voranschreitende Sezession des türkisch-zypriotischen Bundesstaates wurde von Ankara gefördert. Am 4. November 1974 beschwerte sich das griechische Parlament bei den USA, dass die Türkei umfangreiche Maßnah- men zur wirtschaftlichen und politischen Verflechtung mit dem Nordteil der Insel ergriff. So wurden griechische Städte, Dörfer, Straßen und Plätze umbenannt; zyperngriechischer Besitz geplündert; zyperngriechische Unter- nehmen und Industriekonzernen in eine zyperntürkische Holding integriert; die türkische Währung neben der zyp- riotischen verwendet; türkische Banken angesiedelt sowie eigene zyperntürkische Gerichte, Reisedokumente, Briefmarken und Telefontarife in Auftrag gegeben. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 259, 260. vgl. WOLFE, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 83. 274 vgl. H.M., Chronik der Ereignisse vom 28. Juli bis 15. September, ÖMZ, 6/74, S. 487. 63 Flüchtlingsströme ergossen sich vom Norden in den Süden und umgekehrt.275 Als Reaktion auf den Einmarsch der türkischen Armee internierte die griechisch-zypriotische Nationalgarde in den Wirren der Geschehnisse an die 40 Prozent (65.000) der zyperntürkischen Bevölkerung. In etlichen gemischt bewohnten Dörfern und türkisch bewohnten Stadtvierteln zypriotischer Städ- te kam es zu gewaltsamen Übergriffen gegenüber der Zivilbevölkerung seitens griechisch- zypriotischer Kommandos (EOKA-B). Ebenfalls ins Blickfeld extremistischer Enoisten kamen Zyperngriechen, die weiterhin Makarios III. unterstützten. Auf der anderen Seite muss die tür- kische Armee für Gräueltaten an den in den Süden der Insel flüchtenden Zyperngriechen bei ihrem Vorstoß auf die Linie Lefka-Nikosia-Famagusta verantwortlich gemacht werden.276 Das Thema der Kriegsverbrechen, die von beiden Seiten begannen wurden und deren Leidtragende zumeist die Zivilbevölkerung war, ist nach Ansicht vieler Autoren noch nicht ausreichend wis- senschaftlich untersucht worden und wird wohl bis zur Lösung des Zypernkonflikts von offizi- eller Seite ein wenig beachtetes bleiben.277

Abb. 10, Tabelle „Opferzahlen der Zypernkrise im Juli/August 1974“278

(Zypern-)Griechen (Zypern-)Türken UNFICYP Soldaten ca. 700 ca. 250 unter 10279 Zivilisten 192 965 -

Schätzungen ergaben, dass bis zu 180.000 Zyperngriechen ihre angestammten Siedlungsgebiete im Norden der Insel verloren, umgekehrt mussten (dazu gehören auch vorangegangen Vertrei- bungen der 1950er und 1960er Jahre) zwischen 40.000 und 45.000 Zyperntürken in den nun türkisch kontrollierten Norden fliehen oder sollten dorthin umgesiedelt werden. Mit 9. Septem- ber 1974 befanden sich 225.000 Zyprioten auf der Flucht, 154.000 befanden sich im Südteil der

275 vgl. H.M., Chronik der Ereignisse vom 28. Juli bis 15. September, ÖMZ, 6/74, S. 487. vgl. PABST, Martin, Neue Bemühungen zur Beilegung des Zypernkonflikts, in: ÖMZ, Jg. 38, 5/2000, Wien 2000, S. 570. 276 vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 85. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 193. 277 Neben den Vertreibungen, die oftmals mit dem Einsatz von Gewalt einhergingen, sind nicht wenige Fälle von (Massen-)Exekutionen und Vergewaltigungen dokumentiert, die jedoch bis dato noch nicht von einer unabhängi- gen Studie gesammelt dargestellt wurden. Als weiterführende Literatur verweist Asmussen auf ULUDAĞ, Sevgül, Cyprus: The Untold Stories, Mannheim 2005. In diesem Werk wurden einige Artikel griechisch- und türkischzyp- riotischer Journalisten veröffentlicht, die von bisher „verschwiegenen“ Verbrechen an der Zivilbevölkerung beider Volksgruppen berichten. Ebenso existiert ein Film mit Namen „Voice of Blood“ des griechisch-zypriotischen Journalisten Tony Angastiniotis, der von Massakern in vier türkisch-zypriotischen Dörfern am 14. August 1974 handelt und dessen „Making of“ im Buch „Trapped in the Green Line“ veröffentlicht wurde (ANGASTINIOTIS, Tony, Trapped in the Green Line: the Story behind the documentary Voice of Blood, Nikosia 2005.) vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, London 2008, S. 274. 278 vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, London 2008, S. 274. 279 Asmussen spricht von fünf getöteten (darunter drei österreichische) und 50 verletzten UNFICYP-Soldaten am Ende der Zypernkrise. Onjerth spricht in seinem Artikel in der ÖMZ 2/1976 von neun UNFICYP-Soldaten, die bei (absichtlichen und/oder unabsichtlichen) türkischen Angriffen getötet wurden. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, London 2008, S. 274. vgl. ONJERTH, Hugo, Der Einsatz der österreichischen UNO-Kontingente in Zypern und im Nahen Osten, in: ÖMZ, Jg. 14, 2/1976, Wien 1976, S. 141. 64 Insel. Etwa 50.000 griechische und 8.000 türkische Zyprioten hielten sich auf den britischen Militärbasen der Insel auf und blickten in eine ungewisse Zukunft.280 Die Flüchtlinge beider Bevölkerungsgruppen wurden durch die Krise zum Politikum. Während die türkische Regierung auf die Umsiedlung der rund 40.000 Inseltürken aus dem Süden drängte, um sie so in ihr angestrebtes Verwaltungsgebiet zu bekommen, lehnte der zy- perngriechische Präsident Klerides die Pläne zur Umsiedlung der türkischen Minderheit ab, um so die voranschreitende Teilung der Insel verhindern zu können.281 Noch immer lebten zwi- schen 35.000 und 40.000 türkische Zyprioten unter bedrängten Umständen im Südteil der Insel, während 20.000 griechische Zyprioten der türkischen Intervention zum Trotz im Nordteil ver- blieben waren. Zehn Monate später (im Sommer 1975) befanden sich nur mehr je ca. 10.000 Personen der jeweiligen Bevölkerungsgruppe im andersseitigen Inselteil.282 Nach der dritten Runde von Verhandlungsgesprächen in Wien (vom 31. Juli bis zum 2. August 1975) kamen Denktasch und Klerides zu einer Übereinkunft bezüglich des Weiteren Vorgehens in der Frage des zyprischen Bevölkerungsaustausches. Als wesentliche Grundbe- stimmungen wurden festgehalten:

 den Zyperntürken des Südens ist der Umzug in den Norden der Insel gestattet  den Zyperngriechen des Nordens steht es frei zu bleiben und sie dürfen nicht zu einem Umzug in den Süden gezwungen werden  im Rahmen eines Familienwiedervereinigungsprogrammes ist es einer gewissen Anzahl von Zyperngriechen erlaubt in den Norden zurückzukehren.

Bis zum 7. September übersiedelten ca. 8.000 weitere türkische Zyprioten vom Süden in den Norden, während es lediglich 296 griechischen Zyprioten gestattet wurde, es ihnen gleichzutun. Aufgrund der verschärften Lebensbedingungen übersiedelten dahingegen 149 griechische Zyp- rioten freiwillig in den Süden, sodass sich 2010 nur mehr etwa 600 Zyperngriechen im Norden der Insel befinden, die meisten davon auf der Karpass-Halbinsel.283 Ein demographischer Rückblick verdeutlicht die Folgen der Inselteilung und den daraus resultierenden Bevölkerungsaustausch der Jahre 1974-1975:

280 vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, London 2008, S. 272. „Fünfzehn Jahre vorher, bei der Staatsgründung, hielten die Väter der Republik die Teilung der Insel für unmög- lich, weil die Bevölkerungsgruppen zu sehr vermischt lebten.“ vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 49. 281 Asmussen vertritt an dieser Stelle dieselbe Einschätzung wie Ackermann: „In the beginning, Clerides was op- posed to any transfers of and argued they should return to their villages in the south. He rightly feared by allowing this movement he would diminish the chances of Greek-Zypriot refugees to return to the north“. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, London 2008. S. 268. Das überproportionale Bevölkerungswachstum der TRNZ zwischen 1975 und 1977 ist auf diese Politik Denk- taschs zurückzuführen (prozentuale Zunahme gegenüber des Vorjahres 1975: 9,67%; 1976 2,51%; 1977: 11,42%) vgl. BREY, Bevölkerungsstruktur, S. 508f, Tab. 8. 282 vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, London 2008, S. 272. 283 vgl. ASMUSSEN, Jan, Cyprus at War, London 2008, S. 272, 273. 65 Vor der türkischen Intervention von 1974 lebten an die 650.000 (inkl. ca. 20.000 britische Staatsangehörige) Personen auf der Insel, wobei rund 82 Prozent der Zyprioten zur griechischen Volksgruppe und rund 18 Prozent zur türkischen Volksgruppe hinzugezählt werden können:284

Abb. 11, Tabelle „Ethnisch-religiöse Bevölkerungsstruktur Zyperns, Zensusjahre 1881 – 1973“285

Zensus Ges.bevölkerung Griechen Türken Armenier Maroniten andere absolut % absolut % absolut % absolut % absolut % 1881 185.630 137.631 73,9 45.458 24,4 174 0,1 830 0,4 1.537 0,8 1931 347.959 276.572 79,5 64.238 18,4 3.337 1,0 1.704 0,5 2.068 0,6 1946 450.114 361.199 80,2 80.548 17,9 3.686 0,8 2.083 0,4 2.598 0,6 1960* 556.660 442.521 79,5 104.350 18,8 3.628 0,7 2.708 0,5 3.453 0,6 1973** 634.654 519.694 81,9 114.960 18,1 ------* Letzte offizielle Angabe über die Gesamtbevölkerung Zyperns (exkl. britische Staatsangehörige)286 ** Daten für 1973 beruhen auf Mikrozensus-Erhebungen bzw. Schätzungen und unterscheiden nur zwischen Grie- chen (alle Personen mit christlichem Bekenntnis) und Türken (alle Nicht-Christen)287

Durch die Zypernkrise von 1974 wurde 160.000 - 180.000 griechischen Zyprioten ihr Zuhause genommen, während 35.000 - 45.000 türkische Zyprioten zwischen 1963 und 1975 ihr Heim verlassen mussten.288 Bis 2008 war über den Verbleib von 2.296 Personen (1.493 Zyperngrie- chen289 sowie 803 Zyperntürken) nichts Weiteres bekannt. 99,4 Prozent der vermissten Türken sind Zivilpersonen während 61,2 Prozent der vermissten Griechen Armeeangehörige sind. Hin-

284 Vor 1960 erfassten die Zensusumfragen ausschließlich religiöse Zugehörigkeit und die Sprache des/der Befrag- ten. Die Angabe der Zugehörigkeit zu einer der zyprischen Volksgruppen erfolgte erstmalig 1960. Ab 1960 haben Zyperngriechen und Zyperntürken unterschiedliche Zahlen über die Bevölkerung der Insel veröffentlicht. Da die Bevölkerungszahlen bei einer eventuellen Lösung der Zypernfrage eine wichtige Rolle spielen können, bleiben die Angaben beider Seiten kontrovers. Daher basieren auch die Datensätze nach 1960 auf Mikrozensus-Erhebungen bzw. Schätzungen. vgl. KIZILYÜREK, Niyazi, Sozialstruktur, in: Südosteuropa-Handbuch Band VIII – Zypern, S. 536. vgl. BREY, Bevölkerungsstruktur, S. 490. 285 vgl. BREY, Bevölkerungsstruktur, S. 497, Tab. 4. Auch in KIZILYÜREK(, Zypernkonflikt, S. 7.) findet sich eine Tabelle der anteilsmäßigen demographischen Zu- sammensetzung von 1881 bis 1960. Die Zahlenwerte von 1881, 1931 und 1946 sind bis auf geringfügige Abwei- chungen ident mit der Tabelle mit dem Zahlenmaterial von Brey und Nowacki. Durch die scheinbare Überein- stimmung der drei vergleichbaren Jahreszensus kann die im Haupttext angeführte Tabelle durch Prozentzahlenwer- te von Kizilyürek für die Jahre 1891, 1901, 1911 und 1921 erweitert werden. Kizilyürek bezieht sich auf die Quel- le: Statistics and Research Dept. Republic of Cyprus: Statistical Abstract 1970; No: 16, Nicosia, S. 24. 286 vgl. BREY, Bevölkerungsstruktur, S. 497, Tab. 4. Brey gibt als Quellen: IONNIDES, Ch.P., In Turkey´s Image, New Rochelle 1991, S. 11, Tab.1./ST JOHN-JONES, L.W., The Population of Cyprus, London 1983, S. 51, Tab. 2./Republic of Cyprus, Ministry of Finance, Department of Statistics and Research (Hrsg.), Census of Population and Agriculture, Vol. I, S. 8. an 287 Daten von KAROUZIS, G., Proposals for a solution to the Cyprus problem, Nicosia 1976, S. 13. zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S. 83, Fußnote 188. vgl. BREY, Bevölkerungsstruktur, S. 497. 288 vgl. BREY, Bevölkerungsstruktur, S. 513. Hinweis in Fußnote 73 (vgl. IONNIDES, S. 27-48) auf Rekrutierung von anatolischen Bauern zum Zweck der Wiederauffüllung des von Zyperngriechen verlassenen Raumes im Insel- norden. 289 Asmussen spricht in seinem Werk des Jahres 2008 von der gleichen Anzahl zyperntürkischer Vermisster (803) seit 1963 wie Ackermann in seinem Buch von 1997. Die Anzahl der zyperngriechischen Vermissten konnte jedoch von 1.619 (Ackermann 1997) auf 1.493 (Asmussen 2008) gesenkt werden. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, London 2008, S. 274. vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 86. Ackermann bezieht sich in Fußnote 10 auf: Committee of Relatives of Turk.-Cypr. Missing Persons, Myth and Reality, Lefkosa 1993, S. 3. 66 zu kommt dass 29 Prozent der vermissten Zyperntürken Frauen und Kinder sind, auf zypern- griechischer Seite sind es 8 Prozent.290 Trotz der einsetzenden Zwangsaussiedelungen von Zy- perntürken in Zeiten des bewaffneten kolonialen Befreiungskampfes der Zyperngriechen, fiel der Anteil der zyperntürkischen Bevölkerung bis 1973 in keinem Distrikt unter 15 Prozent:291

Abb. 12, Tabelle „Bevölkerungsverteilung 1973 nach Distrikten“292

DISTRIKT Ges.bev. Griechen Anteil in % Türken Anteil in % Nikosia 230.278 184.441 80,09 45.837 19,91 Kyrenia 33.400 28.828 86,31 4.572 13,69 Famagusta 127.135 106.112 83,46 21.023 16,54 Larnaka 61.821 48.568 78,56 12.253 21,44 Limassol 118.600 103.725 87,46 14.875 12,54 Paphos 63.420 48.020 75,72 15.400 24,28 GESAMT 634.654 519.694 81,9 114.960 18,1

Außer in Limassol war auch der Anteil der Zyperntürken in den größten Städten Zyperns bis zur türkischen Invasion niemals unter 15 Prozent, das bedeutet, dass es in bestimmten Regionen Zyperns zwar keine türkische Mehrheit gab, jedoch in jedem Distrikt oder Stadt eine türkische Minderheit ansässig war:293

Abb. 13, Tabelle „Bevölkerungsverteilung nach Städten 1973“294

STÄDTE Griechen Anteil in % Türken Anteil in % Nikosia 81.368 76,84 24.527 23,16 Kyrenia 3.108 80,10 772 19,90 Famagusta 31.781 82,40 6.778 17,60 Limassol 41.566 85,97 6.782 14,03 Larnaka 17.486 79,53 4.501 20,47 Paphos 6.912 68,61 3.162 31,39 GESAMT 182.221 79,66 46.532 20,34

Am 14. September 1975 einigten sich Denktasch und Klerides darauf, alle gegnerischen Gefan- genen frei lassen zu wollen. Etwa 3.400 türkische Zyprioten und ca. 2.300 griechische Zyprio- ten295 konnten daraufhin nach Hause zurückkehren, vorausgesetzt, sie hatten zu diesem Zeit- punkt noch eines.296 Zudem blieben viele der vermissten Personen auch danach verschwunden.

290 vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 86. 291 vgl. HEINRITZ, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 54. 292 vgl. KAROUZIS, G., Proposals for a solution tot he Cyprus problem, Cosmos Press, Nicosia 1976, S. 16. zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S. 85, Fußnote 192. 293 vgl. HEINRITZ, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 54. 294 vgl. KAROUZIS, G., Proposals for a solution tot he Cyprus problem, Cosmos Press, Nicosia 1976, S. 18. zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S. 85, Fußnote 193. 295 vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, London 2008, S. 273. 296 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 193. 67 Die Klärung ihrer Schicksale beschäftigt die Volksgruppen auch noch mehr als 37 Jahre nach der Teilung der Insel bis in heutige Tage.

7.2 ENTWICKLUNGEN VON 1974 BIS ZUR PROKLAMATION DER TRNZ 1983

Anhand der bisherig dargelegten historischen Bezüge lässt sich im Fall der Zypernkrise festhal- ten, dass sowohl Griechenland als auch die Türkei auf das politische Arsenal des 19. Jahrhun- derts zurückgegriffen haben. Nach dem Zweiten Weltkrieg rückten beide Staaten näher an den Westen, vor allem Griechenland konnte sich nach der Niederlage kommunistischer Revolutio- näre im Bürgerkrieg von 1947 auf westliche, vor allem US-amerikanische Unterstützung, ver- lassen. Jede Athener Regierung verschrieb sich bis zur Auflösung der Militärjunta im Verlauf der Ereignisse von 1974 dem Enosis-Gedanken, also der Miteinbeziehung Zyperns in die grie- chische Inselwelt. Nach der „zypriotischen Katastrophe“, die die Teilung der Insel und einen Bevölkerungsaustausch zur Folge hatte, strebten bei den beiden Genfer Konferenzen die grie- chischen Verhandlungspartner eine Wiederherstellung des Status Zyperns wie vor dem Putsch vom 15. Juli 1974 an. Dies sollte durch eine völlige Demilitarisierung Zyperns geschehen, wel- che an der Haltung der Türkei scheiterte, die nun einen Großteil der wichtigsten wirtschaftli- chen Gebiete der Insel besetzt hielt.297 Das türkisch-zypriotische Gebiet bedeckt nach dem Waffenstillstand vom 22. Juli 1974 (der jedoch von beiden Seiten nicht eingehalten wurde, effektives Ende der Operation Attila 5. September) und der Einrichtung der UN-Pufferzone 38 Prozent der Inselfläche.298 Es umfasst die zyprische Nordküste, das beiderseits steil abfallende Nordgebirge mit dem Pentadaktylos, die eher unbedeutende Karpass-Halbinsel im Osten, Famagusta mit der Hotelstadt Varosha und den Großteil der fruchtbaren Zentralebene. Die Mesoria-Ebene hat für beide Seiten eine große politische, strategische und wirtschaftliche Bedeutung, verläuft sie doch von den Kupferberg- werken bei quer durch die Insel bis Famagusta, dem einzigen Tiefwasserhafen der Insel. Ebenfalls befand sich dort ein Großteil (70 Prozent) der Anbauflächen für Getreide, Kar- toffeln, Orangen und Zitronen. Der türkisch-zypriotische Bundesstaat (ausgerufen durch Rauf Denktasch am 21. August 1974) verfügte nach der Inselteilung über zwei Drittel der nichtzer- störten Hotels und über die Mehrzahl der ansonsten eher spärlich gesäten Industrieanlagen.299 Der von türkischen Invasionstruppen gehaltene Nordteil der Insel beheimatete neben ursprüng-

297 vgl. BAUMANN, Gerhard, Zeitschriftenschau - Die Zypernkrise als Bündnisproblem, in: ÖMZ, Jg. 13, 1/1975, Wien 1975, S. 81. 298 Die UN-Pufferzone entstand aus der Waffenstillstandslinie am Ende der Zypernkrise im September 1974. Die Kontrolle des Raumes zwischen den Stellungen der beiden Konfliktparteien und die Verantwortlichkeit für die wirtschaftliche Nutzung dieser Fläche, die ca. 3% umfasst, gingen nach Beendigung der Kampfhandlungen an UNFICYP über. vgl. PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 299. 299 vgl. HEINRITZ, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 58f. 68 lich ca. 85.000 türkischen Zyprioten nun zusätzlich 35.000- 45.000 türkische Flüchtlinge300 aus dem Süden, sowie 1.700 verbliebene griechische Zyprioten, die vorwiegend auf der Karpass- Halbinsel lebten. Eine zweite Minderheit bildete die Gruppe der Maroniten, die 1978 rund 700 Personen umfasste.301 Rauf Denktasch, geboren 1924 in Paphos, von 1963-1967 von der Insel verbannt, 1973/74 Vizepräsident Zyperns, steht seit der Loslösung des Nordens dem Föderationsstaat als Präsident vor. Obwohl der Norden die notwendige Infrastruktur zur Tourismusnutzung hat (104 Hotels alleine in Vorosha) und über sehenswerte Landschaften zwischen dem Nordgebirge und der Nordküste verfügt, fanden sich in der Zeit nach der Zypernkrise von 1974 nur vorwiegend türkische Touristen auf Zypern ein, um Geld auf die Insel zu bringen. Internationale Gäste hiel- ten die Atmosphäre aus zahlreich in Erscheinung tretenden Truppen und Checkpoints sowie die eingeschränkte Bewegungsfreiheit302 bis zu Beginn der 1980er Jahre fast völlig fern. Als weite- res Problem stellt sich der nun existierende Facharbeitermangel in den von türkischen Truppen eroberten Industrieanlagen Nordzyperns heraus. Lediglich die Agrarproduktion konnte seit den Ereignissen rund um das Jahr 1974 wieder voll wiederhergestellt werden. Um nicht vollends vom Mutterland Türkei abhängig zu werden, konnte es schon kurz nach Konsolidierung der Verhältnisse für den türkisch-zypriotischen Föderationsstaat keine andere Möglichkeit geben, als in Verhandlungen zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Südteil der Insel zu tre- ten.303 Im Süden der Insel leben zur selben Zeit vier Fünftel der zypriotischen Bevölkerung. Dieser griechisch-zypriotische Teil, der zwischen 162.000 – 200.000 Flüchtlinge304 zu verkraf- ten hatte, konnte sich wirtschaftlich bereits wieder auf Vorkriegsstand erholen. Reger Handel mit Agrar- und Industrieprodukten wurde durch die Häfen in Larnaka und Limassol ermöglicht. Seit 1974 lag der internationale Flughafen von Nikosia durch die Einrichtung der UN- Pufferzone exterritorial, sodass die Zyperngriechen den Flughafen von Larnaka ausbauten, der in der Folge von zahlreichen Fluglinien angeflogen wurde. Die wenigen von griechischen Zyp- rioten behaltenen Hotels waren somit kurz nach der Krise von westdeutschen und britischen Touristen ausgebucht, was neben dem ohnehin vorhandenen Wohnungsmangel305 zu verstärkter

300 vgl. HEINRITZ, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 59. 301 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 200. 302 „Als öffentliche Rechtfertigung für die Einschränkung der Bewegungsfreiheit gilt die Sicherheit beider Volks- teile vor extremistischen Anschlägen.“ vgl. WOLFE, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 79. 303 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 200, 201. 304 vgl. HEINRITZ, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 59. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 193. 305 Bis zu 200.000 Flüchtlinge aus dem Norden mussten bis zur Errichtung neuer Wohnungen in Zelt- und Notun- terkünften untergebracht werden. Viele der Vertriebenen siedelten in der Folgezeit vor allem in der näheren Um- gebung der größten Städte Zyperns. Siehe dazu Abb. 37 im Anhang. 69 Bautätigkeit im Südteil der Insel führte.306 Viele der Flüchtlinge aus dem Norden wurden durch die zypriotische Regierung mit Lebensmittelrationen, Geldbeträgen und Materialen versorgt. Auch die verbliebenen 1.700 Zyperngriechen und 700 im Norden siedelnden Maroniten erhiel- ten unter UNO-Aufsicht Hilfsleistungen aus dem UN-Hilfsfonds für Zypern.307 Durch die Existenz von zwei britischen Militärstützpunkten in Akrotiri und Dhekelia und diversen auf der Insel installierten Radar- und Funkstellen blieb Zypern auch weiter für die NATO von Interesse. In verteidigungsstrategischen Überlegungen des Westens wurde der Si- cherung des Mittelmeeres die gleiche Bedeutung zugestanden, wie der Sicherung des Nordmee- res. Diese Zusammenhänge widersprechen dem türkischen Standpunkt, dass es sich beim Zy- pernkonflikt um eine „innerzypriotische“ Angelegenheit handle. So führte die türkische Armee auch entgegen jeglicher Beschlüsse des Weltsicherheitsrates ihre militärischen Vorstöße auf der Insel bis zum 16. August 1974 fort. Die Rolle der NATO in der Zypernkrise war umstritten. Der griechische Truppenabzug aus NATO-Verbänden vom 14. August wurde mit dem Versagen des Nordatlantikbündnisses, beziehungsweise durch die Nichteinmischung in die Angelegenheit zweier seiner Mitglieder, die mit einer von der öffentlichen Meinung gefühlten Begünstigung der Türkei einherging, be- gründet. Der griechische Vorwurf, die NATO habe in der Frage der Zypernkrise versagt, ging jedoch am Kernproblem vorbei, da der Nordatlantikvertrag über kein Disziplinarinstrumentari- um gleich der „Breschnew-Doktrin“308 verfügte. Der Ständige Rat kann im Falle von bündnis- internen Konflikten diese nicht aus eigener Macht schlichten, sondern kann nur aus einer Bera- tungsinstanz heraus Haltungen nach außen vertreten und kommunizieren. Die Haltungen Eng- lands und der USA waren jedoch noch umstrittener309, da Großbritannien durch ihre beiden Militärstützpunkte am Konfliktschauplatz direkt, die USA durch ihre 6. Flotte im Mittelmeer- raum indirekt vertreten war. Am ehesten wäre noch von einem Eingreifen Amerikas auszuge- hen gewesen, da die europäischen NATO-Partner zu diesem Zeitpunkt weit davon entfernt wa- ren, als geschlossene Einheit aufzutreten. Stand zu Beginn des historischen Zypernkonflikts die USA auf Seiten Griechenlands und den griechisch-zypriotischen Aufständischen im Zuge des

306 vgl. HEINRITZ, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 59. 307 Im Zeitraum von August 1974 bis zum August 1977 wurden 15.450 Tonnen Kleidung, Nahrungsmittel, Pro- pangas, Dieselöl, Saatgut, Mehl, Reis, Speiseöl und Konserven an die griechischen und 12.670 Tonnen ähnlicher Hilfsgüter an die türkischen Zyprioten übergeben. Davon bestanden etwa 30 Tonnen medizinische Ausrüstung für das Spital im Norden Nikosias. vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 201. 308 Die Breschnew-Doktrin, die 1968 im Rahmen des 5. Parteitages der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei verkündet wurde, ging von einer beschränkten Souveränität der verbündeten sozialistischen Staaten aus, die Inter- ventionen im Falle einer innen- wie außenpolitischen „Gefährdung des Sozialismus“ erlaubte. 309 Der griechische Präsident Karamanlis warf Großbritannien eine sträfliche Untätigkeit während der Zypernkrise vor und berief sich dabei auf den Status Großbritanniens als Garantiemacht zur Wahrung der zypriotischen Verfas- sung von 1960. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 261. 70 Unabhängigkeitskampfes Ende der 1950er Jahre, so brachte die amerikanische Nichteinmi- schung im Konfliktjahr 1974 einen weiteren Riss in die griechisch-amerikanische Beziehung.310 Die passive Haltung der internationalen (westlichen) Bündnisse war durch die Befürchtung einer Destabilisierung des politischen Gleichgewichts des Kalten Krieges im südöstlichen Mit- telmeerraum begründet, in dem die strategische Rolle der Türkei eine größere Gewichtung für die NATO einnahm, als die Griechenlands.311 Im Februar 1975 endete auf Beschluss des US-Senates die amerikanische Waffenhilfe aufgrund der Weigerung der Türkei sich von Zypern zurückzuziehen. Die dadurch entstandenen rüstungstechnischen Schwierigkeiten der Türkei veranlasste die amerikanische Politik jedoch wieder zu einer Umkehr. Man wollte die europäische Südostflanke nicht weiter schwächen, als es der griechisch-türkische Gegensatz des vergangenen Jahrzehnts bereits getan hatte. Einmal mehr unterstrich ein amerikanischer Präsident (Ford) die Bedeutung der Türkei für die Vertei- digungsstrategie des Nordatlantikpaktes.312

7.2.1 Das östliche Mittelmeer als strategisches Ziel der Supermächte im Kalten Krieg

Die Sowjetunion war seit dem Verlust ihres einzigen Marinestützpunktes im Zuge des sowje- tisch-chinesischen Konfliktes, der Albanien 1961 zur Annullierung des Stationierungsvertrages in Valona brachte, stetig bemüht, wieder Zugang zum Mittelmeer zu erreichen.313 Von ihrer Rückkehr im Jahre 1964 stiegen die jährlichen Schiffstage, ihre durchschnittliche Tagesstärke sowie die Anzahl der Passage durch die türkischen Meerengen bis zum Ausbruch der Zypern- krise 1974 kontinuierlich an. Zum einen konnten durch die türkisch-sowjetische Annährung der letzten Jahre immer mehr Schiffe die türkischen Meerengen passieren, zum anderen verlängerte sich die Dauer der Operationen. Begünstigt wurde der immer stärker werdende sowjetische Zugriff auf das Mittelmeer durch das 1968 geschlossene Abkommen mit Ägypten, zukünftig militärische Infrastruktur an den Küsten (wie etwa bei Port Said od. Alexandria) benutzen zu dürfen.314 Die Zypernkrise führte im Sommer 1974 zu einer erneuten Steigerung der Aktivitäten der sowjetischen 3. Eskadra. Mehrere leichte Kreuzer, Raketenkreuzer, Raketenzerstörer und Zerstörer hielten sich in der kritischen Phase in den Gewässern um die Insel Zypern auf. Am 6.

310 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 194f. 311 vgl. BAUMANN, Gerhard, Zeitschriftenschau - Die Zypernkrise als Bündnisproblem, in: ÖMZ, Jg. 13, 1/1975, Wien 1975, S. 81. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 90. 312 vgl. H., Allgemeine Rundschau – Türkei, Streitkräfte und Militärhilfe, In: ÖMZ, Jg. 13, 3/1975, Wien 1975, S. 265. 313 Schätzungen des Jahres 1983 zur Handelsnutzung des Mittelmeeres durch die Sowjetunion ergaben, dass etwa 30% der sowjetischen Exportlieferungen von Gütern jeglicher Art und 50% der Importe die Bosporus Meerenge passierten. vgl. DODD, Norman L., Die NATO-Streitkräfte im Südabschnitt – Allied Forces Southern Europe, in: ÖMZ, Jg. 22, 1/1984, Wien 1984, S. 20. 314 vgl. WEINLAND, Robert G., Ägypten und die sowjetische Mittelmeerskadra, in: ÖMZ, Jg. 15, 6/1977, Wien 1977, S. 478, 479. 71 August wurde eigens ein sowjetischer Satellit für einen dreitägigen Aufklärungseinsatz zur Be- obachtung der 6. amerikanischen (Mittelmeer)Flotte eingesetzt:315 Die 6. amerikanische Flotte befand sich seit Juni 1948 im Mittelmeer und bildete dort das Rückgrat der Marinepräsenz des westlichen Militärbündnisses. Neben diesem wesentlichen Beitrag zum militärischen Potenzial der NATO in Europa verfolgten die USA durch den der 2. Atlantikflotte unterstellten Marineverband auch eigene politische und militärische Interessen. Die 6. Flotte unterstand dem Oberbefehlshaber der US-Seestreitkräfte in Europa und damit nicht dem Oberkommando des NATO-Befehlsbereiches Süd in Neapel. Jedoch unterstand der Oberbefehlshaber der 6. Flotte insofern dem NATO-Befehlsbereich Süd, indem dieser in Per- sonalunion zusätzlich die Funktion des Oberbefehlshabers der Kampf- und Unterstützungsver- bände der NATO im Mittelmeer ausübte. Obwohl als Einsatzgebiet das gesamte Mittelmeer der 6. Flotte zugewiesen war, erfüllte vor allem die Präsenz im östlichen Mittelmeer den amerikani- schen Beitrag zu den Zielsetzungen der NATO in diesem Raum, da durch die strategisch expo- nierte Lage der NATO-Staaten Griechenland, Türkei und bis zu einem gewissen Grad auch Italien, geographisch bedingte Lücken gefüllt werden konnten. Die Berücksichtigung des Um- standes, dass durch eine Addierung der militärischen Potenziale der Mittelmeer Anliegerstaaten (französische Mittelmeerflotte, sowjetische 3. Eskadra, 6. amerikanische Flotte) in diesem Raum die stärkste militärische Konzentration der damaligen Welt bestand, verdeutlicht die be- sondere Bedeutung der 6. Flotte. Die konkrete Aufgabenstellung der amerikanischen Flotte lag in der Unterstützung der Verteidigungsmaßnahmen Italiens, Griechenlands und der Türkei. So wurden diesen Staaten Kampfmittel zur Sicherung des Mittelmeerraumes gegen feindliche Unterseeboote und Überwasserkräfte bereitgestellt und durch das Vorhandensein zweier US- Flugzeugträger (Task Group 60.1 und 60.2 der NATO-Kampfgruppe 60) zudem Luftunterstüt- zung ermöglicht. In psychologischer Hinsicht repräsentierte die Stationierung der 6. Flotte im allgemeinen Klima der gegenseitigen Abschreckung von Ost und West ein Zeugnis militäri- scher Stärke des westlichen Bündnisses. Die enge Kooperation mit anderen NATO-Staaten ver- suchte die Wahrnehmung einer kollektiven Sicherheitspolitik der NATO zu erzeugen und dien- te als Grundlage für direkte Einflussnahmen in regionale Konflikte, wie dem griechisch- türkischen Gegensatz in der Ägäis oder im Zypernkonflikt. Da die politische Haltung der Mit- telmeerstaaten Ende der 1970er nicht immer mit amerikanischen Vorstellungen korrelierten und dies zu einem weitgehenden Verzicht auf maritime Anlegeplätze in Malta, Frankreich, Grie- chenland und der Türkei führte, beschränkten sich die Möglichkeiten zur Benutzung von Häfen und Werfteinrichtungen auf italienische Küstenstädte, wie Genua, Neapel oder Gaeta.

315 vgl. PL, Die Schwarzmeerflotte der sowjetischen Kriegsmarine, in: ÖMZ, Jg. 17, 3/1979, Wien 1979, S. 227. vgl. PL, Allgemeine Rundschau - USA, Die 6. Flotte im Mittelmeer, in: ÖMZ, Jg. 18, 1/1980, Wien 1980, S. 62- 63. 72 Abb. 14, Tabelle „Die sowjetische Marinepräsenz im Mittelmeer 1964-1976“316

Jahr Schiffstage Ø-Schiffs-Tagesstärke Summe der Passagen 1964 1.500 5 95 1965 2.800 8 129 1966 4.400 12 153 1967 8.100 22 242 1968 11.000 30 230 1969 15.000 41 263 1970 16.500 45 271 1971 19.000 52 277 1972 18.000 49 254 1973 20.600 56 285 1974 20.200 55 238 1975 20.000 55 238 1976 18.600 50 225

Die Veränderung der Kräfteverhältnisse zwischen Ost und West, von der praktischen Nichtexis- tenz sowjetischer Marineeinheiten im Mittelmeer Anfang der 1960er Jahre, hin zu den Zahlen der frühen 1970er Jahre, hatte insofern Auswirkungen auf den Zypernkonflikt, als dass die stra- tegische Bedeutung der Türkei dadurch gegenüber Griechenland einmal mehr aufgewertet wur- de. Schließlich waren sowohl die NATO, als auch die UdSSR um ihre Gunst bemüht, was vor allem die zögernde Haltung und die verminderte Verhandlungsintensität der USA im Zuge der Zypernkrise erklären kann.317 Dennoch musste die Sowjetunion bereits 1976 wieder alle ägyptischen Stützpunkte ver- lassen. Der 1971 unterzeichnete Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit wurde von Ägyptens Präsident Sadat aufgekündigt, da man mit der sowjetischen Anteilnahme am ägyp- tisch-israelischen Oktoberkrieg 1973 unzufrieden war.318

316 vgl. WEINLAND, Robert G., Ägypten und die sowjetische Mittelmeerskadra, in: ÖMZ, Jg. 15, 6/1977, Wien 1977, S. 478, 479. siehe dazu auch Abb. 38 im Anhang. 317 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, 184-186. 318 vgl. WEINLAND, Robert G., Ägypten und die sowjetische Mittelmeerskadra, in: ÖMZ, Jg. 15, 6/1977, Wien 1977, S. 482. 73 7.2.2 Die griechischen und türkischen Beziehungen zur NATO – Konflikte in der Ägäis, auf Zypern und die US-Stützpunktfrage

Der angespannten Lage zwischen Griechenland und der Türkei319 wurde einmal mehr durch griechische Armeemanöver im September 1977 Ausdruck verliehen. Im Rahmen der Übung „Sturm III“ fanden Seemanöver im Norden und Zentrum des Ägäischen Meeres statt, während in Ost-Thrakien (grenzt an den europäischen Teil der Türkei) Manöver der Land- und Luft- streitkräfte abgehalten wurden.320 Bei Wahlen in der Türkei vom 5. Juni 1977 ging entgegen den Erwartungen nicht Bü- lent Ecevit als Sieger hervor, sondern Süleyman Demirel, der mehr als Ecevit bereit war, in der Zypernfrage Konzessionen mit den Verhandlungspartnern einzugehen. Zeitgleich kam es zu einer dreimonatigen Führungskrise innerhalb der türkischen Armee, die erst nach längeren Ver- handlungen, der Pensionierung von vier Generälen und der Ernennung des Generals Kenan Evren zum Heereschef beendet werden konnte. Schon zum Jahresende 1977 befand sich die im Juni gewählte türkische Regierung in der Krise, aus der Ecevit schlussendlich als Ministerprä- sident hervorging. Ecevit erklärte sich bereit, die türkischen Vorschläge zur Lösung der Zy- pernkrise neu zu überdenken. Weiters gab er bekannt, mit dem griechischen Ministerpräsiden- ten Karamanlis über die Ägais- und Zypernfrage sprechen zu wollen.321 In Griechenland stand hingegen Karamanlis vor dem Problem, dass der Rest seiner Le- gislaturperiode bis zum November 1978 nicht ausreichen würde, um das Ägais- und Zypern- problem lösen und die Verhandlungen über den Beitritt Griechenlands zur EG führen zu kön- nen. Daraufhin löste er am 20. Oktober 1977 das Parlament auf und stellte sich der Wiederwahl, die er auch gewann. Dadurch hatte Karamanlis wieder den nötigen zeitlichen Spielraum, um in allen drei griechischen Verhandlungsthemen zielführend arbeiten zu können. Auch der durch die passive Haltung der USA und der NATO im Zuge der türkischen Invasion auf Zypern ent- standene Riss in den diplomatischen Beziehungen322 wurde in der zweiten Jahreshälfte 1977 dahingehend gekittet, als das die stillschweigende Rückkehr griechischer Truppen in das Bünd- nissystem erfolgte und griechische Verbände wieder an NATO-Übungen im Mittelmeer teil-

319 Aufgrund der türkischen Intervention auf Zypern von 1974 und die seit 1971 bestehende Frage der Grenzzie- hung in der Ägäis. 320 Das Verteidigungsbudget für 1977 betrug in Griechenland 26% des Staatshaushaltes (5,5% des BNP). vgl. R., Allgemeine Rundschau – Griechenland, Nationale Manöver, in: ÖMZ, Jg. 15, 6/1977, Wien 1977, S. 514. 321 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 205. 322 Griechenland hatte am 14. August 1974 aus Protest seine Truppen aus dem Nordatlantikbündnis abgezogen. (siehe Seite 62). Im Nachhinein kann jedoch festgehalten werden, dass ein griechischer Austritt aus der NATO zu keiner Zeit in Erwägung gezogen wurde. vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 205. 74 nahmen.323 Somit konnte die Gefährdung der NATO-Südflanke, die Mitte der 1970er Jahre vor allem das Luftverteidigungsnetz betraf, zusätzlich durch eine mehrjährige 700 Millionen US- Dollar Militärhilfe für Griechenland abgewendet werden. Zusätzlich wurde ein neues Verteidi- gungsbündnis zwischen den USA und Griechenland geschlossen, welches eine Neuregelung amerikanischer Stützpunkte beinhaltete. So wurde eine Basis der US-Mittelmeerflotte auf Kreta und ein Nachschublager auf dem Athener Hellenikon-Flugplatz der griechischen Regierung unterstellt und zur Hälfte mit griechischem Personal besetzt. Alle übrigen Stützpunkte blieben jedoch unangetastet.324 Das Verhältnis der NATO zur Türkei besserte sich ebenfalls gegen Ende der 1970er Jahre, wenn auch die vormalige enge Beziehung nicht ganz wiederhergestellt werden konnte. Wie schon auf Seite 71 erwähnt, wurde im Zusammenhang mit der türkischen Invasion auf Zy- pern ein US-Waffenembargo am 5. Februar 1975 erlassen. Die Türkei drohte daraufhin mit der Schließung aller 26 US-Stützpunkte325 auf türkischem Gebiet und warnte davor, die Aufhebung des Embargos von einer Lösung der Zypernfrage abhängig zu machen.326 Dies bewog die USA zu einer Umkehr, wenngleich ein voller Umfang amerikanischer Wirtschafts- und Rüstungshil- fe für die Türkei erst nach zufriedenstellender Lösung des Ägäis- und Zypernkonfliktes zu er- warten gewesen war. In der kurzen Amtsperiode Demirels (Juli bis Dezember 1977) wurde das Ansinnen formuliert, eine Erhöhung der Schlagkraft der türkischen Armee durch eine Erweite- rung des Kreises von Waffenlieferanten und durch die Schaffung einer eigenen, nationalen Kriegsindustrie zu erreichen, um so die türkische Verteidigungspolitik von ausländischen Inte- ressen unabhängiger machen zu können.327 Dies geschah unter anderem durch einen Waffenlie- ferungsvertrag mit der Bundesrepublik Deutschland vom 13. Mai 1978, in dem sich die BRD zur Lieferung von Rüstungsgütern im Wert von 1,2 Milliarden D-Mark verpflichtete. Der Druck der Türkei, den sie mit der Schließung der US-Militärstützpunkte auf Amerika ausübte, brachte den damaligen US-Präsidenten Carter im April zur Zusage von Militärhilfen im Um- fang von 225 Millionen US-Dollar für das Jahr 1978, bei gleichzeitiger Unterstützung Grie- chenlands mit 140 Millionen US-Dollar. Ebenso wurde wie mit Griechenland durch die Reakti-

323 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 205. 324 Weiters befanden sich eine US-Artillerieeinheit in Eleusis und Lagada in Nordgriechenland, Fernmeldeeinrich- tungen auf Kreta und bei Marathon, sowie ein NATO-Raketenschießplatz bei Khania auf Kreta. vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 206. 325 Die Einrichtung von US-Stützpunkten geht auf das von der Türkei und den USA unterzeichnete Abkommen über militärische Zusammenarbeit vom 5. 3. 1959 zurück. Die der NATO zugehörigen Stützpunkte und Komman- doeinrichtungen blieben von der Schließung unberührt. vgl. R., Allgemeine Rundschau – Türkei, Die amerikanischen Stützpunkte, in: ÖMZ, Jg. 17, 1/1979, Wien 1979, S. 79. 326 vgl. MG., Allgemeine Rundschau - Türkei/Griechenland, Streitkräfte und Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 16, 6/1978, Wien 1978, S. 533. 327 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 206. 75 vierung des 1976 unterzeichneten Lieferabkommens gleichzeitig ein mehrjähriges Militärhil- fen-Programm im Umfang von über 1 Milliarde US-Dollar in Aussicht gestellt.328 Die Türkei konnte Anfang 1978 mit ihrer Argumentation gegen das 1975 über sie verhängte US- Waffenembargo wie folgt punkten: Neben der Aufgabe, eine 610 Kilometer lange Grenze zur Sowjetunion zu sichern zu, musste die Türkei wirtschaftliche Interessen in der Ägäis verfolgen und die Schutzverpflichtung gegenüber den Zyperntürken wahrnehmen. Zusammen mit der schon oft zitierten Sonderrolle der Türkei in der NATO-Verteidigungsstrategie Südosteuropas konnte die Türkei das Embargo am 16. August 1978 kippen.329 Die in die Tat umgesetzte türkische Androhung von der Schließung von US- Stützpunkten als Reaktion auf das 1975 erlassene Waffenembargo wurde durch die Wiederin- betriebnahme von vier US-Stützpunkten im Oktober 1978 teilweise rückgängig gemacht, und bildete den Auftakt für die im Jänner 1979 stattfindende Neuverhandlung über die künftige mi- litärische Unterstützung der Türkei durch die USA. Die der Türkei in Erwartung gestellte Rüs- tungsunterstützung im Gesamtvolumen von einer Milliarde US-Dollar sollte durch eine Koope- ration der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der BRD finanziert werden. Weiters wurde im Februar 1979 die Öffnung zwölf weiterer Stützpunkte für die US-Streitkräfte in der Türkei bekanntgegeben.330 Eine weitere Aufwertung der türkischen Position innerhalb der NATO erfolgte auch durch die Übertragung des NATO-Kommandos Südost, sowie durch die Bestellung eines türki- schen Befehlshabers für die 6. Taktische Luftflotte in Izmir, was auch Gründe für die Reinteg- ration Griechenlands in den Nordatlantikpakt waren.331

