(Ausgegeben am 29. Juli 2014)

Niedersächsischer Landtag

Stenografischer Bericht

40. Sitzung

Hannover, den 22. Juli 2014

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Tagesordnungspunkt 4:

Mitteilungen des Präsidenten ...... 3657 Abschließende Beratung: Feststellung der Beschlussfähigkeit...... 3657 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Nie- dersächsischen Wohnraumfördergesetzes - Ge- Tagesordnungspunkt 2: setzentwurf der Landesregierung - Drs. 17/1394 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Sozia- Feststellung eines Sitzverlustes gemäß Artikel 11 les, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration - Abs. 2 Satz 2 der Niedersächsischen Verfassung Drs. 17/1735 - Schriftlicher Bericht - Drs. 17/1740 ...3663 i. V. m. § 8 Abs. 2 des Niedersächsischen Lan- Dr. Max Matthiesen (CDU) ...... 3663 deswahlgesetzes - Antrag des Präsidenten - Marco Brunotte (SPD)...... 3663 Drs. 17/1741 ...... 3659 Thomas Schremmer (GRÜNE) ...... 3664 Sylvia Bruns (FDP)...... 3665 Tagesordnungspunkt 3: Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Gesund- heit und Gleichstellung...... 3665 Abschließende Beratung: Beschluss ...... 3666 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des (Direkt überwiesen am 27.03.2014) Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetzes und der Niedersächsischen Bauordnung - Gesetzent- Tagesordnungspunkt 5: wurf der Landesregierung - Drs. 17/1259 - Be- schlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- Abschließende Beratung: und Verfassungsfragen - Drs. 17/1758 - Schriftlicher Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Nie- Bericht - Drs. 171786...... 3659 dersächsischen Meldegesetzes - Gesetzentwurf Volker Meyer (CDU)...... 3659 der Landesregierung - Drs. 17/1673 - Beschlussemp- Ulf Prange (SPD) ...... 3660 fehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Dr. Marco Genthe (FDP)...... 3661 Drs. 17/1760 - Schriftlicher Bericht - Drs. 17/1797 ...3666 (GRÜNE)...... 3662 Bernd Lynack (SPD) ...... 3666 Antje Niewisch-Lennartz, Justizministerin ...... 3662 Meta Janssen-Kucz (GRÜNE) ...... 3667 Beschluss ...... 3662 Rudolf Götz (CDU) ...... 3668 (Direkt überwiesen am 28.02.2014) Jan-Christoph Oetjen (FDP)...... 3668 Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport ..3668 Beschluss ...... 3668 (Direkt überwiesen am 26.06.2014)

I Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 40. Plenarsitzung am 22. Juli 2014

Tagesordnungspunkt 6: Belit Onay (GRÜNE) ...... 3679 Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport .. 3680 Abschließende Beratung: Ausschussüberweisung...... 3681 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung voll- streckungsrechtlicher Vorschriften - Gesetzent- Tagesordnungspunkt 10: wurf der Landesregierung - Drs. 17/1154 - Be- schlussempfehlung des Ausschusses für Inneres Abschließende Beratung: und Sport - Drs. 17/1737 - Schriftlicher Bericht - Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des Drs. 17/1796...... 3669 Transplantationsgesetzes endlich einführen - Bernd Lynack (SPD) ...... 3669 Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bünd- Rudolf Götz (CDU) ...... 3669 nis 90/Die Grünen - Drs. 17/1620 - Beschlussemp- Jan-Christoph Oetjen (FDP)...... 3670 fehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Fa- Belit Onay (GRÜNE)...... 3670 milie, Gesundheit und Migration - Drs. 17/1716 ...... 3681 Beschluss ...... 3670 Uwe Schwarz (SPD)...... 3681 (Direkt überwiesen am 23.01.2014) Petra Joumaah (CDU)...... 3682 Thomas Schremmer (GRÜNE)...... 3683 Tagesordnungspunkt 7: Sylvia Bruns (FDP) ...... 3683 Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Gesund- Abschließende Beratung: heit und Gleichstellung...... 3684 Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Profes- Beschluss...... 3684 sorenbesoldung - Gesetzentwurf der Landesregie- (Direkt überwiesen am 18.06.2014) rung - Drs. 17/1561 - Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Wissenschaft und Kultur - Drs. 17/1759 Tagesordnungspunkt 11: - Schriftlicher Bericht - Drs. 17/1785...... 3671 Horst Schiesgeries (CDU) ...... 3671 Erste Beratung: Dr. Silke Lesemann (SPD) ...... 3672 Gänsemonitoring und -management in Nieder- Christian Grascha (FDP) ...... 3672 sachsen - Antrag der Fraktion der SPD und der (GRÜNE)...... 3673 Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/1757 ...... 3684 Helge Limburg (GRÜNE) ...... 3673 Wiard Siebels (SPD) ...... 3684, 3686 Beschluss ...... 3674 Lutz Winkelmann (CDU)...... 3685 (Direkt überwiesen am 03.06.2014) Ernst-Ingolf Angermann (CDU) ...... 3686, 3690 Volker Bajus (GRÜNE)...... 3688, 3690 Tagesordnungspunkt 8: Helmut Dammann-Tamke (CDU) ...... 3689, 3693 Hermann Grupe (FDP)...... 3691 Abschließende Beratung: , Minister für Umwelt, Energie Entwurf eines Gesetzes zu dem Staatsvertrag und Klimaschutz...... 3692, 3693 zwischen dem Land Niedersachsen und der Ausschussüberweisung...... 3694 Freien Hansestadt Bremen über die Zusammen- legung der Kreissparkasse Wesermünde-Hadeln Tagesordnungspunkt 12: und der Sparkasse Bremerhaven - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 17/1706 - Beschlussemp- Abschließende Beratung: fehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen Kleine Betriebe nicht weiter belasten - keine Ge- - Drs. 17/1761 - Schriftlicher Bericht - Drs. 17/1795 bührenfinanzierung bei der Lebensmittelüberwa- ...... 3674 chung - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/1210 Beschluss ...... 3674 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernäh- (Direkt überwiesen am 03.07.2014) rung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Lan- desentwicklung - Drs. 17/1763 - Änderungsantrag Tagesordnungspunkt 9: der Fraktion der CDU - Drs. 17/1767...... 3694 Hermann Grupe (FDP)...... 3694 Erste Beratung: Frank Oesterhelweg (CDU) ...... 3696 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Nieder- Renate Geuter (SPD) ...... 3698 sächsischen Verfassung und zur Ausgestaltung (GRÜNE)...... 3700, 3701 des Konnexitätsprinzips im niedersächsischen Dr. Marco Genthe (FDP) ...... 3701 Landesrecht - Gesetzentwurf der Fraktion der CDU Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- - Drs. 17/1746...... 3675 wirtschaft und Verbraucherschutz...... 3702 Volker Meyer (CDU) ...... 3675 Beschluss...... 3703 Maximilian Schmidt (SPD)...... 3677 (Erste Beratung: 30. Sitzung am 27.02.2014) Jan-Christoph Oetjen (FDP)...... 3678

II Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 40. Plenarsitzung am 22. Juli 2014

Vom Präsidium:

Präsident Bernd B u s e m a n n (CDU) Vizepräsidentin Dr. Gabriele A n d r e t t a (SPD) Vizepräsident Klaus-Peter B a c h m a n n (SPD) Vizepräsident Karl-Heinz K l a r e (CDU) Schriftführer Markus Brinkmann (SPD) Schriftführerin Hillgriet E i l e r s (FDP) Schriftführer Stefan K l e i n (SPD) Schriftführerin Ingrid K l o p p (CDU) Schriftführerin Gabriela Kohlenberg (CDU) Schriftführer Klaus K r u m f u ß (CDU) Schriftführer Clemens L a m m e r s k i t t e n (CDU) Schriftführer Belit O n a y (GRÜNE) Schriftführerin Sigrid R a k o w (SPD) Schriftführerin Sabine T i p p e l t (SPD) Schriftführerin Elke T w e s t e n (GRÜNE)

Auf der Regierungsbank:

Ministerpräsident Staatssekretär Dr. Jörg M i e l k e , Stephan W e i l (SPD) Staatskanzlei

Minister für Inneres und Sport Staatssekretär Stephan M a n k e , Boris P i s t o r i u s (SPD) Ministerium für Inneres und Sport

Finanzminister Staatssekretär Frank Doods, Peter-Jürgen Schneider (SPD) Finanzministerium

Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Staatssekretär Jörg Röhmann, Cornelia Rundt (SPD) Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung

Kultusministerin Staatssekretär Peter B r ä t h , Frauke Heiligenstadt (SPD) Kultusministerium

Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Olaf L i e s (SPD)

Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Staatssekretär Horst S c h ö r s h u s e n , cherschutz Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Ver- Christian M e y e r (GRÜNE) braucherschutz

Justizministerin Staatssekretär Wolfgang S c h e i b e l , Antje Niewisch-Lennartz (GRÜNE) Justizministerium

Ministerin für Wissenschaft und Kultur Dr. Gabriele Heinen-Kljajić (GRÜNE)

Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Staatssekretärin Almut K o t t w i t z , Stefan W e n z e l (GRÜNE) Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz

III Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 40. Plenarsitzung am 22. Juli 2014

IV Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 40. Plenarsitzung am 22. Juli 2014

Beginn der Sitzung: 13.32 Uhr. im Ausschuss für Städtebau und Wohnungswesen und im Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Präsident Bernd Busemann: Hermann Bontjer wurde mit dem Verdienstkreuz Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegin- am Bande des Verdienstordens der Bundesrepu- nen und Kollegen! Ich begrüße Sie namens des blik Deutschland ausgezeichnet. Präsidiums und wünsche Ihnen gemeinsam mit den beiden Schriftführern einen guten Tag. Wir werden beide Kollegen in guter Erinnerung behalten und widmen ihnen ein stilles Gedenken. - (Zurufe: Guten Tag, Herr Präsident!) Ich danke Ihnen. - Man merkt, das ist etwas ungewohnt. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und (Björn Thümler [CDU]: Es ist zu spät!) Kollegen, ich denke - die Schriftführerin und der Schriftführer sehen das auch so -, das Plenum ist - Es liegt an der Tageszeit, natürlich. hervorragend besetzt, sodass wir bereits jetzt die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen kön- Meine Damen und Herren, ich eröffne die 40. Sit- nen. zung im 16. Tagungsabschnitt des Landtages der 17. Wahlperiode. Geburtstag hat heute der Abgeordnete Marcus Bosse. Ich übermittle Ihnen, Herr Bosse, im Na- men des ganzen Hauses herzliche Glückwünsche: Tagesordnungspunkt 1: Gesundheit und Wohlergehen für das vor Ihnen Mitteilungen des Präsidenten liegende neue Lebensjahr! Herzlichen Glück- wunsch!

Ich darf Sie zunächst darum bitten, dass Sie sich (Beifall) von den Plätzen erheben. Außerdem freue ich mich - wir alle freuen uns dar- Meine Damen und Herren, am 5. Juli 2014 ver- über -, dass unsere Kollegin Frau Hamburg nach starb nach kurzer schwerer Krankheit und für uns ihrer Genesung heute wieder hier im Plenarsaal ist alle erschütternd unser Kollege Norbert Böhlke im und wir sie begrüßen können. Wir heißen Sie ganz Alter von 59 Jahren. besonders willkommen! (Beifall) Er gehörte dem Niedersächsischen Landtag als Mitglied der CDU-Fraktion von 1990 bis 1994 und Meine Damen und Herren, die Einladung, die Ta- erneut seit 2003 an. Während dieser Zeit war er gesordnung und der Nachtrag zur Tagesordnung Mitglied im Ausschuss für öffentliches Dienstrecht, für diesen Tagungsabschnitt liegen Ihnen vor. Die im Ausschuss für Gleichberechtigung und Frauen- von den Fraktionen umverteilten Redezeiten sind fragen und im Ausschuss für Soziales, Frauen, aus der „Tagesordnung mit aktualisierten Redezei- Familie, Gesundheit und Migration. ten“ zu ersehen. - Ich stelle das Einverständnis des Hauses mit diesen geänderten Redezeiten fest. Insbesondere als Arbeitskreissprecher im Aus- Die heutige Sitzung soll demnach gegen 18.20 Uhr schuss für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit enden. und Migration hat Norbert Böhlke mit seinem Fachwissen, aber auch mit Souveränität und Hu- Ich habe Ihnen noch einige weitere Punkte mitzu- mor zu einem vertrauensvollen Arbeitsklima beige- teilen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das wird tragen und sich fraktionsübergreifend Sympathie etwas Zeit in Anspruch nehmen. und Respekt erworben. Unser besonderes Mitge- Wie auch Ihnen sicherlich aufgefallen ist, wirft der fühl gilt seiner Familie. jetzt unmittelbar bevorstehende Umbau des Ple- Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 15. Juli 2014 narsaaltraktes seine Schatten voraus. Ich bitte verstarb der ehemalige Abgeordnete Hermann daher um Verständnis dafür, dass die Kunstobjek- Bontjer im Alter von 75 Jahren. te und Gedenktafeln im Bereich des Plenarsaals im Hinblick auf den engen Zeitplan für den Umbau Hermann Bontjer gehörte dem Niedersächsischen bereits abgebaut wurden. Landtag als Mitglied der SPD-Fraktion von 1990 bis 2003 an. Während dieser Zeit war er Mitglied Morgen, also am Mittwoch, werden im Rahmen der im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und bevorstehenden Umbaumaßnahmen im Plenarsaal Forsten, im Ausschuss für öffentliches Dienstrecht, und in der Lobby akustische Messungen zur Er-

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mittlung der sogenannten Störschallpegel in die- stellung der Stiftung Kreisau für Europäische Ver- sen Bereichen durchgeführt. Dabei wird durch ständigung - Konzeption und Realisierung: Kreisau kontinuierliche Messung über den gesamten Vor- Initiative e. V., Zentrum KARTA Warschau - zu mittag der Unterschied zwischen den Schallquellen sehen. Die Veranstalter freuen sich über Ihr Inte- innerhalb und außerhalb des Plenarsaales ermit- resse. telt. Für die Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ Um diese Messung nicht zu beeinflussen, muss werden in den kommenden Tagen Schülerinnen leider der Bildschirm, der das Plenargeschehen und Schüler der IGS aus Delmenhorst mit einer überträgt und neben dem Verpflegungstresen Onlineredaktion live aus dem Landtag berichten. steht, in dieser Zeit ohne Ton betrieben werden. Die Patenschaft dafür hat der Abgeordnete Chris- Die Messergebnisse haben Einfluss auf die Pla- tian Dürr übernommen. nung der Glastrennwände zwischen dem neuen (Beifall) Plenarsaal und der späteren neuen Lobby sowie auf die Ausführung der dort notwendigen Türen. Sendungen, meine Damen und Herren, die das „Modellprojekt Landtagsfernsehen“ der Multi-Media Seien Sie aber beruhigt: Es geht nur um diesen Berufsbildende Schule erstellt, stehen im Internet Zweck. Amerikanische Freunde sind nicht dabei. auf der Homepage der Schule - www.mmbbs.de - Ihre Wortbeiträge werden durch die Messung nicht zum Abruf bereit und sollen auch über den Regio- aufgezeichnet. nalsender LeineHertz 106einhalb gesendet wer- (Heiterkeit) den. Am Donnerstag, meine Damen und Herren, haben (Unruhe) alle Mitglieder des Landtages in der Mittagspause Gelegenheit, sich den neuen Plenarsaal drüben im - Ich darf um Ruhe bitten. Forum anzusehen. Für Fragen und Erläuterungen Trotz der vielfältigen Aktivitäten und der bevorste- halten sich dort Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter henden Sommerpause möchte ich Sie schon heu- der Landtagsverwaltung bereit. Ich lade Sie bereits te auf die nächste Veranstaltung in der Reihe jetzt herzlich ein, von dieser Möglichkeit Gebrauch „PARLAMENTSLEBEN“ hinweisen: Am 16. Sep- zu machen. Sie können sich nicht nur den Plenar- tember 2014 um 16 Uhr wird eine Festveranstal- saal ansehen, sondern auch benachbarte Räume, tung unter dem Motto „200 Jahre Allgemeine um zu sehen, wie nach der Sommerpause die Ständeversammlung“ mit einem Vortrag von Herrn Abläufe aussehen werden. Professor Dr. Thomas Vogtherr, dem Vorsitzenden Für die Fotodokumentation des Umbaus wird der der Historischen Kommission für Niedersachsen beauftragte Fotograf am Freitag während der Ple- und Bremen e. V., in der Neustädter Hof- und narsitzung Aufnahmen machen. Zusätzlich werden Stadtkirche St. Johannis - also in unmittelbarer an drei Stellen Kameras aufgestellt sein, die in Nachbarschaft zum Leineschloss - stattfinden. Der kurzen Abständen ebenfalls Bilder machen. Landtag beteiligt sich damit an den Feierlichkeiten zum 300. Jubiläum der Personalunion zwischen Meine Damen und Herren, in der Tagesordnung Hannover und Großbritannien. Ich darf Sie vor für diesen Tagungsabschnitt ist nach Tagesord- diesem Hintergrund auch noch einmal auf die bis- nungspunkt 16 ein Hinweis auf eine Typisierungs- her äußerst erfolgreich verlaufende niedersächsi- aktion des Norddeutschen Knochenmark- und sche Landesausstellung „Als die Royals aus Han- Stammzellspender-Registers vermerkt. Die Typi- nover kamen“ aufmerksam machen und Ihnen sierungsaktion findet morgen - am Mittwoch - in einen Besuch sowie die Weitergabe in Ihrem Wir- der Mittagspause in der Wandelhalle - von mir aus kungsbereich ans Herz legen. gesehen hinten links - statt. Vorgesehen ist, dass den Typisierungsinteressenten nach einer kurzen Das war es insoweit. Erläuterung ein Typisierungsset ausgehändigt Meine Damen und Herren, die mir zugegangenen wird. Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr Herr Brink- Ergänzend weise ich auf folgende Ausstellungen mann, der Schriftführer, mit. hin: In der Portikushalle ist die von der Arbeitsge- meinschaft der Familienverbände in Niedersach- Schriftführer Markus Brinkmann: sen konzipierte Ausstellung „Familien-Bilder im Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegin- Wandel“ und in der unteren Wandelhalle die Aus- nen und Kollegen! Für die heutige Sitzung haben

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sich entschuldigt: von der Fraktion der CDU Frau Meine Damen und Herren, gemäß § 38 Abs. 2 in Angelika Jahns sowie Herr Klaus Krumfuß, von der Verbindung mit Absatz 5 Satz 2 des Landeswahl- Fraktion der SPD Frau Kathrin Wahlmann und von gesetzes hat die Landeswahlleiterin inzwischen der Fraktion der FDP Frau Almuth von Below- festgestellt, dass der frei gewordene Sitz auf Frau Neufeldt. Heidemarie Mundlos übergeht. Frau Mundlos hat ihre Bereitschaft erklärt, das Landtagsmandat als Präsident Bernd Busemann: Nachrückerin anzunehmen. Danke schön, Herr Brinkmann. - Meine Damen Liebe Frau Mundlos, ich begrüße Sie in unserer und Herren, bevor ich zu Tagesordnungspunkt 2 Mitte und wünsche Ihnen ein erfolgreiches Wirken überleite, teile ich mit, dass für den verstorbenen zum Wohl des Landes. Sie sind ja - mit einem Jahr Abgeordneten Norbert Böhlke Herr Uwe Schüne- Unterbrechung - schon seit 1994 Parlamentsmit- mann nachgerückt ist. Herr Schünemann, ich be- glied und jetzt sozusagen wieder daheim. Herzlich grüße Sie als zurückgekehrtes Mitglied dieses willkommen! Hauses und wünsche Ihnen ein erfolgreiches Wir- ken zum Wohle unseres Landes. Nach fast 20 Jah- (Beifall) ren Parlamentserfahrung wissen Sie, wie schön es Meine Damen und Herren, ich gehe jetzt über zum hier bei uns ist. Herzlich willkommen! (Beifall) Sodann, meine Damen und Herren, leite ich über Tagesordnungspunkt 3: zum Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Nie- dersächsischen Nachbarrechtsgesetzes und Tagesordnungspunkt 2: der Niedersächsischen Bauordnung - Gesetz- Feststellung eines Sitzverlustes gemäß Arti- entwurf der Landesregierung - Drs. 17/1259 - Be- kel 11 Abs. 2 Satz 2 der Niedersächsischen schlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- Verfassung i. V. m. § 8 Abs. 2 des Niedersäch- und Verfassungsfragen - Drs. 17/1758 - Schriftli- sischen Landeswahlgesetzes - Antrag des Prä- cher Bericht - Drs. 17/1786 sidenten - Drs. 17/1741

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzent- In der Drucksache 17/1741 liegt Ihnen der Antrag wurf mit Änderungen anzunehmen. vor, entsprechend den gesetzlichen Bestimmun- Eine mündliche Berichterstattung ist nicht vorge- gen den Mandatsverlust von Frau Aygül Özkan sehen. festzustellen. Über einen solchen Tagesordnungs- punkt wird traditionell ohne Besprechung abge- Wir treten in die Beratung ein. stimmt. - Ich sehe, dass wir auch heute so verfah- ren können - ich vernehme jedenfalls keinen Wi- Mir liegt eine erste Wortmeldung des Kollegen derspruch -, und lasse daher gleich abstimmen. Volker Meyer, CDU-Fraktion, vor. Herr Meyer, bitte sehr, Sie haben das Wort. Wer dem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegen- Volker Meyer (CDU): stimmen? - Enthaltungen? - Damit ist das einstim- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! mig so beschlossen. Die Abgeordnete Aygül Öz- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der uns kan ist damit aus dem Landtag ausgeschieden. hier zur Abstimmung vorliegende Gesetzentwurf Liebe Aygül Özkan, wir wünschen Ihnen für den enthält Regelungen zur Wärmedämmung, um ins- weiteren Lebensweg alles Gute und bedanken uns besondere einen Beitrag zur Verbesserung der insbesondere dafür, dass Sie hier über drei Jahre Klimabilanz und zur Steigerung der Energieeffi- als Sozialministerin zur Verfügung gestanden ha- zienz zu leisten. Dass dem Gebäudebereich bei ben und für das Land Niedersachsen erfolgreich der Reduktion des klimaschädlichen CO2-Aus- gewirkt haben. Danke schön und Ihnen persönlich stoßes eine besondere Bedeutung zukommt, dürf- alles erdenklich Gute! te für uns alle unstrittig sein, da in Gebäuden etwa (Beifall) 40 % des deutschen Energieverbrauchs und etwa 20 % der CO2-Emissionen entstehen.

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Weiterhin wurden im Landesrecht normierte Berei- Präsident Bernd Busemann: che der Wasserwirtschaft in Bundesrecht über- Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. - Es hat sich führt, welches eine Überarbeitung des Niedersäch- jetzt für die Fraktion der SPD der Herr Kollege sischen Wassergesetzes erforderlich machte. Dies Prange gemeldet. Bitte sehr, Sie haben das Wort. führte dazu, dass einige Vorschriften des Nieder- sächsischen Nachbarrechtsgesetzes an das neue Ulf Prange (SPD): Wasserrecht angepasst wurden. Da der Inhalt der Regelungen jedoch nicht geändert wurde, erübri- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns gen sich hierzu weitere Ausführungen. liegt ein Entwurf zur Änderung des Niedersächsi- schen Nachbarrechtsgesetzes zur Beschlussfas- Da zurzeit eine nachträgliche Dämmung mit der sung vor. Dazu ist ja schon einiges gesagt worden. Überbauung eines Nachbargrundstücks nicht mög- Es geht darum, eine Duldungspflicht für Grund- lich ist, ist die Schaffung einer Regelung zur nach- stückseigentümer und Nutzungsberechtigte einzu- träglichen Dämmung mit der Möglichkeit der Über- führen. Dort soll geregelt sein, dass ein Überbau bauung des Nachbargrundstücks erforderlich - und auf ihr Grundstück bis zu 25 cm durch eine nach- dies, wie auch hier im Gesetzentwurf vorgesehen, träglich auf eine Grenzwand aufgebrachte Wärme- soweit die Nutzung des Nachbargrundstücks nicht dämmung zu dulden ist. Eine entsprechende Re- oder nur geringfügig beeinträchtigt wird und eine gelung ist auch in § 4 Abs 4 der Niedersächsi- vergleichbare Wärmedämmung nicht auf andere schen Bauordnung vorgesehen, der entsprechend Weise zu erreichen ist. Dieser Eingriff in das Ei- geändert wird. gentumsrecht ist im Interesse des für die Allge- Bislang war es nur schwer möglich, Bestandsge- meinheit wichtigen Ziels des Klimaschutzes zu bäude energetisch zu ertüchtigen, wenn es um dulden und steht damit im verfassungsrechtlichen diese Fallkonstellation der Grenzwand ging. Eine Einklang der Eigentumsrechte und wird von uns sinnvolle energetische Sanierung war nicht mög- mitgetragen. lich, da Nachbarn diesbezüglich Abwehrrechte hatten. Bei anderen Verfahren, wie beispielsweise Wie bereits im Ausschuss für Rechts- und Verfas- der Herstellung einer Innendämmung, sind nicht sungsfragen ausgeführt, hätten wir uns die Beteili- die vergleichbaren Dämmwirkungen zu erzielen gung des Fachausschusses gewünscht, um noch wie bei einer Außendämmung. Die zur Beschluss- einmal über die in einigen Stellungnahmen ange- fassung anstehende Gesetzesänderung schließt regten Änderungen der Niedersächsischen Bau- daher eine Regelungslücke. Dies wird von uns ordnung zu diskutieren. Dies führte zu unserer begrüßt und unterstützt. Enthaltung bei der hier vorgeschlagenen Geset- zesänderung im Ausschuss. Da die Regierungs- Es hat eine schriftliche Anhörung stattgefunden, an fraktionen diesen Dialog im Fachausschuss jedoch der mehrere Verbände beteiligt worden sind. Sie nicht wollten, haben wir den Dialog mit unseren haben dem Gesetzentwurf überwiegend vorbehalt- Fachausschussmitgliedern geführt und sind zu los zugestimmt. Dieses Petitum hat der Ausschuss dem Ergebnis gekommen, dass es durchaus sinn- mehrheitlich übernommen. voll gewesen wäre, in diesem Zusammenhang Die wasserrechtliche Komponente will ich nicht noch einmal über Änderungen der Niedersächsi- länger thematisieren. Insofern hat es Streichungen schen Bauordnung zu diskutieren. gegeben, weil es kompetenzrechtliche Probleme gab. Die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers (Beifall bei der CDU und bei der FDP) stand hier im Zweifel.

