Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke Bodensee-Rhein

49. Bericht 2017 Die AWBR Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke Bodensee-Rhein Seit ihrer Gründung am 07. Juni 1968 setzt sich die Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke Bodensee-Rhein (AWBR) dafür ein, dass die zur Trink- wassergewinnung genutzten Oberfl ächen- und Grundwasservorkommen nachhaltig geschützt werden mit dem Ziel, auch in Zukunft jederzeit aus- reichend und einwandfreies Trinkwasser mit natürlichen Aufbereitungs- verfahren gewinnen zu können.

Als Interessensgemeinschaft von derzeit über 65 Mitgliedsunternehmen in Deutschland, Frankreich, Liechtenstein, Österreich und der Schweiz vertritt sie die Belange von über 10 Millionen Trinkwasserkonsumenten. Sie ist eingebunden in die Internationale Arbeitsgemeinschaft der Was-

Impressum Herausgeber Koordinierungsstelle der Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke Boden- see-Rhein (AWBR) am TZW Karlsruher Straße 84, D-76739 Karlsruhe

Redaktion DVGW-Technologiezentrum Wasser (TZW) Karlsruher Straße 84, D-76139 Karlsruhe

Übersetzung Nathalie Cazier Im Hausgrün 27, D-79312 Emmendingen

Druck Stober GmbH - Druckerei und Verlag Industriestraße 12, D-76344 Eggenstein

ISSN 0179-7867

Titelbild Blick vom Schloss auf die Stadt Heidelberg (Fotograph: Dorinel Nedelcu, pixabay.com, Bild 882590) Die AWBR Mitglieder und Messstellen Inhaltsverzeichnis

Vorwort des Präsidenten 5

Bericht der Geschäftsstelle für das Jahr 2017 9

Aktuelle Ergebnisse aus dem Untersuchungsprogramm 2017 23

Grund- und Trinkwasserbelastung durch Trifl uoracetat im Groß- raum Mannheim/Heidelberg 47

Bestimmung von Glyphosat und AMPA im Bodensee und seinen Zufl üssen mittels HPLC-HRMS 57

Algen- und Daphnientoximeter in einem Trinkwasserfrühwarn- system - Vergleich der Sensitivität zweier Biomonitore 67

Ein Werkzeug zur nachhaltigen Substanzerhaltung von Anlagen der Trinkwassergewinnung 89

Organisation 95 Vorwort des Präsidiums

Die Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke Bodensee-Rhein (AWBR) blickt 2017 auf ein ereignis- und erfolgreiches Jahr mit vielen Aktivitäten und Höhepunkten zurück, über die im vorliegenden Jahresbericht informiert wird.

Erstmalig wurde von der Mitgliederversammlung am 23. Juni 2017 in Heidelberg ein dreiköpfi ges Präsidium mit Prof. Dr. Matthias Maier (Deutschland), Marc Thieriot (Frankreich) und Roman Wiget (Schweiz) gewählt, um zukünftig noch fl exibler und effektiver auf länderspezifi sche und aktuelle Fragestellungen in den Bereichen Gewässerschutz und Trinkwasserversorgung eingehen zu können. Zudem wurde ab 1. Juli 2017 auch der Sitz der Geschäftsstelle (jetzt Koordinierungsstelle) nach Karlsruhe an das TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser verlegt. Mit diesen organisatorischen Änderungen will sich die AWBR fachlich und strukturell noch besser aufstellen, um die Kontakte zu Politik, Fachbe- hörden, Wasserwirtschaftsverbänden und Öffentlichkeit zu intensivieren. Das noch vom vormaligen Präsidenten Dr. Marcel Meggeneder initiierte Strukturprojekt bestätigte, dass die AWBR als Inter essenvertretung und Solidargemeinschaft in den vergangenen Jahren vielfältige Erfolge errei- chen konnte, aber aufgrund der sich ändernden Rahmenbedingungen die Strukturen entsprechend angepasst werden müssen.

Das neue Präsidium hat sich zur Aufgabe gemacht, auch die strategi- sche Ausrichtung der AWBR zu überdenken und neue Schwerpunkte zu setzen:

 Vorrangstellung der Trinkwasserressourcen in der Raumplanung und bei Nutzungskonflikten

 Verminderung von Gewässerbelastungen aus Industrie und Kommu- nen

 Standortangepasste und gewässerschonende Landwirtschaft und nachhaltige Agrarwende

 Gute Außenwirkung der AWBR und sichtbare Mehrwerte für die Mit- gliedsunternehmen

49. AWBR-Jahresbericht 2017 5 Dabei wollen wir als Präsidenten der AWBR datenbasiert, innovativ und vertrauenswürdig agieren und gut vernetzt und überregional unsere Zie- le im Interesse der Mitgliedsunternehmen erreichen.

Die laufenden Aktivitäten, Fachthemen und Fragestellungen wurden in den regelmäßig stattfi ndenden Gremiensitzungen von Präsidium, Vor- stand, wissenschaftlichem Beirat und den Arbeitsgruppen Oberrhein, Seen und Alpenrhein/Hochrhein/Aare behandelt und diskutiert. Darüber hinaus gab es im Berichtsjahr zahlreiche Kontakte zu Fachbehörden, Wasserwirtschaftsverbänden, Forschungseinrichtungen und sonstigen Organisationen, um die Anliegen und Ziele der AWBR zu kommunizie- ren und für sie zu werben. Einzelheiten und weitere Informationen zu den zahlreichen Fachthemen, mit denen sich die AWBR-Gremien im vergangenen Jahr beschäftigt haben, fi nden sich in den nachfolgenden Kapiteln.

Vorrangiges Ziel des Präsidiums ist es, die Mitgliedswerke optimal mit Informationen, Daten, fachlichen und wissenschaftlichen Erkenntnissen in einer gut vernetzten Gemeinschaft zu unterstützen. Darüber hinaus ist es ein wichtiges Anliegen für uns, auch die politischen Interessen der Mitgliedswerke zu vertreten und dabei Politik, Behörden, Medien und die breite Öffentlichkeit mit klaren Botschaften, Positionspapieren und Stel- lungnahmen zu laufenden Fragestellungen zu erreichen.

Im Namen der AWBR dürfen wir uns bei allen Mitgliedern des Vorstands, des wissenschaftlichen Beirats, der jeweiligen Arbeitsgruppen sowie al- len Mitgliedswerken und ihren Betriebsangehörigen für ihre aktive Mitar- beit, Unterstützung und Engagement bedanken. Ein besonderer Dank gilt auch den Vertretern und Mitarbeitern des TZW: DVGW-Technologie- zentrum Wasser in Karlsruhe für ihre kompetente Arbeit und Unterstüt- zung der AWBR.

Die AWBR ist eine gut funktionierende Interessengemeinschaft, die da- von lebt, dass sich ihre Mitglieder unter der gemeinsamen Vision „Saube- re Gewässer, reines Trinkwasser.“ langfristig engagieren und einsetzen. So kann die AWBR am 15. Juni 2018 in Konstanz bereits ihr 50-jähriges

6 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Gründungsjubiläum feiern, zu dem wir Sie alle sehr herzlich einladen möchten.

Wir freuen uns auf weitere erfolgreiche Jahre für die AWBR und hoffen auch weiterhin auf Ihre aktive Unterstützung und Ihr Engagement. Ihr Verdienst ist es, dass auf die AWBR stets Verlass ist.

Prof. Dr. Matthias Maier Marc Thieriot Roman Wiget

49. AWBR-Jahresbericht 2017 7 8 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Bericht der Koordinierungsstelle für das Jahr 2017

Auf Vorschlag des AWBR-Vorstands und Beschluss der Mitgliederver- sammlung wurde zum 1. Juli 2017 die Geschäftsführung dem TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser als Koordinierungsstelle übertra- gen. Zum Leiter der Koordinierungsstelle wurde Prof. Dr. Heinz-Jürgen Brauch ernannt.

Gemäß der neuen und überarbeiteten Satzung der AWBR, die ebenfalls von der Mitgliederversammlung am 23. Juni 2017 in Heidelberg geneh- migt wurde, besteht das Präsidium der AWBR aus drei Personen, die durch die Mitgliederversammlung aus der Mitte des Vorstands gewählt wurden. Sprecher des Präsidiums ist derzeit Prof. Dr. Matthias Maier; als weitere Präsidenten fungieren Marc Thieriot und Roman Wiget. Wie in den Vorjahren traf sich der AWBR-Vorstand zu zwei Sitzungen am 30. März 2017 in Zürich und am 26. Oktober 2017 in Karlsruhe beim TZW. Neben den Formalien und Berichten aus dem wissenschaftlichen Beirat und den Arbeitsgruppen Oberrhein und Seen standen folgende Themen auf der Agenda:

Strukturprojekt Das Strukturprojekt wurde zur Jahresmitte 2017 erfolgreich abgeschlos- sen und wird vom neuen Präsidium mit Fokus auf die strategische Aus- richtung der AWBR weitergeführt. Basierend auf den vier Säulen der AWBR (Netzwerk, Monitoring, Sach- und Forschungsprojekte und Orga- nisation) wurden mögliche Handlungsansätze und ein Maßnahmenkata- log erarbeitet und vom Vorstand beschlossen. Somit können zukünftig die interne und externe Kommunikation verbessert und die Kontakte zu den Mitgliedsunternehmen intensiviert, die Mess- und Untersuchungs- aktivitäten der AWBR fl exibler unter Einbeziehung der Mitgliedswerke gestaltet und an neue Herausforderungen angepasst sowie kurzfristi- ge Sonderprojekte (TFA, Quagga-Muschel etc.) initiiert und umgesetzt werden. Als wichtige Aufgabe bleibt, die fi nanzielle Basis der AWBR für die Zukunft zu sichern, woran Präsidium und Vorstand derzeit intensiv arbeiten.

