Tiefbauamt des Kantons

Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern

Verbaute Kander oberhalb Schwandi-Ey. Kander.2050 Ein Fluss braucht neue Ideen

Im Jahr 1714 wurde der Kanderdurchstich In einer neuen Studie1 zum Geschiebe- realisiert. Eine für die damalige Zeit gewag- haushalt der Kander (GeHaK) wird die te und visionäre Idee, welche gewaltige bisherige Sohlenerosion quantifiziert und Veränderungen für die Kander zur Folge aufgrund von Modellrechnungen eine wei- hatte. Vor etwa 100 Jahren wurde damit tere Sohleneintiefung für die nächsten begonnen, den Kanderlauf über weite Jahrzehnte prognostiziert, sofern keine Strecken zu begradigen, einzuengen und geeigneten Massnahmen ergriffen werden. massiv zu verbauen. Anlass dazu war der Bau der BLS-Bahnlinie. Dank diesen Korrektionen und später realisierten Mass- nahmen konnte die Hochwassergefahr im Kandertal erfolgreich gebannt werden. Eine andere Folge dieser Verbauungen ist die «Lasst uns am Alten Eintiefung des Flusses und die damit ver- so es gut ist halten. bundene, fortschreitende Sohlenerosion. Doch auf altem Grund Diese unterspült und gefährdet zuneh- Neues schaffen zu jeder Stund.» mend die bestehenden Schutzbauten. Gottfried Keller (1819–1890) Kander.2050 2

Ein gebändigter Wildbach

Die Kander entspringt dem Kanderfirn, ver- mehrheitlich kleinem Gefälle, zwischen 1 zweigt sich auf grosser Breite im naturna- und 1,7%, in den Thunersee. hen Gasterental und fliesst durch die steile Landschaftsprägend sind im Kandertal die Klus (40% Gefälle) in die Flachstrecke bei grösseren Schwemmkegel der Seiten- . Unterhalb von Kandersteg bäche Öschibach, Bunderbach, Engstlige, überwindet der Fluss eine längere Steil- Kiene und Suld, welche von der Kander strecke mit bis zu 20% Gefälle. Ab Kander- angeschnitten werden. In den korrigierten grund fliesst die korrigierte Kander mit Abschnitten weist die Kander eine mono- tone Linienführung mit einer konstanten Breite von ca. 22 m auf und ist arm an Soh- 300 lenstrukturen. Die Kander ist ein alpiner Fluss, welcher 250 entscheidend durch das Schnee- und 200 Gletscherschmelzwasser im Sommer be- einflusst wird. Im Jahresdurchschnitt flies- 150 sen 21 m3 ab. Am 22. August 2005 wurde m3/s

100 bei der Messstation Hondrich ein Spitzen- abfluss von rund 270 m3 erreicht. Auffallend 50 viele grosse Abflüsse sind in den letzten 10 2 0 Jahren aufgetreten . Die Fläche des Ein- Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez zugsgebietes beträgt 520 km2, die Verglet- scherung 7,9 %. Mittlere Monatsabflüsse der Kander in Hondrich für die Periode 1981–2005. Mit den roten Linien sind die Spannweiten zwischen den Abflussspitzen und -minima dargestellt (HHQ + NNQ). Die grossen Wasserbauprojekte

Der Kanderdurchstich 1714 Jahren auf die Idee, die Kander beim Ursprünglich floss die Kander durch das Strättlighügel direkt in den Thunersee zu Glütschbachtal und mündete rund 4 km leiten, um so die Geschiebemassen im unterhalb von auf der Höhe der Zulg- Thunersee ablagern zu lassen. Nach dem mündung in die . Wegen häufiger 1714 realisierten Kanderdurchstich setzte Überschwemmungen kam man vor 300 eine verhängsnisvolle Entwicklung ein. Die Flusssohle senkte sich innert wenigen Jah- ren um rund 40 m ab, was zu einer rück- schreitenden Erosion im unteren Kandertal führte. Es bildete sich eine tiefe Schlucht mit steilen Wänden aus.