328 Siehe Abb. 15, Seite 77. vgl. MG., Allgemeine Rundschau - Türkei/Griechenland, Streitkräfte und Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 16, 6/1978, Wien 1978, S. 533. 329 Der amerikanische Kongress hob im Herbst 1978 das Waffenembargo unter der Bedingung auf, dass US- Präsident Carter der Überzeugung sein muss, die Türkei werde sich im guten Glauben um die Lösung der Zypern- frage bemühen. vgl. R., Allgemeine Rundschau – Türkei, Die amerikanischen Stützpunkte, in: ÖMZ, Jg. 17, 1/1979, Wien 1979, S. 79. Wolfe gibt als Datum des Endes des Waffenembargos den 26. September 1978 an. vgl. WOLFE, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 92. Das Verteidigungsbudget der Türkei betrug für das Jahr 1978 20,3% des Gesamthaushaltes. Dies bedeutete für das Land eine hohe Belastung, da es unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten (Inflationsrate 1977 30%, Arbeitslosenrate 1977 16%, Auslandsverschuldung 1978 13,1 Milliarden US-Dollar) zu kämpfen hatte. Die Streitkräfte der Türkei bestanden im Jahr 1978 aus ca. 470.000 Mann, davon entfallen auf das Heer 375.000, auf die Marine 48.000 Mann und auf die Luftstreitkräfte 47.000 Mann. vgl. MG., Allgemeine Rundschau - Türkei/Griechenland, Streitkräfte und Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 16, 6/1978, Wien 1978, S. 532, 533. vgl. MG., Allgemeine Rundschau - Türkei/NATO, Rüstungshilfe und Verteidigungsabkommen, in: ÖMZ, Jg. 18, 3/1980, Wien 1980, S. 259. 330 vgl. MG., Allgemeine Rundschau - Türkei/NATO, Rüstungshilfe und Verteidigungsabkommen, in: ÖMZ, Jg. 18, 3/1980, Wien 1980, S. 259-260. 331 vgl. MG., Allgemeine Rundschau - Türkei/Griechenland, Streitkräfte und Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 16, 6/1978, Wien 1978, S. 533. 76 Abb. 15, Tabelle „Militärhilfen Griechenland/Türkei Ende der 1970er Jahre“332

Wirtschafts- und Militärhilfen Griechenland Türkei USA 1978 140 Millionen US-Dollar 225 Millionen US-Dollar mehrjährige US-Militärhilfen bis 1980 700 Millionen US-Dollar 1 Milliarde US-Dollar USA 1980 - 450 Millionen US-Dollar mehrjährige US-Militärhilfen ab 1980 - 5 Milliarden US-Dollar BRD 1978 60 Millionen D-Mark 1,2 Milliarden D-Mark BRD 1980 - 380 Millionen US-Dollar

Jedoch konnten die wirtschaftlichen und politischen Zugeständnisse an die Türkei erst nach der Überwindung der Opposition Griechenlands erfolgen. Im Gegenzug zur Bestellung eines türki- schen Befehlshabers für die 6. Taktische Luftflotte in Izmir gewährte man den Griechen die Bildung eines neuen regionalen NATO-Hauptquartiers für Land- und Luftstreitkräfte in Laris- sa.333 In dieser Phase der allgemeinen Entspannungspolitik zwischen den zuvor im Zuge des Zypernkonflikts auf Konfrontationskurs mit der NATO befindlichen Staaten334 betonte jedoch der am 10. Mai 1980 neu gewählte griechische Ministerpräsident Georgios Rallis eine Abkehr von der bisherigen außenpolitischen proamerikanischen Haltung hin zu einem „national unab- hängig außenpolitischen Kurs“ Griechenlands. Die Aussage muss wohl in Zusammenhang mit den Ereignissen des Nahen und Mittleren Ostens335 gebracht werden, da diese im östlichen Teil des Mittelmeeres stärker spürbar wurden, als im restlichen Europa und somit Einfluss auf die politischen Haltungen Griechenlands und der Türkei nahmen.336 Ausgelöst durch eine schwere wirtschaftliche Krise in der Türkei Ende der 1970er putschten am 1. September 1980 türkische Militärs unter der Führung von Generalstabschef Kenan Evren337 gegen die Regierung Demirels und vollzogen einen unblutigen Führungswech- sel des Landes durch die Bildung einer Militärregierung. Im Zuge des politischen Umsturzes wurden zahlreiche Oppositionspolitiker verhaftet, darunter auch zeitweise der frühere Minister- präsident Bülent Ecevit, der vormalige Ministerpräsident Demirel und der Vorsitzende der is- lamisch-orthodoxen Partei Necmettin Erbakan. Ziel der Regierung Evrens war es, Recht und

332vgl. MG., Allgemeine Rundschau - Türkei/Griechenland, Streitkräfte und Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 16, 6/1978, Wien 1978, S. 533. vgl. MG., Allgemeine Rundschau - Türkei/NATO, Rüstungshilfe und Verteidigungsabkommen, in: ÖMZ, Jg. 18, 3/1980, Wien 1980, S. 259-260. 333 Die griechischen Kommandobehörden verweigerten bis zu diesem Zeitpunkt die Mitarbeit im nunmehrig tür- kisch befehligten NATO-Oberkommando Südost. In Larissa sollte das Kommando der 7. Taktischen Luftflotte seinen Sitz erhalten, wobei die türkische Regierung nun eine Aufteilung des Luftraumes über der Ägäis forderte. MG., Allgemeine Rundschau - Türkei/NATO, Rüstungshilfe und Verteidigungsabkommen, in: ÖMZ, Jg. 18, 3/1980, Wien 1980, S 260. 334 Androhung der Schließung von US-Militärstützpunkten durch das im Februar verhängte Waffenlieferungsem- bargo über die Türkei sowie der Austritt Griechenlands aus dem militärischen Bereich der Nordatlantischen Alli- anz im Jahr 1975. 335 Israelisch-arabischer Gegensatz unter Berücksichtigung des globalen Ost-West Konfliktes. 336 vgl. FREISTETTER Franz, Internationaler Kurzbericht, in: ÖMZ, Jg. 18, 4/1980, Wien 1980, S. 323, 324. 337 Kenan Evren wurde damit zum 7. Staatspräsidenten der Türkischen Republik und regierte das Land bis 1989. 77 Ordnung innerhalb des türkischen Staatsgebietes wiederherzustellen, starben doch durch poli- tisch motivierte terroristische Attacken verschiedener Urheber seit 1975 an die 5.000 Men- schen, allein im Jahr vor dem Militärputsch ca. 2.000. Gegenüber der Internationalen Politik wurde das Versprechen zur Rückkehr zu einer Zivilregierung gemacht, sowie die Bündnistreue zur NATO bekräftigt.338 Die Verhaftungen von politischen Oppositionellen, sowie andere Menschenrechtsverlet- zungen brachten der türkischen Militärregierung in unmittelbarer Folgezeit internationale Kritik ein. Der Europarat forderte im Jahr 1982 eine Untersuchung der Lage in der Türkei, da man die vorgebrachte Begründung der Verhinderung rechts- oder linksradikaler Terroranschläge durch die Militärregierung nicht zur Verschleierung von gewaltsamen Übergriffen seitens des Militärs gelten lassen wollte. Die türkische Regierung kündigte daraufhin ein Einreiseverbot für eine künftige Delegation des Europarates an. Dennoch bekundete die Türkei Interesse, rund 290 Kampfflugzeuge aus westlicher Erzeugung kaufen zu wollen, was Griechenland ebenfalls auf den Plan rief, zwischen 60 und 100 Maschinen modernster Bauart erwerben zu wollen.339 Zuvor wurde im Jänner 1981 auf NATO-Süd Kommandoebene über den Status von vier US-Stützpunkten auf griechischem Staatsgebiet verhandelt, in denen die Griechen nun, gemäß dem von Ministerpräsident Rallis verordneten außenpolitischen Kurs, die Oberhoheit einforder- ten. Weiters verlangte Griechenland vorab der Gespräche eine Gleichbehandlung in Fragen internationaler Militärhilfen an die Türkei. Schließlich einigten sich 1979 mehrere NATO- Staaten und die Türkei auf die Gewährung von Wirtschafts- und Militärhilfen im Umfang von mehreren Milliarden US-Dollar über mehrere Jahre hinweg, was auf der westlichen Seite der Ägäis Argwohn erzeugte.340 Die griechisch-amerikanischen Verhandlungen scheiterten allerdings im Juni 1981 an der US-amerikanischen Weigerung, Griechenland die geforderte Oberhoheit über vier größere und zwölf kleinere Militärbasen zu übertragen, wenngleich die auf Grund des Abkommens von 1953 betriebenen Stützpunkte zunächst nicht von einer Schließung bedroht waren. Zwar schlos- sen die BRD und Griechenland im Zuge dieser über mehrere Monate dauernden NATO- Frühjahrsgespräche einen Waffenlieferungsvertrag für das Jahr 1983, jedoch konnte keine Übereinstimmung zwischen Griechenland und den USA über weitere Wirtschafts- und Militär- hilfen erzielt werden. Die damaligen griechischen Politiker warfen den Amerikanern daraufhin eine „ungenügende pro-griechische“ Haltung in der Ägäis-Frage vor, da zusätzlich im Rahmen

338 vgl. FREISTETTER, Franz, Internationaler Kurzbericht, in: ÖMZ, Jg. 18, 6/1980, Wien 1980, S. 501. 339 vgl. FREISTETTER, Franz, Internationaler Kurzbericht, in: ÖMZ, Jg. 20, 2/1982, Wien 1982, S. 148. 340 vgl. FREISTETTER, Franz, Internationaler Kurzbericht, in: ÖMZ, Jg. 19, 2/1981, Wien 1981, S. 132. Nach Einschätzungen des westlichen Bündnisses verfügte die Türkei Anfang der 1980er Jahre über eine mangeln- de Infrastruktur, einschließlich weniger Verbindungslinien an Straßen und Eisenbahnen, sowie über kein Pipeline- netz. vgl. DODD, Norman L., Die NATO-Streitkräfte im Südabschnitt – Allied Forces Southern Europe, in: ÖMZ, Jg. 22, 1/1984, Wien 1984, S. 20, 21. 78 eines an der Westküste der Türkei abgehaltenen NATO-Manövers die Modernisierung der auf dem Stand der 1950er befindlichen türkischen Armee in Aussicht gestellt wurde, um dem stra- tegischen Verteidigungskonzept des Nordatlantikpaktes weiterhin Folge leisten zu können. Ishan Gürkan skizziert in der Zeitschriftenschau der ÖMZ 4/1981 die geostrategische Bedeu- tung der Türkei für das Nordatlantikbündnis. In der „Zone der Zersplitterung“, wie der Autor die Länder des Nahen Ostens charakterisiert, müsse die Türkei in Einheit mit dem Iran als ein Sperrriegel gegenüber sowjetischen Ambitionen von Norden her betrachtet werden.341 Durch die fehlende innere Konsolidierung der Türkei und der steten Gefahr eventueller Umsturzversu- chen Anfang der 1980er Jahre konnte im Falle einer fortgesetzten sowjetischen Unterstützung für türkische linke Gruppen mit einer Entfremdung der Türkei von der NATO gerechnet wer- den. Die westlichen Verbündeten der Türkei wollten durch umfassende Wirtschafts- und Mili- tärhilfen die Modernisierung des Landes bzw. der Armee sicherstellen342, und somit einer sow- jetischen Anbiederung zuvorkommen. Durch die Kontrolle der Meerengen zwischen dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeer blieb das Interesse der NATO somit an einer voran- schreitenden Integration der Türkei aufrecht, um eine Steigerung des sowjetischen maritimen Potenzials im Mittelmeer verhindern zu können. Zudem bestand für die amerikanische Fernauf- klärung das sogenannte „Tausendmeilenfenster“ entlang der türkischen Nordküste zur Kontrol- le der sowjetischen Aktivitäten auf atomarem Sektor. In militärischer Hinsicht band die türki- sche Armee 20 sowjetische Divisionen und bot zusätzlich auch Griechenland einen gewissen militärischen Schutz343, sodass das Schicksal der Türkei wie schon die Jahrhunderte zuvor mit der Balkanhalbinsel verbunden blieb. Die Haupthindernisse für die Beilegung des griechisch-

341 ebenso vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 86. 342 Die Kosten zur Modernisierung der türkischen Armee wurden im Jahr 1983 auf 15 Milliarden US-Dollar ge- schätzt, wovon unter anderem bereits 3 Milliarden US-Dollar aus den USA aufgewendet wurden, dazu 1 Milliarde D-Mark aus der BRD. Die USA gab Anfang 1983 eine Aufstockung der Militärkredite für die Türkei von 65 Mil- lionen Dollar auf 460 Millionen Dollar bekannt. Zusätzlich wurde auch eine Wirtschaftshilfe in der Höhe von 350 Millionen Dollar beschlossen. Obwohl der damalige türkische Verteidigungsminister Haluk Byülken die Steige- rung der jährlichen internationalen Militärhilfen auf 1 Milliarde US-Dollar forderte, stiegen die finanziellen Unter- stützungen von 547 Millionen US-Dollar (1981) auf lediglich 755 Millionen US-Dollar (1983). Nach wie vor war ebenfalls der Aufbau einer unabhängigeren türkischen Rüstungsindustrie als Mittelverwendung geplant. Die Fra- gen der Rüstungslieferungen an die Türkei waren innerhalb der NATO mit den Bedenken und Forderungen Grie- chenlands abzustimmen, was die Aufrechterhaltung der Verteidigungsstrategie in NATO-Südost genauso er- schwerte, wie die Anfang der 1980er Jahre ins Blickfeld er Öffentlichkeit geratene Kurdenfrage in der Osttürkei. vgl. R., Allgemeine Rundschau – Türkei, Militärhilfe durch NATO, in: ÖMZ, Jg. 21, 1/1983, Wien 1983, S. 87. vgl. R., Allgemeine Rundschau – Türkei, Streitkräfte und Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 21, 5/1983, Wien 1983, S. 460, 461. 343 Nach den USA bildet der Anteil der türkischen Armee mit fast 600.000 Soldaten (andere Quellen sprechen von einem Personalstand von bis zu 740.000, vgl. Dodd, S. 20.) den größten Truppenanteil der westlichen Allianz im Mittelmeerbereich. Jedoch ist die Türkei aufgrund des mangelhaften technischen Standards der Streitkräfte und durch die prekäre Finanzsituation des Staates auf Wirtschafts- und Militärhilfen durch ihre Bündnispartner ange- wiesen. R., Allgemeine Rundschau – Türkei, Streitkräfte und Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 21, 5/1983, Wien 1983, S. 460, 461. vgl. DODD, Norman L., Die NATO-Streitkräfte im Südabschnitt – Allied Forces Southern Europe, in: ÖMZ, Jg. 22, 1/1984, Wien 1984, S. 20. 79 türkischen Streites Anfang der 1980er stellten nach wie vor die unklare Grenzziehung in der Ägäis sowie der ungelöste Zypernkonflikt dar.344 Griechenlands Ministerpräsident Papandreou gab im Jahr 1982 erneut Anzeichen hin- sichtlich eines griechischen Austritts aus der NATO, während Spanien hingegen um die Auf- nahme in das Nordatlantikbündnis ersuchte. Dem spanischen Ersuchen wurde im selben Jahr von allen NATO-Mitgliedern zugestimmt, während die latente Spannung mit ihrem bereits vor- handenen Partner Griechenland weiter bestand.345 Im Frühjahr 1983 stimmte zwar die neue sozialistische Regierung Griechenlands für eine offizielle Rückkehr in die militärischen Struk- turen der Nordatlantischen Allianz, was jedoch nicht einen weiteren griechischen Truppenab- zug aus dem im Herbst desselben Jahres stattfindenden NATO-Manöver verhindern konnte.346

7.2.3 Denktasch vollzieht die Teilung – Gründung der TRNZ 1983

Gegen Ende des Jahres 1976 hatte sich die Lage auf Zypern beruhigt. Wohl um den für 1977 in Nikosia angekündigten Volksgruppengesprächen zwischen dem damaligen UN-Generalsekretär Waldheim, dem griechisch-zypriotischen Vertreter Makarios347 und dem türkisch-zypriotischen Vertreter Denktasch eine Gesprächsbasis zur Lösung des Konfliktes geben zu können.348 Am 12. Februar 1977 lud Waldheim in Nikosia Makarios und Denktasch zu Gesprächen über die zukünftige Entwicklung auf Zypern ein. Schon in vorangegangenen Gesprächen wurde versucht, die durch die Invasion von 1974 entstandene Situation zu lösen. Doch erst im Februar 1977 erklärte sich Makarios bereit, eine föderative Lösung des Zypernkonflikts akzeptieren zu können. Nur die Vorstellungen, auf welcher Staats- und Regierungsform diese Föderation zu

344 vgl. R., Allgemeine Rundschau – NATO, Rüstung und Stützpunkte im Südost- und Südwestbereich, in: ÖMZ, Jg. 19, 4/1981, Wien 1981, S. 341. vgl. FREISTETTER, Franz, Internationaler Kurzbericht, in: ÖMZ, Jg. 21, 4/1983, Wien 1983, S. 334. vgl. GÜRKAN, Ishan, Zeitschriftenschau - Die Türkei, Eckpfeiler der NATO im Südosten, Beiträge zur Konflikt- forschung, 1/1981, in: ÖMZ, Jg. 19, 4/1981, Wien 1981, S. 343. 345 vgl. FREISTETTER, Franz, Internationaler Kurzbericht, in: ÖMZ, Jg. 20, 1/1982, Wien 1982, S. 46. 346 Im November 1982 schied Griechenland aufgrund einer Kontroverse mit der Türkei um die Hoheitsrechte der Ägäisinsel Lemnos aus dem NATO-Manöver „Apex-Express 82“ aus, ein Jahr darauf (September/Oktober 1983) ebenso aus dem NATO-Manöver „Display Determination“, dem ein prophylaktischer Protest gegen eine geplante NATO-Benützung (die Türkei beteiligte sich ebenso an dem Manöver) von griechischem See- und Luftraum vo- rausgegangen war. Nach Einschätzungen über die strategische Wichtigkeit Griechenlands für den NATO- Südabschnitt wird von einigen Stellen die Wahrnehmung formuliert, dass nicht die Sowjetunion, sondern der Bündnispartner Türkei als primärer Opponent angesehen wird. Von NATO-Seite wurde erklärt, dass sie sich nicht als internationaler Gerichtshof im griechisch-türkischen Konflikt verstehe. Die geschilderten Ereignisse lassen sich auch in den darauffolgenden Jahren beobachten, so auch bei der gleichnamigen NATO-Übung des Jahres 1984. vgl. FREISTETTER, Franz, Internationaler Kurzbericht, in: ÖMZ, Jg. 21, 2/1983, Wien 1983, S. 157. vgl. DODD, Norman L., Die NATO-Streitkräfte im Südabschnitt – Allied Forces Southern Europe, in: ÖMZ, Jg. 22, 1/1984, Wien 1984, S. 16, 19. R., Die NATO - Manöver Autumn Forge ‚84, in: ÖMZ, Jg. 22, 6/1984, Wien 1984, S. 499. 347 Makarios kehrte nach fast fünf Monaten Exil am 7. Dezember 1974 unter dem Jubel tausender Zyperngriechen auf die Insel zurück. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 283. 348 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 204. 80 begründen wäre, klafften weit auseinander. Zwar wollten sich beide Inselteile zu einem unab- hängigen, blockfreien, bi-kommunalen Bundesstaat Zypern bekennen, jedoch war die Frage der Art und Intensität der Trennungslinie umstritten. Die türkische Seite brachte durch eine ver- stärkte Umsiedlungspolitik und ihrer Haltung gegenüber zyperngriechischen Flüchtlingen zum Ausdruck, dass sie auf klare Trennungslinien zwischen griechischer und türkischer Inselregion bestehen würde. Dahingegen versuchte die griechische Seite, sich einen gewissen Handlungs- spielraum offen zu halten, indem sie großen Wert auf die Bezeichnung „bi-kommunal“ anstatt „bi-regional“ legte. Die griechische Auslegung bedeutete, dass innerhalb eines separierten Bun- desstaates weiterhin ethnische Minderheiten auf der Insel denkbar und somit der Fortbestand griechischer Siedlungen im Norden der Insel (und türkischer im Süden, ca. 250 Personen) gesi- chert gewesen wäre.349 Neben der Streitfrage der Staatsform war die Frage der zukünftigen zyprischen Regie- rung ein Gegenstand der ersten Volksgruppengespräche von 1977. Denktasch vertrat den Standpunkt, dass durch die Invasion von 1974 eine Teilung des Inselterritoriums in zwei auto- nome Verwaltungsgebiete bereits erfolgt sei und somit eine Rückkehr zur zypriotischen Verfas- sung von 1960 nicht zur Regelung der veränderten Situation beitragen kann. Die Zyperngrie- chen wollten sich nicht mit der türkischen Forderung nach einer mit möglichst wenigen Kom- petenzen ausgestatteten Zentralregierung abfinden und forderten eine Regierung, die es erlaub- te, die gesamte Insel regieren zu können, zumal die Regierung des Südteils von der UNO und der Masse der Völkergemeinschaft als Rechtsnachfolger der vor 1974 bestehenden gesamtzyp- riotischen Republik betrachtet wurde.350 Auch in der Frage der territorialen Aufteilung konnte keine Einigung erzielt werden. Obwohl die türkische Seite in der Gebietsaufteilungsfrage zu gewissen Zugeständnissen bereit gewesen wäre, konnte sie der griechischen Forderung nach einer Aufteilung gemäß dem Bevöl- kerungsanteil nicht nachkommen. So wollten die Zyperngriechen den Zyperntürken nur rund 20 Prozent der Fläche der Insel zugestehen, die größtenteils aus wasserarmen, kargen Landstrichen bestand und über keinen internationalen Seehafen oder große Industrieanlagen verfügte.351 So- mit wurden die Volksgruppengespräche von 1977 im Frühsommer abgebrochen, ohne weitere

349 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 205. vgl. PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 299. 350 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 205. 351 vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 89. Zur Frage der territorialen Oberhoheit und Gebietsteilung: vgl. PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 299. vgl. WOLFE, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 75f. 81 offene Fragen, wie der Entschädigung für verlorenes Eigentum, der Bewegungsfreiheit auf der Insel oder über den Umgang mit den über 2.000 Vermissten überhaupt behandelt zu haben. Nach dem Tod des Erzbischofes Makarios am 3. August 1977 wurde der langjährige Außenminister und frühere Parlamentspräsident Spyros Kyprianou von allen Parteien des Sü- dens zuerst provisorisch, Ende Jänner 1978 endgültig für die nächsten vier Jahre als Staatsprä- sident bestätigt. UN-Generalsekretär Waldheim schlug nach einer Reise in die Türkei Griechenland und Zypern die Fortführung der Einigungsgespräche für März 1978 in Wien vor. Trotz der sich an- nähernden Positionen der Konfliktparteien war die Atmosphäre des Wiener Gipfeltreffens noch immer von den blutigen Jahren von 1963-1974 überschattet. Die Durchführung erneuter Volks- gruppengespräche war in der zweiten Hälfte des Jahres 1977 noch ungewiss, da in den zyprioti- schen Mutterländern zuerst innenpolitische Krisen gelöst werden mussten352, um die Volks- gruppenvertreter mit genügend Rückendeckung in die Verhandlungen schicken zu können.353 Die darauffolgenden Einigungsgespräche fanden 1979 statt, in denen der griechisch- zypriotische Teil nicht mehr vom 1977 verstorbenen Erzbischof Makarios III., sondern vom neu gewählten Präsidenten Spyros Kyprianou vertreten wurde. Doch auch dieser lehnte das Ange- bot Denktaschs eines zukünftigen zwei-Zonenstaates mit der Begründung ab, dass er keinen Bundesstaat mit türkischer Mehrheit akzeptieren könnte.354 Die Wiederaufnahme der Volksgruppengespräche am 9. August 1980 und die am 22. April 1981 erreichte Übereinkunft über die gemeinsame Einrichtung eines der Klärung von Schicksalen vermisster Personen behandelnden Komitees, stellen den bedeutendsten Erfolg der Verhandlungen seit des einseitig erklärten türkisch-zypriotischen Bundestaates von 1974 dar. Dass innerhalb des Wahlkampfes für die im Frühjahr 1981 anstehende Wahl in beiden Teilen Zyperns mit bestehenden Ressentiments auf Stimmenfang gegangen wurde, war dem Fortschritt der Einigungsgespräche nicht förderlich.355 In den sogenannten Volksgruppengesprächen unter UNO-Vermittlung, die in den Jahren 1980 – 1983 fortgesetzt wurden, forderten die Zyperngriechen nach wie vor einen Einheitsstaat,

352 siehe Kapitel 7.2.2. 353 So war die Verhandlungsbreitschaft Denktaschs eng mit der Aufrechterhaltung der Stationierung der 30.000 Mann starken türkischen Schutztruppe verbunden. vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 205. 354 Jedoch wurde die allgemeine Vereinbarung zur Bildung eines unabhängigen, blockfreien und bi-kommunalen (und nicht „bi-regionalen“) zyprischen Einheitsstaates vom 12. Februar 1977 bestätigt und durch Pläne zur Demili- tarisierung der Insel erweitert. vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 89. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 284. Der Norden der Insel bezeichnete sich zu diesem Zeitpunkt als „Turkish Federated State of Kibris“ (TFSK) vgl. WOLFE, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 78, 84f. 355 vgl. PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 299-304. 82 während die Zyperntürken zu territorialen Zugeständnissen unter der Voraussetzung der Bil- dung eines Zwei-Staaten-Bündnisses bereit waren. So sollte anstatt der ursprünglich geforder- ten 36,3 Prozent anteiligen zyperntürkischen Fläche der Nordteil der Insel nur mehr etwa 30 Prozent umfassen, wobei die Zyperntürken auf das Gebiet von Varosha, einen Teil der frucht- baren Mesaoria-Ebene, einen Teil der Westküste, die Enklave Kokkina/Erenköy sowie einem ein bis drei Kilometer breiten Gebietsstreifen entlang der bisherigen Grenze verzichten wollen würden.356 Die Bildung eines gemeinsamen Bundesrates, der nach dem föderalen Prinzip Be- reiche der Außenpolitik, der Verteidigung, Justiz, Hochschulwesen, Bundesfinanzen und dem Sozialwesen als Betätigungsfelder abdecken sollte, scheiterte genauso wie die Einigung auf gegenseitige Anerkennung der Gebietsansprüche an der zyperngriechischen Haltung 75 – 80 Prozent der Insel als ihr Territorium beanspruchen zu wollen.357 Durch die unvereinbaren Positionen wurde (wie bereits beschrieben) ein Jahr nach der Invasion der „Türkische Bundestaat von Zypern“ ausgerufen, der durch die gescheiterten Ver- handlungen nicht wie vorgesehen als Bundesland in einer zypriotischen Konföderation aufge- gangen war, sodass am 15. November 1983 die souveräne, nur von Ankara anerkannte „Türki- sche Republik Nordzypern (TRNZ)“ proklamiert wurde. Dem nun 36 Prozent der zypriotischen Fläche und 18 Prozent der Gesamtbevölkerung Zyperns beinhaltenden Staates stand Präsident Rauf Denktasch als Präsident vor. Am 18. November 1983 erklärte der UNO-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 541 die Sezession358 als rechtlich ungültig und forderte die Rücknahme der Proklamation. Bis heute wird die Türkische Republik Nordzypern, die in ihrer Gründungszeit bis zu 50 Prozent seines Budgethaushaltes aus der Türkei bezog, von keinem Mitglied der Ver- einten Nationen anerkannt.359

356 Dazu Wolfe: „Schließlich sah der Plan [der Volksgruppengespräche bis 1983] die türkisch-zypriotische Kon- trolle von ungefähr 29% des Territoriums der Republik vor, allerdings unter der Voraussetzung, daß türkische Zyprioten ihre Kontrolle über diejenigen Städte aufgäben, die schon vor 1974 von griechischen Zyprioten besiedelt gewesen waren.“ vgl. WOLFE, in WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 87. 357 vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 89. siehe dazu auch Abb. 39 im Anhang. 358 Auf den Vorwurf, es handle sich bei der Unabhängigkeitserklärung der TRNZ um eine „Sezession“ entgegnete 1984 der damalige Außenminister der TRNZ, Necati Ertekün: „1. The 1960 bi-national partnership Republic has been deliberately destroyed by the Greek Cypriots in 1963. The Turkish Cypriot People were ousted completely from this Republic. The Greek Cypriots have established since 1963 a completely new Greek Cypriot State which, on no account, can claim to represent both national peoples of Cyprus. It is an exclusively Greek Cypriot State. No Turkish Cypriot can vote for, or can be elected or appointed to, any of the organs of this Greek Cypriot State. How can the Turkish Cypriots be said to secede from a State which has no constitutional, legal, or factual tie with the Turkish Cypriot People? The Greek Cypriots, after demolishing the partnership Republic, have chosen to create their own exclusively Greek Cypriot State. What has been done now, is merely to re-name the State which they were obliged to establish, step by step, since 1963. 2. The Turkish Cypriot People have again extended, and are still extending, their hand in peace and friendship to their Greek Cypriot neighbors, informing them of their sincere and constant intention to re-establish with them a new partnership, within the framework of a genuine federation. vgl. ERTEKÜN, Necati, The Cyprus dispute and the birth of the Turkish Republic of Northern Cyprus, Nicosia 1984, S. 122. 359 vgl. FREISTETTER, Franz, Internationaler Kurzbericht, in: ÖMZ, Jg. 22, 1/1984, Wien 1984, S. 49. siehe dazu auch Abb. 40 im Anhang. 83 7.3 VON DER GRÜNDUNG DER TRNZ BIS ZUM ANNAN-PLAN

7.3.1 Die amerikanischen Wirtschafts- und Militärhilfen bis zum Ende des Kalten Krieges als Politikum im Ägäis- und Zypernkonflikt

Der im regionalen Umfeld Zyperns seit Jahrzehnten stattfindende griechisch-türkische Gegen- satz fand im abermaligen griechischen Protest im Zuge der NATO-Übung „Display Determina- tion“ im Rahmen des „Autumn Forge ‘84“-Manövers seine Fortsetzung. Schon Wochen zuvor erteilte Griechenland der Aufforderung zur Teilnahme eine Absage und protestierte aufgrund der vermeintlichen Wahrung seiner Souveränitätsrechte und der Luftraumkontrolle über der Ägäis. Der Flugplatz der Insel Lemnos, nahe der türkisch-anatolischen Grenze gelegen, sollte nach griechischem Wunsch in die Übung mit einbezogen werden, obwohl die türkische Regie- rung die Auffassung vertrat, dass die Militarisierung der Insel nach bestehenden internationalen Verträgen verboten sei.360 Umgehend erging eine griechische Protestnote, die das Einfliegen türkischer Flugzeuge in den griechisch-ägäischen Luftraum verbot und die Einstellung des zivi- len Luftverkehrs über der Ägäis androhte, die in einem begrenzten Zeitraum auch tatsächlich stattfand.361 Trotzdem verkündete im November 1984 die griechische Regierung den Kauf von 80 Kampfflugzeugen neuester Bauart mit dem Ziel, die griechischen Luftstreitkräfte zu erneuern, aber auch um damit (ihrer Auffassung nach) das militärische Gleichgewicht in der Ägäis auf- rechtzuerhalten. Das Kaufvolumen betrug in etwa 3 Milliarden US-Dollar und wurde mit Aus- nahme der beiden kommunistischen von allen Parteien Griechenlands beschlossen. Obwohl Griechenland seit Beginn der 1980er im Umgang mit der NATO verstärkt nationalen Interessen nachging, bedeutete dies nicht unbedingt eine ideelle Entfernung vom Atlantikbündnis als sol- ches, da durch die gemeinsame Mitgliedschaft mit der Türkei auch eine Barriere gegenüber des historischen Opponenten gesehen wurde. Ferner wurde mit den USA eine Neuregelung in der Stützpunktfrage getroffen. Das neue Abkommen über die Benützung von vier großen Luft-, Flotten- und Fernmeldestützpunkten rund um Athen (Hellenikon, Nea Makri) sowie auf Kreta (Souda, Heraklion) beinhaltete weiters an die hundert Einzelverträge über die amerikanischen Präsenzrechte für dutzende Militärobjekte wie Radaranlagen, Luftabwehrkomplexe, Lagerhäu- ser oder Munitionsdepots. Sollte bis fünf Monate vor Beendigung des Abkommens keine der beiden Parteien die Vereinbarung aufkündigen, so würde sich der vom 31. Dezember 1983 bis

360 Gemäß den Verträgen von Lausanne (1923) und dem Pariser Vertrag (1947). vgl. R., Die NATO - Manöver Autumn Forge ‚84, in: ÖMZ, Jg. 22, 6/1984, Wien 1984, S. 499. AICHINGER, Wilfried, Allgemeine Rundschau - Die globale Bündnispolitik der USA, in: ÖMZ, Jg. 24, 5/1986, Carl, Wien 1986, S. 430. 361 vgl. PL., Allgemeine Rundschau – NATO, Manöver „Display Determination 84“, in: ÖMZ, Jg. 23, 1/1985, Wien 1985, S. 83. 84 zum 31. Dezember 1988 geltende Stationierungsvertrag von rund 8.000 US-Soldaten automa- tisch bis zum Jahr 1990 verlängern.362 Die Differenzen zwischen Griechenland, den USA und den weiteren NATO-Partnern wurden neben der bestehenden Weigerung Griechenlands, an der jährlich stattfindenden NATO-Übung „Display Determination“ teilzunehmen363, im Laufe des Jahres 1985 weiter ver- schärft. So bekam man in Athen die Information, dass am NATO-Defensive College in Rom ein fiktiver Manöverplan, der einen politischen Umsturz durch das Militär im Falle eines links- gerichteten Wahlsieges beinhaltete, zu Ausbildungszwecken herangenommen wurde. Trotz einer Entschuldigung durch das NATO-Militärkomitee auf diplomatischem Wege beschloss die griechische Regierung künftig keine Offiziere und Diplomaten mehr an der Akademie ausbil- den zu lassen.364 Ein ebenfalls ungelöster Konflikt in den griechisch-türkischen Beziehungen war die Sta- tionierung griechischer Truppen auf Lemnos, welche die Türkei strikt verurteilte. Die übrigen NATO-Staaten verhielten sich in der Sache jedoch mit dem Argument zurückhaltend, dass es sich hierbei um eine bilaterale Angelegenheit handle. Dies rückte die mögliche Aufkündigung des Stationierungsvertrages der USA in Griechenland erneut ins Blickfeld. Sollte sich Athen bis zum Jahr 1988 zu einer Aufkündigung entschließen, würde dies den Abzug aller amerikani- schen Soldaten aus Griechenland bedeuten.365 Zur Durchsetzung nationaler Interessen beauftragte Griechenland Mitte der 1980er Jahre auch kommunistische Staaten mit der Lieferung von Rüstungsgütern. Die Sowjetunion, die CSSR, aber auch Japan sollten militärische Ausrüstung im Umfang von ca. 78 Millionen US- Dollar liefern, wobei Griechenland das erste NATO-Mitglied wäre, dass kampfunterstützendes Gerät aus den Waffenfabriken des Ostblocks in seiner Armee verwenden würde.366 Im März 1985 bestellte Griechenland zudem Kampfflugzeuge westlicher Bauart im Wert von ca. 2 Mil- liarden US-Dollar, die zusammen mit Ausgaben von ca. 800 Millionen US-Dollar für die Mo-

362 vgl. R., Allgemeine Rundschau - Griechenland Flugzeugkauf und amerikanische Stützpunkte, in: ÖMZ, Jg. 23, 1/1985, Wien 1985, S. 75, 76. vgl. MG., Allgemeine Rundschau – Griechenland, Verteidigungspolitik und Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 23, 6/1985, Wien 1985, S. 574. 363 Griechenland und die Türkei nahmen aufgrund des griechischen Fernbleibens von 1983 bis 1992 an keinem Manöver des NATO-Südostkommandos gemeinsam teil. vgl. Fußnote 396. vgl. R., Allgemeine Rundschau - Die Herbstmanöver der NATO, in: ÖMZ, Jg. 23, 6/1985, Wien 1985, S. 561. vgl. R., Allgemeine Rundschau - NATO Manöver im Mittel- und Südabschnitt, in: ÖMZ, Jg. 24, 5/1986, S. 497. 364 vgl. MG., Allgemeine Rundschau – Griechenland, Verteidigungspolitik und Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 23, 6/1985, Wien 1985, S. 574. 365 vgl. MG., Allgemeine Rundschau – Griechenland, Verteidigungspolitik und Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 23, 6/1985, Wien 1985, S. 574. 366 vgl. MG., Allgemeine Rundschau – Griechenland, Verteidigungspolitik und Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 23, 6/1985, Wien 1985, S. 574. 85 dernisierung der Luft- und Seestreitkräfte herangezogen wurden.367 Jedoch exportierte Grie- chenland auch Waffen aus eigener Produktion, vornehmlich nach Nordafrika. So hatte man mit Libyen im Jahr Waffengeschäfte von ca. 1 Milliarde US-Dollar vereinbart. Als Bezahlung er- hielt Griechenland zum Großteil Rohöllieferungen, die wohl auch Gegenstand von Lieferge- schäften mit dem Irak, Syrien, Jordanien, Ägypten oder, noch geplant, mit Saudi-Arabien wa- ren. Diese Geschäfte waren im Westen nicht unumstritten, lieferten die Griechen doch hoch- wertige Waffenerzeugnisse ohne ausreichende Kontrolle an arabische Staaten.368 Die Türkei hingegen schloss Anfang des Jahres 1986 einen Vertrag mit einer amerikani- schen Rüstungsfirma, die auf osttürkischem Gebiet im Zeitraum von 10 Jahren 160 Kampfflug- zeuge des neusten technologischen Standards fertigen sollte. Gesamtvolumen des Rüstungsge- schäftes waren 4,5 Milliarden US-Dollar, wobei die Türkei selbst lediglich 1 Milliarde US- Dollar beisteuerte.369 Die Bereitstellung von 50 kanadischen Kampfflugzeugen war an die ein- zige Auflage geknüpft, die Flugzeuge nicht gegen Griechenland oder Zypern zu stationieren, sondern einen Beitrag zur Steigerung des NATO-Luftpotentials im Verteidigungssektor Südost zu leisten.370 Ein weiteres Vertragswerk von 1986 sprach der Türkei weitere 970 Millionen US- Dollar an amerikanischen Wirtschafts- und Militärhilfen zu. Der türkischen Regierung ging es vornehmlich um die weitere Verbesserung des bestehenden 10:7 Verteilungsschlüssels für US- Militärhilfen zwischen der Türkei und Griechenland, um eine Verschiebung des strategischen Kräfteverhältnisses zu ihren Gunsten im Rahmen der immanent existierenden Ägäisfrage errei- chen zu können.371 Unterdessen hing die Entscheidung hinsichtlich der Frage über eine Verlängerung der Stationierung von US-Soldaten nach 1988 daran, ob die USA bereit waren, 200 Millionen US- Dollar in die Modernisierung ihrer bisher genutzten militärischen Einrichtungen in Griechen- land investieren zu wollen, oder nicht. Zwar bewilligten die Amerikaner diese Finanzmittel, jedoch wurden weitere Zahlungen an Griechenland, das sich seit den 1970er Jahren im ständi- gen Konkurrenzkampf mit der Türkei um westliche Rüstungshilfen befand, von der griechi- schen Entscheidung in der Stützpunktfrage abhängig gemacht. Die USA bauten auf die Tatsa- che, bereits Vorleistungen für Griechenland erbracht zu haben, wie zum Beispiel gemäß dem Waffenlieferungsvertrag vom November 1984.372 Zudem würde eine Räumung der US-

367 vgl. MG., Allgemeine Rundschau – Griechenland, Verteidigungspolitik und Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 23, 6/1985, Wien 1985, S. 574, 575. 368 vgl. MG., Allgemeine Rundschau – Griechenland, Verteidigungspolitik und Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 23, 6/1985, Wien 1985, S. 575. 369 vgl. R., Allgemeine Rundschau – NATO, Die Manöver „Display Determination“, in: ÖMZ, Jg. 24, 1/1986, S. 100. 370 vgl. WA, Allgemeine Rundschau – Türkei, Waffenhilfe und Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 24, 2/1986, Wien 1986, S. 190. 371 vgl. AICHINGER, Wilfried, Allgemeine Rundschau - Die globale Bündnispolitik der USA, in: ÖMZ, Jg. 24, 5/1986, Carl, Wien 1986, S. 430. 372 Damit ist die Lieferung von 80 Kampfflugzeugen im Wert von 3 Milliarden US-Dollar gemeint. 86 Stützpunkte nach 1988 eine verstärkte amerikanische Militärhilfe für die Türkei bedeuten. Dies wäre ein schwerer Schlag für die griechischen Bestrebungen das 7:10 zu ihren Ungunsten ste- hende Verhältnis für US-Hilfslieferungen zu ändern. Eine zusätzliche, diplomatische Option zur Beibehaltung der in Griechenland befindlichen Stützpunkte wäre eine formelle Unterstellung der Einrichtungen durch einen NATO-Kommandanten anstelle eines amerikanischen.373 Um den Entscheidungsprozess zum Weiterverbleib US-amerikanischer Truppen im Sin- ne des Nordatlantikpaktes gestalten zu können, stellte sich die NATO in der Frage über die rechtmäßige oder unrechtmäßige Stationierung von griechischen Truppen auf Lemnos still- schweigend auf die Seite Griechenlands374 und finanzierte zur Unterstreichung ihrer Position die Errichtung eines Militärflugplatzes auf der Insel. Doch auch Griechenland konnte seine Verbündeten nicht dauerhaft durch die Verfolgung nationaler Interessen brüskieren, wollte man nicht die eigene Verhandlungsposition in der ungelösten Zypernfrage allzu stark verschlechtern. Letztendlich konnte und wollte Griechenland nicht auf US-amerikanische Wirtschaftshilfe ver- zichten, da durch die Rivalität mit der Türkei der griechische Staatshaushalt durch hohe Vertei- digungsausgaben belastet wurde.375 Dem Ende 1986 zwischen Griechenland und den USA beschlossenen Vertrag über eine weitere Modernisierung der griechischen Streitkräfte stand eine türkisch-amerikanische Koope- ration für das Jahr 1987 gegenüber. In diesen Verhandlungen herrschte eine gewisse Zeit Unei- nigkeit über die Höhe der zu erwartenden US-Militärhilfen. So erwartete sich die Türkei eine Steigerung der 1986 erhaltenen 896 Millionen US-Dollar auf insgesamt 1,2 Milliarden US- Dollar für das Jahr 1987. Am Ende wurden der türkischen Regierung ca. 590 Millionen US- Dollar an Finanzmitteln, sowie die unentgeltliche Lieferung zweier Fliegerstaffeln im Gesamt- wert von 300 Millionen US-Dollar zugesprochen. Zusätzlich gewährten die USA günstigere Kreditraten für künftige oder bereits bestehende Rückzahlungen der Türkei. Am Status der Be- nützung von US-Militärbasen in der Türkei änderte sich 1987 nichts.376 Eine Richtungsänderung in der amerikanischen Stützpunktfrage vollzog der griechische Ministerpräsident Ende Jänner 1987. Nach der bisherig eher zurückhal- tenden Position in der Frage der Verlängerung des 1988 auslaufenden Vertrages mit den USA erklärte er sich zu einer Neuverhandlung des Vertrages bereit und betonte, dass Griechenland

373 vgl. WA, Allgemeine Rundschau – Griechenland, Stützpunkte, Streitkräfte, Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 24, 2/1986, Wien 1986, S. 183. 374 Man berief sich auf den Vertrag von Montreux (1936), wonach die Befestigung der ägäischen Inseln legal sei. vgl. AICHINGER, Wilfried, Allgemeine Rundschau - Die globale Bündnispolitik der USA, in: ÖMZ, Jg. 24, 5/1986, Carl, Wien 1986, S. 431. 375 vgl. AICHINGER, Wilfried, Allgemeine Rundschau - Die globale Bündnispolitik der USA, in: ÖMZ, Jg. 24, 5/1986, Carl, Wien 1986, S. 431. vgl. WA, Allgemeine Rundschau – Griechenland, Stützpunkte, Streitkräfte, Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 24, 2/1986, Wien 1986, S. 183. 376 vgl. WA, Allgemeine Rundschau – Türkei, Kooperation mit den USA, Modernisierung der Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 25, 2/1987, Wien 1987, S. 191. 87 weiterhin ein Bestandteil des westlichen Bündnisses sein werde, um einen eskalierenden Kon- flikt mit dem Opponenten Türkei in näherer Zukunft ausschließen zu können.377 Dieses Ansinnen währte allerdings nur wenige Monate, bis die Athener Regierung die Verstaatlichung einer multinationalen Ölgesellschaft veranlasste und indirekt ankündigte, dass sich Probebohrungen in der Ägäis nicht notwendigerweise auf griechische Territorialgewässer beschränkt sein müssten. In der griechisch-türkischen Streitfrage um die Festlegung der Ge- bietsansprüche des anatolischen Festlandsockels in der Ägäis hat die griechische Regierung vorgeschlagen, zur Klärung den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu beauftragen, was von türkischer Seite mit dem Vorwurf abgelehnt wurde, dass Griechenland die türkische Min- derheit in Thrakien unterdrücke. Der griechische Ministerpräsident hatte die direkte Fortsetzung eines griechisch-türkischen Dialoges vom Abzug türkischer Truppen aus Nordzypern abhängig gemacht, sodass Verhandlungen zur Beilegung der Streitpunkte auch 1987 noch nicht in Reichweite schienen.378 Die überregionale Wirkung des Disputes, vor allem für die Verteidi- gungsstrategie der NATO-Südflanke, zeigt sich in der sich abzeichnenden ablehnenden Haltung Griechenlands in der Frage der Verlängerung oder Neuverhandlung des 1988 auslaufenden Vertrages über die amerikanischen Stützpunkte in Griechenland. Dabei existierte seit dem auf- tretenden Konflikt über vermutete Erdölfelder in der Ägäis lediglich eine Ölförderanlage bei Thassos, mit einer Fördermenge von 28.000 Barrels pro Tag, was weder Griechenland noch die Türkei davon abhielt, sich weiter auf ihr selbst zu gesprochenes Recht der Fortführung der Su- che nach Erdöl im umstrittenen Gebiet zu berufen. Als Reaktion auf die neu formulierten grie- chischen Ambitionen entsendete die Türkei Ende März 1987, begleitet von Patrouillenbooten der türkischen Marine, das Ölforschungsschiffel „Hora Sismik I“ in die Nähe der griechischen Inseln Lemnos und Lesbos. Dies führte wie schon in den Jahren 1974 und 1976 zu erhöhter Alarmbereitschaft der griechischen und türkischen Marine, der auf Zypern stationierten Trup- pen und einer gesteigerten Antagonie zwischen Griechenland und der Türkei. Die Türkei wei- gerte sich, die Ägäisstreitfrage vor den Haager Gerichtshof zu bringen und stellte sich auf den Standpunkt bilateraler Verhandlungen. Griechenland verweigerte jedoch bilaterale Verhandlun- gen, da durch die türkische militärische Überlegenheit Athen eine schwächere Position in Ver- handlungen gehabt hätte. Gleichzeitig wies man den türkischen Vorwurf, mit der Militarisie- rung ostägäischer Inseln gegen den Vertrag von Lausanne zu verstoßen, mit dem Hinweis auf das türkische militärische Eingreifen auf Zypern zurück.379 So wie sich Griechenland von der Türkei bedroht fühlte, sah sich auch die Türkei einer griechischen Bedrohung ausgesetzt. Man