49. AWBR-Jahresbericht 2017 9 Trifl uoracetat (TFA) - Konsequenzen für die Wasserversorgung am unteren Seit September 2016 ist bekannt, dass durch Einleitungen der Firma Solvay Fluor bei Bad Wimpfen der Neckar und die angrenzenden Grund- wässer sowie die Rohwässer der Wasserversorger zum Teil erheblich mit TFA verunreinigt sind. Nicht nur die Wasserwerke waren überrascht, sondern auch die zuständigen Genehmigungs- und Gesundheitsbe- hörden, was zu teilweise hektischen Aktionen und Reaktionen über die Medien und die Öffentlichkeit geführt hat. Obwohl AWBR und ARW die Firma Solvay Fluor und die zuständigen Behörden schriftlich aufgefor- dert hatten, unverzüglich Maßnahmen zum Schutz der Trinkwasserver- sorgung zu ergreifen, wurde erst Ende Oktober 2017 ein „Runder Tisch“ mit allen Betroffenen im Landratsamt Heidelberg einberufen. Folgende Entwicklungen und Ergebnisse wurden vorgestellt und diskutiert:

 Die Hauptbelastungsquelle - die Produktion von Trifluoressigsäure - wurde bereits nach Frankreich verlagert.

 RP Stuttgart und Solvay Fluor werden eine weitere Reduzierung der TFA-Einleitungsmengen vereinbaren.

 Die Grundwassermodellierungen zeigen eindeutig, dass die Brun- nen der Wasserwerke noch über Jahre hinaus mit TFA belastet sein werden.

 Die betroffenen Kommunen und Wasserversorger zeigten sich sehr verärgert über die mangelhafte Information und Kommunikation der Behörden.

 Aufgrund der Anhebung des gesundheitlichen Orientierungswertes (GOW) von 1 μg/L auf 3 μg/L (Januar 2017) wurde mit Schreiben vom UBA ein Vorsorgemaßnahmenhöchstwert in Höhe von 30 μg/L (GOW multipliziert mit Interpolationsfaktor 10) festgesetzt. Das RP Karls- ruhe bestätigte den betroffenen Wasserversorgungsunternehmen, dass somit keine kurzfristigen Maßnahmen, die größere Investitionen einschließen, erforderlich sind. Die regelmäßigen Monitoringuntersuchungen der AWBR zeigen ebenso wie die umfangreichen Messungen der LUBW, dass die TFA-Konzen- trationen im Neckar im 1. Halbjahr 2017 vergleichsweise niedrig waren. Allerdings sind im ersten Quartal 2018 die TFA-Gehalte wieder ange-

10 49. AWBR-Jahresbericht 2017 stiegen. Auswirkungen auf die Belastungssituation der Wasserwerks- brunnen sind bislang noch nicht feststellbar. Im Übrigen wird auf den Bericht von Jochen Ries und Markus Morlock in diesem Jahresbericht verwiesen.

Quagga-Muschel Die Quagga-Muschel konnte im Bodensee an vielen Stellen nachgewie- sen werden. Die Beschaffenheit des Rohwassers der Seewasserwerke ist derzeit noch nicht beeinträchtigt. Das Hauptproblem liegt vor allem in der Besiedlung und dem möglichen Zuwachsen der Entnahmeleitungen, wie von den Wasserwerken an den Großen Seen in Nordamerika berich- tet wird. Die Bodensee-Wasserversorgung wird in einer Versuchsanlage verschiedene Methoden zur Bekämpfung der Quagga-Muschel unter- suchen und testen. Da sicherlich alle Wasserversorger am Bodensee betroffen sind, ist solidarisches Handeln angesagt. Die Kosten für den Versuchsbetrieb sollen von den Wasserwerken am Bodensee nach der Wasserabgabemenge gemeinsam getragen werden.

AWBR-Untersuchungsprogramm Mit dem Untersuchungsprogramm zeigt die AWBR seit Jahren ihre hohe Fachkompetenz und ihren Einsatz als Interessenvertretung der Mit- gliedswerke. Die Untersuchungen und Bewertungen werden jährlich an neue Fragestellungen und Herausforderungen angepasst und dienen vor allem dazu, weitere gewässerschützende Maßnahmen zu fordern und somit die Sicherheit der Wasserversorgung langfristig zu sichern. In den letzten Jahren war die Thematik „Vorkommen, Verhalten und Ver- bleib von Spurenstoffen in den Gewässern“ ein herausragendes Thema für die AWBR-Mitgliedswerke, da fast alle Wasserversorger betroffen sind. Insbesondere persistente und mobile Stoffe stehen im Fokus des Interesses, da sie weder bei der Abwasserbehandlung noch bei natürli- chen oder technischen Aufbereitungsverfahren weitgehend zu entfernen sind. Erforderlich sind transparente und nachvollziehbare Bewertungs- verfahren, die die interne und externe Kommunikation der Mitgliedswer- ke unterstützen.

49. AWBR-Jahresbericht 2017 11 Forschungsprojekte In den letzten Jahren wurden insbesondere am Bodensee und entlang des Rheins verschiedene Forschungsprojekte durchgeführt, an denen die AWBR als Partner beteiligt oder an den Ergebnissen sehr stark inte- ressiert war. Im Forschungsprojekt „Seezeichen“ wurden die Zuströme von Grundwasser in den Bodensee sowohl mit chemisch-analytischen Untersuchungsmethoden als auch mit Modellen untersucht. Insgesamt werden die zuströmenden Grundwassermengen aber als gering einge- schätzt. Die Abschlussveranstaltung zu diesem vom BMBF geförderten Projekt fand im ersten Quartal 2018 statt (www.seezeichen-bodensee. de).

Im derzeit laufenden Projekt „Seewandel“ werden vor allem ökologische Aspekte wie z. B. das verbreitete Auftreten der Burgunderblutalge, der Einfl uss von Muscheln auf Lebensgemeinschaften etc. intensiv unter- sucht (www.seewandel.org). Das Thema Auftreten der Quagga-Muschel wird innerhalb des Projekts nicht bearbeitet.

Im Rahmen eines vom DVGW geförderten Forschungsvorhabens „Ent- wicklung einer Konzeption zur Selektion von wasserversorgungsrelevan- ten prioritären Stoffen (Hot-Target Analytik)“ wurde eine Vorgehenswei- se entwickelt, wie aus mehr als 10.000 potenziell gewässerrelevanten Stoffen aus den unterschiedlichen Anwendungsbereichen diejenigen Spurenstoffe identifi ziert werden können, die bis ins Rohwasser von Wasserwerken gelangen können. Hauptkriterien für die Auswahl waren die physikalisch-chemischen und biologischen Stoffeigenschaften, wo- bei insbesondere die Persistenz und Mobilität sowie die Toxizität zu be- werten waren. Des Weiteren wurden Produktions- und Verbrauchsmen- gen, spezifi sche Eintragungspfade sowie Molekülstruktur und –masse betrachtet. Darüber hinaus wurde mit weiter entwickelten Softwaretools das Verhalten bei natürlichen und technischen Aufbereitungsverfahren wie Ozonung und Aktivkohle abgeschätzt. Im Endergebnis konnten nur wenige trinkwasserrelevante Stoffe identifi ziert werden, die auch bei mo- dernster Aufbereitungstechnik bis ins Trinkwasser vordringen können und toxikologisch kritisch zu bewerten sind. Geprüft wurde auch der Ver-

12 49. AWBR-Jahresbericht 2017 gleich mit experimentellen Daten aus Literatur und den Untersuchungs- programmen der Wasserwerke im Rheineinzugsgebiet sowie die Betrof- fenheit von Wasserversorgungsunternehmen.

Weitere Aktivitäten Die Koordinierungsstelle war und ist laufend in zahlreiche Themen und Entwicklungen eingebunden, die sich mit der Umsetzung der EU-Was- serrahmenrichtlinie, der Neufassung der EU-Trinkwasserrichtlinie und zahlreichen nationalen und internationalen Vereinbarungen rund um den Gewässerschutz beschäftigen.

Besondere Aufmerksamkeit hat in der Schweiz die Volksinitiative „Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – keine Subventionen für den Pestizid- und prophylaktischen Antibiotika-Einsatz“ gefunden. Die- se Initiative für sauberes Trinkwasser (Trinkwasserinitiative) wurde von der AWBR unterstützt und hat innerhalb weniger Monate über 100.000 Unterschriften gesammelt. Am 18. Januar 2018 wurden die Unterschrif- ten in Bern übergeben, so dass sich jetzt der Bundesrat damit befassen muss. Über die weiteren Entwicklungen wird die AWBR auf ihrer aktuali- sierten Website informieren.

37. Basler Rheinschwimmen

49. AWBR-Jahresbericht 2017 13 Am 15. August 2017 fand das 37. Basler Rheinschwimmen statt, an dem auf Einladung der IW Basel Vertreter des Vorstandes und des Beirates teilgenommen haben. Es war ein tolles Ereignis für alle Beteiligten mit der Möglichkeit, sich von der guten Qualität des Rheinwassers bei Basel zu überzeugen. Herzlichen Dank an Thomas Meier und die IWB.