Dies jedoch ist - wie ich eben schon sagte - von Es gibt einen hohen praktischen Bedarf für die den Regierungsfraktionen zurzeit nicht gewünscht. neue Regelung. Das haben die Stellungnahmen Da die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen gezeigt. Sie ist ein Beitrag zur Senkung des Ener- jedoch unstrittig sind, werden wir dem Gesetzent- gieverbrauchs und zum Klimaschutz. Gerade bei wurf heute zustimmen. den Heizkosten ergibt sich ein hohes Einspa- rungspotenzial. Aber es profitiert nicht nur die Um- Vielen Dank. welt, sondern es profitieren auch Mieter und Eigen- tümer dadurch, dass sie bei den Nebenkosten, der sogenannten zweite Miete, entlastet werden. Letzt- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) lich profitiert auch die Bauwirtschaft, weil sie hier-

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durch zusätzliche Aufträge bekommt, sodass es (Beifall bei der SPD und bei den auch ein Stück Wirtschaftsförderung ist. GRÜNEN) Herr Meyer, zu Ihrem Einwand, dass wir den Sozi- alausschuss nicht beteiligen wollten, will ich kurz Präsident Bernd Busemann: Stellung nehmen. Wir haben uns im Rechtsaus- Vielen Dank, Herr Kollege Prange. - Für die Frakti- schuss in dreifacher Beratung mit diesem Thema on der FDP folgt sodann Kollege Dr. Marco befasst. In der ersten Beratung haben wir festge- Genthe. Sie haben das Wort. Bitte sehr! legt, dass wir eine Anhörung durchführen, in der zweiten Beratung haben wir festgelegt, wer ange- hört wird, und zu keinem Zeitpunkt kam der Dr. Marco Genthe (FDP): Wunsch seitens der CDU, noch mitberatend den Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Sozialausschuss zu beteiligen. Dieser Wunsch Herren! Durch das Gesetz soll neben einigen Ne- wurde erst in der abschließenden Beratung geäu- benaspekten die Möglichkeit geschaffen werden, ßert. Daraufhin haben wir gesagt, zu diesem Zeit- dass Bürgerinnen und Bürger ihre Gebäude däm- punkt wollten wir das nicht mehr tun, auch vor dem men können, auch wenn die zu dämmende Wand Hintergrund, dass jetzt die Ferien anstehen. Ich direkt auf der Grundstücksgrenze steht. Die hatte gesagt: Es ist eine Vorschrift, die einen ho- Dämmmaßnahmen sind hinsichtlich des Energie- hen praktischen Bedarf hat. Es wird gefordert, verbrauchs und des Klimaschutzes grundsätzlich dass wir diese Regelung umsetzen. Deshalb woll- positiv zu bewerten. Entsprechend wurden auch in ten wir zusätzliche zeitliche Verzögerungen nicht der Ausschussberatung bzw. in der Anhörung kei- mehr hinnehmen. Im Übrigen ist, so denke ich, ne grundsätzlichen Bedenken vorgetragen. durch die Beratung im Rechtsausschuss sicherge- stellt, dass wir zu einem vernünftigen Ergebnis Allerdings ist auch immer der Grundstücksnachbar kommen. Zudem war das Sozialministerium als von einer derartigen Maßnahme betroffen, insbe- Bauministerium an der Ausarbeitung des Gesetz- sondere dann, wenn die Dämmung in sein Grund- entwurfs beteiligt, sodass diese Belange entspre- stück hineinreicht. § 21 a Abs. 1 des Gesetzes chend berücksichtigt sind. lässt das nun bis 25 cm zu. Wir greifen hier - las- In der Beratung wurde teilweise noch vorgeschla- sen Sie mich das an dieser Stelle ganz deutlich gen, den Überbau auf 30 cm zu vergrößern. Dafür sagen - in die Eigentumsrechte der Bürgerinnen haben wir keinen Anlass gesehen, weil es die Vor- und Bürger ein, und jeder Rechtsanwalt weiß - es schrift, dass 25 cm nicht überschritten werden gibt ja auch genügend Kolleginnen und Kollegen dürfen, in anderen Bundesländern, beispielsweise hier im Plenarsaal -, wie viel Druck gerade bei in Nordrhein-Westfalen, bereits gibt. Nachbarschaftsstreitigkeiten entstehen kann. Ich kann daher die CDU-Fraktion sehr gut verstehen, Letztlich gab es noch einen Punkt, den der GBD dass sie noch eine Diskussion im Sozialausschuss kritisch gesehen hat: die Anwendung von § 8 gewünscht hat. Das hätte möglicherweise auch Abs. 2 und 3 des Niedersächsischen Nachbar- dazu geführt, dass das Gesetzeswerk in der Öf- rechtsgesetzes, die hier durch eine Analogie ein- fentlichkeit eine breitere Akzeptanz erfährt. gebunden werden sollten. Wir haben uns dafür ausgesprochen, den Bedenken des GBD nicht zu Am Ende erscheint mir die Regelung allerdings folgen, weil dies eine Vorschrift ist, die seit den auch in der Abwägung der einzelnen Interessen 60er-Jahren besteht und Anwendungsprobleme als verhältnismäßig. Daher wird die FDP-Fraktion laut den Ausführungen des Vertreters des Ministe- dem Gesetzeswerk zustimmen. riums im Ausschuss nicht aufgetreten sind. Im Übrigen spricht die Gesetzessystematik dafür, Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. diese Regelung beizubehalten. Letztlich enthält das Nachbarrecht Vorschriften, die konkret an den (Beifall bei der FDP und Zustimmung Bürger adressiert sind. Man kann von einem Bür- von Mechthild Ross-Luttmann [CDU]) gergesetz sprechen. Daher brauchen wir klare, verständliche Regelungen, und das ist in dem vor- Präsident Bernd Busemann: liegenden Entwurf berücksichtigt. Vielen Dank, Herr Dr. Genthe. - Sodann für die Wir werden zustimmen. Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kollege Helge Vielen Dank. Limburg, bitte sehr!

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Helge Limburg (GRÜNE): die energetische Sanierung von Gebäuden. Dabei Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und geht es nicht nur um finanzielle Förderung, dabei Herren! Es ist bereits von meinen Vorrednern geht es nicht nur um das öffentliche Baurecht, mehrfach gesagt worden: Die Änderung des Nie- sondern dann, wenn es um den Ausgleich von dersächsischen Nachbarrechtsgesetzes wird die privaten Interessen geht, ist auch das Zivilrecht Isolierung, die Dämmung von Gebäuden in Nie- gefordert. Das Nachbarrecht wird hier einen not- dersachsen vereinfachen und damit einen wichti- wendigen Beitrag leisten. gen Beitrag zum Klimaschutz in Niedersachsen Die Außendämmung von Wänden kann dann zu leisten. Problemen führen, wenn die Wand unmittelbar auf Ähnliche Gesetzesänderungen hat es bereits in der Grenze steht und die Isolierung einen Überbau mehreren Ländern gegeben. Ich freue mich sehr über das Nachbargrundstück bedeutet. Das Nach- darüber, dass Niedersachsen jetzt unter der Feder- barrecht wird die entsprechende zivilrechtliche führung unserer Justizministerin Niewisch-Lennartz Lücke füllen. Die neue Vorschrift stellt klar, dass ebenfalls diesen Weg beschreitet. der Nachbar einen solchen Überbau von maximal 25 cm auf seinem Grundstück zu dulden hat, wenn (Beifall bei den GRÜNEN) dies der Wärmedämmung dient und das Grund- Meine Damen und Herren, dieser - zugegebener- stück nicht oder nicht wesentlich beeinträchtigt maßen - kleine Gesetzentwurf zeigt, dass Klima- wird. Der Sanierungswillige muss das Vorhaben schutz uns alle angeht und dass Klimaschutz auch seinem Nachbarn vorher mitteilen, und der Nach- alle Politikbereiche betrifft. Klimaschutz ist eben bar hat die Möglichkeit, der Außendämmung zu manchmal auch ein Thema der Rechtspolitik. Ge- widersprechen, wenn der Anbau aus seiner Sicht rade an einem Tag wie heute, an dem die dem Gesetz nicht entspricht. schwarz-rote Bundesregierung in Berlin einräumen Ich denke, dass der Regelungsvorschlag die Inte- muss, dass sie ihre eigenen Klimaschutzziele vor- ressen der Nachbarn und unser aller Interesse an aussichtlich nicht erreichen wird, dass sie nicht in einem Fortschritt beim Klimaschutz zu einem guten der Lage sein wird, den CO2-Ausstoß in Deutsch- Ausgleich bringt. land angemessen zu reduzieren, ist es wichtig, dass die Länder deutliche Signale setzen, dass Ich bitte um Zustimmung. Niedersachsen einen eigenen deutlichen Beitrag Vielen Dank. zum Klimaschutz leistet. Dieses Gesetz kann ein Baustein dafür sein. Weitere werden und müssen (Beifall bei den GRÜNEN und bei der in den kommenden Jahren folgen. SPD)

Vielen Dank. Präsident Bernd Busemann: (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Vielen Dank, Frau Ministerin. - Meine Damen und SPD) Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir in die Abstimmungen eintreten Präsident Bernd Busemann: können. Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Schließlich Ich rufe auf: hat sich die Landesregierung gemeldet. Frau Mi- nisterin Niewisch-Lennartz, ich erteile Ihnen das Artikel 1. - Dazu liegt eine Änderungsempfehlung Wort. Bitte sehr! des Ausschusses vor. Wer dafür ist, der hebe die Hand. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit (Unruhe) ist das einstimmig so beschlossen. - Ich darf um Ruhe bitten, liebe Kolleginnen und Artikel 2. - Unverändert. Kollegen! Wir sind erst am Anfang einer dreiein- halbtägigen Plenarwoche! - Bitte sehr! Artikel 3. - Unverändert. Gesetzesüberschrift. - Ebenfalls unverändert. Antje Niewisch-Lennartz, Justizministerin: Ich rufe jetzt zur Schlussabstimmung auf. Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abge- ordneten! Die Niedersächsische Landesregierung Wer für das Gesetz mit der beschlossenen Ände- verfolgt das Ziel, den Klimaschutz bestmöglich zu rungsempfehlung zu Artikel 1 ist, der stehe bitte fördern. Dazu gehört natürlich auch und vor allem auf. - Sicherheitshalber die Gegenprobe! - Enthal-

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tungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig ange- Die CDU-Fraktion stimmt dem Gesetz zu. nommen. (Beifall bei der CDU) Meine Damen und Herren, ich gehe über zum Präsident Bernd Busemann: Danke schön, Herr Kollege Matthiesen. - Sodann Tagesordnungspunkt 4: liegt eine Wortmeldung für die SPD-Fraktion vor. Abschließende Beratung: Herr Kollege Brunotte, ich erteile Ihnen hiermit das Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Nie- Wort. dersächsischen Wohnraumfördergesetzes - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 17/1394 Marco Brunotte (SPD): - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Sozi- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und ales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration - Herren! Heute ist ein guter Tag für den sozialen Drs. 17/1735 - Schriftlicher Bericht - Drs. 17/1740 Wohnungsbau in Niedersachsen und für bezahlba- res Wohnen. Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzent- (Beifall bei der SPD und bei den wurf mit Änderungen anzunehmen. GRÜNEN) Eine mündliche Berichterstattung ist nicht vorge- Dass die Zahl der Belegrechte allein in Nieder- sehen. sachsen von 2002 bis 2012 um 30 000 auf mittler- weile nur noch 85 000 gesunken ist, zeigt den Wir treten in die Beratung ein. Handlungsbedarf, den wir mit der Änderung des Mir liegt eine erste Wortmeldung vor: von dem Wohnraumfördergesetzes in Teilen abbilden. Kollegen Dr. Max Matthiesen von der Fraktion der Lassen Sie mich zu Beginn eine Aussage grund- CDU. Bitte sehr! Sie haben das Wort. sätzlicher Art zum Wohnraumförderfonds und zu Dr. Max Matthiesen (CDU): den Aussagen des Kollegen Matthiesen treffen: Wenn man den Fonds plündert und sozusagen auf Herr Präsident! Meine liebe Kolleginnen und Kolle- null führt, kann man ihn danach natürlich wieder- gen! Wir novellieren heute den Wohnraumförder- einführen, wenn man den historischen Irrtum des fonds, den die frühere CDU-geführte Landesregie- eigenen Handelns an dieser Stelle korrigieren will. rung im Jahr 2009 eingeführt hat. Dieses inzwi- Ich finde es gut, dass Sie das bekennen und ein- schen bewährte Instrument der Wohnraumförde- gestehen, dass das nicht der richtige Weg war. rung wird an neue Anforderungen angepasst. Ich hebe besonders die Ausweitung des Spielraums (Reinhold Hilbers [CDU]: Wir haben um EU-Mittel zur Förderung der energetischen nichts geplündert!) Gebäudesanierung hervor. - Herr Hilbers, ich glaube, das haben wir ausrei- Es ist sehr erfreulich, dass die investiven Kompen- chend diskutiert. Nicht noch einmal! Da verlieren sationsmittel des Bundes für die Jahre 2014 bis Sie nur. 2019 wie bisher im vollen Umfang für die soziale (Reinhold Hilbers [CDU]: Das konnten Wohnraumförderung eingesetzt werden. Auf Initia- Sie uns nicht nachweisen! - Lachen tive der CDU-Fraktion haben die Regierungsfrakti- bei den GRÜNEN) onen den zunächst für den Finanzminister in den Gesetzentwurf geschriebenen Haushaltsvorbehalt Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ge- gestrichen. Das ist gut für den sozialen Woh- setzesänderung spricht drei aus unserer Sicht nungsbau. relevante Bereiche der Wohnraumförderung an. Hinzuweisen ist aber auf die neu geschaffene Der erste Punkt ist eine klare Bindung der Kom- Möglichkeit, NBank-Kredite in den Fonds einzu- pensationsmittel des Bundes für die Wohnraum- speisen und an Investoren auszureichen. Die CDU förderung. Hier danken wir ganz besonders dem fordert stattdessen, zusätzliche eigene Mittel des Finanzminister, der dafür gesorgt hat, dass diese Landes einzusetzen. Das entspricht dem Berliner Mittel bis zum Jahr 2019 weiter fließen. Koalitionsvertrag, der die Wiederbelebung des so- (Beifall bei der SPD und bei den zialen Wohnungsbaus durch die zuständigen Län- GRÜNEN) der mit eigenen Landesmitteln fordert.

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Klar ist: Das, was der Bund für die soziale Wohn- Präsident Bernd Busemann: raumförderung an die Länder gibt, muss bei den Vielen Dank, Herr Kollege Brunotte. - Meine Da- Ländern für die soziale Wohnraumförderung ge- men und Herren, jetzt folgt für die Fraktion Bünd- nutzt werden. nis 90/Die Grünen der Kollege Thomas Schrem- (Jörg Hillmer [CDU]: Gilt das auch für mer. Bitte sehr! BAföG-Mittel?) Dies vollziehen wir mit dem Gesetzentwurf heute Thomas Schremmer (GRÜNE): nach. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der zweite Punkt sind die EFRE-Mittel, die wir dem Lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen: Es Fonds zuführen. Wir freuen uns, dass die Landes- fällt mir schon schwer, hier zu stehen und nicht regierung dazu beiträgt, dass wir über das Pro- mehr in das schmunzelnde Gesicht von Norbert gramm „Energetische Sanierung sozial benachtei- Böhlke zu gucken. Ich habe ihn in diesem einen ligter Stadtquartiere“ 32 Millionen Euro aus EFRE- Jahr sehr ins Herz geschlossen und weiß jetzt Mitteln, die auf insgesamt 65 Millionen Euro auf- schon genau, dass ich ihn vermissen werde. Aber wachsen, für den Bereich Wohnraumförderung ich will daran glauben, was der Superintendent des nutzen können. Wir glauben, dass das ein sehr Kirchenkreises Hittfeld bei der Trauerfeier gesagt sinnvoller Schritt ist. hat: Lieber Norbert, du wirst wahrscheinlich auch oben Politik machen, möglicherweise auch im So- Der dritte Punkt ist das studentische Wohnen. Die zialausschuss - oder du guckst uns zu und bist rot-grüne Mehrheit in diesem Haus hat dafür ge- froh, wenn wir hin und wieder im Sozialausschuss sorgt, dass in diesem Jahr 1,5 Millionen Euro für eine einvernehmliche Entscheidung hinkriegen. dringend benötigte soziale Infrastruktur im Bereich Wohnen an die Studentenwerke gehen können. (Beifall) Auch diese Mittel werden nach dem Gesetzentwurf über den Fonds abgewickelt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zukunftsauf- gabe „Bezahlbarer Wohnraum“ ist - das ist schon Meine sehr geehrten Damen und Herren, Wohn- gesagt worden - eine der wichtigeren Aufgaben raumförderung braucht verlässliche Rahmenbe- der nahen und der fernen Zukunft. Die NBank hat dingungen. Diese schaffen wir mit dem Wohn- für die Zeit bis 2030 einen Neubaubedarf von raumfördergesetz, mit der Neuausrichtung der 180 000 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern Wohnraumförderung durch die Landesregierung prognostiziert. Wenn man das im Auge hat, dann und mit der Umsetzung der Ergebnisse der Kon- weiß man ungefähr, was das für eine Aufgabe ist. zertierten Aktion Bauen und Wohnen. Vor Kurzem hat der Sozialausschuss mit dem Ver- Wir glauben, dass es richtig ist, die Mittel auf das band der Wohnungswirtschaft eine Bereisung in Thema „Bezahlbares Wohnen“ zu fokussieren. der Region Hannover durchgeführt. Auch dabei Diese richtige Entscheidung, die wir getroffen ha- wurde klar, wie hoch insbesondere in Ballungs- ben, trägt im Kontext mit weiteren Maßnahmen räumen der Bedarf an bezahlbarem und gutem dazu bei, dass das Thema nachhaltig angegangen Wohnraum ist. Insofern ist es richtig, dass wir uns werden kann. Hierzu möchte ich die erhöhten Mit- heute einvernehmlich für eine Zweckbindung die- tel für die Städtebauförderung, die Mietpreisbrem- ser Mittel entscheiden. se - die Kanzlerin kann sich sicher sein, dass sie uns an ihrer Seite hat; bei der CDU weiß man das Eine weitere wichtige Zukunftsaufgabe ist die an dieser Stelle ja nicht immer - und natürlich eine energetische Gebäudesanierung. Da muss ich Reform des Mietrechtes aufzählen. meinem Kollegen Helge Limburg ausdrücklich recht geben. Die Bundesregierung hat sich von Wir vollziehen mit der erforderlichen Änderung das ihren Klimazielen - minus 20 % Wärmebedarf im Grundrecht auf Wohnen und bezahlbaren Wohn- Gebäudebereich bis 2020, minus 80 % Primär- raum mit einer Aktionsebene für das Land. Des- energiebedarf im Gebäudebereich bis 2050 - ver- wegen können wir diesem Gesetz aus vollem Her- abschiedet. Insofern müssen die Anstrengungen zen und aus Überzeugung zustimmen. im Bereich der Wohnungsbauförderung erhöht Vielen Dank. werden. Wir im Sozialausschuss werden das bei jeder sich bietenden Gelegenheit machen. Ich (Beifall bei der SPD und bei den fordere aber auch ausdrücklich den Bund auf, an GRÜNEN) dieser Stelle nicht nachzulassen, sondern nachzu-

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arbeiten, und ich hoffe, dass wir insoweit die Kli- (Beifall bei der FDP, bei der SPD und maschutzziele erreichen werden. bei den GRÜNEN) Vielen Dank. Präsident Bernd Busemann: (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN Vielen Dank, Frau Kollegin Bruns. - Für die Lan- und bei der SPD) desregierung hat sich Frau Ministerin Rundt ge- meldet. Bitte sehr! Ich erteile Ihnen das Wort. Präsident Bernd Busemann: Vielen Dank, Herr Kollege Schremmer. - Es folgt Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Gesund- jetzt für die Fraktion der FDP die Kollegin Sylvia heit und Gleichstellung: Bruns. Bitte sehr! Ich erteile Ihnen das Wort. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf Sylvia Bruns (FDP): wird nun ein wesentlicher Baustein der Koalitions- vereinbarung umgesetzt. Dabei geht es um die Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen Finanzierung der Wohnraumförderung in Nieder- und Herren! Vorab wollte ich eine ähnliche Bemer- sachsen. kung machen wie Thomas Schremmer. Er hat aber schon alles gesagt. Ich danke Ihnen dafür noch Mit dem Gesetzentwurf werden die Kompensati- einmal. onszahlungen, die der Bund bis 2019 an die Län- der zahlt, auch weiterhin in Höhe von jährlich (Beifall) 40 Millionen Euro im Wohnraumförderfonds für die Mit der Änderung des Niedersächsischen Wohn- Wohnraumförderung eingesetzt werden können. raumfördergesetzes wird dem Wunsch entspro- Darüber hinaus werden im Wohnraumförderfonds chen, die Bearbeitung für die Kommunen zu ver- künftig auch EFRE-Mittel aus der Strukturfondsför- einfachen und das Gesetz den aktuellen Gege- derperiode 2014 bis 2020 vereinnahmt und bewirt- benheiten anzupassen. schaftet. Aus der Sicht der FDP müssen alle Gesetze immer Die EFRE-Mittel in Höhe von 32,25 Millionen Euro wieder auf den Prüfstand gestellt werden, um zu werden im Wohnraumförderfonds gegenfinanziert gucken, ob sie der aktuellen Lage gerecht werden. und in einem EFRE-Programm zur energetischen Notwendig geworden ist auch eine praktikable Wohngebäudesanierung in sozial benachteiligten Anpassung an die Wirklichkeit. Bisher war es z. B. Quartieren eingesetzt. Durch die Förderung sollen so, dass eine unter 60-jährige schwerbehinderte die Mieten auch nach der Sanierung bezahlbar Person eine Seniorenwohnung, die vor 2007 ge- bleiben. In solchen Quartieren finden sich kaum fördert worden ist, nur beziehen konnte, wenn Investoren; die hohen Renditeerwartungen können diese von der Belegungsbindung freigestellt wur- nicht erfüllt werden. Der Gesetzentwurf legt inso- de. Diesen Antrag musste die schwerbehinderte fern einen bewussten Schwerpunkt auf die Förde- Person selbst stellen. Ich finde, dass dies der ak- rung bezahlbaren Wohnraums. tuellen Lage nicht gerecht wird und auf jeden Fall Zudem werden mit dem Gesetzentwurf die Vor- geändert werden muss. So findet es sich auch in aussetzungen geschaffen, um Landesmittel für die dem Gesetzentwurf wieder. Schaffung von Wohnraum für Studierende an Ebenso richtig ist die Gleichbehandlung von Hochschulstandorten im Wohnraumförderfonds zu Wohnraum, der vor und nach 2007 gefördert wor- bewirtschaften. den ist. Letztlich sind Regelungen zur Refinanzierung von Fördermitteln aufgenommen worden. Damit be- Im Rahmen der Inklusion mussten und müssen steht die Möglichkeit, bei größerem Förderbedarf auch noch andere Regelungen angepasst werden, das Mittelvolumen durch den Einsatz von Fremd- auch im Hinblick auf den Wohnraumnotstand, den mitteln im Wohnraumförderfonds kurzfristig aufzu- wir vor allen Dingen in den Großstädten haben stocken. werden. Darüber bestand fraktionsübergreifend Einigkeit. Zurzeit werden die Fördermittel für den Mietwoh- nungsbau stark nachgefragt. Das ist gut so. Denn Auch die FDP-Fraktion wird dem Gesetzentwurf wir alle wissen, dass gerade in den städtischen selbstverständlich zustimmen. Ballungsgebieten bezahlbarer Wohnraum für

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Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen Enthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf ein- sehr knapp geworden ist. Von der Wohnungs- stimmig so beschlossen. knappheit sind insbesondere Haushalte mit Kin- Meine Damen und Herren, ich rufe auf den dern, Menschen mit Behinderungen sowie ältere und pflegebedürftige Menschen betroffen. Im Wohnraumförderprogramm des Landes haben wir Tagesordnungspunkt 5: daher Schwerpunkte auf die Förderung von alters- Abschließende Beratung: gerechtem und barrierefreiem Wohnen sowie auf Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Nie- gemeinschaftliche, auch generationenübergreifen- dersächsischen Meldegesetzes - Gesetzentwurf de Wohnformen für ältere Menschen und Men- der Landesregierung - Drs. 17/1673 - Beschluss- schen mit Behinderungen gelegt. empfehlung des Ausschusses für Inneres und Mit der Gesetzesnovelle werden wir in den nächs- Sport - Drs. 17/1760 - Schriftlicher Bericht - ten Jahren Planungssicherheit schaffen. Ich freue Drs. 17/1797 mich, dass der Gesetzentwurf im Ausschuss die Zustimmung aller Fraktionen gefunden hat. Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzent- (Beifall bei der SPD und bei den wurf mit Änderungen anzunehmen. GRÜNEN) Eine mündliche Berichterstattung ist nicht vorge- Präsident Bernd Busemann: sehen. Vielen Dank, Frau Ministerin Rundt. - Meine Da- Wir treten in die Beratung ein. men und Herren, weitere Wortmeldungen liegen zu Mir liegt eine erste Wortmeldung des Kollegen diesem Tagesordnungspunkt 4 nicht vor, sodass Bernd Lynack, SPD-Fraktion, vor. Herr Kollege wir in die Abstimmungen eintreten können. Lynack, Sie haben das Wort. (Unruhe) (Einige Abgeordnete verlassen den - Ich darf noch einmal um Ruhe bitten, damit wir Plenarsaal - Unruhe) den Überblick haben. - Ich darf alle bitten, Platz zu nehmen und Ruhe zu bewahren. Ich rufe auf: Bitte sehr! Artikel 1. - Hierzu gibt es eine Änderungsempfeh- lung des Ausschusses. Wer für diese Änderungs- Bernd Lynack (SPD): empfehlung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! Wer ist dagegen? - Enthaltun- Danke schön. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen gen? - Der Änderungsempfehlung wurde einstim- und Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und mig gefolgt. Besucher! Weil wir in dieser Woche zum letzten Mal in diesem, wie ich meine, geschichtsträchtigen Artikel 2. - Unverändert. Saal tagen, halte ich es eigentlich geradezu für unsere Pflicht, unsere berühmte niedersächsische Artikel 3. - Unverändert. Plenarstreitkultur noch einmal ordentlich zu pfle- Gesetzesüberschrift. - Unverändert. gen. Wir kommen zur Schlussabstimmung. Alle, die jetzt auf Zwischenrufe und Tischgetrom- mel hoffen, muss ich jedoch, zumindest was die- Wer für dieses Gesetz in der Variante der Ände- sen Tagesordnungspunkt betrifft, leider enttäu- rungsempfehlung, die zu Artikel 1 beschlossen schen. wurde, ist, den bitte ich aufzustehen. - Ist jemand dagegen? Bei diesem Gesetz war nicht mehr viel Luft nach oben, was die konstruktive Zusammenarbeit in den (Uwe Schünemann [CDU] steht neben sei- Ausschüssen angeht. Auch wenn es nur um die nem Platz) Umsetzung eines Bundesgesetzes geht, so haben - Herr Kollege Schünemann, sind Sie dagegen? die Ausschussberatungen doch gezeigt, dass wir alle hin und wieder ganz gut an einem Strang zie- (Heiterkeit - Uwe Schünemann [CDU]: hen können. Nein!)