Die Korrektionen im 20. Jahrhundert Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird die Kander auf alten Karten oberhalb als mäandrierender Fluss dargestellt und zwischen Frutigen und Reichenbach auf einer Breite von bis zu 200 m als ein ver- zweigtes Gerinne. Unterhalb Reichenbach mäandrierte der Fluss leicht im schmalen Talboden oder ist als Folge des Kander- durchstichs schluchtartig eingeschnitten. Verbauungen im 20. Jahrhundert haben die Kander in ein grösstenteils enges, kanalähnliches Bett gezwungen. Damit ging die ursprüngliche Flussdynamik mit häufigen Überflutungen, Kiesbänken und -inseln innerhalb des Gerinnes weitgehend verloren. Der ursprüngliche Kanderlauf mit dem Durchstich.3 www.kanderwasser.ch 3

1700 1850 1900 1950 2000 2050

Sohle im Gleichgewicht 1850: Lokale wasser- 1913–1915 II. Korrek- Ab 1950: Weitere 2005 Aufweitung bauliche Massnahmen tion: Flussbettverle- Sicherungsmassnah- Augand: Projekt zur 1714 Kanderdurch- zur Vermeidung von gung für besseren men: Neue Beton- Sohlenstabilisierung stich: Rückschreitende Überschwemmungen Geschiebeabtransport sperren, Ergänzungen und landschaftlichen Erosion, Eintiefung um von Wiesen und Wei- der Seitenbäche. Bau an Blockschwellen, Aufwertung durch Ent- 40 m im Augand. den und zur Begren- von 6 Überfällen Schildkröten- und fernung bestehender zung der Seitenerosion. (Engstlige bis March- Blockbuhnen an Buhnen, Bau einer stein). Kurvenaussenseiten Blockrampe zur Siche- 1899 I. Korrektion: (Simmemündung bis rung oberliegender 1930 III. Korrektion: Zum Schutz der neuen Stegweid). Bauwerke sowie Flussbettverengung, Eisenbahnlinie Eindäm- Punktueller Unterhalt Sohlenhebung beim Uferverbau (Marchstein mung der Kander mit durch Schüttungen mit Zusammenfluss von bis Kiene). sogannten «gemauer- groben Blöcken gegen und Kander. ten einfüssigen Ufer- 1940–60 IV. und V. Unter- oder Hinter- schwellen von 3 m Korrektion: Steinvorla- spülung der Ufersiche- 2006 Aufweitung Höhe auf Sohlenholz gen zur Kolksicherung rungen. Schwandi-Ey: Hoch- mit Zangen fundiert.» der Ufer. wasserschutz- und Bau von 9 Überfällen Ab 1994: Umbau von Auenrevitalisierungs- 1950–60 VI. Korrek- zwischen 1.7 bis 2.5 m Schwellen in fischgän- projekt (Ersatzmass- tion: Ergänzende Ufer- Höhe (Kiene bis Wehr gige Blockrampen. nahme der BLS Alp- schutzmassnahmen BWK). Transit. (Marchstein bis Kiene). 1944, 1956 und 1966 Korrektionen Augand: Flussbettverengung von 150 m auf 30 m. Sohlenerosion Sohlengleichgewicht

erwünscht stark zunehmend zu stark punktuell

Querschnitt des Korrek- tionsprojekts von 1899 oberhalb der Kiene- mündung (I. Korrektion). Ersichtlich ist die Funda- tion der Uferverbauung, welche nur wenig unter- halb der Flusssohle projek- tiert wurde. Die Sohlen- breite wurde auf 22 m Breite dimensioniert.

Hochwassergefahr im Kandertal weitgehend gebannt Auf der Dufourkarte von 1850 ist ersicht- lich, dass die meisten alten Dorfkerne in gewissem Abstand zu Kander und Engst- lige liegen. Nur bei und Kan- derbrück stehen einzelne Häuser direkt an Die Aufnahme aus dem der Kander. Schon früher waren die Hoch- Jahr 1936 zeigt die damals wasser der Kander daher keine direkte neu gebauten Beton- schwellen VIII und IX bei Bedrohung für die Bevölkerung. Auch Stegweid. wenn heute Siedlungen, Gewerbe und ein- zelne Häuser zum Teil näher an der Kander stehen, so haben die Hochwasser von 1987 und 1999 wegen der Sohleneintie- fung und ausreichender Abflusskapazität nur wenige Schäden im Kandertal verur- sacht. Dagegen führte das Hochwasser vom August 2005 zu Überflutungen durch die Kander in Kandersteg, Kandergrund und bei Kien.