Besten Dank auch an das bis zum 30. Juni 2017 verantwortliche AWBR- Team der Bodenseewasserversorgung mit Dr. Marcel Meggeneder, Dr. Roland Schick, Bettina Grübel, Maria Quignon und Uwe Jauss für ihr En- gagement und persönlichen Einsatz sowie die reibungslose Übergabe.

AWBR-Mitgliederversammlung 2017 in Heidelberg

Die 49. Mitgliederversammlung der AWBR fand am 22./23.06.2017 auf Einladung der Stadtwerke in Heidelberg statt. Eröffnet wurde sie durch den Präsidenten Dr. Marcel Meggeneder, der in seiner Einführungsrede betonte, wie wichtig und notwendig auch heute noch eine Organisation wie die AWBR ist, die durch ihre fachliche Kompetenz und das große En- gagement der Mitglieder ein starkes Netzwerk bildet, das in Kontakt mit Ministerien, Politik, Wasserverbänden und Öffentlichkeit weitere Fort- schritte zur Verbesserung der Gewässerbeschaffenheit und zur Siche- rung der Trinkwasserversorgung für etwa 10 Mio. Verbraucher erreichen will.

Dr. Rudolf Irmscher begrüßte als Geschäftsführer der Stadtwerke Hei- delberg und Vorstandsmitglied der AWBR ebenfalls die Teilnehmer und stellte die Stadtwerke als klassisches Querverbundunternehmen vor, das zu 100 % kommunal ist. Die Wasserversorgung von Heidelberg ist erheblich durch die Verunreinigung des Neckars und der Wasserwerks- brunnen mit Trifl uoracetat (TFA) betroffen. Er spricht der AWBR Dank für die große fachliche und politische Unterstützung aus, die hoffentlich zu einer guten Lösung für die Wasserversorgung am unteren Neckar führen wird.

14 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Als Gastredner hielt Prof. Dr. Lothar Seiwert einen spannenden und inter- essanten Vortrag über Zeitmanagement. In unserer heutigen schnelllebi- gen Zeit ist es wichtig, die Führungskräfte im strategischen Zeitmanage- ment zu schulen. Die wirklich wichtigen Themen und Herausforderungen müssen längerfristig geplant werden. Auch wenn ein Unternehmen sehr effi zient organisiert ist, aber die Prioritäten falsch gesetzt sind, wird es nicht erfolgreich sein.

Dr. Marcel Meggeneder ging in seinem Bericht zunächst auf das laufen- de Struktur- und Strategieprojekt ein, mit dem die AWBR nach Innen und Außen gestärkt werden soll, insbesondere auf die zukünftigen Heraus- forderungen. Die aktuellen Themen für die AWBR sind neben der Prob- lematik TFA die weitere Reduzierung der Stoffeinträge in die Gewässer, die Gefährdung der Rohwasserressourcen durch Pfl anzenschutzmittel- und Arzneimittelrückstände und Industriechemikalien (z. B. Grundwas- serverunreinigungen durch per- und polyfl uorierte Verbindungen (PFC)) sowie Risiken durch die Einwanderung von invasiven Arten (Quagga- Muschel etc.) und die Auswirkungen des Klimawandels.

Der Präsident von ARW und IAWR Dr. Andreas Cerbe bekräftigte in sei- nem Kurzreferat die wichtige Rolle und hohe Fachkompetenz der Ar- beitsgemeinschaften der Wasserwerke im Rheineinzugsgebiet. Wichtige Themen und Aufgaben für ARW und IAWR sind derzeit die industriellen Direkteinleitungen, die die Rhein- und Rohwasserbeschaffenheit erheb- lich beeinfl ussen, sowie internationale Zusammenarbeit und Erfahrungs- austausch mit Daten und Fakten aus den Untersuchungsprogrammen. Die politische Interessenvertretung in Europa übernimmt die IAWR.

Nach dem fachlichen Bericht über die wesentlichen Ergebnisse der laufenden AWBR-Untersuchungen berichtete Dr. Roland Schick als Geschäftsführer über die Jahresrechnung 2016 und die Prüfung durch die Kontrollstelle. Die Mitgliederversammlung entlastete einstimmig den Vorstand und das Präsidium.

Als neues dreiköpfi ges Präsidium wählte die Mitgliederversammlung Prof. Dr. Matthias Maier (Deutschland), Marc Thieriot (Frankreich) und

49. AWBR-Jahresbericht 2017 15 Roman Wiget (Schweiz) für die nächsten drei Jahre. Mit der neuen Sat- zung sollen zukünftig in den einzelnen Regionen schneller und direkter Kontakte mit Mitgliedswerken, Behörden etc. aufgenommen und Ent- scheidungen vorbereitet werden, um die Ziele und Anliegen der AWBR besser vertreten und kommunizieren zu können. Die Geschäftsstelle (zukünftig Koordinierungsstelle) ist seit dem 1. Juli 2017 beim TZW in Karlsruhe angesiedelt. Dr. Marcel Meggeneder dankte Dr. Karl Roth (SW Karlsruhe), der aus dem Vorstand ausscheidet, dem bisherigen Geschäftsführer Dr. Roland Schick (ZV Bodensee-Wasserversorgung) sowie dem AWBR-Team mit Bettina Grübel (Geschäftsstelle), Maria Quignon (PR/Kommunikation) und Uwe Jauss (Rechnungsführer) für ihr großes Engagement.

Zur Feier des 50-jährigen Jubiläums der AWBR und zur nächsten Mit- gliederversammlung der AWBR am 15. Juni 2018 lud Wolfgang Fettke nach Konstanz ein.

Wissenschaftlicher Beirat

Der wissenschaftliche Beirat der AWBR hat sich turnusgemäß im Be- richtsjahr 2017 zu zwei Sitzungen am 13./14. Februar 2017 im TZW Karlsruhe und am 25./26. September 2017 auf Einladung der Industriel- len Werke in Basel getroffen. Die Vielfalt der Themen und Fragestellun- gen ist immer sehr groß und umfangreich und führt zu lebhaften Diskus- sionen, die den Erfahrungsaustausch und die fachliche Aussprache für jeden Beteiligten interessant und spannend machen.

Aktuelle Fachthemen Die Belastung des Neckars sowie der begleitendenden Grundwässer und Wasserwerksbrunnen mit der Chemikalie Trifl uoracetat (TFA) beschäfti- gen die Wasserversorger am unteren Neckar und die AWBR gleicher- maßen. Im Vergleich zu den TFA-Konzentrationen aus dem Jahr 2016 sind die Gehalte im Neckar zum Teil erheblich zurückgegangen, was vor

16 49. AWBR-Jahresbericht 2017 allem auf geringere Einleitungsmengen aufgrund von Produktionsverla- gerungen bzw. -einschränkungen zurückzuführen ist. Derzeit werden in Abstimmung von Behörden, einleitendem Betrieb und Wasserversorgern verschiedene prozesstechnische und aufbereitungsspezifi sche Maßnah- men bei der Abwasserbehandlung umgesetzt, die erwarten lassen, dass zukünftig die TFA-Konzentrationen noch weiter zurückgehen werden.

Im laufenden Untersuchungsprogramm der AWBR wurden auch im Jahr 2017 wiederum neue und bislang unbekannte Spurenstoffe nachgewie- sen und bewertet. Dabei handelt es sich häufi g um sehr persistente und mobile Stoffe wie 1,4-Dioxan, Melamin, Amidosulfonat (ASA) u. a., die als Industriechemikalien unter der REACH-Verordnung geregelt sind. In der Regel werden derartige Spurenstoffe toxikologisch als nicht kritisch eingeschätzt. Die Untersuchungen auf mikrobiologische Qualitätspara- meter wurden weiter fortgeführt; zukünftig ist damit zu rechnen, dass neue mikrobiologische Parameter aufgrund aktueller Forschungsergeb- nisse in das Untersuchungsprogramm aufgenommen werden.

Forschungsprojekte Das vom TZW durchgeführte Forschungsvorhaben „Hot-Target-Analytik“ (Kurzbezeichnung) verfolgte das Ziel, aus ca. 15.000 Stoffen, die in di- versen Stoffdatenbanken enthalten sind, diejenigen Verbindungen zu selektieren und zu priorisieren, die aus Sicht der Wasserversorgung als relevant einzustufen sind. Dabei wurden insbesondere die Kriterien Per- sistenz, Mobilität und Toxizität sowie das Verhalten in der Umwelt und im Wasserkreislauf beurteilt. Mehrere hundert Stoffe sind als persistent und mobil einzustufen, die aber fast durchgängig als toxikologisch nicht kritisch zu bewerten sind. Bislang bekannte trinkwasserrelevante Sub- stanzen wie EDTA, TFA, MTBE u. a. sind toxikologisch von geringem Interesse.

Organische Phosphonate werden häufi g in Waschmitteln und als Anti- scalants in Membrananlagen zur Wasseraufbereitung eingesetzt. Im Rahmen eines DVGW geförderten Forschungsvorhabens wurde die

49. AWBR-Jahresbericht 2017 17 Reinheit der technischen Produkte untersucht sowie die Nebenprodukte und Edukte, die üblicherweise herstellungsbedingt enthalten sind, mit- tels moderner und leistungsfähiger chromatographischer und spektros- kopischer Analysenverfahren identifi ziert.