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Unser Ziel war es, eine möglichst sinnvolle und der sind verpflichtet, für die Sicherheitsbehörden praktische Regelung zu finden. wie Polizei, Justiz und Steuerfahndung einen di- rekten und unverzüglichen Zugang, einen so ge- Worum geht es? - Laut Bundesmeldegesetz muss nannten automatisierten Zugriff zu den Melderegis- ab dem 1. Mai 2015 das automatisierte Abrufen terdaten zu erhalten, und zwar zu jeder Zeit, also von Meldedaten durch Sicherheitsbehörden rund rund um die Uhr, an Sonn- und Feiertagen. um die Uhr gewährleistet sein. Um das zu ermögli- chen, soll ein sogenannter Melderegisterdaten- spiegel beim Landesbetrieb IT.Niedersachsen ein- Dieses Gesetz ermöglicht Onlinezugriffsrechte für gerichtet werden. Warum machen wir das so? - Sicherheitsbehörden landesweit, bundesweit ohne Wie der Name schon sagt, handelt es sich um eine richterliche Anordnung bzw. Genehmigung. Das ist Kopie - quasi um einen Spiegel - der Daten. Es einmalig in der bundesdeutschen Geschichte. Das gibt also keinen direkten Zugriff auf die Daten von ist auch ein Eingriff in die informationelle Selbstbe- denjenigen, die die Daten abfragen. Wir schaffen stimmung, die man sehr, sehr kritisch betrachten es, die sicherlich sinnvolle Dezentralität der über und auch weiter begleiten sollte. Diese Ausweitung 400 Meldeämter zu erhalten, und bündeln gleich- der Zugriffsrechte unter Schwarz-Gelb erfordert zeitig den Datenstrom. Das sorgt einerseits dafür, einen sehr sensiblen datenschutztechnischen Um- dass die Sicherheitsbehörden Abfragen nicht bei gang mit der Umsetzung. jedem Amt einzeln anfordern müssen, und ande- rerseits dafür, dass nicht jedes Amt massive Mehr- Mittlerweile haben 13 Bundesländer ein zentrales kosten für die Einrichtung und Instandhaltung des Melderegister oder auch Portalregister eingerich- Datennetzes aufwenden muss. tet. Diesen Weg werden wir in Niedersachsen nicht Damit am 1. Mai 2015 - unserem Tag der Arbeit, beschreiten, sondern wir werden einen Melderegis- an dem das Gesetz auch in Kraft treten soll - wirk- terdatenspiegel einrichten - damit kann das um- lich alles glatt läuft und auch nur die Technik arbei- strittene Bundesgesetz umgesetzt werden; denn ten muss, haben wir frühzeitig ein solides und ver- wir sind dazu verpflichtet -, ohne dass ein Zugang fassungskonformes Gesetz auf den Weg gebracht. zu den kommunalen Melderegistern eröffnet wird. Das ist wichtig, vor allem unter datenschutzrechtli- Ich danke den zuständigen Mitarbeiterinnen und chen Gesichtspunkten. Das bietet ein erhöhtes Mitarbeitern des Innenministeriums, des Gesetz- Maß an Daten- und Betriebssicherheit, da die ab- gebungs- und Beratungsdienstes sowie meinen fragenden Sicherheitsbehörden nur Zugriff auf Kolleginnen und Kollegen aus dem Innenaus- Kopien der kommunalen Melderegisterdaten ha- schuss für die konstruktiven Beratungen. Wir wer- ben und damit ein Zugriff auf Primärdatenbanken den zustimmen, und ich hoffe auf eine einstimmige verhindert wird. Damit bleibt die grundlegende Zustimmung des Hauses. Struktur der Melderegisterdaten erhalten. Ich glau- be, es ist wichtig und richtig, den Weg so einzu- Danke schön. schlagen. (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) (Zustimmung bei den GRÜNEN)

Präsident Bernd Busemann: Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz auf Vielen Dank, Herr Kollege Lynack. - Es hat sich Landesebene schaffen wir zunächst einmal die jetzt gemeldet für die Fraktion Bündnis 90/Die rechtliche Grundlage für einen Testbetrieb mit Grünen die Kollegin Meta Janssen-Kucz. Frau Echtdaten. Das ist notwendig, um die Funktionsfä- Janssen-Kucz, ich erteile Ihnen das Wort. higkeit des Systems bis zum Echtbetrieb ab dem 1. Mai 2015 zu überprüfen und um frühzeitig even- Meta Janssen-Kucz (GRÜNE): tuelle Fehler und Datenschutzprobleme zu erken- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie der nen und abzustellen. Ich hoffe, dass wir damit Kollege schon ausgeführt hat, ist Anlass für diese datenschutztechnisch auf der sicheren Seite sind, Änderung des Meldegesetzes der Beschluss auf und bitte um Unterstützung. Bundesebene von 2013. Damit wurden und wer- den wir verpflichtet, Datenübermittlungen durch ein (Beifall bei den GRÜNEN und bei der so genanntes automatisiertes Abrufverfahren auch SPD) in Niedersachsen sicherzustellen. Alle Bundeslän-

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Präsident Bernd Busemann: Verordnung vorgesehen waren, in den Gesetzes- Vielen Dank, Frau Kollegin. - Meine Damen und text übernommen wurden. Ich halte dies für einen Herren, es folgt jetzt für die Fraktion der CDU der richtigen Schritt. Denn wir als Parlament sollten der Kollege Rudolf Götz. Bitte sehr! Landesregierung möglichst wenig Spielraum über Verordnungen lassen und möglichst viel selbst Rudolf Götz (CDU): regeln. Nur dann können wir das kontrollieren, was am Ende umgesetzt wird. Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ab dem 1. Mai 2015 - das hat jetzt jeder gesagt, Die kommunalen Spitzenverbände und der Lan- ich sage es auch noch einmal - sind die Verpflich- desdatenschutzbeauftragte haben keine Bedenken tungen des Bundesgesetzgeber in den Bundes- gegen diesen Gesetzentwurf. Die FDP-Fraktion ländern umzusetzen. Niedersachsen hat dafür auch nicht. Deswegen werden wir zustimmen. Sorge zu tragen, dass rund um die Uhr ein ständi- Danke. ger Zugriff auf die Meldedaten ermöglicht wird. (Zustimmung bei der FDP und bei der Wir haben in unserem schönen Bundesland kein CDU) zentrales Melderegister. Um aber den Gesetzes- auftrag umsetzen zu können, wird ein Melderegis- Präsident Bernd Busemann: terdatenspiegel eingerichtet. Diese Aufgabe über- nimmt der Landesbetrieb IT.Niedersachsen. Profi- Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Schließlich tieren werden von dieser Einrichtung z. B. das spricht für die Landesregierung Herr Innenminister Statistische Landesamt, aber auch der Norddeut- Pistorius. Bitte sehr! Ich erteile Ihnen das Wort. sche Rundfunk. Dieses Gesetz sorgt auch dafür, Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: dass die Sicherheitsbehörden ihre Auskunftsbe- gehren erfüllt bekommen. Damit ist eine jederzeiti- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und ge Verfügbarkeit gewährleistet. Herren! Spätestens mit dem Wortbeitrag von Herrn Oetjen ist buchstäblich alles gesagt worden - min- Die bisherige dezentrale Führung der Melderegis- destens einmal, aber noch nicht von jedem. Da ich ter wird abgelöst. Gerade für die Polizei, die auf die mich nicht in diese Reihe einreihen werde, weil Übermittlung aktueller Daten auch außerhalb der buchstäblich wirklich nichts hinzuzufügen ist, be- Regeldienstzeiten angewiesen ist, bedeutet der danke ich mich jetzt nur noch für die guten Bera- Datenspiegel mehr Effizienz und für die Meldebe- tungen. Wir können dann in der Tagesordnung hörden Kostenersparnisse. weitermachen. Auch aus Sicht des Datenschutzes wurden keine Vielen Dank. Einwände erhoben. Es liegt Einstimmigkeit vor. Dem Gesetz sollte in der vorliegenden Fassung (Beifall bei der SPD und bei den zugestimmt werden. GRÜNEN)

Danke schön. Präsident Bernd Busemann: (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Danke schön. - Meine Damen und Herren, damit können wir die Beratungen abschließen. Weitere Präsident Bernd Busemann: Wortmeldungen liegen nicht vor. Vielen Dank, Herr Kollege Götz. - Meine Damen Wir können in die Einzelberatung respektive in die und Herren, es folgt jetzt für die Fraktion der FDP Abstimmung eintreten. der Kollege Jan-Christoph Oetjen. Bitte sehr! (Unruhe) Jan-Christoph Oetjen (FDP): - Ich darf um Ruhe bitten - auch in den Außenbe- Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kolle- reichen, Herr Kollege Rolfes! gen! Ich möchte nicht alles das wiederholen, was Ich rufe auf: meine drei Vorredner schon zum Ausdruck ge- bracht haben, denen ich mich vollumfänglich an- Artikel 1. - Hierzu liegt eine Änderungsempfehlung schließen kann, sondern ich möchte darauf hin- des Ausschusses vor. Wer dieser Änderungsemp- weisen, dass insbesondere auf Vorschlag des fehlung zustimmen möchte, den bitte ich um ein Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes Rege- Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - lungsinhalte, die von der Landesregierung für die Damit ist das einstimmig so beschlossen.

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Artikel 2. - Unverändert. rungen gehören u. a., dass die Gerichtsvollzieherin oder der Gerichtsvollzieher in jedem Verfahrens- Gesetzesüberschrift. - Unverändert. stadium auf eine gütliche Einigung hinwirken kann, Wir kommen jetzt zur Schlussabstimmung. dass die Anordnung zur Abgabe der Vermögens- auskunft zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens mög- Wer diesem Gesetz mit der beschlossenen Ände- lich sein wird, dass das Vermögensverzeichnis und rung zustimmen möchte, den bitte ich aufzustehen. das Schuldnerverzeichnis künftig zentral beim - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist Landesvollstreckungsgericht hinterlegt werden auch dieses Gesetz einstimmig so beschlossen. sowie die Neuregelung der Vorschriften der Er- Meine Damen und Herren, ich gehe über zum zwingungshaft. Die Kenner unter Ihnen haben es sicherlich gleich erkannt: Wir reden über schwer verdauliche, aber Tagesordnungspunkt 6: unverzichtbare Zutaten aus der verwaltungsrechtli- Abschließende Beratung: chen Feinkostabteilung. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung vollstre- ckungsrechtlicher Vorschriften - Gesetzentwurf Herr Präsident, meine Damen, meine Herren, ich der Landesregierung - Drs. 17/1154 - Beschluss- danke Herrn Minister Pistorius und den Mitarbeite- empfehlung des Ausschusses für Inneres und rinnen und Mitarbeitern seines Hauses für den Sport - Drs. 17/1737 - Schriftlicher Bericht - Gesetzentwurf und dem Gesetzgebungs- und Be- Drs. 17/1796 ratungsdienst für die Unterstützung bei den Aus- schussberatungen. Dank ihrer Hilfe ist es gelun- gen, ein Gericht zu kreieren, das allen schmeckt - Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzent- pardon, ich meine natürlich, ein Gesetz auf den wurf mit Änderungen anzunehmen. Weg zu bringen, das zu einer einvernehmlichen Ausschussempfehlung geführt hat. Eine mündliche Berichterstattung ist nicht vorge- sehen, sodass wir sogleich in die Beratung des Ich danke Ihnen fürs Zuhören und bitte um eine Gesetzentwurfs eintreten können. ebenso erfolgreiche Abstimmung. Die erste Wortmeldung kommt von der Fraktion (Beifall bei der SPD und bei den der SPD. Herr Kollege Lynack, Sie haben das GRÜNEN) Wort. Präsident Bernd Busemann: Bernd Lynack (SPD): Vielen Dank, Herr Lynack. - Es folgt für die Frakti- Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Wir on der CDU der Kollege Rudolf Götz. Bitte sehr! machen jetzt genau da weiter, wo wir vorhin auf- gehört haben. Ich bin mir sicher, dass uns das an Rudolf Götz (CDU): dieser Stelle auch ganz ohne Streit, ausschließlich Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! sachorientiert - wie schon in den Ausschussbera- In diesem Gesetzentwurf wird die Vollstreckung tungen -, gelingen wird. von Ansprüchen des Landes, der Kommunen und Worum geht es dieses Mal? - Nun, das Nieder- weiterer juristischer Personen des öffentlichen sächsische Verwaltungsvollstreckungsgesetz re- Rechts geregelt. Es geht hier also um die Vollstre- gelt die Vollstreckung von Ansprüchen der öffentli- ckung privatrechtlicher Forderungen. Mit dem Ge- chen Hand und ist dabei ganz stark an bundesähn- setz wird es möglich, bereits zu Beginn des Voll- lichen Vorschriften wie der Zivilprozessordnung streckungsverfahrens die Vermögensauskunft und und der Abgabenordnung orientiert. Änderungen die eidesstattliche Versicherung anzuordnen. Da- dieser Vorgaben ziehen deshalb auch unaus- durch können Kosten und ebenso aussichtslose weichlich Änderungen unserer landesrechtlichen Fälle vermieden werden. Vorschriften nach sich. Die Vorschriften für die Eintragung in das Schuld- Bereits in den Jahren 2011 und 2013 sind Ände- nerverzeichnis wurden neu geregelt. Künftig wird in rungen der Zivilprozessordnung und der Abgaben- einem zentralen Vollstreckungsgericht das Schuld- ordnung in Kraft getreten, die nun in das Nieder- nerverzeichnis geführt. Auch dies wird mit diesem sächsische Verwaltungsvollstreckungsgesetz über- Gesetz geregelt. Da ich aus dem Kreis Goslar nommen werden sollen. Zu den wichtigsten Ände- komme, freue ich mich, dass das zentrale Vollstre-

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ckungsgericht - wenn es so bleibt - nach Goslar als geborener Goslarer der Freude von Herrn Götz kommt. nur anschließen. (Zustimmung bei der CDU und von Wir haben mit dem vorliegenden Gesetzentwurf Belit Onay [GRÜNE]) eigentlich nur die Anpassung von Landesrecht an Bundesrecht - ZPO und Abgabenordnung - vorge- Bei den Beratungen zu diesem Gesetzentwurf nommen. Zum Teil haben wir auch Vereinfachun- wurde sehr viel Wert auf die Entzerrung der Para- gen vorgenommen, z. B. in § 8 - Gerichtsvollziehe- grafen gelegt; auch die Übersichtlichkeit wurde rinnen und Gerichtsvollzieher. verbessert. Der Gesetzentwurf wurde einstimmig in den Ausschüssen beschlossen. Ich bitte hier eben- Insgesamt ist das eine sehr zähe Materie, deswe- falls um Zustimmung. gen möchte ich an dieser Stelle - auch um das bereits von meinen Vorrednern Gesagte nicht zu Danke schön. wiederholen - dem Gesetzgebungs- und Bera- (Beifall bei der CDU und bei der FDP tungsdienst danken, der uns durch die Beratungen sowie Zustimmung bei den GRÜNEN) in den Fachausschüssen geführt hat. Das Thema war, wie gesagt, sehr zäh, aber der Gesetzge- Präsident Bernd Busemann: bungs- und Beratungsdienst hat dazu sehr gute Vielen Dank, Herr Kollege Götz. - Die nächste Ausführungen gemacht, die zum Teil den Charak- Wortmeldung kommt von der Fraktion der FDP. ter einer Vorlesung im Jurastudium hatten. Die Kollege Oetjen, bitte! Vorlage des GBD war hervorragend. Wir werden diesem Gesetzentwurf zustimmen. Jan-Christoph Oetjen (FDP): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kolle- Danke schön. gen! Wie der Kollege Götz gerade richtig ausge- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der führt hat, werden das Vermögens- und das SPD) Schuldnerverzeichnis demnächst bei einem zentra- len Vollstreckungsgericht in Goslar geführt. Dieser Präsident Bernd Busemann: Umstand und die Tatsache, dass zum 1. Januar Vielen Dank, Herr Kollege Onay. 2013 zahlreiche bundesrechtliche Regelungen geändert wurden, die eine Anpassung unseres Meine Damen und Herren, es liegen keine weite- Gesetzeswerkes notwendig machten, sind Grund- ren Wortmeldungen vor, auch nicht seitens der lage des Gesetzentwurfs, den wir jetzt beraten. Landesregierung, sodass wir jetzt in die Einzelbe- ratung, respektive Abstimmung eintreten können. Die kommunale Ebene wartet auf das Gesetz; denn die Übergangsregelungen, die bis zum Janu- Ich rufe auf: ar 2014 liefen, sind ausgelaufen, sodass dort jetzt Artikel 1. - Hierzu liegt eine Änderungsempfehlung zum Teil Vollzugsdefizite vorhanden sind. des Ausschusses vor. Wer ihr nähertreten und sie Ich bitte namens der FDP-Fraktion um Zustim- so beschließen möchte, den bitte ich um ein Hand- mung; denn damit wird die ordnungsgemäße Voll- zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist streckung demnächst auch in Niedersachsen wie- das einstimmig so beschlossen. der möglich sein. Artikel 2. - Unverändert. Vielen Dank. Artikel 3. - Unverändert. (Beifall bei der FDP und bei der CDU Artikel 4. - Auch hierzu gibt es eine Änderungs- sowie Zustimmung bei den GRÜNEN) empfehlung des Ausschusses. Wer diese so be- schließen möchte, den bitte ich um ein Handzei- Präsident Bernd Busemann: chen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Es folgt für die auch einstimmig so beschlossen. Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kollege Onay. Bit- Gesetzesüberschrift. - Unverändert. te sehr! Sodann kommen wir zur Schlussabstimmung. Wer Belit Onay (GRÜNE): dem Gesetz mit den beschlossenen Änderungen Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehr- zustimmen möchte, den darf ich bitten aufzuste- ten Damen und Herren! Eingangs kann ich mich hen. - Gegenprobe! - Enthaltungen - das frage ich

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nur formaliter ab -? - Das ist einstimmig so be- über den wir heute hier reden, mit 1,8 Millionen schlossen. Euro jährlich im Landeshaushalt zu Buche schla- gen. Da wir aber in Niedersachsen gerne und oft Meine Damen und Herren, damit haben wir auch über Chancengleichheit und Wettbewerbsfähigkeit Tagesordnungspunkt 6 abgewickelt. gegenüber den anderen Bundesländern reden, Ich darf übergehen zu dem sollten wir diese Mehrausgabe nicht beklagen. Ich finde, dass sich die wirklich hoch qualifizierte Ar- beit, die unsere Professorinnen und Professoren Tagesordnungspunkt 7: an den Hochschulen, Universitäten und Akade- Abschließende Beratung: mien leisten, in einer angemessenen und leis- Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Profes- tungsorientierten Besoldung widerspiegeln muss. sorenbesoldung - Gesetzentwurf der Landesre- gierung - Drs. 17/1561 - Beschlussempfehlung des (Zustimmung bei der CDU und bei der Ausschusses für Wissenschaft und Kultur - FDP) Drs. 17/1759 - Schriftlicher Bericht - Drs. 17/1785 Erwähnen möchte ich aber auch, dass die von mir angesprochenen Mehrausgaben von 1,8 Millionen Euro jährlich nicht dem Prinzip „Linke Tasche - Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzent- rechte Tasche“ zum Opfer fallen dürfen. Damit will wurf mit Änderungen anzunehmen. ich sagen: Wir werden genau darauf achten, dass Eine mündliche Berichterstattung ist nicht vorge- die Mehrbelastung im Landeshaushalt nicht auf sehen, sodass wir in die Beratungen eintreten Kosten anderer Aufgaben oder gar Einsparungen können. Mir liegt eine erste Wortmeldung von der an den Hochschulen und an den Universitäten in Fraktion der CDU vom Abgeordneten Horst Niedersachsen erfolgt. Schiesgeries vor. Bitte sehr, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort! In der Zusammenfassung ist festzustellen, dass die Neuordnung oder die Reform, wenn Sie so Horst Schiesgeries (CDU): wollen, der Professorenbesoldung einen größeren Zeitraum in Anspruch genommen hat. Nach dem Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle- Urteil des Bundesverfassungsgerichts war die ginnen und Kollegen! Der Entwurf eines Gesetzes rechtliche Umsetzung notwendig. An dieser Stelle zur Reform der Professorenbesoldung in Nieder- möchte ich mich auch im Namen der CDU-Land- sachsen ist nun auf einem guten Weg bzw. auf der tagsfraktion beim Gesetzgebungs- und Beratungs- Zielgeraden. Ich möchte gleich zu Beginn meiner dienst für die fachlich, wie ich finde, sehr ausge- relativ kurzen Rede sagen, dass die CDU-Land- wogene und sehr aufwendige Arbeit bedanken. tagsfraktion diesem Entwurf zustimmen wird. Ich möchte nicht mehr auf die einzelnen Änderun- (Beifall bei der CDU sowie Zustim- gen und Neuerungen bei der Professorenbesol- mung bei der SPD und bei den GRÜ- dung eingehen; darüber haben wir schon ausrei- NEN) chend zielführend in den Ausschüssen diskutiert. Unter dem Strich Fakt ist, dass wir mit den neuen Regelungen des Gesetzentwurfs den Vorgaben aus dem Urteil des (Glocke des Präsidenten) Bundesverfassungsgerichts vom 14. Februar 2012 - Herr Präsident, damit komme ich zum Ende - gerecht werden; denn die Grundgehälter in den stimmen wir diesem Gesetzentwurf zu, auch unter Besoldungsgruppen W 2 und W 3 werden so an- dem Aspekt, dass er in Teilen rückwirkend anzu- gehoben, dass sie auch mit Blick auf das System wenden ist, wenn ich an den Artikel 1 denke: Stich- der Leistungsbezüge rechtssicher sind. Positiv ist tag 1. Januar 2013. Also: Wir befinden uns auf auch anzumerken, liebe Kolleginnen und Kollegen, Augenhöhe mit den anderen Bundesländern. dass die Anhebung der Grundgehälter in den Be- soldungsgruppen W 2 und W 3 gleichermaßen - Ich bedanke mich für das Zuhören und wünsche das ist sehr wichtig - für die vorhandenen Versor- uns eine gute Woche in diesem ehrwürdigen alten gungsempfängerinnen und -empfänger gilt. Plenarsaal Fakt ist aber auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herzlichen Dank. dass die finanziellen Auswirkungen des Entwurfs,

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(Beifall bei der CDU und bei der FDP Der Gesetzentwurf übernimmt alle bundesrechtli- sowie Zustimmung bei der SPD und chen Regelungen zur Professorenbesoldung und bei den GRÜNEN) überführt sie nun in das Landesrecht. Das gilt auch für die bisher geltenden Regelungen zum Besol- Präsident Bernd Busemann: dungsdurchschnitt und zum Vergaberahmen. Der Vielen Dank, Herr Kollege. - Es folgt für die Frakti- Forderung, den Vergaberahmen abzuschaffen, on der SPD die Kollegin Dr. Silke Lesemann. Frau wurde nicht gefolgt, da dies nur bei gleichzeitiger Lesemann, Sie haben das Wort. Implementierung eines alternativen haushaltsmä- ßigen Steuerungsinstrumentes zur Begrenzung der Dr. Silke Lesemann (SPD): Personalaufwendungen für die Professorenbesol- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, mei- dung in Erwägung gezogen werden kann. Dies ne Herren! Anlass des Gesetzes zur Reform der muss in einem gesonderten Verfahren geschehen. Professorenbesoldung ist ein Urteil des Bundes- Insgesamt bewegen sich die für Niedersachsen verfassungsgerichts vom 14. Februar 2012. Be- gefundenen Regelungen auf einem mittleren Ni- klagt wurde damals das Land Hessen. Mit dem veau der gesamten Bundesländer. Das ist eine Wandel der Besoldung der Professoren von der C- gute Nachricht. Für niemanden gibt es bei der zur W-Besoldung wurde die Grundbesoldung ab- neuen Regelung ein persönliches Minus. gesenkt, um Mittel für Leistungsbezüge zu gewin- Wir erteilen dem Gesetzentwurf unsere Zustim- nen. Nach Ansicht des Gerichts verletzte das im mung. Jahr 2002 eingeführte neue System der Professo- renbesoldung das grundgesetzliche Gebot einer Vielen Dank. dem Amt angemessenen Alimentation. Bis zum (Beifall bei der SPD und bei den 1. Januar 2013 wurde eine Frist für eine verfas- GRÜNEN) sungskonforme Angleichung eingeräumt. Da die alte Landesregierung diese Frist allerdings ver- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: streichen ließ, ist nun Rot-Grün an der Reihe und muss diese Gesetzesänderung vornehmen. Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Lesemann. - Für die FDP-Fraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Die Verbandsanhörung zu diesem Gesetzentwurf Christian Grascha. hat ab Januar 2014 stattgefunden. Hieran haben sich die Spitzenorganisationen der Gewerkschaf- Christian Grascha (FDP): ten, die vom Gesetzentwurf betroffenen Berufsver- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! bände sowie die kommunalen Spitzenverbände Der vor uns liegende Gesetzentwurf zur Professo- beteiligt. renbesoldung ist im Prinzip die rein technische (Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann Umsetzung eines Urteils des Bundesverfassungs- übernimmt den Vorsitz) gerichts. Wir vollziehen hier das Urteil entspre- chend nach. Viele andere Probleme - das hat die Außerdem ergab ein unter den norddeutschen Kollegin Lesemann gerade in ihrem Beitrag deut- Bundesländern durchgeführtes Konsultationsver- lich gemacht - werden allerdings in einem geson- fahren keine Bedenken. Das ist wichtig, weil wir im derten Verfahren aufzugreifen sein. Ich nenne nur Wettbewerb um die Professoren stehen. ein paar Stichworte. Es hat eine ausführliche Kommunikation mit den Sind die Hochschulen und Universitäten mit der Hochschulen und auch mit den Verbänden stattge- W-Besoldung wettbewerbsfähig gegenüber der funden. Transparenz wurde im Verfahren herge- freien Wirtschaft? Brauchen nicht die Hochschulen stellt. mehr Autonomie, um diesen Wettbewerb zu ge- Meine Damen und Herren, im Übrigen war auch winnen? Die Stichworte sind hierbei Vergaberah- dieses Gesetz, wie wir schon bei einer ganzen men und Deckelung bei den Leistungszulagen. Reihe von Gesetzen gehört haben, im Wissen- Universitäten und Hochschulen - früher Fachhoch- schaftsausschuss unumstritten. Das ist erfreulich. schulen - haben eine unterschiedliche Ausrichtung. Die wenigen Änderungen am Gesetzentwurf die- Auch hierbei stellt sich die Frage: Ist die nen im Wesentlichen der Klarstellung und Präzisie- W-Besoldung für beide der richtige Weg? Ich ver- rung, sind aber im Eigentlichen keine inhaltlichen weise hierzu insbesondere auf die Kritik, die zu Korrekturen. diesem Thema aus den Fachhochschulen kommt.