377 Die USA sprach in diesem Zusammenhang die Garantie der Wahrung der griechisch-türkischen Grenzen aus. vgl. WA, Allgemeine Rundschau – Griechenland, Verteidigungspolitik und Stützpunktfrage, in: ÖMZ, Jg. 25, 3/1987, Wien 1987, S. 275. 378 vgl. WA, Allgemeine Rundschau - Rüstungskooperation und Rüstungsbeschaffung, Zum griechisch-türkischen Konflikt, in: ÖMZ, Jg. 25, 2/1987, S. 178. 379 vgl. WA, Allgemeine Rundschau – NATO, Der Ägäiskonflikt, in: ÖMZ, Jg. 25, 4/1987, Wien 1987, S. 385. 88 interpretierte die griechische militärische Präsenz in der Ostägäis als Beweis für „großhellenis- tische Bestrebungen“380 und verteidigte seine Zypernpolitik mit dem Argument, dass der Inva- sion von 1974 ein griechischer Putschversuch vorausgegangen war. Neben der Streitfrage, wo nun die Grenze des anatolischen Festlandsockels gezogen werden sollte, bildete das bisher mit sechs Seemeilen vom Festland oder Inselgebiet festgelegte Hoheitsrecht auf Gewässer einen zweiten Problempunkt. Griechenland, das aufgrund seiner über 2.000 Inseln 43,68 Prozent der Ägäis als Territorialgewässer beanspruchte, hatte im Vergleich weit mehr Raum für Operatio- nen jeglicher Art zur Verfügung, als die Türkei, die rund 7,47 Prozent für sich reklamieren konnte. Die restlichen 48,85 Prozent der Ägäis waren internationale Gewässer. Sollte Griechen- land seine Hoheitsgrenzen, wie durch die Ratifizierung der internationalen Seerechtskonvention von 1982 angekündigt, auf 12 Seemeilen ausweiten, wären über zwei Drittel der Ägäis unter griechischer Kontrolle, was von der Türkei nicht akzeptiert und als ein Kriegsgrund aufgefasst werden würde.381 Ein dritter Streitpunkt in der Ägäisfrage war die Luftraumüberwachung, die ja seit 1983 Griechenland dazu veranlasste, unter Protest den jährlich stattfindenden NATO-Manövern fern- zubleiben. Seit 1952 verlief die Luftraumgrenze entlang der türkischen Territorialgewässer (die ja ihrerseits umstritten waren). Bis zur Zypernkrise von 1974 war dies ob des gemeinsamen NATO-Kommandos in Izmir kein Gegenstand für Komplikationen. Von 1974 bis 1980 war dann dieser Luftraum für die zivile Luftfahrt gesperrt. Nach der Öffnung dieses Raumes bedeu- tete dies jedoch die Kontrolle der internationalen Luftfahrt durch Griechenland, sodass die Tür- kei die Verlegung der Luftraumgrenze in die Mitte der Ägäis verlangte, was Griechenland mit dem Hinweis ablehnte, dass in diesem Falle ein Großteil der griechischen Inseln zu Enklaven werden würden.382 Vor dem Hintergrund der Erdölsuche in der Ägäis vermehrten sich über das letzte Jahr- zehnt verstärkt maritime, strategische, wirtschaftliche und auf nationalen Eitelkeiten basierende Elemente, deren Ursache tief in der gemeinsamen Vergangenheit der beiden Mittelmeerstaaten zu finden sind. Die Vorwürfe Griechenlands, dass die Türkei im Zuge von NATO-Manövern wiederholt griechischen Luftraum verletze383, sowie die griechische Verweigerung der Zustim- mung für einen EG-Beitritt der Türkei, dienten als Beispiel.384

380 Man denke in diesem Zusammenhang an die „Kleinasiatische Katastrophe“ 1919-1922. 381 vgl. KARNER, Gerald, Internationaler Kurzbericht, in: ÖMZ, Jg. 33, 4/1995,Wien 1995, S. 430. 382 vgl. WA, Allgemeine Rundschau – NATO, Der Ägäiskonflikt, in: ÖMZ, Jg. 25, 4/1987, Wien 1987, S. 386. 383 Griechenland reklamierte nicht weniger als 157 Luftraumverletzungen durch NATO-Luftfahrzeuge anlässlich des NATO-Manövers „Display Determination ‘86“, dem man wie schon Jahre zuvor eine eigene Teilnahme ver- weigerte. vgl. WA, Allgemeine Rundschau – Griechenland, Rüstungskooperation und Rüstungsbeschaffung, Zum grie- chisch-türkischen Konflikt, in: ÖMZ, Jg. 25, 2/1987, Wien 1987, S. 178. 384 vgl. FREISTETTER, Franz, Internationaler Kurzbericht, in: ÖMZ, 3/1987, Wien 1987, S. 253. siehe dazu auch Abb. 41 im Anhang. 89 In der Frage der US-Militärhilfen für die Türkei legte diese im März 1987 eine ansonsten zu- tiefst griechische Angewohnheit an den Tag. Da wie auf Seite 87 beschrieben, die Türkei nicht die von ihr erwarteten Geldmittel zugesprochen bekam (569 Millionen US-Dollar plus Sach- werte anstatt die bereits heruntergesetzte Forderung von rund 1 Milliarde US-Dollar) verwei- gerte sie wie Griechenland eine Verlängerung der vereinbarten Abkommen über 66 US- Militäreinrichtungen auf türkischem Territorium. Griechenland verhandelte sein November 1987 seinerseits über den Weiterbestand US-amerikanischer Einrichtung sowie über das hierfür zu erwartende Entgelt in Form von Wirtschafts- und Militärhilfen. Die Regierung Papandreou legte als Datum einer erfolgreichen Beendigung den 31. Juli 1988 fest, andernfalls würde das mit 31. Dezember 1988 befristete Stützpunktabkommen mit den USA nicht verlängert werden. Grundlage für einen Vertragsabschluss wäre für Papandreou einmal mehr die Wahrung „natio- naler Interessen Griechenlands“ gewesen. Jedoch hatten Amerikaner und Griechen eine unter- schiedliche Haltung in der Sache. Griechenland wollte ein völlig neues Abkommen aushandeln, um auf diesem Wege den schwelenden Konflikt mit der Türkei zum Gegenstand bilateraler Verhandlungen zu machen. Die USA strebten lediglich eine Verlängerung zu unveränderten Bedingungen an, da aus ihrer Sicht der Ägäis- und Zypernkonflikt nichts mit der Stützpunktfra- ge zu tun hatte. Neben dem unklaren zukünftigen Status über die Benützung von Militäranlagen belastete auch der Rückgang der amerikanischen Militärhilfe auf 340 Millionen US-Dollar die diplomatischen Beziehungen zwischen Washington und Athen.385 Die Vereinigten Staaten befanden sich in der Stützpunktfrage in einer Zwickmühle. Die Griechen zwangen den Amerikanern in der Frage der Neuverhandlung des Stationierungsab- kommens, welches bis Ende 1988 in Kraft sein würde, Bedingungen auf, die nicht erfüllt wer- den konnten. Die konkrete Forderung Griechenlands war eine US-amerikanische Garantie für die Konflikte in der Ägäis und auf Zypern. Schon seit einiger Zeit verfolgte die Regierung in Athen eine Politik „griechisch-nationaler Interessen“, die aus Rücksichtnahme auf den Bünd- nispartner Türkei von den USA nicht unterstützt werden konnte. Schließlich verhandelte die USA zeitgleich auch mit der Türkei über 27 weitere amerikanische Stützpunkte, deren Verträge Ende 1990 auslaufen würden. Nach der siebenten Beratungsrunde erklärte die griechische Re- gierung die Verhandlungen als vorerst gescheitert und kündigte am 12. Juli 1988 das seit 1983 bestehende386 griechisch-amerikanische Wirtschaftskooperationsabkommen (DECA) auf. Die amerikanische Regierung hatte nun ab dem Jahreswechsel 1988/1989 insgesamt siebzehn Mo- nate Zeit seine ca. 3.600 Soldaten von griechischem Gebiet abzuziehen, sofern zwischen Juli 1988 und Jahresende kein neues Abkommen unterzeichnet werden würde. Kurz danach wurde

385 Die US-Militärhilfen für Griechenland waren 1987 um 30 Prozent niedriger, als 1983. vgl. WA, Allgemeine Rundschau – NATO, Die US-Stützpunkte im AFSOUTH-Bereich, in: ÖMZ, Jg. 26, 1/1988, Wien 1988, S. 89. 386 Siehe Seite 84, 85. 90 die definitive Schließung der US-amerikanischen Luftwaffenbasis Hellenikon auf dem Gelände des internationalen Flughafens von Athen erklärt.387

7.3.2 Das regionale Umfeld des Zypernkonflikts vom Ende des Kalten Krieges bis zum Annan-Plan

Das Ende des Kalten Krieges als Zäsur des späten 20. Jahrhunderts veränderte die weltpoliti- sche Lage völlig und leitete eine Phase der Demilitarisierung der Vereinigten Staaten in Euro- pa388 ein. Der Räumung des Flugplatzes Hellenikon folgte auf amerikanischen Wunsch die Schließung der Marineeinrichtung Nea Makri. Dieser Teilabzug aus Griechenland passte gut in das neue amerikanische Konzept, die Präsenz in Südeuropa zu reduzieren. Mit dem Wegfall der Bedrohung durch Warschauer Pakt Staaten389 wurden der sich im griechischen Wahlkampf be- findenden Regierungspartei die Argumente für die Vermarktung ihrer Politik der „nationaler Interessen“ genommen, was zur Klärung der amerikanischen Stützpunktfrage in Griechenland geführt hat. Zwar sollten auch in der Türkei bis zum Jahr 1993 zwei weitere Basen nach der 1979 geschlossenen Abhörstation Karamursel (südlich von Izmir) aufgelassen werden, jedoch behielt die USA 17 Militäreinrichtungen, die wegen der unklaren politischen Entwicklung der Anrainerstaaten des Schwarzen Meeres wohl weiter in die amerikanischen Verteidigungsstrate- gie mit einbezogen wurden.390 Von Beginn der 1990er Jahre an gewann die Türkei stetig an Eigenständigkeit und Selbstbewusstsein in ihrer Rolle als Regionalmacht des östlichen Mittel- meeres391 hinzu und verwendete die durch NATO-Militärhilfen erlangte militärische Überle-

387 Räumung des Stützpunktes 1992. vgl. WA, Allgemeine Rundschau – USA, Die Verhandlungen über Stützpunkt-Abkommen, in: ÖMZ, Jg. 27, 1/1989, Wien 1989, S. 83, 84. vgl. KORKISCH, Friedrich, Allgemeine Rundschau - USA: Die Frage der Stützpunkte, in: ÖMZ, Jg. 28, 5/1990, Wien 1990, S. 437. 388 Eine Reduzierung der amerikanischen Streitkräfte in Europa wurde als nicht-destabilisierend gewertet, da die ehemaligen Verbündeten der Sowjetunion, wie auch die Sowjetunion selbst, solche ebenfalls vornehmen würden. Laut den zum damaligen Zeitpunkt (1991) aktuellsten KSZE-Vereinbarungen planten die USA eine Truppenreduk- tion von etwa 50 Prozent der NATO-Streitkräfte in Europa, wobei unter anderem bis 1997 ca. 250.000 amerikani- sche Soldaten aus dem wiedervereinigten Deutschland abgezogen werden sollten. vgl. R., Allgemeine Rundschau – USA, Fragen künftiger Truppenstationierungen in Europa, in: ÖMZ, Jg. 29, 3/1991, Wien 1991, S. 280. 389 Mit 1. April 1991 wurde nach 36jährigem Bestehen die Auflösung des militärischen Bündnisses der ehemaligen Ostblockstaaten gemäß des Beschlusses in Budapest vom 24. Februar 1991 vollzogen. vgl. R., Allgemeine Rundschau – USA, Fragen künftiger Truppenstationierungen in Europa, in: ÖMZ, Jg. 29, 3/1991, Wien 1991, S. 280. 390 Nach 1989 verbleibende US-Stützpunkte in der Türkei: [siehe folgende Seite] Luftbasen: Ortakoy, Izmir, Adana, Ankara, Erhac, Incirlik Logistische Basen: Eskisehir, Balikesir Flottenbasen: Adana, Izmir Abhörstationen: Pazar, Persembe, Belbasi, Kargaburun, Sinop, Adana, Pirinclik vgl. KORKISCH, Friedrich, Allgemeine Rundschau - USA: Die Frage der Stützpunkte, in: ÖMZ, Jg. 28, 5/1990, Wien 1990, S. 437. 391 Hier kann die 1989 von der Türkei initiierte und am 25. Mai 1992 in Istanbul formell gegründete Schwarzmeer- kooperation als Beispiel dienen, der neben der Türkei noch die Russische Föderation, die Ukraine, Moldawien, Bulgarien, Rumänien, Albanien, Griechenland, Georgien, Armenien und Aserbaidschan beitraten. Die sich an die 91 genheit gegenüber Griechenland in der türkischen Innenpolitik zur weiteren Verfolgung natio- naler Interessen, wie etwa im Umfeld der Golfkriege 1990/91 bzw. 2003 oder in der Kurdenfra- ge.392 Im griechisch-türkischen Gegensatz der Ägäisfrage oder der Konkurrenz um Nähe zum politischen Westen konnte Griechenland den ökonomischen Aspekt durch die EG- Vollmitgliedschaft von 1981, die Türkei den militärischen Aspekt durch den weiter zu ihren Gunsten verschobenen Verteilungsschlüssel von US-Hilfsleistungen für sich entscheiden.393 Trotz der militärpolitischen Integration der Türkei in Europa blieb die ungelöste Zypernprob- lematik und die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen während der zweimaligen Militärinterventionen der 1960er und 1970er der Grund für die europäische Ablehnung des tür- kischen Antrags auf Vollmitgliedschaft in der EG von 1987.394 Vor allem die Jugoslawienkrise und der Golfkrieg rückten den Zypernkonflikt etwas aus dem Kreuzfeuer der südöstlichen Mittelmeerstaaten, sodass Anfang der 1990er durchaus von einem Klima des wechselseitigen Einvernehmens zwischen Griechen und Türken gesprochen werden kann.395 So nahmen die Türkei und, das erste Mal seit 1983, auch Griechenland wieder gemeinsam an einem NATO-Manöver teil.396 Verschärft wurde der Gegensatz erstmals wieder im Jahr 1994, als Griechenland sich mit dem neuen russischen Staat über den Bau einer Erdöl- pipeline über bulgarisches Gebiet einigte, um so die Türkei umgehen zu können. Vor dem Hin- tergrund neuer Konflikte, in der sich die beiden Staaten nach dem Zusammenbruch der Sowjet-

EG orientierende Wirtschaftsunion mit ca. 400 Millionen Menschen hatte den freien Waren- und Dienstleistungs- verkehr und freien Austausch von Kapital und Arbeitskräften zum Ziel. Vordergründige Kooperationsbereiche waren Transport und Verkehr, Information und Telekommunikation, Energie und Umwelt. vgl. GLATZL, Christian, Die andere Integration: Schwarzmeerraum und Mittelasien, in: ÖMZ, Jg. 30, 5/1992, Wien 1992, S. 419. 392 Die US-amerikanische Militärhilfe, die der Türkei früher im Verhältnis 10:7 gegenüber Griechenland zugespro- chen wurde, war seit dem Ende des Golfkrieges an einen noch günstigeren Verteilungsschlüssels gebunden wor- den. Weiters wäre die Türkei eine der wenigen NATO-Staaten gewesen, die auch an Operationen von höherer Intensität mit Kampfverbänden hätte teilnehmen können, ohne in innenpolitischen Rechtfertigungsnotstand zu geraten. vgl. FREISTETTER, Franz, Internationaler Bericht, in: ÖMZ, Jg. 30, 3/1992, Wien 1992, S. 253. vgl. GLATZL, Christian, Die andere Integration: Schwarzmeerraum und Mittelasien, in: ÖMZ, Jg. 30, 5/1992, Wien 1992, S. 418, 420. 393 vgl. GLATZL, Christian, Die andere Integration: Schwarzmeerraum und Mittelasien, in: ÖMZ, Jg. 30, 5/1992, Wien 1992, S. 420. siehe auch S. 87. 394 vgl. GLATZL, Christian, Die andere Integration: Schwarzmeerraum und Mittelasien, in: ÖMZ, Jg. 30, 5/1992, Wien 1992, S. 418, 419. 395 Ein Abzug der türkischen Truppen wäre innenpolitisch kaum durchzusetzen. vgl. GLATZL, Christian, Die andere Integration: Schwarzmeerraum und Mittelasien, in: ÖMZ, Jg. 30, 5/1992, Wien 1992, S. 420. vgl. KORKISCH, Friedrich, Allgemeine Rundschau – Türkei, Staat zwischen Großmachtambitionen und Destabi- lisierung, in: ÖMZ, Jg. 31, 5/1993, Wien 1993, S. 462. 396 vgl. KARNER, G., Allgemeine Rundschau – NATO, Manöver im Führungsbereich AFSOUTH – „Dragon Hammer 92“, in: ÖMZ, Jg. 30, 6/1992, Wien 1992, S. 551. 92 union befanden397, schwelten die ungelöste Zypernfrage sowie der Streit um Gebietsansprüche in der Ägäis auch Mitte der 1990er Jahre weiter.398 Der Krieg gegen die Kurden, der Mitte der 1990er Jahre pro Jahr zwischen 3.000 u. 4.000 Tote forderte, 1,5 Millionen Menschen zu Binnenflüchtlingen werden ließ, annähernd die Hälfte der türkischen militärischen Ressourcen399 beanspruchte sowie Ostanatolien und den Norden Iraks zum Krisenherd machte, veranlasste die USA ab dem Jahr 1995 zu einer stärkeren Hinwendung zu Griechenland, Albanien und Israel. Für die NATO-Südostflanke bedeutete die sich ebenfalls bemerkbar machende türkische Orientierung an islamisch-politischen Konzeptio- nen ein verändertes Bild möglicher Bedrohungsszenarien. Die in Europa allgemein verbreitete Islamskepsis herrschte auch in Griechenland vor, das die Türkei trotz veränderter geopolitischer Lage nach wie vor als Bedrohung im östlichen Mittelmeerraum empfand.400 Auch Russland wollte in den Verhandlungen mit der Ukraine um eine mögliche Aufteilung der Schwarzmeer- flotte „nicht den Türken das Schwarze Meer überlassen“, was jedoch durch die ehemalige Wir- kung auf das militärische Gleichgewicht des Kalten Krieges begründet wurde.401 In griechisch-türkischen Verhandlungen des Jahres 1995 zur Lösung der Zypernfrage führte einmal mehr die strittige Situation der angekündigten Ausweitung der griechischen Ho- heitsgewässer zu Unstimmigkeiten und Drohgebärden der türkischen Marine, die umgehend Manöver in der Ägäis startete.402 Schon seit langem hatte sich eine von beiden Seiten angewandte „Blockadepolitik“ auf- grund des Ägäis- und Zypernkonflikts entwickelt. Insbesondere Griechenland wollte keine Kompromisse in der Ägäis eingehen, solange die Zypernfrage nicht gelöst war. Auch die

397 Griechenland stand nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens einem Interessenskonflikt mit Mazedonien und Albanien gegenüber, die Türkei hatte die innere terroristische Bedrohung durch die kurdische PKK abzuwenden und wurde durch die Ereignisse im Kaukasus (Krieg zwischen Aserbeidschan und Armenien) auch im Nordosten seines Territoriums vor sicherheitspolitische Fragen gestellt. 398 vgl. FREISTETTER, Franz, Internationaler Bericht, in: ÖMZ, Jg. 32, 4/1994, Carl, Wien 1994, S. 399, 400. 399 Die bisherigen Kosten des Kurdenkonfliktes beliefen sich im Jahr 1995 auf 30 Milliarden Dollar. vgl. KORKISCH, Friedrich, Neue Bedrohungen für Europa?, in: ÖMZ, Jg. 33, 1/1995, Wien 1995, S. 19. 400 vgl. KORKISCH, Friedrich, Neue Bedrohungen für Europa?, in: ÖMZ, Jg. 33, 1/1995, Wien 1995, S. 19. 401 Eine vorläufige Regelung vom 9. Juni 1995 teilte die Schwarzmeerflotte zwischen Russland und der Ukraine im Verhältnis von 81,7 zu 18,3 Prozent. vgl. MALEK, Martin, Die russische Flotte im Umbruch, in: ÖMZ, Jg. 33, 1/1995, Wien 1995, S. 42. vgl. MAGENHEIMER, Heinz, Herausforderungen und Weichenstellung, in: ÖMZ, Jg. 34, 1/1996, Wien 1996, S. 9. 402 Das nur von Griechenland ratifizierten Abkommen (Genfer Konvention über den Festlandsockel 1958, See- rechtsabkommen 1982), die die umstrittene Möglichkeit einer Ausdehnung der Seemeilengrenze beinhaltete, wür- den der Türkei den Zugang zu internationalen Gewässern durch die Ägäis größtenteils abschneiden. Weiters wür- den eventuell vorhandene Ressourcen (zum Beispiel vermutete Ölvorkommen bei Thassos) im Gestein des Fest- landsockels jeder Insel dem jeweiligen Besitzer zustehen, sodass durch die Nahe Lage der ostägäischen Inseln zum türkischen Festland Konflikte um deren Abbau vorprogrammiert wären. Die Ablehnende Haltung der Türkei ver- anlasste im Gegenzug Griechenland zu einer Blockadepolitik auf europäischer Ebene, welche einen Beitritt der Türkei zur EU verhindern sollte. Das neuerliche türkische Ansuchen auf Vollmitgliedschaft (erster Antrag erfolgte bereits im April 1987) wurde mit dem Zusatz versehen, dass die Türkei im Falle einer Ablehnung durch die EU künftig sein Vetorecht gegen eine Aufnahme neuer Mitglieder in NATO in Anspruch nehmen würde. vgl. KARNER, Gerald, Internationaler Kurzbericht, in: ÖMZ, Jg. 33, 4/1995,Wien 1995, S. 430. vgl. RIEMER, Andrea K., Die Türkei: Wandel und Kontinuität, in: ÖMZ, Jg. 35, 2/1997, Wien 1997, S. 153. vgl. KARNER, Gerald, Internationaler Bericht, in: ÖMZ, Jg. 35, 2/1997, Wien 1997, S. 176. 93 1992/93 auf der Grundlage des Vertrages von Maastricht gegründete EU erzeugte seit Mitte der 1990er in politischen Verhandlungen Druck auf die Türkei, da Griechenland seine Vetoposition in EU-internen Entscheidungsprozessen ausnutzte, um die Konflikte weiter zu thematisieren. Auch in der Frage eines möglichen EU-Beitritts der Türkei hing und hängt es davon ab, ob und wie der Status auf Zypern in die Überlegungen der beiden Verhandlungspartner mit einbezogen wird.403 Dass es bis dato nicht zu einer bewaffneten Auseinandersetzung in der Ägäis kam, war weiters dem politischem Druck der nach Ende des Kalten Krieges verbliebenden Supermacht, den USA, zu verdanken.404 Dass die Vereinigten Staaten auch gewillt waren, durch militärische Präsenz vor Ort die Streitparteien maßzuregeln, bewies Ende Jänner 1996 die drohende bewaff- nete Auseinandersetzung um die Felsengruppe Kardak/Imia405, die in letzter Minute durch ein Eingreifen der USA verhindert wurde.406 Das Europäische Parlament verabschiedete mit großer Mehrheit eine Resolution, in der die Türkei als Aggressor betrachtet und beschuldigt wurde, die territoriale Integrität Griechenlands verletzt zu haben.407 Als weiterer Krisenherd zwischen Griechenland und der Türkei erwies sich die neue po- litische Landkarte auf dem Balkan. Das mit dem Zerfall Jugoslawiens entstandene Mazedonien musste sich in seiner Anfangszeit mit verschiedensten Problemen auseinandersetzen. Die serbi- sche Führung, die in Griechenland seinen wichtigsten Verbündeten sah, bekundete Territorial- ansprüche, was sich auch in der offiziellen serbischen Bezeichnung für Mazedonien („Südser- bien“) niederschlug. Griechenland schwächte den mazedonischen Staat durch eine am 16. Feb- ruar 1994 verhängte Wirtschaftsblockade, die nicht nur die Europäische Mittelmeerpolitik blo- ckierte, sondern vorläufig auch eine Integration Mazedoniens in die EU verhinderte. In dieser Phase der Neuverteilung von Einflusssphären in Südosteuropa gelang es der Türkei neben Al- banien auch in Mazedonien einen Verbündeten auf dem Balkan zu finden. Die verstärkte wirt- schaftliche, politische und militärische Kooperation der Türkei mit Mazedonien408 nährte den ohnehin zerfahrenen (bisher jedoch „festgefahrenen“) griechisch-türkischen Antagonismus.

403 So verzögerte griechische Vetopolitik das Vierte EU-Finanzprotokoll oder die Herstellung der Zollunion. vgl. AXT, Heinz-Jürgen, Zeitschriftenschau - Internationale Politik, in: ÖMZ, Jg. 34, 3/1996, Wien 1996, S. 379. 404 vgl. KARNER, Gerald, Internationaler Bericht, in: ÖMZ, Jg. 34, 5/1996, Wien 1996, S. 562. 405 Die Imia-Inseln waren vor 1912 Teil der Türkei, dann von Italien besetzt und 1947 von Italien an Griechenland abgetreten worden. Die Türkei war wegen der angedrohten griechischen Seegrenzenausweitung beunruhigt, ob- wohl in der Berner Erklärung von 1976 und im UNO-Seerechtsabkommen von 1982 kleine, unbewohnte Felsen- riffs von der Bestimmung ausgenommen wurden vgl. KORKISCH, Friedrich, Die amerikanisch-türkischen Beziehungen, in: ÖMZ, Jg. 37, 2/1999, Wien 1999, S. 138. vgl. STRÄSSLE, Paul Meinrad, Miszellen - Zypern und Ägäis, Konflikte zwischen der Türkei und Griechenland und ihre historischen Wurzeln, in: ÖMZ, Jg. 43, 3/2005, Wien 2005, S. 357. 406 vgl. RIEMER, Andrea K., Die Türkei: Wandel und Kontinuität, in: ÖMZ, Jg. 35, 2/1997, Wien 1997, S. 153, 154. 407 vgl. SEN, Faruk, Zeitschriftenschau - Der griechisch-türkische Konflikt und seine Lösungsansätze, in: ÖMZ, Jg. 35, 3/1997, Wien 1997, S. 352. 408 Ferner zielte die türkische Balkanpolitik auf die Entwicklung freundschaftlicher Beziehung zu ihren moslemi- schen Glaubensbrüdern und –schwestern in Bosnien und Albanien ab. vgl. JUREKOVIC, Predrag, Internationale Rundschau - Die sicherheitspolitische Bedeutung der Türkei für Euro- pa, in: ÖMZ, Jg. 36, 1/1998, Wien 1998, S. 59. 94 Nach wie vor hätte ein Kriegsausbruch zwischen den beiden NATO-Mitgliedern gravierende Folgen für die gesamteuropäische Sicherheitsstruktur und den Nordatlantikpakt gehabt.409 Als Folge der Kardak/Imia-Krise des Jahres 1996 deutete Griechenland an, seine Terri- torialgewässer nicht auf 12 Seemeilen ausweiten zu wollen410, wenn es dafür eine türkische Garantie für den Verzicht auf den Einsatz militärischer Mittel in der Ägäisfrage erhalten sollte. Zudem forderte Griechenland die Einschaltung des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag, um die Differenzen in der Ägäis lösen zu können.411 Trotz aller Vorkommnisse musste die NATO, und allen voran die USA, die Türkei wei- terhin in ihr sicherheitspolitisches Konzept zum Schutz der südosteuropäischen Flanke mit ein- beziehen, ging es doch auch am Ende der 1990er Jahre um die Auffüllung des durch den Zu- sammenbruch der Sowjetunion entstandenen Machtvakuums rund um das Schwarze Meer. Be- sonders die zeitweilige türkische Okkupation von kleinen Teilen des Nordirak im Zuge militäri- scher Operationen gegen die kurdische PKK belastete die Kooperation der NATO mit der Tür- kei, was auch die mittlerweile 24jährige Okkupation Nordzyperns immer wieder zum Diskussi- onsthema machte. Für die USA bedeutete ferner die neu an die Macht gelangte islamische „Wohlfahrtspartei“ (Refah) eine mögliche Unterminierung der Südostflanke und stellte die zu- künftige Verfügbarkeit des türkischen Verbündeten für gemeinsame militärische Operationen im Mittleren Osten (Irak, Iran) in Frage.412 Trotz aller Bedenken über eine schleichende Islami- sierung der türkischen Politik entwickelte sich am Ende der 1990er eine enge Verbindung zwi- schen der Türkei (Militärbudget 1999: 6,8 Milliarden US-Dollar413), den USA (US- Militärhilfen für die Türkei 1998: 550 Millionen US-Dollar414) und Israel (türkisch-israelisches Abkommen seit Februar 1996415), deren militärischen Übungen im Mittelmeer (wie etwa zwi- schen 5. und 9. Jänner 1998, Codename „Reliant Mermaid“) sowohl von den arabischen Staaten

409 vgl. JUREKOVIC, Predrag, Die Entwicklung des Konfliktes im Kosvo seit „Dayton“, in: ÖMZ, Jg. 35, 3/1997, Wien 1997, S. 315, 316. 410 Obwohl das nach wie vor bestehende Recht sie ausweiten zu können betont wurde. vgl. SEN, Faruk, Zeitschriftenschau - Der griechisch-türkische Konflikt und seine Lösungsansätze, in: ÖMZ, Jg. 35, 3/1997, Wien 1997, S. 352. 411 vgl. SEN, Faruk, Zeitschriftenschau - Der griechisch-türkische Konflikt und seine Lösungsansätze, in: ÖMZ, Jg. 35, 3/1997, Wien 1997, S. 352. 412vgl. RÜHL, Lothar, Die strategische Lage zum Jahreswechsel, in: ÖMZ, Jg. 36, 1/1998, Wien 1998, S. 5. 413 vgl. KORKISCH, Friedrich, Die amerikanisch-türkischen Beziehungen, in: ÖMZ, Jg. 37, 2/1999, Wien 1999, S. 140. 414 vgl. PROISSL, Internationale Rundschau - Die Neuordnung der türkischen Politik, in: ÖMZ, Jg. 36, 3/1998, Wien 1998, S. 351. 415 Laut Proissl (ÖMZ 3/1998) zielte dieses Abkommen primär auf eine Stärkung der Türkei (die sich im Zuge möglicher EU-Beitrittsverhandlungen von Europa enttäuscht zeigte) in diesem Raum, sekundär jedoch auf zukünf- tige Waffengeschäfte zwischen beiden Staaten ab. So wollte die Türkei israelische Waffentechnik für die voran- schreitende, und bisher vor allem durch Finanzmittel der USA geförderte, Modernisierung ihrer Streitkräfte erwer- ben, wohingegen Israel in der Türkei einen potenziellen Waffenabnehmer sah. Durch das Abkommen war es wei- ters der israelischen Luftwaffe erlaubt, türkischen Luftraum für Übungen zu nutzen. vgl. PROISSL, Internationale Rundschau - Die Neuordnung der türkischen Politik, in: ÖMZ, Jg. 36, 3/1998, Wien 1998, S. 352. 95 als auch von Griechenland misstrauisch beobachtet wurden.416 Zusätzlich empfand Athen die türkisch-israelische Kooperation sowie das türkische Engagement am Balkan als Versuch An- karas, Griechenland geostrategisch Einkreisen zu wollen.417 Als Antwort darauf vereinbarte Griechenland Ende 1999 ein Abkommen über militärische Zusammenarbeit mit Armenien, das seinerseits auf eine konfliktreiche Vergangenheit mit der Türkei zurückblicken konnte.418 Als Umschwung in den belasteten Beziehungen zwischen der Türkei und Griechenland wurde die veränderte griechische Balkanpolitik gedeutet. Griechenland hatte sich seit 1999 an Albanien, Mazedonien und Bulgarien angenähert (Staaten, mit denen die Türkei ebenfalls gute Kontakte unterhielt) und sich gleichzeitig etwas von Serbien distanziert. Somit konnten die tür- kischen Ressentiments, die von einer bewussten griechischen Störung der türkischen Balkanpo- litik ausgingen, weitestgehend entkräftet werden. Geistige Strömungen in Griechenland erkann- ten nun die Bedeutsamkeit des griechisch-türkischen Ausgleichs für eine weitere Annäherung Griechenlands an Europa. Diese positive Entwicklung auf dem Balkan419 gab auch Grund zur Hoffnung, dass sich die Situation in den verbliebenen Konfliktfeldern in der Ägäis und auf Zy- pern im neuen Jahrtausend entscheidend verbessern könnte, wobei wohl zuerst die strittigen Punkte in der Ägäis gelöst werden müssten.420 Das Erdbeben im August 1999, das in Griechenland, aber vor allem in der Türkei schwere Schäden hinterließ, führte zu gegenseitiger Hilfestellung der beiden Staaten in den betroffenen Katastrophengebieten. Es benötigte erst eine Katastrophe421, dass sowohl die grie- chischen, als auch die türkischen Verantwortlichen erkannten, dass eine zwischenstaatliche Ko-

416 vgl. KOZAK; MEISELS, Internationale Rundschau Israel – Militärische Zusammenarbeit mit der Türkei, in: ÖMZ, Jg. 36, 2/1998, Wien 1998, S. 206. 417 vgl. RIEMER, Andrea K.; STIVACHTIS, Yannis A., Greece and Turkey: Quo Vadis?, in: ÖMZ, Jg. 38, 5/2000, Wien 2000, S. 561. 418 Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang der Völkermord an Armeniern durch die Türkei zur Zeit des Ers- ten Weltkrieges. 419 So nahmen im Rahmen der NATO-Übung „Cooperative Assembly ‘98“ zum Ziel der Verhinderung von be- waffneten Auseinandersetzungen im Kosovo sowohl Truppenkontingente aus Griechenland als auch der Türkei teil. Desweiteren wurde im Rahmen einer Konferenz in Skopje im September 1998 die Bildung einer multinationa- len „Balkan Division“ mit griechisch-türkischer Beteiligung beschlossen. Diese militärische Organisation, der zum Zeitpunkt der Gründung Albanien, Bulgarien, Rumänien, Mazedonien und als drittes NATO-Land Italien angehör- ten, sollte die Staaten Südosteuropas in die Lage versetzen, selbst einen wesentlichen Beitrag zum Gefahren- und Krisenmanagement in der Region leisten zu können. Dementsprechend hoch war auch das US-amerikanische Inte- resse in der Bildung dieser militärischen, als Friedenstruppe deklarierten, Einsatzgruppe. Als Standort für das zent- rale Ausbildungslager der neuen Eingreiftruppe wurde in Skopje ein Gebiet nahe der griechischen Stadt Kilkis vereinbart, was ob der Tatsache, dass es bis in jüngere Vergangenheit noch undenkbar für Griechenland zu sein schien, türkische Truppen auf seinem Territorium akzeptieren zu können (man denke an die von Griechenland rund um den Ägäiskonflikt boykottierten NATO-Manöver in den 1980er Jahren), erwähnenswert ist. vgl. JUREKOVIC, Predrag, Internationale Rundschau – Albanien, Sicherheitspolitische Lage vor dem Hintergrund des Kosovo-Konfliktes, in: ÖMZ, Jg. 36, 6/1998, Wien 1998, S. 720. vgl. JUREKOVIC, Predrag, Internationale Rundschau – Albanien, Teilnahme an der „gemischten Balkan- Division“, in: ÖMZ, Jg. 37, 1/1999, Wien 1999, S. 82. 420 vgl. KUROP, Marcia Christoff, Zeitschriftenschau - Greece and Turkey. Can they mend fences?, in: ÖMZ, Jg. 36, 3/1998, Wien 1998, S. 357. 421 Vor dem Hintergrund US-amerikanischer, europäischer und NATO Vermittlungsversuche der letzten 50 Jahre. vgl. RIEMER, Andrea K.; STIVACHTIS, Yannis A., Greece and Turkey: Quo Vadis?, in: ÖMZ, Jg. 38, 5/2000, Wien 2000, S. 560f. 96 operation den beiden Ländern mehr Nutzen bringen konnte422, als die Fortführung der gegensei- tigen Blockadepolitik, die auf nationalen Dogmen beruhte. Hinter der humanitären Hilfestel- lung standen politische Interessen beider Staaten. So konnten am ersten Abend nach dem Erd- beben weder die türkische Regierung noch Menschen auf der Straße behaupten, dass Griechen- land ein ihnen feindlich eingestelltes Land sei.423 Diesem politischen Kalkül folgte die griechi- sche Rücknahme des Vetos gegen einen EU-Beitritt der Türkei424, sodass zum einen der anhal- tende gute Wille gegenüber dem türkischen Staat unterstrichen wurde, und zum anderen nun ein Entgegenkommen der Türkei in anderen zwischenstaatlichen Fragen erwartet werden konnte.425 So war eine der türkischen Forderungen hinsichtlich eines Beitritts Zyperns zur EU immer die Aufhebung des griechischen Vetos gegen einen möglichen EU-Beitritt der Türkei gewesen.426 Bereits im Dezember 1999 wurde der Türkei im Rahmen des EU-Gipfeltreffens in Helsinki der offizielle Status eines EU-Beitrittskandidaten zugesprochen.427 Nach wie vor wurden von der Türkei umfangreiche Wirtschaftsreformen, die Lösung des Kurdenproblems, die Verbesserung und Achtung der Menschenrechte sowie die Streitbeilegung mit Griechenland rund um den Zy- pernkonflikt erwartet, um den Erfolg der noch kommenden Gespräche im eigenen Interesse ermöglichen zu können.

422 Laut dem Artikel von Riemer/Stivachtis erkannten Staaten im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schnell, dass ein Engagement in internationalen Krisen und Katastrophen eine Verbesserung der eigenen Verhand- lungsposition auf der weltpolitischen Bühne mit sich führte. Wann immer Griechenland und die Türkei den Be- strebungen Amerikas, der NATO und der EU (zum Beispiel: Sicherung der NATO-Südflanke in Zeiten des Kalten Krieges; Verhinderung der Destabilisierung des Balkans oder des Nahen Ostens aufgrund des griechisch- türkischen Gegensatzes) entgegen gekommen waren, konnten sie dann im Gegenzug gleichfalls etwas in Rechnung stellen, und so nationalen Interessen auf dem internationalen Parkett nachkommen. Athen und Ankara wussten zudem, dass ihre internationalen Verbündeten (und Geldgeber) eine griechisch-türkische Aussöhnung erwarteten. Es missfiel Griechenland, dass die USA der Türkei die Rolle als geopolitischer Stabilisator der Region zusprachen und dementsprechend mit Wirtschafts- und Militärhilfen bedachten. Das griechische Gegenargument war der Ver- weis auf die an den türkischen Grenzen vorherrschenden Konfliktgebiete (Kaukasus, Irak, Syrien, Libanon), und so erhoffte sich die griechische Regierung unter Ministerpräsident durch eine Annäherung an Anka- ra der internationalen Politik das Signal geben zu können, selbst bereit für die Rolle eines Stabilitätsgarants für die Region zu sein. Die „Erdbeben-Diplomatie“ erwies sich für beide Staaten als effizienter, als die langjährige, sich überregional auswirkende Blockadepolitik. vgl. RIEMER, Andrea K.; STIVACHTIS, Yannis A., Greece and Turkey: Quo Vadis?, in: ÖMZ, Jg. 38, 5/2000, Wien 2000, S. 561, 562. vgl. STRÄSSLE, Paul Meinrad, Miszellen - Zypern und Ägäis, Konflikte zwischen der Türkei und Griechenland und ihre historischen Wurzeln, in: ÖMZ, Jg. 43, 3/2005, Wien 2005, S. 361. 423 vgl. RIEMER, STIVACHTIS, Greece and Turkey, ÖMZ 5/2000, S. 561, 562. 424 Griechenland wusste, dass es auch andere europäische Türkei-Verweigerer zu diesem Zeitpunkt gab (wie es sie auch heute noch gibt) und konnte dadurch ohne große Verluste die Rolle als Rädelsführer aufgeben. Außerdem hing an dieser Entscheidung die Erwartung, zukünftig in der Gunst der EU zu stehen, falls die Türkei wieder in alte Blockadepolitik-Muster gegenüber Griechenland zurückfallen würde. Die Türkei wusste, dass eine Simitis entge- gengesetzte Haltung nur die antitürkische Stimmung innerhalb der EU steigern würde und dies wiederum automa- tisch der griechischen Position in der Region zugutekäme. Zuletzt würde eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Athen und Ankara beiden Ländern immense Geldbeträge für anfallende Kosten auf militärischem Sektor ersparen und durch eine intensivierte ökonomische Kooperation beide Volkswirtschaften begünstigen. vgl. RIEMER, STIVACHTIS, Greece and Turkey, ÖMZ 5/2000, S. 563, 564. 425 vgl. RIEMER, STIVACHTIS, Greece and Turkey, ÖMZ 5/2000, S. 563. 426 vgl. RIEMER, STIVACHTIS, Greece and Turkey, ÖMZ 5/2000, S. 563. 427 vgl. PABST, Martin, Neue Bemühungen zur Beilegung des Zypernkonflikts, in: ÖMZ, Jg. 38, 5/2000, Wien 2000, S. 573. 97 Die Annäherungsversuche der Türkei an die EU wurden durch die Entscheidung des französi- schen Nationalrates, den Völkermord an den Armeniern im Ersten Weltkrieg anzuerkennen, zum Jahreswechsel 2000/2001 empfindlich gedämpft, was auch die Wiederkehr der bereits be- kannten türkische Blockadepolitik in der Frage einer ab 2001 geplanten Kooperation der EU mit der NATO bedeutete. Trotz einer beobachtbaren fortschreitenden Hinwendung zur islami- schen Welt erhielt die Türkei auch im Jahr 2000 umfassende militärische Unterstützung durch die USA.428 Somit wirkte sich der durch die Erdbebenkatastrophe eingeschlagene Entspan- nungskurs zwischen Griechenland und der Türkei nicht auf die Rüstungspolitik aus. Der Vor- schlag des griechischen Außenministers Giorgos Papandreou über eine Abrüstung beider Staa- ten sowie der Entmilitarisierung Zyperns wurde vom türkischen Außenminister Ismail Cem abgelehnt.429 Nicht das griechische Angebot, sondern die anhaltenden Auswirkungen der Finanzkrise veranlassten die türkische Regierung zu umfassenden Sparmaßnahmen im militärischen Be- reich. Man kürzte die türkischen Verteidigungsausgaben um 30 Prozent und verschob die Rea- lisierung oder Weiterverfolgung von 32 Rüstungsprogrammen bis auf weiteres. Indes reduzierte auch die griechische Regierung ihre Ausgaben im Militärbudget für 2002 und beschloss eben- falls geplante Waffenkäufe auf spätere Zeitpunkte zu verschieben.430 Einigen Missstimmungen zum Trotz verfolgte vor allem Griechenland weiterhin seine neu entdeckte Entspannungspolitik gegenüber der Türkei, um sich nach Jahrzehnten der Fixie- rung auf „die türkische Bedrohung“431 neue außenpolitische Ziele setzen zu können. Künftig sollte dem Balkanraum, dem Kaukasus, Nordafrika, Ägypten und Israel eine größere Rolle zu- gedacht werden. Auch das griechische Militär wurde mit der veränderten Lage konfrontiert und sah sich einer Truppenreduktion von 159.000 auf 140.000 gegenübergestellt. Nach dem Amts- antritt der Regierung Simitis (1996) gelang es Griechenland, seine kränkelnde Wirtschaft durch ein rigoroses Liberalisierungsprogramm wieder auf Vordermann zu bringen, während die grie-

428 Die in der Krise stehende türkische Regierung beschloss 2000 die Umsetzung von Militärprogrammen im Vo- lumen von 12 Milliarden US-Dollar. Zwar konnte die Finanzkrise Ende 2000/Anfang 2001 abgewendet werden, jedoch wurde der türkische Staat von der Krise erschüttert. Vor allem die weitverbreitete Korruption, von der auch türkische Politiker Gebrauch machten, führte zu einer Abwendung der breiten Masse von den prowestlichen, euro- paorientierten Eliten. vgl. KORKISCH, Friedrich, Internationale Rundschau - Europäische Union, Differenzen mit der Türkei, in: ÖMZ, Jg. 39, 3/2001, Wien 2001, S. 367, 368. 429 vgl. JAWUREK, Zypern – Keine Hoffnung auf baldige Lösung des Konflikts, in: ÖMZ, Jg. 39, 4/2001, Wien 2001, S. 541. 430 vgl. JAWUREK, Zypern – Erweiterung der EU, Mandatsverlängerung für UNFICYP, Abzug von AUSCON, Griechenland/Türkei, in: ÖMZ, Jg. 39, 5/2001, Wien 2001, S. 675. 431 Die vom griechischen Verteidigungsminister Tzohatzopoulos initiierte neue Verteidigungsdoktrin für den Zeit- raum bis 2015 behandelte unter anderem die Streitkräftestruktur und die militärische Beschaffungspolitik, um den neuen Herausforderungen als Regionalmacht gerecht werden zu können. vgl. Fußnote 422. 98 chisch-türkische Entspannungspolitik (seit 1999) dem Land ein gesteigertes Ansehen in den Beziehungen zur EU und NATO einbrachte.432 Im Vorfeld der seit Ende 2002 laufenden Phase der Umsetzung des Annan-Plans schien sich auf regionaler Ebene des Zypernkonflikts eine günstige Konstellation abzuzeichnen. So- wohl der türkische Außenminister Ismail Cem als auch der griechische Außenminister hatten in den vergangenen Jahren das griechisch-türkische Verhältnis stetig verbes- sert. Die im November 2002 abgehaltene Parlamentswahl in der Türkei brachte die gemäßigt- islamistische Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) unter Recep Erdogan in die Re- gierung, die sich für eine flexiblere Außenpolitik und für ein Umdenken in der Zypern-Politik aussprach. Trotz aller Bekundungen verwendete auch die neue türkische Regierung den Zy- pernkonflikt als Faustpfand in ihren Verhandlungen mit der EU. Nach einer weiteren Enttäu- schung der Türkei in der Frage der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen (im Rahmen des EU- Gipfels von Kopenhagen im Dezember 2002) versagte die AKP-Regierung ihre Kompromiss- bereitschaft für die Umsetzung des Annan-Plans und instrumentalisierte einmal mehr die Zy- pernfrage. Vor allem die in der türkischen Innenpolitik gewichtigen Militärs befürworteten eine harte Linie in der Zypernpolitik, was weitreichende Auswirkungen auf die Entwicklung des geplanten EU-Beitritts einer ungeteilten zyprischen Insel hatte. Griechenland wurde hingegen von UN-Generalsekretär Annan ausdrücklich für seine kontinuierliche Unterstützung in der Umsetzung des Annan-Plans gelobt, während er die türkische Rückendeckung der von Vorbe- halten gekennzeichneten Politik Denktaschs kritisierte.433

432 vgl. POSCH, W., Zeitschriftenschau - Griechenland wagt den großen Wurf, in: ÖMZ, Jg. 40, 3/2002, Wien 2002, S. 377. 433 Allerdings muss festgehalten werden, dass der neue zyperngriechische Verhandlungsführer Tassos Papadopou- los, der sich bei der Präsidentschaftswahl in der Republik Zypern gegen seinen Vorgänger Klerides durchsetzen konnte, den Annan-Plan unter Vorbehalten erst dann annahm, als sich eine Absage der Gegenseite bereits abzeich- nete. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 675. 99

7.3.3 Gescheiterte Einigungsgespräche und Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen Zyperns

Im Jänner 1984 trat der zyperntürkische Präsident Denktasch erneut mit einem Vorschlag zu Lösung der Zypernfrage an seinen zyperngriechischen Amtskollegen Kyprianou heran:434

 Öffnung von Varosha435 für eine griechische Wiederbesiedelung  Öffnung des internationalen Flughafens von Nikosia unter UN-Aufsicht  Wiedereinsetzung des Komitees für Vermisste zur Klärung des Schicksals vermisster Zivilisten und Soldaten in Nord- und Südzypern  Kooperation zwischen Nord- und Südzypern in den Bereichen Handel, Tourismus, Verkehr, Schule, Kultur und Sport.