Der Eingang zur heutigen Kanderschlucht beim Hani im Auengebiet Augand. Kander.2050 4

Auswirkungen der Eingriffe

Sohlenveränderungen Beeinträchtigter Die Korrektionen der Kander seit Anfang Geschiebehaushalt des 20. Jahrhunderts haben nicht nur die Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde auch Hochwassergefahr verringert, sondern die Geschiebebewirtschaftung intensiviert. auch den Geschiebehaushalt des Flusses Einerseits wurden zum Schutz vor Hoch- massgeblich verändert. Durch die Ver- wasser die Seitengewässer verbaut und schmälerung des Flussbettes von Geschiebesammler mit einem Rückhalte- ursprünglich durchschnittlich 100 m auf ca. volumen von insgesamt 54000 m3 errich- 22 m wurde die Transportleistung erhöht. tet, andererseits wurde das Geschiebe als Der Fluss, welcher sich vorher in einem wichtiger Rohstoff (ca. 10000 m3 pro Jahr Auflandungs- oder Gleichgewichtszustand seit 1996) genutzt. Beides führte dazu, befunden hat, begann sich einzutiefen. In dass die Geschiebeeinträge in die Kander den vergangenen 30 Jahren betrug die verringert und somit die durch die Korrek- durchschnittliche Eintiefung der Kander tion ausgelöste Sohlenerosion verstärkt unterhalb Frutigen ca. 50 cm, stellenweise wurde. bei Schwandi-Ey und Augand bis zu 2,5 m.

Sohlenerosion Geschiebesammler Geschiebeentnahme aus < 0.25 m 0.5 m – 1 m Gewässern Kieswerk mit Konzession 0.25 m – 0.5 m > 1 m Sohlenveränderung zwischen 1970 und 2000.1 Geschiebebewirtschaftung entlang der Kander.1 www.kanderwasser.ch 5

Folgen der Sohlenerosion

Unterspülte Uferverbauungen Die Uferverbauungen wurden bei den Korrektionen nicht tief fundiert. Die Eintie- fung der Sohle legte die zur Funda- tionssicherung verwendeten Längshölzer auf einer Länge von 5,2 km frei. Dadurch sind sie nun der Verwitterung ausgesetzt. Durch eine Schüttung mit groben Blöcken wurde bisher verhindert, dass die Ufer unterspült werden und einbrechen können. Diese Vorschüttungen wurden im Rahmen des Unterhalts erstellt und weisen einen uneinheitlichen Charakter auf. Die Gefahr besteht, dass sie an einzelnen Stellen zu wenig stabil sind. Wegen der fortschreitenden Erosion sind mittelfristig weitere, korrigierende Eingriffe notwendig.

Die beiden Fotos zeigen beschädigte Uferverbauungen. Im Bild oben wurden die Längs- hölzer freigelegt, währenddem unten die Betonmauer als Folge von Unterspülungen stark zerstört ist.

Uferzustand Die Zeichnung verdeutlicht die Problematik der Sohlenerosion in der Kander: Bei einer Eintiefung der Sohle um 1 m werden die Längshölzer freigelegt und sind der Verwitterung freigelegte beschädigte erodierte, ausgesetzt. Bereits sind auf grosser Länge solche Schäden an den Uferverbauungen zu Fundamente Ufersicherungen natürliche Ufer erkennen. Darstellung des Uferzustandes entlang der Kander (Stand 2004).4 Kander.2050 6

Ökologische Defizite

Beeinträchtigter Naturraum samt wurden bis Kandergrund 44 Quer- Als Folge der Korrektionen ist der ökomor- bauwerke gebaut. phologische Zustand der Kander auf gros- Anfang der Neunziger Jahre hat das ser Strecke stark beeinträchtigt (41%) oder Fischereiinspektorat beschlossen, mit dem künstlich (12%). Als Hauptdefizite sind das Projekt FiMKa die Laichwanderung der eingeengte Flussbett, die praktisch durch- Seeforelle vom Thunersee bis nach Kan- gehenden Uferverbauungen, zahlreiche dergrund wieder zu ermöglichen. Seit 1994 Querbauwerke sowie der ungenügende wurden zu diesem Zweck sieben Schwel- Gewässerraum zu nennen. Dadurch sind len in der Kander in fischgängige Block- viele wertvolle Lebensräume für Pflanzen rampen umgebaut und vier Schwellen mit und Tiere verloren gegangen und der kana- Einschnitten versehen. lisierte Fluss hat einen monotonen und sta- tischen Charakter erhalten.