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Wir werden auch in Zukunft über weitere Reform- zu einer neuen Berechnung der Leistungszulagen. schritte bei der W-Besoldung und bei der Professo- Mittels dieser Regelung - ich möchte hier nicht zu renbesoldung insgesamt nachdenken müssen. detailliert werden; das ist im Gesetzentwurf und der Begründung alles nachzulesen - stellen wir All diese Probleme - das ist, denke ich, auch bei sicher, dass es keine Schlechterstellung für einzel- dem heutigen Gesetzentwurf schon klar gewor- ne Betroffene geben wird. Im Ergebnis steht das den - werden nur über zusätzliche Mittel für die Verhältnis der Grundbezüge zu den Leistungsbe- Universitäten und Hochschulen möglich sein. Hier zügen in Niedersachsen im Bundesvergleich gut hat Rot-Grün zwar die Mittel der wegfallenden da. Studienbeiträge kompensiert. Aber das wird nicht ausreichen. Deswegen wird es auch in Zukunft Herr Grascha, Sie haben recht, der Vergaberah- darum gehen, unsere Universitäten und Hochschu- men wird beibehalten. Das hat auch seinen guten len mit mehr Geld auszustatten. Grund. Denn mangels anderer Steuerungsinstru- mente müssen wir dafür Sorge tragen, dass ein Wir als FDP-Fraktion werden dem Gesetzentwurf gewisser Kostenrahmen eingehalten wird. Der heute zustimmen. Wir werden alles Weitere kon- Vergaberahmen und die Leistungszulagen zu- struktiv-kritisch begleiten. sammengenommen, so wie es durch dieses Ge- Vielen Dank. setz konstruiert wird, sind gute Mittel zur Wahrung der Hochschulautonomie einerseits und der Kos- (Beifall bei der FDP) tenkontrolle andererseits. Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Ich freue mich, dass wir diesen Gesetzentwurf Vielen Dank, Kollege Grascha. - Für die Fraktion heute einstimmig verabschieden können. Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort der Abge- Vielen Dank. ordnete Ottmar von Holtz. (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- Ottmar von Holtz (GRÜNE): stimmung bei der SPD) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Grascha sagte es: Wir setzen mit diesem Gesetz Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts um. Vielen Dank, Kollege von Holtz. - Für die Fraktion Andere Regelungen in Bezug auf die Besoldung Bündnis 90/Die Grünen liegt mir eine weitere von Professorinnen und Professoren müssten an Wortmeldung des Abgeordneten Helge Limburg anderer Stelle diskutiert werden. vor. Sie haben das Wort, Herr Kollege. Was dieses Urteil angeht, so war Beklagte das Land Hessen. Die Umsetzung in Niedersachsen ist Helge Limburg (GRÜNE): also ein logischer Schritt, da die Besoldungsstruk- Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und tur der Betroffenen in Niedersachsen mit der in Herren! Es ist von meinen Vorrednerinnen und Hessen vergleichbar ist. Eine Frist zur Umsetzung Vorrednern schon angesprochen worden: Mit dem hat das Land Niedersachsen nicht erhalten, auch Gesetz zur Reform der Professorenbesoldung in keine Aufforderung, das Urteil umzusetzen. Den- Niedersachsen setzt unser Land, wie auch einige noch hat die Landesregierung, zunächst unter der andere Bundesländer schon, ein Urteil des Bun- vormaligen und jetzt unter der neuen Leitung, da- desverfassungsgerichts um. Aus meiner Sicht gibt für Sorge getragen, dass die Umsetzung nach der der Gesetzentwurf Anlass dazu, sich einmal das Landtagswahl so zügig vorangetrieben wird, dass Bundesverfassungsgerichtsgesetz und das zu- wir das heute beschließen können. Denn durch grunde liegende Verfahren etwas näher anzu- den Beschluss heute ermöglichen wir eine Umstel- schauen. lung der Besoldung für Professorinnen und Pro- Richterinnen und Richter am Bundesverfassungs- fessoren noch rückwirkend zum 1. Januar 2013. gericht unterliegen grundsätzlich dem Verbot jed- Neben der Anhebung der Grundbesoldung für die weder Nebentätigkeit. Die einzige Ausnahme bildet Besoldungsgruppe W 2 beschließen wir auch die die Tätigkeit als Hochschullehrer an einer deut- Anhebung für die Besoldungsgruppe W 3, damit schen Hochschule. So hat es sich ergeben, dass eine angemessene finanzielle Differenz zwischen an diesem Urteil in der Tat vier Richterinnen und den beiden Besoldungsgruppen gewahrt bleibt. Richter mitgewirkt haben, die zu diesem Zeitpunkt Durch die Änderung kommt es bei den Betroffenen Lehrer an einer Hochschule waren. Das führt nach

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den Regeln des Verfassungsgerichts nicht zur Wir kommen zur Schlussabstimmung. Befangenheit, zumal auch keine der betroffenen Wer dem Gesetzentwurf in dieser Form zustimmen Hochschulen in Hessen, also in dem beklagten will, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich frage nach Land, lag. Gleichwohl kann es dazu führen, dass in Gegenstimmen. - Gegenstimmen gibt es nicht. der Öffentlichkeit der merkwürdige Eindruck ent- Enthaltungen? - Die sehe ich auch nicht. Damit ist steht, hier würden Hochschulprofessoren über ihre das Gesetz einstimmig beschlossen worden. eigene Besoldung entscheiden. Aus diesem Grun- de und auch aus anderen Aspekten wird in der Ich rufe auf den wissenschaftlichen Literatur dieses besondere Privileg für Nebentätigkeiten für Professoren sehr, sehr kritisch gesehen. Tagesordnungspunkt 8: Abschließende Beratung: Ich meine, der Gesetzgeber ist gut beraten, dieses Entwurf eines Gesetzes zu dem Staatsvertrag Urteil und die Geschichte der Umsetzung zum zwischen dem Land Niedersachsen und der Anlass zu nehmen, an dieser Stelle das Bundes- Freien Hansestadt Bremen über die Zusam- verfassungsgerichtsgesetz noch einmal kritisch menlegung der Kreissparkasse Wesermünde- unter die Lupe zu nehmen und die Frage der Ne- Hadeln und der Sparkasse Bremerhaven - Ge- bentätigkeiten für Richterinnen und Richter im setzentwurf der Landesregierung - Drs. 17/1706 - Jahre 2014 neu zu diskutieren. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haus- Diesem Gesetzentwurf aber stimmen wir selbst- halt und Finanzen - Drs. 17/1761 - Schriftlicher verständlich mit Freude zu. Bericht - Drs. 17/1795 Vielen Dank. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzent- SPD) wurf insofern mit einer Änderung anzunehmen, als das Datum der Unterzeichnung des Staatsvertra- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: ges eingesetzt wurde. Vielen Dank, Herr Kollege von Limburg. Eine mündliche Berichterstattung ist auch hier (Zurufe von der SPD und von den nicht vorgesehen. GRÜNEN: Oh!) Im Ältestenrat waren sich die Fraktionen einig, - Entschuldigung: Herr Kollege Limburg! dass dieses Gesetz ohne allgemeine Aussprache verabschiedet werden soll. - Ich höre dagegen Da mir weitere Wortmeldungen nicht vorliegen, keinen Widerspruch. darf ich die abschließende Beratung zu diesem Gesetzentwurf abschließen. Damit kommen wir zur Einzelberatung. (Thomas Schremmer [GRÜNE]: Ist Ich rufe auf: das der Bischof von Limburg? - Hei- Artikel 1 einschließlich Staatsvertrag. - Hierzu gibt terkeit) es die angesprochene Änderungsempfehlung des Wir kommen zur Einzelberatung. Ausschusses. Wer ihr folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Ich rufe auf: Enthaltungen? - Das haben Sie einstimmig so Artikel 1. - Hierzu gibt es eine Änderungsempfeh- beschlossen. lung des Ausschusses. Wer dieser folgen will, den Artikel 2. - Unverändert. bitte ich um das Handzeichen. - Ich frage nach Gegenstimmen. - Enthaltungen? - Das war einmü- Gesetzesüberschrift. - Unverändert. tig. Das übliche Verfahren bei Gesetzentwürfen: Wer Artikel 2. - Unverändert. in der Schlussabstimmung dem Gesetz zustimmen möchte, den bitte ich, sich jetzt zu erheben. - Ich Artikel 3. - Unverändert. frage nach Gegenstimmen. - Die sehe ich nicht. Artikel 4. - Unverändert. Gibt es Enthaltungen? - Das ist auch nicht der Fall. Dann ist auch dieses Gesetz von Ihnen einstimmig Gesetzesüberschrift. - Unverändert. beschlossen worden.

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(Zustimmung von Johanne Modder tätsprinzip hat sich bewährt. Aber wir mussten [SPD]) auch feststellen, dass die Regelung in unserer Ver- fassung nicht ausreicht und zahlreiche Fragen of- Ich rufe auf den fen lässt. Vertiefende Rechtsprechung vom Staatsgerichts- Tagesordnungspunkt 9: hof gibt es nicht, weil CDU-geführte Landesregie- Erste Beratung: rungen immer bestrebt waren und es ihnen immer Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Nie- gelungen ist, sich mit den kommunalen Spitzen- dersächsischen Verfassung und zur Ausgestal- verbänden zu einigen. tung des Konnexitätsprinzips im niedersächsi- schen Landesrecht - Gesetzentwurf der Fraktion Dies wäre uns sicherlich auch im Bereich der Kos- der CDU - Drs. 17/1746 ten der Inklusion gelungen. Die neue Landesregie- rung hat dies aber bisher nicht geschafft. Nun wer- den noch in diesem Monat zahlreiche Städte, Ge- Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich das meinden und Landkreise in Bückeburg beim Wort dem Abgeordneten Volker Meyer, CDU-Frak- Staatsgerichtshof Klage gegen die Landesregie- tion. rung erheben. Das ist bedauerlich, wird aber zur Klarstellung einiger Fragen führen. Bei dieser Lan- Volker Meyer (CDU): desregierung - wir sehen es ja - geht es leider nicht anders. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor ungefähr ei- bringt die CDU-Landtagsfraktion einen Gesetzent- nem Jahr sagte Innenminister Pistorius hier im wurf zur Ausgestaltung des Konnexitätsprinzips in Plenum: Höre auf die Kommunen, und du tust gut das niedersächsische Landesrecht in den Landtag daran! - Im Herbst erklärte er sich dann zum größ- ein. Das Konnexitätsprinzip oder „Wer bestellt, ten Kommunalexperten Niedersachsens. muss auch bezahlen!“ war ein zentrales kommu- nalpolitisches Anliegen der CDU zur Landtagswahl (Zuruf von Minister Boris Pistorius) 2003. Davon merkt man wenig. Die Landesregierung ist (Beifall bei der CDU - Grant Hendrik für die Kommunen ein teurer Reinfall. Unsinniges Tonne [SPD]: Und danach habt ihr es parteipolitisches Ändern der Kommunalverfassung, vergessen!) weil die ehemaligen Oberbürgermeister und Land- räte meinen, sie wüssten es besser. SPD und GRÜNE haben es abgelehnt und erst nach der Wahl ihre Liebe zu diesem wichtigen (Helge Limburg [GRÜNE]: Das stimmt Grundsatz entdeckt. gar nicht! Das waren die Abgeordne- ten!) (Johanne Modder [SPD]: Was?) Mit diesem Gesetz möchten wir dafür sorgen, dass Gemeinsam haben dann alle Landtagsfraktionen wieder mehr auf die Kommunen gehört wird und im Januar 2006 das Konnexitätsprinzip in unserer sie ihre Rechte besser durchsetzen können. Landesverfassung verankert. Niedersachsen war damit das letzte Flächenland in Deutschland, das (Beifall bei der CDU) die Konnexität eingeführt hat. Das war ein Para- 2006 hofften wir alle, dass mit einer ausführlichen digmenwechsel im Verhältnis zu den Kommunen, Regelung in der Landesverfassung ein Konnexi- weil die CDU-geführten Landesregierungen aufge- tätsanwendungsgesetz überflüssig wird. Inzwi- hört haben, einfach Aufgaben auf die Kommunen schen hat aber der Großteil aller Länder einfach- zu übertragen, ohne sich um die Kosten zu küm- gesetzliche Regelungen gefunden oder Vereinba- mern. rungen mit den Kommunalverbänden getroffen. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Niedersachsen braucht so ein Gesetz, weil wir Wir haben als Landesregierung auch finanziell verschiedene Fragen regeln müssen. Dieses sind: Verantwortung übernommen, etwa für das bei- Erstens. Wie werden die Kosten für die Kommunen tragsfreie dritte Kindergartenjahr. Im Jahr 2011 er- bei Gesetzentwürfen abgeschätzt? Zweitens. Wie hielten die Kommunen 142 Millionen Euro an Aus- beteiligen wir die kommunalen Spitzenverbände gleichszahlungen für die Konnexität. Das Konnexi- hieran? Drittens. Ab wann sind Konnexitätskosten

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erheblich und auszugleichen? Viertens. Wie wer- dies mit einer Begründung der unterschiedlichen den die erstatteten Kosten an die Preisentwicklung Kostenfolgenabschätzungen in der Gesetzesbe- angepasst? Fünftens. Was passiert, wenn ge- gründung einzubringen. Dieses Verfahren ist auch schätzte Kosten und tatsächliche Kosten ausei- bei Gesetzen aus der Mitte des Landtages zu be- nandergehen? Schließlich sechstens. Dürfen ein- achten. Hier ist angesichts der unterschiedlichen zelne Kommunen auf Kostenerstattung klagen? - Unterstützung der Landtagsfraktionen durch die Diese Fragen wollen wir mit dem Gesetzentwurf Landesregierung aber zu differenzieren. Damit regeln. Unsere Vorschläge sind kommunalfreund- effektive Oppositionsarbeit möglich bleibt, kann die lich. Sie sollen eine gestaltende Politik des Landes umfangreiche Kostenfolgenabschätzung im parla- aber nicht verhindern; denn diese wird es spätes- mentarischen Beratungsverfahren durchgeführt tens 2018 hier wieder geben. werden. (Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wir wollen auch einen Ausgleich für weitergehende Widerspruch von Gerd Ludwig Will Mehrbelastungen der Kommunen, die nicht erstat- [SPD]) tet werden. Dazu benötigen diese ein erweitertes Klagerecht vor dem Staatsgerichtshof. Dies dürfte Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser ein effektives Instrument sein, um für belastbare Entwurf setzt auf mehreren Ebenen und Phasen Kostenfolgenabschätzungen zu sorgen. der Gesetzgebung und der Gesetzesanwendung an. Zunächst muss die Gesetzesfolgekostenab- Die im Entwurf enthaltene Verfassungsänderung schätzung zu den Kosten neuer Regelungen für bedeutet keine inhaltliche Änderung des Konnexi- die Kommunen verbessert werden. Es finden viel tätsprinzips in der Verfassung, sondern soll nur zu oft pauschale Schätzungen statt. Hier sei an die klarstellen, dass die Verfassung keine abschlie- bloße Behauptung der Landesregierung erinnert, ßende Regelung ist. es gebe keine Mehrkosten durch das Tariftreue- Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Kon- und Vergabegesetz. nexitätsausführungsgesetz wird kein bürokrati- (Thomas Schremmer [GRÜNE]: Das sches Monstrum geschaffen, sondern sorgen wir stimmt ja auch!) für Klarheit, wie sie die meisten Bundesländer schon haben. Es ist vermehrt mit Istwerten zu rechnen. Vor allem aber ist die Rolle der kommunalen Spitzenverbän- (Beifall bei der CDU) de bei der Gesetzesfolgekostenabschätzung zu Wir fänden es sehr schade, und es wäre ein stärken. schlechtes Signal an die Kommunen, sollten die (Ronald Schminke [SPD]: Alles Ver- Fraktionen von SPD und Grünen den Gesetzent- mutungen!) wurf pauschal ablehnen. Dieses Gesetz sorgt für Transparenz im Verfahren. Es steht für die Beteili- Diese sollen aber ausdrücklich kein Vetorecht er- gung der Betroffenen und hilft, ihre Ansprüche halten. Die Praxis zeigt es, Herr Schminke. durchzusetzen. Was kann man dagegen haben? (Ronald Schminke [SPD]: Nein!) Ich möchte aber fast wetten, dass von der Landes- Wir definieren eine Bagatellschwelle von jährlich regierung oder von den Regierungsfraktionen 25 Cent pro Jahr und Einwohner. Diese Schwelle gleich vorgetragen wird, dass die Vorgängerregie- entspricht der aus anderen Ländern und wurde rung bei der Inklusion und der daraus folgenden bereits in der Vergangenheit von der Landesregie- Konnexität alles falsch gemacht hat. Das ist ja rung angewandt. Diese Schwelle muss regelmäßig gegenwärtig Ihr Begründungsmuster fürs Nichts- evaluiert werden. tun. Sie haben den Kommunen letztes Jahr nichts angeboten. In Nordrhein-Westfalen hat man sich Wir sehen den Ausgleich von Belastungen durch geeinigt. Zu dieser Landesregierung besteht aber Kostenpauschalen oder Erstattungsverfahren bereits so wenig Vertrauen, dass die Kommunen durch konkrete Kosten vor. Ganz wichtig ist, dass sich nicht mehr mit vagen Ankündigungen abfin- regelmäßig die Angemessenheit des Belastungs- den lassen, sondern klagen wollen. ausgleichs überprüft wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesetzentwürfe der Landesregierung müssen im Kommunalexperte Pistorius hat sich hierzu nicht Vorfeld mit den kommunalen Spitzenverbänden erklärt, und die vom Kollegen Bratmann bei der erörtert werden. Wenn man sich nicht einigt, ist Einführung der Inklusion angekündigte Überprü-

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fung der Kostenerstattung im Jahre 2013 hat nicht Was die Verbindung mit den Kommunen angeht, stattgefunden. darf ich feststellen - heute war ja schon viel von Gemeinsamkeit zu spüren -: Von den 137 Abge- Es wäre ein gutes Zeichen, wenn wir gemeinsam ordneten im Niedersächsischen Landtag gehören darüber beraten würden, wie wir die Umsetzung 115 kommunalen Parlamenten an. 84 % der hier der Konnexität klarer und praktikabler regeln kön- sitzenden Abgeordneten engagieren sich vor Ort. nen. Der CDU-Landesregierung Untätigkeit oder Es gibt also kein Patent einer einzigen Fraktion auf Unvermögen vorzuwerfen und dann die Konnexität die Verbindung zu den Kommunen. Ganz im Ge- nicht zu beachten - wie beim Tariftreue- und Ver- genteil: Das wollen wir doch alle gemeinsam. Und gabegesetz -, geht hingegen überhaupt nicht. an die 22 Abgeordneten, die noch kein kommuna- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) les Mandat haben, möchte ich appellieren: 2016 ist die richtige Gelegenheit. Außer einer Erhöhung der Besoldung der kommu- nalen Hauptverwaltungsbeamten hat diese Lan- (Beifall bei der SPD und bei den desregierung für die Kommunen nichts getan. GRÜNEN) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, Hier ist eine Gelegenheit, das zu ändern. Machen dass es meines Erachtens selten so gewesen ist, Sie mit! Lassen Sie uns das gemeinsam angehen! dass eine Landesregierung eine so starke kom- munale Verankerung hat. Das zeigen die vielen Vielen Dank. Oberbürgermeister und Landräte in der Regierung. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Diese Landesregierung hat eine ganz solide, star- ke kommunale Basis. Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: (Beifall bei der SPD und bei den Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. - Das Wort hat GRÜNEN) jetzt für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Maximi- Meine Damen und Herren, heute debattieren wir lian Schmidt. über den Gesetzentwurf der CDU zur Ausgestal- tung des Konnexitätsprinzips im niedersächsischen Maximilian Schmidt (SPD): Landesrecht. Sie begründen die Einbringung da- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu- mit, dass nicht klar geregelt sei, wie die Kosten nächst darf ich feststellen: Ein Konnexitätsausfüh- abzuschätzen seien. Dazu darf ich dann aber fest- rungsgesetz ist vielleicht kein bürokratisches, aber stellen: Sie haben acht Jahre gebraucht, um zu zumindest ein sprachliches Monster. Und schon dieser Einsicht zu gelangen. Das ist ein bisschen deswegen bedarf es der Aufklärung, was mit die- wie bei Schiller: „Spät kommt Ihr - doch Ihr kommt! sem sperrigen Begriff des Konnexitätsprinzips Der weite Weg … entschuldigt Euer Säumen.“ eigentlich gemeint ist. Andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Dahinter verbirgt sich eine ziemlich einfache Re- Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Schleswig- gel: Wenn das Land seinen Kommunen eine Auf- Holstein oder Hessen haben gesetzliche Regelun- gabe überträgt und dies zu einer wesentlichen gen. Aber jetzt stellt sich die Frage: Liefert Ihr Ge- Mehrbelastung führt, muss das Land gleichzeitig setzentwurf eigentlich eine Antwort für Nieder- für Ausgleich sorgen, indem es Bestimmungen sachsen? - Man muss genau prüfen, was Sie da- über die Deckung der Kosten trifft oder selbst ei- mit wollen. Wenn Sie ausschließlich eine politisch nen finanziellen Ausgleich leistet. Das heißt zu- motivierte Begleitmusik zum angedrohten Klage- sammengefasst: Wer die Musik bestellt, muss sie verfahren wollen, dann fänden wir das sehr scha- auch bezahlen. de. Aber wir hoffen - und das macht eben unsere (Zuruf von der CDU: Richtig!) Höflichkeit aus -, dass Sie es mit diesem Gesetz- entwurf sehr ernst meinen. Dass der Landtag diese Auffassung teilt, hat er bewiesen, als er mit sehr großer, mit verfassungs- Schauen wir uns die Regelungen einmal im Detail ändernder Mehrheit in 2006 die Verfassung geän- an: dert und das strikte Konnexitätsprinzip eingeführt In § 1 wiederholen Sie den Verfassungswortlaut hat. Daran hält sich jeder, auch diese Landesregie- zum Konnexitätsprinzip. Was aber fehlt, ist eine rung. Vielzahl von eigentlich notwendigen Konkretisie- rungen: Was passiert bei einer Erhöhung von

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Standards im Zuge von Altfallregelungen? Was mit eurer Zungenspitz, die Glocken müsst läuten passiert bei Anschlussregelungen des Landes an im Land umher, es wär bald kein Messner zu fin- bisherige Bundesregelungen, insbesondere mit den mehr.“ Blick auf die Änderungen nach der Föderalismus- reform? Wie wird bei bundesrechtlichen Auswei- Kurzum: Wir werden im Ausschuss sach- und tungen oder erhöhenden Änderungen bei beste- fachgerecht beraten. Wir wollen zur Konnexität den henden Selbstverwaltungsaufgaben verfahren? Konsens mit den kommunalen Spitzenverbänden Und, und, und. herstellen. Dabei steht von vornherein fest, dass es keine Sonderrechte für die Opposition beim In § 2 - Kostenfolgenabschätzung - sagen Sie Konnexitätsprinzip geben darf. Im Gegenteil: Die- nichts zur schwierigen Symmetrie der Haushalts- sem Prinzip sind Landtag und Landesregierung im wirtschaft von Land und Kommunen. Das aber ist Sinne unserer Verfassung gleichermaßen und in ein ganz wichtiges Thema, u. a. weil beide Ebenen Gänze verpflichtet. unterschiedliche Tarifsysteme haben. Schönen Dank für die Aufmerksamkeit. Und dann wird es richtig spannend: In § 5 wollen Sie regeln, wie es sich mit Gesetzentwürfen aus (Beifall bei der SPD und bei den der Mitte des Landtags verhält. In Absatz 1 schrei- GRÜNEN) ben Sie, dass die die Regierung tragenden Frakti- onen die Kostenfolgenabschätzungen zur Konnexi- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: tät und die Beteiligung der Kommunen selbst zu Vielen Dank, Kollege Schmidt. - Für die FDP-Frak- erbringen haben, während Sie in Absatz 2 regeln tion hat jetzt Herr Kollege Jan-Christoph Oetjen wollen, dass dies alles für die Opposition, also für das Wort. Sie selbst, zunächst nicht zu gelten habe. So, mei- ne Damen und Herren, geht es aber nicht! Sie Jan-Christoph Oetjen (FDP): wollen auf diesem Wege einen Freifahrtschein Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kolle- erhalten, um künftig nicht mehr sofort nachweisen gen! „Wer die Musik bestellt, der soll sie auch be- zu müssen, was Ihre Vorschläge die Kommunen zahlen“ - dieser Satz ist sinnbildend gewesen, als kosten. Ihr Vorschlag wäre ein Blankoscheck für das Konnexitätsprinzip im Jahre 2006 in die Nie- die Opposition. Sie könnten fordern, im Himmel ist dersächsische Verfassung aufgenommen wurde. Jahrmarkt, aber müssten nicht zugleich belegen, Alle Fraktionen in diesem Hause haben das Kon- wie Sie das eigentlich finanzieren wollten. Außer- nexitätsprinzip gewollt; aufgenommen wurde es dem würden Sie bestehende Regeln außer Kraft auf Initiative der damaligen schwarz-gelben Mehr- setzen, u. a. § 22 Abs. 3 der Geschäftsordnung heitsfraktionen. des Landtags und § 10 der Landeshaushaltsord- nung, der die Beteiligung der Landesregierung an Jetzt, wo wir darüber diskutieren, ob wir zum Kon- der Beratung sicherstellt. nexitätsprinzip ein Ausführungsgesetz brauchen, möchte ich an diese Gemeinsamkeit erinnern. Wir Wir, meine Damen und Herren, wollen das nicht. haben es damals alle gewollt. In der Praxis haben Wir meinen, ein Sonderrecht der Opposition auf sich seit 2006 aber Probleme ergeben. finanzpolitisches Abenteurertum darf es nicht ge- ben. Kein Gesetz wird Sie davor schützen, dem Deutlich geworden sind die Probleme z. B. beim Landtag und der Bevölkerung transparent darzule- Inklusionsgesetz. Die kommunalen Spitzenverbän- gen, was Ihre politischen Vorschläge kosten und de haben ja Klägerkommunen gefunden, und in- wie Sie sie zu finanzieren gedenken. zwischen klagen 13 Kommunen gegen die Geset- zesfolgenabschätzung und gegen die fehlende Sie haben nach der Landtagswahl betont, dass Sie Übertragung von Finanzmitteln nach dem Konnexi- jederzeit in der Lage seien, wieder die Verantwor- tätsprinzip. tung im Lande zu übernehmen. Beim Vergabegesetz gab es die Situation, dass die (Zustimmung bei der CDU) Finanzfolgen für die Kommunen schwierig abzu- Ihre bisherigen Vorschläge zum Haushalt bewei- schätzen waren. Der Kollege Schmidt hat eine sen das Gegenteil, und dieser Gesetzentwurf be- ganze Reihe von Beispielen aufgeführt, bei denen weist es umso mehr. Vor diesem Hintergrund heute unklar ist, wie es genau geregelt ist. Aber möchte ich noch einmal Schiller zitieren: „Wenn solche Unklarheiten kann man natürlich nicht über man für jeden Donner und Blitz, den ihr losbrennt die Verfassung klären, sondern genau dafür

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braucht man ein Ausführungsgesetz, Herr Kollege Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Schmidt. Redezeitmäßig war das eine Punktlandung, Herr Kollege Oetjen. - Das Wort hat jetzt für die Fraktion Insofern bin ich der CDU-Fraktion dankbar, dass Bündnis 90/Die Grünen der Abgeordnete Belit sie dazu einen konstruktiven Vorschlag vorgelegt Onay. hat. Wie das Ausführungsgesetz genau ausgestal- tet wird, sollten wir mit den kommunalen Spitzen- Belit Onay (GRÜNE): verbänden in den Ausschussberatungen diskutie- ren. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schmidt hat die starke Verwurzelung Wir als FDP-Fraktion sind jedenfalls davon über- des Landtags und seiner Mitglieder in den Kom- zeugt, dass die bisherigen Erfahrungen mit dem munalparlamenten schon angedeutet. Ich glaube, Konnexitätsprinzip in der Verfassung darauf dass wir da auch eine einheitliche Meinung haben. schließen lassen, dass ein Ausführungsgesetz uns Zumindest für meine Fraktion ist die Konnexität helfen würde, tatsächlich genau zu wissen, wie die ebenfalls ein wichtiger Bestandteil, was die Bezie- Regelungen anzuwenden sind. Wie es im Detail hungen zwischen Land und Kommunen angeht. ausgestaltet werden muss, sollten wir gemeinsam Die Konnexitätsklausel in der Verfassung - auch mit den kommunalen Spitzenverbänden diskutie- das ist bereits angesprochen worden - besteht in ren. Auch uns als FDP-Fraktion ist daran gelegen, dieser Form seit 2006, allerdings ohne die ein- dass wir dort einen Konsens finden. fachgesetzliche Regelung. Da stellt sich natürlich die Frage, warum dieser Gesetzentwurf der CDU- In einem Punkt teile ich die Kritik des Kollegen Fraktion gerade jetzt vorgelegt wird, wenn man Schmidt an dem Gesetzentwurf ausdrücklich, näm- doch so lange Zeit dafür hatte. lich in der Frage, ob Fraktionen dieses Hauses unterschiedlich behandelt werden sollen. Ich glau- Der Kollege Meyer hat die Klage bzw. Klageandro- be, das, was die Unionsfraktion hier vorgeschlagen hung in Sachen Inklusion angesprochen. Gleich- hat, ist verfassungsrechtlich problematisch. zeitig hat er angesprochen, dass dazu bisher noch keine Rechtsprechung vorliegt. Dass keine Recht- (Maximilian Schmidt [SPD]: So ist es!) sprechung vorliegt, zeigt den Sonderfall von Nie- dersachsen. In Niedersachsen konnten wir uns Ich weiß nicht, ob wir als Fraktionen uns eine Ge- eben - auch unter der Vorgängerregierung - durch setzesfolgenabschätzung auferlegen sollten, wenn Verhandlungen bzw. außerhalb Bückeburgs eini- wir Gesetzentwürfe einbringen. Wir wissen doch gen. alle, dass wir in unseren Fraktionen dafür nicht die notwendigen Kapazitäten haben. Ansonsten müss- Das ist auch eine der Schwächen in Ihrem Ge- te der Landtag den Fraktionen ein Budget für zu- setzentwurf. Sie kopieren ja einige Artikel aus an- sätzliche Mitarbeiter zur Verfügung stellen. Also, deren Landesgesetzen. Als Diskussionsgrundlage hinter die Frage, ob das der richtige Weg ist, setze kann man das natürlich machen. Es wird aber der ich einmal ein Fragezeichen. Situation in Niedersachsen nicht ganz gerecht.