Der Gegenvorschlag Kyprianous verdeutlichte einmal mehr die verfahrenen Positionen:

 Aufteilung der Insel mit 77 Prozent Anteil für den Süden  Bildung eines Parlaments für die gesamte Insel, welches nach dem effektiven Bevölkerungsanteil der Volksgruppen besetzt werden sollte  Rücknahme der Unabhängigkeitserklärung des Nordens.

In der Zeit der Gespräche Mitte der 1980er Jahre versuchten vor allem die Amerikaner und die Deutschen zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln, indem sie den Nato-Partner Türkei zu Zugeständnissen bewegen konnten. Auch Griechenland verstärkte 1984/1985 den Druck auf Kyprianou, allerdings nicht im Sinne des Aussöhnungsprozesses. So wurden die ersten zyprio- tischen Übereinkünfte, der Bildung einer Bundesrepublik Zypern mit Zweikammerparlament (Oberhaus 70:30 zu Gunsten der Zyperngriechen, Unterhaus 50:50) von Kyprianou wieder fal- len gelassen. Die wiederkehrende ablehnende Haltung des Südens, eine für den Norden adäqua- te juristische Position herzustellen, verstärkte das Separationsbestreben Nordzyperns.436 Auch die Sowjetunion zeigte sich in dieser Zeit, bereit, an einer Lösungsfindung mitzuwirken. Der sowjetische Botschafter schlug im Jänner 1986 in Nikosia eine Internationale Konferenz vor, bei der Vertreter beider Volksgruppen unter der Schirmherrschaft Großbritanniens eine bi- kommunale Verfassung ausarbeiten sollten. Die UdSSR favorisierte in der Zypernfrage die Bil- dung einer Föderation und die Gleichstellung der Volksgruppen. Mitte des Jahres 1986 plädier- te auch Kyprianou für die Durchführung der Konferenz, allerdings mit dem Vorwissen, „entge-

434 vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 89f. 435 zu Varosha siehe: DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 200. 436 vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 90. Wolfe zum Entwurf des Zweikammernparlaments: „Der Entwurf sieht als gesetzgebendes Organ ein Zweikammernparlament vor, in dem die Mandate des Unterhau- ses nach einem Proporz von 30:50 %[? Anm. d. Autors, im übernächsten Satz wird „wieder“ auf 70:30 verwiesen] und die des Oberhauses im Verhältnis 50:50 % zwischen den Griechen und Türken der Insel aufgeteilt sein wür- den. Als gemeinsames Staatsoberhaupt sollten dann ein griechisch-zypriotischer Bundespräsident und ein türkisch- zypriotischer Vize-Präsident fungieren. Die Posten im Ministerrat würden wieder im Verhältnis 70:30 % aufgeteilt werden.“ vgl. WOLFE, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 89f. 100 gen dem sowjetischen Vorschlag als einzig anerkannte Autorität auf der Insel mit den Groß- mächten Verhandlungen“ zu führen. Auf diesen Vorschlag hin unterbrachen die Zyperntürken den bi-kommunalen Dialog bis auf weiteres.437 Ein seit 1980 einsetzender Tourismusboom im Süden der Insel veränderte schließlich die Prioritäten; zwar wollte Kyprianou offiziell weiterhin nicht ganzheitlich auf den Norden verzichten, jedoch war der Wunsch der Vollmitgliedschaft in der EU sowie der Entwicklung einer touristischen Infrastruktur nun größer als die Wiedervereinigung. Von der Entdeckung der Insel durch den internationalen Tourismus, von dem vor allem der Süden bis in die Gegenwart seine Haupteinkünfte bezieht, blieb der Norden aufgrund sukzessiver anti-türkischer Propagan- da ausgeschlossen.438 Zusätzlich verhinderte ein seit 1974 vorherrschendes Wirtschaftsembargo gegenüber Türkisch-Zypern einen wirtschaftlichen Aufschwung des Nordens sowie eine Ver- besserung der Lebensumstände der zyperntürkischen Bevölkerung. Ausnahmen der zyperngrie- chischen Isolationspolitik bildeten ein 1974 durch die USA errichtetes Krankenhaus in Nikosia, der Bau einer Autobahn durch Saudi-Arabische Gelder sowie durch libysche Unterstützung gebaute Moscheen. In den sechs kleinen Universitäten des Nordens studierten Personen unter- schiedlicher Herkunft. Erst seit 1989 brachte der Tourismus immer mehr ausländische Devisen- bringer nach Türkisch-Zypern. Kurz vor Beginn der 1990er Jahre begannen auch zyperngrie- chische Journalisten sich über das Leben der im Nordteil der Insel befindlichen Bevölkerung zu interessieren, vereinzelt wurden erste wirtschaftliche Beziehungen geknüpft.439 Der türkisch-zypriotische Volksgruppenführer Rauf Denktasch bemühte sich vorab der geplanten Einigungsgespräche im April 1990 in New York weiter um die Anerkennung der Türkischen Republik von Nordzypern (TRNZ). Da jedoch weder die Vereinten Nationen noch die griechisch-zypriotische Volksgruppenvertretung die Existenz des durch weiterhin von ca. 29.000 türkischen Soldaten besetzten Separatstaates anerkennen wollten440, erklärte Denktasch die Gespräche für beendet, bevor sie überhaupt begannen. Denktasch konnte mit Vorbedingun- gen in die Verhandlungsrunde treten, da er anlässlich eines Besuches des türkischen Regie- rungschefs Yildirim Akbulut in Nordzypern Anfang Oktober 1989 zum einen die Zusage des

437 vgl. WOLFE, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 89, 90. 438 Griechisch-zypriotische Tourismusverbände und Fremdenverkehrszentralen warn(t)en vor Reisen in den Nor- den, da es sich um „nicht zugängliches Gebiet, da unter türkischer Besatzung“ handle. vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 90. 439 vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 91. 440 Die von türkische Seite Vertretene Annahme zweier Völker auf Zypern widerspricht der UNO Resolution 649/1990, die von der Existenz zweier Gemeinschaften (und nicht Völkern) auf der Insel ausgeht. Diese Resoluti- on hebt die territoriale Integrität der Insel hervor und schließt jegliche Art von Teilung oder Sezession aus. Die UNO fordert die Gründung einer bi-kommunalen Föderation auf Verfassungsebene, sowie einer bi-zonalen Kon- föderation auf der territorialen Ebene. vgl. GUSTENAU, Gustav E., Gewaltsame Auseinandersetzungen und bewaffnete Konflikte 1990 – Frühjahr 1991, in: ÖMZ, Jg. 29, 4/1991, Wien 1991, S. 310. 101 Ausbaus der türkischen Armee auf Zypern erhielt und zum anderen erste Gespräche über eine Föderation der TRNZ mit der Türkei begonnen wurden.441 Auf eine neue Ebene wurde die Lösung der Zypernfrage durch den im Jahr 1990 gestell- ten Antrag des Südteils Zyperns auf Vollmitgliedschaft in der EU gebracht, da Staaten, die in den vergangenen Jahrzehnten keine klare Position in dem Konflikt bezogen hatten, nun dazu angehalten wurden. Die Fragen blieben weitestgehend die gleichen:442

 Ist die zyperngriechische Regierung des Südens berechtigt die Verhandlungen aufzunehmen?  Wer soll und kann Mitglieder der EU werden? Südzypern, Süd- und Nordzypern, oder ein fiktives Gesamtzypern?

Der Antrag der zyperngriechischen Regierung wurde auf Basis der Verfassung der Republik von 1960 gestellt, einer Verfassung, die 1963 durch Einsatz von Gewalt ad absurdum geführt wurde. Gleichzeitig verbot Artikel 50 der Verfassung von 1960 die Mitgliedschaft der Insel in Organisationen, in denen nicht sowohl die Türkei als auch Griechenland vertreten sind. In die- sem konkreten Fall soll nur der Form halber erwähnt sein, dass zwar Griechenland seit 1981 Vollmitglied der EU ist, jedoch nicht die Türkei.443 Allein aus diesem Grund konnte ein Antrag gemäß der Verfassung von 1960 auf Aufnahme in die EU nicht von Gesamtzypern gestellt wer- den, da zu diesem Zeitpunkt die Insel noch ungeteilt war. Die Position der EU war damit von vornherein klar definiert, indem nur durch Übereinkunft der beiden Inselnachbarn, und einer allgemein gültigen, von beiden Seiten akzeptierten rechtlichen Stellung der Inselteile der An- trag auf Aufnahme behandelt werden kann. Ein in Zusammenarbeit von EU und UNO ausgear- beitetem Lösungsplan in der Frage des EU Beitritts Zyperns (Annan-Plan, 2004) wird noch in einem weiteren Kapitel besprochen.444 Der EG-Beitrittsantrag (Süd-)Zyperns vom 4. Juli 1990 veranlasste die türkischen Trup- pen Nordzyperns zur Besetzung von Varosha, dem seit der Invasion verlassenen griechisch- zypriotischen Stadtteil von Famagusta, welcher seit 1974 im Verantwortungsbereich von UNFICYP stand. Damit hatte man ein Faustpfand für zukünftige Verhandlungen; schließlich

441 vgl. GUSTENAU, Gustav E., Gewaltsame Auseinandersetzungen und bewaffnete Konflikte 1990 – Frühjahr 1991, in: ÖMZ, Jg. 29, 4/1991, Wien 1991, S. 311. 442 vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 91. 443 Griechenland wurde 1981 in die damalige EWG aufgenommen; der türkischer Antrag auf Assoziierung zur Gemeinschaft erfolgte im Jahr 1959; eine EU-Bereitschaftserklärung für Verhandlungen über einen möglichen Beitritt der Türkei existiert seit 1963. Der türkische Militärputsch von 1980 verschlechterte die Aussichten auf die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, da nicht mehr von einem stabilen demokratischen Verhältnis ausgegangen wurde. Erst ab 1986 gab es wieder Verhandlungen über eine stärkere Bindung der Türkei zur EU. Die nach dem Militärputsch vom ersten demokratischen türkischen Ministerpräsidenten beantragte Vollmitgliedschaft von April 1987 wurde seitens der EU im Dezember 1989 vorerst abgelehnt. Die am 1. Jänner 1996 in Kraft getretene Zoll- union zwischen der Europäischen Union und der Türkei ist die engste wirtschaftliche und politische Beziehung der EU mit einem Nicht-Mitgliedsstaat. vgl. SMUTEK-RIEMER, Andrea, Die Türkei: Wandel und Kontinuität, in: ÖMZ, Jg. 35, 1/1997, Wien 1997, S. 39f, 47. vgl. Die Zollunion zwischen der Türkei und der Europäischen Union, Türkische Botschaft, Berlin 2004: http://www.ma-tax.de/A_H_P/listen/praef/Tuerkei/20040304_zollunion_EU_Tuerkei.pdf, abgerufen 23/04/11. 444 Kapitel 7.4. 102 war die erhoffte griechische Wiederbesiedelung von Varosha immer wieder Gegenstand von Verhandlungen gewesen.445 Die für die Jahre 1996 und 1997 geplante Aufnahme von Verhandlungen zwischen der EU und Zypern über eine Vollmitgliedschaft, stand unter dem Schatten der De-facto-Teilung der Insel und dem unklaren Status der Türkischen Republik Nordzypern. Seit der Unterzeich- nung eines Protokolls durch die Regierung Spyros Kyprianous vom 19. Oktober 1987 waren die Republik Zypern und die EU in einer Zollunion miteinander verbunden. 1993 befand die Euro- päische Kommission in einer Stellungnahme Zypern als geeignet, der europäischen Gemein- schaft beitreten zu können, lag doch 1987 das Pro-Kopf-BNP Zyperns bei ca. 6.000 US-Dollar, welches somit doppelt so hoch wie das griechische oder portugiesische war.446 Während Zypern auf festlandsgriechische Unterstützung in den Verhandlungen vertrauen konnte, sprach sich die Türkei unter den gegebenen Umständen gegen einen Beitritt aus. Falls es gelingen würde, die Insel als Ganzes in die EU zu integrieren, könnten alle Zyprioten, egal ob im republikanischen Süden oder dem separatistischen Norden, die ökonomischen und sozialen Vorteile nutzen, die ihnen nach einer erfolgten Aufnahme zugutekommen würden.447 Die Entschärfung des griechisch-türkischen Gegensatzes bzw. des Zypernkonflikts wur- de durch einen von griechischer Seite448 provozierten Grenzvorfall an der Trennungslinie im Sommer 1996 behindert. Die Opfer, zwei zyperngriechische und ein zyperntürkischer Soldat brachten die Lösung der Zypernfrage wieder zurück auf die Bühne der Weltpolitik. Die Vorfäl- le auf Zypern im August und September 1996 lösten emotionale Ausbrüche griechischer Natio- nalisten gegenüber Angehörigen der türkischen Minderheit in West-Thrazien aus.449 Zu Protesten aus Ankara und Washington kam es, als Russland sich 1997 dazu ent- schied, dem zyperngriechischen Teil Luftabwehrraketen zu verkaufen. Die Republik Zypern wollte die Raketen trotz aller Proteste der türkischen Führungsspitze auf der Insel stationieren und verwies auch in Richtung der USA einmal mehr auf ihr „souveränes Recht zur Selbstver- teidigung“. Die türkische Regierung warf indes Athen vor, durch die Billigung des Waffenkaufs gemeinsam mit Moskau die Machtverhältnisse zu Ungunsten der türkischen Seite verändern zu wollen. Die für Herbst 1997 geplante Lieferung könne laut der griechisch-zypriotischen Regie-

445 vgl. GUSTENAU, Gustav E., Gewaltsame Auseinandersetzungen und bewaffnete Konflikte 1990 – Frühjahr 1991, in: ÖMZ, Jg. 29, 4/1991, Wien 1991, S. 310. 446 vgl. VANER, Semih, Zeitschriftenschau - Zyperns Aufnahme in die Europäische Gemeinschaft, in: ÖMZ, Jg. 34, 5/1996, Wien 1996, S. 616. 447 Die wirtschaftliche Lage der TRNZ wird zum Jahr 2000 als desolat beschrieben. vgl. VANER, Semih, Zeitschriftenschau - Zyperns Aufnahme in die Europäische Gemeinschaft, in: ÖMZ, Jg. 34, 5/1996, Wien 1996, S. 616. vgl. PABST, Martin, Neue Bemühungen zur Beilegung des Zypernkonflikts, in: ÖMZ, Jg. 38, 5/2000, Wien 2000, S. 574. 448 vgl. PABST, Martin, Neue Bemühungen zur Beilegung des Zypernkonflikts, in: ÖMZ, Jg. 38, 5/2000, Wien 2000, S. 573. 449 vgl. SEN, Faruk, Zeitschriftenschau - Der griechisch-türkische Konflikt und seine Lösungsansätze, in: ÖMZ, Jg. 35, 3/1997, Wien 1997, S. 352. 103 rung nur durch eine Vereinbarung über die Entmilitarisierung der Insel verhindert werden, was von türkischer Seite strikt abgelehnt wurde.450 Trotz der Wiederwahl Glavkos Klerides am 15. Februar 1998 zum zyperngriechischen Prä- sidenten, zu dessen Anlass er eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem zyperntürkischen Teil ankündigte, hielt er an der Kaufabsicht weiter fest. Klerides sprach sich für einen ungeteilten souveränen zypriotischen Staat aus, in dem beide Volksgruppen ihre Angelegenheit „in absolu- ter Gleichheit selbst regeln“ würden, während sich die türkischen Zyprioten allerdings nur eine lose Konföderation vorstellen konnten. Die türkische Volksgruppenvertretung unter Rauf Denk- tasch war zu weiteren Verhandlungen nur bereit, wenn ihr Gebiet als „Türkische Republik Nordzypern“ anerkannt werden würde, da sie aufgrund ihrer Erfahrungen aus bisherigen histo- rischen Ereignissen befürchteten, in einem ungeteilten Zypern abermals von den griechischen Zyprioten dominiert zu werden.451 In den Verhandlungen vom März 1998 über den Beitritt weiterer Länder zur EU452 wurde die Aufnahme von Gesprächen mit der Türkei einmal mehr vom Ausgang des Zypernkonflikts abhängig gemacht. Für zyperntürkischen Unmut in der Lösungsfindung sorgte die Entschei- dung der EU, einzig mit der Regierung des Südteils der Insel, die sich dadurch als Repräsentan- ten Gesamtzyperns empfand, Gespräche aufgenommen zu haben, was im Anschluss zu einer zyperntürkischen Distanzierung von den Verhandlungen führte. Trotz aller Missstimmungen über die Verhandlungspolitik der EU453 schickte der türkische Außenminister Ismail Cem dem griechischen Botschafter in der Türkei eine diplomatische Note, in der Lösungsvorschläge zur friedlichen Klärung des Ägäiskonfliktes (Luftraum, Hoheitsgewässer, Festlandsockel) übermit- telt wurden. Für Griechenland bestanden einzig in der Abgrenzung des Festlandsockels weiter Unstimmigkeiten. Wie schon in den vergangen Jahrzehnten war die Haltung der zypriotischen Mutterländer zu einander das entscheidende Moment zur Lösung der Zypernfrage. Konnte man den griechisch-türkischen Gegensatz in der Ägäis lösen, war auch eine Lösung auf Zypern

450 vgl. PROISSL, Internationale Rundschau - Die Neuordnung der türkischen Politik, in: ÖMZ, Jg. 36, 3/1998, Wien 1998, S. 352. 451 vgl. PROISSL, Internationale Rundschau - Die Neuordnung der türkischen Politik, in: ÖMZ, Jg. 36, 3/1998, Wien 1998, S. 352. 452 Im Erweiterungsprozess wurde Anfang 1998 ein möglicher Beitritt von Estland, Polen, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern in Aussicht gestellt. vgl. KARNER, Gerald, Internationaler Bericht, in: ÖMZ, Jg. 36, 3/1998, Wien 1998, S. 295. 453 Ankara zeigte sich einmal mehr darüber verärgert, dass über einen Beitritt Zyperns bereits diskutiert wurde, aber eine Aufnahme von Gesprächen mit der Türkei nach wie vor hinausgezögert wurde, obwohl man durch das Ansuchen von 1987 zum am längsten wartenden Bittsteller für einen möglichen EU-Betritt zählte. Als Aufschie- bungsgrund galt eine so formulierte „fehlende EU-Reife“ der Türkei, in der eine zu geringe Wohlstandsentwick- lung, zu hohe Inflation und Arbeitslosigkeit, sowie die Konflikte mit der kurdischen Minderheit und Griechenland zusammengefasst wurden. vgl. PROISSL, Internationale Rundschau - Die Neuordnung der türkischen Politik, in: ÖMZ, Jg. 36, 3/1998, Wien 1998, S. 350. 104 möglich, was wiederum in weiterer Folge die Verhandlungsposition der Türkei über einen Bei- tritt zu EU wesentlich verbessern würde.454 Der geplante Beitritt Zyperns geriet auch innerhalb der EU in die Kritik, da etwa Frankreich die Aufnahme eines Landes mit ungelösten Grenzproblemen nicht gutheißen wollte. Zudem meinte der zypriotische Außenminister, dass bei einer Nichtaufnahme Zyperns in die EU Grie- chenland seine Zustimmung für jeden anderen Beitrittskandidaten verweigern würde.455 Es zeigte sich somit die Fortführung der gegenseitigen griechisch-türkischen Blockadepolitik auf internationaler Ebene auch am Ende der 1990er Jahre, die maßgeblich von den Ereignissen rund um den Zypernkonflikt geprägt wurden. Eine mögliche Aufnahme Zyperns in die EU bei gleichzeitiger Ablehnung der Türkei könnte die Kriegsgefahr zwischen Griechenland und der Türkei wieder steigern und zu einer endgültigen türkischen Annexion Nordzyperns führen.456 Um der Ankündigung Ankaras, im Falle der zyperngriechischen Stationierung von rus- sischen Luftabwehrraketen diese durch Einsatz militärischer Mittel zerstören zu wollen, zuvor- zukommen, forderte US-Präsident Bill Clinton Klerides auf, bis auf weiteres auf die Raketen- stellungen zu verzichten. Der zypriotische Präsident kam diesem Gesuch Ende des Jahres 1998 nach, was die allgemeine Lage auf Zypern etwas entspannte.457 Die seit März 1998 laufenden Gespräche über einen Beitritt Zyperns zur EU wurden aufgrund bestehender UNO-Resolutionen, welche die Regierung Südzyperns als legitimen Ver- treter Gesamtzyperns betrachtete, ohne zyperntürkische Beteiligung vorgenommen. Durch die als ausgrenzend empfundene Behandlung blockierte die TRNZ alle weiteren Verhandlungen mit der zyperngriechischen Regierung, näherte sich weiter an die Türkei und drohte mit dem völligen Anschluss.458 Auch zum Jahrtausendwechsel scheiterte die Lösung des Zypernkon- flikts an der unbeantworteten Frage, wie das Zusammenleben der beiden Volksgruppen auf der

454 vgl. PROISSL, Internationale Rundschau - Die Neuordnung der türkischen Politik, in: ÖMZ, Jg. 36, 3/1998, Wien 1998, S. 353. 455 vgl. KARNER, Gerald, Internationaler Bericht, in: ÖMZ, Jg. 36, 3/1998, Wien 1998, S. 295. 456 vgl. KUROP, Marcia Christoff, Zeitschriftenschau - Greece and Turkey. Can they mend fences?, in: ÖMZ, Jg. 36, 3/1998, Wien 1998, S. 357. 457 Als neuer Standort für die Raketen wurde Kreta bestimmt, dort waren sie Mitte 1999 funktionsfähig installiert. vgl. KORKISCH, Friedrich, Die amerikanisch-türkischen Beziehungen, in: ÖMZ, Jg. 37, 2/1999, Wien 1999, S. 139. vgl. PABST, Martin, Neue Bemühungen zur Beilegung des Zypernkonflikts, in: ÖMZ, Jg. 38, 5/2000, Wien 2000, S. 572. 458 Man wollte die Verhandlungen erst wieder aufnehmen, falls die TRNZ international anerkannt werden würde. Als Vorstufe galt der 1997 zwischen der TRNZ und der Türkei unterzeichnete Assoziierungsvertrag. Denktasch betonte jedoch, dass ein Anschluss an die Türkei die letzte Maßnahme darstellen würde. Bei einem Anschluss hätte die TRNZ nur wenig an wirtschaftlichen Perspektiven dazugewonnen, befand sich die Türkei ja selbst in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Politisch und kulturell wäre man zudem im Übermächtigen türkischen Mutter- land aufgegangen. Somit erschien es trotz aller Ankündigungen auch Denktasch vernünftiger, die Volksgruppen politisch und ökonomisch unter einem Dach zu vereinen, als die Insel dauerhaft zu teilen. vgl. PABST, ÖMZ 5/2000, S. 572, 574. 105 9.251 Quadratkilometer großen Mittelmeerinsel gestaltet werden sollte. Seit nun mehr als 50 Jahren wurde immer wieder (erfolglos) über mögliche Lösungsmodelle diskutiert:459

 Mehrheitsdemokratie mit Minderheitenrechten,  institutionalisierte Teilung der Macht zwischen den beiden Volksgruppen (wie etwa in der Verfassung von 1960 vorgesehen)  Föderation zweier Bundesstaaten  Konföderation zweier teilsouveräner Staaten  Aufteilung in zwei unabhängige Staaten (de facto Zustand zum Jahr 2000)  Anschluss Zyperns bzw. eines oder beider Teile an die Mutternationen Griechenland und Türkei.

Im Hintergrund möglicher Lösungsansätze stand die zypriotische Verfassung von 1960, die folgende Eckpunkte beinhaltete:460

 Entlassung Zyperns in die Unabhängigkeit  Verbot der territorialen Aufteilung Zyperns  Verbot des Anschlusses an einen anderen Staat  institutionalisierte Machtteilung zwischen beiden Volksgruppen  Selbstverwaltung der Volksgruppen auf kommunaler Ebene  völkerrechtliche Anerkennung Großbritanniens, Griechenlands und der Türkei als Garantiemächte  gemeinsames bzw. notfalls auch einseitiges Eingriffsrecht der Garantiemächte zur Wiederherstellung des Status quo  Stationierung kleiner griechischer bzw. türkischer Truppenkontingente auf Zypern  Abtretung von zwei souveränen Militärbasen an Großbritannien.

Die angeführten Lösungsmodellvorschläge mit der bestehenden zypriotischen Verfassung in Einklang zu bringen, gestaltete sich bisher als unlösbar. Abb. 16, Tabelle „Ungefähre Truppenstärke der Volksgruppenstreitkräfte im Jahr 2000“461

Rep. Zypern TRNZ Nationalgarde 10.000 TRNZ-Soldaten 4.500 griechische Soldaten 2.000 türkische Soldaten 35.000

In den Verhandlungsrunden der zypriotischen Volksgruppen hatte seit 1979 keinerlei Bewe- gung stattgefunden, was durch die siebzehnjährige Existenz oder Nicht-Existenz der Türkischen Republik von Nordzypern verdeutlicht wurde. Die wesentlichsten erreichten diplomatischen Übereinkommen462 zwischen Zyperngriechen und –türken bis zum Millennium betrafen die

 Errichtung einer bi-zonalen und bi-kommunalen Föderation,  Aufnahme von Verhandlungen zur Wiederherstellung von Bewegungsfreiheit und freier Wohnsitzwahl,  Aufnahme von Verhandlungen über die Rückerstattung von Eigentum bzw. dessen finanzielle Entschädigung,  schrittweise Demilitarisierung Zyperns.

459 vgl. PABST, ÖMZ 5/2000, S. 567. 460 vgl. PABST, ÖMZ 5/2000, S. 569. siehe Fußnote 156. 461 vgl. PABST, ÖMZ 5/2000, 569. 462 vgl. PABST, ÖMZ 5/2000, S. 571. 106 Im Jahr 1998 stellte der zyperntürkische Volkgruppenführer Rauf Denktasch seinen Vorschlag einer getrennten Volksabstimmung in beiden Teilen vor, der das Ziel einer Zypern- Konföderation hatte, die aus zwei souveränen Republiken bestehen sollte und der EU beitreten könnte. Beide Republiken hätten das Recht auf gegenseitige Sonderbeziehungen. Der Türkei sollte bis zu ihrem EU-Beitritt ein Mitspracherecht in der Zypern-Konföderation gegeben wer- den, damit einerseits nicht das in der Verfassung befindliche Anschlussverbot an andere Staa- ten(verbände) verletzt werden würde, andererseits damit die Türkei weiter ihrer verfassungsge- deckten Rolle als Garantiemacht nachkommen könnte.463 Hierin lag der Grund für die festge- fahrenen Positionen. Während die Zyperngriechen eine starke Zentralregierung mit schwachen Teilstaaten befürworteten, interpretierten die Zyperntürken die favorisierte Föderation als eine schwache Zentralregierung mit starken Teilstaaten, womit es sich eher um eine „Konföderati- on“ handelte. In der Frage territorialer Ansprüche einigte man sich grundlegend dahingehend, dass eine Rückgabe von Land an den Südteil zu erfolgen habe, da die türkische Armee 1974 mehr Territorium eroberte (37 Prozent), als die rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung zäh- lende türkische Gruppe traditionell als das ihrige bezeichnete. Wie im Nahostkonflikt zwischen Israel und Palästina im Westjordanland feilschten die zypriotischen Unterhändler um jeden Quadratkilometer der Insel. Auch im Rückkehrrecht hatte man seine grundsätzlichen Positionen verankert. Die Zyperngriechen forderten die Ermöglichung der Rückkehr aller Vertriebenen in den Nordteil und eine weitestgehende Rückerstattung von Eigentum (z.B. in Varosha). Die Zy- perntürken wollten jedoch lediglich über finanzielle Entschädigungen für ehemaliges griechi- sches Eigentum verhandeln. Auch an der Präsenz der türkischen Armee wollte man nichts ver- ändern, da sie als bestes Mittel zur Regelung des Schutzes der zyperntürkischen Volksgruppe angesehen wurde.464 In den Jahren 1999 und 2000 fanden unter der Schirmherrschaft der USA, der G-7 Staa- ten und Russland erstmals wieder Lösungsgespräche zwischen den Konfliktparteien in New York und Genf statt, die jedoch im Sommer 2000 ergebnislos unterbrochen wurden. Auch die Vermittlungsversuche des damaligen UNO-Sonderbeauftragten des Generalsekretärs, Alvaro de Soto, scheiterten an der Unvereinbarkeit der Standpunkte zwischen (Zypern-)Griechen und (Zypern-)Türken. Vor allem die Forderung Rauf Denktaschs nach internationaler Anerkennung der TRNZ konnte oder wollte man nicht nachkommen. So blieb die Resolution 541 weiter die Grundlage für Verhandlungen der UNO mit Zypern, was gemäß dem Beschluss die Republik Zypern war. Aufgrund dessen zog sich im Jänner 2001 Denktasch nach einem Jahr der geschei- terten Vermittlungsgespräche aus den indirekt geführten Verhandlungen zurück und verlangte ein eigenes Abkommen der TRNZ mit der UNO über die Stationierung und Rechte von UN-

463Artikel 50 der zypriotischen Verfassung von 1960. vgl. PABST, ÖMZ 5/2000, S. 571, 573. 464 vgl. PABST, ÖMZ 5/2000, S. 571. 107 Truppen im Inselnorden. Nach wie vor war das Ziel Denktaschs die Bildung einer Konföderati- on, während die Regierung Südzyperns, gestützt auf die Resolution 541, mit dem Angebot einer Föderationsbildung nach eigenem Ermessen schon zu weit gegangen waren.465 International seit fast 20 Jahren isoliert, befand sich die TRNZ seit den 1980er Jahren in einer wirtschaftlich schlechten Lage, welche durch die Wirtschafts- und Finanzkrise der Türkei im Jahr 2000 weiter verschärft wurde. In Nikosia protestierten türkische Zyprioten gegen ihre Regierung, nachdem mehrere Banken zusammengebrochen waren und es zu allgemeinen Preis- steigerungen kam. Ein drohender Kollaps Nordzyperns konnte nur durch eine weiter intensi- vierte finanzielle Unterstützung der Türkei verhindert werden, wodurch sich die TRNZ noch enger an Ankara band (Zoll, Gesetzgebung, Bildung).466 Im Gegensatz zu Nordzypern konnte die Regierung der Republik Zypern auf eine posi- tive Wirtschaftslage467 blicken. Im Vorfeld des immer wahrscheinlicher werdenden EU-Beitritts Zyperns, versuchte man eine Eskalation (wie von 1996) bei den jährlich im Süden stattfinden- den Demonstrationen anlässlich der türkischen Invasion oder dem Jahrestag der Ausrufung der TRNZ durch massiven Einsatz von Sicherheitskräften zu verhindern. Die Regierung Zyperns begann die eigenen radikalen Kräfte in die Schranken zu weisen, um nach außen hin eine stabi- le Lage vermitteln zu können. Wurde dem Inselsüden doch im Rahmen des EU-Treffens von Helsinki 1999 die Möglichkeit einer Aufnahme in die EU noch vor der Lösung des Konflikts in Aussicht gestellt, was starken Wiederstand seitens der Türkei und der TRNZ erzeugte. So wür- de die Türkei „Maßnahmen ergreifen“, sollte ein Beitritt Zyperns stattfinden, wohingegen Grie- chenland erneut drohte, eine Erweiterung der EU zu blockieren, sollte ein Beitritt Zyperns nicht stattfinden.468 Auch im EU-Gipfel von Göteborg 2001 wurde Zypern eine erfolgreiche Beendigung der Verhandlungsgespräche im kommenden Jahr bestätigt. Als geplantes Aufnahmedatum wurde der Termin der Europawahlen 2004 verlautbart. Nordzypern berief sich auf die Verfassung von 1960 und verlangte direkte Gespräche zwischen den Volksgruppen und den Garantiemächten Großbritannien, Türkei und Griechenland. Sollte die Republik Zypern ohne Lösung des Kon-

465 vgl. JAWUREK, Zypern – Keine Hoffnung auf baldige Lösung des Konflikts, in: ÖMZ, Jg. 39, 4/2001, Wien 2001, S. 540. vgl. JAWUREK, Zypern – Erweiterung der EU, Mandatsverlängerung für UNFICYP, Abzug von AUSCON, Grie- chenland/Türkei, in: ÖMZ, Jg. 39, 5/2001, Wien 2001, S. 675. 466 vgl. JAWUREK, Zypern – Keine Hoffnung auf baldige Lösung des Konflikts, in: ÖMZ, Jg. 39, 4/2001, Wien 2001, S. 541. 467 Wirtschaftswachstum Jahr 2000: 5%; EU-Durchschnitt 3,4%. vgl. JAWUREK, Zypern – Erweiterung der EU, Mandatsverlängerung für UNFICYP, Abzug von AUSCON, Grie- chenland/Türkei, in: ÖMZ, Jg. 39, 5/2001, Wien 2001, S. 675. 468 Der griechische Premierminister Costas Simitis versicherte seinem zypriotischen Amtskollegen Klerides seine Unterstützung während der Präsident des griechischen Parlaments, Apostolos Kaklamanis, die Lösung des Zy- pernkonflikts als oberste nationale Priorität Griechenlands bezeichnete. vgl. JAWUREK, Zypern – Keine Hoffnung auf baldige Lösung des Konflikts, in: ÖMZ, Jg. 39, 4/2001, Wien 2001, S. 541. 108 flikts der EU beitreten, so würde sich die TRNZ mit der Türkei vereinigen. Ebenso stand auf Vorschlag des türkischen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit eine geplante „sanfte Teilung“, wie in der ehemaligen Tschechoslowakei, im Raum.469 Zusammen mit anderen Beitrittskandidaten wurde Zypern im Juli 2001 in die europäi- sche Umweltagentur aufgenommen, dem ersten Organ der EU, dem Länder noch im Beitritts- status angehören können. Ein Vergleich der Kaufkraft einzelner EU-Staaten zeigte, dass Zypern bereits Länder wie Portugal, Spanien und Griechenland überholt hatte, sowie bereits 82 Prozent des EU-Durchschnitts erreichte. Der sich abzeichnende Weg Zyperns in die EU war auch der Grund für etliche Initiativen, die das Zypernproblem noch vor der Erweiterungsrunde 2004 lö- sen sollten, um den angedrohten Sanktionen der Türkei und der TRNZ noch zuvorkommen zu können.470 Am 28. August 2001 trafen UNO-Generalsekretär Kofi Annan und der türkisch- zypriotische Volksgruppenführer Rauf Denktasch in Salzburg einander, um die Weichen für die geplante Wiederaufnahme der Verhandlungen im September zu stellen. Unterdessen begann der UNO-Sonderbeauftragte Alvaro de Soto mit der Vorbereitung der Gespräche auf Zypern, indem er zwischen den Konfliktparteien vermittelte, um eine gemeinsame Basis für die geplanten Ge- spräche in New York zu schaffen. Die Vorbereitungen mündeten jedoch abermals in eine vor- läufige Absage Denktaschs, der seine Gesprächsbereitschaft von der Herstellung gleichberech- tigter Verhältnisse (d.h. Verhandlungen zwischen zwei gleichberechtigten Staaten) verlangte, und sich dabei auf die zypriotische Verfassung von 1960 bezog. Die griechisch-zypriotische Seite bestand hingegen weiterhin auf eine Fortsetzung der Gespräche auf Basis der seit 1964 mehrfach bestätigten UNO-Resolution 186. Die weiter bestehende Weigerung Denktaschs er- zeugte international eine negative Stimmung gegen die Einstellung der TRNZ, sodass sich der zyperntürkische Volksgruppenführer schließlich doch bereit zeigte, mit Glafkos Klerides in direkte Gespräche vor einer EU-Institution zu treten.471 Um die problematische Wirtschaftslage der TRNZ zu dokumentieren, wurde eine Be- standsaufnahme der wirtschaftlichen Potenziale durch ein türkisches Expertenteam beschlossen. Die Analyse brachte ernüchternde Erkenntnisse. So war zum Beispiel der Tourismus in Nord- zypern weiter rückläufig. Die Auslastungsrate der Hotels lag 2002 lediglich bei 30 Prozent, was das schlechteste Ergebnis der letzten 10 Jahre bedeutete. Ein geplantes Tourismusabkommen mit dem türkischen Mutterland sollte positive Anreize bieten, wenngleich die Lösung der wirt- schaftlichen Probleme der TRNZ in der Aufhebung der wirtschaftlichen Grenzen mit der Türkei

469 vgl. JAWUREK, Zypern – Erweiterung der EU, Mandatsverlängerung für UNFICYP, Abzug von AUSCON, Griechenland/Türkei, in: ÖMZ, Jg. 39, 5/2001, Wien 2001, S. 675. 470 vgl. JAWUREK, Zypern – EU-Beitritt, Wirtschaftliche Situation im Norden, in: ÖMZ, Jg. 40, 1/2002, Wien 2002, S. 114. 471 vgl. JAWUREK, Zypern – EU-Beitritt, Wirtschaftliche Situation im Norden, in: ÖMZ, Jg. 40, 1/2002, Wien 2002, S. 114. 109 gesehen wurde. Als der Inselsüden mit dem syrischen Öl- und Bergbauminister bin-Husni Ja- mal über den Abbau der zyprischen Erdöl- und Erdgasvorkommen verhandelte, verlangte der Inselnorden die Miteinbeziehung in die Gespräche. Sollte die TRNZ in dieser Frage nicht ein- gebunden werden, würde man mit nicht näher spezifizierten Maßnahmen reagieren.472

7.4 DER ANNAN-PLAN UND DIE FRAGE DES EU-BEITRITTS ZYPERNS

Auf das im Jahr 1990 eingebrachte EU-Beitrittsansuchen der Republik Zypern reagierten die TRNZ und die Türkei mit immer heftiger werdenden Drohungen. Als der Europäische Rat 1997 entschied, konkrete Beitrittsverhandlungen mit der Regierung Südzyperns als Vertreterin Ge- samtzyperns zu führen, brach die TRNZ alle Gespräche mit den Zyperngriechen ab. Sie war seither nur mehr zur Bildung einer Konföderation zweier gleichberechtigter Staaten bereit und lehnte somit eine bundesstaatliche Lösung des Konflikts ab. Zudem wurde wiederholt mit ei- nem Anschluss der TRNZ an die Türkei gedroht, sollte die Republik Zypern der EU beitreten. Als Vorstufe hierzu unterzeichneten die TRNZ und die Türkei am 6. August 1990 ein enges Assoziationsabkommen.473 UNO-Generalsekretär Kofi Annan startete im Dezember 1999 den Versuch erneuter Verhandlungen zur Konfliktlösung, da ihm die Gelegenheit der Ernennung der Türkei zu einem potenziellen EU-Beitrittskandidaten günstig erschien, was jedoch erst nach zwei Jahren am 4. Dezember 2001 gelang. Annan appellierte an die Volksgruppenführer Klerides und Denktasch, noch vor dem Jahre 2004 zu einer Konfliktlösung zu kommen, sodass beide Inselteile der EU beitreten können. Annan schlussfolgerte, das im Falle des Scheiterns der Bemühungen die Zy- perntürken politisch und wirtschaftlich stärker isoliert, und die Lösung des Konfliktes auf unab- sehbare Zeit verschoben werden würde.474 Am 16. Jänner 2002 begannen die Gespräche auf dem seit 1974 stillgelegten und in der UNO-Pufferzone gelegenen internationalen Flughafen von Nikosia, jedoch bewegten sich die Konfliktparteien in den folgenden Monaten kaum aufeinander zu. So bestand Glafkos Klerides weiterhin auf dem international anerkannten Alleinvertretungsrecht der Republik Zypern für Gesamtzypern. Nur unter dieser Bedingung war man bereit, über die Einrichtung von Bundes- staaten und die Gewährung von Volksgruppenrechten zu verhandeln. Rauf Denktasch hingegen forderte weiter die Anerkennung der TRNZ und strebte die Gründung einer Zypern- Konföderation an. Weitere zentrale Punkte, die einer Aussöhnung im Wege standen waren:475

472 vgl. JAWUREK, Zypern – EU-Beitritt, Wirtschaftliche Situation im Norden, in: ÖMZ, Jg. 40, 1/2002, Wien 2002, S. 114. 473 vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 672. 474 vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 672. 475 vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 673. 110  die territoriale Abgrenzung der Inselteile (Forderung der Zyperngriechen nach Gebietsabtretungen des Nordens),  die Flüchtlings- und Siedlerfrage (Rückkehr von Vertriebenen, Rückgabe bzw. Entschädigung von enteignetem Besitz, Schicksal der nach 1974 in den Nordteil eingewanderten Festlandstürken),  die Entmilitarisierung der Insel (Abzug türkischer Truppen aus den Norden der Insel).