In weiteren Forschungsvorhaben wurden Vorkommen, Bestimmung und Bewertung von Mikroplastik-Partikeln in Oberfl ächengewässern themati- siert. Insbesondere Probenahme, Probenaufarbeitung, Bestimmung und Verhalten von Mikroplastik-Partikeln im Wasserkreislauf sind dabei von Interesse, wobei derzeit vor allem die Probenahme- und Detektionsver- fahren zu harmonisieren sind. Auswirkungen auf die Trinkwassergewin- nung werden aufgrund der hohen technischen Anforderungen bei der Aufbereitung und des Multi-Barrieren-Ansatzes als gering eingeschätzt.

Verschiedenes Der AWBR-Beirat beteiligt sich maßgeblich durch Fachbeiträge und Er- fahrungsberichte aus den Mitgliedsunternehmen an der Erstellung des AWBR-Jahresberichts. Daneben werden laufende Forschungsprojekte aus den Mitgliedswerken vorgestellt und diskutiert. Zu erwähnen ist ins- besondere die große Unterstützung der Mitgliedswerke und der Beirats- mitglieder bei der Durchführung und Auswertung des AWBR-Untersu- chungsprogramms.

Bericht der AG Oberrhein

Die AG Oberrhein bearbeitet Themen und Fragestellungen aus den Bereichen Grundwasserbeschaffenheit, Wasserversorgung und -ver- teilung, Energieoptimierung und Digitalisierung. Mitglieder der AG sind Vertreter von schweizerischen, französischen und deutschen Mitglieds- unternehmen aus der Region Oberrhein zwischen Basel und Heidelberg/ Mannheim.

Sitzungen der AG Oberrhein fanden am 6. April 2017 in Schiltigheim (SDEA) und am 12. Oktober 2017 bei den Stadtwerken Karlsruhe statt.

18 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Fachthemen waren u. a. die Sensor- und Netzüberwachung bei der Communauté de Strasbourg, laufende Arbeiten zur Ermittlung der not- wendigen Substanzerhaltungen (Stadtwerke Karlsruhe) sowie gesetzli- che Anforderungen an die Eigenkontrolle von Entwässerungsanlagen in Frankreich.

Daneben wurden in den Sitzungen übergeordnete Themen „Wie gehen die Wasserversorger mit Klimaänderungen um?“ sowie „Chancen und Risiken von Freihandelsabkommen“ vorgestellt und diskutiert. Themen- schwerpunkte sind vor allem der technische und fachliche Erfahrungs- austausch zwischen deutschen, schweizerischen und französischen Wasserversorgern sowie die Auswirkungen von politischen Entscheidun- gen in den Ländern auf die Praxis der Wasserversorgung. In den letz- ten Jahren wurden vor allem Grundwasserqualitätsprobleme wie zum Beispiel die Versalzung durch Chlorid, erhöhte Nitrat-Konzentrationen sowie Grundwasserverunreinigungen mit PAK, CKW und PFC (per- und polyfl uorierte Verbindungen) thematisiert sowie Risiken und Maßnah- men diskutiert.

Aktuelles Beispiel sind die großfl ächigen Boden- und Grundwasserver- unreinigungen in der Region Rastatt/Baden-Baden mit PFC, von denen insbesondere die Wasserversorgungsunternehmen betroffen und zu zu- sätzlichen Aufbereitungsmaßnahmen gezwungen sind. Ursache ist die vor Jahren erfolgte Ausbringung von Kompost, dem Papierschlämme untergemischt wurden, die PFC in größeren Mengen enthielten. Derzeit wird im Rahmen von gezielten Untersuchungen (Monitoring) und Model- lierungen versucht, das gesamte Ausmaß der Kontamination von Boden und Grundwasser zu erfassen sowie im Rahmen von Forschungsprojek- ten die stoffl iche Zusammensetzung zu bestimmen und Aufbereitungs- und Sanierungsmaßnahmen zu entwickeln und zu testen.

Auf der letzten Sitzung übergab Matthias Maier die Leitung der Arbeits- gruppe Oberrhein an Klaus Rhode (bnNetze, Freiburg), der sich schon viele Jahre in der Arbeitsgruppe engagiert hat.

49. AWBR-Jahresbericht 2017 19 An der Sitzung am 12. Oktober 2017 in der Betriebsstelle Ost der Stadtwerke Karlsruhe wur- de mit Bernhard Finck eines der Mitglieder der AG Ober- rhein verabschiedet, das von Beginn an mitgewirkt hat. Er vertrat die Wasserversorgung von Mulhouse im Südelsaß. Der Präsident Matthias Maier dankt für die jahrelange Mitar- beit. Verabschiedung Bernhard Finck

Bericht der AG Seen

Die AG Seen dient als technische und wissenschaftliche Plattform zum Austausch von aktuellen Problemen und Themen rund um die Alpenseen (Bodensee, Zürichsee, Vierwaldstättersee etc.). Da im Gebiet der AWBR viele Mitgliedsunternehmen Seewasser als Rohwasser zur Trinkwasser- versorgung entnehmen und aufbereiten, stehen chemische, limnologi- sche und mikrobiologisch-hygienische Fragestellungen im Vordergrund. Sitzungen der AG Seen fanden am 28.03.2017 bei der Bodensee-Was- serversorgung in Sipplingen und am 25.10.2017 in Überlingen statt.

Auch in der AG Seen ist die Thematik Spurenstoffe ein aktuelles Thema, da die Seewasserwerke mit ihren eigenen Laboratorien entsprechende Monitoringuntersuchungen durchführen. Der Eintrag von Spurenstoffen in die Seen erfolgt in der Regel über die Zufl üsse, die wiederum als Vor- fl uter für Abwassereinleitungen dienen. Nachgewiesen werden vor allem persistente und mobile Spurenstoffe, allerdings in deutlich geringeren Konzentrationen als im Rhein. Durch Aufbereitungsverfahren mit Ozon, Sand- und Aktivkohlefi ltration werden die Konzentrationen von Spuren- stoffen weiter reduziert.

20 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Große Besorgnis löst seit einigen Jahren das Auftreten der Quagga-Mu- schel im Bodensee aus, wobei die Nachweise in den letzten Monaten immer mehr zugenommen haben und zum Teil die Anlagen der See- wasserwerke bereits besiedelt sind. Handlungsbedarf besteht vor allem bei kurzfristigen Maßnahmen zum Schutz der Seewasserentnahmelei- tungen. Bei der Bodensee-Wasserversorgung wird bereits ein Versuchs- container in Zusammenarbeit mit dem TZW betrieben, um verschiedene technische Maßnahmen zur Muschelbekämpfung zu testen (Ultrafi ltrati- on, UV-Bestrahlung, Dosierung von Kohlenstoffdioxid, Spaltsieb). Da zu erwarten ist, dass alle Seewasserwerke am Bodensee betroffen sind, ist die AWBR als Solidargemeinschaft gefragt.

Weitere Themen in der AG Seen sind die Störfallvorsorge, der Transport von wassergefährdenden Stoffen und gefährlichen Gütern auf Schiene und Straße, Flugzeugabsturz (08.08.2017 bei der Insel Mainau) sowie der Hochwasserschutz am Alpenrhein. Sehr kontrovers diskutiert wird derzeit eine mögliche Bewilligung für Aquakulturen im Bodensee, die die Wasserversorger und ein Großteil der Fischer vehement ablehnen. Auf politischer Ebene gibt es in Baden-Württemberg dazu unterschiedliche Ansichten zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsministerium.

Prof. Dr.-Ing. Dieter Flinspach verstorben

Prof. Dr. Flinspach war von 1978 - 2000 verantwortlich als technischer Geschäfts- führer der Landeswasserversorgung und viele Jahre lang im Vorstand der AWBR aktiv. Er hat mit großem Sachverstand, Weitblick und Engagement die Landes- wasserversorgung geführt und dabei auch im AWBR-Vorstand viele wertvolle Akzente gesetzt.

Dieter Flinspach

49. AWBR-Jahresbericht 2017 21 Prof Dr. Dieter Flinspach ist am 11. August 1935 in Schwaigern bei Heilbronn geboren. Nach dem Abitur in Heilbronn studierte er Bauin- genieurwesen an der technischen Hochschule in Stuttgart, wo er auch promovierte. Es folgten berufl iche Stationen bei der Wasserwirtschafts- verwaltung in Künzelsau, dem Wasserwirtschaftsamt in Kirchheim unter Teck, beim Innenministerium und beim Landwirtschaftsministerium des Landes Baden-Württemberg, bis er 1978 technischer Geschäftsführer der Landeswasserversorgung wurde. Im Jahr 2000 trat er in den Ruhe- stand.

Für die AWBR war er viele Jahre im Vorstand tätig und hat sich mit gro- ßem Engagement für die Ziele und die Weiterentwicklung des Gewäs- serschutzes und der Trinkwasserversorgung verdient gemacht. Prof. Dr. Flinspach war ein ausgezeichneter Fachmann und hat somit über viele Jahre das Wasserfach geprägt und bereichert. Hierfür ist ihm die AWBR sehr dankbar.

Finanzen

Im abgeschlossenen Kalenderjahr 2017 ergab sich aufgrund der Ge- samteinnahmen in Höhe von EUR 245.987,08 und Gesamtausgaben in Höhe von EUR 256.330,28 ein Verlust in Höhe von EUR 10.343,20.

Die Projekte für die zweckgebundenen Rücklagen aus dem Vorjahr wur- den in 2017 abgeschlossen. Insofern wurden die Rücklagen aufgelöst und die nicht verbrauchten Mittel dem Kapitalkonto zugeführt.