Das Wichtigste ist meines Erachtens aber, dass In der Vergangenheit ist man beispielsweise beim die Fraktionen dieses Hauses gleichbehandelt Krippenausbau auch zu einer Einigung mit den werden. Wenn die Landesregierung dann auf die Kommunen gekommen. Ich bin mir eigentlich si- Idee kommen sollte, über die sie tragenden Frakti- cher, dass wir bei der Frage der Inklusion ebenfalls onen einen Gesetzentwurf einzubringen, bei dem zu einer Einigung kommen werden. Seit zwei Jah- die Gesetzesfolgenabschätzung in Sachen Konne- ren, nämlich seit dem Gesetz der schwarz-gelben xität nicht erfolgt ist, können Sie sicher sein, dass Landesregierung aus dem Jahr 2012, wird die es eine Opposition geben wird, die das auch auf Diskussion geführt. Das Kultusministerium hat sig- die Tagesordnung setzen wird. nalisiert, dass man die Konnexität hier durchaus sieht In diesem Sinne freue ich mich auf interessante (Ulf Thiele [CDU]: Das hat keiner ge- Beratungen im Ausschuss. sagt!) Danke. und dass man eventuell zu einer Regelung wie in Nordrhein-Westfalen kommen kann. (Beifall bei der FDP und bei der CDU)

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Wir haben außerdem von Ihnen gehört - das neh- Wir können dennoch zunächst eines festhalten: me ich Ihnen auch ab -, dass Sie Interesse an den Das Konnexitätsprinzip als solches hat sich be- Kommunen in Niedersachsen haben. Dann wäre währt. es für die CDU-Fraktion natürlich wichtig, wenn sie schon über die Landesgrenzen hinausblickt, auch (Beifall bei der SPD, bei der CDU und nach Berlin zu schauen; denn auf Bundesebene bei den GRÜNEN) hat sich die an der Großen Koalition beteiligte CDU Es schärft das Kostenbewusstsein auf allen Seiten, in der Bundesregierung in Fragen der kommunalen sorgt für mehr Transparenz und zahlt sich vor al- Interessen eher als lähmend erwiesen. Das gilt lem finanziell aus. Jedes Jahr zahlt das Land rund gerade beim Bundesteilhabegesetz. Die Zahlung 130 Millionen Euro an die Kommunen, und zwar von jährlich 5 Milliarden Euro soll frühestens 2018 allein aufgrund des Konnexitätsgrundsatzes. kommen. Bis dahin wurde sie aufgeschoben. Das ist leider viel zu spät für die Kommunen. Ab 2015 Ich finde diese Summe zunächst einmal beacht- soll es als Trost jährlich 1 Milliarde Euro geben. lich. Das zeigt uns, dass das Land seinen Ver- Das ist ein sehr geringer Trost für die Kommunen. pflichtungen nachkommt und dass die kommuna- len Finanzen damit wirksam geschützt werden. Deshalb wäre die Bundesebene auch die richtige Adresse für Ihre Anliegen. Dennoch möchten wir Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Ge- uns einer Debatte hier im Landtag und im Aus- setz zur Ausgestaltung des Konnexitätsprinzips schuss nicht verschließen. Ich freue mich auf die könnte natürlich für mehr Rechtssicherheit sorgen, Debatte im Ausschuss und hoffe auf weitere gute weil eben nicht alle Einzelheiten geregelt sind. Ihr Argumente. Gesetzentwurf, meine Damen und Herren von der Vielen Dank. CDU, geht aber leider an der Praxis in unserem Land vorbei. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD sowie Zustimmung bei der CDU) Die Erfahrungen aus den letzten Jahren, auch unter Ihrer Landesregierung, zeigen doch vor al- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: lem eines: Die Verfahrensfragen, die Sie mit Ihrem Gesetzentwurf überwiegend aufgreifen und zu Vielen Dank, Herr Kollege Onay. - Für die Landes- regeln glauben, waren zwischen Land und Kom- regierung hat jetzt Herr Innenminister Pistorius das munen in der Vergangenheit kein wirklicher Streit- Wort. punkt. In dieser Frage wurde man sich eigentlich Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport: immer einig. Übrigens wird auch die angekündigte bzw. jetzt erhobene Klage in Bückeburg nicht des- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und halb erhoben, weil die Beteiligten sich über Verfah- Herren! Das Konnexitätsprinzip ist seit dem Jahr rensfragen uneinig wären. Ihr Gesetzentwurf greift 2006 - wir haben es gehört - in der Niedersächsi- aber nicht nur die falschen Schwerpunkte auf, schen Verfassung verankert. Ich bin sicher - ich sondern Sie haben es sich leider auch viel zu ein- denke, Sie auch -, dass wir alle seine Leitidee für fach gemacht. Sie haben - so kommt es mir vor - selbstverständlich halten und ihr zustimmen: Wer einfach aus den einzelnen Regelungen anderer bestellt, soll auch bezahlen. Länder ein paar übernommen und abgeschrieben. Die Praxis zeigt allerdings seit 2006, dass die Sa- Es fängt schon mit § 1 an. Sie wiederholen hier che - wie sollte es auch anders sein; es geht schlichtweg die Verfassungsregelung mit anderen schließlich um Geld - nicht so einfach ist, wie sie Worten. Die wirklich strittigen Fragen der Anwen- auf den ersten Blick erscheint. Die Schwierigkeiten dung bleiben aber unangetastet. liegen auch hier, wie so oft, im Detail. Das Konnexitätsprinzip ist als verfassungsrechtli- Zu Ihrem § 2 ist anzumerken, dass insbesondere cher Grundsatz notwendigerweise abstrakt gehal- bei der Kostenfolgenabschätzung im Personalbe- ten. Es bedarf daher immer der Konkretisierung im reich, also dem normalerweise größten Kostenan- Einzelfall. teil, pauschale Prognosen und Schätzungen vor- gesehen sind. Das ist viel zu unkonkret und des- Es fehlt in weiten Teilen an landesverfassungsge- wegen sehr unglücklich, weil gerade bei den Per- richtlicher Rechtsprechung, sodass die Beurteilung sonalkosten erfahrungsgemäß nun einmal sehr von Kostenlasten natürlich auch immer Ausle- gründlich mit der Kostenfolgenabschätzung gear- gungssache ist und unterschiedlich bewertet wird. beitet werden muss. Eine sachliche Begründung

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bei pauschalierten Prognosen reicht hier eben Vielen Dank. gerade nicht aus. (Beifall bei der SPD und bei den Nächstes Beispiel: § 6 stellt eine einzelfallbezoge- GRÜNEN) ne Abkehr von der üblicherweise pauschalierten finanziellen Abgeltung dar, sofern die betroffene Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Kommune „unabweisbare und wesentliche weiter- Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Weitere gehende Mehrbelastungen“ hat. Wer aber über Wortmeldungen liegen uns nicht vor. Wir sind am diese sogenannte „Unabweisbarkeit“ befindet, Ende der ersten Beratung angelangt. bleibt völlig unklar. Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Meine Damen und Herren, allein diese wenigen Beispiele zeigen, dass Ihr Gesetzentwurf nicht nur Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, federführend den an der niedersächsischen Praxis vorbeigeht, son- Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen und dern darüber hinaus auch - verzeihen Sie es mir - mitberatend die Ausschüsse für Inneres und Sport handwerklich schlecht gemacht ist. Ich könnte sowie für Haushalt und Finanzen mit dem Gesetz- weitere Paragrafen nennen. Ich erspare uns allen entwurf zu befassen. Wer dem zustimmt, den bitte das aber; denn es wird schon bis hierhin deutlich, ich um ein Handzeichen. - Das waren deutlich dass es Ihnen im Grunde genommen eben gar mehr als 30 Abgeordnete. Die Ausschussüberwei- nicht darum geht, zu einer einvernehmlichen Lö- sung ist so beschlossen worden. sung konnexitätsrelevanter Sachverhalte beizutra- Wir kommen dann zu dem gen. Sie zielen vielmehr darauf ab - das ist zumin- dest mein Eindruck -, Stimmung zu machen, und zwar im Windschatten der Klage bezüglich der Tagesordnungspunkt 10: Inklusion an niedersächsischen Schulen vor dem Abschließende Beratung: Staatsgerichtshof in Bückeburg. Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des Transplantationsgesetzes endlich einführen - (Beifall bei der SPD und bei den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU) Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/1620 - Be- Das Problem ist nur, meine Damen und Herren, schlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, dass diese Effekthascherei niemandem weiterhilft, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration - dem Land genauso wenig wie den Kommunen. Ihr Drs. 17/1716 Gesetzentwurf trägt rein gar nichts zur Klärung der in Bückeburg zu verhandelnden Fragen bei. Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag unver- (Björn Thümler [CDU]: Das ist falsch!) ändert anzunehmen. Das Zusammenschustern anderer Verfahrensrege- Auch hier ist keine Berichterstattung vorgesehen. lungen liefert eben keine Antworten auf die schwie- rigen verfassungsrechtlichen Fragen, die hier be- Wir treten in die Beratung ein. Für die Antragsteller handelt werden. spricht als Erster der Kollege Uwe Schwarz von der SPD-Fraktion. Ich kann deshalb nur an Sie appellieren, sich bei zukünftigen Gesetzesinitiativen dieser Art mit den Uwe Schwarz (SPD): Fachleuten in Verbindung zu setzen und sich an- zuhören, wie sinnvolle Regelungsmaterien ausse- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit hen können. Jahrzehnten bemühen sich die Parteien partei- übergreifend, Maßnahmen zu finden, um die Be- Ich kann Sie als Kommunalminister nur ermuntern, reitschaft zur Organspende in Deutschland zu mit den kommunalen Spitzenverbänden über die erhöhen. Begriffe wie „Zustimmungslösung“, „Wi- praktische Umsetzung des Konnexitätsprinzips derspruchslösung“ oder „Informationslösung“ stan- auch zukünftig in den partnerschaftlichen Dialog zu den dabei für die diskutierten Ansätze. treten. Das bietet die Chance, sich mit fachkundi- gen Beiträgen einzubringen und zu einer rechtssi- Dann hat es in Deutschland in einem ersten Ge- cheren, hilfreichen Anwendung des Konnexitäts- setz des Bundes 1997 die Entscheidung gegeben, prinzips beizutragen. Das wäre wirklich im Interes- die sogenannte Informationslösung festzuschrei- se unserer Kommunen. ben, d. h. ein Instrument, das die Bereitschaft zur Organspende durch umfassende Aufklärung und

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Information erhöhen soll. Das Gesetz ist 2012 wird, dann wird dieses kein Allheilmittel werden. novelliert worden. Aber es kann hoffentlich ein wichtiger Baustein werden, die Spendenbereitschaft in Niedersachsen Wir müssen leider feststellen, dass daraus erkenn- und auch im Bund zu erhöhen. Es kann ein Beitrag bare Erfolge bislang nicht entstanden sind. Nach dazu sein, die Situation von schwerstkranken wie vor warten über 12 000 Menschen auf ein Menschen zu verbessern und gegebenenfalls ihr Spenderorgan. 1 000 Menschen sterben jährlich, Leben zu retten. weil kein Spenderorgan rechtzeitig zur Verfügung stand. In diesem Sinne empfehlen wir aus dem Sozial- ausschuss Ihnen, diesen Antrag anzunehmen. Ich Fast jedes Thema, das uns zwingt, sich mit den bitte um Zustimmung und hoffe, dass die Landes- Folgen des eigenen Todes zu beschäftigen, wird regierung unserer Bitte dann relativ schnell nach- von vielen Menschen zum Tabuthema erklärt. Da kommen kann. laufen dann auch Aufklärungskampagnen relativ schnell ins Leere. Hinzu kommen mangelnde (Beifall) Transparenz und Angst vor Missbrauch. Das sind weitere gewichtige Hinderungsgründe. Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. - Für die CDU- Nach den - ich sage es an dieser Stelle ganz deut- Fraktion hat jetzt die Abgeordnete Petra Joumaah lich - kriminellen Machenschaften einzelner Akteu- das Wort. re vor einigen Jahren, als Patienten auf der Warte- liste vorgezogen worden sind, ist die Spendenbe- Petra Joumaah (CDU): reitschaft in Deutschland trotz aller Bemühungen weiter gesunken. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, wie viele, wie unglaublich Mit der heutigen Entschließung empfiehlt der Sozi- viele Menschen dringendst ein lebensrettendes alausschuss einstimmig, ein Transplantationsaus- Spenderorgan benötigen. Wir alle beobachten - führungsgesetz in Niedersachsen auf den Weg zu mein Vorredner hat es schon erwähnt - mit Sorge bringen, um so insbesondere eine stärkere Einbin- die nachlassende Organspendebereitschaft poten- dung der Krankenhäuser in den Prozess der Or- zieller Spender, was sich zum einen aus sehr per- ganspende - vor allem die konsequente Umset- sönlichen Gründen - durchaus auch Ängsten - zung der Meldepflicht - zu erreichen. ergibt und zum anderen auch, weil sie das Ver- trauen in die Transplantationsmedzin verloren Nach dem Bundesrecht ist es eindeutig Aufgabe haben. der Länder, die Qualifizierung und Freistellung von Transplantationsbeauftragten zu regeln. Die Deut- Beidem muss entgegengewirkt werden: zum einen sche Stiftung Organtransplantation hat mehrfach durch zusätzliche Regelungen in einem Landesge- darauf hingewiesen, dass in Niedersachsen ein setz, aber auch weiterhin durch intensivste Aufklä- solches Gesetz fehlt. In der vergangenen Legisla- rung und Information. Die Organspendebereit- turperiode hat der Landtag die Landesregierung schaft muss wieder erhöht werden. Deshalb stim- zweimal aufgefordert, ein solches Gesetz vorzule- men wir dem vorliegenden Antrag natürlich zu. gen. Das ist heute, meine Damen und Herren, der (Beifall bei der CDU und bei der FDP) dritte Versuch. Natürlich herrscht Einvernehmen bei der Beurtei- Gleichzeitig wird die Landesregierung gebeten, lung, dass aufgrund der sexuellen Orientierung sich für den Abbau diskriminierender Regelungen auch im Bereich der Organspende keinerlei Dis- in Bezug auf Organspenden einzusetzen, z. B. kriminierung stattfinden darf. Das haben wir hier im diskriminierende Regelungen gegen homosexuelle Plenum schon beim Thema der Blut- und Kno- Männer - eine Regelung, die weder hilfreich noch chenmarkspende ausführlich erörtert. zeitgemäß ist. Lassen Sie mich noch eine Anmerkung zum drän- (Zustimmung bei der SPD, bei den genden, ein wenig ungeduldigen Wort „endlich“ in GRÜNEN und bei der FDP) Ihrem vorliegenden Antrag machen. Hätten Sie Ich will an dieser Stelle eines deutlich sagen: gleich einen Gesetzentwurf vorgelegt, hätten wir Wenn jetzt im dritten Versuch durch die neue Lan- unter Umständen viel Zeit einsparen können. desregierung der Entwurf eines entsprechenden Vielen Dank. Ausführungsgesetzes für Niedersachsen vorgelegt

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(Beifall bei der CDU und bei der FDP) (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Vielen Dank, Frau Kollegin. - In der Beratung geht Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: es mit dem Abgeordneten Thomas Schremmer für Auch Ihnen sage ich Danke schön, Herr Kollege die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen weiter. Sie Schremmer. - Für die FDP-Fraktion hat die Abge- haben das Wort, Herr Kollege. ordnete Sylvia Bruns das Wort.

Thomas Schremmer (GRÜNE): Sylvia Bruns (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen Die Verwendung des Worts „endlich“ ist - wenn ich und Herren! Seit den Skandalen um die Manipula- das von hier vorne aus einmal so sagen darf - tion bei der Organvergabe ist die Spendebereit- nach zehn Jahren, glaube ich, nicht so unberech- schaft in Deutschland deutlich zurückgegangen. tigt. Verzeiht uns also, dass wir das so formuliert Nach dem bislang historischen Tief im letzten Jahr haben. Ich denke, es geht trotzdem. ist die Spenderzahl im März dieses Jahres weiter Ich begrüße für meine Fraktion den Antrag auf auf 204 gesunken. In Deutschland hingegen war- Einführung eines Ausführungsgesetzes sehr, ins- ten 11 000 schwer erkrankte Menschen auf ein besondere weil der Fokus auf Qualifizierung von Spenderorgan. Alle acht Stunden stirbt einer, weil Transplantationsbeauftragten und Melderegister ihm kein Organ zur Verfügung gestellt wurde. Dar- gelegt wird. Ich möchte aber auch zum Ausdruck an wird deutlich: Handlungsbedarf besteht drin- bringen, dass trotz der großen Bereitschaft vieler gend. Der Antrag der Regierungsfraktionen ist ein Menschen, Organe zu spenden, im Grunde die guter Baustein, um die Spendenbereitschaft in der wesentliche Voraussetzung, nämlich das Vertrau- Bevölkerung zu erhöhen. Hier sind länderübergrei- en in das System, weiterhin im Prinzip geschmälert fende Konzepte und bundesweit eine konzertierte ist. Ich glaube, das persönliche Sicherheitsgefühl Aktion gefragt. - da kann ich mich einschließen; z. B. auch Ärztin- nen und Ärzte sowie Pflegekräfte sagen genau Wir haben schon über die Diskriminierung bei der dasselbe - ist im Augenblick noch nicht groß ge- Blutspende gesprochen. Das ist natürlich auch nug, um sich grundsätzlich bereit zu erklären, um- immer ein Thema bei der Organspende. Deswe- fänglich Organe zu spenden. Das liegt aus meiner gen begrüßen wir es außerordentlich, dass sich Sicht und aus Sicht der Fraktion Bündnis 90/Die auch das in dem Antrag wiederfindet. Es darf bei Grünen daran, dass wir privatrechtlichen Stiftun- der Organspende keine Organe erster und zweiter gen insbesondere die Hoheit über die Organisation Klasse geben. Auch dies findet sich in dem Antrag des Transplantationswesens geben. Die Prüfungs- wieder. und Überwachungskommission, die bei den Kos- (Zustimmung von Thomas Schrem- ten- und Leistungsträgern eingerichtet worden ist, mer [GRÜNE]) hat Probleme, transparent und nachvollziehbar zu arbeiten und Berichte zu schreiben. Das sind min- An dieser Stelle möchte ich bezüglich der Diskri- destens schwierige Probleme, die dazu führen, minierung auf eine weitere Baustelle aufmerksam dass man in der Öffentlichkeit noch nicht so weit machen, und zwar auf die Knochenmarkspende, ist, eine Organspendebereitschaft sozusagen mit bei der es ähnliche Diskriminierungen gibt. Auch seiner individuellen Möglichkeit zu versehen. hier müssen wir uns auf den Weg machen. Insofern bleibt aus unserer Sicht festzuhalten, dass Persönlich würde ich noch gerne auf die neue Kampagnen, wie sie im Bundesgesundheitsminis- Kampagne „Pro Organ“ aufmerksam machen, die terium gemacht werden und wie wir sie hier ma- mir tatsächlich völlig aus der Seele spricht. Reden chen, sicherlich wichtig sind. Aber sie sind bei alleine hilft nicht, sondern es muss gehandelt wer- Weitem nicht genug. Die Einführung eines Ausfüh- den. Ich selbst habe vor 27 Jahren - makaberer- rungsgesetzes ist überfällig. Ein solches Gesetz weise zum Motorradführerschein - einen Organ- wäre ein guter Baustein, um Vertrauen zurückzu- spendeausweis geschenkt bekommen. Ich hoffe, gewinnen. Ich bitte Sie daher, dem Antrag zu fol- Sie alle gehen mit gutem Beispiel voran und haben gen. ihn in der Tasche.

Vielen Dank. Vielen Dank.

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(Beifall bei der FDP und bei der CDU Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz sowie Zustimmung bei der SPD und arbeiten. bei den GRÜNEN) In den letzten Wochen und Monaten waren wir nicht untätig. Wir haben z. B. bereits gemeinsam Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: mit der Krankenhausgesellschaft dafür gesorgt, Das sollten nicht nur Motorradfahrer tun, sondern dass sich über 100 Krankenhäuser in Niedersach- alle Verkehrsteilnehmer. Das wollte ich als Nicht- sen als Entnahmekliniken gemeldet haben, sodass motorradfahrer noch ergänzen. Auch Autofahrer schon die ersten Voraussetzungen gegeben sind. sollten ihn dabei haben. Es sind viele Dinge zu regeln, auch die Kosten- problematik bei Freistellungen. Uns wird dieser (Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: gemeinsame Antrag eine große Hilfe sein. Ich bin Fußgänger auch!) mir ganz sicher, dass wir nicht weitere zehn Jahre Frau Ministerin Rundt, Sie haben jetzt für die Nie- untätig sein werden, sondern wir werden handeln. dersächsische Landesregierung das Wort. Bitte (Beifall bei der SPD und bei den schön! GRÜNEN) Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Gesund- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: heit und Gleichstellung: Vielen Dank, Frau Ministerin Rundt. - Weitere Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Wortmeldungen liegen zu diesem Tagesordnungs- Herren! Am 7. Juni dieses Jahres war der „Tag der punkt nicht vor. Daher sind wir am Ende der zwei- Organspende“. Nur wenige Tage später haben die ten Beratung und treten in das Abstimmungsver- Regierungsfraktionen von SPD und Bündnis fahren ein. 90/Die Grünen einen Entschließungsantrag zur Vorlage eines Niedersächsischen Ausführungsge- Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses setzes zum Transplantationsgesetz gestellt. Dieser folgen und damit den Antrag der Fraktion der SPD Antrag kann nur von Herzen begrüßt werden. Ich und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der sehe auch, dass alle Fraktionen mit diesem Antrag Drucksache 17/1620 unverändert annehmen will, ein gemeinsames, deutliches und positives Signal den bitte ich um das Handzeichen. - Ich frage nach setzen werden; denn - wie bereits erwähnt - sinkt Gegenstimmen. - Die sehe ich nicht. Enthaltun- im Moment noch die Bereitschaft zur Organspen- gen? - Ebenfalls nicht. Sie haben einstimmig so de. In Niedersachsen ist die Zahl der transplantier- beschlossen. Vielen Dank. ten Organe nach postmortaler Organspende von Wir kommen dann zu dem 267 im Jahr 2010 auf 226 im Jahre 2013 zurück- gegangen. Das ist tragisch, weil es bei den meis- ten Patientinnen und Patienten auf der Warteliste Tagesordnungspunkt 11: um schlicht nichts anderes als um Leben oder Tod Erste Beratung: geht. Da es um Leben oder Tod geht, ist es ein Gänsemonitoring und -management in Nieder- unglaublich wichtiges Zeichen, dass der Sozial- sachsen - Antrag der Fraktion der SPD und der ausschuss dem vorliegenden Antrag einstimmig - Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/1757 wenn auch bei Abwesenheit der FDP - zugestimmt hat. Mit dem Ausführungsgesetz soll dem Vertrauens- Mir liegt zurzeit eine Wortmeldung vonseiten der verlust in der Bevölkerung durch transparente Pro- Antragsteller vor. Das Wort hat der Kollege Wiard zesse entgegengetreten werden. So soll dem Siebels, SPD-Fraktion. Mangel an Organspenderinnen und Organspen- dern begegnet werden. In dem Gesetz sind alle Wiard Siebels (SPD): relevanten Bereiche zur landesrechtlichen Organ- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und spendeproblematik zu bündeln. Das Gesetz soll Herren! Schon seit Jahren schwelt ein Konflikt der Bevölkerung, insbesondere aber auch den im zwischen Jägern, Landwirten und auch dem Na- Gesundheitswesen damit befassten Mitarbeiterin- turschutz, der sich insbesondere in Gebieten wie nen und Mitarbeitern Orientierung geben und Sig- Ostfriesland bemerkbar macht, weil die Landstri- nalwirkung für sie sein. Wir werden also mit großer che dort sehr stark von Gänsepopulationen heim- Sorgfalt und Zielstrebigkeit an dem Entwurf für ein gesucht werden. Auch die von der vormaligen

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Landesregierung vorgenommene Änderung der eher höheren Reproduktionsrate als bei Populatio- Jagdzeitenverordnung aus Mai 2008 hat an die- nen, die nicht bejagt werden, sind zu klären. Dabei sem Konflikt nichts verändern können, ihn nicht geht es natürlich auch - das lässt sich nicht ganz befrieden können, sondern sozusagen eher noch ausblenden, auch wenn es nicht direkt in den An- zu einer Verstärkung dieser Auseinandersetzung trag hineinspielt - um die Veränderungen der beigetragen. Jagdzeitenverordnung, die die neue Landesregie- rung jetzt vornehmen will, vornehmen wird. In der Dabei geht es uns jetzt darum, gemeinsam, wis- Tat ist auch zu untersuchen, inwieweit sich bei- senschaftlich begleitet, untersuchen zu lassen, spielsweise die Einführung der Intervalljagd auf welche Auswirkungen die Jagd tatsächlich auf die alle diese Fragen auswirkt. Entwicklung der Populationen, beispielsweise von Graugänsen, hat. Die bisher übereinstimmende Das soll es von mir zur Einleitung gewesen sein. Einschätzung in dieser Frage ist, dass die Beja- Ich habe versucht, zunächst einmal das Problem- gung eher eine nachrangige Auswirkung hat. Es feld zu beschreiben, und ich denke, es sollte unser geht auch um die Frage, ob andere, nicht bejagte gemeinsames Ziel sein, nicht in den nächsten zehn Arten durch die Störung, die durch die Jagd im Jahren genauso über die Frage eines Enddatums Allgemeinen ausgelöst wird, betroffen sind und, bei der Jagdzeitenverordnung zu streiten und zu- wenn ja, in welcher Weise. An dieser Stelle besteht nächst zu verkürzen, um im nächsten Atemzug schon weniger Konsens. Diese Frage ist zwischen möglicherweise wieder zu verlängern. Mein An- den verschiedenen Gruppen hoch umstritten. Es spruch wäre vielmehr, dass wir alle beteiligten geht um die Frage, welche Auswirkungen Jagd Gruppen, die ich geschildert habe - das betrifft die beispielsweise auf Fluchtstrecken, also Fluchtdis- Landwirte genauso wie die Naturschützer, und es tanzen der Tiere hat. Und es geht natürlich betrifft eben auch die Jägerschaft -, an einen Tisch auch - - - holen (Lutz Winkelmann [CDU] meldet sich (Martin Bäumer [CDU]: Das geschieht zu einer Zwischenfrage) doch schon!)