Nachdem ein weiterer Vermittlungsversuch Annans im Mai 2002 in Nikosia gescheitert war, entschloss er sich zur Ausarbeitung eines eigenen Lösungsvorschlages (sog. Annan-Plan)476, der beiden Seiten vorgelegt werden sollte, die dann über eine Zustimmung oder Ablehnung entscheiden konnten. Nach den türkischen Parlamentswahlen übergab er am 11. November 2002 das Dokument den beiden Verhandlungsführern sowie den Garantiemächten Großbritan- nien, Griechenland und der Türkei. Als ein Hauptmotiv Annans galt die Beendigung der jahr- zehntelangen Verzögerungen in den Verhandlungen, war doch der Annan-Plan mit dem Bei- trittsprozess zur EU synchronisiert und ließ daher keinen zeitlichen Spielraum mehr zu. Bis Anfang Dezember 2002 sollten beide Seiten grundsätzlich zustimmen, bis Ende Februar 2003 mussten alle weiteren Detailfragen geklärt sein, um in den für Ende März geplanten Volksab- stimmungen, die in beiden Inselteilen abgehalten werden würden, den erhofften gemeinsamen Beitritt Zyperns zur EU erreichen zu können. Bei einem positiven Ausgang der Abstimmungen sollten die Bestimmungen sofort in Kraft treten und eine Interimsregierung gebildet werden, die am 16. April 2003 in Athen den EU-Beitrittsvertrag unterschreiben würde. Für den Fall einer Ablehnung seines Planes kündigte Annan die Einstellung aller Vermittlungsbemühungen be- treffend Zypern an.477 Kernpunkt des 150 Seiten starken Annan-Planes war das Gründungsabkommen (Foundation Agreement) für einen gemeinsamen Staat (Common State) mit zwei gleichberech- tigten Teilstaaten (Component States). Weiters waren ein Verfassungsentwurf und grundlegen- de Gesetze sowie eine Beschreibung der Aufgaben neu zu gründender Kommissionen enthalten. Ebenfalls waren zur Lösung der territorialen Aufteilung zwischen den künftigen Teilstaaten Karten enthalten, die Vorschläge für zyperntürkische Gebietsabtretungen beinhalteten. Der An- nan-Plan sah zudem ein Vertragswerk des gemeinsamen zyprischen Staates mit den Garantie- mächten vor und skizzierte das weitere Vorgehen der UNO und der EU. Die Namensgebung des zukünftigen Staates sollte im Einvernehmen mit beiden Volksgruppenführern präzisiert werden.478

476 Wortlaut des Annan-Planes: „Basis for an Agreement on a Comprehensive Settlement of the Cyprus Problem.“ vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 284. 477 vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 673. 478 Der Annan-Plan ließ umstrittene Termini vorläufig offen. So waren weder der Begriff Föderation, noch der Begriff Konföderation enthalten. Gleichzeitig war in den Berichten des Generalsekretärs nie von Behörden oder gar der Regierung der TRNZ die Sprache, sondern von zyperntürkischen Behörden („Turkish Cypriot authoroties“) oder den Behörden der zyperntürkischen Volksgruppe „authoroties of the Turkish Cypriot community“. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 673. 111 Der Verfassungsentwurf orientierte sich an den Verfassungen Belgiens und der Schweiz. Dies bedeutete eine „unauflösliche“ Partnerschaft der Volksgruppen, die eine spätere Sezession von vornherein ausschloss. Der gemeinsamen Regierung479 wurden wenige, genau spezifizierte Kompetenzen480 zugewiesen, wobei die Teilstaaten in ihren wesentlichen Bereichen souverän agieren konnten.481 Verfassungsgesetze und Kooperationsabkommen sollten das Zusammen- wirken von Gesamtstaat und Teilstaaten regeln. Eine entscheidende Rolle bei Streitigkeiten wurde dem Obersten Gerichtshof zugestanden, dem drei zyperngriechische, drei zyperntürki- sche sowie drei ausländische Richter angehören, die nicht Bürger Großbritanniens, Griechen- lands oder der Türkei sein durften.482 Der Annan-Plan versuchte beiden Konfliktparteien Anreize zur Zustimmung bieten zu können. So wurden die Zyperngriechen in ihrer Forderung nach Wahrung einer einheitlichen internationalen Rechtspersönlichkeit und Souveränität bestätigt. Auch wenn es nicht ausformu- liert wurde, so handelte es sich bei dem zukünftigen gemeinsamen Staat um eine Föderation und nicht um eine Konföderation. Auch die Partnerschaft mit den Zyperntürken sollte neu ge- gründet werden. Somit erfolgte keine formale Anerkennung der TRNZ. Weiters wurde die Gül- tigkeit aller bestehenden Gesetze und Vorschriften festgeschrieben. Der sechsköpfige Präsi- dentschaftsrat und das gesamtstaatliche Abgeordnetenhaus sollten entsprechend dem Bevölke- rungsanteil berufen werden, und nur der als zweite Kammer fungierende Senat würde paritä- tisch besetzt. Den Zyperntürken würde die Annahme des Annan-Plans eine neubegründete Partnerschaft mit dem Inselsüden bieten, womit ihnen der Eintritt in die für sie negativ behafte- te Republik Zypern erspart bleiben würde.483 In der Frage der territorialen Aufteilung der Teilstaaten sollte binnen dreieinhalb Jahren der zyperntürkische Teil von 36 Prozent auf ca. 28,5 Prozent verkleinert werden.484 Neben landwirtschaftlich genutzten Gebieten sollten die Städte Morphou (Güzelyurt) und Varosha vgl. TALMON, Stefan, Kollektive Nichtanerkennung illegaler Staaten, Tübingen 2006, S. 662. 479 Während der dreijährigen Übergangsphase sollten laut Annan-Plan zwei gleichberechtigte Co-Präsidenten am- tieren. Danach würde das Präsidentenamt proportional rotieren, wobei das Amt des Vizepräsidenten einem Vertre- ter des jeweiligen anderen Teilstaates zustehen würde. Bei Beschlüssen des Präsidentschaftsrates und des Parla- mentes würden die Teilstaaten über begrenzte Vetorechte verfügen. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 674. 480 Diese sind: Außenpolitik, EU-Politik, Bundeshaushalt, Zentralbankenfragen, Staatsbürgerschaft, Einwanderung, Bekämpfung von Terrorismus, organisierter Kriminalität und Drogenhandel. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 674. 481 Die beiden Teilstaaten haben staatlichen Charakter, was eigene Flaggen, eine eigene Hymne, Staatsbürgerschaf- ten und Polizeikräfte beinhaltete. Weiters dürften die Teilstaaten Sonderbeziehungen mit dritten Staaten unterhal- ten und an der Außen- und EU-Politik mitwirken. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 674. 482 Nichts desto trotz sollten die aus den Allianz- und Garantieverträgen vom Februar 1959 beschlossenen Rechte und Pflichten der Garantiemächte nicht angetastet werden. Die Garantierechte wurden darüber hinaus auf die terri- toriale Integrität, Sicherheit und verfassungsmäßige Ordnung beider Teilstaaten erweitert. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 673, 674. 483 vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 673. 484 Trotz der vorgesehenen Gebietsabtretungen würden bei einem Bevölkerungsanteil von ca. 18% den Zyperntür- ken etwa 28,5% des Inselterritoriums zustehen. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 674. 112 künftig dem zyperngriechischen Teilstaat angehören, wo auch die zwischen 85.000 und 180.000 vertriebenen Zyperngriechen angesiedelt werden könnten. In der Frage des enteigneten Eigentums sollte anstatt von Entschädigungszahlungen primär das Rückgabeprinzip angewen- det werden.485 Infolge der Entmilitarisierung der Insel sah der Annan-Plan lediglich die Stationierung kleiner festlandsgriechischer und -türkischer Kontingente vor, was einen Abzug des Großteils der 35.000 türkischen Soldaten bedeuten würde. Im ursprünglichen Entwurf des Annan-Planes vom 11. November 2002 wurde der Türkei und Griechenland das Recht486 auf Stationierung eines Truppenkontingentes in vierstelliger Truppenstärke zugestanden. Am 26. Februar 2003 fixierte die UNO die maximale Anzahl griechischer und türkischer Soldaten auf der Insel mit jeweils 6.000 Mann. Binnen 34 Monaten nach In-Kraft-Treten des Gründungsabkommens müsste die Nationalgarde der Republik Zypern (ca. 10.000 Mann Stärke) und die Armee der TRNZ (ca. 4.500 Mann Stärke) schrittweise demobilisiert werden. Im selben Zeitraum sollten auch die überschüssigen festlandsgriechischen und -türkischen Truppen von der Insel abgezo- gen werden.487 Das Weiterbestehen der britischen Militärbasen als „Souvereign Areas“ wurde vom Annan-Plan nicht in Frage gestellt, wobei im Februar 2003 sich die britische Regierung bereit erklärte, durch Abtretung eines Teiles ihrer Stützpunkte den Friedensprozess unterstützen zu wollen. Im Falle der Annahme des Annan-Planes würde Großbritannien 115 Quadratkilome- ter an das wiedervereinigte Zypern zurückgeben. Dieses britische Angebot wurde in die letzte Version des Annan-Plans vom 26. Februar 2003 mit einbezogen. Die Abtretung würde sowohl den Zyperntürken als auch den Zyperngriechen zu Gute kommen. Der türkische Teilstaat müss- te weniger Fläche an den Süden übergeben und könnte die nordöstliche Karpass-Halbinsel be- halten, da der zyperngriechische Teilstaat mit britischem Territorium entschädigt werden wür- de.488 Sowohl die gesamt- wie auch die teilstaatlichen Polizeikräfte dürften nur mit leichten Waffen ausgerüstet werden, wobei eine Aufstellung irregulärer Milizen verboten wurde. Mit

485 Es wurde eine grundsätzliche Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit garantiert, jedoch mit gewissen Über- gangsfristen und permanenten Zuzugseinschränkungen in einigen Gebieten, um die jeweilige „Identität“ der beiden Teilstaaten nicht in Frage zu stellen. Somit würde auch die kleinere zyperntürkische Volksgruppe vor einem mas- siven Zuzug der rund viermal stärkeren zyperngriechischen Volksgruppe geschützt werden. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 674. 486 Der Allianzvertrag von 1959 wurde, wie bereits beschrieben, nicht revidiert, sondern nur den neuen Gegeben- heiten angeglichen. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 674. 487 Sollte die Türkei der EU beitreten, müssten alle ausländischen Soldaten die Insel verlassen. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 674. 488 Auf dem insgesamt 256 Quadratkilometer großen Gebiet im Süden der Insel sind ca. 3.500 britische Soldaten stationiert. Der souveräne Status der Militärbasen wurde 1960 bei der Gründung der Republik Zypern vertraglich abgesichert. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 674. 113 Ausnahme von Sportwaffen wurde Privatleuten der Besitz von Waffen grundsätzlich verbo- ten.489 Die Rolle der seit 1964 auf Zypern stationierten UNFICYP-Kontingente (Stärke 2003: 1.228 Soldaten) sollte durch den Annan-Plan an die Gegebenheit angepasst werden. UNFICYP sollte die geplanten Gebietsabtretungen, Bevölkerungsumsiedlungen und die Entmilitarisierung der Insel überwachen und begleiten. Die Überwachung der 167 Quadratkilometer großen UNO- Pufferzone würde in der Folge überflüssig werden, sodass sich die Aktivitäten von UNFICYP in stärkerem Umfang als bisher auf die gesamte Insel erweitern würden.490 Die Hoffnungen zur Umsetzung des Annan-Plans waren zum Jahresende 2002 hoch, da noch nie in der Geschichte des Zypernkonflikts der zyperntürkischen Volksgruppe so weitrei- chende Konzessionen gewährt wurden. Dem mittlerweile 80jährigen Rauf Denktasch wurde zudem die Möglichkeit geboten, mit der Annahme des Annan-Plans als international anerkann- ter Präsident491 Zyperns seine politische Karriere ausklingen zu lassen. Zudem gingen im Nord- teil der Insel immer mehr Zyperntürken auf die Straßen, um ihren Präsidenten zur Unterschrift zu bewegen. Am 28. November 2002 demonstrierten 20.000, am 26. Dezember 30.000 und am 14. Jänner 2003 mindestens 50.000 Zyperntürken (somit etwa ein Viertel aller Bewohner der TRNZ) für die Unterzeichnung des Annan-Plans. Während die Mehrheit der jüngeren Generati- on der Zyperntürken einen raschen gesamtzyprischen EU-Beitritt befürwortete, betrachteten viele ältere Zyperntürken und eingewanderte Festlandstürken die geplante Wiedervereinigung der Insel mit Skepsis.492 Nach einem Treffen mit türkischen Politikern und Militärs kehrte Rauf Denktasch am 22. Dezember 2002 mit dem Anliegen substanzieller Veränderungen des Annan-Plans nach Zypern zurück, die für die zyperngriechische Gegenseite als unakzeptabel erachtet wurden. Denktasch forderte die Installation eines permanenten Co-Präsidentenamtes anstelle eines Prä- sidentschaftsrates, billigte Gebietsabtretungen im Wesentlichen nur auf Kosten der UNO- Pufferzone (somit inklusive Varosha, aber ohne Morphou/Güzelyurt) und wollte keine Rück- kehr von Zyperngriechen in den Nordteil zulassen.493

489 Die Entmilitarisierung der Insel sollte bewaffnete Zusammenstöße zwischen den beiden Volksgruppen, wie sie zwischen 1960 und 1974 immer wieder ereignet haben, unmöglich machen. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 673, 674. 490 Um dem neue Anforderungsprofil für UNFICYP Folge leisten zu können, müsste das UNO-Mandat durch den Sicherheitsrat entsprechend angepasst werden. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 674. 491 Bezogen auf die dreijährige Übergangsphase mit gleichberechtigten, monatlich rotierenden Co-Präsidenten. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 675. 492 vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 675. 493 vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 675. 114 Trotz verschiedener Zugeständnisse in Einzelfragen494, einer erneuten Reise des UNO- Generalsekretärs nach Nikosia (24.-28. Februar 2003), sowie einer letzten Fristverlängerung um 10 Tage in der Entscheidungsfindung, konnte das Scheitern des Annan-Plans nicht verhindert werden. Am 11. März 2003 lehnte Rauf Denktasch den Lösungsvorschlag endgültig ab.495 Aus Protest gegen diese Entscheidung schloss der UNO-Generalsekretär im April 2003 das Büro seines Sonderbeauftragten in Nikosia. Wie sich herausstellen sollte, war Denktasch nicht in der Lage, ohne Zustimmung Ankaras der Lösung des Konflikts dienliche Entscheidungen allein zu treffen. Dementsprechend wurde in dem an den UNO-Sicherheitsrat übersandten Bericht des Generalsekretärs auf die Hauptverantwortung des zyperntürkischen Verhandlungsführers für das Scheitern des Annan-Planes verwiesen.496 Aufgrund der Ablehnung des Annan-Plans durch die zyperntürkische Führung begann sich in Südzypern eine breite Ablehnungsfront aus Vertriebenen, Nationalisten und kirchlichen Kreisen zu bilden, die die Auflösung der Republik Zypern, die Festschreibung der territorialen Teilung, das Prinzip der Gleichheit der Teilstaaten, die eingeschränkte Eigentumsrestitution und Flüchtlingsrückkehr, die Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Teil der Siedler aus der Türkei, sowie das Fortbestehen von türkischen Garantierechten anprangerte.497 Im Gegensatz zum wirtschaftlich am Boden befindlichen TRNZ, bestand für die Zyperngriechen zu keiner Zeit eine wirtschaftliche Notwendigkeit zur Annahme des Annan-Plans, da die EU der Repub- lik Zypern den Beitritt auch ohne vorherige Konfliktlösung zugesagt hatte.498 Denktasch sah sich weiters dem Problem ausgesetzt, dass im Fall eines Referendums in der Frage eines ge- meinsamen EU-Beitritts Zyperns sich eine Mehrheit der Zyperntürken für den Annan-Plan aus- sprechen könnte, während bei den Zyperngriechen eine Ablehnung möglich wäre.499 Trotz aller Komplikationen bekräftigte UNO-Generalsekretär Annan, dass sein Lö- sungsvorschlag nach wie vor auf dem Tisch läge, der auch von der Republik Zypern weiter als

494 Annan legte den beiden Kontrahenten Ende Februar 2003 eine nachjustierte Version des UNO-Planes vor. So müsste gemäß dem Plan die türkische Seite etwas weniger Territorium abtreten als bisher und könnte zudem die Karpass-Halbinsel im Nordosten behalten. Die griechische Seite hingegen bekäme dafür 15 zusätzliche Dörfer um Morphou und Famagusta; dazu könnten rund 90.000 griechische Flüchtlinge an ihre früheren Wohnorte zurück- kehren. vgl. TAUS, Wolfgang, Miszellen – Zypern, Der schwelende Spannungsherd, in: ÖMZ, Jg. 44, 5/2006, Wien 2006, S. 605. 495 Diese Ablehnung bedeutete zum damaligen Stand, dass die Anwendung des Besitzstandes der EU auf dem türkischen Nordteil der Insel ausgesetzt wird, bis der Europarat auf der Grundlage eines Vorschlages der Kommis- sion einstimmig etwas anderes beschließt. vgl. PFARR, D., Internationale Rundschau - Europäische Union, in: ÖMZ, Jg. 41, 3/2003, Wien 2003, S. 344. 496 vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 675. 497 Die Saat für das negative Votum der Zyperngriechen im Jahr 2004 wurde somit durch die zyperntürkische Ab- lehnung des Annan-Plans von 2003 gesetzt. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 675. 498 So räumte UNO-Generalsekretär Annan in seinem Bericht an den Sicherheitsrat ein, dass es Klerides‘ Nachfol- ger Papadopoulos nicht eilig hatte, den Annan-Plan vor dem EU-Beitritt Zyperns zu unterzeichnen. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 675. 499 Wie es denn dann auch tatsächlich am 26. April 2004 passieren sollte. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 673. 115 Verhandlungsgrundlage betrachtet wurde. Diverse Versuche von Denktasch, neue Verhandlun- gen auf der Basis von Einzelschritten in Gang zu setzen, wurden vom zyperngriechischen Prä- sident Papadopoulos abgelehnt.500 Am 16. April 2003 unterzeichnete die Republik Zypern als Vertreterin Gesamtzyperns den Beitrittsantrag zur EU, womit die Weichen für den EU-Beitritt mit 1. Mai 2004 gestellt wurden, was von der TRNZ und der Türkei erwartungsgemäß scharf kritisiert wurde. Allen bisherigen Drohungen zum Trotz war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr von einem geplanten Anschluss der TRNZ an die Türkei die Rede. Seit dem Verzicht der Stationierung von Luftab- wehrraketen im Dezember 1998 kam es auch zu keinerlei Machtdemonstrationen der türkischen Armee auf Zypern.501 Die Mehrheit der Zyperntürken zeigte sich von den Vorgängen rund um die Ablehnung des Annan-Plans durch ihrer politischen Vertreter enttäuscht, sah man doch einen guten Zeit- punkt zur Lösung des Konflikts gekommen. Seit der Unterzeichnung des Beitrittsantrags durch den Südteil war man in einem ersten Punkt des Annan-Plans bereits im Verzug, war doch die gemeinsame Unterzeichnung eine der Grundbedingungen für die Umsetzung. Als zukünftiges Mitglied der EU wäre dem Südteil eine internationale Stärkung wiederfahren, während die TRNZ weiter in die Isolation getrieben werden würde. Zudem war zu diesem Zeitpunkt davon auszugehen, dass mit der EU bald eine neue internationale Organisation auf der Insel vertreten sein werde, die ihre eigenen Interessen im künftigen Verhandlungsprozess zur Beilegung des Zypernkonflikts verfolgen würde, selbst wenn sie die TRNZ und deren Zuständigkeit in Norden Zyperns nicht anerkannte.502 Die zyperntürkischen Verantwortlichen erkannten in der Folgezeit, dass es keine Alter- native zu einer Wiedervereinigung oder einem EU-Beitritt für die TRNZ mehr gab. Die Unab- hängigkeit des 3.355 Quadratkilometer kleinen Inselteiles samt geteilter Hauptstadt würde die TRNZ vor gravierende ökonomische Probleme stellen, zumal die türkischen Finanzhilfen die immer größer werdende Kluft zwischen prosperierendem Süden und stagnierendem Norden nicht mehr ausgleichen konnte. Der oft angedrohte Anschluss der TRNZ an die Türkei wurde wie die Errichtung eines unabhängigen Staates immer unwahrscheinlicher, stand doch das tür- kische Mutterland selbst in Verhandlungen mit der EU über die Aufnahme von Beitrittsgesprä-

500 So bot Denktasch am 11. Juli 2003 vergeblich die Rückgabe Varoshas und die damit verbundene Möglichkeit zur Rückkehr von ca. 40.000 griechischen Siedlern gegen eine Öffnung des internationalen Flughafens von Niko- sia an. Auch die EU bekräftigte vorsorglich ihre Ablehnung in separate Beitrittsverhandlungen mit der TRNZ treten zu wollen. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 676. vgl. TAUS, Wolfgang, Miszellen – Zypern, Der schwelende Spannungsherd, in: ÖMZ, Jg. 44, 5/2006, Wien 2006, S. 605. 501 vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 676. 502 vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 676. 116 chen, sodass beide Überlegungen ab 2003 weder von der türkischen Regierung, noch von der TRNZ ernsthaft weiter verfolgt wurden.503 Um der ob der verfahrenen Situation immer unzufriedener gewordenen Bevölkerung des Nordteils ein Ventil bieten zu können, gab die Regierung der TRNZ am 23. April 2003 überra- schend die Öffnung der Grenze für Tagesbesucher bekannt. Erstmals seit 29 Jahren konnten nun Zyperntürken wie Zyperngriechen die bislang hermetisch abgeriegelte Grenze überschrei- ten. Bald darauf gestattete man auch mehrtägige Grenzüberschreitungen, wovon bereits in der ersten Woche an die 120.000 Zyperngriechen und -türken Gebrauch machten. An die 20.000 Zyperntürken nutzten bis Mitte Mai die Möglichkeit und besorgten sich in Süd-Nikosia Pässe der Republik Zypern.504 Die Grenzöffnung sollte der TRNZ zudem wieder etwas von verlore- nem Prestige zurückbringen und ihre faktische Autorität im Nordteil der Insel demonstrieren.505 Ende April 2003 verabschiedete die Regierung der Republik Zypern ein Maßnahmenpa- ket zur verstärkten Integration beider Inselteile. Es beinhaltete unter anderem die Aufnahme von Handel zwischen beiden Inselhälften (ebenso die Ermöglichung von TRNZ-Exporten über südzypriotische Häfen und Flugplätze), eine Erleichterung der Arbeitsaufnahme von Zypern- türken im Süden, die Wiedereinführung des türkischen Sprachunterrichts an Gymnasien, die Bildung einer gemeinsamen Olympiamannschaft sowie eine unbürokratische Ausstellung von EU-Pässen für Einwohner des Nordens. Auch die EU bot der TRNZ wirtschaftliche Hilfen für die Übergangszeit bis zum geplanten Referendum im kommenden Jahr an. Nach wie vor be- trachtete man die Haltung Ankaras als Schlüssel für die Lösung des Konflikts und der Verwirk- lichung eines gemeinsamen EU-Beitritts Zyperns. Die Türkei hingegen, die keinerlei diplomati- sche Beziehungen zur Republik Zypern unterhielt und nach wie vor 35.000 Soldaten auf Zypern stationiert hatte, machte ihrerseits die Lösung der Zypernfrage von den von ihr angestrebten Beitrittsverhandlungen mit der EU abhängig.506 Eine letzte Gesprächsrunde unter UNO-Vermittlung zur Einigungsfindung zwischen Zyperngriechen und Zyperntürken vor dem bevorstehenden EU-Beitrittstermin (1. Mai) schei- terten am 1. April 2004 in der Schweiz. Die Bevölkerung Zyperns wurde somit dazu angehal- ten, am 24. April per Urnengang über einen gemeinsamen oder getrennten EU-Beitritt Zyperns

503 vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 676. 504 Trotz des gescheiterten Referendums für den gemeinsamen Beitritt beider Teile Zyperns zur EU bleibt festzu- halten, dass auch türkische Zyprioten aus dem Nordteil EU-Bürger sind, wobei die „Anwendung des Besitzstandes der EU“ nur in jenen Teilen der Republik Zypern ausgesetzt wird, in denen die Republik keine tatsächliche Kon- trolle ausübt. vgl. POEW, René, Der Beitritt Zyperns zur EU – Probleme des Völkerrechts, des Europarechts und des zyprioti- schen Rechts, Hamburg 2007, S. 185, 186. 505 Bezeichnenderweise verweigerten viele Zyperngriechen nach wie vor einen Grenzübertritt, solange die in ihren Augen unrechtmäßige Verwaltungsstruktur aufrecht gehalten wurde. vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 676. 506 vgl. PABST, Martin, Internationale Rundschau - Zypern, in: ÖMZ, Jg. 41, 5/2003, Wien 2003, S. 676. 117 zu entscheiden.507 Für einen EU-Beitritt Gesamtzyperns benötigte das Referendum eine mehr- heitliche Bestätigung in beiden Inselteilen. Viele Beobachter rechneten schon vor der Abstim- mung damit, dass am 1. Mai nur der griechische Teil Zyperns zur EU kommen würde.508 So kam es, dass am besagten 24. April 2004 fast 76 Prozent der Zyperngriechen gegen einen ge- meinsamen Beitritt Zyperns votierten. Somit wurde auch nur im Südteil der Insel der Rechts- tand der EU am 1. Mai 2004 für wirksam erklärt. Trotz allgemeiner Enttäuschung über die Ent- scheidung509 bekräftigte der Europäische Rat sein Vorhaben, die Isolierung der zyperntürki- schen Volksgruppe zu beenden und die Wiedervereinigung Zyperns durch Förderung der wirt- schaftlichen Entwicklung der türkisch-zypriotischen Gemeinschaft zu begünstigen.510

Abb. 17, Tabelle „Bevölkerungsverteilung im geteilten Zypern, Stand 2004“511

Anteil an Gesamtbevölkerung (2004) Zyperngriechen Zyperntürken512

gesamt (zirka) 721.000 203.000 anteilsmäßig 78% 22% Anzahl der gr./türk. Zyprioten, die entgegen ihrer Volksgruppenzuge- 500 60.000 hörigkeit im benachbarten Inselteil leben (zirka)

Abb. 18, Kreisdiagramme „Ergebnis des Zypern-Referendums vom 24. April 2004“ 513

507 Nach Parlamentschaftswahlen vom 14. Dezember 2003 im Nordteil der Insel sah sich Denktasch einer neuge- wählten Regierung unter der Führung von Mehmet Ali Talat gegenüber, die eine aufgeschlossenere Haltung als er zur Lösung des Zypernproblems an den Tag legte. Das Ergebnis der Wahl, sowie eine gesteigerte Druckausübung der türkischen Regierungspartei (AKP) unter Recep Erdogan zwangen Denktasch zur Annahme des Referendums, welches am 24. April 2004 durchgeführt wurde. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 285. 508 vgl. BISCHOF, Burkhard, Internationaler Bericht – Zwei Präsidenten abgesetzt, in: ÖMZ, Jg. 42, 3/2004, Wien 2004, S. 332. 509 Die Zyperntürken erhofften sich mit ihrem Ja (fast 65 Prozent der Nordzyprioten stimmten am 24. April 2004 für den wiedervereinigten Beitritt zur EU) zum UNO-Plan ein Ende der internationalen Isolation, sowie einen wirtschaftlichen Aufschwung in dem von ihnen bewohnten Nordteil der Insel. vgl. POEW, Beitritt Zyperns zur EU, S. 186. 510 vgl. PFARR, D., Internationale Rundschau - Europäische Union, in: ÖMZ, Jg. 42, 4/2004, Wien 2004, S. 477. 511 vgl. TAUS, Wolfgang, Miszellen – Zypern, Der schwelende Spannungsherd, in: ÖMZ, Jg. 44, 5/2006, Wien 2006, S. 601. 512 Einschließlich anatolischer Türken und türkischen Besatzungstruppen (ca. 35.000). 513 vgl. PFARR, D., Internationale Rundschau - Europäische Union, in: ÖMZ, Jg. 42, 4/2004, Wien 2004, S. 477. vgl. POEW, Beitritt Zyperns zur EU, S. 186. vgl. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 285. vgl. Internetseite der BBC: http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/3656753.stm, abgerufen 19/03/2011. 118 Dreißig Jahre nach der Teilung der Insel scheiterte die Wiedervereinigung an der Ablehnung der Zyperngriechen. Die Bevölkerung Zyperns wurde nicht nur durch die unmittelbaren Ereig- nisse der Krisenjahre 1963/64 bis 1974 geprägt, sondern auch durch die darauffolgenden Jahre der lokalen und internationalen Zypernpolitik. Gerade in Wahlkampfzeiten (in Griechenland, der Türkei und auf Zypern selbst) wurde der Zypernkonflikt immer wieder instrumentalisiert um in internen Machtkämpfen vermeintliche Führungsqualitäten zur Schau stellen zu können. Besonders in der Türkei spielte das innenpolitisch gewichtige Militär im Umgang mit der Zy- pernfrage eine bedeutende Rolle, da sich zyperntürkische Politiker zumeist an der Haltung An- karas zu orientieren hatten. In der Zeit des Kalten Krieges wurde durch die Gewährung von Stützpunktrechten in der Region sowie durch die Vergabe von Wirtschafts- und Militärhilfen vor allem vonseiten der USA Politik betrieben, die seit 1974 immer auch die Ereignisse auf Zypern mit beeinflusste. Die latente Spannung zwischen Griechenland und der Türkei wurde durch den Streit um Hoheitsrechte in der Ägäis und durch den Zypernkonflikt bis Ende der 1990er Jahre genährt. Ein gewisser Umschwung in den Beziehungen zwischen Ankara und Athen erfolgte im Jahr 1999, als neben der Richtungsänderung der Balkanpolitik Griechenlands und dem nachdrücklichen Wunsch eines EU-Beitritts der Türkei nach dem Erdbeben vom Au- gust gegenseitig humanitäre Hilfestellung geleistet wurde. Im Anschluss daran folgte die grie- chische Rücknahme des Vetos gegen einen EU-Beitritt der Türkei. Dass es während dieser dreißig Jahre nicht wie 1974 zu einer weiteren schwerwiegenden militärischen Konfrontation vor allem der beiden zyprischen Mutterländer kam, war den Bemü- hungen internationaler Institutionen und Personen verschiedenster Nationalitäten zu verdanken, sei es der in Fußnote 173 angeführte Telefonanruf Johnsons an Inönü, die immer wiederkehren- den Verständigungsaufrufe und vermittelten Gesprächsrunden während der 1980er und 1990er Jahre, der Annan-Plan von 2002 bis 2004 oder, wie für 1964 bis 1974 schon in Kapitel 6 be- schrieben, die multinationale UNO-Friedenstruppe UNFICYP.

119 8. DIE UNITED NATIONS PEACEKEEPING FORCE IN CYPRUS

(UNFICYP) SEIT 1974

Insgesamt hatte UNFICYP während der türkischen Invasion von 1974 neun Gefallene und 65 Verwundete zu beklagen.514 Die militärische Lage auf Zypern nach der türkischen Invasion war gekennzeichnet von einem die Insel durchschneidenden Band von Verteidigungs- und Beobach- tungsstellungen. Rund 30.000 stationierte türkische Soldaten garantierten den Fortbestand des 1974 ausgerufenen türkisch-zypriotischen Föderationsstaates. Versorgt wurden die Truppen über den wichtigsten nordzypriotischen Hafen von Famagusta. Weiters verfügte die türkische Truppe über Panzerverbände, die zur Verteidigung der Mesaoria Ebene vorgesehen waren. Un- terstützt wurde die türkische Festlandsarmee von etwa 12.000 türkisch-zypriotischen Kämpfern (Turkish Fighters), deren Haupteinsatzgebiete vor allem in der Kokkina-Enklave, im Stadtbe- reich von Nikosia, im Louroujina-Schlauch und im Gebiet ostwärts der britischen Militärbasis von Dhekelia lagen.515 Der Inselsüden verfügte in der Zeit nach Beendigung der Kampfhandlungen über etwa 25.000 griechisch-zypriotische Soldaten der republikanischen Nationalgarde, in dessen Reihen auch zwei festlandgriechische Bataillone eingegliedert waren.516 Die Nord-Süd Teilung der Insel auf Höhe Nikosias und die durch Flucht und Umsied- lung der griechischen bzw. türkischen Zyprioten bedingte ethnische Umschichtung hatte zur Folge, dass die UNFICYP-Missionsstrategie der 1960er und frühen 1970er Jahre geändert wer- den musste. Die Kapazitäten der mobilen Patrouillen und rasch verfügbarer Eingreifreserven reichten nicht mehr aus, um die von beiden Seiten anerkannte Waffenstillstandslinie überwa- chen zu können.517 Diese Feuereinstellungslinien, oftmals mit dem Verlauf der vordersten Stel- lungen ident, lagen an ihrer schmalsten Stelle im Stadtbereich von Nikosia nur 20 Meter, an ihrer breitesten Stelle im Raum Athienou etwa sieben Kilometer auseinander.518 Im Dezember 1976 wurde der indische UNFICYP-Oberbefehlshaber Chand vom iri- schen Generalmajor Quinn abgelöst.519 Durch die veränderte strategische Lage verschärft durch

514 vgl. ONJERTH, Hugo, Der Einsatz der österreichischen UNO-Kontingente in Zypern und im Nahen Osten, in: ÖMZ, Jg. 14, 2/1976, Wien 1976, S. 141. 515 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 202. 516 vgl. DORFMEISTER, Zypernkonflikt, ÖMZ 3/1978, S. 202. 517 vgl. ONJERTH, Hugo, Der Einsatz der österreichischen UNO-Kontingente in Zypern und im Nahen Osten, in: ÖMZ, Jg. 14, 2/1976, Wien 1976, S. 141. 518 vgl. DORFMEISTER, Zypernkonflikt, ÖMZ 3/1978, S. 202. 519 Liste der UNFICYP Oberbefehlshaber 1976 – 2010: Quinn (Irland) Dez. 76 – Mär. 81 Greindl (Österreich) Mär. 81 – Apr. 88 Milner (Kanada) Apr. 88 – Apr. 92 Minehane (Irland) Apr. 92 – Aug. 94 Vartianinen (Finnland) Aug. 94 – Feb. 97 [Fortsetzung folgende Seite] 120 den Abzug des finnischen Truppenkontingentes im Herbst 1977, bedurfte es einer Neugliede- rung der Bataillonssektoren Ende 1977. Ergänzt durch die (ver)kleiner(t)en Truppenkontingente aus Australien, Irland und Finnland betrug die Gesamtstärke von UNFICYP etwa 2.500 Mann:

Abb. 19, Tabelle „Sektorale Truppenstärke der internationalen Kontingente Ende 1977“ 520

Land Sektor Truppenstärke Dänemark 1 360 Großbritannien 2 830 Kanada 4 515 Schweden 5 425 Österreich 6 311

Die Resolution Nr. 186521 des UNO-Sicherheitsrates von 1964, die zur erstmaligen Entsendung von UN-Truppen nach Zypern führte, wurde durch die Ereignisse von 1974 durch weitere Re- solutionen inhaltlich ergänzt. Dies brachte zusätzliche Aufgaben für UNFICYP mit sich. So lautete eine Entscheidung im der Resolution Nr. 401 von 1974, „dass unter den gegenwärtigen Umständen die Präsenz der UN-Friedenstruppe in Zypern nicht nur für Hilfestellungen zur Auf- rechterhaltung der Ruhe auf der Insel, sondern auch für eine kontinuierliche Suche einer friedli- chen Lösung notwendig ist“. Neben der Verhinderung von Verstößen gegen das Waffenstill- standsabkommen wie etwa von Schießereien, Vorrücken über die bestehende Feuereinstel- lungslinie, Bau von neuen Verteidigungsanlagen etc. übernahm UNFICYP nun auch eine Ver- mittlerrolle, um so den zum damaligen Zeitpunkt verfeindeten Konfliktparteien eine Ge- sprächsbasis bieten zu können.522 Hauptaugenmerk blieb jedoch nach wie vor die Ermöglichung eines ungefährdeten All- tagslebens für Zivilpersonen, das die Friedenstruppe durch Bewachung und Eskortierung von Bauern, Hirten oder anderer griechisch- und türkisch-zypriotischer Inselbewohner versuchte zu erreichen. Unter anderem wurde etwa eine so bezeichnete „Erntelinie“ in der Pufferzone einge-

de Vergara (Argentinien) Feb. 97 – Dez. 99 Rana (Nepal) Dez. 99 – Dez. 01 Hwang (Südkorea) Jän. 02 – Dez. 03 Figoli (Uruguay) Jän. 04 – Jän. 06 Barni (Argentinien) Mär. 06 – Mär. 08 Debernardi (Peru) Apr. 08 – Dez. 10 Liu (China) seit Jän. 11 vgl. Internetseite UNFICYP: http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=1448&tt=graphic&lang=l1, abgerufen 19/04/11. 520 vgl. DORFMEISTER, Zypernkonflikt, ÖMZ 3/1978, S. 202. siehe dazu auch Abb. 42 im Anhang. 521 Die Resolution besagt unter anderem: „…im Interesse des Bestandes von internationalem Frieden und Sicher- heit alle Anstrengungen zu machen, um ein Wiederaufleben der Kämpfe zu verhindern, und, wenn notwendig, zur Wiedererrichtung von Gesetz und Ordnung und zur Rückkehr zu normalen Bedingungen beizutragen.“ vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 202. 522 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 202. 121 richtet, in der unter UN-Aufsicht Zivilisten ihrer Feld- oder Weidetätigkeit nachgehen konn- ten.523 Aufgabe der Economic Officers524 der einzelnen Kontingente war es, eine genaue Kon- trolle der Wasserversorgung durchzuführen, um eine möglicherweise konfliktträchtige Benach- teiligung einer Seite im Vorhinein verhindern zu können. Schließlich befand sich ein Großteil der spärlichen, aber für die Aufrechterhaltung der Ernteerträge wichtigen Wasservorkommen im Süden der Insel. Dieses Wasser wurde in im Nordteil der Insel befindlichen Hochbehältern gesammelt und von dort wiederum den Endverbrauchern beider Inselteile zugeführt. Dass in fast allen territorialen Fragestellungen innerhalb des Zypernkonflikts UNFICYP mit einem au- ßerordentlichen Maß an Fingerspitzengefühl vorgegangen werden musste, obliegt der Tatsache, dass Wahrnehmungen und Wünsche der griechisch- und türkisch-zypriotischen Behörden oft sehr weit voneinander entfernt lagen.525 Die Überwachung der Waffenstillstandslinie erfolgte durch 80 ständig besetzte Observa- tion Posts und 55 fallweise besetzten Observation Points.526 Diese Beobachtungsposten bestan- den teilweise aus adaptierten Zivilgebäuden, gemauerten Unterkünften oder Wellblechbara- cken. Um diese Punkte miteinander verbinden zu können, setzte UNFICYP motorisierte Pat- rouillen ein, sodass eine flächendeckende Überwachung der UN-Pufferzone erfolgen konnte. Im Falle der Verletzung des Waffenstillstandes durch eine der beiden Konfliktparteien bestand eine hierarchische Meldekette, wobei die Kompetenzen zur Lösung vorgefallener Kon- fliktsituationen mit jeder Instanz erweitert wurden: Der Zugskommandant des Observation Posts war als Erstes verpflichtet, Untersuchungen zur Waffenstillstandsverletzung einzuleiten und berechtigt, durch einen offiziellen Protest in ersten Absprachen mit der Verursacherpartei den Status quo wiederherzustellen. Reichte diese erste Maßnahme nicht aus, schalteten sich der Kompaniekommandant und in weiterer Folge der Operations Officer des Bataillons ein. Bei schwerwiegender Sachlage konnte der Bataillonskommandant einen stehenden Spähtrupp zum Ort der Waffenstillstandsverletzung entsenden, der die weitere Überwachung übernahm, die Präsenz der UN-Streitkräfte dokumentierte und eine Ausweitung der Waffenstillstandsverlet-

523 Im Jahr 1977 gab es in der 180 Kilometer langen Pufferzone etwa 100 Stellen dieser Art. vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 203. 524 Während durch die britische Übernahme der Aufgabe der Versorgung von UNFICYP Schlüsselfunktionen im Hauptquartier durch britische Offiziere besetzt waren, wechselte der Chief Operations Officer und der Chief Eco- nomics Officer regelmäßig die Nationalität (Dänemark, Österreich, Schweden). vgl. PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 301. 525 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 203. vgl. PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 301. 526 Stand Mitte 1977. vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 203. 122 zung verhindern sollte. Ebenfalls oblag es der Entscheidung des jeweiligen Bataillonskomman- danten, den Einsatz einer „Multinational Force“ beim UNFICYP-Hauptquartier zu beantra- gen.527 Vor allem kurz nach der Invasion der türkischen Armee 1974 war die Entsendung von Eingreiftruppen der letzten Instanz vonnöten, wobei die von einer Partei vorgezogenen Stellun- gen wieder auf die vereinbarte Ausgangsposition gemäß der Waffenstillstandslinie vom 16. August 1974 geräumt wurden. Allgemeine Vorgehensweise war es, Zwischenfälle nicht unnötig hochzuspielen, sodass in den meisten Fällen aufkeimende Konflikte auf der Kompanie-Ebene durch Treffen des Kompaniekommandanten mit Vertretern beider Parteien gelöst werden konn- ten, sofern der Status quo wiederhergestellt wurde.528 Eine weitere Aufgabe, die UNFICYP ab 1974 zu übernehmen hatte, war die Überwa- chung der Auswanderung der noch im türkischen Teil lebenden Griechen. Wie auf S. 70 be- schrieben, lebten nach der Invasion und der Teilung der Insel noch etwa 1.700 Griechen im Gebiet der nordzypriotischen Karpass-Halbinsel. Obwohl kurz nach der türkischen Invasion viele Zyperngriechen bereit waren, in den Inselsüden auszuwandern, verminderte sich die An- zahl der Umsiedlungswilligen, je mehr Zeit verging. Den verbliebenen Griechen war es erlaubt, ihre Kinder zu (meist besser ausgestatteten) Bildungseinrichtungen in den Süden schicken zu können, wobei von türkischer Seite eine gefahrlose Durchquerung ihres Gebietes nicht immer garantiert werden konnte. Folge dieser Einschätzung war, dass Schüler oft monatelang nicht zu ihren im Norden verbliebenen Angehörigen zurückkehren konnten.529 Ein Problem bei der Überwachung der Zyperngriechen in Nordzypern war die von türki- scher Seite verordnete eingeschränkte Bewegungsfreiheit für UNFICYP. Zudem verfügte man über weit weniger Observation Points im Norden als im Süden, wo es keine Einschränkung der Bewegungsfreiheit für UNFICYP gab. Patrouillen oder Konvois durften im Norden nur auf genehmigten Routen verkehren, für Kyrenia, Mare Monte und Bellapais konnten UNFICYP- Angehörige lediglich Ausnahmegenehmigungen beantragen.530 Die Aufgabe der Kontrolle von Zivilpersonen innerhalb der Pufferzone oblag der UN- Civilian Police (UNCIVPOL) in Zusammenarbeit mit den zuständigen zypriotischen Behörden, da die Kontingente ihnen gegenüber über keine Weisungsbefugnis verfügten. UNCIVPOL war ebenfalls für die eigentliche Eskortierung von in einen anderen Inselteil auswandernden Perso-

527 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 203. 528 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 203, 204. Diese Vorgehensweise zielte darauf ab, dass Zwischenfälle auch bei offensichtlichen Irrtümern ohne Gesichtsver- lust einer der Parteien abgeschlossen werden konnten. vgl. PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 303. 529 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 204. 530 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 203. 123 nen verantwortlich, konnte bei grenzüberschreitenden Beschwerden oder kriminellen Taten Amtshandlungen vollziehen, Untersuchungen führen und zahlte die von der griechisch- zypriotischen Regierung vorgesehenen finanziellen Unterstützungen531 an die im Nordteil der Insel lebenden Zyperngriechen aus. Zusammen mit dem internationalen Roten Kreuz führte UNCIVPOL zudem ein Vermisstenbüro. Die Einsatzstärke von UNCIVPOL lag zu Beginn des Jahres 1977 bei 47 Polizeibeamten aus Australien, Österreich und Schweden. Diese Einsatz- stärke verringerte sich Mitte des Jahres 1977 durch den Abzug des österreichischen Polizeikon- tingentes. Wegen der allmählichen finanziellen Belastung durch die hohen Kosten der UN- Mission wurde für die nähere Zukunft die Bildung einer kleineren, dafür rasch beweglichen Untersuchungsgruppe im UN-Hauptquartier beschlossen. Im Zeitraum vom 27. März 1964 bis zum 15. Juni 1977 stellten 59 UN-Mitgliedsstaaten und drei Nichtmitglieder 198,4 Millionen US-Dollar zur Verfügung. Jedoch waren zu diesem Zeitpunkt die Kosten des Einsatzes bereits auf 262,3 Millionen Dollar angestiegen, sodass ein Defizit des Zypernmandats von 63,9 Millio- nen US-Dollar im Jahr 1977 bestand.532 Von türkisch-zypriotischer Seite wurde kurz vor den Volksgruppengesprächen des Frühsommers 1977 und zu Beginn des Jahres 1978 wiederholt der Abzug der UN- Friedensstreitmacht mit dem Argument gefordert, dass die Teilung der Insel und die Trennung der Volksgruppen praktisch vollzogen sei, und deshalb auf die Präsenz der UNO, außer im Rahmen einer Beobachtungsmission, zu verzichten wäre. Jedoch zog der Halbjahresbericht vom 7. Juni 1977 des UN-Generalsekretärs Waldheim einen Abzug der UN-Kräfte zu diesem Zeitpunkt nicht in Betracht, da auf die deeskalierende und zur Lösung des Konfliktes beitragen- de Funktion von UNFICYP verwiesen wurde.533 Zwar schwand Anfang der 1980er Jahre die Gefahr eines Ausbruches von Kampfhandlungen aufgrund einer einzelnen Fehlreaktion, jedoch versuchte UNFICYP jegliche Störung der Volksgruppeneinigungsgespräche von vornherein zu verhindern. Somit war auch in den 1980er Jahren die oberste Maxime UNFICYP die voraus- schauende, jegliche mit dem Mandat der Friedenstruppe konforme Verhinderung von Konflikt- potenzialen auf Zypern. Das Problem in der Überwachung der in ihrer West-Ost-Erstreckung ca. 130 Kilometer langen und von wenigen Metern bis mehreren Kilometern breiten UN- Pufferzone lag in den verschiedenen Auffassungen über den Grenzverlauf zwischen Nord- und Südzypern. Die sogenannten „Feuereinstellungslinien“ sollten zwar gemäß dem am 16. August 1974 verkündeten Waffenstillstand verlaufen, doch gab es an diesem Tag keine durchlaufenden