Die Einnahmen beruhen auf den erhaltenen Beiträgen von 58 Mitglieds- unternehmen in Höhe von EUR 230.987,08 und einem Strukturbeitrag in Höhe von EUR 15.000, der durch 10 Mitgliedsunternehmen entrichtet wurde.

Aktuell ist noch ein Mitgliedsbeitrag aus 2016 in Höhe von EUR 1.020 ausstehend. Aufgrund zweier Austritte zum 31.12.2016 (Mulhouse, Bi- schofszell) liegen die Ist-Einnahmen um EUR 4.012 unter den Planwer-

22 49. AWBR-Jahresbericht 2017 ten.

Die Ausgaben setzten sich hauptsächlich zusammen aus Kosten für das Untersuchungsprogramm (EUR 171.200), Kosten für die Geschäftsstelle (EUR 25.600) sowie dem Mitgliedsbeitrag an die IAWR (EUR 49.000).

Zudem ergab sich bzgl. des aktuellen Girokontos bei der UBS Bank in Sankt Gallen, das in Schweizer Franken geführt wird, ein Kurswertver- lust zum 31.12.2017 in Höhe von EUR 2.112,80.

Das UBS-Konto wurde inzwischen zum 12.02.2018 aufgelöst, um weite- re Kursverluste zukünftig zu vermeiden.

Die Geschäftsstelle lag vom 01.01. - 30.06. beim Zweckverband Boden- see-Wasserversorgung in Stuttgart und wurde nunmehr seit 01.07.2017 dauerhaft dem TZW in Karlsruhe übertragen.

49. AWBR-Jahresbericht 2017 23 24 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Aktuelle Ergebnisse aus dem Untersuchungsprogramm 2017 Heinz-Jürgen Brauch, Michael Fleig TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser

Einleitung Die AWBR führt seit vielen Jahren ein umfangreiches Untersuchungspro- gramm auf eine Vielzahl von physikalisch-chemischen und mikrobiologi- schen Parametern sowie auf eine zunehmende Anzahl von organischen Spurenstoffen durch, die aufgrund ihrer intrinsischen Stoffeigenschaften (persistent und mobil) für die Trinkwassergewinnung aus Oberfl ächen- gewässern relevant sein können. Ca. 30 Messstellen an Fließgewäs- sern (Aare, Rhein, Neckar, Donau) und Alpenseen (Bodensee, Zürich- see, Vierwaldstättersee, Bielersee) werden regelmäßig beprobt, um die Gewässerbeschaffenheit im jahreszeitlichen Verlauf zu bestimmen und wesentliche Veränderungen festzustellen. Die analytischen Unter- suchungen werden teils von den Mitgliedswerken und teils vom TZW vorgenommen. Alle Messdaten und eventuelle weitere Ergebnisse aus Forschungsprojekten sind in der AWBR-Datenbank enthalten und ste- hen den Mitgliedswerken zur Verfügung. Mit eigenen Messdaten kann die AWBR im Sinne ihrer Satzung und Aufgaben eine weitere Verbes- serung der Gewässerbeschaffenheit in Zusammenarbeit mit Behörden, Politik, Industrie und Verbänden erreichen.

Wasserführung und allgemeine anorganische Parameter Die wichtigsten Kenngrößen und Basisparameter zur Beurteilung von Fließgewässern und Seen sind Sauerstoffgehalt, elektrische Leitfä- higkeit und die Konzentrationen von Chlorid, Sulfat, Nitrat und Am- monium. In Aare, Alpen-, Hoch- und Oberrhein sind die Konzentrationen dieser Qualitätsparameter in der Regel niedrig und unterschreiten durch- weg deutlich die Zielwerte des Europäischen Fließgewässermemoran- dums (ERM). An den Messstellen an Neckar und Donau sind aufgrund von Abwassereinleitungen und geringerer Abfl üsse zum Teil höhere Zah- lenwerte zu erwarten.

49. AWBR-Jahresbericht 2017 25 4000 Karlsruhe-Maxau/Rhein Basel-Birsfelden/Rhein Langj. Monatsmittel Maxau

3000

2000 Abfluss inm³/s

1000

0 2015 2016 2017

Bild 1: Abfl üsse des Rheins bei Basel-Birsfelden und Karlsruhe (2015 - 2017)

300 Schaffhausen Basel 250 Karlsruhe ERM-Zielwert

200

150 Chlorid in mg/L mg/L in Chlorid

100

50

0 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

Bild 2: Entwicklung der Chlorid-Konzentrationen in Hoch- und Oberrhein (1990 - 2017)

26 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Die Abfl üsse des Rheins bei Basel-Birsfelden und Karlsruhe sind in Bild 1 dargestellt. Sie zeigen über die letzten drei Jahre (2015 - 2017) das typische Bild mit höheren Abfl üssen im ersten und geringeren im 2. Halb- jahr.

Der erhebliche Rückgang der Salzbelastung (Chlorid) im Oberrhein und weiter stromabwärts war ein großer Erfolg der AWBR und der Arbeits- gemeinschaften entlang des Rheins (IAWR) (Bild 2). Erfreulicher Weise sind auch die Nitrat-Konzentrationen im Oberrhein vergleichsweise ge- ring (Bild 3).

30

Basel 25 Karlsruhe ERM-Zielwert

20

15 Nitrat in mg/L

10

5

0 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018

Bild 3: Entwicklung der Nitrat-Konzentrationen in Hoch- und Oberrhein (1990 - 2017)

49. AWBR-Jahresbericht 2017 27 Summarische organische Messgrößen und Spurenstoffe Die Bedeutung summarischer organischer Messgrößen wie TOC, DOC, AOX und AOS zur Beurteilung der Wasserbeschaffenheit hat in den letzten Jahren abgenommen, da die entsprechenden Konzentrationen bzw. Zahlenwerte zurückgegangen sind und das Interesse von Wasser- versorgern, Behörden und Öffentlichkeit zunehmend häufi ger auf Vor- kommen, Verhalten und Verbleib von organischen Spurenstoffen liegt. Die aktuell gemessenen Konzentrationen von TOC und DOC liegen in Fließgewässern im unteren mg/L-Bereich (Bild 4), während für AOX und AOS ein- bis zweistellige μg/L-Gehalte gemessen werden. Die größere Schwankungsbreite für TOC und DOC ab 2016 ist durch den Wechsel von arbeitstäglichen Sammelproben auf die Entnahme von Einzelproben bedingt. Ebenfalls erfolgreich waren die AWBR-Aktivitäten zur Verringe- rung der AOX-Gehalte in den Gewässern, wie in Bild 5 ersichtlich ist. Durch Umstellung der Bleichverfahren bei der Zellstoff- und Papierher- stellung von Chlor auf Sauerstoff konnte die AOX-Belastung erheblich reduziert werden.

5 DOC - Basel DOC - Karlsruhe TOC - Basel 4 TOC - Karlsruhe

3

2 DOC / TOC in mg/L in TOC DOC /

1

arbeitstägliche Sammelprobe über 30 Tage Einzelprobe alle 28 Tage 0 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

Bild 4: Entwicklung der TOC und DOC-Konzentrationen am Oberrhein (1980 - 2017)

28 49. AWBR-Jahresbericht 2017 50

Basel 45 Karlsruhe

40 EuFGM-Zielwert

35 g/L

μ 30

25 AOX in

20

15

10

5

0 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

Bild 5: Entwicklung der AOX-Konzentrationen in Hoch- und Oberrhein (1990 - 2017)

Organische Spurenstoffe Im Rahmen des AWBR-Untersuchungsprogramms werden vor allem Spurenstoffe bestimmt, die persistent (mikrobiell kaum abbaubar), mobil (gut wasserlöslich) und bei natürlichen Aufbereitungsverfahren (Grund- wasserpassage, Uferfi ltration) schlecht entfernbar sind und bis in das Rohwasser vordringen können. Aufgrund der unterschiedlichen chemi- schen Strukturen, Herkunft und Eintragspfade in die Gewässer, der phy- sikalisch-chemischen, biologischen und toxischen Stoffeigenschaften ist eine systematische Übersicht und Einteilung potenziell relevanter Stoffe schwierig. Aus praktischen Gründen unterscheidet man die folgenden Stoffklassen aufgrund ihrer rechtlichen und gesetzlichen Regelungen:

 Pflanzenschutzmittel (PSM, PSM-Metaboliten), Biozidwirkstoffe

 Arzneimittelwirkstoffe und Metaboliten/Transformationsprodukte

 Lebens- und Futtermittel

 Industriechemikalien

49. AWBR-Jahresbericht 2017 29 Die meisten der in Gewässern nachgewiesenen Spurenstoffe gehören zur Klasse der Industriechemikalien (synthetische Komplexbildner, Benzotriazole, per- und polyfl uorierte Verbindungen (PFC), Lö- sungsmittel (1,4-Dioxan, MTBE)) und viele andere. Bei Wasserversor- gern, Verbrauchern und in der Öffentlichkeit stehen dagegen die Rück- stände von Pfl anzenschutzmitteln und Arzneimittelwirkstoffen im Fokus des Interesses.