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: und dieses Problem möglichst im Konsens lösen. Das kann man, so denke ich, wenn man sich ge- Herr Kollege Siebels, ich darf Sie unterbrechen. - meinsam auf wissenschaftliche Erkenntnisse Es soll eine Zwischenfrage gestellt werden. Lassen stützt. Sie sie zu? In diesem Sinne darf ich mich für Ihre Aufmerk- Wiard Siebels (SPD): samkeit bedanken und freue mich auf eine wohl Im Moment nicht. Vielen Dank. sehr kontroverse Diskussion. (Beifall bei der SPD und bei den Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: GRÜNEN) Sie lassen keine Zwischenfragen zu. Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Wiard Siebels (SPD): Vielen Dank, Herr Kollege Siebels, für die Einbrin- Ich möchte erst im Zusammenhang vortragen, Herr gung. Sie können sich gleich bereithalten; denn Kollege. Wir haben ja heute die erste Beratung Sie haben gleich die Chance zu entscheiden, ob und werden das auch noch im Ausschuss diskutie- Sie antworten wollen. Es gibt auf Ihre Rede eine ren. Ich glaube, es gibt noch jede Menge Gele- Kurzintervention. Der Kollege Winkelmann von der genheit zur argumentativen Auseinandersetzung. CDU-Fraktion hat für 90 Sekunden das Wort. Auch der Widerspruch zwischen der Einrichtung von Schutzgebieten, den Entschädigungszahlun- Lutz Winkelmann (CDU): gen für die Landwirte einerseits und trotzdem einer Herr Präsident! Herr Kollege Siebels, was ich Sie möglicherweise sogar ausgeweiteten Bejagung habe fragen wollen und jetzt im Wege der Kurzin- andererseits ist aufzulösen. Die Frage der Auswir- tervention einbringe, ist Folgendes: Sie sprachen kungen auf die Wiesenbrüter, von denen wir wis- von nicht bejagbaren Gänsearten. Dabei ist mir sen, dass wir gemeinsam ein Problem bei der aufgefallen, dass in Ihrer Drucksache davon ge- Entwicklung von Wiesenbrütern in Niedersachsen sprochen wird, die Weißwangengans sei eine nicht haben, und auch die Frage einer möglicherweise bejagbare Art. Ich frage Sie: Wie kommen Sie

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dazu? - Die Weißwangengans wird auch Nonnen- Ernst-Ingolf Angermann (CDU): gans genannt. Die Population ist in den letzten Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den Jahren immens angestiegen. Der lateinische Name vergangenen Jahren hat die Gänsepopulation in ist übrigens Branta leucopsis, falls Sie das nachle- Niedersachsen enorm zugenommen. Allein in Ost- sen möchten. Die rot-grüne Landesregierung in friesland werden mehr als 100 000 Tiere gezählt. Schleswig-Holstein war so klug, zu Beginn dieses Große Schäden in Getreidebeständen bis hin zum Jahres, ab diesem Jahr, eine Jagdzeit für diese Totalabfraß sind festzustellen. Auch der für die bejagbare Gänseart einzuführen mit der Maßgabe, Milchviehfütterung wertvollste erste Schnitt von dass in Schadensgebieten gejagt werden darf. Grünland wird in vielen Fällen unbrauchbar, weil Meine Frage: Warum haben Sie diese Gänseart Gänse das Gras abfressen oder auch stark verko- als nicht bejagbar eingestuft? ten. Nur in wenigen Kernregionen der Schutzge- Danke. biete wird eine Entschädigung für die Schäden gezahlt. Überwiegend werden die Landwirte mit (Beifall bei der CDU) ihren Schäden im Stich gelassen. Auch wenn eine Entschädigung gezahlt wird: Was nutzt einem Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Milchviehhalter das Geld, wenn ihm anschließend das eingeplante Futter fehlt oder nicht gefressen So kann man das machen, Herr Kollege Winkel- werden kann, weil es verkotet ist? mann. Es ist absolut in Ordnung, die Zwischenfra- ge in eine Kurzintervention zu kleiden. (Beifall bei der CDU)

Der Kollege Siebels möchte antworten. Sie haben Da diese Entwicklung schon lange erkennbar war, für 90 Sekunden das Wort. Bitte schön! hat die alte Landesregierung 2008 eine Auswei- tung der Jagdzeiten verfügt. Das war ein richtiger Wiard Siebels (SPD): und wichtiger Schritt, um einer zunehmenden Aus- dehnung der Gänsepopulation entgegenzuwirken Herr Kollege, ich kann gar nicht genau sagen, ob und Folgeschäden zu reduzieren. ich von nicht bejagbaren Arten gesprochen habe, will das aber auch nicht ausschließen. Aber ich (Beifall bei der CDU) denke, wir sind uns doch einig, dass in der Jagd- In dem nun vorliegenden Antrag ist in der Begrün- zeitenverordnung zwischen den einzelnen Rassen dung zur Forderung eines Gänsemonitorings und eine Unterscheidung vorgenommen wird. -managements zu lesen: (Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Ar- „Zur Vermeidung eines übermäßigen Wild- ten!) schadens wäre die Jagd auf Gänse in Vo- Dabei gibt es Rassen, die bejagt werden, und an- gelschutzgebieten nur zu erlauben, wenn dere werden nicht bejagt. Die Frage ist, welche damit tatsächlich eine Minderung des Wild- Auswirkungen die Bejagung einer Art in einem schadens erreicht werden könnte. Das ist gemeinsamen Gebiet auf eine andere Art haben jedoch aufgrund der Tatsache, dass die kann. Das genau ist der Kern des Vorwurfs - wenn Gänseschäden seit der Ausweitung der ich es einmal so formulieren darf -, den wir aus der Jagdzeiten nicht abgenommen haben, empi- Richtung des Naturschutzes jeden Tag zu hören risch widerlegt.“ bekommen. Wie denn auch? - Seit 2008 hat die Gänsedichte zugenommen. Was wäre wohl geschehen, wenn Vielen Dank. die Jagdzeiten nicht ausgeweitet worden wären? (Beifall bei der SPD und Zustimmung Noch mehr Gänse und noch mehr Schäden? von Anja Piel [GRÜNE] - Zurufe von (Beifall bei der CDU) der CDU) Herr Minister Meyer, in dem Wissen, dass trotz Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Bejagung die Gänsepopulation zugenommen hat, wollen Sie jetzt die Jagdzeiten verändern und re- Damit sind Kurzintervention und Antwort abge- duzieren. Wie wird das aussehen? - Bisher vertei- schlossen, und es geht weiter mit dem Beitrag der len sich die Gänse auf einen gesamten Jagdbe- CDU-Fraktion. Für diese hat der Kollege Ernst- zirk. Zukünftig soll ein Jagdbezirk in zwei Blöcke, in Ingolf Angermann das Wort. A und B, aufgeteilt werden. A wird die ersten 14

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Tage des Monats bejagt, B wird in Ruhe gelassen. wollen, dann sorgen Sie zuallererst dafür, dass die Dann wird es umgekehrt sein. Dies hat zur Folge, Gänseschäden nicht weiter zunehmen! dass, wenn A bejagt wird, alle Gänse auf B sind (Beifall bei der CDU und bei der FDP) und dort in doppeltem Maße grasen und doppelten Schaden verursachen. In den anderen 14 Tagen Des Weiteren muss durch geeignete Lenkungs- wird es genau umgekehrt sein. maßnahmen erreicht werden, dass die Gänse die ausgewählten Vertragsnaturschutzflächen als (Beifall bei der CDU) Äsungsflächen auch wirklich annehmen und damit Die Folge insgesamt: Es werden weniger Tiere auf die übrigen Flächen verzichten, sodass dort geschossen, weil Gänse ja nicht dumm sind. Sie kein Flurschaden mehr entsteht. Hierzu gehört in wissen schon, wohin sie fliegen müssen und wo erster Linie eine gezielte Bejagung. sie Ruhe haben. Es wird genauso viel Schaden Die, die permanent behaupten, dass durch die entstehen, und im Winter darauf wird noch mehr Jagd die Schäden in der Landwirtschaft vergrößert Schaden entstehen, weil weniger Tiere geschos- werden, sollen die Realitäten erkennen. Weit über sen wurden. - Das kommt bei Ihrem jetzigen Ent- 1 Million Gänse verschiedener Arten sind im wurf heraus! Herbst an den Küstengewässern unseres Landes (Beifall bei der CDU) anzutreffen. Das heißt, von Oktober bis zum Früh- jahr des folgenden Jahres - zum Teil bis in den Wie viel Fraßschäden und Einkommensverluste April - sind sie auf Nahrungssuche. Das sind sechs sollen die betroffenen Landwirte denn noch ertra- Monate, in denen sie junge Getreidepflanzen auf gen? - Sie haben in Ihren Ausführungen zur sanf- den Äckern und Grasaufwuchs auf den Weiden ten Agrarwende betont, jeder Betrieb soll erhalten abgrasen können. Die Jagdzeit dauert allerdings bleiben. Das war Ihre Aussage. Wenn die Erträge vom 1. November bis zum 15. Januar, also zwei- durch Gänsefraß in den hier überwiegend famili- einhalb Monate. Der überwiegende Schaden ent- enbäuerlichen Betrieben, die Sie ja erhalten wol- steht in der jagdfreien Zeit, in der Ruhe herrscht. len, trotz eventueller Entschädigung nicht mehr Das Argument, dass die Jagd Fraßschäden in den auskömmlich sind, wenn die Viehhaltung an die Landwirtschaft verstärkt, ist damit widerlegt. Grenzen der Wirtschaftlichkeit kommt, dann sind Meine Damen und Herren, ich frage mich ernst- Existenzen betroffen. So weit darf es nicht kom- haft, was mit dem Monitoring erreicht werden soll. men, und dessen sollten Sie sich bewusst sein. Erstens. Informationen über das Verhalten der (Beifall bei der CDU) Gänse gibt es reichlich aus vorhandenen wissen- Was hilft hier ein Gänsemonitoring oder ein -mana- schaftlichen Studien. gement? Muss das, was lange bekannt ist, explizit Zweitens. Mögliche Unruhe durch Jagd besteht, für Ostfriesland nochmals wissenschaftlich ermittelt wenn überhaupt, nur kurze Zeit. werden? - Es gibt eine Vielzahl von Publikationen und Studien zum Thema Management von Gänse- Drittens. Jagdreduzierung ist auszuschließen. schäden, wie: „Vögel in der Kulturlandschaft - Stu- Sonst steigt die Population weiter - und damit die die zum Gänsemanagement“ von Hans-Georg von Fraßschäden. Campen, „Gänseschadenmanagement in Deutsch- (Beifall bei der CDU und Zustimmung land“, Alfred Toepfer Akademie, „Neubewertung bei der FDP) der Auswirkungen der Gänserast auf landwirt- schaftlich genutzten Grünflächen im Vogelschutz- Viertens. Die Förderprogramme, die Sie avisieren, gebiet Rheiderland“, 2010 erstellt vom NLWKN, werden zukünftig kaum zu finanzieren sein. Indem und weitere mehr. All das ist bekannt. Was soll Sie im Antrag „im Rahmen der verfügbaren Haus- also neu herauskommen? - Das Verhalten der haltsmittel“ schreiben, sagen Sie im Grunde schon, Gänse auf ihren Rast- und Futterplätzen ist hinrei- dass es eng werden wird mit der Finanzierung. chend wissenschaftlich ermittelt und dokumentiert, In der Summe habe ich den Eindruck: Hier soll mit und auch ohne Jagd. abgelenkt werden. Zum einen werden die Jagdzei- (Beifall bei der CDU) ten reduziert, um den Naturschutzverbänden ent- gegenzukommen - und die sind nicht einmal zu- Wenn Sie einen Ausgleich zwischen der Landwirt- frieden mit diesem Vorschlag. Zum anderen wird schaft, dem Vogelschutz und der Jagd schaffen den Landwirten mit dem Monitoring suggeriert,

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dass man Daten ermitteln möchte, um ihnen an- zahlreiche Arten, die man nicht in einen Pott schließend zu helfen. Genau das wird aber nicht schmeißen sollte. geschehen. Da ist erstens die Graugans. Ursprünglich bei uns Dieses Vorhaben ist überflüssig. Es wird zu noch heimisch, dann ausgerottet, wurde sie in den 70er- mehr Bewirtschaftseinschränkungen für die Betrie- Jahren erfolgreich - von der Jägerschaft im Übri- be in den betroffenen Regionen führen. Die Gän- gen - als Brutvogel wiederangesiedelt. sepopulation wird mit der von Ihnen angedachten Jagdzeitenreduzierung weiter zunehmen. Als zweite Gruppierung haben wir hier die wach- senden Brutbestände der eingeschleppten Kana- Wenn Sie, Herr Meyer, einen gerechten Ausgleich da- und Nilgänse. für alle Beteiligten erreichen wollen, dann belassen Sie die Jagdzeiten, und sorgen Sie jetzt dafür, Drittens gibt es die Gänsearten, um die es uns dass mit einem gemeinsamen Aktionsplan, auf- heute vor allem geht, die nordischen Gänse: bauend auf vorhandene Erfahrungen und Daten, Bläss-, Saat- und Weißwangen- sowie Zwerggän- eine Lenkung der Gänse erfolgt, weg von den se. Sie brüten in Sibirien und überwintern zum Teil landwirtschaftlichen Flächen bei uns, entlang der Küsten Norddeutschlands. (Beifall bei der CDU und Zustimmung Dabei handelt es sich um Arten, die internationa- bei der FDP) lem Schutz unterliegen. Die Nonnengans z. B. ist im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie streng ge- und hin zu den vorgesehenen Äsungsflächen, zu schützt. Bläss- und Saatgänse unterliegen als den Vertragsnaturschutzflächen! Nur so kann ein wandernde Arten gleichfalls dem besonderen gerechter Ausgleich unter allen Beteiligten erfol- Schutz der EU-Vogelschutzrichtlinie. gen. Meine Damen und Herren, wir erwarten wie selbst- Abschließend beantrage ich, diesen Antrag im verständlich, dass z. B. die Länder in Ostafrika ihre Landwirtschaftsausschuss zu beraten. Zebras, Gnus, Löwen oder Elefanten schützen, (Lebhafter Beifall bei der CDU) dass die nicht gejagt werden, dass das Span- nungsfeld zwischen Mensch und Natur auch ein- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: mal zugunsten der Natur entschieden wird. Wir Vielen Dank, Kollege Angermann. halten es für selbstverständlich, dass Menschen in Ostafrika ihre Nutzungsansprüche an der einen Der Ältestenrat hatte eine Überweisung an den oder anderen Stelle zurückstellen, um ihrer Ver- Umweltausschuss vorgesehen. Hier wurde eben antwortung für die Artenvielfalt gerecht zu werden. von der CDU-Fraktion beantragt, die Federführung Wir erwarten das von zum Teil wirklich bettelarmen dem Landwirtschaftsausschuss zu übertragen. Um Gesellschaften, in denen der Hunger zum Alltag das Abstimmungsverfahren zu vereinfachen, könn- gehört. ten sich die Parlamentarischen Geschäftsführer jetzt vielleicht kurzschließen. Ich hätte gerne eine (Beifall bei den GRÜNEN) Rückmeldung, damit wir das möglichst nicht kon- trovers abstimmen müssen. Im Gegensatz zu diesen Gesellschaften sind wir reich, zugegeben. Die Nutzungskonflikte jedoch Jetzt hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ähneln sich. Bei uns geht es nicht um Elefanten, der Abgeordnete Volker Bajus das Wort. natürlich nicht. Bei uns geht es um Nonnen- und Zwerggänse. Volker Bajus (GRÜNE): Über die Federführung - das finde ich gut - könn- Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: ten die Gänse auch selbst entscheiden. Herr Kollege Bajus, ich darf Sie unterbrechen. Herr (Heiterkeit bei den GRÜNEN) Kollege Dammann-Tamke möchte Ihnen eine Zwi- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und schenfrage stellen. Lassen Sie die zu? Herren! Gans ist nicht gleich Gans. Sie begegnet uns in unserer Alltagskultur vor allem als Nutztier, Volker Bajus (GRÜNE): gerne auch als Glücksbringer oder manchmal als Wir können es einmal versuchen. Ich rede hier für Fabelwesen. Das ist dann allerdings regelmäßig den Kollegen - - - nur die klassische Hausgans. Tatsächlich gibt es

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Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Dagegen argumentiert die andere Seite, dass die Sie müssen das jetzt nicht kommentieren. Sie ha- Gänse durch vermehrte Jagd scheuer würden und ben die Frage zugelassen. Wir schalten das Saal- sich dadurch auf wenige Flächen konzentrieren mikrofon ein. Bitte, Herr Dammann-Tamke! würden, was die Schäden insgesamt eher erhöhen würde. Helmut Dammann-Tamke (CDU): Die frühere Landesregierung hat es versäumt, Herr Kollege Bajus, ist Ihnen bekannt, dass die diesen Konflikt zu versachlichen und zu lösen. europäische Vogelschutzrichtlinie ausdrücklich (Björn Thümler [CDU]: Das ist falsch!) auch die Nutzung der Vogelarten vorsieht und sich aus der Vogelschutzrichtlinie überhaupt nicht er- Wir gehen dieses Thema jetzt an, und wir wollen gibt, dass diese Nutzung in irgendeiner Form un- diesen Konflikt dauerhaft lösen. terbunden werden müsste, auch nicht für nordi- (Björn Thümler [CDU]: In die falsche sche, ziehende Arten? Richtung!) (Beifall bei der CDU) Unser Ziel ist es, einen Interessenausgleich zu erzielen, Volker Bajus (GRÜNE): (Björn Thümler [CDU]: Wie soll das Lieber Kollege Dammann-Tamke, wo ist eigentlich gehen?) der ganz große Konflikt? - Dieser Antrag soll dazu dienen, mehr Wissen zu schaffen - von mir aus der sowohl den europäischen Schutzanforderun- auch Wissen für die grüne Seite. gen als auch der landwirtschaftlichen Nutzung gerecht wird. Wir brauchen eine grundlegende Befriedung die- ses Konfliktes. Was Sie betreiben, ist aber nach (Björn Thümler [CDU]: Das ist schwie- wie vor eine Polarisierung. Das ist mir völlig unbe- rig!) greiflich. Wir brauchen endlich gemeinsame Ant- Dazu wollen wir ein wissenschaftliches Gänsemo- worten auf die Konfliktfragen. nitoring durchführen und parallel einen Arbeitskreis (Beifall bei den GRÜNEN) aus Jägern, Landwirten und Naturschützern ein- richten, der insbesondere die tatsächlichen Aus- Insofern verstehe ich nicht, warum Sie hier weiter wirkungen der Jagd auf die Rastvögel und ihr Ver- polemisieren müssen. halten und die Auswirkungen auf die Landwirt- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der schaft intensiv begleitet. SPD) (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- Natürlich haben wir - genau wie die von mir eben stimmung bei der SPD) zitierten Länder - eine Verantwortung auch gegen- Ziel dieser Maßnahmen, meine Damen und Herren über den Betroffenen, gegenüber den Landwirten, auch von der CDU, ist, einen Konsens zwischen die von Fraßschäden betroffen sind. Wir haben unterschiedlichen Interessengruppen zu erzielen, also eine doppelte Verantwortung. Der müssen wir neue Möglichkeiten des Gänsemanagements zu gerecht werden. entwickeln und Empfehlungen für künftige Förder- (Beifall bei den GRÜNEN) programme - auch zugunsten der Landwirtschaft - zu geben. Deswegen gibt es auf der einen Seite Einschrän- kungen für die Bejagung der Gänse und auf der Unabhängig davon wollen wir natürlich weiterhin anderen Seite Ausgleichszahlungen im Rahmen die erheblichen Schäden, die einzelnen Landwirten des Vertragsnaturschutzes. Das ist selbstverständ- durch Rastspitzen entstehen, kompensieren. lich. Die Landwirte müssen eine Kompensation (Unruhe bei der CDU - Glocke des erhalten, wenn sie Schäden erleiden. Präsidenten) Die Konflikte zwischen Landwirten, Jägern und Darüber hinaus wollen wir prüfen, soweit es haus- Naturschützern liegen doch darin begründet, dass haltsmäßig darstellbar ist, die Kompensation auf die eine Seite der anderen Seite nicht glaubt. Die das Grünland auszuweiten. Denn erhebliche Prob- Ausweitung der Jagd, sagt die eine Seite, reduzie- leme treten nicht nur auf dem Ackerland, sondern re den Bestand und damit die Schäden; wir haben auch auf dem Grünland auf. es gerade wieder von Herrn Angermann gehört.

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(Zustimmung bei den GRÜNEN) (Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir sind sicher, dass nur durch diese konstruktive, (Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- auf Dialog und wissenschaftlichen Untersuchun- nimmt den Vorsitz) gen beruhende Vorgehensweise die Konflikte an der Küste angegangen und versachlicht werden Vizepräsident Karl-Heinz Klare: können. Es wäre in der Tat gut, wenn Sie uns da- Herr Bajus, bitte schön! bei zumindest begleiten würden, auch wenn Sie glauben, Sie wüssten bereits alles und deswegen gebe es gar keinen Konflikt. Geben Sie doch zu- Volker Bajus (GRÜNE): mindest zu: Es gibt einen Konflikt, der gelöst wer- Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und den muss. Den werden Sie nicht lösen, indem Sie Herren! Vielen Dank, Herr Angermann, für die sich weiter in Ihre Bänke zurückziehen und pole- Möglichkeit, hierzu noch einmal Stellung nehmen misieren. Den werden wir nur durch besseres Wis- zu können. Ich glaube, um Konflikte zu lösen, sen gemeinsam lösen können. (Zurufe von Helmut Dammann-Tamke Vielen Dank. [CDU])

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der ist gegenseitiges Zuhören, Herr Dammann-Tamke, SPD) die erste Voraussetzung.

Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann: Ich glaube, ich habe eben in meiner Rede - die ich im Übrigen tatsächlich für unseren naturschutzpoli- Auf die Rede des Kollegen Bajus gibt es eine Kurzintervention von Herrn Angermann, CDU- tischen Sprecher Herrn Janßen führe, der heute Fraktion. Sie haben für 90 Sekunden das Wort. nicht so mobil ist und sich deshalb entschuldigt - deutlich gesagt, dass Rastspitzenentschädigung Ernst-Ingolf Angermann (CDU): auch Teil des Vertragsnaturschutzes ist. Da wer- den genau diese Fragen kompensiert. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bajus, genau so, wie Sie eben ausgeführt haben, Ich habe darüber hinaus auch erklärt, Herr Anger- habe ich mir das vorgestellt. mann, dass wir prüfen - die zentrale Frage haben Sie ja schon beantwortet, dass wir nur deswegen Sie sprechen von Entschädigungen für die Land- prüfen können, weil wir nicht beliebig viel Geld zur wirte. Diese Entschädigungen werden aber im Verfügung haben -, inwiefern man das auf Grün- Rahmen des Kooperationsprogramms Natur- land ausweiten kann. Die Frage ist, was man schutz, Teilbereich Nordische Gastvögel, gezahlt. nachher haushalterisch machen kann. Aber das ist Das heißt, sie werden dafür gezahlt, dass die Be- in der Tat auch eine Frage, was für die Schäden, triebe ihre Flächen minder bewirtschaften können. die entstehen, angemessen ist. Sie müssen den Schnitt später legen, sie dürfen die Flächen erst später schleppen, und sie dürfen Lassen Sie uns diese Fragen doch gemeinsam auch erst später mit mineralischem bzw. organi- klären! Sie haben es in der Vergangenheit ja auch schem Dünger düngen. Das ist eine Entschädi- nicht geschafft, dieses Problem einfach mal eben gung dafür, dass sie weniger ernten, und keine so haushalterisch abzubilden. Wir wollen gemein- Entschädigung für die Fraßschäden! sam mit Ihnen herausfinden, wie das am besten (Beifall bei der CDU und bei der FDP - geht. Verweigern Sie sich nicht von Anfang an! Es Björn Thümler [CDU]: Eben!) wäre schön, Sie und Ihren Sachverstand an unse- rer Seite zu haben. Das ist genau der Punkt: Es wird immer suggeriert, dass entschädigt wird. Genau das findet nicht statt. Vielen Dank. Die Fraßschäden werden nur in gewissen Berei- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der chen entschädigt, und das ist falsch! Wenn es so SPD) käme, dass Fraßschäden darüber hinaus entschä- digt werden sollten, bräuchten Sie, wenn 10 % der Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Vogelschutzgebiete in Ostfriesland entschädigt werden müssten, 12 Millionen Euro. Woher be- Vielen Dank. - Jetzt hat der Kollege Hermann Gru- kommen Sie das Geld? - Das sollten Sie mir ein- pe, FDP-Fraktion, das Wort. Bitte schön, Herr Gru- mal sagen! pe!

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Hermann Grupe (FDP): eine wirksame Gegenmaßnahme gar nicht mehr Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nie- möglich ist. mand will schützenswerte Gänsearten gefährden. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Die Schutzgebiete, die eingerichtet sind, haben einen unverzichtbaren Wert für den Vogelschutz. Meine Damen und Herren, das Hauptproblem liegt (Björn Thümler [CDU]: Sehr richtig!) zwar in der Küstenregion, aber wir haben mittler- weile auch im Inland Probleme. Zusätzliche Schä- In einigen Gebieten allerdings, meine Damen und den werden z. B. in der Region Hildesheim, Han- Herren - ich konnte mich im Rheiderland von die- nover und Peine festgestellt. Diese Schäden wer- sen Verhältnissen überzeugen -, haben die Gänse, den nicht entschädigt, weil es sich nicht um ent- die dort massenhaft auftraten, jedes Grünland sprechende Gebiete handelt. Wir bekommen Mel- vernichtet. Außer den Landwirten vor Ort waren dungen darüber, dass die Schäden dort rasant zum Beispiel die Wiesenbrüter die Leidtragenden; zunehmen und dass neben den landwirtschaftli- denn Wiesen waren nicht mehr da. chen Flächen - insbesondere Rübenflächen -, die (Beifall bei der FDP und bei der CDU - dort zerstört werden, auch Hausgärten, Streuobst- Björn Thümler [CDU]: So ist es!) wiesen und Badeseen betroffen sind. Es geht also nicht nur um die Landwirtschaft, sondern im Zwei- Die Landwirte, die dort wirtschaften und Milchvieh felsfall auch um Freizeiteinrichtungen und ähnliche halten, sollen auch Wiesenbrüter und Vögel schüt- Einrichtungen. zen. Die Frage ist nur: Wie schafft man ein ausge- wogenes Gleichgewicht? - Herr Kollege Siebels, Meine Damen und Herren, ich habe es anfangs miteinander zu reden, ist sicherlich der richtige gesagt: Miteinander zu reden ist richtig. Wir müs- Weg. sen aber auch sehen, dass wir eine Richtung fin- den. Das, was der Landwirtschaftsminister mit der Ein- schränkung der Jagdzeiten in den Raum gestellt (Wiard Siebels [SPD]: Immer nach hat, ist mit Sicherheit nicht der richtige Weg. vorne!)