531 So wurden zum Beispiel auch die Pensionen von im Norden verbliebenen Zyperngriechen durch die schwedi- sche Zivilpolizei (SWEDCIVPOL) ausgezahlt. vgl. DORFMEISTER, Theodor, Österreichs Beteiligung an friedenserhaltenden Operationen der Vereinten Natio- nen, in: ÖMZ, Jg. 23, 5/1985, Hrsg. Ueberreuter, Carl, Wien 1985, S. 404. 532 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 204. 533 vgl. DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 204. 124 Stellungen und noch nach diesem Termin erfolgten Truppenvorstöße, wobei die türkische Räumung des Hotelviertels von Famagusta (Vorosha) vor allem die Zyperngriechen schwer getroffen hatte. Die Klärung des unklaren Status des vormals fast ausschließlich von Griechen bewohnten Vorosha, deren Rückkehr dorthin ein wichtiger Bestandteil der zyperngriechischen Forderungen in den Volksgruppengesprächen war, sowie die prinzipielle Weigerung der Regie- rung Zyperns, irgendein türkisches Vorgehen seit der Invasion anzuerkennen, verhinderte die Fixierung dieser Linien.534 Wesentlicher Punkt etlicher Verhandlungen der Streitparteien mit UNFICYP war die Feststellung der ursprünglichen Besitzstände in Gebieten, die im Laufe der türkischen Invasion oder durch die Einrichtung der UN-Pufferzone geräumt wurden. Dementsprechend musste UNFICYP darauf achten, dass durch eine zunächst vielleicht unabsichtliche Verletzung der Pufferzone535 ein Gewohnheitsrecht entsteht, aus welchem in späterer Folge widerrechtliche Besitzansprüche abgeleitet werden könnten.536 Weit schwieriger als die Ahndung von Überschreitungen der Pufferzone war die ver- suchte Verhinderung des Stellungsaubaus im Nahbereich der Zone, die eine Veränderung des Status quo in diesem Gebiet bedeutet hätte. Zwar war die Verfahrensweise dieselbe, jedoch lag die Erfolgsquote bei dieser Art von Protesten weit niedriger, da die Streitparteien bei Stellungs- bauten oft ihr unveränderliche Recht betonen, auf eigenem Boden alle erforderlichen Verteidi- gungsvorbereitungen treffen zu können.537 Neben der rein demonstrativen Truppenpräsenz von UNFICYP, dessen Angehörige mi- litärische Gewalt in Form von der Benutzung von Feuerwaffen ausschließlich in Notsituationen und zu rein defensiven Aufgaben anwenden durften, stand als stärkste Möglichkeit zur Ergrei- fung von Maßnahmen im Falle von Übertretungen der Vereinbarungen die Weitermeldung des Vorfalles an den zuständigen UN-Generalsekretär. Die Aufnahme in den halbjährlich an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York übergebenen Lagebericht war eine starke politische Waffe, auf die beide Konfliktparteien mit großer Empfindsamkeit reagierten.538 Trotz hunderter gemeldeter Zwischenfälle pro Jahr, deren Bedeutung für den zyprioti- schen Einigungsprozess allerdings als gering eingestuft werden können, veränderte sich Anfang

534 vgl. PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 302. 535 Dazu zählen: 1) Abfeuern von Waffen in Richtung auf oder über die Pufferzone hinweg. 2) Anlegen von Stel- lungen in der Pufferzone. 3) unbefugtes Betreten oder Überfliegen der Pufferzone, wobei die Palette vom wohlbe- dachten Vorschieben militärischer Formationen bis zum unabsichtlichen Eintritt einzelner Zivilpersonen reicht. vgl. PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 302. 536 vgl. PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 302. 537 vgl. PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 303. 538 vgl. PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 303. 125 der 1980er Jahre zunehmend der Charakter der UNFICYP-Mission. Vom ursprünglichen Ge- danken eine friedenserhaltende Funktion auszuüben, bewegte man sich durch die Entwicklung der Ereignisse nach 1974 hin zu einer allgemeineren Instanz für politische und wirtschaftliche Belange der beiden Volksgruppen. Wollte man weiterhin aktiv am Geschehen teilhaben, musste UNFICYP die Strategie von Friedenssicherung hin zu Friedensgestaltung ändern.539 Nicht nur die zwischen 1974 und den 1980er Jahren vorgenommenen Truppenreduzie- rungen540 erschwerten die Aufgabenstellungen von UNFICYP. Ebenfalls als problematisch er- wiesen sich die kurzen Intervalle der Kontingentsnachbesetzungen. Im Allgemeinen bedurfte es einer gewissen Eingewöhnungszeit für stationierte Soldaten jeglicher Nationalität oder Ranges, um ein gewisses Repertoire aus Detailwissen über den Konflikt oder des ihm zugeteilten Ein- satzgebietes zu erlangen, sowie um sprachliche und menschliche Barrieren abzubauen. So ge- schah es, dass gewisse Erfordernisse, die womöglich noch eines längeren Entscheidungsprozes- ses bedurften, so belassen wurden, wie sie waren, da dieselbe Lage vom Nachfolger eventuell anders eingeschätzt hätte werden können.541

Abb. 20, Tabelle „Truppenanteile UNFICYP nach Nationen und übertragenen Sektor Mai 1983“542

Land Sektor Kontingentsstärke Dänemark 1 342 Großbritannien 2 711 Kanada 4 515 Schweden 5 377 (24 UNCIVPOL) Österreich 6 313 Australien - 20 (UNCIVPOL) Finnland - 10 Irland - 8

539 vgl. PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 302. 540 Gesamtstärke UNFICYP 1983 (Mai) 2.296 Mann; Truppenstärke im Mai 1988: 2.190. Schweden zieht sich 1989 aufgrund der hohen Kostenbelastung großteils aus UNFICYP zurück. vgl. ONJERTH, Hugo, Die UNO-Einsätze Österreichs als Beitrag zur internationalen Friedenssicherung, in: ÖMZ, Jg. 21, 6/1983, Wien 1983, S. 482. vgl. FREUDENSCHUSS, Helmut, Entwicklungen auf dem Gebiet der friedenserhaltenden Operationen der Ver- einten Nationen, in: ÖMZ, Jg. 28, 2/1990, Wien 1990, S. 106. vgl. RUMERSKIRCH, D., Berichte zur Wehrpolitik - Mandat der UN-Truppe auf Zypern verlängert, in: ÖMZ, Jg. 26, 5/1988, Wien 1988, S. 455. 541 Die vollständige Überwachung der Pufferzone im 24-Stunden Betrieb war Anfang der 1980er Jahre nicht mehr möglich. vgl. PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 302. 542 vgl. ONJERTH, Hugo, Die UNO-Einsätze Österreichs als Beitrag zur internationalen Friedenssicherung, in: ÖMZ, Jg. 21, 6/1983, Wien 1983, S. 482. vgl. RUMERSKIRCH, D., Berichte zur Wehrpolitik - Mandat der UN-Truppe auf Zypern verlängert, in: ÖMZ, Jg. 26, 5/1988, Wien 1988, S. 455. Zur sektoralen Gliederung von UNFICYP im Mai 1981 siehe Abb. 43 im Anhang. Zur sektoralen Gliederung von UNFICYP im Jahr 1983 siehe Abb. 44 im Anhang. 126 Die internationalen Geschehnisse nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion brachten eine Reihe neuer Konfliktherde, in denen ein Eingreifen von UN-Truppen mit dem Auftrag des „Peace Making“ diskutiert, gefordert und veranlasst wurde. Aus bisheriger Erfahrung war auch der verstärkte Einsatz von Polizeikräften im Sinne eines erfolgreichen „Peace Keepings“ erfor- derlich, wie es unter anderem der Zyperneinsatz bewies. Nach der durchschrittenen Phase des „Peace Makings“ nach der türkischen Invasion von 1974 bemühte sich UNFICYP bis in die 1990er Jahre um den voranschreitenden Abbau von gegenseitigem Misstrauen zwischen Zy- perngriechen und -türken, was der Direktive des „Peace Buildings“ nachkam.543 Die Finanzierung von so genannten „statischen“ friedenserhaltenden Operationen, zu der UNFICYP mittlerweile zählte, wurde mit der Resolution 49/233 vom 23. Dezember 1994 auf eine neue Grundlage gestellt. Die Genehmigung des Budgets für die Weiterführung der Ein- sätze wurde einmal jährlich veröffentlicht, sodass sich die Mitgliedsstaaten ein Bild von den auf sie zukommenden Kosten machen konnten. Durch die Einführung der regelmäßig veröffentlich- ten Budgetierung (ab 1996 jedes Jahr im Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. Juni) sollte den Peace-Keeping-Missionen ein offizieller Status innerhalb des Tätigkeitsbereiches der Vereinten Nationen zuerkannt und der bisherige Charakter einer ausnahmsweisen Reaktion in Notfällen, die spontane Improvisation erfordert, genommen werden.544

Abb. 21, Tabelle „Gesamttruppenstärke UNFICYP 1995“545

Herkunftsland Kontingentsstärke Argentinien 391 Australien 19 Österreich 348 Kanada 2 Finnland 2 Irland 40 Großbritannien 381 Gesamt 1.183

543 vgl. SCHMIDL, Erwin A., „In the Service of Peace“ – 35 Jahre österreichische Teilnahme an UN- Friedensoperationen, in: ÖMZ, Jg. 33, 2/1995, Wien 1995, S. 127, 130. 544 vgl. HAZDRA, Peter, Militärische Einsätze im Rahmen der Vereinten Nationen, in: ÖMZ, Jg. 33, 4/1995, Wien 1995, S. 377. 545 vgl. HAZDRA, Peter, Militärische Einsätze im Rahmen der Vereinten Nationen, in: ÖMZ, Jg. 33, 4/1995, Wien 1995, S. 369. 127 Die Aufgaben für Friedensmissionen, die der damalige UN-Generalsekretär Boutros Boutros- Ghali 1992 in seiner Friedensagenda verlautbarte, galten für alle UNO-Missionen der 1990er Jahre:

 Vermeidung eines bewaffneten Konflikts durch präventive Diplomatie, mit oder ohne Einsatz von UNO-Blauhelmen  Bei erfolgter Eskalation von Krisen ist es notwendig, möglichst ohne den Einsatz von Gewalt den allgemeinen Frieden wiederherzustellen („Peace Making“), was im Notfall jedoch auch durch Sanktionen oder Truppeneinsatz („Peace Enforcement“) geschehen kann  Stabilisierung der Lage durch friedenserhaltende Maßnahmen („Peace Keeping“), die nur durch Zustimmung der Konfliktparteien geschehen können  Aufbau von konfliktverhindernden Strukturen durch Inbetrachtnahme ziviler Aspekte des Friedenseinsatzes („Peace Building“).546

Die Bestimmungen hinsichtlich des Einsatzes von UNO-Truppen:547

 Unterstützung des gesamten UN-Sicherheitsrates und somit ein klares Mandat  Zustimmung und Unterstützung des Gastlandes, den Blauhelmen Bewegungsfreiheit und diplomatische Privilegien zu gewähren  Oberste Weisungsinstanz ist der UN-Generalsekretär  Multinationale Zusammensetzung mit Veto-Recht des Gastlandes gegen einzelne Truppensteller  Unparteiisches Verhalten  Waffengebrauch nur in Notfällen und zur Selbstverteidigung  Versorgung und Verwaltung durch die Strukturen der UNO.

Auf eine ernste Probe wurde UNFICYP im Juli 2000 gestellt, als die TRNZ die Bewegungs- freiheit der Friedenstruppen im Norden weiter einschränkte. Aufgrund der erlassenen Zwangs- maßnahmen, welche erst nach einigen Tagen wieder gelockert wurden, waren in den ersten Julitagen drei UNO-Camps im Nordteil der Insel (darunter auch das österreichische) isoliert. Neben der eingeschränkten Bewegungsfreiheit musste UNFICYP künftig alle Fahrzeuge für Fahrten in den Norden eigens versichern. Davor galt der Versicherungsschutz für die ganze Insel. Die neuen Regelungen führten zur beidseitigen Einstellung von bi-kommunalen Aktivitä- ten wie etwa Pilgerfahrten.548 Die allgemeine Truppenreduktion wurde bei UNFICYP so wie in den 1980er Jahren auch in den 1990er Jahren fortgesetzt. So sank die Anzahl der Blauhelme bis Mai 2000 auf ca. 1.400:549

546 vgl. SCHMIDL, Erwin A., „In the Service of Peace“ – 35 Jahre österreichische Teilnahme an UN- Friedensoperationen, in: ÖMZ, Jg. 33, 2/1995, Wien 1995, S. 126. 547 vgl. SCHMIDL, Erwin A., „In the Service of Peace“ – 35 Jahre österreichische Teilnahme an UN- Friedensoperationen, in: ÖMZ, Jg. 33, 2/1995, Wien 1995, S. 126. 548 vgl. JAWUREK, Zypern – Keine Hoffnung auf baldige Lösung des Konflikts, in: ÖMZ, Jg. 39, 4/2001, Wien 2001, S. 540. 549 vgl. ORTNER, UNO – Peacekeeping-Operationen des letzten Jahrzehnts, in: ÖMZ, Jg. 39, 3/2001, Wien 2001, S. 369. 128 Abb. 22, Aufstellung „Daten UNFICYP 31. Jänner 2000“550

Personalstand: Militär 1.207 Zivilpolizei 35 int. Zivilpersonal 39 lok. Zivilpersonal 188 GESAMT 1.469

Budget (Jul. 1999-Jun. 2000): UN-Anteil 24,5 Millionen US-Dollar Beiträge aus Zypern 14,6 Millionen US-Dollar aus Griechenland 6,5 Millionen US-Dollar GESAMT 45,6 Millionen US-Dollar

Am 18. Juni 2001 endete der 37-jährige UN-Friedenseinsatz des österreichischen Kontingents auf Zypern. Wie bei anderen größeren Truppenstellern (Kanada, Irland) verblieb auch eine kleine österreichische Delegation im UNFICYP Hauptquartier in Nikosia.551 Nach der Verlängerung des UNO-Mandats im Juni 2001 wurden die Zyperntürken und festlandstürkischen Streitkräfte aufgefordert, die im Sommer vergangenen Jahres eingeführten Einschränkungen gegen UNFICYP wieder aufzuheben sowie den militärischen Status Quo in der kleinen griechisch-zypriotischen Ortschaft Strovilla wiederherzustellen.552 Vereinzelte Zwi- schenfälle in Nikosia gingen einer weiteren Restriktion der türkisch-zypriotischen Streitkräfte voraus, die es fortan UNFICYP unmöglich machte, den gesamten Bereich der verlassenen und umzäunten Stadt Varosha kontrollieren zu können, womit gegen die UNO-Resolution für Zy- pern verstoßen wurde.553 Dass UNFICYP dem Auftrag der Konfliktvermeidung auch im neuen Jahrtausend nach- kam, zeigte die anlässlich der am 22. August 2004 eröffneten Jagdsaison auf Zypern verlautbar- te Warnung, nach der es Jägern strikt untersagt war, innerhalb der UN-Pufferzone auf Pirsch zu gehen. Eine bewaffnete Person – womöglich in Camouflage-Tarnung – könnte von der jeweili- gen Gegenseite fälschlicherweise als Soldat gehalten werden. Ein zusätzlicher Waffengebrauch würde demnach Konsequenzen nach sich ziehen, die es unbedingt zu vermeiden galt.554 Eine zwischen der Slowakei und Kroatien initiierte Kooperation (Gesamtstärke 278) brachte am 4. Oktober 2004 die ersten zwei kroatischen Offiziere zu UNFICYP, die im unga-

550 vgl. Internetseite ‚Regionales Informationszentrum der Vereinten Nationen für Westeuropa‘ (UNRIC): http://www.unric.org/de/pressemitteilungen/4648, abgerufen 26/04/2011. 551 vgl. JAWUREK, Zypern – Erweiterung der EU, Mandatsverlängerung für UNFICYP, Abzug von AUSCON, Griechenland/Türkei, in: ÖMZ, Jg. 39, 5/2001, Wien 2001, S. 675. 552 vgl. JAWUREK, Zypern – Erweiterung der EU, Mandatsverlängerung für UNFICYP, Abzug von AUSCON, Griechenland/Türkei, in: ÖMZ, Jg. 39, 5/2001, Wien 2001, S. 675. 553 vgl. JAWUREK, Zypern – Erweiterung der EU, Mandatsverlängerung für UNFICYP, Abzug von AUSCON, Griechenland/Türkei, in: ÖMZ, Jg. 39, 5/2001, Wien 2001, S. 675. 554 Internetseite UNFICYP: http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=2070&tt=graphic&lang=l1, abgerufen 27/04/11. 129 risch/slowakischen Sektor 4 ihren Dienst antraten.555 Im November desselben Jahres startete durch gewährte Unterstützungsmittel der Europäischen Kommission das „Landmine and Ordnance Clearance Program in Cyprus“, welches die Beseitigung aller Minen und anderen Kriegsmaterials in der UN-Pufferzone zum Ziel hatte.556 Wie schon im Jahr 1973, als durch „Operation Dove“ (siehe Fußnote 220) eine andere Friedensmission der Vereinten Nationen in Ägypten (UNEF) unterstützt werden konnte, half UNFICYP am 20. Juli 2006 bei der Evakuie- rung von mehr als 900 Flüchtlingen aus dem Südlibanon, und bewies somit eine weiteres Mal regionale Verwendungsfähigkeit.557 Aufgrund weiterer Truppenreduktionen seit 2004 versahen im Jahr 2008 ca. 860 UNFICYP Angehörige ihren Dienst auf Zypern, wobei die argentinischen und britischen Kon- tingente den Großteil stellten. Die militärische Präsenz war in nunmehr drei Sektoren (1, 2, 4) gegliedert, seitdem Sektor 3 durch den Abzug kanadischer Truppen im Jahr 1993 in Sektor 2 und 4 aufgegangen war. Wenngleich UNFICYP noch immer über verwendungsfähige Flugein- heiten („UN-Flight“) und andere mobile Einsatzmittel („Mobile Force Reserve“, MFR) im Hauptquartier in Nikosia verfügt, ist es aufgrund des geringen Personalstandes nicht mehr mög- lich Beobachtungsposten dauerhaft zu besetzen, sodass sich der momentane Dienst auf Patrouil- len (zu Fuß, auf dem Fahrrad; in Fahrzeugen oder mit den drei verfügbaren Helikoptern) in der Pufferzone beschränkt. Obwohl seit 1974 keine größeren militärischen Operationen von den Streitkräften der beiden Inselteile (und ihrer Unterstützer) durchgeführt wurden und so die (mi- litärische) Situation als entspannt bezeichnet werden kann, meldet UNFICYP jährlich durch- schnittlich 1.000 zumeist kleinerer Zwischenfälle entlang der Pufferzone.558

Abb. 23, Tabelle „Anzahl, Herkunft und Verwendung UNFICYP-Angehörige (Stand Apr. 2008)“559

Land Sektor Sektor Sektor MFR UN- Militär- Instand- Gesamt 1 2 4 Flight polizei haltung Argentinien 183 33 28 6 250 Großbritannien 183 55 7 245 Slowakei 135 10 5 37 187 Ungarn 63 9 5 77 Chile 14 14 Paraguay 14 14 Kroatien 4 4 Brasilien 1 1 GESAMT 212 183 202 107 28 23 37 792

555 I-netseite UNFICYP: http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=2073&tt=graphic&lang=l1, abg. 27/04/11. 556 Zu diesem Zeitpunkt beteiligte sich allerdings nur die Republik Zypern an dem Programm. I-netseite UNFICYP: http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=2076&tt=graphic&lang=l1, abg. 27/04/11. 557 I-netseite UNFICYP: http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=2121&tt=graphic&lang=l1, abg. 27/04/11. 558 I-netseite UNFICYP: http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=1364&tt=graphic&lang=l1, abg. 19/04/11. 559 In dieser Tabelle werden nicht die 28 Beobachtungsoffiziere sowie diverse Verwaltungsdienste berücksichtigt. Daten: I-seite UNFICYP: http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=1368&tt=graphic&lang=l1, abg. 19/04/11. http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=1365&tt=graphic&lang=l1, abgerufen 19/04/11. http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=1366&tt=graphic&lang=l1, abgerufen 19/04/11. http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=1367&tt=graphic&lang=l1, abgerufen 19/04/11. 130 Der aktuelle Stand von uniformierten UNFICYP-Angehörigen befindet sich im Jahr 2011 unter 1.000. Unterstützt wird das Militär- und Polizeipersonal durch internationale (39) und lokale (114) zivile Mitarbeiter. Siebenundvierzig Jahre nach Beginn der UNO-Friedensmission neh- men Personen aus Staaten an UNFICYP teil, die 1964 noch gar nicht existierten, wie etwa Bos- nien und Herzegowina, Kroatien, Montenegro oder die Ukraine. Die Finanzierung (Method of financing: Assessments in respect of a Special Account) beläuft sich für den Zeitraum vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2011 auf 58.156.300 US-Dollar.560 Nach offizieller Angabe der In- ternetseite der Vereinten Nationen, belaufen sich die Todesfälle im Rahmen der UNFICYP Mission (schlussfolgernd ab 1964, obwohl aus Angaben nicht ersichtlich) auf 180.561

Abb. 24, Tabelle Abb. 25, Tabelle „Nationalität Militär- u. Abb. 26, Tabelle „Todesfälle „Aktueller Stand Polizeipersonal UNFICYP Stand Feb. 2011“562 UNFICYP seit 1964“563 (28. Februar 2011) UNFICYP“564

Trotz aller Bemühungen und Kosten blieb der Einsatz von UNFICYP von der lokalen, regiona- len und internationalen Politik abhängig. Die unvereinbaren Haltungen der Volksgruppenvertre- tungen Zyperns verhinderten eine Lösung des Konflikts. Der gescheiterte Annan-Plan von 2004 markierte vor Ort einen weiteren und vorerst letzten Höhepunkt in der Zypernfrage. Obwohl von offizieller Seite nach wie vor das Bestreben zu konstruktiver Verhandlungsbereitschaft bekundet wird, konnte eine endgültige Einigung in der Zypernfrage bis heute nicht erreicht werden. Das nun folgende Kapitel beschreibt die lokalen und internationalen Bestrebungen seit 2004, die UNFICYP-Friedensmission, an der seit 1964 über 150.000 Blauhelme565 teilnahmen, zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Bis dahin gilt es für UNFICYP im täglichen Kontakt

560 Im Jahr 1966 (März-Juni) beliefen sich die Gesamtkosten für die UNFICYP-Mission auf 5 Millionen US- Dollar. vgl. WPI, Allgemeine Rundschau – Vereinte Nationen, in: ÖMZ, Jg. 4, 4/1966, Wien 1966, S. 334. 561 vgl. Internetseite der UN: http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/unficyp/facts.shtml, abgerufen 19/04/11. 562 vgl. Internetseite der UN: http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/unficyp/facts.shtml, abgerufen 19/04/11. 563 vgl. Internetseite der UN: http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/unficyp/facts.shtml, abgerufen 19/04/11. 564 vgl. Internetseite der UN: http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/unficyp/facts.shtml, abgerufen 19/04/11. 565 Internetseite UNFICYP: http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=1364&tt=graphic&lang=l1, abgerufen 19/04/11. 131 mit der Bevölkerung und den Angehörigen der zyprischen Autoritäten Zwischenfällen in und entlang der UN-Pufferzone zuvorzukommen.566

9. BESTANDSAUFNAHME:

JÜNGSTE ENTWICKLUNGEN UND GEGENWART

Ein weiterer Vorstoß in der Lösung der Zypernfrage wurde nach der misslungenen Abstim- mung im Südteil Zyperns von UNO-Generalsekretär Kofi Annan ausgeschlossen. Annan zeigte sich über den seit 2003 amtierenden griechisch-zypriotischen Präsidenten Papadopoulos verär- gert, der in seinem Teil der Insel für die Ablehnung des Annan-Plans geworben hatte.567 Ähnliche wie die Zäsur des Endes des Kalten Krieges, brachte auch der EU-Beitritt Zy- perns eine komplett veränderte Lage in dem noch immer ungelösten Konflikt. Als EU- Vollmitglied568 konnte Zypern nun aktiv Politik innerhalb Europas betreiben, wie es sich das erste Mal Ende Juli 2005 durch eine angedrohte Blockade der geplanten Beitrittsgespräche der EU mit der Türkei zeigte. Im Vorfeld der für den 3. Oktober 2005 angepeilten offiziellen Bei- trittsverhandlungen kam es zu diplomatischen Differenzen, da die Türkei am 29. Juli die Zoll- union mit den im vergangenen Jahr beigetretenen 10 neuen EU-Mitgliedsstaaten unterzeichnet hatte, dabei aber in einer separaten Erklärung deutlich machte, dass damit keinesfalls eine An- erkennung Zyperns verbunden sei.569 Neben der zypriotischen Androhung betonte die EU am 22. September, dass die Anerkennung aller Mitgliedsstaaten der Europäischen Union für die

566 Internetseite UNFICYP: http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=1364&tt=graphic&lang=l1, abgerufen 19/04/11. Zur Stationierung von UNFICYP auf Zypern (Stand November 2010) siehe Abb. 45 im Anhang. 567 Tassos Papadopoulos gewann am 16. Februar 2003 die Wahl gegen den als gemäßigt eingestuften Vorgänger Klerides und löste diesen am 1. März 2003 als Präsidenten der Republik Zypern ab. Papadopoulos galt als Vertrau- ter Makarios, der ihn gegen Ende der 1970er Jahre bei seinem politischen Aufstieg unterstützte. Nach Asmussen („Cyprus at War“, London 2008, S. 284) galt Papadoupolos schon seit damals als (zypern-)griechischer Nationa- list, der eine antitürkische Haltung vertrat. vgl. TAUS, Wolfgang, Miszellen – Zypern, Der schwelende Spannungsherd, in: ÖMZ, Jg. 44, 5/2006, Wien 2006, S. 605, 606. 568 Die Republik Zypern stimmte am 30. Juni 2005 der innerhalb der EU umstrittenen Verfassung zu. In Umfragen von 2005, rangierte Zypern auf dem letzten Platz, wenn es um die Frage der Vorteile einer EU-Mitgliedschaft ging. vgl. PFARR, D., Internationale Rundschau - Europäische Union, Verfassung, in: ÖMZ, Jg. 43, 5/2005, Wien 2005, S. 661, 663. 569 Im konkreten lag der Streit in der Frage der Öffnung türkischer Flug- und Seehäfen für Flugzeuge und Schiffe aus Südzypern. Das nunmehrige EU-Mitgliedsland Zypern klagte, dass entgegen dem Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Ankara türkische Häfen und Flughäfen noch immer für die Zyperngriechen gesperrt waren. Im Falle des Bestehenbleibens der Restriktionen gegenüber der Republik Zypern, kündigte ein Sprecher des Präsi- denten Papadopoulos am 18. Februar 2006 in Nikosia erneut ein mögliches zypriotisches Veto gegenüber der Fort- führung von Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei an. Die EU ihrerseits forderte ein Ende der Beschrän- kungen und forderte die Türkei auf, gemäß dem am 29. Juli 2005 unterzeichneten EU-Zollunionsvertrag ihre See- und Flughäfen für zypriotische Flugzeuge und Schiffe zu öffnen, was von Ankara als ein inakzeptables Zugeständ- nis gewertet wurde. vgl. TAUS, Wolfgang, Miszellen – Zypern, Der schwelende Spannungsherd, in: ÖMZ, Jg. 44, 5/2006, Wien 2006, S. 606. 132 Türkei eine unerlässliche Komponente im Beitrittsprozess darstellt.570 Trotz der verbalen Un- stimmigkeiten eröffnete die EU wie geplant am 3. Oktober 2005 die Beitrittsverhandlungen neben Kroatien auch mit der Türkei.571 Im Zypernkonflikt konnte die Türkei Aserbeidschan572 dazu bewegen, in der zweiten Hälfte des Jahres 2005 eine Flugverbindung zwischen Baku und Nordzypern einzurichten, was von Griechenland und der Republik Zypern heftig kritisiert wur- de.573 Knapp zwei Jahre nach dem zyperngriechischen „Nein“ zeigte sich am 28. Februar 2006 der am Ende der Jahres aus dem Amt scheidende Generalsekretär der UNO, Kofi Annan, dazu bereit, in Paris mit Papadopoulos erneut über die Lösung der Zypernfrage zu sprechen. Trotz ausbleibender Übereinkünfte hatten beide Vertreter ihr Gesicht bewahrt und die Bereitschaft gezeigt, wieder erste Bewegungen in die festgefahrenen Positionen zu bringen. Die zyperngrie- chische Regierung verlangte vor allem einen Abzug der türkischen Truppen sowie das Rück- kehrrecht für vertriebene Inselgriechen in den Norden. Über diese Änderungen im Annan-Plan wollte Papadopoulos auch mit Ankara direkt verhandeln, wobei er sich eine stärkere Beteili- gung der EU wünschte. So traf sich Papadopoulos am 21. Juni 2006 in Wien mit dem damali- gen österreichischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der zu dieser Zeit der EU- Ratspräsidentschaft Österreichs vorstand. Schüssel sagte dem zyperngriechischen Präsidenten lediglich „flankierte Hilfe“ zu. Papadopoulos wollte, wie bereits erwähnt, die EU stärker in die Verhandlungen mit einbeziehen, um damit den Druck der USA und Großbritanniens abschwä- chen zu können, die von der griechisch-zypriotischen Seite weitgehende Zugeständnisse in den Verhandlungsrunden aus Rücksicht auf die Türkei fordern.574 Auch die türkischen Volksgruppenvertreter Zyperns waren ab Herbst 2006 wieder zur Aufnahme von Gesprächen über einen erneuten Anlauf in der Frage der zyprischen Wiederver- einigung bereit. Dem zyperntürkischen Polit-„Urgestein“ Denktasch folgte im April 2005 Mehmet Ali Talat als neu gewählter politischer Führer des international nicht anerkannten Nordteils nach. Jedoch wurde auch ihm am Beginn seines Amtsantritts mangelndes Vertrauen in die Kompromissbereitschaft seines Kontrahenten Papadopoulos nachgesagt.575

570 vgl. PFARR, D., Internationale Rundschau - Europäische Union, in: ÖMZ, Jg. 43, 6/2005, Wien 2005, S. 802. 571 vgl. PFARR, D., Internationale Rundschau - Europäische Union, in: ÖMZ, Jg. 44, 1/2006, Wien 2006, S. 83. 572 Die Türkei hatte traditionell enge Verbindungen zu den Turkvölkern Zentralasiens, da man sich auf eine ge- meinsame historische Herkunft berief. Vor allem im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg- Karabach konnte Aserbaidschan auf türkische Unterstützung hoffen. vgl. DSCHAFAROW, Rauf, Miszellen - Die Außenpolitische Orientierung Aserbaidschans im Jahr 2006, in: ÖMZ Jg. 46, 1/2008, Wien 2008, S. 55. 573 vgl. DSCHAFAROW, Die Außenpolitische Orientierung Aserbeidschans im Jahr 2006, ÖMZ 1/08, S. 55. 574 Die USA und Großbritannien sind zu dem offene Unterstützer der Türkei in der Frage ihres Beitritts zur EU. vgl. TAUS, Wolfgang, Miszellen – Zypern, Der schwelende Spannungsherd, in: ÖMZ, Jg. 44, 5/2006, Wien 2006, S. 606. 575vgl. TAUS, Wolfgang, Miszellen – Zypern, Der schwelende Spannungsherd, in: ÖMZ, Jg. 44, 5/2006, Wien 2006, S. 606. 133 Am 29. November 2006 entschied die EU, dass die Gespräche über den EU-Beitritt der Türkei erst dann fortgesetzt werden würden, wenn die türkischen Beschränkungen gegenüber der Re- publik Zypern aufgehoben wären.576 Die Europäische Kommission entschied am 16. Mai 2007 die Verabschiedung einer Empfehlung, nach der Malta und Zypern die Kriterien für die Einführung des Euros erfüllen. Somit konnten beide Staaten am 1. Jänner 2008 den Euro als gesetzliches Zahlungsmittel ein- führen.577 Die EU und die Türkei beschlossen am 19. Dezember, die Beitrittsverhandlungen auf zwei weitere Themenbereiche auszuweiten. Durch die türkische Integrierung in „transeuropäi- sche Verkehrsnetze“ und in den „Konsumenten- und Gesundheitsschutz“ der EU konnten Ver- handlungen in sechs Themengebieten begonnen, sowie der Themenkomplex „Wissenschaft und Forschung“ abgeschlossen werden. Seit 2006 waren die Verhandlungen allerdings in acht von den 35 Themenbereichen blockiert, da die Türkei nach wie vor griechisch-zypriotischen Flug- zeugen und Schiffen keine Landeerlaubnis in türkischen Flugplätzen oder Häfen erteilen wollte. Als offizielle Begründung für die türkischen Restriktionen wurde die Nichteinhaltung von Zu- sagen der EU an die türkisch-zypriotische Volksgruppe im Rahmen des gescheiterten Annan- Plans von 2004 genannt.578 Am 21. Dezember 2007 traten neun weitere EU-Mitgliedstaaten dem Euro- Schengenraum bei. Eine allumfassende Anwendung des Schengen-Besitzstandes wurde in Zy- pern, Bulgarien und Rumänien, vorläufig ausgesetzt, sodass sich der Südteil erst zukünftig ne- ben den bereits beigetretenen Euro-Ländern am schrittweisen Abbau der EU-Binnengrenze be- teiligen wird können.579

576 vgl. PFARR, D., Internationale Rundschau - Europäische Union, in: ÖMZ, Jg. 45, 2/2007, Wien 2007, S. 208. 577 vgl. PFARR, D., Internationale Rundschau - Europäische Union, in: ÖMZ, Jg. 45, 4/2007, Wien 2007, S. 473. 578 Die Türkei und die EU beschuldigten sich in der Folgezeit des zyperngriechischen „Neins“ vom 24. April 2004 mehrmals gegenseitig des Vertrags- oder Wortbruchs, vermieden es im Rahmen der Beitrittsverhandlungen die angespannte Situation weiter zu belasten. vgl. TAUS, Wolfgang, Internationale Rundschau – Türkei, Beziehungen zur EU, in: ÖMZ, Jg. 46, 2/2008, Wien 2008, S. 241. 579 Das Schengenabkommen war auch zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Diplomarbeit (2010/11) noch nicht auf Zypern angewandt worden. Ob der ungeklärten Sachlage im Zypernkonflikt, untersteht die innerzypriotische De- markationslinie einem UNO-Sonderstatus. Somit verhinderte die Teilung der Insel die volle Anwendung des Schengenabkommens, wobei Nordzypern durch seinen unklaren internationalen Status vom geplanten Vertragsab- schluss ausgenommen war. vgl. BISCHOF, Burkhard, Internationaler Bericht , in: ÖMZ, Jg. 46, 2/2008, Wien 2008, S. 209. „Dem Schengen-Raum gehören heute 25 Länder an, darunter 22 EU- Mitglieder – alle außer Großbritannien, Ir- land, Rumänien, Bulgarien und Zypern – sowie die Staaten Norwegen, Island und die Schweiz. In diesem Gebiet gibt es keine Grenzkontrollen.“ vgl. Internetseite www.welt.de http://www.welt.de/politik/ausland/article12340929/Schengen-Beitritt-Rumaeniens-und-Bulgariens-gestoppt.html, abgerufen 22/03/11. Darstellung der Sachlage zum Schengenstatus von Zypern durch das Auswärtige Amt der BRD, Stand Sept. 2009: „Trotz Vollmitgliedschaft in der EU wenden Bulgarien und Rumänien (Beitritt am 01.01.2007) und Zypern (Bei- tritt am 01.05.2004) den Schengen-Besitzstand bislang nur teilweise an. Diese Staaten erstellen dementsprechend noch keine einheitlichen Schengen-Visa. Zur Übernahme des gesamten Schengener Besitzstands sind bestimmte Voraussetzungen notwendig. Hierzu zählen die Inbetriebnahme des weiterentwickelten Personen- und Sachfahn- 134 Aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Südzypern am 17. Februar 2008 ging bei einer Wahlbeteiligung von 89,6 Prozent Ioannis Kasoulides mit 33,5 Prozent als stimmenstärks- ter Kandidat hervor. Mit 33,3 Prozent folgte ihm Dimitris Christofias und nur an dritter Stelle lag Tassos Papadopoulos mit 31,8 Prozent, der sich dadurch nicht für die am 24. Februar statt- findende Stichwahl qualifizieren konnte. Die kommunistische AKEL, die 2003 noch Papado- poulos unterstützt hatte, entschied sich mit Christofias für einen eigenen Kandidaten, da für sie Papadopoulos über keine Perspektive mehr in der Frage der Wiedervereinigung der Insel ver- fügte. Schließlich gelang es Christofias, zu dessen Gunsten sich Papadopoulos nach seiner Nie- derlage ausgesprochen hatte, am 24. Februar mit 53,4 Prozent der abgegebenen Stimmen die Stichwahl gegen Kasoulides (46,6 Prozent) zu gewinnen und somit als neuer Präsident der Re- publik Zypern gewählt zu werden. Christofias, der am 28. Februar vereidigt wurde, erklärte die Wiedervereinigung Zyperns als vorrangiges Ziel seiner Regierung.580 Unter UNO-Vermittlung vereinbarten die neuen Protagonisten der Insel, Dimitris Christofias und Mehmet Ali Talat am 21. März 2008 die Öffnung eines Grenzübergangs inmit- ten der Hauptstadt Nikosia sowie die Aufnahme neuer Verhandlungen über eine Wiederverei- nigung der seit 1974 geteilten Insel. Der zyperngriechische Präsident Christofias schloss eine Wiedererwägung des Annan-Plans aus und wollte in künftigen Verhandlungen als Grundlage die zwischen den beiden Volksgruppen vereinbarten drei Prinzipienabkommen von 1977, 1979 und 2006581 herannehmen. In diesen Übereinkünften wurde die Bildung eines bi-kommunalen und bi-zonalen Föderativstaates unter einer Souveränität von beiden Parteien akzeptiert.582 Kurz darauf, am 3. April 2008, wurde der zentrale Grenzübergang in der Ledra-Straße in Nikosia feierlich geöffnet.583 Am 18. April trafen Christofias und Talat am stillgelegten Flughafen von dungssystem (Schengener Informationssystem der zweiten Generation - SIS II) und der erfolgreiche Abschluss eines Evaluierungsverfahrens, in dem die für die Vollanwendung des Schengen-Besitzstands erforderlichen Vo- raussetzungen geprüft werden. Erst danach können die Grenzkontrollen wegfallen.“ vgl. Internetseite des Deutschen Auswärtigen Amtes: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/EinreiseUndAufenthalt/Schengen_node.html#doc350334bodyText8, abgeru- fen 22/03/11. 580 vgl. Der Fischer Weltalmanach - Zypern, Frankfurt am Main 2008, S. 517. 581 Unterzeichnet im Juli durch Papadopoulos und Talat. vgl. TAUS, Wolfgang, Internationale Rundschau - UNO,Zypern, in: ÖMZ, Jg. 46, 4/2008, Wien 2008, S. 493. 582 Somit sollte es auch nur eine zypriotische Nationalität geben. Bei einem Staatsbesuch des griechischen Präsi- denten Karamanlis in der Türkei sprach sich dieser für eine Vereinigung Zyperns auf Grundlage der Entscheidun- gen des UNO-Sicherheitsrates und der EU aus. vgl. Internetseite Neue Zürcher Zeitung : http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/medien/symbolische_bresche_in_der_zypern-mauer_1.693357.html, abgeru- fen 22/03/11. vgl. Internetseite der Vereinten Nationen: http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/unficyp/background.shtml, abgerufen 19/04/11. vgl. TAUS, Wolfgang, Internationale Rundschau - UNO, Zypern, in: ÖMZ, Jg. 46, 4/2008, Wien 2008, S. 493. vgl. TAUS, Wolfgang, Internationale Rundschau - Türkei, Beziehungen zu Griechenland, in: ÖMZ, Jg. 46, 4/2008, Wien 2008, S. 525. 583 Die Ledra-Straße war aufgrund der Ereignisse von 1964 rund 44 Jahre lang gesperrt, als am 3. April 2008 der Durchgang wieder erlaubt wurde. Noch am gleichen Abend riegelte die zyperngriechische Seite den Übergang wieder ab, da türkisch-zypriotische Polizisten die Grenze durchschritten hatten, was nicht gestattet war. Dies wie- derholte sich am nächsten Tag und wurde von Südzypern als bewusste Provokation der türkischen Besatzungs- 135 Nikosia einander zu weiteren Sondierungsgesprächen, die bis Anfang Juli fortgesetzt wurden. Am 1. Juli 2008 verständigten sich beide Politiker auf die Übereinkunft, das Prinzip der Bil- dung einer einzigen zypriotischen Souveränität mit gemeinsamer Staatsbürgerschaft als Aus- gangspunkt für weitere Verhandlungen zu verwenden.584 Die Beziehungen zwischen Zypern und der Türkei blieben auch am Ende des ersten Jahrzehnts des 3. Jahrtausends angespannt. Am 19. Jänner 2009 erklärte in Brüssel der türki- sche Ministerpräsident Erdogan, dass Diplomaten zufolge Zypern die Eröffnung der Gespräche im Bereich Energie aufgrund eines Streites über die Förderung von Erdgas auf hoher See blo- ckierte. Der Bereich „Energie“ ist eines der 35 Kapitel der Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei. Die EU hegte großes Interesse für die Fertigstellung der durch türkisches Staatsgebiet verlaufenden Gaspipeline „Nabucco“ und so kam die zypriotische Haltung in der Sache ungelegen, da dadurch die Türkei mit einem Nein zur „Nabucco“-Pipeline drohte. Am 30. Juni 2009 wurde im Rahmen der Beitrittsverhandlungen ein weiteres Kapitel eröffnet – die Steuerpolitik. Damit die Türkei dieses Kapitel erfolgreich beenden kann, muss sie ein Zollab- kommen mit Zypern schließen, was bisher daran scheiterte, dass die Türkei die 2004 in die Eu- ropäische Union aufgenommen Republik Zypern nicht anerkennt.585 Im Mai 2010 trafen der türkische Ministerpräsident Erdogan und der griechische Amts- kollege Papandreou einander in Athen, um über eine stärkere künftige Zusammenarbeit zu ver- handeln. Insgesamt behandelten die ebenfalls teilnehmenden Minister beider Länder 21 Ab- kommen in den Bereichen Tourismus, Handel, Umweltschutz und Industrie. Im Anschluss an das Treffen vom 14. Mai wurde erstmals in der Geschichte eine griechische Kabinettssitzung abgehalten, an der auch zehn türkische Minister teilnahmen. Mittelfristiges Ziel ist eine beidsei- tige Abrüstung und die Entschärfung der Streitpunkte in der Ägäisfrage. Wegen der massiven griechischen Staatsverschuldung stimmte auch die türkische Seite einer gemeinsamen Kürzung des jährlichen NATO-Budgets zu. Noch immer gilt Griechenland als das europäische Land mit den höchsten Verteidigungsausgaben, obwohl Athen am Rande eines Bankrotts stand und steht. Die Rüstungsausgaben für 2009 und 2010 beliefen sich auf 13,4 Milliarden Euro, ähnliche

truppen aufgefasst, für die Talat keine Verantwortung trage. Neben der Ledra Straße in Nikosia gibt es noch fünf weitere Übergänge, die eine Grenzüberschreitung ermöglichen: (1) Pergamos (2) Strovilia (3) SBA Dhekelia (4) Agios Demotios/Metehan (5) /Zodhia. Die erste Grenzöffnung führte die TRNZ am 23. April 2003 durch (siehe S. 117). vgl. TAUS, Wolfgang, Internationale Rundschau - UNO, Zypern in: ÖMZ, Jg. 46, 4/2008, Wien 2008, S. 493. vgl. Internetseite UNFICYP: http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=1593&tt=graphic&lang=l1, abgerufen 26/04/11. 584 vgl. Der Fischer Weltalmanach - Zypern, Frankfurt am Main 2008, S. 517. vgl. Internetseite der Vereinten Nationen: http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/unficyp/background.shtml, abgerufen 19/04/11. 585 Am 13. Juli 2009 wurden erste Rahmenbedingungen für das Erdgaspipeline-Projekt „Nabucco“ von allen betei- ligten Ländern, darunter auch die Türkei, in Ankara vertraglich festgelegt. vgl. TAUS, Wolfgang, Internationale Rundschau - Türkei, in: ÖMZ, Jg. 47, 3/2009, Wien 2009, S. 365. vgl. TAUS, Wolfgang, Internationale Rundschau - Türkei, in: ÖMZ, Jg. 47, 5/2009, Wien 2009, S. 647f. 136 Summen werden auch in der Türkei für den Erhalt und den Ausbau der Armee verwendet. Der türkische Außenminister Ahmet Devatoglu sprach von „einer revolutionären Wende in den bi- lateralen Beziehungen“ zwischen der Türkei und Griechenland.586 Weiters verkündete der türkische Ministerpräsident Erdogan im Frühjahr 2010 in zyp- riotischen Zeitungen seine Bereitschaft, Schritt für Schritt die 30.000 türkischen Soldaten von der Insel abziehen zu wollen, um so dem Friedensprozess auf Zypern neue Impulse geben zu können. Bedingung für eine beginnende Demilitarisierung des Nordteils der Insel sei jedoch eine Einigung der zypriotischen Politiker beider Teile in den seit 2008 laufenden Verhandlun- gen.587 Laut dem aktuellsten Bericht von UNFICYP (14. April 2011) versuchen die Repräsen- tanten beider Volksgruppen ohne internationale Hilfestellungen den Einigungsprozess weiter voranzutreiben. In einem am 14. April 2011 abgehaltenen „Arbeitsdinner“ in Nikosia diskutier- te man über die Durchführung eines geplanten Zensus in naher Zukunft. Während die Zypern- griechen eine gemeinsame Volkszählung durchführen wollen, befürworten die Zyperntürken separate Bevölkerungserhebungen. Verständigen konnte man sich allerdings auf eine begrenzte Miteinbeziehung der Vereinten Nationen zur Überwachung des Ablaufes und der Bestätigung des Ergebnisses/der Ergebnisse.588 Gegenwärtig scheint es (einmal mehr) vor allem auf die lo- kale Ebene anzukommen, um eine Reihe von Konflikten rund um die Zypernfrage lösen zu können. Sollten Christofias und der seit April 2010 amtierende zyperntürkische Präsident Der- vis Eroglu zu einer Übereinkunft kommen, die gar eine (wie auch immer gestaltete) Wiederver- einigung der Insel bedeuten könnte, würde damit nicht nur die 47jährige Teilung der Insel be- endet, sondern auch die Türkei näher an die EU gebracht werden. Vielleicht gelingt durch den Beitritt zur Europäischen Union das, was die 59jährige gemeinsame Mitgliedschaft im Militär- bündnis NATO nicht vollbracht hat – eine griechisch–türkische Aussöhnung und damit verbun-

den eine stärkere Integration der Türkei in Europa.