In den größeren Fließgewässern, wie Aare, Rhein, Neckar und Donau sind die Konzentrationen von PSM-Wirkstoffen und PSM-Metaboliten in der Regel sehr niedrig und liegen im Allgemeinen weit unterhalb des ERM-Zielwertes von 0,1 μg/L. Dies gilt insbesondere für den Bodensee und die Alpenseen in der Schweiz, wobei die Zufl üsse höher belastet sind, vor allem wenn sie landwirtschaftlich intensiv genutzte Regionen entwässern. Obwohl Glyphosat das in Deutschland und Europa am häufi gsten eingesetzte Pfl anzenschutzmittel ist, werden nur im Anwen- dungszeitraum zum Teil erhöhte Konzentrationen > Bestimmungsgrenze (BG = 0,01 μg/L) gefunden. Grund ist die geringe Mobilität und hohe Sorption sowie die vergleichsweise rasche Transformation zu AMPA (Aminomethylenphosphonsäure), welche vergleichbare Stoffeigenschaf- ten aufweist. AMPA tritt in Oberfl ächengewässern in vergleichsweise hö- heren Konzentrationen auf, da noch andere Quellen (z. B. Phosphonate) und Eintragspfade (Kläranlagen) von Bedeutung sind. In Grundwasser- ressourcen wird sowohl Glyphosat als auch AMPA in der Regel nicht nachgewiesen.

Aufgrund der öffentlichen und länger andauernden Diskussion über ein Verbot von Glyphosat bzw. erheblicher Einschränkungen sind die Gly- phosat-Einsatzmengen in den letzten Jahren zurückgegangen; dennoch ist Glyphosat mit ca. 3.500 t das mit weitem Abstand am meisten einge- setzte Herbizid. Die ebenfalls in der Diskussion stehende Stoffgruppe der Neonicotinoide (Clothianidin, Thiacloprid u. a.) wurde bislang nicht in den größeren Fließgewässern und Seen nachgewiesen.

30 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Tabelle 1: Mittel- und Maximalwerte von PSM und PSM-Metaboliten an den Messstellen Basel und Karlsruhe (2017) - Angaben in μg/L

ERM-Zielwert jeweils 0,1 μg/L Basel Karlsruhe

Parameter Mw. Max Mw. Max Chloridazon-desphenyl (M) < 0,02 < 0,02 < 0,02 0,02 Chlortoluron < 0,01 0,03 < 0,01 0,02 Diuron < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 Glyphosat 0,01 0,02 0,02 0,05 AMPA (M) 0,05 0,06 0,09 0,12 Isoproturon < 0,01 < 0,01 < 0,01 0,01 Metazachlor < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 Metazachlor-C-Metabolit (M) < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 Metazachlor-S-Metabolit (M) < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 Metolachlor < 0,01 0,01 < 0,01 0,02 Metolachlor-C-Metabolit (M) < 0,01 0,02 < 0,01 0,02 Metolachlor-S-Metabolit (M) < 0,01 0,03 0,01 0,03 Dimethylsulfamid (DMS) (M) < 0,01 0,02 0,02 0,02 Terbutylazin < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01

Erheblich höhere Konzentrationen werden in der Regel für häufi g ver- wendete Pharmaka-Wirkstoffe einschließlich ihrer Metaboliten/Trans- formationsprodukte in den Gewässern bestimmt, wenn sie persistent, mobil und gut wasserlöslich sind. Diese Stoffeigenschaften führen dazu, dass sie in konventionellen Abwasserreinigungsanlagen kaum oder nur schlecht entfernt werden und somit in die Oberfl ächengewässer gelan- gen können. Unter Berücksichtigung der spezifi schen Verordnungsmen- gen lassen sich dann bei Kenntnis der Stoffeigenschaften die Gewässer- konzentrationen mit hinreichender Genauigkeit abschätzen.

Beispiele für solche Pharmaka-Wirkstoffe mit hohen Verordnungsmen- gen und gewisser Persistenz und Mobilität sind zum Beispiel das Anti- diabetikum Metformin und sein Hauptabbauprodukt Guanylharnstoff, die häufi g mit die höchsten Einzelstoffkonzentrationen aufweisen.

49. AWBR-Jahresbericht 2017 31 2,5 Karlsruhe RDK Metformin Guanylharnstoff ERM-Zielwert 2,0 BG g/L μ 1,5

1,0 Konzentration in

0,5

0,0 2013 2014 2015 2016 2017 2018

Bild 6: Metformin- und Guanylharnstoff-Konzentrationen an der Messstelle Karlsruhe (2013 - 2017)

Zunehmend werden häufi ger persistente und mobile Metaboliten wie z. B. Oxipurinol, welches im Körper aus dem Wirkstoff Allopurinol gebildet wird, oder Transformationsprodukte wie z. B. Valsartansäure, die in der Kläran- lage entsteht, in höheren Konzentrationen nachgewiesen (Tabelle 2).

Wie bereits erwähnt, sind die Stoffgehalte im Rhein an den Messstellen Basel und Karlsruhe aufgrund der hohen Abfl üsse vergleichsweise nied- rig, so dass die Konzentrationen vieler Wirkstoffe im Bereich zwischen < 0,01 und 0,05 μg/L liegen. Bekannte Beispiele sind die Arzneimittel- wirkstoffe Bezafi brat (Lipidsenker), Carbamazepin (Antikonvulsivum), Diclofenac (Analgetikum), Ibuprofen (Antirheumatikum), Sulfametho- xazol (Antibiotikum) sowie Gabapentin (Antikonvulsivum) und Sitaglip- tin (Behandlung von Bluthochdruck). Auffallend ist, dass die Metaboliten in häufi g höheren Konzentrationen in Gewässern vorliegen als die ei- gentlichen Wirkstoffe, wie die Beispiele Atenolsäure (Atenol) sowie die Transformationsprodukte AAA und FAA (Wirkstoff Metamizol) zeigen.

32 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Tabelle 2: Mittel- und Maximalwerte von Pharmaka-Wirkstoffen und Meta- boliten/Transformationsprodukten an den Messstellen Basel und Karlsruhe (2017) - Angaben in μg/L

ERM-Zielwert jeweils 0,1 μg/L Basel Karlsruhe

Parameter Mw. Max Mw. Max Atenolol < 0,01 < 0,01 < 0,01 0,02 Atenololsäure (M) 0,03 0,04 0,03 0,05 Bezafi brat < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 Carbamazepin < 0,01 0,02 0,02 0,04 10,11-Dihydro-10,11-dihydroxycarbamazepin (M) 0,02 0,04 0,03 0,04 Diclofenac 0,03 0,06 0,02 0,05 Gabapentin 0,05 0,06 0,07 0,11 Ibuprofen < 0,01 < 0,01 < 0,01 0,04 Lamotrigin 0,01 0,02 0,02 0,03 Metformin 0,26 0,44 0,29 0,46 Guanylharnstoff (M) 0,61 1,2 0,70 1,41 Metoprolol < 0,01 0,03 0,02 0,04 N-Acetyl-4-aminoantipyrin (AAA) (M) 0,06 0,09 0,06 0,10 N-Formyl-4-aminoantipyrin (FAA) (M) < 0,05 < 0,05 < 0,05 0,09 Oxipurinol 0,07 0,16 0,06 0,30 Sitagliptin 0,04 0,07 0,05 0,08 Sulfamethoxazol 0,01 0,02 0,01 0,02 Valsartan 0,03 0,07 0,05 0,08 Valsartansäure (M) 0,02 0,05 0,04 0,09 Venlafaxin < 0,010,03 0,01 0,02

Besondere Aufmerksamkeit erfuhr in den letzten Jahren das verbreitete Vorkommen von iodierten Röntgenkontrastmitteln (RKM) im Wasser- kreislauf. RKM werden in Deutschland rechtlich als Arzneimittel einge- stuft, obwohl sie pharmakologisch nicht wirksam sind. In vielen euro- päischen Ländern gelten sie als Medizinprodukte und fallen daher nicht unter die Arzneimittelgesetzgebung. RKM sind extrem persistent und mo- bil und werden bei der konventionellen Abwassereinigung praktisch nicht entfernt, so dass ihre Konzentrationen in Fließgewässern (abhängig von den Abfl ussverhältnissen) zum Teil recht hoch sind. Auch im Oberrhein bei Basel und Karlsruhe liegen die Konzentrationen von Iopamidol (Bild 7) und Iomeprol (Bild 8) deutlich über dem ERM-Zielwert von 0,1 μg/L.

49. AWBR-Jahresbericht 2017 33 1,2 Karlsruhe ERM-Zielwert Basel-Birsfelden 1,0

g/L 0,8 μ

0,6 Iopamidol in

0,4

0,2

0,0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

Bild 7: Iopamidol-Konzentrationen im Oberrhein (2002 - 2017)

0,7 Basel-Birsfelden Karlsruhe RDK 0,6 ERM-Zielwert

0,5 g/L μ 0,4

0,3 Iomeprol in

0,2

0,1

0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

Bild 8: Iomeprol-Konzentrationen im Oberrhein (2002 - 2017)

34 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Im Zeitraum 2002 - 2017 sind keine wesentlichen Konzentrationsände- rungen festzustellen. Da RKM ausschließlich in Krankenhäusern und Röntgenpraxen eingesetzt werden, wurden in den letzten Jahren ver- schiedene Projekte und Aktionen initiiert mit dem Ziel, den Eintrag von RKM über das Abwasser in die Kläranlagen und somit in die Oberfl ä- chengewässer zu reduzieren. Obwohl diese Projekte in Baden-Württem- berg und Nordrhein-Westfalen als erfolgreich beurteilt wurden, sind auf- grund des auf Ort und Region beschränkten Einzugsgebiets noch keine Abnahmen der RKM-Konzentrationen in größeren Fließgewässern zu erkennen.