(Beifall bei der FDP und bei der CDU) Ich bin der Auffassung, dass dieser Antrag 100- Der Kollege Bajus hat eben etwas flapsig gesagt, prozentig in den Agrarausschuss gehört; denn auf die Gänse könnten das doch selbst entscheiden. - unseren Flächen sind diese Tiere. Vielleicht schaf- Herr Kollege Bajus, die Gänse entscheiden das fen wir es ja - das war bereits bei drei Anträgen der selbst! Sie gehen nämlich dorthin, wo sie nicht Fall -, zu einer gemeinsamen Beschlussempfeh- ganz so intensiv bekämpft und bejagt werden. lung aller Fraktionen und damit zu einer Einigung zu kommen. In Holland ist man mittlerweile so weit, dass man sagt: Durch Jagd allein ist das Problem gar nicht Herr Minister, sozusagen zur Eröffnung leitet Ihr mehr in den Griff zu kriegen. - Dort geht man zu Ministerium jedoch die Jagdzeitenverordnung nur weitereichenden Maßnahmen über. Das wollen wir bestimmten Verbänden und den befreundeten alle nicht! Parteien - und vielleicht noch einigen Umweltver- bänden - zu. Die Landesjägerschaft und das Land- (Zuruf von den GRÜNEN: Da geht es volk müssen das der Presse entnehmen. aber um Kanadagänse!) Es tritt aber der Effekt ein, dass Gänse aus diesen (Zustimmung bei der FDP und bei der Gebieten zusätzlich nach Deutschland vertrieben CDU - Miriam Staudte [GRÜNE]: Das werden, wenn wir hier nicht entsprechend deutli- ist doch ein Witz!) che Gegenmaßnahmen ergreifen, meine Damen Ihr Pressesprecher sagt dann, man wisse noch gar und Herren. nicht, wann man das mal rausschickt. - Lieber Herr Vom Kollegen Angermann wurde eben schon ge- Minister, das ist Ihre Masche! Sie zeigen sich mal sagt: Bei der Intervalljagd machen wir keine Gän- wieder als absoluter Antilandwirtschaftsminister sejagd, sondern wir verscheuchen die Gänse mal und nicht als Landwirtschaftsminister! Das ist eine hierhin und mal dorthin. So klug sind diese Tiere ganz schwere Hypothek, hier vernünftig ins Ge- auch noch, dass sie wissen, wohin sie ausweichen spräch zu kommen. können. Die Betroffenen befürchten, dass die Jagd (Beifall bei der FDP und bei der CDU) dann in einer Art und Weise behindert ist, dass

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Auch wir gehören nicht zu den Privilegierten, die grüßt wird, die aktuelle Situation einer genaueren Ihre Denkanstöße rechtzeitig bekommen durften. Beobachtung und einem genaueren Monitoring zu Trotzdem werden wir versuchen, im Agraraus- unterziehen. Es ist nicht so, Herr Angermann, dass schuss zu einer vernünftigen Lösung zu kommen. schon alles in Büchern aufgeschrieben und schon alles bekannt ist. Wir haben es hier zum Teil näm- Danke schön. lich auch mit klimatischen Veränderungen zu tun, (Beifall bei der FDP und bei der CDU) die Auswirkungen auf den Vogelzug haben. Wir haben es z. B. mit der Situation zu tun, dass die Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Vögel aufgrund anderer klimatischer Bedingungen länger bleiben oder später wieder abreisen, wo- Vielen Dank, Herr Grupe. - Es hat sich zu Wort durch plötzlich andere Beeinträchtigungen entste- gemeldet Herr Minister Wenzel. Sie haben das hen. Wort, Herr Minister. Wir haben von den Landwirten den Wunsch, dass Stefan Wenzel, Minister für Umwelt, Energie und der Ausgleich über die Agrarumweltprogramme Klimaschutz: möglichst zielgenau erfolgt. Diejenigen, die von Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen Schäden betroffen sind, sollen hinterher mit einer und Herren! Herr Angermann, das ist in der Tat ein solchen Zahlung rechnen können. Wir wollen sehr spannendes Thema, ein sehr spannendes auch, dass die Zahlungen im Zweifel angemessen Konfliktfeld. Wir haben es mit sehr unterschiedli- sind. Wir müssen doch sicherstellen, dass sie we- chen Ansprüchen zu tun. Wir haben es mit sehr der zu hoch noch zu niedrig sind. Wenn sie zu unterschiedlichen Anforderungen zu tun. Wir ha- niedrig sind, dann sagen die Landwirte mit Recht: ben an der Küste das Weltnaturerbe, bei dem wir Das hilft mir aber nicht, das ist zu wenig. - Wenn über drei Länder hinweg mittlerweile sehr gut zu- sie zu hoch sind, dann müssen wir am Ende mit sammenarbeiten. Wir haben den Nationalpark. An der EU-Kommission sprechen. Wenn wir EU-För- der Küste und insbesondere auch in den Ästuaren dermittel einnehmen, müssen wir rechtfertigen, unserer großen Flüsse haben wir Vogelschutzge- dass sie in angemessener Höhe gezahlt werden. biete. Diese Vogelschutzgebiete haben eine sehr Also muss man sich die Deckungsbeiträge und im große naturschutzfachliche Bedeutung zum einen Zweifel auch noch einmal die Verluste angucken für die nordischen Gänsearten. Dort sind u. a. etwa und prüfen, wo sie auftreten. 120 000 ha EU-Vogelschutzgebiete ausgewiesen Deswegen begrüße ich im Grundsatz diesen Vor- worden. Diese EU-Vogelschutzgebiete sind in den schlag der Fraktionen, sich das angesichts der letzten Jahrzehnten auch mit Unterstützung Ihrer veränderten Situation einfach noch einmal genau Partei entstanden. anzugucken und ein Monitoring zu machen. Un- Zum anderen hat Niedersachsen auch deshalb bestritten gibt es bei den nordischen Gänsearten eine ganz besondere Verantwortung, weil wir die einen Aufwuchs im Bestand. Der ist aber nicht nur Hauptbrutvorkommen der Wiesenvögel in Deutsch- auf einen besseren Schutz z. B. auch in anderen land haben. Wir haben hier abnehmende Bestän- Regionen zurückzuführen, sondern der hängt, Herr de. Auch hier haben wir gemeldete EU-Vogel- Dammann-Tamke, zum Teil auch mit einem ver- schutzgebiete mit einer Fläche von 90 000 ha. besserten Futterangebot zusammen. Wenn es eine besonders eiweißreiche Ernährung gibt, dann Dann gibt es natürlich auch Nutzungskonflikte mit hat sie naturgemäß auch Auswirkungen auf den der Landwirtschaft. Das war der Grund, weshalb Bestand. es hier auch schon in der Vergangenheit Agrar- (Helmut Dammann-Tamke [CDU]: umweltprogramme und neben dem Agrarumwelt- Warum erklärt uns das der Umweltmi- programm auch das sogenannte Rastspitzenmo- nister und nicht der zuständige Ag- dell gegeben hat, nach dem bei besonderen Schä- rarminister?) den in besonderer Weise ein Ausgleich geleistet wurde. - Ja, Moment! Wenn es um Vogelschutzgebiete und um Agrarumweltprogramme in diesem Bereich Ich habe mich sehr wohl mit den Landwirten unter- geht, dann ist mein Haus dafür sehr wohl zustän- halten. Ich habe mich mit dem Landwirtschaftlichen dig. Hauptverein in Ostfriesland unterhalten. Ich habe mich auch mit der AbL und dem BDM unterhalten. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Ich habe feststellen müssen, dass dort sehr be- SPD)

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Wir zahlen in diesem Bereich 5,8 Millionen Euro an (Beifall bei der CDU - Heiner Schön- Entschädigungen. ecke [CDU]: Totales Chaos!) (Zuruf von Helmut Dammann-Tamke Vizepräsident Karl-Heinz Klare: [CDU]) Herr Minister, bitte schön! - Herr Dammann-Tamke, würden Sie mich viel- leicht einmal ausreden lassen? Stefan Wenzel, Minister für Umwelt, Energie und (Björn Thümler [CDU]: Ungern!) Klimaschutz: Vielen Dank, Herr Dammann-Tamke, für diese Wenn wir hier 5,8 Millionen Euro aus EU-Förder- Frage. Natürlich muss der Agrarausschuss mitbe- mitteln und aus Landesfördermitteln einsetzen, raten. Das zeigt doch dieses Konfliktfeld auf. Wir dann müssen wir auch sicherstellen, dass die Mit- haben hier ganz unterschiedliche Nutzungsan- tel zielgenau eingesetzt werden. Daran haben wir sprüche. Wir haben hier Landwirte, die hoch be- ein Interesse. Natürlich wollen wir auch untersu- sorgt sind. Wir haben hier Naturschützer, die hoch chen, welche positiven und negativen Auswirkun- besorgt sind. Wir haben Kommunen vor Ort. Wir gen die Jagd hat und welche Wechselwirkungen alle gemeinsam wollen hier nach Lösungen su- es dort gibt. Deswegen wäre es, glaube ich, ein chen. Auf der anderen Seite haben wir in der Ver- guter Beitrag zur Versachlichung der Debatte. Wir gangenheit 5,8 Millionen Euro eingesetzt. Wir prü- haben ein Interesse daran, mit den Landwirten und fen zum Beispiel, ob wir das Rastspitzenmodell den Naturschützern im Konsens - - - auch in Zukunft anbieten können. Wir wollen diese (Zuruf von der CDU: Na, na, na!) Mittel möglichst zielgenau und angemessen ein- setzen. - Jawohl! Ich habe mit denen an einem Tisch ge- sessen, mit allen. (Zustimmung bei den GRÜNEN) Deswegen kommt da, glaube ich, niemand zu kurz, Vizepräsident Karl-Heinz Klare: wenn dieser Antrag vom Agrarausschuss mitbera- Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage ten wird. Ich hoffe, dass wir darüber ins Gespräch des Kollegen Dammann-Tamke? kommen. Ich hoffe, dass wir am Ende eine Lösung (Thomas Schremmer [GRÜNE]: Der finden. Denn mit dem Weltnaturerbe, mit dem Na- redet doch schon die ganze Zeit da- tionalpark haben wir an der Küste mittlerweile eine zwischen! Der hat 100 Zwischenfra- Region, die in der Liste der Regionen der Welt, die gen!) sich ebenfalls mit diesem Titel schmücken können, ganz vorne steht. Wir wissen heute auch, dass Stefan Wenzel, Minister für Umwelt, Energie und dies auch einen wesentlichen Einfluss auf die Klimaschutz: Übernachtungen, also auf die wirtschaftliche Ent- Er hat zwar schon parallel sehr viel dazu kommen- wicklung der Regionen hat. Im Bereich der Gastro- tiert. Aber ich lasse gerne eine Frage zu. nomie können Sie heute schon davon ausgehen, dass 20 bis 25 %, vielleicht sogar 30 % der Über- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: nachtungen hier ihren Grund und ihren Ursprung haben; denn viele Gäste wählen auch deswegen Eine Frage. Bitte schön! diese Urlaubsregion aus. Helmut Dammann-Tamke (CDU): Auf der anderen Seite müssen wir aber auch die Vielen Dank. - Herr Minister, Sie haben hier breite Situation unserer Landwirte sehen, insbesondere Ausführungen zu den Schäden in der Landwirt- die Situation derjenigen, die auf Grünland wirt- schaft gemacht. Sie haben ausgeführt, dass die schaften. Das wollen wir. Wir haben hier ein Inte- Entschädigungen fair sein sollen. Alle diese Fra- resse, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. gen betreffen aber das Ressort des Agrarministers. Insofern würde ich mich freuen, wenn wir hier zu- Die spannende Frage ist doch, warum Sie als sammenkommen. Umweltminister hier referieren, während die An- Ich danke Ihnen fürs Zuhören. tragsteller die Finanzierung dieses Programms aus Jagdabgabemitteln beantragen. Denn die Jagdab- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der gabemittel kommen nicht aus Ihrem Haus, sondern SPD) aus dem Einzelplan 09, aus dem Agrarministerium.

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Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Hermann Grupe (FDP): Vielen Dank, Herr Minister. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kommen heute zur abschließenden Beratung die- Wir sind am Ende der Beratung und kommen jetzt ses Antrags, den wir hier schon einmal besprochen zur Ausschussüberweisung. haben. Hierzu gibt es unterschiedliche Voten. SPD und Meine Damen und Herren, es ist Aufgabe und Grüne wollen, dass der Ausschuss für Umwelt, Privileg des Staates, die Qualitäts- und Sicher- Energie und Klimaschutz federführend tätig wird. heitsstandards gerade in einem so sensiblen Be- Vonseiten der CDU und der FDP kommt, dass reich wie der Lebensmittelsicherheit zu garantie- federführend der Ausschuss für Ernährung, Land- ren. Wir haben in diesem Lande einen sehr hohen wirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwick- Standard durch die Eigenkontrollen, durch die lung sein soll. Der jeweils andere Ausschuss soll Qualität, die die Unternehmen der Lebensmittel- dann mitberatend tätig werden. Darüber müssen branche zur Verfügung stellen. Wir haben ein Sys- wir, weil es keine Einigung gibt, abstimmen. tem der Eigenkontrolle und der ergänzenden amt- Ich lasse zunächst über den ersten Antrag ab- lichen Kontrolle, die darüber hinausgeht. stimmen, dass nämlich der Ausschuss für Umwelt, Das wurde vom Landwirtschaftsminister vielfach Energie und Klimaschutz der federführende Aus- anders dargestellt. Er hat uns erklärt, die Eigen- schuss sein soll. kontrolle habe versagt. Das ist nachweislich falsch. Wer dem so zustimmt, den bitte ich um ein Hand- (Zustimmung bei der FDP und bei der zeichen. - Gegenstimmen? - Man muss schon sehr CDU) gut gucken, wenn man das mit der Mehrheit hinkriegen will. - Das Erste war die Mehrheit. Meine Damen und Herren, hier geht es um die Frage, ob der Staat, der eine unabhängige und Damit ist der Ausschuss für Umwelt, Energie und objektive Kontrolle durchzuführen hat, dafür auch Klimaschutz der federführende Ausschuss. Mitbe- die Kosten trägt oder ob er die Kosten von den zu ratend tätig wird der Ausschuss für Ernährung, Kontrollierenden erhebt. Die Darstellung, dass die Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landes- Lebensmittelbereitstellung allein schon ein Risiko entwicklung. Das ist so festgestellt. Dann ist das darstellt, wird nicht nur von unserer Fraktion, son- so. dern auch von sehr vielen Unternehmen der Le- Meine Damen und Herren, wir sind am Ende des bensmittelbranche entschieden zurückgewiesen. Tagesordnungspunktes 11. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Ich rufe auf den Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhand- werks sagt z. B., dass es ein falsches politisches Tagesordnungspunkt 12: Signal ist, wenn sich der Staat aus der Finanzie- Abschließende Beratung: rung des Verbraucherschutzes herauszieht. Kleine Betriebe nicht weiter belasten - keine (Miriam Staudte [GRÜNE]: Das Gebührenfinanzierung bei der Lebensmittel- stimmt doch gar nicht!) überwachung - Antrag der Fraktion der FDP - Das ist eine Bankrotterklärung des Staates. Drs. 17/1210 - Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft, Verbrau- Die kommunalen Spitzenverbände sagen uns, cherschutz und Landesentwicklung - Drs. 17/1763 dass das einen Verwaltungsmehraufwand bedeu- - Änderungsantrag der Fraktion der CDU - tet, und beklagen die fehlende Praktikabilität. Drs. 17/1767 Auf EU-Ebene befindet sich eine entsprechende Verordnung in der Überarbeitung - sie liegt also Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzu- überhaupt noch nicht vor. Wir würden vorpreschen, lehnen. wenn wir hier eigene Regelungen träfen. Der Änderungsantrag der CDU-Fraktion zielt auf Die Niedersächsische Geflügelwirtschaft sagt eine Annahme des Antrags in geänderter Fassung. ebenso wie die Bäckerinnung, dass das Kontrollni- veau eher gesenkt wird, wenn die Eigenkontrollen Wir kommen zur Beratung. Das Wort hat der Kol- zurückgeführt werden, weil man sich verstärkt auf lege Hermann Grupe. Bitte schön! staatliche Kontrollen verlassen will. Das zweistufi-

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ge Prinzip der Kontrolle der Eigenkontrolle würde größere Entfernungen zu Großschlachthöfen trans- geschwächt oder gar aufgegeben. Das bringt nicht portiert werden müssen, wenn dieser Schlachthof mehr, sondern eher weniger Verbrauchersicher- nicht zu halten ist. heit. Meine Damen und Herren, darüber hinaus gibt es (Zustimmung bei der FDP) nach wie vor rechtliche Bedenken. Verschiedene Verbände mahnen an, dass es nicht mit den recht- Der Fleischerverband Niedersachsen-Bremen lichen Bestimmungen vereinbar ist, wenn die Ge- sagt, diese Gebühr belaste kleine und mittlere bühren in dieser Weise erhoben werden. Betriebe in besonderem Maße. Die CDU hat nun einen interessanten Vorschlag Meine Damen und Herren, lassen Sie mich dazu gemacht. Sie fordert die Landesregierung auf, Be- ein Beispiel aus eigener Anschauung nennen - triebe, denen Verstöße gegen geltendes Lebens- Herr Minister, ich denke, der Kreis Holzminden ist mittelrecht nachgewiesen werden können, zur Ihnen ein Begriff -: Wir haben im Kreis Holzminden vollen Finanzierung der Kontrollkosten heranzu- noch einen kleinen, feinen Schlachthof. So etwas ziehen. Meine Damen und Herren, dieser Gedanke gibt es eigentlich so gut wie gar nicht mehr, weil ist zwar faszinierend, aber, denke ich, nicht zielfüh- die Hygieneanforderungen so hoch sind, dass sich rend. Wenn ein Betrieb wirklich schwerwiegende solch kleine Einheiten überhaupt nicht mehr halten Verfehlungen begangen hat - vielleicht sogar vor- lassen. Dort werden etwa 200 Schweine und 10 sätzlich -, dann ist das entsprechend scharf und Rinder in der Woche geschlachtet, also so gut wie hart zu sanktionieren. Aber dass er dann die Un- gar nichts. Das Handwerk, die Landwirtschaft und tersuchung voll bezahlen muss, ist sicherlich nicht alle Innungen sind dabei, dieses Kleinod zu erhal- das geeignete Instrument. Es gibt verschiedene ten. Abstufungen. Es gibt formale Überschreitungen, In Zukunft gibt es - so wurde es mir vor einigen die mehr im bürokratischen Bereich liegen; dann Tagen berichtet - vier Kontrollen: Dann kommt ein geht es nicht darum, dass etwas schuldhaft verur- Kontrolleur vom LAVES aus Oldenburg viermal im sacht worden ist. Deshalb ist dieses Verfahren Jahr. Der fährt 500 km hin und 500 km zurück, kaum handelbar. Denn wie will man bestimmen, ab guckt - so wurde es mir gesagt - eine Viertelstunde wann ein Betrieb diese Untersuchung bezahlen anstandshalber in die Bücher, kriegt noch eine muss? Tasse Kaffee - wie das bei uns im Kreis Holzmin- Klare Kante - der Staat hat hier eine Daseinsvor- den ist -, und das war es. Das Ganze kostet sorge zu erfüllen. Er hat zu untersuchen und - 2 000 Euro. Das hört sich nicht viel an, ist für die- vorhin wurde schon gesagt: Wer die Musik bestellt, sen kleinen Schlachthof aber eine dicke Summe. der muss sie auch bezahlen! - das zu bezahlen. Dazu kommt z. B. die Wasseruntersuchung. Das Das wäre ja noch schöner! Wenn wir uns das nicht Wasser war immer in Ordnung und ist tipptopp. mehr leisten können, dann sollten wir den Laden Diese Untersuchung hat in der Vergangenheit dichtmachen oder „Bananenrepublik“ oben drüber- 250 Euro gekostet. In Zukunft kostet sie - das ist schreiben. nicht Ihr Bier -, weil das Institut nicht zertifiziert ist, Danke schön. 1 200 Euro. Das Wasser ist nicht fünfmal so gut (Beifall bei der FDP und Zustimmung geworden, aber die Untersuchung ist fünfmal so bei der CDU) teuer geworden. Das, meine Damen und Herren, meint der Flei- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: scherverband Niedersachsen-Bremen, wenn er Meine Damen und Herren, es liegt ja auch ein sagt: Dieser Gebührenwust, den Sie über diese Änderungsantrag der Fraktion der CDU vor. Wenn Betriebe ausschütten wollen, trifft ganz besonders wir eine sachgemäße Erledigung und zweckmäßi- die kleinen und mittleren Betriebe und dreht denen ge Gestaltung der Beratung wollen, dann müsste den Hals um. - Dann haben wir am Schluss nur jetzt eigentlich der Änderungsantrag der CDU- noch Großschlachtereien! Fraktion eingebracht werden. - Einverstanden? - (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Okay. Wir könnten das auch anders machen, aber dann ist das mit der sachgemäßen Erledigung Die Schweine und die Rinder aus dem Kreis Holz- schwierig. minden, wo die Ladenschlachter vor Ort schlach- Herr Kollege Oesterhelweg, bitte schön! ten, werden in Zukunft auf Lkw verladen und über

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Frank Oesterhelweg (CDU): erstens ungerecht, zweitens ungerechtfertigt und Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und drittens - mit Verlaub - auch dumm, Herr Minister. Herren! Ich wollte eigentlich erst den Kollegen die (Beifall bei der CDU und bei der FDP - Möglichkeit zum Reden geben, damit ich hinterher Johanne Modder [SPD]: Was soll noch ein bisschen dazwischenhauen kann. Aber denn das? - Wiard Siebels [SPD]: diese Möglichkeit haben wir ja immer. Entgleisung!) (Heiterkeit und Zustimmung bei der Das, was hier an Häme und Diffamierung zu beo- CDU und bei der FDP) bachten ist, ist schlicht und einfach ein Skandal.

Vizepräsident Karl-Heinz Klare: (Zustimmung bei der CDU und bei der FDP) Herr Kollege, Sie meinen das „Dazwischenhauen“ verbal? Meine Damen und Herren, die Lebensmittelüber- wachung als Teil der staatlichen Daseinsvorsorge Frank Oesterhelweg (CDU): ist zu stärken. Das ist unsere gemeinsame Aufga- Selbstverständlich, Herr Präsident. be. Klare rechtliche Vorgaben, wirksame und um- fangreiche Eigenkontrollen mit der Ergänzung der Vizepräsident Karl-Heinz Klare: entsprechenden staatlichen Kontrollen - dieses Alles klar. Man könnte es auch anders verstehen. System hat sich schlicht und einfach bewährt, mei- Aber so, wie ich Sie kenne, meinen Sie es verbal. ne Damen und Herren. Dieses System gilt es zu Bitte schön! stärken und zu perfektionieren. Sie wollen es ab- schaffen; durch mehr Bürokratie, durch mehr staat- Frank Oesterhelweg (CDU): liche Gängelung und durch höhere Kosten für Wirtschaft und Verbraucher. Sie machen unseren Gerade bei Ihrer Sitzungsleitung mache ich das - Mittelstand platt und die Verbraucher zu Verlierern, mit allergrößtem Respekt - natürlich nur verbal. meine sehr verehrten Damen und Herren. (Grant Hendrik Tonne [SPD]: Das ist (Beifall bei der CDU und bei der FDP) eine ganz neue Strategie, Herr Kolle- ge!) Sie laufen los, Herr Minister, blind vor Eifer, mit einem Fanatismus, der schon beängstigende Züge Meine sehr verehrten Damen und Herren! Saubere hat. Augen zu und durch, ohne Rücksicht auf Ver- Luft, sauberes Wasser, saubere und gesunde Le- luste, meine sehr verehrten Damen und Herren. bensmittel - ohne sie könnten wir nicht leben. Al- lerdings tritt ihre Bedeutung in der Wertigkeit man- (Beifall bei der CDU - Zurufe von der ches Mal in den Hintergrund, weil wir - bleiben wir SPD: He!) bei Lebensmitteln - ausreichend davon zur Verfü- Es ist Ihnen vollkommen egal, dass man auf EU- gung haben. Was man in Hülle und Fülle hat, das Ebene eben gerade dabei ist, dieses Kontrollsys- ist für manchen schon nichts mehr wert. tem und dessen Finanzierung zu beraten. Das ist Jawohl, meine Damen und Herren, das ist die gro- Ihnen vollkommen egal. Der Zentralverband des ße Leistung unserer Landwirtschaft und unserer Deutschen Bäckerhandwerks formuliert treffend - Lebensmittelbranche im handwerklichen und - ich Zitat -: sage es ganz bewusst - im industriellen Bereich. „Vor dem Hintergrund dieser unsicheren Wir verfügen über preiswerte Lebensmittel in aus- Rechtslage kann es nicht Aufgabe oder In- reichender Menge und Auswahl und in bester Qua- tention einer Landesregierung sein, ein Ge- lität, meine sehr verehrten Damen und Herren. setz“ (Zustimmung bei der CDU und bei der - hier ist es eine Verordnung - FDP) „zu schaffen, welches aufgrund möglicher Um es deutlich zu sagen: Vor dem Hintergrund Europarechtswidrigkeit und verfassungs- dieser Leistung, die zumindest die ältere Generati- rechtlicher Bedenken augenblicklich wieder on angesichts anderer Erfahrungen noch zu schät- aufgehoben wird.“ zen weiß, ist Ihr Kreuzzug, Herr Minister, gegen unsere Land- und Ernährungswirtschaft Genau so ist es, Herr Minister. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Zurufe von den GRÜNEN: Oh!)