Wertvolle Auenrelikte Die früher wild fliessende Kander wurde im Zusammenhang mit dem Bahnbau stark korrigiert. Heute erinnern im flachen Tal- boden noch insgesamt fünf an der Kander ausgeschiedene Auengebiete von nationa- ler Bedeutung an die früheren Zustände. Diese sind allerdings voneinander isoliert.

Eingeschränkte Fischwanderung Die Kander ist ein wichtiges Fischgewässer im Berner Oberland. Die in der Schweiz stark gefährdete Seeforelle steigt im Herbst aus dem Thunersee in die Kander ein, um an geeigneten Stellen zu laichen. Früher versperrten zahlreiche, unüberwindbare Schwellen mit Überfallhöhen von bis zu drei Metern den Weg in den Oberlauf. Insge-

12% 11% Natürlich/naturnah

Wenig beeinträchtigt

36% Stark beeinträchtigt 41%

Künstlich/naturfremd

Natürlichkeitsgrad der Kander (Kandergrund bis Thunersee).

Ökomorphologischer Zustand natürlich/naturnah Auengebiet wenig beeinträchtigt nationaler stark beeinträchtigt Bedeutung künstlich/naturfremd

Durchgängigkeit der Querbauwerke nicht durchgängige Schwelle zum Teil durchgängige Schwelle

Seeforelle Darstellung des ökomorphologischen Zustandes und der Durchgängigkeit der Querbauwerke entlang der Kander (Stand 2003).5 www.kanderwasser.ch 7

Intakte Verbesserungschancen

Potenzial Fischmigration Kander (FiMKa) wurden die Kanderschwel- Vieles wurde schon erreicht. Unüberwind- len untersucht und Optimierungen vorge- bare Schwellen wurden in Blockrampen schlagen. Die letzten für Fische unüber- umgebaut oder Schwellen wurden mit Ein- windbaren Sperren bestehen noch bei schnitten versehen. Diese Einschnitte sind Heustrich und Hondrich. zwar für ausgewachsene Seeforellen und zum Teil für Bachforellen überwindbar, Potenzial Renaturierung doch wird die Fischwanderung für andere Eine Studie (RePKa)6 zeigt das Renaturie- Arten und für jüngere Fische nach wie vor rungspotenzial an der Kander ohne Rück- eingeschränkt. Im Projekt Fischmigration sicht auf politische Meinungen und Eigen- tumsverhältnisse in einem Übersichtsplan auf. Auf grosser Länge wäre an der Kander grundsätzliche Platz vorhanden, um Rena- turierungen wie beispielsweise Flussauf- weitungen oder Ähnliches zu realisieren.

Revitalisierungspotenzial Revitalisierungsflächen (Aufweitungen) Punktuell bei Verbauungen

Durchgängigkeitspotenzial Sanierung als Blockrampe oder Umgehungsrinne: bisher nicht durchgängige Schwelle zum Teil durchgängige Schwelle

Auengebiet nationaler Bedeutung

Darstellung des Durchgängigkeits- und Revitalisierungs- Diese für viele Fische unüberwindbare Schwelle bei Kanderbrück wurde im Winter potenziales entlang der Kander.6 2000/01 in eine fischgängige Blockrampe umgebaut (FiMKa). Kander.2050 8