586 vgl. TAUS, Wolfgang, Internationale Rundschau – Türkei, in: ÖMZ, Jg. 48, 6/2010, Wien 2010, S. 798f. 587 vgl. I-Seite N-TV: http://www.n-tv.de/politik/Tuerkei-erwaegt-Truppenabzug-article755079.html, abgerufen 19/04/11. 588 vgl. I-Seite UNFICYP: http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=3710&tt=graphic&lang=l1, abgerufen 26/04/11. 137 10. SCHLUSSBETRACHTUNG

Im zehnten Kapitel widmet sich die Diplomarbeit der Beantwortung der Untersuchungsfra- ge(n). Zuerst wird darauf eingegangen, was die Ursachen für die Zypernfrage bis zum 20. Jahr- hundert waren, welche sich 1931 zu einem offenen bewaffneten Konflikt entwickelte und schlussendlich zur Krise von 1963/64 bis 1974 führten. Das Zusammenleben der beiden Bevölkerungsgruppen Zyperns war und wird durch Er- innerungen an die Vergangenheit belastet. Sowohl Griechenland als auch die Türkei begründe- ten ihre Nationalstaaten durch oftmals kriegerische Auseinandersetzungen gegen den jeweils anderen. Für Helmut Nowacki (Zypernkrieg, S. 77) gehen diese traumatischen Erinnerungen der zyperngriechischen Subkultur bis auf das Jahr 1821 zurück, als die gesamte griechisch- zypriotische Elite hingerichtet wurde. Für die zyperntürkische Subkultur war der Anlass der Entstehung von Ressentiments gegenüber dem Inselnachbarn das Jahr 1804, als türkische Trup- pen aus Anatolien auf Anforderung des griechisch-zyprischen Dragmomen Hadja-Georgahis Kornesios bei der Hohen Pforte den türkisch-zypriotischen Aufstand niederschlugen.589 Diese Erinnerungen wurden in der Zeit der Entstehung des Nationalismus durch propagandistische Medien und durch die Erziehung in Schulen weiter am Leben erhalten und hatten einmal mehr eine desintegrative Wirkung auf die Volksgruppen Zyperns. Die jeweils konstruierte Identität, basierend auf Sprache, Konfession und Tradition war bei beiden Volksgruppen stärker als das Zusammengehörigkeitsgefühl, auf derselben Insel beheimatet zu sein. Besonders die zyprioti- schen Mutterländer gossen durch ihr Einwirken immer wieder Öl ins Feuer. Auch sie waren es, die durch den „Export“ von Symbolen und Inhalten nationalistische Antagonismen weiter ver- schärften. Gerade durch die Verhinderung einer Integration der zypriotischen Bevölkerungs- gruppen sicherten sich die Mutterländer weiterhin ihren Einfluss auf die Insel. Die Entstehung nationalistischen Gedankengutes auf Zypern kann um die Zeit der briti- schen Machtübernahme festgemacht werden. In der Zeit vor 1878 war Zypern von einer weit- gehend agrarisch geprägten Gesellschaft bevölkert, Handelstreibende der Mittelschicht waren oftmals keine geborenen Zyprioten oder gehörten nicht der orthodoxen oder muslimischen Glaubensgemeinschaft an. Der Großteil der Bevölkerung lebte in kleinen Bauern- oder Dorf- gemeinschaften ein meist nach innen gerichtetes Leben, was auf wirtschaftliche Notwendigkeit zurückzuführen war und nicht unbedingt durch politische Zwänge erfolgte. Einzig die grie- chisch-orthodoxe Kirche erhob gewisse politische Geltungsansprüche, die in dieser Zeit durch Steuerabgaben der Gläubigen weitgehend befriedigt wurden. Die muslimische Bevölkerungs-

589 vgl. WENTURIS, N.I., Der Integrationsprozeß im politischen System der Republik Zypern, Göttingen 1970, S. 96. Wenturis gibt auf den folgenden Seiten weitere historische Ereignisse an, die die Volksgruppen Zyperns ent- zweiten. zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S. 77, Fußnote 175. 138 gruppe Zyperns bestand größtenteils aus Zwangsangesiedelten, die aus den Unterschichten des osmanischen Reiches rekrutiert wurden. Das Paktieren des orthodoxen Klerus mit den Steuer- eintreibern der Hohen Pforte zur gemeinsamen Bereicherung auf Kosten der zyprischen Bevöl- kerung ist ein nicht unwichtiges Zeichen für das Fehlen nationalistischen Gedankengutes, da die Bildung einer Nation, in welcher Form auch immer (zyprische Staatsbildung aufgrund eines entwickelten Nationalbewusstseins oder etwa die Mitgliedschaft in der griechischen Nation ab 1830) nicht zur Diskussion stand. Die Unabhängigkeit Griechenlands (durch das Londoner Pro- tokoll vom 3. Februar 1830) und vor allem die Loslösung der Ionischen Inseln590 nährten die Hoffnung und den Wunsch patriotischer griechisch-orthodoxer Zyprioten, die Insel mit dem Mutterland „wiedervereinigen“ zu können. Hierbei bekannte man sich zu den gemeinsamen kulturellen Wurzeln, und man besann sich auf die lange Vergangenheit unter zuerst osmani- scher und später britischer Fremdherrschaft. Man wollte Teil des gegründeten griechischen Kö- nigreiches sein, das einem rasanten Nationsbildungsprozess unterstand und nichts energischer vertrat als die „Megali Idea“, die Gründung eines groß-griechischen Staates, in dem alle der griechischen Kultur (=alle griechisch sprechenden) angehörenden Personen als Staatsvolk leben sollten.591 Dass die Durchführung dieser Idee 1921 mit der „kleinasiatischen Katastrophe“592 an ihre Grenzen stieß, änderte für viele Jahrzehnte wenig an dieser Wahrnehmung, griechisch be- völkerten Boden territorial an die griechische Nation koppeln zu wollen, wofür Zypern ein Bei- spiel darstellt. Allerdings mussten die Zyprioten auf offene festlandsgriechische Unterstützung bis in die 1950er Jahre warten, als Großbritannien als führende Weltmacht bereits durch die USA abgelöst worden war.593 Die festlandtürkische Politik war indes gefordert, alle Bestrebun- gen der Griechen zu unterbinden. Als Antwort auf das Enosis-Postulat wurde der Begriff der Taksim geformt. Die nationalistischen Paradigmen zielten vorrangig auf die Verhinderung des jeweils gegnerischen Plans ab, was wiederum zur Realisierung der eigenen Vorhaben führen sollte. Der Nationalismus als Phänomen des Kampfes um Herrschaft und deren Legitimierung entstand auf Zypern kurz vor dem Jahrhundertwechsel, als Mitglieder des Gesetzgebenden Ra- tes 1895 begannen, die Enosis (Anschluss an Griechenland) anhand von jährlich wiederkehren- den Anträgen schriftlich einzufordern und dieses Anliegen, unterstützt von der Kirche, zu ihrem obersten Gebot zu machen. Die voranschreitende Indoktrinierung des griechisch-zyprischen

590 Die Loslösung vom britischen Empire erfolgte 1863, der Anschluss an das griechische Königreich im Jahr 1864. 591 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 48-53. 592 Der Kampf der Griechen gegen die (National-) Türken um Westkleinasien in den Jahren 1921/22 ist mit der militärischen Niederlage der Serben gegen die Türken auf dem Amselfeld vergleichbar. Vergeblich ist er nicht aus dem Blickfeld verschwunden, sondern dient als Ausgangspunkt für den immer wieder auch mit militärischen Drohgesten angereicherten Umgang mit dem östlichen Nachbarn, wenn es etwa um das Zypernproblem geht. vgl. HEPPNER, Harald, Miszellen - Krieg und Identität in Südosteuropa, in: ÖMZ, Jg. 42, 1/2004, Wien 2004, S. 50. 593 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 53. 139 Schulsystems brachte eine neue Generation hervor, die eingeschworen auf das „Griechische“ auch nicht vor der Anwendung von Gewalt zurückschreckte, wie sich beim Aufstand von 1931 das erste Mal zeigen sollte. Diese nun institutionalisierte Überhöhung der griechischen Vergan- genheit, zur der sich patriotische griechisch-orthodoxe Zyprioten bekannten, ist ein weiteres Anzeichen eines Aufkommens des Nationalismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts.594 Die dazu eingesetzten griechischen (nicht zypriotischen, man verlangte schließlich Teil der griechischen Nation zu sein!) Symbole (Vaterland, Glauben, Fahne, Königsfamilie, Feiertage) hatten den Sinn, den Nationalismus wach zu halten, und ihn in den emotionalen Tiefenschichten der Be- völkerung zu verankern.595 Mit der einsetzenden Revolution Griechenlands von 1821 erfasste der Panhellenismus, als Megali Idea formuliert, die Gedankenwelt der griechisch-orthodoxen Bevölkerung Zyperns.596 Wie zuvor erwähnt, ließ vor allem der Anschluss der Ionischen Inseln 1864 die Zyperngriechen erneut an eine Unabhängigkeit von London und dem angestrebten Ziel, dem Anschluss an eine griechische Nation hoffen. Als Reaktion auf die panhellenische Bewegung begann die britische Regierung aus strategischen Gründen597 die Türkei und die tür- kische Minderheit stärker in die Verwaltung, vor allem in der Besetzung von Polizeiposten, mit einzubeziehen – ein entscheidendes Moment in der Entwicklung des Zypernkonfliktes, das vor allem die griechisch-nationalistischen Kräfte auf Zypern stärkte. Das Anwachsen des Einflusses des Nationalismus unter den Zyperngriechen erzeugte in seiner Wechselwirkung ein wachsen- des Zugehörigkeitsgefühl der Zyperntürken zu ihrer ethnischen Identität. In die Periode des Wunsches nach zyperngriechischer Selbstbestimmung fällt zeitgleich die Forderung zyperntür- kischer Mitbestimmung in politischen Angelegenheiten.598 Das Festhalten Großbritanniens an ihrem Status quo und die Missachtung der Wünsche und Vorstellungen des zypriotischen Vol- kes durch desintegrative Gesellschaftspolitik nährte den Konflikt und führte schlussendlich zu einem organisierten und gewaltsamen Befreiungskampf der extremistischen EOKA.599

594 „[…] dieser erfindungsreiche Kunstgriff des Nationalismus,[…], [führt dazu] die andersartige Vergangenheit von Ethnien durch Neuinterpretation in eine nationale Vergangenheit zu verwandeln, so dass die Illusion einer lückenlosen, langlebigen Traditionskontinuität entstehen konnte. Unpassende Traditionen wurden ausgeblendet oder umgewandelt, so dass eine passende Vergangenheit entstand.“ vgl. WEHLER, Hans-Ulrich, Nationalismus, Geschichte-Formen-Folgen, München 2001, S. 38. 595 vgl. WEHLER, Hans-Ulrich, Nationalismus, Geschichte-Formen-Folgen, München 2001, S. 49. 596 vgl. PILLER, Zypern, S. 13ff. 597 Die Aufrechterhaltung kolonialer Machtausübung über Zypern sollte die britische Position im östlichen Mittel- meer weiter stärken, und ab 1945 einer Expansion des sowjetischen Kommunismus im Nahen Osten entgegen wirken. 598 Wie Piller feststellt, zeigt sich bei der Recherche zum Thema des Nationalismus auf Zypern, dass griechische Autoren vor allem eine ausführliche Darstellung des türkischen Nationalismus abgeben, während türkische Auto- ren, und solche, die sich der türkischen Seite näher fühlen (z.B. Ackermann, Anm. d. Autors), dagegen verstärkt den griechischen Nationalismus schildern. Piller hält richtig fest, dass sowohl der (zypern-)griechische, als auch der (zypern-)türkische Nationalismus dazu beigetragen haben, dass Zypern heute eine geteilte Insel ist. vgl. PILLER, Zypern, S. 13. 599 Nowacki bezieht sich bei der Zusammenfassung der Radikalisierung des zyperngriechischen Nationalismus in Fußnote 108 auf folgende Literatur: BITSIOS, D.S., Cyprus the vulnerable Republic, 152-Institute for Balkan Studies-152, Thessaloniki 1975, S. 43. VANEZIS, P.N., Cyprus the unfinished agony, London 1977, S. 7. 140 Die Frage, ob die Zyprioten überhaupt Griechen wären und ob in weiterer Folge ein Anschluss an eine griechische Nation überhaupt gerechtfertigt wäre, kann man mit Ja und Nein beantwor- ten. Sir Ronald Storrs, ein in der Literatur vielzitierter britischer Gouverneur Zyperns der Jahre 1926-1932, hielt eindeutig fest: „Das Griechentum der Zyprioten steht außer Zweifel“.600 Laut Tzermias bemerkt Storrs in diesem Zusammenhang richtig, dass Nationalität nicht an körperli- chen Merkmalen, sondern anhand des Denkens und Fühlens der Menschen festgemacht wird. Eine eindeutige Mehrheit der Zyperngriechen fühlte sich als Griechen, untereinander verbunden als Erben des Byzantischen Reiches. Religion, Sprache, Kultur und moralische Tugenden der Zyprioten gehörten zu einer gemeinsam entwickelten Zivilisation.601 Zwar bestand der Wunsch nach Enosis bereits Anfang des 20. Jahrhunderts, doch verlief das Zusammenleben mit der muslimischen Bevölkerung Zyperns vor allem auf der Ebene des ländlichen Dorflebens, zu- meist friedlich und sogar freundschaftlich. Somit kann die Frage auch dahingehend beantwortet werden, dass durch Interaktionen und kulturellen Traditionen vergangener Jahrhunderte sich ebenso ein Zypriotentum herausgebildet hatte. Jedoch vereinte die Enosis-Forderung – dem internationalen Zeitgeist entsprechende – nationale, religiöse, freiheitlich-demokratische, anti- koloniale und soziale Forderungen der Zyperngriechen an die damalige britische Kolonialmacht in einem Begriff. Damit überlagerte die Enosis-Ideologie von vorn herein ein, wenn überhaupt nur von ländlichen Bewohnern, gefühltes Zypriotentum, welches ohne Bekenntnis zum Grie- chentum hätte existieren können. Der Radikalismus des zyperngriechischen Nationalismus trat erstmals 1931 in Erschei- nung. Extremistische Nationalisten, allen voran die noch heute von rechten Kreisen als „Natio- nalheld“ verehrte Lichtgestalt des bewaffneten Kampfes für die „griechische Sache“, „Digenis“ Grivas, richteten ihren Terror in den 40er und 50er Jahren zunehmend auf die zyperntürkische Bevölkerung. Es wurden ethnisch homogene Gebiete geformt, die die Bildung eines gemeinsa- men Zypriotentums abermals ausschloss. Neben einer physischen Trennung der beiden Bevöl- kerungsgruppen entstand über die Jahrzehnte der Propagandaeinwirkung von allen Seiten auch eine Teilung im Denken der Menschen, was mit ein Grund für die verpasste Chance eines ge- meinsamen EU-Betritts der Inselteile im Jahr 2004 sein mag. Sowohl der griechische als auch der türkische Nationalismus bediente sich der verschiedenen Symbole. Fahne, Vaterland und

FRANZ, E., Der Zypernkonflikt, Chronologie-Pressedokumente-Bibliographie, Aktueller Informationsdienst Mo- derner Orient, Sondernummer, Deutsches Orient-Institut, Hamburg 1976, S. 1, 11. alle zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S. 48, 49. 600 „the Greekness of Cypriots is in my opinion indisputable“. vgl. STORRS, Ronald, Orientations, London 1937, S. 550. zitiert nach: TZERMIAS, Republik Zypern, S. 35. 601 vgl. MAIER, Franz Georg, Cypern, Insel am Kreuzweg der Geschichte, 2., erw. Aufl., München 1982, S. 180. zitiert nach: TZERMIAS, Republik Zypern, S. 35. vgl. GEORGHIADES, Zypernfrage, S. 74. 141 Glaube sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Auch heute noch gilt die Entwürdigung der Fahne des Insel-Nachbarn als geeignetes Mittel zur Provokation an der Green Line. Der vielleicht größte Fehler der Enosis-Bewegung war, sich nie ernsthaft mit einem Mitbestimmungsrecht der Zyperntürken zu befassen. Die griechisch-zypriotische Nationalbe- wegung unterschied zudem nie zwischen „Nation“ und „Volk“. Man gewöhnte sich daran seit der Zeit der antikolonialen Bewegung, die Zypernfrage nur als „Problem der Selbstbestimmung des zypriotischen Volkes im hellenisch-ethnischen Sinne anzusehen und zu behandeln“.602 Die Unvereinbarkeit des Enosis-Postulates mit der reaktionären Taksim-Forderung stellt den Kern der Zypernfrage vor 1974 dar. Der zeitgeschichtliche Zypernkonflikt entstand aus dem Prozess der Entkolonialisierung Zyperns und der unzureichend geklärten Frage der Selbstbestimmungsrechte der beiden Bevöl- kerungsteile. Der Zypernkonflikt vereinte religiöse und ethnische Auseinandersetzungen, den Konflikt zwischen Kommunismus und Antikommunismus, die Rivalität zwischen griechischem und türkischem Nationalismus, sowie die machtpolitischen Auseinandersetzungen der Super- mächte des Kalten Krieges im östlichen Mittelmeerraum. Er war und ist in abgeschwächter Form noch heute, ein lokales, regionales und internationales Problem Europas und des Nahen Ostens zugleich.603 Diese von außen auf Zypern wirkenden Mächte wurden bis zur Unabhängigkeit von 1960 primär durch die damalige Kolonialmacht Großbritannien vertreten. Die Verfassung ge- mäß den Züricher und Londoner Verträgen zielte auf einen dualistischen Staatsapparat ab, des- sen Erscheinungsform im gelebten Alltag als Bi-kommunalität auf sämtlichen Ebenen politi- scher Institutionen und politischer Prozesse zu Tage trat. Diese Bi-kommunalität existierte durch die Installation des osmanischen Millet-Systems 200 Jahre und wurde durch die Verfas- sung von 1960 weiter fortgeführt. Es wurde eine weitere Möglichkeit verpasst, eine auf Koope- ration und Integration aufbauende Regelung zyprischer Gesellschaftsverhältnisse zu finden, da die dargebrachten Lösungsvorschläge nur ungenügend die Vorstellungen der Volksgruppenfüh- rer erfüllte. An dieser Stelle der Bewertung der Verfassung von 1960 sollte jedoch festgehalten werden, dass die auf Grundlage des Nationalismus basierende Maxime der griechisch- orthodoxen Führungselite, die Enosis zu vollziehen, viele Aspekte eines angepeilten Aussöh- nungsprozesses zwischen den Volksgruppen von vorn herein überlagerte und den Konflikt in- ternationalisierte. Während die auf Selbstbestimmungsrecht pochende griechisch-orthodoxe Mehrheit auf eine Verfassungsänderung drängte und hierbei eine drohende Intervention der Türkei fürchtete, bangte die zyperntürkische Minderheit, ob und vor allem wie eine Verfas-

602 vgl. TZERMIAS, Republik Zypern, S. 77. 603 vgl. XYDIS, A., Cyprus: What kind of problem? in: Cyprus Reviewed, Nicosia 1977, S. 21. zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S. 3. 142 sungsänderung durchgeführt werden würde.604 Diese Vorahnung sollte sich schon bald bestäti- gen, und de facto hörte die Verfassung durch die gewaltsamen Ereignisse von 1963/64 auf zu existieren605, da auf weitere Sicht keine Existenzchancen der nach innen und außen gelähmten Republik erkennbar waren. Die Proporzregelung606 in der Verwaltung verfehlte ebenso das Ziel eines gemäß den Volksgruppenzughörigkeitsanteilen politisch-ethnischen Gleichgewichts und führte neben dem Vetorecht des Präsidenten und Vizepräsidenten zu einer innenpolitischen Pattsituation. Problem der Verfassung von 1959/60 war, dass die Republik Zypern nicht von Zyprioten, sondern von den Garantiemächten Großbritannien, Griechenland und der Türkei gegründet wurde. Die Bevölkerung war in der Betrachtung der Verfassung gespalten. Vor allem Grivas und seine Anhänger haben dem Vertragswerk nie zugestimmt. Georghiades, der ein en- ger Vertrauter von Grivas war, behauptet, dass es das Verdienst von Makarios war, dass die Dreimächteverhandlungen zu diesem Abschluss kamen.607 So suchten beide Konfliktparteien Unterstützung durch ihre Mutterländer, was wiede- rum das Verhältnis der beiden Nato-Mitglieder bis zum Äußersten belastete. Die Verfassung von 1960 involvierte die Garantiemächte Griechenland und die Türkei weit mehr als vor der Unabhängigkeit, und dies alles vor dem Hintergrund des weltbeherrschenden Konflikts des Kal- ten Krieges. So gab es auf Zypern seit der Unabhängigkeit zwar britische, griechische und tür- kische Truppen, jedoch keine landeseigene Armee. Wiederum übersah die auf Zahlenverhält- nissen begründete Proporzregelung einen im Hintergrund schwelenden Antagonismus zwischen dem türkischen und griechischen Armeepersonal. Aus diesem Grund bildeten sich einige nach Ethnien differenzierte, paramilitärische Gruppen, die in erster Linie für geschehene Grausam- keiten gegenüber der Zivilbevölkerung in den Konfliktjahren 1963-1974 verantwortlich ge- macht werden müssen. Wie bereits erwähnt, rekrutierte sich in der britischen Kolonialzeit ein Großteil der Poli- zeikräfte Zyperns aus Personen türkischer Volksgruppenzugehörigkeit, die unter britischen Of- fizieren ihren Dienst taten, was zum einen der britischen „divide and rule“ Politik zugutekam, und zum anderen sich den Zyperntürken eine Möglichkeit bot, trotz anteilsmäßigem Minderhei- tenstatus eine Kontrollinstanz auf der Insel innezuhaben. Nach der Unabhängigkeit von 1960 scheiterte das Vorhaben, eine gemeinsame zypriotische Armee zu bilden, an der Weigerung türkischer Soldaten, unter griechischen Offizieren zu dienen. Hier zeigt sich wieder die gesell- schaftliche Diskrepanz zwischen den beiden Volksgruppen und den unüberbrückbaren Gegen- sätzen der Inselteile. Es scheint, als ob jeweils andersseitige Autoritäten von den Angehörigen

604 vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 64. 605 vgl. PILLER, S. 35. 606 siehe Fußnote 153, S. 37. 607 vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 46. vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 124f. 143 einer Konfliktpartei nicht nur ignoriert, sondern auch abgelehnt wurden, selbst wenn eine, in diesem Fall, Unterordnung innerhalb einer militärischen Hierarchie als Lösungsansatz hätte wirken können. Dem vermeintlich integrativ wirkenden Faktor einer gesamtzyprischen Armee, die für die weitere Entwicklung Zyperns gemäß den Züricher und Londoner Abkommen einen nicht unwesentlichen Anteil gestellt hätte, wurde aufgrund des bereits verfestigten Identitätszu- gehörigkeitsgefühl der Inselbewohner eine Absage erteilt. Fortan sollten vor allem paramilitäri- sche Gruppierungen (EOKA bzw. Volkan/T.M.T.), die Unterstützung in Form von Waffenliefe- rungen aus den beiden Mutterländern erhielten, dazu eingesetzt werden, die Interessen der Kon- fliktparteien wenn nötig mit Waffengewalt zu vertreten. Ein Ungleichgewicht auf dem militäri- schen Sektor entstand zu Ungunsten der Zyperntürken unter anderem durch die Stationierung festlandsgriechischer Truppen in den 1960er Jahren. So verfügte General Grivas‘ Nationalgarde kurz vor Ausbruch der Kampfhandlungen von 1974 über rund 12.000 Mann, die weitestgehend von griechischen Offizieren befehligt wurden.608 Diese militärische Präsenz war gleichzeitig Ausdruck der im Verborgenen weiterverfolgten Enosis, die klar im Widerspruch zur Verfas- sung von 1960 stand. Beide zypriotischen Eliten betrachteten die Republik Zypern nur als etwas Vorübergehendes. Die zyperntürkische Elite wurde durch das Ende der britischen Kolonialherr- schaft ökonomisch entmachtet. Sie befürwortete die Teilung der Insel und sah nur im Anschluss an die Türkei die Möglichkeit, wieder an Bedeutung zu gewinnen. Die zyperngriechische Elite, allen voran die orthodoxe Kirche, forderte ohnehin seit der Volksbefragung von 1950 den An- schluss an Griechenland.609 Die Briten, stets um ihre ehemaligen Kolonien bemüht, versuchten mit Hilfe der Verfas- sung von 1960, als die Zypernfrage längst die internationale Politik erreicht hatte610, die füh- rende Rolle in der Vermittlung zwischen den Konfliktparteien durch die Abtretung von Militär- basen, die als souveränes britisches Territorium auf der Insel Zypern zählten, zu übernehmen. Durch die verfassungsgedeckte Stationierung festlandsgriechischer und -türkischer Soldaten konnten auch die beiden Mutterländer ihre Ziele weiterverfolgen und Ansprüche durch Andro- hung eines Einsatzes militärischer Mittel geltend machen. Diese Machtaufteilung zwischen den offiziell und inoffiziell bewaffneten Einheiten bei- der Inselteile, jeweils unterstützt (die Griechen früher und stärker als die Türken) durch Solda- ten ihrer Mutterländer, war in der Fachliteratur Anfang der 1980er Jahre Anlass zur Diskussion, ob Zypern überhaupt als souveräner Staat anzusehen wäre, da es zusätzlich auch noch die Mili-

608 siehe Abb. 9, S. 59, S. 38. 609 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 138ff, 148ff. 610 Man denke hier an die von Makarios III. dem UNO-Generalsekretariat sowie den Parlamenten in London und Athen vorgebrachte und initiierte Enosis-Abstimmung von 1950. Auch in die bipolare Situation des Kalten Krie- ges, bei der Amerikaner und Sowjets weltweit um Einflussgebiete wetteiferten, wurde die Zypernfrage involviert. 144 tärbasen der britischen Armee und die seit 1964 stationierten UNIFCYP-Truppen in der 1974 zu einer Pufferzone erweiterten Waffenstillstandslinie gab.611 Neben den bewaffneten Auseinandersetzungen der beiden zypriotischen Volksgruppen vor 1974 brachte der Zypernkonflikt auch die beiden Mutterländer Griechenland und die Türkei mehrmals an den Rand eines offenen Krieges. Beide Staaten waren bereits vor 1974 NATO- Vollmitglieder, doch die Krisen von 1963/64 sowie 1967 verschärften den Umgangston, und nur durch Vermittlungsversuche der Vereinten Nationen, des Europarates und der NATO wurde ein Ausbruch von Kampfhandlungen verhindert. Seit 1957 war bei den jährlichen Treffen der NATO die Zypernfrage stets eine Thematik, die man mit verschiedenen Resolutionen und Stel- lungnahmen zu lösen versuchte. Weiters war die Zypernfrage in Zeiten des Kalten Krieges Ge- genstand strategischer Überlegungen verschiedensten Staaten und Regierungen, allen voran die der USA und der Sowjetunion. Die Polarisierung der Zypernfrage in der Weltöffentlichkeit wurde durch Pressemitteilungen, Rundfunk und Fernsehen getragen, ganz besonders in den Konfliktjahren 1963/64, 1967 und 1974. Die Lage im Mittelmeerraum begann sich in den 1960er Jahren für das westliche Mili- tärbündnis zu verändern. Während in den ersten Jahren des Nordatlantikpaktes sich der Mittel- meerraum fast vollständig unter militärischer Kontrolle des Westens befand, trug die Unabhän- gigkeit Zyperns von Großbritannien 1960, bei der die Briten die Oberhoheit über eine der drei zu Sicherung des Mittelmeeres vorhandenen Stützpunkte (neben Zypern Gibraltar und Malta) großteils verlor, mit zu einer Verschiebung des Gleichgewichtes zwischen Ost und West bei. Zusätzlich schied Frankreich durch die Auflösung der Völkerbundmandate für den Libanon (1943) und Syrien (1946), sowie durch den Verlust der nordafrikanischen Kolonien Marokko (1956) und Algerien (1962) als militärische Macht im Mittelmeer auf internationaler Ebene aus. Am bedeutungsvollsten wirkte sich im Laufe der 1960er Jahre die einsetzende neutrale Haltung der türkischen Regierung gegenüber der Sowjetunion aus, zu der die Türkei zuvor als verlässli- cher Nordatlantikpartner eine klare Frontstellung innehatte.612 Der erste Besuch eines türki- schen Ministers in der Sowjetunion nach fast 25 Jahren wurde 1965 von NATO-Stellen miss- trauisch beobachtet, und wurde gleich wie die innenpolitische Krise in Griechenland, die ja der Vorabend des Militärputsches von 1967 sein sollte, als „neutralistische“ Handlung empfunden. Man vergaß darauf, die sowjetische Bedrohung für die westliche Welt ernst genug zu nehmen,

611 Zur kurzen Kommentierung dieser Annahme soll hinterfragt werden, ob militärische Präsenz gleichzeitig Staatssouveränität bedeutet. Alle, bis auf die als terroristische Vereinigungen anzusehenden EOKA (B) und Vol- kan (T.M.T.) waren durch die Verfassung von 1960 berechtigt, militärische Präsenz auf Zypern zu zeigen. Dies geschah aber vordergründig um die Verfassung, der die Republik Zypern zu Grunde lag, zu schützen. Artikel 1 der Verfassung hält fest, dass Zypern „eine unabhängige und souveräne Republik ist und ein präsidentielles Regie- rungssystem hat.“ Nowacki verweist in Fußnote 143 auf Literatur, in der diese Fragestellung untersucht wird. vgl. NOWACKI, Zypernkrieg, S. 61. 612 vgl. WPI, Allgemeine Rundschau – NATO, Die Lage im Mittelmeerraum, in: ÖMZ, Jg. 5, 5/1967, Wien 1967, S. 430. 145 welche schließlich ausschlaggebend für US-amerikanische Unterstützung in den Rüstungswirt- schaften beider Länder war, und dessen militärisches Potenzial nun in erster Linie für den Zy- pernkonflikt genutzt wurde.613 Zypern als effektiver Brennpunkt des Mittelmeeres (wenngleich der israelisch-arabische Gegensatz weit mehr Auswirkungen auf die internationale Diplomatie hatte) besaß dadurch nicht nur ein Konfliktpotenzial hinsichtlich der NATO und der Sowjetuni- on, sondern auch innerhalb der NATO selbst. Durch die türkische Intervention auf Zypern zum Schutze der türkischen Bevölkerungsgruppe, die massiven Repressionen durch griechische Ext- remisten ausgesetzt waren, stellte der Zypernkonflikt der 1960er und 1970er Jahre das Nordat- lantikbündnis auf eine harte Bewährungsprobe. Die Sowjetunion nutzte die Spannungen zwi- schen Griechenland und der Türkei, um ihren Einfluss im Mittelmeer auszudehnen, der jedoch zu keinem Punkt des Kalten Krieges die Vormachtstellung des Westens gefährden konnte. Für die NATO war die Bedeutung Griechenlands und der Türkei im Kalten Krieg weit wichtiger, verhinderten gerade sie den zuvor erwähnten Anspruch auf Einflussnahme im Mit- telmeer durch die Sowjetunion. Beide Länder wurden als Stellvertreter der USA im östlichen Mittelmeer zur Verhinderung einer kommunistischen Expansion in diesem Raum von Washing- ton mit Wirtschafts- und Militärhilfen unterstützt. Sie unterdrückten jegliche Art linker Opposi- tion im eigenen Land und stellten Soldaten in den Dienst Amerikas, wie etwa im Korea-Krieg. Sowohl Griechenland als auch die Türkei waren seit 1952 NATO-Mitglieder und gewährten die Einrichtung von Militärstützpunkten auf ihrem Territorium. Auf internationaler Ebene mussten beide Staaten kooperieren, um der (vor allem) von den USA verlangten Sicherung der globalen Interessen der kapitalistischen, westlichen Welt nachkommen zu können. Gleichzeitig aber standen Griechenland und die Türkei während des gesamten Kalten Krieges in einem Konkur- renzverhältnis um die regionale Vormachtstellung im östlichen Mittelmeer.614 Zusammengefasst zeigt sich zum Jahre 1974, dass die internationale Ebene des Umfel- des des Zypernkonflikts (Kalter Krieg) die regionale Ebene, also den griechisch-türkischen Gegensatz im Gesamten, mit ihren für die Weltpolitik bedeutsameren Interessen überlagerte, und so Zypern als ein mögliches Ventil zur Durchsetzung griech./türk. nationalistischer Regio- nalpolitik auf lokaler Ebene angesehen werden kann. Auch wurde mit der regionalen geopoliti- schen Situation im Streit zwischen der Türkei und Griechenland der geostrategische Wert Zy- perns definiert. Zypern wurde somit zum Symbol und Ventil des griechisch-türkischen Gegen- satzes.615 Die 1974 durchgeführte Intervention der türkischen Armee war eine logische Konse- quenz aus den Ereignissen der 1960er und 1970er Jahre, wollte man den willkürlichen Vertrei- bungen und dem Morden einen Riegel vorschieben. Während die Zyperngriechen die türkische

613 vgl. EP, Allgemeine Rundschau - Sorge um die Mittelmeerflanke, in: ÖMZ, Jg. 3, 6/1965, Wien 1965, S. 494. 614 vgl. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 207f. 615 vgl. u. a. KIZILYÜREK, Zypernkonflikt, S. 118, 119, 132, 209f. 146 Intervention von 1974 als brutale Okkupation empfanden, stellt sie im Gegensatz für die Zy- perntürken eine Befreiung dar. So konnten letztere zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit von 1960 in Freiheit und Sicherheit leben und volle demokratische Rechte beanspruchen.616 Zwar bestanden bereits seit 1964 durch die Etablierung der Green Line zwei durch eine Pufferzone getrennte Inselteile, jedoch bewirkte erst die Landung und die bis heute dauerhafte Stationie- rung festlandtürkischer Truppen einen nahezu lückenlosen Bevölkerungsaustausch, der 1975 weitestgehend abgeschlossen wurde. Der Preis für Freiheit und Sicherheit für die Zyperntürken war hoch. Bis heute wird die Türkische Republik Nordzypern (TRNZ, gegr. 1983, UNO- Resolution 541 (1983) verlangt Rücknahme der Unabhängigkeitserklärung) nur von der Türkei anerkannt, an die man (notgedrungen) stärker gebunden ist, als man es eigentlich beabsichtigte. Die enge Bindung an das Mutterland bedeutet zudem eine ungeliebte Zuwanderung aus Anato- lien, und seit der Gründung kämpft man mit wirtschaftlichen Problemen. In den 1960er und frühen 1970er Jahren stand Zypern im unmittelbaren Blickpunkt der internationalen Politik und sollte es bis zum Ende der 1980er Jahre bleiben. Neben dem Zy- pernkonflikt belasteten in dieser Periode der Streit um Hoheitsrechte in der Ägäis, die Vergabe von amerikanischen Wirtschafts- und Militärhilfen (Verteilungsschlüssel 10:7 zu Gunsten der Türkei) und die sogenannte Stützpunktfrage zusätzlich die griechisch-türkischen Beziehungen. Das Ende des Kalten Krieges durch den Fall des Eisernen Vorhangs 1989 konnte zumindest die beiden letztgenannten Konfliktfelder entschärfen, da mit der veränderten weltpolitischen Lage eine Rückzugsphase der USA aus Europa einherging. Auf Zypern selbst änderte sich nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes allerdings wenig. Die Positionen waren bis weit in die 1990er Jahre festgefahren. Die internationale Staatengemeinschaft lebte lieber mit den Gege- benheiten, als eine neue Konfrontation zulassen zu wollen.617 Seit der türkischen Intervention verhandelten die Volksgruppenführer nun erfolglos über eine allgemein akzeptierte Lösung des Konflikts, sieht man von einigen wenigen Übereinkünften ab. Hier wären zu nennen etwa die Einigung über den Bevölkerungsaustausch in den Wiener Gesprächen von 1975, der beschlos- sene Gefangenenaustausch desselben Jahres, das beidseitige Bekenntnis zu einem unabhängi- gen, blockfreien, bi-kommunalen Staat in den von Kurt Waldheim vermittelten Gesprächen von 1977, die Übereinkunft zur Klärung der Schicksale von vermissten Zyprioten in den Volks- gruppengesprächen 1980/81 oder das Bekenntnis zur angestrebten Bildung eines bi- kommunalen und bi-zonalen Föderativstaates unter einer Souveränität des Jahres 2008. Jedoch stellte das Scheitern des Annan-Plans mit dem Referendum über einen ungeteilten Beitritt Zy- perns zur EU (24. April 2004) einen letzten Höhepunkt in den bis heute unvereinbaren Positio- nen der Volksgruppen auf Zypern dar.

616 vgl. STRÄSSLE, Paul Meinrad, Miszellen - Zypern und Ägäis, Konflikte zwischen der Türkei und Griechen- land und ihre historischen Wurzeln, in: ÖMZ, Jg. 43, 3/2005, Wien 2005, S. 361. 617 vgl. RIEMER, Andrea K., Die Türkei: Wandel und Kontinuität, in: ÖMZ, Jg. 35, 2/1997, Wien 1997, S. 154. 147 Den politischen Beobachtern zeigte die Folgezeit des EU-Beitritts Zyperns, dass die Aufnahme des Südteils im Mai 2004, ohne die vorherige politische Lösung des Inselkonflikts erreicht zu haben, voreilig gewesen war. Die EU hatte nun ein Land in ihren Reihen, dass seit Jahrzehnten geteilt war und dessen Demarkationslinie von der UNO überwacht wurde. Zudem ist ein Teil Zyperns vom Beitrittskandidaten Türkei besetzt. Mit dem Beitritt Zyperns hat die EU die totale Kontrolle zur politischen Einflussnahme in Verhandlungen zwischen ihr und den beteiligten Streitparteien verloren. Es ist nun ebenso die Republik Zypern in der Lage, auf EU-Ebene poli- tischen Druck auszuüben, was sie durch mehrere Veto-Drohungen gegen die Fortführung der Beitrittsgespräche mit der Türkei bewiesen hat.618 Während sich nach dem Krieg im griechisch-zypriotischen Süden durch verstärkte In- dustrialisierung und Urbanisierung in den Wachstumsregionen von Nikosia, Larnaka und Li- massol ein typisch industriegesellschaftliches Siedlungsmuster herausbildete und zugleich weite Gebiete im Troodos-Gebirge und im schlecht erschlossenen Westen von einem Bevölkerungs- rückgang und Siedlungsverfall betroffen waren, weist der türkisch-zypriotische Norden noch immer eine ländliche Siedlungsstruktur auf, die im Vergleich zum griechischen Teil auf einer ökonomisch schwächeren, agrarwirtschaftlichen Basis funktioniert. Die unterschiedliche Ent- wicklung nach 1974 trägt mit jedem Jahr, das vergeht, dazu bei, dass für den Fall einer politi- schen Lösung ehemalige Flüchtlinge zum größten Teil gar nicht mehr in ihre verlassenen Häu- ser zurückkehren könnten, da diese von niemandem nach ihnen in Stand gehalten wurden und wahrscheinlich bereits wüst geworden sind.619 Zusammengefasst zeigt sich für die Zeit nach 1974, dass die Frage, wie es soweit kom- men konnte, besser untersucht ist, als die Frage, wie das Problem der Volksgruppen gelöst wer- den könnte. Die Zeit nach 1974 war geprägt von erfolglosen Verhandlungsrunden, zum größten Teil unter Vermittlung der UNO, bis schließlich mit dem aufsehenerregenden Referendum von 2004, als der zyperngriechische Teil gegen einen gemeinsamen Beitritt zur EU votierte, einer Beendigung der 47jährigen Teilung der Insel eine Absage erteilt wurde. Seitdem beeinflusst vor allem das EU-Beitrittsansuchen der Türkei die Zypernpolitik aller daran beteiligten Länder, während die Volkgruppenvertreter, trotz der allgemeinen Bekundungen, an einer Lösung inte- ressiert zu sein, die Liste der Gesprächsrunden mit offenem Ende weiter fortführen. Die am 23. April 2003 beschlossene Lockerung der Durchgangsbestimmungen an der Green Line in Niko- sia kann natürlich als positiv gewertet werden, dennoch wird es noch ein langer Weg zur Lö- sung der Zypernfrage sein.620 Zypern hätte die Möglichkeit, eine Brücke zwischen Athen und

618 vgl. TAUS, Wolfgang, Miszellen – Zypern, Der schwelende Spannungsherd, in: ÖMZ, Jg. 44, 5/2006, Wien 2006, S. 606. 619 vgl. HEINRITZ, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 61, 63. 620 Gegenwärtig zeichnet sich mit den unterschiedlichen Vorstellungen der Volksgruppenvertreter über die Durch- führung eines Zensus auf Zypern eine Fortführung des Konflikts auf lokaler Ebene ab, wenngleich der beidseitig entgegengebrachte Umgangston zumindest in der Öffentlichkeit als durchaus freundlich (vielleicht eher „nachbar- 148 Ankara zu werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Bildung eines Zypriotentums die Basis einer Aussöhnung zwischen Griechen und Türken mit sich bringt. Nachdem beantwortet wurde, warum Zypern eine geteilte Insel ist, richtet sich nun der Blick auf die Rolle des Militärs. Bereits in der Betrachtung der Ereignisse über die Periode vor 1974 lassen sich einige Momente erkennen, in denen die Politik der Konfliktparteien des östli- chen Mittelmeeres auf militärische Mittel und Ressourcen zurückgreifen musste, um die Reali- sierung ihrer Zielsetzungen voranzutreiben. Die wohl größte militärische Auseinandersetzung zwischen Griechenland und der Türkei, in der Zypern (noch) eine untergeordnete Bedeutung hatte, war der erfolglose Versuch Griechenlands, Anatolien unter seine Herrschaft zu bringen und die Bildung eines türkischen Nationalstaates zu verhindern (1919-1921). Die „Kleinasiati- schen Katastrophe“ brachte einen gewaltigen Bevölkerungsaustausch mit sich und bedeutete das faktische Ende der griechischen „Megali Idea“ sowie das Ende der Rückzugsphase der Tür- ken von der Balkanhalbinsel, welche mit den Niederlagen gegen Österreich und Russland im 17. und 18. Jahrhundert begonnen und im 19. Jahrhundert seinen Höhepunkt erlangt hatte. Le- diglich ein zu vergangenen Zeiten verhältnismäßig kleiner „europäischer Brückenkopf“ in West-Thrakien blieb dem 1923 gegründeten türkischen Nationalstaat erhalten, der wie die Ägä- is zur neugezogenen Grenze der beiden Anrainerstaaten wurde. Zwar kam es in der Zeit zwi- schen 1963 bis zum Ende des Kalten Krieges im Hintergrund des Ägäis- und Zypernkonflikts öfters zu gefährlichen Situationen, die aber aufgrund internationalen Drucks nie zu direkten offenen Kampfhandlungen zwischen den zwei Staaten führten. Im Zweiten Weltkrieg kämpften fast 30.000 Zyprioten auf Seiten der Alliierten gegen die Bedrohung der Achsenmächte, die seit 1941 Griechenland mit seinen Inseln in der Ägäis besetzt hielten. Die ca. 22.500 Zyperngriechen und 7.500 Zyperntürken verband die gemeinsa- me Hoffnung auf eine Verbesserung des Status Zyperns nach Ende des Krieges. Da zu diesem Zeitpunkt primär die Loslösung aus dem britischen Empire gefordert wurde, konnte das „Cyprus Regiment“ tatsächlich integrativ auf beide Volksgruppen wirken. Das „Experiment“ der Bildung einer gesamtzyprischen Armee 15 Jahre später scheiterte jedoch kläglich an den bereits vorhandenen Ressentiments, die die Briten zur Aufrechterhaltung ihrer kolonialen Herr- schaft auch nach dem Zweiten Weltkrieg bewusst erzeugten. Denn schon bald nach 1945 wurde klar, dass die Briten nicht gewillt waren, sich von der Insel zurückzuziehen. Den neugebildeten (griechisch-)zypriotischen Parteien, wie der 1941 wiedergegründete kommunistische AKEL621

schaftlich“) bezeichnet werden kann. Die Gefahr eines Wiederaufflammens der Kämpfe wie in der Zeit von 1963- 1974 ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch recht unwahrscheinlich, obwohl UNFICYP noch immer jährlich hunderte Vergehen in und entlang der Pufferzone meldet. Als angestrebte Lösung in den Verhandlungen nennt Wolfe die Bildung eines ethnischen Föderalismus/einer bi- zonalen Föderation. vgl. WOLFE, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 75. 621 Anorthotikon Komma Ergazomenou Laou (Fortschrittspartei des werktätigen Volkes). 149 sowie der kurze Zeit später gegründeten rechtsgerichteten, klerusnahen Zyprischen Nationalpar- tei (KEK)622, folgten recht bald paramilitärischen Gruppierungen, allen voran die mit Makarios und der orthodoxen Kirche eng verbündeten EOKA623, welche die Unabhängigkeit mit Terror und Waffengewalt durchsetzen wollte. Schon seit 1948 wechselten sich rechte und linke extre- mistische Gruppen mit gegenseitigen Sprengstoffanschlägen aufeinander ab. Der vierjährige Kampf der EOKA (1955-1959) richtete sich zu Beginn gegen die britischen Kolonialtruppen und die politische Linke. Die verstärkte Rekrutierung von zyperntürkischen Polizeikräften zog auch die mittlerweile eine Aufrechterhaltung des britischen Kolonialstatus befürwortende türki- sche Minderheit mit in den blutigen Konflikt. Erst die Stationierung von weiteren 20.000 briti- schen Soldaten konnte die Situation vorerst beruhigen – ein Vorbote der fünf Jahre späteren UNFICYP-Friedensmission. Es ist festzuhalten, dass im griechisch-türkischen Krieg von 1919-1921 das Militär in einem Krieg zweier aufstrebender Staaten zum Zwecke territorialer Expansion eingesetzt wur- de. Millionen Menschen verloren dadurch ihre Heimat. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte das Cyprus Regiment in einer Anti-Hitler Allianz, um sich zum einen aktiv an der Verteidigung gegen faschistische Großmachtbestrebungen oder an der Befreiung besetzter Gebiete beteiligen zu können, zum anderen um im neu geordneten Europa nach dem Krieg Autonomie von Groß- britannien zu erhalten. Dies war die einzige und letzte Kooperation der zypriotischen Volks- gruppen auf militärischer Ebene. Alle zukünftigen Versuche der Bildung einer gesamtzypri- schen Armee (wie etwa gemäß der Verfassung von 1960 im Verhältnis 60:40 zu zyperngriechi- schen Gunsten), mit all seinen möglichen Wirkungsmechanismen auf die zypriotische Gesell- schaft scheiterten an emotionalen Vorbehalten der Bevölkerung. Mit den bürgerkriegsähnlichen Ereignissen, den Vertreibungen und dem Terror durch Paramilitärs ab dem Jahreswechsel 1963/64 kam durch die Stationierung der Friedenstruppe der Vereinten Nationen auf Zypern (UNFICYP) gemäß UNO-Resolution 186 (1964) ein multinati- onaler Einheitenverband auf die Insel, mit der Hauptaufgabe die Kampfparteien voneinander zu trennen. Ziel war die Verhinderung einer weiteren Austragung des Konfliktes mit militärischen Mitteln, da es in einem Krieg zumindest einen Verlierer gibt, und deshalb die Verhinderung eines Krieges die beste Möglichkeit zur Erreichung eines dauerhaften Friedens ist. Der Sicher- heitsrat billigte die Entsendung von UNFICYP, wobei die Sowjetunion sich zwar der Stimme enthielt, jedoch kein Veto einlegte. Die auf eine erneuerbare Laufzeit von sechs Monaten be- schlossene Friedensmission musste gänzlich aus freiwilligen Beiträgen finanziert werden. Da-

622 Kypriakon Ethnikon Komma. 623 (Epanastatiki Ethniki Organosis Kypriakou Agonos [Kyprion Agoniston]) (Revolutionäre Nationale Organisati- on für den Kampf auf Zypern, [Zyprischer Kämpfer]) vgl. ZERVAKIS, Historische Grundlagen, S. 86.