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(Beifall bei der CDU) Wir wollen, dass grenznahe Betriebe, dass Betrie- be im ländlichen Bereich bei einer Vollkostenrech- Die Lebensmittelüberwachung ist eine der vor- nung nicht zusätzlich belastet werden. Denn dann nehmsten Aufgaben staatlicher Daseinsvorsorge. entstehen nämlich Strukturen, die Sie persönlich Selbst Grün-Rot in Baden-Württemberg betrach- angeblich auch nicht haben wollen. Die wirkliche tet - ich zitiere - „die Kontrollen im Rahmen der Lösung von Problemen sieht anders aus. Schauen Lebensmittelüberwachung in vollem Umfang als wir doch gemeinsam etwas intensiver bei Importen Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge.“ hin - wir haben jüngst darüber gesprochen. Bei Sie überziehen Betriebe und Verbraucher mit un- einem konkreten Verdacht kann es auch Geld nötigen Kosten und öffnen privater Finanzierung kosten. Aber machen wir das nicht so allgemein Tür und Tor, meine sehr verehrten Damen und und pauschal und belasten unsere ordentlichen Herren. Betriebe. (Beifall bei der CDU und Zustimmung Wir wollen die enge Verzahnung mit Kommunen bei der FDP) und Veterinärämtern vor Ort; sie sind zu allererst gefragt. Sie behaupten immer, sich eng mit den Die Bäckerinnung Niedersachsen/Bremen be- kommunalen Spitzenverbänden abzustimmen. Es zeichnet das als Abzocke, bei der es nur um die stimmt schlicht und einfach nicht, was Sie hier Entlastung öffentlicher Haushalte geht. - Genau immer wieder erzählen, Herr Minister. das ist es. Erwischt, Herr Minister! (Beifall bei der CDU und Zustimmung Dass Sie dabei steif und fest behaupten, dass bei der FDP) sowohl Steuerzahler als auch Verbraucher profitie- ren und quasi zum Nulltarif alles besser wird, Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzen- spricht Bände. 160 neue Stellen zahlen entweder verbände kommentiert das wie folgt - ich zitiere -: die Steuerzahler oder über die Unternehmen und „Die nunmehr vorgesehene Systematik so- die Preise die Verbraucher. wie die vorgesehenen Gebührentarife wer- (Zuruf von der CDU: Richtig!) den wegen der fehlenden Praktikabilität bei der Umsetzung, den dadurch entstehenden Nebenbei machen dann viele Mittelständler den Mehraufwand sowie wegen der fehlenden Laden zu. Ihnen, Herr Minister, ist das vollkommen Kostendeckung einhellig abgelehnt.“ egal. Treffer - versenkt, Herr Minister - schlicht und ein- (Beifall bei der CDU) fach. Es spricht nicht unbedingt für Sie, dass bei den (Beifall bei der CDU und Zustimmung Berechnungen schon einmal Umsatz und Gewinn bei der FDP) durcheinander geworfen werden. Sie ignorieren - da wende ich mich auch an die (Zuruf von Minister Christian Meyer) Kollegen, die wegen der Hitze vielleicht ein biss- Es ist Ihnen auch völlig egal, dass die Gewinne chen phlegmatisch hier in den Reihen sitzen - nicht extrem zusammengestrichen werden, dass es nur die Rechte des Landtages, inzwischen an die Substanz, an die Existenz klei- (Unruhe bei der SPD und bei den ner und mittlerer Unternehmen geht. GRÜNEN) (Beifall bei der CDU) sondern Sie ignorieren auch die Rechte der Oppo- Ihr System, Herr Minister, ist ineffizient und un- sition, weil Sie gar nicht mehr bereit sind, diesen gerecht. Wir als Union wollen, dass korrekte Be- Sachverhalt vernünftig zu diskutieren. Sie trauen triebe nicht zusätzlich belastet werden. sich ja gar nicht, hierzu eine Anhörung durchzufüh- (Beifall bei der CDU) ren, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir wollen, dass nicht korrekte Betriebe voll he- (Beifall bei der CDU) rangezogen werden. Aber Gerechtigkeit scheint Da spricht der Kollege Schminke von Evaluierung. Ihnen offensichtlich nicht so wichtig zu sein, Herr Wir haben das noch nicht einmal ordentlich über Minister. die Bühne, da will er schon evaluieren und will sich (Beifall bei der CDU) dadurch herausreden.

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(Zurufe von der SPD) (Zuruf von der CDU: Dann müssen Sie Herrn Meyer austauschen!) Das funktioniert so nicht. So macht man das nicht, jedenfalls nicht, wenn man solide Politik betreiben - Hören Sie doch einmal zu! Warten Sie ab, dann will. werden Sie es vielleicht auch verstehen, wenn Sie es denn wollen. (Beifall bei der CDU) (Uwe Schünemann [CDU]: Schicken Abschließend: Von Herrn Meyer erwarten wir nicht Sie ihn in Rente, Frau Geuter!) mehr, wirklich nicht. Ich persönlich erwarte nicht mehr, Die Gewährleistung und stetige Verbesserung der Lebensmittelsicherheit ist eine bedeutsame, (Zuruf von der CDU: Genau so ist es!) schwierige und zunehmend auch grenzüberschrei- weil er die Grundkenntnisse und vielleicht auch tende Aufgabe. Die Hauptverantwortung hierfür das Fingerspitzengefühl gegenüber unseren Un- tragen selbstverständlich die Lebensmittelunter- ternehmen nicht hat. Aber wenn wir uns den Artikel nehmer, wobei es kaum einen Unterschied macht, „Lebensmittel noch nie so sicher wie heute“ an- ob sie als Erzeuger, Hersteller, Händler oder Gast- schauen, eine Aussage von Herrn Lies, dann soll- ronomen innerhalb der Lebensmittelkette tätig ten Sie vielleicht, Herr Kollege Meyer, einmal ein sind. paar Plätze weiter rücken und sich mit Herrn Lies Dass das allein nicht ausreicht, haben uns in den darüber unterhalten, wie das aussieht. vergangenen Jahren immer wieder Vorfälle in der (Beifall bei der CDU und Zustimmung Lebensmittelbranche deutlich gemacht. Das von bei der FDP) der Wirtschaft immer wieder propagierte System der Eigenkontrollen hat uns sehr deutlich seine Ich weiß nicht, wie das mit der Kommunikation in Grenzen gezeigt. Ihrer Landesregierung läuft, Herr Ministerpräsident. Sie sind übrigens persönlich dafür verantwortlich, Im Rahmen ihrer nationalen Verbraucherschutzpo- was hier abläuft. Stoppen Sie Herrn Meyer! litik und zur Wahrnehmung ihrer staatlichen Da- seinsvorsorge haben die Mitgliedstaaten der EU Eines sage ich Ihnen abschließend auch noch, amtliche Kontrollsysteme eingerichtet, mit denen weil Herr Lies gerade durch das Land zieht und sie die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vor- dieses Problem weglächelt: Wer sich von Herrn schriften durch die Wirtschaftsbeteiligten überwa- Lies einseifen lässt, der wird am Ende von Herrn chen. Ein Unternehmen aus der Lebensmittelkette Meyer rasiert. muss aufgrund europarechtlicher Vorgaben einer Herzlichen Dank. regelmäßigen amtlichen Kontrolle unterliegen. (Starker, lang anhaltender Beifall bei (Zustimmung bei der SPD und bei den der CDU und Zustimmung bei der GRÜNEN) FDP) Die Angleichung der Lebensverhältnisse der EU- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Bürger bezieht sich selbstverständlich auch auf die Lebensmittelsicherheit. Deshalb ist die amtliche Vielen Dank, Herr Kollege Oesterhelweg. Sie ha- Lebensmittelkontrolle in der EU vergleichbar zu ben auch bei Herrn Lies ein Schmunzeln erzeugt vollziehen. Hierzu gibt es seit geraumer Zeit ent- mit diesem schönen Spruch zum Schluss. - Frau sprechende Vorgaben der Gemeinschaft und auch Geuter, Sie haben das Wort. Bitte schön! Regelungen, um zu prüfen, ob diese Vorgaben in den Mitgliedstaaten tatsächlich umgesetzt werden. Renate Geuter (SPD): In Niedersachsen werden die Lebensmittelunter- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehmen derzeit und wurden in den vergangenen stimme meinen beiden Vorrednern in einem zu: Jahren nur zu etwa 50 % auf der Basis der in der Risikobewertung festgelegten Betriebskontrollfre- (Zurufe von der CDU: Sehr gut!) quenzen überprüft. Das heißt, wir preschen hier Lebensmittelsicherheit ist eine so wichtige und so nicht vor, sondern wir haben noch eine ganz große bedeutende Sache, dass wir die beiden vorliegen- Menge an Nachholbedarf. den Anträge nicht nur sachgemäß, sondern auch (Beifall bei der SPD und bei den mit der nötigen Sachlichkeit und auf der Basis des GRÜNEN) geltenden Rechts diskutieren sollten.

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Diese Risikokategorisierung ist auch nicht von hohen Zielen des EU-Rechts ausgerichteten Niedersachsen ausgegangen oder willkürlich fest- Aufgaben wirksam erfüllen können.“ gesetzt worden, sondern nach einem bundesein- So der Bundesrechnungshof. Er fügt noch hinzu, heitlichen Modell vorgegeben und festgelegt wor- dass die Befugnis zur Beschaffung von Gebühren- den. Niedersachsen hat also in den letzten Jahren tatbeständen sich eben nicht allein auf Anlasskon- seine Verpflichtungen im Bereich der Lebensmit- trollen und Anlassuntersuchungen beschränkt. So telüberwachung deutlich unterschritten. Das sollten viel zur gültigen Rechtslage. sich gerade diejenigen zu Gemüte führen, die hier gerade das große Wort geführt haben. (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) Die von der Landesregierung jetzt auf den Weg gebrachte Gebührenordnung für den Verbraucher- Dass es Defizite nicht nur im Lebensmittelbereich, schutz und die Veterinärverwaltung ermöglicht nun sondern auch im Futtermittelbereich gibt, zeigen die Einführung von Gebühren für Regelkontrollen. die Vorfälle vergangener Jahre im Falle von Di- Damit ist die überfällige Verstärkung der amtlichen oxin - das war 2010/2011 - Überwachung möglich, ohne die öffentlichen Haus- (Heiner Schönecke [CDU]: War das halte zusätzlich zu belasten. Und entgegen dem, ein Bioskandal?) was hier vorhin gesagt wurde: Mit dieser Gebüh- renfinanzierung werden nicht die Gesamtkosten für und Aflatoxin im Mais. Es besteht also dringender das amtliche Kontrollsystem gedeckt, sondern die Handlungsbedarf, weil Niedersachsen bisher nicht bisherige Finanzierung aus Landesmitteln muss nur die rechtlichen Vorgaben für die Kontrolldichte beibehalten werden, um die Kontrolldichte über- bei den Lebensmittelkontrollen nicht einhält. Dieser haupt finanzieren zu können. Das heißt, die Zu- Handlungsbedarf besteht auch, weil wir damit einer schüsse an das LAVES bleiben bestehen und weiteren Verunsicherung der Verbraucherinnen natürlich auch die Erstattungen an die Kommunen und Verbraucher entgegenwirken wollen. Und im Rahmen des kommunalen Finanzausgleiches natürlich fördert ein erhöhter Kontrolldruck auch für die Aufgabe der Lebensmittelüberwachung. die Bereitschaft, die rechtlichen Vorgaben konse- quenter zu erfüllen. (Frank Oesterhelweg [CDU]: 180 neue Stellen!) Zur Verstärkung der Kontrollen werden auf staatli- cher Seite mehr Personal und größere Untersu- Gedeckt wird durch die Gebührenfinanzierung chungskapazitäten benötigt. Das muss finanziert lediglich der Mehrbedarf zur Stärkung der Lebens- werden. und Futtermittelkontrolle. In diesem Zusammen- hang sind alle Spielräume genutzt worden, um die In diesem Zusammenhang darf ich aus dem Be- Gebühren für kleinere Betriebe wie Kioske, Bäcke- richt des Bundesrechnungshofes zitieren, der un- reien und Fleischerläden zu reduzieren und zu verdächtig ist, dass er für Niedersachsen gefällige deckeln. Auch für die Marktbeschicker hat man im Schriften von sich gibt: Hinblick auf ihre besondere Situation eine Rege- „Das EU-Recht verbietet es, aus Kosten- lung gefunden. gründen auf eine angemessene finanzielle Durch die Einführung von Gebührenregelkontrollen Ausgestaltung der Lebensmittelüberwa- ändern sich auch nicht die Grundprinzipien der chung zu verzichten“ amtlichen Überwachung, wie es von Ihnen be- (Frank Oesterhelweg [CDU]: Das wird hauptet worden ist, sondern es bleibt beim Verur- doch gerade überarbeitet, Frau Kolle- sacherprinzip und bei einer Wahrnehmung als gin!) hoheitliche Aufgabe im Bereich der Daseinsvor- sorge. „oder Abstriche zu machen.“ Die zum Teil von Ihnen auch heute wieder ange- - Bitte bis zu Ende zuhören! - führten Zahlen gehen grob an der Realität vorbei und sind auch nicht dazu geeignet, hier eine sach- „Die Mitgliedstaaten haben die Kontrollstruk- liche Diskussion herbeizuführen. turen bei freier Wahl der Finanzierungsform (Steuern, Gebühren, Kostenbeiträge) so Wir haben mit diesen jetzt auf den Weg gebrach- auszugestalten, dass sie diese ihre an den ten neuen Gebührentatbeständen die Möglichkeit,

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die Lebensmittelüberwachung und auch die Fut- finden uns hier nicht im Bierzelt, sondern im Nie- termittelüberwachung personell und finanziell so dersächsischen Landtag. auszustatten, dass eine gründliche Überwachung (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN möglich ist; denn die EU ist schon ein Stück weiter. und bei der SPD) Sie möchte nämlich das, was wir bisher an Vorga- ben haben - Vorgaben, die bisher noch nicht ein- Sie haben mehrfach deutlich gemacht, dass Sie gehalten worden sind -, von Ihrer Seite aus eigentlich keinen Handlungs- bedarf sehen. Dem möchte ich widersprechen und (Glocke des Präsidenten) an die verschiedenen Lebensmittel- und Futtermit- noch verstärken und erhöhen. Von daher befinden telskandale erinnern, die wir zu Beginn der Wahl- wir uns erst beim ersten Schritt auf einem guten periode hatten. Wir haben immer betont, dass wir Weg. die Kontrollen, insbesondere die Kontrolldichte, verstärken wollen und dass wir dafür natürlich Das, was die Anträge von CDU und FDP vorse- mehr Geld brauchen, und haben das Konstrukt der hen, eine Kontrolle nach Kassenlage, kann es Gebührenfinanzierung eingeführt. Das wurde von aufgrund der gültigen gesetzlichen Vorgaben nicht den Regierungsfraktionen ausdrücklich unterstützt; geben und wird es nicht geben. Einen Verzicht auf ich erinnere an den Antrag vom Mai vergangenen alle möglichen Kontrollen wird es auch nicht ge- Jahres. Die Landesregierung hat das umgesetzt ben. Wer sagt, es soll alles staatlich gegenfinan- und hat eine Gebührenverordnung erarbeitet. ziert werden, der wird sicherlich im Rahmen der Diskussionen um den Haushalt 2015 dazu ganz Insbesondere Sie, Herr Grupe, sprechen immer tolle Vorschläge einbringen. Darauf bin ich sehr davon, dass man sich hier von der Daseinsvorsor- gespannt. ge entfernen würde. Es ist doch genau umgekehrt. Sie haben in den letzten Monaten immer wieder Heute werden wir Ihre Anträge, weil sie uns nicht betont, wir bräuchten nur die Selbstkontrolle, sie weiterhelfen, ablehnen. würde ausreichen, und wir bräuchten keine staatli- (Beifall bei der SPD und bei den che Kontrolle. Jetzt, bei der Frage der Gebühren, GRÜNEN) fangen Sie an, von Daseinsvorsorge zu sprechen. - Selbstverständlich kann man Leistungen als Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Staat vorhalten und Gebühren erheben. Das ist genauso wie bei der Wasserversorgung. Das ist Vielen Dank, Frau Geuter. - Es hat sich zu Wort überhaupt kein Unterscheidungskriterium. Damit gemeldet: Miriam Staudte, Bündnis 90/Die Grünen. sollten Sie sich einmal befassen. Bitte schön! (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Miriam Staudte (GRÜNE): SPD) Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Meine Vorrednerin hat schon darauf hingewiesen, Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrter dass es darum geht, zusätzliche Mittel zu generie- Herr Oesterhelweg, ich habe mal ein bisschen Ihre ren, weil man die Kontrollen verschärfen möchte, Wortwahl mitgeschrieben. Sie sprechen von Fana- und dass es eben nicht darum geht, Landesmittel tismus, dass geeifert werden würde, werfen den einzusparen. Die 80 Millionen werden weiterhin für zuhörenden Abgeordneten Phlegmatismus vor, es das LAVES und die Kommunen zur Verfügung würde eingeseift werden. stehen. (Zurufe von der CDU: Und rasiert!) (Glocke des Präsidenten) Ich muss ganz ehrlich sagen: Bei dieser Wortwahl Die FDP hat trotz verschiedener Beratungen ihren befinden Sie sich wirklich im Grenzbereich zum Antrag nicht weiter modifiziert und quasi ein Wei- Ordnungsruf. ter-so gefordert. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Der Antrag der Fraktion der CDU passt eigentlich SPD - Björn Thümler [CDU]: Kritik am überhaupt nicht zur Rede des Herrn Oesterhelweg. Präsidium ist nicht zulässig, Frau Kol- Anscheinend dürfen Sie die Anträge in Ihrer Frak- legin!) tion nicht schreiben. Ich möchte noch einmal betonen: Wir haben zwar (Frank Oesterhelweg [CDU]: Doch, Hochsommer, und es ist sehr warm. Aber wir be- doch!)

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Das ist sehr gut so. Kontrollen von den Bürgerinnen und Bürgern be- zahlt werden. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD) (Zurufe von den GRÜNEN: Oh!) In Ihrem Antrag - ich sage noch einmal, was darin Muss ich, wenn beispielsweise auf der Heimfahrt steht, falls Sie es nicht wissen - mein Führerschein kontrolliert wird, dann den Ein- satz der Polizei bezahlen? (Frank Oesterhelweg [CDU]: Doch, doch!) (Beifall bei der FDP und bei der CDU - Jörg Hillmer [CDU]: Nein!) sprechen Sie davon: Sie wollen eine Weiterent- wicklung der Kontrolle, Sie wollen eine sinnvolle Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Abgrenzung der Zuständigkeiten, Sie wollen Transparenz und dass die Gebührenhöhe nach- Frau Kollegin Staudte. Bitte schön! vollziehbar ist. - Das alles wird gemacht. Das ha- ben wir schon vor einem Jahr gefordert. Was wir Miriam Staudte (GRÜNE): nicht wollen, ist, dass die ganze Geschichte auf die Es geht darum, die Verbraucherinnen und lange Bank geschoben wird und dass wir die EU- Verbraucher zu schützen. Das ist unsere oberste Beratungen abwarten; denn das EU-Recht gibt es Maxime. sehr wohl her, jetzt über Gebühren zu finanzieren. Dabei geht es letztendlich nicht um die Geldquelle, (Beifall bei den GRÜNEN und bei der sondern die EU sagt nur: Es muss ausreichend SPD) finanziert werden. - Woher das Geld kommt, ist Wir verlangen die Gebühren nicht vom Verbrau- egal. cher, sondern von den Firmen, die im Moment zum (Beifall bei den GRÜNEN) Teil leider, in Ausnahmefällen, gegen die Vorschrif- ten verstoßen. Die große Gerechtigkeitsfrage, die Sie haben als weiteren Punkt die Gerechtigkeits- ja hier auch schon im Raum stand, bezieht sich frage angesprochen. Kleine Betriebe sollen nicht darauf, dass wir diejenigen Betriebe, die sich kor- stärker belastet werden. Die Landesregierung hat rekt verhalten, mit diesen Kontrollen schützen und eine Anhörung gemacht, und sie hat im Gegensatz nicht quasi die schwarzen Schafe entlasten. zur letzten Landesregierung auch einmal etwas geändert. Sie hat explizit eingeführt, dass kleinere (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Betriebe entlastet werden. Das sollten Sie hier SPD) honorieren, statt immer noch dagegen zu wettern. Nur noch einen Satz zum Schluss. Niedersachsen ist Pionier in der Frage der Gebührenfinanzierung. Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Ich finde, es ist eine Selbstverständlichkeit, dass Frau Kollegin Staudte, Ihre Redezeit ist weit über- man sich bei solch einem komplexen Gebilde auch schritten. in Zukunft erneut mit der Höhe der verschiedens- ten Gebühren wird befassen müssen. Davon gehe (Zustimmung bei der CDU) ich aus. Das ist ganz normal. Aber ich bin auch Aber eine Zwischenfrage möchte noch der Kollege ganz sicher, dass uns weitere Bundesländer bei Genthe stellen. Sind Sie einverstanden? diesem Vorgehen folgen werden. Insofern, denke ich, ist es wegweisend, was hier beschlossen wird. Miriam Staudte (GRÜNE): (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Ja. SPD)

Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Vizepräsident Karl-Heinz Klare: Eine Zwischenfrage. - Dann müssten Sie zum Frau Abgeordnete Staudte, mit Verlaub, es mag Schluss kommen. sein, dass die Äußerungen im Grenzbereich zum Ordnungsruf gewesen waren. Wir waren uns einig, Dr. Marco Genthe (FDP): dass es nur der Grenzbereich ist und dieser noch Frau Kollegin Staudte, es gibt ja auch weitere Be- nicht überschritten war. Natürlich dürfen Sie darauf reiche, in denen staatliche Kontrollen sehr wichtig hinweisen, dass es so ist. Bei den Ordnungsrufen sind. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, ob es halten wir uns an die Regeln, die auch dem Deut- jetzt rot-grüne Staatsdoktrin werden soll, dass alle

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schen Bundestag vorliegen. Die Äußerungen wa- Vizepräsident Karl-Heinz Klare: ren noch akzeptabel, wenn auch an der Grenze. Herr Minister Meyer, Herr Thiele möchte Ihnen Das haben Sie richtig gesagt. gerne eine Zwischenfrage stellen. Das Wort hat jetzt unser Landwirtschaftsminister Christian Meyer. Bitte schön! Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- wirtschaft und Verbraucherschutz: Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- Ich würde gerne erst einmal im Zusammenhang wirtschaft und Verbraucherschutz: ausführen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ange- sichts der Erinnerungslücken möchte ich zurückbli- (Jens Nacke [CDU]: Da war Herr cken. Es gab einmal eine schwarz-gelbe Bundes- Wenzel aber mutiger!) regierung. Nachdem es in Niedersachsen eine Nun zum Antrag der FDP: Unterstellt dieser doch zwei Wochen alte rot-grüne Landesregierung gab, den Bediensteten der Kommunen und des Landes, hatten wir einen Aflatoxin-Skandal und weitere sie würden ihren dienstlichen Verpflichtungen zu Skandale der Vorgängerregierung zu bewältigen. einer angemessenen Arbeit nicht nachkommen. Es gab eine Bundeslandwirtschaftsministerin, Frau Denn in ihrem Antrag spricht die FDP von willkürli- Aigner, heutige Kollegin des geschätzten Kollegen chen, kaum gerechtfertigten Prüfungen. Das weise Olaf Lies in Bayern, über die es am 3. März 2013 ich für die vielen Kontrolleurinnen und Kontrolleure hieß: des Landes und für die Mitarbeiterinnen und Mitar- „Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner beiter der Kommunen zurück. Sie leisten eine sehr warf den Herstellern Versagen bei den Ei- gute Arbeit genkontrollen vor.“ (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- (Zurufe von den Grünen: Ah!) stimmung bei der SPD) Dann forderte sie die Länder auf - das war doch zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbrau- Ihre Ministerin, oder? -, deutlich stärker zu kontrol- cher, und das mit sehr begrenzten Ressourcen. lieren als bisher. Zitat: Es liegt auf der Hand, sagte Die Kollegin Geuter hat es angesprochen, wie Frau Aigner, unsere Kontrollpflichten eigentlich sein müssten „die amtlichen Kontrollen in Zukunft stärker und welche wir nur erfüllen. Genau da setzen wir als bisher durch Gebühren zu finanzieren.“ an.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der Durch die Gebührenordnung soll die Überwachung SPD - Helge Limburg [GRÜNE]: Aha! zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbrau- Mit der CSU haben Sie ja nichts zu cher, aber auch der Wirtschaft vor solchen Skan- tun!) dalen finanziert werden. Alles, was wir am Anfang Es geht noch weiter. Ferner sagte Frau Aigner: finden und im Ursprung eindämmen können, kommt gar nicht mehr zu den Landwirten, kommt „Der Bundesrechnungshof habe festgestellt, gar nicht mehr in die Regale und somit nicht mehr dass die finanzielle und personelle Ausstat- bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern an. tung der zuständigen Stellen in den Län- dern“ Die FDP folgt immer gerne dem Landesrech- nungshof, aber anscheinend nur dann, wenn es - das war ihre Bilanz damals; wir waren ja gerade passt. Der Niedersächsische Landesrechnungshof zwei Wochen im Amt - fordert seit Jahren eine stärkere Kostendeckung „oft unzureichend sei.“ durch Gebühren bei den Kontrollen. Diese Nichts- ändern-Mentalität von den Fraktionen von CDU Sie schiebt noch nach: und FDP wird beim Verbraucherschutz von Ihnen „Kontrolle nach Kassenlage, das darf nicht fortgesetzt. Sie beantworten bis heute nicht, wie sein.“ die auch von Ihnen in den Anträgen stets geforder- te Verbraucherschutzstärkung finanziert werden (Beifall bei den GRÜNEN und bei der soll. SPD - Helge Limburg [GRÜNE]: Rich- tig!) Wir, meine Damen und Herren, stärken den Verbraucherschutz ohne Belastung des Landes-

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haushalts oder Streichung von Ausgaben an ande- gelehnt wird, stimmen wir anschließend noch über rer Stelle. den Änderungsantrag der CDU ab. Meine Damen und Herren, die Erhebung von Ge- Wir kommen zur Abstimmung. bühren entspricht selbstverständlich den geltenden Vorgaben des europäischen Rechts. Die Möglich- Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses keit, Gebühren für die amtlichen Kontrollen zu folgen und damit den Antrag der Fraktion der FDP erheben, wird auch weiterhin erhalten bleiben. in der Drucksache 17/1210 ablehnen will, den bitte Dies machen die Beratungen auf europäischer ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das Ebene deutlich. Aus diesem Grund besteht auch Erste war die Mehrheit. kein Anlass, auf die angestrebte Stärkung des Der Beschlussempfehlung des Ausschusses wur- Verbraucherschutzes zu verzichten. de mit Mehrheit gefolgt. Damit ist zugleich der Unsere Lernfähigkeit wurde angesprochen. Wir Änderungsantrag der Fraktion der CDU in der haben zweimal umfangreiche Anhörungen durch- Drucksache 17/1767 nach § 39 Abs. 2 Satz 3 in geführt, wir haben Bedenken der Wirtschaft aufge- Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 2 unserer Ge- griffen, was gerade die kleinen Betriebe anging. schäftsordnung abgelehnt. Wir verfolgen nämlich das Prinzip „Kleine Betriebe Vielen Dank, meine Damen und Herren. Wir sind - kleine Gebühren, große Betriebe - große Gebüh- am Ende der Beratung. Sie haben jetzt noch ein ren“. Die Landwirte sind von neuen Belastungen wenig Zeit, um sich auf die abendlichen Veranstal- nicht betroffen. Von daher ist das ein ganz wichti- tungen vorzubereiten. ger Bereich. Ebenso haben wir aufgegriffen, dass alle Marktstände von den Gebühren ausgenom- Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. men sind. Schluss der Sitzung: 16.54 Uhr. (Beifall bei den GRÜNEN) Wir differenzieren und sind lernfähig. Deshalb möchte ich mit einer Pressemitteilung des Wolfen- bütteler Abgeordneten Oesterhelweg vom 11. Feb- ruar 2014 schließen, ich zitiere:

„Der Wolfenbütteler Abgeordnete, Frank

Oesterhelweg, begrüßt das Einlenken von Landwirtschaftsminister Meyer bei der No- velle der Gebührenordnung für Lebens- und Futtermittel zum Schutz kleiner Betriebe.“ (Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Frank Oesterhelweg [CDU]) Genau diese Anregung haben wir gemacht. Und ich würde mich freuen, wenn Sie unsere Regelung zum Schutz kleiner Betriebe auch im Landtag un- terstützen würden. (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vizepräsident Karl-Heinz Klare:

Vielen Dank, Herr Minister Meyer.

Wir sind am Ende der Beratung, weil weitere Bei- träge nicht vorgesehen sind. Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Die auf Ablehnung lautende Beschlussempfehlung ist die weitestgehende Empfehlung. Wir stimmen daher zunächst über diese ab. Nur falls diese ab-

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