Lösungsansätze

Unterhalt wie bisher wirtschaftliche Überlegungen müssen in Die freigelegten Fundamente der alten die Hochwasserschutzplanung einfliessen. Ufersicherungen erfordern zunehmend In der Wegleitung des Bundesamtes für aufwändige Unterhaltsmassnahmen. Zu- Wasser und Geologie7 sind die Grund- sätzlich wird diese Problematik mit der sätze des modernen Hochwasserschutzes erwarteten Sohleneintiefung verschärft. In dargestellt: der erwähnten Geschiebehaushaltstudie1 • Die natürlichen Lebensgrundlagen schüt- wurden die Sohlenveränderungen bis 2030 zen und erhalten. für verschiedene Szenarien modelliert. • Den Schutz der Menschen vor Gefahren Nachfolgende Abbildung zeigt das Resul- gewährleisten. tat des Szenarios status quo, wonach • Wirtschaftliche Verhältnismässigkeit der generell die Erosionstendenz weiterhin geplanten Eingriffe. anhalten wird. Einige Kanderabschnitte, beispielsweise bei Hondrich und Reichen- Mehrere Bundesämter haben im Jahr 2004 bach, weisen gemäss den Berechnungen ein Leitbild8 entwickelt und darin Entwick- beträchtliche Eintiefungen auf. Diese Soh- lungsziele für den Gewässerraum (Raum- leneintiefung bedeutet eine Gefährdung bedarf), Wasserführung (Restwasser) und der vorhandenen Uferverbauungen. Wasserqualität definiert. Die in der Schweiz bereits auf diesen Prinzipien realisierten Das Festhalten am bisherigen Unterhalts- Projekte zeigen, dass dieser nachhaltige prinzip ist nicht nachhaltig, da ökologische Ansatz erfolgreich ist und auch von der Anliegen zu wenig berücksichtigt werden Bevölkerung – oftmals nach anfänglicher können. Aus ökonomischer Sicht sind auf- Skepsis – positiv bewertet wird. Vielver- grund der teuren Eingriffe für tiefere Funda- sprechend sind auch die Erfahrungen mit tionen gewisse Vorbehalte angebracht. den realisierten Gerinneaufweitungen wie zum Beispiel an der Emme und an der Nachhaltige Thur. Solche Aufweitungen stabilisieren die Wasserbauphilosophie Sohlenlage und verbessern die Struktur- Seit dem verheerenden Hochwasser von vielfalt der Sohle sowie des Übergangs von 1987 hat ein Umdenken im Wasserbau Wasser zum Land. Durch die Aufweitung stattgefunden. Der zeitgemässe Hochwas- werden die Transportkapazität und die serschutz orientiert sich am Grundsatz der Schleppkräfte verringert, was zu lokalen Nachhaltigkeit. Umweltanliegen und auch Geschiebeablagerungen führt.

Geschiebehaushalt Kander Szenarium 1 (status quo) Sohlenveränderungen

1.50

Suld

Kiene

Simme

1.00 Frutigen

Kieswerk

Engstlige

Augand

Steinigand

Thuner See

Zrydsbrügg

Reichenbach

Fassung BKW

Schwandi-Ey

0.50 Inner Kandergrund

Sohlenveränderung [m]

Ausser Kandergrund

Auflandung 0.00

Erosion -0.50

-1.00

-1.50

-2.00 Eichung (1970 bis 2000) Szenarium 1 (2000 bis 2030) Sperren/Rampen

-2.50 0.00 5.00 10.00 15.00 20.00 25.00 Distanz [km]

Die berechnete Entwicklung des Geschiebehaushaltes der Kander unter Beibehaltung des Status quo bis ins Jahr 2030.1 www.kanderwasser.ch 9

Flussaufweitungen im Augand und Schwandi-Ey – Wegweisend Spannungsfeld der Nachhaltigkeit für die Kander? In den Jahren 2004 und 2005 wurde im Augand unterhalb des Zusammenflusses von Kander und Simme das Wasserbau- und Renaturierungsprojekt zur Sohlensta- Gesellschaftliche Aspekte: Umweltaspekte: bilisierung und zur landschaftlichen Auf- Schutz der Bevölkerung Natur- und Umweltschutz wertung realisiert. Auf einer Länge von rund 1.3 km Länge wurde die eingeengte Kan- der auf durchschnittlich 60 m Breite aufge- weitet und sämtliche Uferbefestigungen Wirtschaftliche Aspekte: entfernt. Zur Sicherung oberliegender Bau- Ökologische und ökonomische Verhältnismässigkeit werke und des Prallhangs beim Chapf wur- den eine 135 m lange, aufgelöste Block- Die wesentlichen Aspekte einer nachhaltigen Wasserbauphilosophie. rampe sowie drei Buhnen aus Blöcken errichtet. Dank dieser grössten, bisher im Entstehung von auentypischen Lebensräu- Kanton Bern realisierten Flussaufweitung men mit einer vielfältigen Fauna und Flora ist eine neue Flusslandschaft entstanden. und die Förderung einer natürlichen Arten- Die Kander erhielt dadurch mehr Raum vielfalt ermöglicht hat. Auch die Menschen und Dynamik für die naturnahe Entwick- erfreuen sich am neuen Anblick und nutzen lung von Sohle und Ufer zurück, was die den neuen attraktiven Erholungsraum.