150 durch wurde die Langlebigkeit der UNFICYP-Mission zwar nicht beschnitten, doch bedeutete der Einsatz ein massives Defizit im Finanzhaushalt der Vereinten Nationen.624 Die freiwilligen Beiträge für UNFICYP blieben jedoch hinter den Kosten anderer UNO-Missionen. Die Staaten, die Truppen freiwillig bereitstellen müssen, schließen mit dem Generalsekretär der UNO Ver- träge über die Kontingente, die Dienstvorschriften, das Kommando und die Einhaltung von internationalen Abkommen des Kriegs- und Humanitätsrechtes ab.625 Über die Frage, welche Motive die Truppensteller hatten, Soldaten ins Ausland zu schi- cken, kann nur gemutmaßt werden. Bestimmt hebt es das Prestige eines Landes und unter- streicht seine Souveränität, wenn sich eine Regierung zu einer aktiven Rolle in der „Sicherung des Weltfriedens“ bekennt. Zumeist sind solche Entscheidungen aber auch mit bündnispoliti- schen oder wirtschaftlichen Interessen verknüpft, die jedoch oftmals der Öffentlichkeit verbor- gen bleiben.

Zusammenfassung der Kriterien einer erfolgreichen UNO-Friedensmission:626  ihre Langlebigkeit muss durch eine sichergestellte Finanzierung garantiert werden  die UNO-Kontingente dürfen nur eine sehr begrenzte Funktion ausüben, nämlich die Erhaltung eines Status quo, eines „Nicht-Konfliktes“  die UNO-Kontingente müssen in ihrem Einsatzgebiet stabilisierend wirken, sodass ein Abzug der Truppen nicht zu einem Wiederaufflammen des Urkonflikts führen darf  Konsens der Betroffenen über den Einsatz  Kooperationsbereitschaft auf beiden Konfliktseiten.

Die bis zu einer Truppenstärke von 7.000 Mann geplante Friedensmission der UNO operierte gemäß des „Peace Making“ – „Peace Keeping“ – „Peace Building“ Verfahrens. Neben der Überwachung der eingerichteten Pufferzone leistete die durch halbjährliche Resolutionsbestäti- gung autorisierte Truppe humanitäre Hilfestellungen für vertriebene und verbliebene Zyprioten. Zwar konnte der Zypernkonflikt nicht in der UN-Pufferzone gelöst werden, jedoch darf die Be- deutung einer Vermittlerinstanz am Ort potenzieller Konfliktsituationen nicht unterschätzt wer- den. Sowohl die zypriotische als auch die internationale Politik konnte am grünen Tisch die Weichen für eine friedliche Zukunft auf Zypern stellen, doch musste bei Streitigkeiten zwi- schen verfeindeten Dörfern über ein Stück Land eine unparteiische Instanz vor Ort sein, um die Bevölkerung in Schach zu halten und eventuell zu Lösungen lokaler, weltpolitikferner Kon-

624 Bis Mitte Juni 1985 belief sich das Defizit für die Vereinten Nationen auf ungefähr 128 Millionen US-Dollar. vgl. GÄNSDORFER, Manfred, Die friedenserhaltenden Operationen der Vereinten Nationen, in: ÖMZ, Jg. 24, 4/1986, Wien 1986, S. 346. 625 vgl. GÄNSDORFER, Manfred, Die friedenserhaltenden Operationen der Vereinten Nationen, in: ÖMZ, Jg. 24, 4/1986, Wien 1986, S. 341. 626 vgl. GÄNSDORFER, Manfred, Die friedenserhaltenden Operationen der Vereinten Nationen, in: ÖMZ, Jg. 24, 4/1986, Wien 1986, S. 348. Gemäß den heute noch geltenden Grundprinzipien von friedenserhaltenden Operationen der Vereinten Nationen, die im Zuge der Suez Krise von 1956 vom damaligen UN-Generalsekretär Darg Hammarskjöld formuliert wurden. siehe: GÄNSDORFER, Manfred, Die friedenserhaltenden Operationen der Vereinten Nationen, in: ÖMZ, Jg. 24, 4/1986, Wien 1986, S. 341. 151 fliktherde beitragen zu können. Diese Schiedsrichterrolle nahm UNFICYP aufgrund verschie- dener Resolutionen nach 1974 an. Die vielfältigen weiteren Rollen, die das Militär bei Friedenseinsätzen einnehmen kann, fasst John Clarke aus Sicht der USA zusammen:627

 Konsolidierung des Friedens („Peace Making“) o militärische Unterstützung diplomatischer Aktivitäten o präventive Truppenstationierung  Erhaltung des Friedens („Peace Keeping“) o Überwachung und Beobachtung o Kontrolle des Waffenstillstandes  Durchsetzung des Friedens („Peace Enforcement“) o Schutz humanitärer Hilfeleistung o Wiederherstellung von Ordnung und Stabilität o Garantie bzw. Verweigerung von Bewegung o Durchsetzung von Sanktionen o Etablierung von Schutzzonen o Gewaltsame Trennung von Konfliktparteien

Sowohl in Griechenland, als auch (noch heute) in der Türkei, hatte das Militär großen Einfluss auf die Innen- und Außenpolitik und putschte sich in beiden Ländern mehrmals an die Regie- rung. Auch auf Zypern versuchte die Athener Militärjunta durch einen Putsch gegen Makarios die Macht an sich zu ziehen und zum letzten Mal die Enosis mit Griechenland zu vollziehen, was sich aber aufgrund der türkischen Intervention vom 20. Juli 1974 als ihr gleichzeitiges En- de herausstellen sollte. Die Interventionstruppen der Türkei wurden seither von Seiten des In- selnordens als Garant für die Sicherheit und Freiheit der zyperntürkischen Bevölkerung angese- hen. Die Türkei fungierte neben ihrer Rolle als zyperntürkische Schutzmacht als Schnittstelle mehrerer geopolitischer Räume, wie etwa als Übergang von Schwarzmeerraum und Mittel- meerraum oder als Bindeglied zwischen Europa und dem Nahen und Mittleren Osten. Die Tür- kei vertrat nach dem Ende des Kalten Krieges politische und wirtschaftliche Interessen am Bal- kan628 und geriet so anfänglich wieder in Konflikt mit Griechenland. Neben dieser Konkurrenz um Einfluss auf die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens, dem Ägäis- und Zypern- konflikts entstanden in den 1990er Jahren weitere Konfliktfelder für die Türkei. Die militäri- schen Krisen am Kaukasus, im Irak, Iran, Syrien oder im eigenen Land mit radikalen Kurden erforderte ein selbstbewusstes Vorgehen der türkischen Innen- und Außenpolitik, sodass die Türkei seit dem Golfkrieg dank westlicher Wirtschafts- und Militärhilfen zur dominierenden

627 vgl. CLARKE, John, Die Rolle des US-Heeres in Friedenseinsätzen, in: ÖMZ, Jg. 34, 2/1996, Wien 1996, S. 138. 628 Es ging der Türkei in den 1990er Jahren nicht primär darum aktiv die politische Landkarte mitgestalten zu wol- len, sondern eher um ein Mitspracherecht in ihrer historischen Interessens- und Einflusssphäre des über 400Jahre osmanisch regierten Balkanraumes. 152 Regionalmacht aufgestiegen ist.629 Größte Herausforderung ist nach wie vor die Überwindung der im regionalen Umfeld vorherrschenden Gegensätze mit Griechenland.630 Wie gesagt, entspannte sich seit Ende des Kalten Krieges die Situation zwischen Griechenland und der Türkei, sodass am Ende der 1990er Jahre wieder eine gemeinsame Teilnahme an multi- nationalen Verbänden möglich wurde, wie etwa in der Balkan Division 1998. Die zur Unter- stützung des Friedensprozesses im ehemaligen Jugoslawien ins Leben gerufene Formation be- endete die Phase des mit militärischen Drohgebärden angereicherten Umgangs der vergangenen drei Jahrzehnte. So war es auch der Zerfall Jugoslawiens und der Golfkrieg zwischen den USA und dem Irak 1990/91, der den Zypernkonflikt ein wenig in den Hintergrund der internationalen und regionalen Diplomatie treten ließ. Die Stationierung und das Steigern der Anzahl von Waffen gemäß der Atmosphäre des gegenseitigen Abschreckens in Zeiten des Kalten Krieges fanden mit Griechenland und der Türkei zwischen zwei vertraglich verbündeten Staaten statt. Vor allem Griechenland setzte auf Rüstungskäufe um das Kräfteverhältnis zur Türkei wahren zu können. Dass jedoch die geplante Stationierung von Raketen auf Zypern durch den Süden der Insel 1997/98 nicht das beste Mittel zur Bekundung von Kompromissbereitschaft in Einigungsgesprächen darstellt, dürfte vor dem Hintergrund der ohnehin problematischen griechisch-türkischen Beziehungen (Blockadepolitik in Erweiterungsfragen von EU und NATO, Gewährung von Wirtschafts- und Militärhilfen v.a. durch die USA, US- und NATO-Stützpunktrechte, Luft- und Seenutzungsrechte in der Ägäis, Balkanpolitik, Bekämpfung von Terrorismus etc.) letztlich auch den Zyperngriechen klar gewe- sen sein.631

629 Auch unter Barack Obama betonen die USA die Schlüsselrolle der Türkei im Nahost Friedensprozess und sehen die Türkei weiters in einer Vermittlerrolle zwischen dem Westen und islamischer Welt. Die türkisch- amerikanische Partnerschaft, die Israel mit einbezieht, hat für die USA große Bedeutung, wenn es um gemeinsame Interessen in der Kontrolle von Exportrouten zentralasiatischen Erdöls und Erdgases geht und ist Grundlage für die amerikanische Außenpolitik in der geopolitischen Region „Naher Osten“ zugleich. Die Türkisch-israelische Zu- sammenarbeit ab 1996, die erst in letzter Zeit durch einen Zwischenfall bei der Erstürmung eines Aktivistenbootes vor der Küste Gazas einen Dämpfer erfahren hatte, bestätigt weiters die türkische Einflussnahme am politischen Geschehen im östlichen Mittelmeerraum. Der Versuch der USA, die Türkei stärker in Europa zu integrieren, schei- terte bisher an Meinungsverschiedenheiten verschiedener kultureller, geo- und wirtschaftspolitischer Auffassungen in Europa und der in der Türkei selbst. vgl. TAUS, Wolfgang, Internationale Rundschau - Türkei, in: ÖMZ, Jg. 47, 3/2009, Wien 2009, S. 366. vgl. BRILL, Heinz, Strategische Allianzen in der internationalen Politik, in: ÖMZ, Jg. 40, 5/2002, Wien 2002, S. 544, 545. vgl. KOZAK; MEISELS, Internationale Rundschau – Israel, Militärische Zusammenarbeit mit der Türkei, in: ÖMZ, Jg. 36, 2/1998, Wien 1998, S. 206. vgl. KORKISCH, Friedrich, Die amerikanisch-türkischen Beziehungen, in: ÖMZ, Jg. 37, 2/1999, Wien 1999, S. 131. 630 vgl. TAPPE, Arno, Zeitschriftenschau - Die Türkei im westlichen Sicherheitskonzept, in: ÖMZ, Jg. 36, 1/1998, Wien 1998, S. 98. vgl. BRILL, Heinz, Die geopolitische Lage der Türkei im Wandel, in: ÖMZ, Jg. 36, 2/1998, Wien 1998, S. 114. 631 Wollte man zudem nicht auch noch das (zypern-)griechisch-amerikanische Verhältnis belasten. vgl. KORKISCH, Friedrich, Die amerikanisch-türkischen Beziehungen, in: ÖMZ, Jg. 37, 2/1999, Wien 1999, S. 139. 153 Heute zeigt das Militär neben der fortgeführten UNFICYP-Mission vor allem durch die Statio- nierung der 30.000 türkischen Soldaten Präsenz. Ein durch den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan in Aussicht gestellter Truppenabzug wird in den Verhandlungen mit der EU und auf Zypern selbst noch seine Bedeutung erfahren.

Bedeutung des Militärs im Zypernkonflikt (Zusammenfassung):

LOKALE EBENE REGIONALE EBENE INTERNATIONALE EBENE

-Erlangung kolonialer Unabhän- -historische Tradition des grie- -Kalter Krieg als bestimmen- gigkeit durch Terrorismus und chisch-türkischen Gegensatzes der Faktor bis 1989 Guerillakampf zyperngriechischer extremistischer paramilitärischer -Sicherheitspolitische Aufgaben der -Konkurrenz amerikanisch- Organisationen Ägäisstaaten im Kalten Krieg sowjetischer Interessen im östlichen Mittelmeer -Mittel zur Formung ethnisch ge- -Verteilung amerikanischer Mili- trennter Gebiete tärhilfen Streitpunkt in den grie- -konfliktgeladene griechisch- chisch-türkischen Beziehungen türkische Kooperation im -Ausdruck staatlicher Souveränität westlichen Militärbündnis (Rep. Nationalgarde, SBA) -die US-Stützpunktfrage als Streit- (z.B. in NATO-Manövern) punkt in den griechisch- -Scheitern der Bildung einer ge- türkischen Beziehungen -Internationale Rüstungsge- samtzypriotischen Armee als desin- schäfte Griechenlands und der tegrativer Faktor -griechisch-türkischer Konflikt um Türkei Hoheitsrechte in der Ägäis -Stationierung und Abzug von -durch den Erlass der Resolu- Waffen u. (türkischer) Truppen -Stationierung von Festlandsoldaten tion 186 (1964) Stationierung direkte Einflussnahme auf Zypern- auf Zypern zur Interessenswahrung einer multinationalen Frie- politik bis in die Gegenwart der Mutterländer denstruppe der UNO auf Zy- pern

UNFICYP

-Trennung der Kampfparteien -UNFICYP durch Kontingente aus -UNIFCYP-Friedensmission nicht im Konflikt involvierten Staa- unter Schirmherrschaft -Einrichtung und Überwachung der ten neutrale Stellung im Konflikt Großbritanniens als De- Pufferzone GR/TR. monstration der militärischen Einsatzfähigkeit des Westens -Förderung der Deeskalation von -Unterstützung anderer UNO- Konfliktsituationen im Kontext des Kalten Krie- Friedensmissionen der östlichen Mit- ges -begrenzte Sanktionierungsmög- telmeerregion durch Truppenverle- lichkeiten gungen von Zypern möglich (UNEF -Teilnahme neutraler Staaten II 1973, Libanonkrise 2006) an UNFICYP - Friedensmis- -humanitäre Hilfeleistung sion(en) begründet durch -sensible Reaktion der zyprischen -Unterstützung und Beratung in erhofften innen- und außen- Mutterländer auf Protestnoten in UN- politischen Prestigegewinn den Einigungsgesprächen Halbjahresberichten

154

155 11. ANHANG

Abb. 27, Skizze „Zypern im Schnittpunkt der alten Reiche des antiken Orients“632

Abb. 28, Karte „Das Antike Zypern“633

634 Abb. 29, Karte „Die ethnische Trennung Zyperns 1960, 1970, 1974“

632 entnommen aus: ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 13. 633 entnommen aus: TENEKIDES, Zypern, S. 17. 634 entnommen aus: http://www.naturefund.de/uploads/tx_templavoila/Zypern_2_177-01_cr.jpg, abgerufen 17/04/11. 156 Abb. 30, Skizze „Die zyperntürkischen Enklaven 1963-1974“635 Abb. 31, Skizze „Kantonalplan 1974“636

Abb. 32, Karte „UNIFCYP Distrikte auf Zypern, April 1964“637

635 entnommen aus ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 76. Ackermann bezieht sich auf: BERNER, U., Das Ver- gessene Volk, Der Weg der Zyperntürken von der Kolonialzeit zur Unabhängigkeit, Pfaffenweiler 1992, S. 287. 636 entnommen aus: ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 76. Ackermann bezieht sich auf: BERNER, U., Das Vergessene Volk, Der Weg der Zyperntürken von der Kolonialzeit zur Unabhängigkeit, Pfaffenweiler 1992, S. 287. 637 entnommen aus: CLAUSEN, Christian, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 444. 157 Abb. 33, Karte „Neuordnung UNFICYP nach Operation Dove“638

Abb. 34, Grafik „Ethno - religiöse Zusammensetzung der Bevölkerung in den Gemeinden 1960“639

638 entnommen aus: CLAUSEN, Operation Dove, ÖMZ, 2/75, S. 106. 639 vgl. MÜHLEISEN, Hans-Otto, Der Zypernkonflikt 1950-1984, In: DÜLFFER, Jost, MÜHLEISEN, Hans-Otto, TORUNSKY, Vera, Inseln als Brennpunkte internationaler Politik. Konfliktbewältigung im Wandel des internati- onalen Systems 1890-1984: Kreta, Korfu, Zypern, Köln 1986, S. 106. (=Bibliothek Wissenschaft und Politik, 35). Karte entnommen aus: http://klio.histinst.rwth-aachen.de/de/index.php?id=213, abgerufen 26/04/2011. 158 Abb. 35, Karte „Bevölkerungsbewegungen der türkischen Volksgruppe 1961 bis 1973, dargestellt an den Siedlun- gen mit türkischer Bevölkerung 1961“640

640 aus HEINRITZ, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 57. 159 Abb. 36, Karte „Die türkische Landung auf Zypern Sommer 1974“641

Abb. 37, Karte „Bevölkerungsentwicklung 1960 – 1976/78“642

641 entnommen aus: H. M., Allgemeine Rundschau - Der Zypernkonflikt, Chronik der Ereignisse vom 28. Juli bis 15. September 1974, in: ÖMZ, Jg. 12, 6/1974, Wien 1974, S. 487. 642 entnommen aus: HEINRITZ, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, Karte 2, S. 60. 160 Abb. 38, Grafik „Die sowjetische Schwarzmeerflotte und 3. Eskadra als operative Einheit im östlichen Mittelmeer während des Kalten Krieges“643

Abb. 39, Skizzen „Territoriale Forderungen und Zugeständnisse während der Gipfeltreffen und der Volksgruppen- gespräche 1974-1981“644

643 entn. aus: PL, Die Schwarzmeerflotte der sowjetischen Kriegsmarine, in: ÖMZ, Jg. 17, 3/1979, Wien 1979, S. 224. 644 Skizzen entnommen aus: ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 94. vgl. BERNER, U., Das Vergessene Volk, Der Weg der Zyperntürken von der Kolonialzeit zur Unabhängigkeit, Pfaffenweiler 1992, S. 372, 416. 161 Abb. 40, Grafik „Territoriale Teilung Zyperns seit 15. November 1983“645

Abb. 41, Grafik, „Griechisch-türkischer Konflikt um die Ausweitung der griechischen Hoheitsgewässer in der Ägäis“646

645 entnommen aus: PABST, Martin, Neue Bemühungen zur Beilegung des Zypernkonflikts, in: ÖMZ, Jg. 38, 5/2000, Wien 2000, S 568. 646 entnommen aus: RIEMER, Andrea K., Die Türkei: Wandel und Kontinuität, in: ÖMZ, Jg. 35, 2/1997, Wien 1997, S. 153. 162 Abb. 42, Karte „Teilungszonen und Stationierungsgebiete UNFICYP Ende 1977“647

Abb. 43, Grafik „Stationierung UNFICYP Mai 1981“648

647 entnommen aus: DORFMEISTER, Zypernkonflikt, ÖMZ 3/1978, S. 201. 648 entnommen aus: PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Einsatz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 301. 163 Abb. 44, Grafik „Stationierung UNFICYP 1983“649

Abb. 45, Karte „Stationierung UNFICYP-Truppen auf Zypern November 2010“650

649 entnommen aus: ONJERTH, Hugo, Die UNO-Einsätze Österreichs als Beitrag zur internationalen Friedenssi- cherung, in: ÖMZ, Jg. 21, 6/1983, Wien 1983, S. 479. 650 entnommen von Internetseite d. UN: http://www.un.org/Depts/Cartographic/map/dpko/unficyp.pdf, abgerufen 19/04/11. 164 PROTAGONISTEN DER ZYPERNKRISE 1963-1974

MAKARIOS III. Michail Christodoulos Mouskos, geboren 1913, war nach dem Tod von Makarios II. von 1950 bis 1977 Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche Zyperns und politischer Führer der Inselgriechen. Maka- rios war in seiner Anfangszeit ein glühender Verfechter der Enosis und schuf mit der Volksabstimmung 1950 die vermeintliche Legitimierung seines politischen Zieles, den Anschluss Zyperns an Griechen- land. 1960 wird Makarios III. erstes Staatsoberhaupt der Republik Zypern. Die Kophinou-Krise von 1967, sowie auftretende Unvereinbarkeiten mit der Militärjunta in Athen in der Frage der Enosis Zy- perns, beendete sein Präsidentenamt wenige Monate vor der türkischen Intervention von 1974, als er nach einem Putsch griechischer Nationalisten von Zypern fliehen musste. Nach der Teilung der Insel stand Makarios der Republik Zypern weitere drei Jahre, bis zu seinem Tod 1977, als Präsident vor.651

„DIGENIS“ GRIVAS Georgios Theodoros Grivas wurde am 23. Mai 1898 in Trikomo bei Famagusta geboren und nahm nach Gymnasium und Kadettenschule in Athen die griechische Staatsbürgerschaft an. 1922 beteiligte er sich an der griechischen Offensive in Anatolien und wurde nach absolvierter Militärakademie in Paris Offi- ziersausbilder in der griechischen Armee. In der Zeit der deutschen Okkupation Griechenlands (1941 – 1944) gründete er eine Untergrundorganisation, die den Namen „X“ trug und verfolgte einen strikt anti- kommunistischen und rechtsextremistischen Kurs. Zwischen 1954 u. 1958 führte er die Untergrundor- ganisation EOKA an und war in den 1960er Jahren Anführer der zypriotischen Nationalgarde. Bis zu seinem Tod 1974 führte er die 1971 wiedergegründete Terrororganisation EOKA B an, die maßgeblich an Gewaltübergriffen gegenüber der zyperntürkischen Zivilbevölkerung beteiligt war und plante mit Rückendeckung aus Athen die Absetzung Makarios III. und den Anschluss Zyperns an Griechenland.652

FAZIL KÜCÜK Fazil Kücük wurde 1906 auf Zypern geboren und verlebte seine Studienzeit in Lausanne und Istanbul. Seit den 1940er Jahren war er zusammen mit Rauf Denktasch der einflussreichste zyperntürkische Poli- tiker. Kücük war erster und einziger Vizepräsident einer vereinten Republik Zypern und lehnte Extre- mismus ab. Er erlebte noch die Gründung der Türkischen Republik Nordzypern (TRNZ, gegr. 1983) bevor er als von Zyperntürken geachteter Staatsmann 1984 verstarb.653

RAUF DENKTASCH Rauf Raif Denktasch wurde am 27. Jänner 1924 in Baf/Paphos geboren und war nach absolviertem Jura Studium in London Staatsanwalt in Nikosia. 1958 wurde er zum Vorsitzenden der „Vereinigung türki- scher Organisationen auf Zypern“ gewählt und galt als zweiter Mann hinter Fazil Kücük in der politi- schen Führung der Zyperntürken. Seine Ambitionen, die Situation der Zyperntürken während der 1960er Jahren vor den Vereinten Nationen in New York international publik zu machen, zwangen ihn aufgrund einer von Makarios III. initiierten Haftandrohung 1964 ins türkische Exil. Erst nach der Stabilisierung der türkischen Verwaltung im Norden der Insel, konnte Denktasch 1968 wieder nach Zypern zurückkeh- ren. Am 18. Februar 1973 wurde er zum Nachfolger Fazil Kücüks als Vizepräsident der türkisch- zyprischen Inselverwaltung gewählt und stand nach 1974 dem nun eigenständigen Nordteil der Insel vor. 1975 rief er den Turkish Federate State of Cyprus (TFSC) aus. Sein Bestreben, die Bildung einer föderativen Republik aus zwei Teilstaaten, in der jede Hegemonie der einen Gruppe über die andere ausgeschlossen werden würde, stieß aufgrund mangelnder Kompromissbereitschaft aus Nikosia und Athen stets auf Ablehnung. Am 15. November 1983 rief Rauf Denktasch die bis in heutige Tage nur von Ankara anerkannte Türkische Republik Nordzypern (TRNZ) aus, der er bis zum Scheitern des Annan- Plans von 2004 als Präsident vorstand.654

651 u.a. vgl. PILLER, Zypern, S. 119. 652 u.a. vgl. KELLNER, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 27f. vgl. dazu Fußnote 48: GRIVAS, Georgios, Partisa- nenkrieg heute, Frankfurt am Main 1964, S. 13, 14. 653 vgl. PILLER, Zypern, S. 123. 654 vgl. PILLER, Zypern, S. 120f. vgl. ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 72, 73. 165 12. LITERATUR- UND ABBILDUNGSVERZEICHNIS (Einzelwerke alphabetisch gereiht, ÖMZ Artikel/Beiträge chronologisch gereiht)

EINZELWERKE/SAMMELBÄNDE ACKERMANN, Michael, Türkisch-Zypern, Geschichte und Gegenwart, Heiligenhofer Studien zu Volksgruppen- fragen (6), Heiligenhof-Bad Kissingen 1997. (=ACKERMANN, Türkisch-Zypern) ASMUSSEN, Jan, Cyprus at War – Diplomacy and Conflict during the 1974 crisis, London 2008. (=ASMUSSEN, Cyprus at War) CHOISI, Jeanette, Wurzeln und Strukturen des Zypernkonfliktes 1878 bis 1990, Stuttgart 1993. (=CHOISI, Wur- zeln und Strukturen des Zypernkonfliktes) DISCHLER, Ludwig, Die Zypernfrage, Frankfurt am Main 1960. (=DISCHLER, Zypernfrage) EDEN, Anthony, Memoiren 1945 – 1957, Zypern, 1955-1956, Berlin 1960. ERTEKÜN, Necati, The Cyprus dispute and the birth of the Turkish Republic of Northern Cyprus, Nicosia 1984. GEORGHIADES, Die Zypernfrage, Bonn 1963. (=GEORGHIADES, Zypernfrage) GROTHUSEN, STEFFANI, ZERVAKIS (Hrsg.), Südosteuropa Handbuch Band VIII - Zypern, Göttingen 1998. (=ZERVAKIS, Historische Grundlagen; =BREY, Bevölkerungsstruktur; =KIZILYÜREK, Sozialstruktur) HERM, Gerhard, Die Phönizier, Das Purpurreich der Antike, Wien 1973. (=HERM, Die Phönizier) HILLENBRAND, Klaus, Cypern, Aphrodites geteiltes Eiland, München 1990. (=HILLENBRAND, Cypern) KARPAT, Kemal H., Turkey´s foreign policy in transition, Leiden 1975. KESKIN, Hakki, Die Türkei, Vom Osmanischen Reich bis zum Nationalstaat, Berlin 1981. MAVROULEAS, Nikolaos, Entstehungsbedingungen, Bestimmungsfaktoren und Entwicklung des Zypernkonflik- tes nach dem Zweiten Weltkrieg, Osnabrück 1978. (=MAVROULEAS, Entstehungsbedingungen) PILLER, Uli, Zypern, die ungelöste Krise, Pfaffenweiler 1997. (=PILLER, Zypern) POEW, René, Der Beitritt Zyperns zur EU – Probleme des Völkerrechts, des Europarechts und des zypriotischen Rechts, Hamburg 2007. (=POEW, Beitritt Zyperns zur EU) SIMON, Heinrich und Marie, Die alte Stoa und ihr Naturbegriff, Ein Beitrag zur Philosophiegeschichte des Helle- nismus, Berlin 1956. STEPHEN, Michael, Die Zypern Frage, Köln 1999. TALMON, Stefan, Kollektive Nichtanerkennung illegaler Staaten, Tübingen 2006. TATLI, Suzan, Der Zypernkonflikt, Pfaffenweiler 1986. TENEKIDES, Georges, Zypern, Jüngste Geschichte und politische Perspektiven, Genf 1966. (=TENEKIDES, Zypern) TZERMIAS, Pavlos, Geschichte der Republik Zypern, Tübingen 1991. (=TZERMIAS, Republik Zypern) TZERMIAS, Pavlos, Neugriechische Geschichte, Eine Einführung, Tübingen 1986. (=TZERMIAS, Neugriechi- sche Geschichte) WEHLER, Hans-Ulrich, Nationalismus, Geschichte-Formen-Folgen, München 2001. WOLFE, James H., HEINRITZ Günter, HILF, Rudolf, KELLNER Leonhard (Hrsg.), Zypern. Teilung der Macht oder Teilung des Landes?, München 1987. (=KELLNER/WOLFE/HEINRITZ, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern) ZERVAKIS, Peter.A., Justice for Greece, Der Einfluß einer gräkoamerikanischen Interessengruppe auf die Au- ßenpolitik der USA gegenüber Griechenland, 1945-1947, Die Aktivitäten der organisierten Gräkoamerikaner in der Zwischenkriegszeit, Stuttgart 1994 (=Studien zur modernen Geschichte, 47).

DISSERTATIONEN KIZILYÜREK, Niyazi, Der Zypernkonflikt unter besonderer Berücksichtigung der internationalen Abhängigkeits- verhältnisse, Bremen 1990. (=KIZILYÜREK, Zypernkonflikt) NOWACKI, Helmut, Der Zypernkrieg 1974, Eine Analyse seiner Ursachen, Hamburg 1982. (=NOWACKI, Zy- pernkrieg)

166 SAMMELBANDREIHE „ÖSTERREICHISCHE MILITÄRISCHE ZEITSCHRIFT“ (ÖMZ, A=ARTIKEL, B=BEITRAG)

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Internetseite des deutschen Nachrichtensenders N-TV: http://www.n-tv.de/politik/Tuerkei-erwaegt-Truppenabzug-article755079.html, abgerufen 19/04/2011.

Internetseite der BBC: http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/3656753.stm, abgerufen 19/03/2011.

Internetseite Deutsches Auswärtiges Amt: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/EinreiseUndAufenthalt/Schengen_node.html#doc350334bodyText8, abgeru- fen 22/03/2011.

Internetseite Neue Zürcher Zeitung: http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/medien/symbolische_bresche_in_der_zypern-mauer_1.693357.html, abgeru- fen 22/03/2011.

Internetseite www.welt.de http://www.welt.de/politik/ausland/article12340929/Schengen-Beitritt-Rumaeniens-und-Bulgariens-gestoppt.html, abgerufen 22/03/2011.

Internet pdf.file der türkischen Botschaft in Berlin: Die Zollunion zwischen der Türkei und der Europäischen Union, Türkische Botschaft, Berlin 2004. http://www.ma-tax.de/A_H_P/listen/praef/Tuerkei/20040304_zollunion_EU_Tuerkei.pdf, abgerufen 23/04/2011.

Internetseite ‚Regionales Informationszentrum der Vereinten Nationen für Westeuropa‘ (UNRIC): http://www.unric.org/de/pressemitteilungen/4648, abgerufen 26/04/2011.

Bibliographie zum Thema Zypern: http://kypros.org/Books/german.html, abgerufen 16/09/2007. (zuletzt 29/04/2011)

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb. 1, Karte „Topographie Zyperns“ http://www.weltkarte.com/europa/zypern/topographische-karte-zypern.htm, abgerufen 17/04/2011.

Abb. 2, Karte „Politische Landkarte Zyperns“ http://www.die-geobine.de/karten/zypern.png, abgerufen 17/04/2011.

Abb. 3, Tabelle „Verteilung zyprischer Siedlungen nach Volksgruppenzugehörigkeit bis 1964“ Abb. 4, Tabelle „Verteilung Siedlungen nach Volksgruppenzugehörigkeit in zyprischen Distrikten bis 1964“ Daten aus KAROUZIS, G., Proposals for a solution tot he Cyprus problem, Cosmos Press, Nicosia 1976, S. 45. zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S 86, Fußnote 195.

Abb. 5, Tabelle „Vergleich militärisches Potenzial Griechenland /Türkei im Kontext des Zypernkonflikts Juni 1964“ Daten aus: (B) o. V., Allgemeine Rundschau – Griechenland, Türkei, in: ÖMZ, Jg. 2, 3/1964, Wien 1964, S. 209- 210.

Abb. 6, Tabelle „Mannstärke UNFICYP 1970“ Daten aus: CLAUSEN, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 443.

Abb. 7, Organigramm „Kommandobaum UNFICYP Juni 1970“ vgl. CLAUSEN, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 445.

Abb. 8, Tabelle „Truppenstärke UNFICYP 1972“ Daten aus: CLAUSEN, Das österreichische UNO-Bataillon, in: ÖMZ, Jg. 10, 5/1972, Wien 1972, S. 320.

172 Abb. 9, Tabelle „Stärke militärischer Verbände auf Zypern vor der türkischen Intervention zum Zeitpunkt des Putsches gegen Makarios am 15. Juli 1974“ Daten aus: vgl. The Cyprus Crisis in: Strategic Survey 1974, An JJSS Publication, The International Institute for Strategic Studies, London 1975, S. 79. zitiert nach NOWACKI, Zypernkrieg, S. 186, Fußnote 87.

Abb. 10, Tabelle „Opferzahlen der Zypernkrise im Juli/August 1974“ Daten aus: ASMUSSEN, Cyprus at War, London 2008, S. 274.

Abb. 11, Tabelle „Ethnisch-religiöse Bevölkerungsstruktur Zyperns, Zensusjahre 1881 – 1973“ Daten aus: BREY, Hansjörg, Bevölkerungsstruktur, in: GROTHUSEN, STEFFANI, ZERVAKIS (Hrsg.), Südost- europa-Handbuch Band VIII – Zypern, Göttingen 1998, S. 497, Tabelle 4.

Abb. 12, Tabelle „Bevölkerungsverteilung 1973 nach Distrikten“ Daten aus: KAROUZIS, G., Proposals for a solution tot he Cyprus problem, Cosmos Press, Nicosia 1976, S. 16. zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S. 85, Fußnote 192.

Abb. 13, Tabelle „Bevölkerungsverteilung nach Städten 1973“ Daten aus: vgl. KAROUZIS, G., Proposals for a solution tot he Cyprus problem, Cosmos Press, Nicosia 1976, S. 18. zitiert nach: NOWACKI, Zypernkrieg, S. 85, Fußnote 193.

Abb. 14, Tabelle „Die sowjetische Marinepräsenz im Mittelmeer 1964-1976“ vgl. WEINLAND, Robert G., Ägypten und die sowjetische Mittelmeerskadra, in: ÖMZ, Jg. 15, 6/1977, Wien 1977, S. 478, 479.

Abb. 15, Tabelle „Militärhilfen Griechenland/Türkei Ende der 1970er Jahre“ vgl. MG., Allgemeine Rundschau - Türkei/Griechenland, Streitkräfte und Rüstung, in: ÖMZ, Jg. 16, 6/1978, Wien 1978, S. 533.

Abb. 16, Tabelle „Ungefähre Truppenstärke der Volksgruppenstreitkräfte im Jahr 2000“ Daten aus: PABST, ÖMZ 5/2000, S. 569.

Abb. 17, Tabelle „Bevölkerungsverteilung im geteilten Zypern, Stand 2004“ vgl. TAUS, W., Miszellen – Zypern, Der schwelende Spannungsherd, in: ÖMZ, Jg. 44, 5/2006, Wien 2006, S. 601.

Abb. 18, Kreisdiagramme „Ergebnis des Zypern-Referendums vom 24. April 2004“ Daten aus: PFARR, D., Internationale Rundschau - Europäische Union, in: ÖMZ, Jg. 42, 4/2004, Wien 2004, S. 477. POEW, René, Der Beitritt Zyperns zur EU – Probleme des Völkerrechts, des Europarechts und des zypriotischen Rechts, Hamburg 2007, S. 186. Internetseite der BBC: http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/3656753.stm, abgerufen 19/03/2011. ASMUSSEN, Cyprus at War, S. 285.

Abb. 19, Tabelle „Sektorale Truppenstärke der internationalen Kontingente Ende 1977“ Daten aus: DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 202.

Abb. 20, Tabelle „Truppenanteile UNFICYP nach Nationen und übertragenen Sektor Mai 1983“ Daten aus: ONJERTH, Hugo, Die UNO-Einsätze Österreichs als Beitrag zur internationalen Friedenssicherung, in: ÖMZ, Jg. 21, 6/1983, Wien 1983, S. 482.

Abb. 21, Tabelle „Gesamttruppenstärke UNFICYP 1995“ vgl. HAZDRA, Peter, Militärische Einsätze im Rahmen der Vereinten Nationen, in: ÖMZ, Jg. 33, 4/1995, Wien 1995, S. 369

Abb. 22, Aufstellung „Daten UNFICYP 31. Jänner 2000“ Internetseite ‚Regionales Informationszentrum der Vereinten Nationen für Westeuropa‘ (UNRIC): http://www.unric.org/de/pressemitteilungen/4648, abgerufen 26/04/2011.

Abb. 23, Tabelle „Anzahl, Herkunft und Verwendung UNFICYP-Angehörige (Stand Apr. 2008)“ Daten aus: http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=1368&tt=graphic&lang=l1 http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=1365&tt=graphic&lang=l1 http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=1366&tt=graphic&lang=l1 http://www.unficyp.org/nqcontent.cfm?a_id=1367&tt=graphic&lang=l1 alle abgerufen 19/04/2011.

Abb. 24, Tabelle „Aktueller Stand (28. Februar 2011) UNFICYP“ vgl. Internetseite der Vereinten Nationen: http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/unficyp/facts.shtml, abge- rufen 19/04/2011.

Abb. 25, Tabelle „Nationalität Militär- u. Polizeipersonal UNFICYP Stand Feb. 2011“ vgl. Internetseite der UN: http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/unficyp/facts.shtml, abgerufen 19/04/2011.

173 Abb. 26, Tabelle „Todesfälle UNFICYP seit 1964“ vgl. Internetseite der UN: http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/unficyp/facts.shtml, abgerufen 19/04/2011.

Abb. 27, Skizze „Zypern im Schnittpunkt der alten Reiche des antiken Orients“ entnommen aus: ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 13.

Abb. 28, Karte „Das Antike Zypern“ entnommen aus: TENEKIDES, Zypern, S. 17.

Abb. 29, Karte „Die ethnische Trennung Zyperns 1960, 1970, 1974“ http://www.naturefund.de/uploads/tx_templavoila/Zypern_2_177-01_cr.jpg, abgerufen 17/04/2011.

Abb. 30, Skizze „Die zyperntürkischen Enklaven 1963-1974“

Abb. 31, Skizze „Kantonalplan 1974“ entnommen aus: ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 76. Ackermann bezieht sich auf: BERNER, U., Das Ver- gessene Volk, Der Weg der Zyperntürken von der Kolonialzeit zur Unabhängigkeit, Pfaffenweiler 1992, S. 287.

Abb. 32, Karte „UNIFCYP Distrikte auf Zypern, April 1964“ entnommen aus: CLAUSEN, Christian, Die UNO-Friedensmission auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 8, 6/1970, Wien 1970, S. 444.

Abb. 33, Karte „Neuordnung UNFICYP nach Operation Dove“ entnommen aus: CLAUSEN, Christian, Operation Dove – Die Verlegung von UN-Truppen von Zypern nach Ägypten, in: ÖMZ, Jg. 13, 2/1975, Wien 1975, S. 106.

Abb. 34, Grafik „Ethno - religiöse Zusammensetzung der Bevölkerung in den Gemeinden 1960“ vgl. MÜHLEISEN, Hans-Otto, Der Zypernkonflikt 1950-1984, In: DÜLFFER, Jost, MÜHLEISEN, Hans-Otto, TORUNSKY, Vera, Inseln als Brennpunkte internationaler Politik. Konfliktbewältigung im Wandel des internati- onalen Systems 1890-1984: Kreta, Korfu, Zypern, Köln 1986, S. 106. (=Bibliothek Wissenschaft und Politik, 35). Karte entnommen aus: http://klio.histinst.rwth-aachen.de/de/index.php?id=213, abgerufen 26/04/2011.

Abb. 35, Karte „Bevölkerungsbewegungen der türkischen Volksgruppe 1961 bis 1973, dargestellt an den Siedlungen mit türkischer Bevölkerung 1961“ entnommen aus: HEINRITZ, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 57.

Abb. 36, Karte „Die türkische Landung auf Zypern Sommer 1974“ entnommen aus: H. M., Allgemeine Rundschau - Der Zypernkonflikt, Chronik der Ereignisse vom 28. Juli bis 15. September 1974, in: ÖMZ, Jg. 12, 6/1974, Wien 1974, S. 487.

Abb. 37, Karte „Bevölkerungsentwicklung 1960 – 1976/78“ entnommen aus: HEINRITZ, in: WOLFE (Hrsg.), Zypern, S. 60, Karte 2.

Abb. 38, Grafik „Die sowjetische Schwarzmeerflotte und 3. Eskadra als operative Einheit im östlichen Mit- telmeer während des Kalten Krieges“ entn. aus: PL, Die Schwarzmeerflotte der sowjetischen Kriegsmarine, in: ÖMZ, Jg. 17, 3/1979, Wien 1979, S. 224.

Abb. 39, Skizzen „Territoriale Forderungen und Zugeständnisse während der Gipfeltreffen und der Volks- gruppengespräche 1974-1981“ entnommen aus: ACKERMANN, Türkisch-Zypern, S. 94. vgl. BERNER, U., Das Vergessene Volk, Der Weg der Zyperntürken von der Kolonialzeit zur Unabhängigkeit, Pfaffenweiler 1992, S. 372, 416.

Abb. 40, Grafik „Territoriale Teilung Zyperns seit 15. November 1983“ entnommen aus: PABST, ÖMZ 5/2000, S. 568.

Abb. 41, Grafik, „Griechisch-türkischer Konflikt um die Ausweitung der griechischen Hoheitsgewässer in der Ägäis“ entn. aus: RIEMER, Andrea K., Die Türkei: Wandel und Kontinuität, in: ÖMZ, Jg. 35, 2/1997, Wien 1997, S. 153.

Abb. 42, Karte „Teilungszonen und Stationierungsgebiete UNFICYP Ende 1977“ entnommen aus: DORFMEISTER, Theo, Der Zypernkonflikt, Politische Entwicklung und UNO-Einsatz, in: ÖMZ, Jg. 12, 3/1978, Wien 1978, S. 201.

Abb. 43, Grafik „Stationierung UNFICYP Mai 1981“ entnommen aus: PLIENEGGER, Alfred, UNFICYP 1981 – Die Vereinten Nationen im friedenserhaltenden Ein- satz auf Zypern, in: ÖMZ, Jg. 20, 4/1982, Wien 1982, S. 301.

Abb. 44, Grafik „Stationierung UNFICYP 1983“ entnommen aus: ONJERTH, Hugo, Die UNO-Einsätze Österreichs als Beitrag zur internationalen Friedenssiche- rung, in: ÖMZ, Jg. 21, 6/1983, Wien 1983, S. 479.

Abb. 45, Karte „Stationierung UNFICYP-Truppen auf Zypern November 2010“ http://www.un.org/Depts/Cartographic/map/dpko/unficyp.pdf, abgerufen 19/04/2011. 174