Industriechemikalien (REACH-Stoffe) Seit vielen Jahren werden auch synthetische Komplexbildner bestimmt, wobei EDTA nach wie vor in Fließgewässer- und Seewasserproben bei weitem die höchsten Konzentrationen aufweist. Der ERM-Zielwert von 1 μg/L wird in allen Fließgewässern, die als Vorfl uter für Abwassereinlei- tungen dienen, in der Regel deutlich überschritten. Die EDTA-Gehalte an den Messstellen Basel und Karlsruhe sind aufgrund der großen Verdün- nung noch relativ gering.

Die ebenfalls als Komplexbildner eingesetzten Verbindungen NTA und MGDA sind erheblich mikrobiell besser abbaubar, so dass die Gewäs- serkonzentrationen in der Regel sehr niedrig (häufi g < BG) liegen. Die Einträge von DTPA, welches überwiegend in der Zellstoff- und Papierin- dustrie verwendet wird, sind ebenfalls deutlich zurückgegangen, was auf prozesstechnische und erweiterte Abwasserbehandlungsmaßnahmen bei den entsprechenden Betrieben zurückzuführen ist.

Seit einigen Jahren werden für Benzotriazol und seine beiden Derivate 4- und 5-Methylbenzotriazol erhöhte Konzentrationen > 0,1 μg/L in den Fließgewässern bestimmt, was auf den häufi gen Einsatz dieser als Kor- rosionsinhibitoren eingesetzten Verbindungen zurückzuführen ist. Aus Bild 10 ist die Entwicklung der Benzotriazol-Konzentrationen im Rhein bei Karlsruhe seit 2007 ersichtlich.

49. AWBR-Jahresbericht 2017 35 15

Basel-Birsfelden

Karlsruhe RDK

ERM-Zielwert

BG

10 g/L μ EDTA in EDTA 5

0 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

Bild 9: EDTA-Konzentrationen im Rhein bei Karlsruhe (1990 - 2017)

1 Karlsruhe RDK Benzotriazol 4-Methylbenzotriazol 5-Methylbenzotriazol 0,8 ERM-Zielwert g/L μ 0,6

0,4 Konzentration in

0,2

0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

Bild 10: Benzotriazol-Konzentrationen im Oberrhein bei Karlsruhe (2010 - 2017)

36 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Benzotriazol wird als mikrobiell nicht leicht abbaubar eingestuft, so dass die Gewässerkonzentrationen aufgrund von zahlreichen Abwasserein- leitungen deutlich ansteigen.

Wichtige Industriechemikalien in vielfältigen Anwendungsbereichen sind das Lösungsmittel 1,4 Dioxan und die Verbindung Melamin, die über- wiegend zur Herstellung von Melaminwerkstoffen verwendet wird. In Ta- belle 3 sind die Mittel- und Maximalwerte von relevanten Industrieche- mikalien an den Messstellen Basel und Karlsruhe aufgeführt, wobei je nach den Stoffeigenschaften die ERM-Zielwerte von 0,1 bzw. 1 μg/L als Bewertungskriterien herangezogen werden.

Tabelle 3: Mittel- und Maximalwerte von Industriechemikalien (2017) - Anga- ben in μg/L

Basel Karlsruhe

Parameter Mw. Max Mw. Max Benzotriazol 0,18 0,24 0,24 0,37 4-Methylbenzotriazol 0,05 0,08 0,07 0,13 5-Methylbenzotriazol 0,03 0,05 0,04 0,06 1,4-Dioxan 0,20 0,77 0,16 0,26 DTPA < 1 < 1 < 1 < 1 EDTA 0,9 1,5 2,2 3,7 NTA < 0,5 < 0,5 < 0,5 1,3 Melamin 0,31 0,36 0,33 0,51 Trifl uoracetat (TFA) 0,34 0,51 0,40 0,53

Für Benzotriazole und 1,4-Dioxan gilt ein Zielwert von 0,1 μg/L, während für die synthetischen Komplexbildner, Melamin und TFA ein ERM-Ziel- wert von 1 μg/L abgeleitet wurde.

Der Zielwert von 1 μg/L gilt auch für die künstlichen Süßstoffe Acesul- fam, Cyclamat, Saccharin und Sucralose, die seit 2010 analysiert werden. Die höchsten Konzentrationen weisen dabei Acesulfam (ab- nehmender Trend) und Sucralose (zunehmender Trend) auf, während die deutlich besser abbaubaren Stoffe Cyclamat und Saccharin keine

49. AWBR-Jahresbericht 2017 37 weitere Bedeutung aufweisen (Bild 11). Der allgemeine Rückgang der Acesulfam-Konzentrationen in den Gewässern wird vor allem damit er- klärt, dass der mikrobielle Abbau in den Kläranlagen deutlich besser als noch vor einigen Jahren funktioniert.

1,5 Karlsruhe RDK Acesulfam Cyclamat Saccharin Sucralose ERM-Zielwert

1,0 g/L μ

Konzentration in 0,5

0,0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

Bild 11: Süssstoff-Konzentrationen im Oberrhein bei Karlsruhe (2010 - 2017)

Trifl uoracetat (TFA) und Amidosulfonat (ASA) Beide Stoffe liegen bei den üblichen pH-Werten in den Gewässern als Anionen vor und werden als sehr persistent und mobil bewertet. Die höchsten TFA-Konzentrationen wurden auch im Berichtsjahr 2017 im Neckar unterhalb der Einleitung eines Chemieunternehmens bestimmt, auch wenn die TFA-Gehalte insbesondere im zweiten Halbjahr deutlich zurückgegangen sind. Die von der AWBR in Stichproben gemessenen TFA-Konzentrationen sind in Bild 12 dargestellt.

38 49. AWBR-Jahresbericht 2017 500 Neckar,Heidelberg,km25(AWBR) Neckar,Mannheim,km4(AWBR)

400

300 kg/d  in  TFA 200

100

0 16 16 16 17 17 17 17 17 17 18 16 16 17 17 17 17 17 17 18 18 18 18                       Jul. Jan. Jan. Jun. Feb. Okt. Apr. Feb. Okt. Apr. Sep. Sep. Dez. Dez. Aug. Mai. Aug. Mai. Mrz. Mrz. Nov. Nov. Bild 12: TFA-Konzentrationen im Neckar bei Mannheim (2016 - 2018)

Der Rückgang der TFA-Konzentrationen ist vor allem auf geringere Ein- träge aufgrund von Produktionseinschränkungen sowie durch prozess- technische und zusätzliche Abwasserbehandlungsmaßnahmen bedingt. In Zukunft sollen durch bilaterale Vereinbarungen zwischen der Firma Solvay Fluor GmbH und den Behörden (RP Stuttgart) die eingeleiteten TFA-Mengen noch weiter zurückgehen, um mittelfristig die TFA-Konzen- trationen in Roh- und Trinkwässern in der Region Heidelberg und Mann- heim deutlich zu reduzieren. Die Auswirkungen und die Betroffenheit der Wasserversorger sowie die geplanten Maßnahmen sind ausführlich in dem Beitrag von Jochen Ries und Markus Morlock beschrieben.

Die Belastung des Neckars stammt nicht nur von der Einleitung der Fir- ma Solvay Fluor GmbH, sondern TFA wurde bei umfassenden Untersu- chungen des TZW in praktisch allen Fließgewässern festgestellt, meist in Konzentrationen zwischen 0,3 - 1 μg/L. Dabei wird TFA aus jeder Kläranlage in den Wasserkreislauf eingetragen, da TFA das Endprodukt des mikrobiellen und oxidativen Abbaus/Transformation von zahlreichen Industriechemikalien sowie modernen Pfl anzenschutzmitteln und Phar-

49. AWBR-Jahresbericht 2017 39 maka-Wirkstoffen ist. Des Weiteren sind atmosphärische Einträge bei Niederschlagsereignissen in Folge des photochemischen Abbaus von hochfl üchtigen fl uorierten Kältemitteln und in der Medizin eingesetzten Inhalations-Anästhetika (Flurane) von Bedeutung.

Selbst in den sehr sauberen Alpenseen (Bodensee, Zürichsee etc.) wer- den TFA-Konzentrationen um 0,2 bis 0,3 μg/L gefunden, die über die Zufl üsse sowie atmosphärische Depositionen zu erklären sind. Selbst in einer Probe von Spitzbergen wurden 0,2 μg/L TFA nachgewiesen. Es ist zu erwarten, dass die TFA-Konzentrationen zukünftig weltweit deutlich ansteigen werden, da einerseits die Produktion von Trifl uoressigsäure als Synthesebaustein für Pfl anzenschutzmittel und Pharmaka-Wirkstoffe sowie andere Chemikalien zunehmen und der Verbrauch von fl uorierten Kältemitteln aufgrund des Klimawandels weltweit erheblich ansteigen wird. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass nach Literatur- angaben das von der EU favorisierte Kältemittel für PKW-Klimaanlagen 2,3,3,3-Tetrafl uorpropen zu 100 % auf photochemischem Wege in TFA umgewandelt wird, während das nicht mehr zugelassene 1,1,1,2-Tetra- fl uorethan lediglich zu 20 % zu TFA transformiert wird.

Die in den letzten Monaten durchgeführten Untersuchungen auf TFA las- sen erkennen, dass TFA ubiquitär im Wasserkreislauf nachzuweisen ist und neben Oberfl ächengewässer auch Grundwasserressourcen in land- wirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten beeinträchtigt sind, da dort TFA als Endprodukt des mikrobiellen Abbaus von vielen Pfl anzenschutz- mitteln eingetragen und aufgrund seiner hohen Persistenz und Mobilität rasch bis ins Grundwasser verlagert wird.