Nach der realisierten Aufweitung, hat sich im Augand ein dynamisches, verzweigtes Gerinne mit zahlreichen Kiesbänken und -inseln sowie mit abwechslungsreichen Fliess- und Strömungs- mustern gebildet. Kander.2050 10

Künftig steht der Kander in der Schwandy-Ey viel Raum zur Verfügung.

Auch in der Schwandi-Ey, unterhalb von bächen in Planung, teils wurden bereits Frutigen, hat sich viel verändert: Im Winter erste Sofortmassnahmen realisiert wie zum 2006 wurde innert wenigen Monaten als Beispiel die Sanierung und Erhöhung des Ersatzmassnahme für das BLS AlpTransit- rechtsufrigen Kanderdamms unterhalb der Vorhaben eine rund 400 m lange und bis zu Mündung Schlumpach. An den folgenden 120 m breiten Flussaufweitung realisiert. Orten sind Massnahmen zur Behebung der Die Rodungsfläche wird der natürlichen Unwetterschäden direkt an der Kander Sukzession überlassen und die Kander soll geplant: Kandersteg, Kandergrund, Kan- sich zwischen dem bestehenden und dem derbrück (Frutigen), Kien, Reichenbach, neuen Ufer, welches mit Baumbuhnen Mülenen, Heustrich, (KIESTAG) gesichert wurde, frei entwickeln können. und Einigen. Zudem sind zahlreiche Projek- te an den Seitenbächen in Planung (z. Bsp. Hochwasser August 2005 Schlumpach oder Chiene). Extremniederschläge im August 2005 führten im Kandertal zu reissenden Fluten, welche riesige Mengen an Geschiebe und Holz mit sich rissen und grosse Schäden an verschiedenen Orten anrichteten. Der Maximalabfluss wurde oberhalb der Mündung in den Thunersee auf ungefähr 550 m3/s geschätzt. Als Folge dieses Un- wetters sind mehrere Wasserbauprojekte entlang der Kander und an den Seiten-

Hochwasserbilder Kander, vom 22. August 2005 im Augand (links) und bei Reichenbach (rechts). www.kanderwasser.ch 11

Projekt Kander.2050

Die zahlreichen Hochwasser in den ver- gangenen Jahren brachten die Kander an die Grenzen der hydraulischen Kapazität und der mechanischen Stabilität. Auch werden die Anforderungen der aktuellen Wasserbau- und Umweltschutzgesetzge- bung nicht mehr erfüllt und die Bedürfnis- se der Bevölkerung nach flussnahen Erho- lungsgebieten sind stark gestiegen. Mit dem Projekt Kander.2050 sollen in einem Gewässerentwicklungskonzept die Leitplanken für künftige Wasserbauprojek- te an der Kander erarbeitet werden. Ziele sind dabei: • Ausreichender Hochwasserschutz nach den heutigen Normen und Kenntnissen. • Naturnahe Aufwertung des Flussraums und Beseitigung von ökologischen Defi- ziten. aktive Einbezug der Bevölkerung bereits in • Gestaltung eines gesellschaftlich und der Konzeptphase zu erwähnen. Mit den wirtschaftlich attraktiven Lebensraums. sogenannten Kandergesprächen werden zusammen mit der Bevölkerung Grund- Kander.2050 ist seit Ende 2006 operativ lagen für die spätere Erarbeitung eines tätig. Als Novum sind die angemessene Bürgerleitbilds zusammengestellt. Dieses Berücksichtigung der wirtschaftlichen und Bürgerleitbild soll in das Gewässerentwick- gesellschaftlichen Aspekte sowie der lungskonzept einfliessen.

Standpunkte

Grossrätin Andrea Zryd, «Moderner Hochwasserschutz gibt der Natur wieder mehr Raum. Am Beispiel Emme kann bestaunt werden, was Flussaufweitungen bewirken können: Wertvolle Lebensräume für Pflanzen und Tiere, attraktiver Erho- lungsraum für die Menschen und eine abwechslungsreiche Landschaft – ein Plus für den Tourismus. Jetzt muss der Schwung der vielen, guten Erfahrungen auch bei uns in der Region genutzt werden!»

Regierungsstatthalter Klaus Baur, Wimmis «Gesetzgebung und Wasserbauphilosophie haben sich geändert. Das Beispiel Emme 2050 hat uns gezeigt, dass gemeinsame Ziele bestimmt werden können und ein moderner Wasserbau den Geschiebehaushalt eines Flusses wieder ins Gleichgewicht bringen kann. Es reicht auf die Dauer nicht mehr, isolierte Lösungen innerhalb des Perimeters der einzel- nen Schwellenkorporationen oder Gemeinden zu suchen. Wir müssen uns an einen Tisch setzen und die gesamte Kander anschauen.»

Grossrat Hans Rösti, Kandersteg «Der Sohleneintiefung der Kander kann mit kleinräumigen Renaturie- rungen entgegengewirkt werden. Für die Schwellenkorporation und die Gemeinde dürfen aber nicht höhere Kosten als bei der herkömmlichen Verbauungsweise anfallen. Der Kulturlandverlust muss sich dabei in engen Grenzen halten.» Kander.2050

Literaturnachweis 5 Amt für Gewässerschutz und Abfallwirtschaft des Kt. 1 Amt für Landwirtschaft und Natur des Kt. Bern (2004): Bern (2003): Ökomorphologie der Fliessgewässer im GeHaK Geschiebehaushalt der Kander. Hunziker, Kanton Bern Zarn & Partner, Aarau 6 Fischereiinspekorat des Kt. Bern (2004): RePKa Revi- 2 Tiefbauamt des Kantons Bern (2006): Lokale talisierungspotential Kander. Kissling + Zbinden AG, lösungsorientierte Ereignisanalyse (LLE) Reichenbach, Technischer Bericht. Emch+Berger, Hunziker Zarn & 7 Bundesamt für Wasser und Geologie (2001): Partner, GEOTEST Hochwasserschutz an Fliessgewässern, Bern 3 Bundesamt für Wasser und Geologie (2003): Die 8 Bundesamt für Wasser und Geologie (2004): Geschichte des Hochwasserschutzes in der Schweiz Leitbild Fliessgewässer Schweiz – für eine nachhaltige von Daniel Vischer, Bern Gewässerpolitik, Bern 4 Berner Fachhochschule (2004): Erosion an der www.rivermanagement.ch Kander. Diplomarbeit Wasserbau, Burgdorf (Thematik Flussaufweitungen) Tiefbauamt des Kantons Bern

Amt für Landwirtschaft Herausgeber Layout und Natur Tiefbauamt des Kantons Bern, Oberingenieurkreis I TypoGrafik Berger, Thun Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern, des Kantons Bern Druck Fischereiinspektorat Jost Druck AG, Hünibach Redaktion Abbildungsnachweis Thomas Wagner, Sigmaplan AG, Bern Béatrice Gysin, Hinterkappelen Berner Fachhochschule, Burgdorf Konzept BLS AlpTransit AG Willy Müller, Fischereiinspektorat Bundesamt für Wasser und Geologie Hunziker, Zarn & Partner, Aarau Auskunft Kissling + Zbinden AG, Spiez Fischereiinspektorat, Tel. 031 633 46 48, Ramu Ingenieure AG, Frutigen [email protected] Schälchli, Abegg + Hunzinger, Bern Oberingenieurkreis I, Tel. 033 225 10 60, Sigmaplan AG, Bern [email protected] Willy Müller, Bern www.kanderwasser.ch © Bern, August 2005 (aktualisierte Neuauflage 2007)

Kanalisierte Kander mit zahlreichen Sperren zwischen Heustrich und Hondrich.