Amidosulfonat (ASA) ist das Salz der Amidosulfonsäure, die in der chemischen Literatur häufi g auch als Sulfamidsäure bezeichnet wird. Amidosulfonsäure ist eine starke Säure (pKs < 1) und fi ndet vielfälti- ge Anwendungen in Industrie (Oberfl ächenbehandlung), Gewerbe und Haushalt (z. B. als Bestandteil von Entkalkern in Sanitär- und Industrier- einigern). Sie ist eine klassische Industriechemikalie, die in der REACH- Datenbank mit einer Tonnage von 10.000 bis 100.000 t/Jahr gelistet ist. ASA ist keine organische Verbindung, da dem Molekül der Kohlenstoff

40 49. AWBR-Jahresbericht 2017 fehlt. Daher sind klassische Bewertungskriterien wie biologische Abbau- barkeit und Bioakkumulierbarkeit als Bewertungskriterien nicht anwend- bar. Die ersten Untersuchungen im Jahr 2017 durch das TZW ergaben, dass ASA fast überall in sehr hohen Konzentrationen im Wasserkreis- lauf gefunden wird. In den Abläufen von kommunalen und industriellen Kläranlagen wurden ASA-Konzentrationen im Mittel zwischen 0,5 und 2 mg/L festgestellt, was zu hohen Konzentrationen zwischen 10 und 40 μg/L im Mittel an den AWBR-Messstellen geführt hat. ASA ist weitgehend persistent, als Anion sehr gut wasserlöslich und mobil und kann selbst bei modernen Aufbereitungsverfahren wie Ozonung und Aktivkohlefi ltra- tion nicht entfernt werden. Bei längeren Aufenthaltszeiten im Untergrund > 3 bis 6 Monate wird ASA zum Teil entfernt. In natürlichen Grundwas- serressourcen, die nicht oder nur wenig von Fließgewässern beeinfl usst sind, wird ASA nicht nachgewiesen (BG = 0,5 μg/L).

Nach den Angaben aus dem REACH-Dossier wird die Toxizität als sehr gering eingeschätzt. Von der amerikanischen Food and Drug Adminis- tration (FDA) wurde der Stoff als allgemein sicher anerkannt und als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen. Aus Vorsorgegründen sollten die Einträge von ASA in den Wasserkreislauf reduziert werden, um die Kon- zentrationen in Roh- und Trinkwässern so gering wie möglich zu halten.

Mikrobiologische Untersuchungen

Ein wichtiger Bestandteil des AWBR-Messprogramms sind seit vielen Jahren mikrobiologisch-hygienische Untersuchungen, die von den Mit- gliedsunternehmen selbst durchgeführt werden. Bestimmt werden in 28-tägigen Stichproben die Parameter Koloniezahl, coliforme Bakteri- en, E.coli und Enterokokken an den Messstellen am Rhein (Basel und Karlsruhe) sowie insbesondere an den Entnahmestellen der Seewasser- werke. Beispielhaft sind hier in den Bildern 13 und 14 die aus den Mess- daten pro Kalenderjahr ermittelten Wassergüteklassen nach POPP mit 7 hygienisch-bakteriologischen Belastungsstufen an den Rhein-Messstel- len Au-Lustenau, Basel und Karlsruhe dargestellt.

49. AWBR-Jahresbericht 2017 41 Gesamtcoliforme Güteklassen nach POPP

01234567

2010 2011 Rhein, 2012 Au- Lustenau 2013 2014 2015 2016 2017

Rhein, Basel

Rhein, Karlsruhe LfU/LUBW

Bild 13: Coliforme Bakterien - Güteklassen nach POPP (2010 - 2017)

Fäkalcoliforme Güteklassen nach POPP 01234567

2010 2011 Rhein, 2012 Au-Lustenau 2013 2014 2015 2016 2017

Rhein, Basel

Rhein, Karlsruhe LfU/LUBW

Bild 14: E.coli (Fäkalcoliforme) - Güteklassen nach POPP (2010 - 2017)

42 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Aus den beiden Bildern geht hervor, dass in der Regel die Güteklassen 4 und 5 für die einzelnen Kalenderjahre ermittelt wurden. Allerdings sind die Schwankungsbreiten der einzelnen Zahlenwerte erheblich höher als bei den üblichen physikalisch-chemischen Parametern oder den organi- schen Spurenstoffen. Bei der Auswertung nach den Anforderungen der EU-Badegewässerrichtlinie ist festzustellen, dass bei Berücksichtigung der beiden Parameter E.coli und Enterokokken am Oberrhein keine gute Badegewässerqualität vorliegt. Bei der direkten Entnahme von Oberfl ä- chenwasser zur Trinkwassergewinnung ist jederzeit sicherzustellen, dass durch geeignete Aufbereitungs- und Desinfektionsverfahren die Abgabe von hygienisch einwandfreiem Trinkwasser gewährleistet werden kann.

Organische Spurenstoffe in den Alpenseen Im Rahmen des AWBR-Untersuchungsprogramms werden jeweils ein- mal im Jahr an den Alpenseen (Bodensee, Zürichsee, Vierwaldstättersee und Bielersee) während der Vollzirkulation an den Rohwasserentnah- mestellen der Seewasserwerke Proben entnommen und auf zahlreiche wichtige organische Spurenstoffe untersucht. Aus der Vielzahl der im Rhein bei Basel und Karlsruhe analysierten Substanzen wurden insbe- sondere die Verbindungen ausgewählt, die als weitgehend persistent, gut wasserlöslich und mobil eingeschätzt werden. Analysiert wurden Pharmaka-Wirkstoffe und entsprechende Metaboliten/Transformations- produkte, Industriechemikalien wie z. B. Benzotriazole, 1,4-Dioxan, Me- lamin und TFA sowie der PSM-Metabolit DMS (N,N-Dimethylsulfamid) sowie künstliche Süßstoffe. In Tabelle 4 sind die Konzentrationsbereiche von ausgewählten Spurenstoffen an den Messstellen am Bodensee und Zürichsee aufgeführt.

Erwartungsgemäß wurden sehr ähnliche Konzentrationen für die einzel- nen Spurenstoffe gefunden, da die Einzugsgebiete von Bodensee und Zürichsee als gut vergleichbar einzuschätzen sind. Die Einträge in die Seen erfolgen überwiegend über die entsprechenden Zufl üsse, die als Vorfl uter für gereinigte Abwässer dienen. In der Regel sind bei den in Ta- belle 4 aufgeführten Spurenstoffen keine signifi kanten Konzentrations- unterschiede über die Seetiefe zu erkennen.

49. AWBR-Jahresbericht 2017 43 Tabelle 4: Konzentrationsbereiche von organischen Spurenstoffen im Boden- see und Zürichsee (2017) - Angaben in μg/L

Bodensee Zürichsee

Parameter (N = 12) (N = 6) 1,4-Dioxan <0,025 0,18 - 0,21 Melamin 0,28 - 0,35 0,14 - 0,34 Trifl uoracetat (TFA) 0,29 - 0,33 0,24 - 0,27 Benzotriazol 0,10 - 0,11 0,08 4-Methylbenzotriazol 0,03 - 0,04 0,02 5-Methylbenzotriazol 0,02 0,02 Dimethylsulfamid (DMS) (M) 0,03 <0,05 Gabapentin 0,04 - 0,05 0,03 Metformin 0,14 - 0,17 0,11 - 0,14 Guanylharnstoff (N) <0,05 <0,05 Amidotrizoesäure 0,01 - 0,02 <0,01 Iomeprol 0,03 - 0,05 0,03 - 0,04 Iopamidol 0,03 - 0,04 0,03 - 0,04 Iopromid 0,01 - 0,02 0,03 Acesulfam 0,23 - 0,27 0,25 - 0,26 Sucralose 0,06 - 0,08 0,07 - 0,09

An den Entnahmestellen am Bodensee liegen die Konzentrationen der Benzotriazole sowie von Melamin im Durchschnitt etwas höher als im Zürichsee, wohingegen die Gehalte von 1,4-Dioxan sowie des Süßstoffs Sucralose im Zürichsee im Mittel höhere Werte erreichen. Erwartungs- gemäß wurden in den letzten Jahren auch iodierte Röntgenkontrastmit- tel (RKM) nachgewiesen, die aufgrund ihrer Anwendung in der medizini- schen Diagnostik sehr persistent und gut wasserlöslich sein müssen und daher bei der Abwasserreinigung kaum zu entfernen sind. Die Entnah- mestelle am Bielersee weist hier die weitaus höchsten Konzentrationen auf (Bild 15), da sie durch eine Abwassereinleitung beeinfl usst ist.

44 49. AWBR-Jahresbericht 2017 0,50 Bieler See, Rohwasser

Amidotrizoesäure Iohexol

0,40 Iopromid Iopamidol Iomeprol

0,30 g/L μ

0,20 Konzentration in

0,10

0,00 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

Bild 15: RKM-Konzentrationen im Bielersee (2002 - 2017)

Die TFA-Konzentrationen (Tabelle 4) liegen im Bodensee und Zürichsee im Mittel bei 0,3 μg/L und sind homogen verteilt, was auf atmosphä- rische Depositionen bei Niederschlagsereignissen zurückzuführen ist. Allerdings ist hier auch ein entsprechender Beitrag über die Zufl üsse zu berücksichtigen, da im Vergleich die TFA-Gehalte im Vierwaldstättersee und im oberen Zürichsee um rund die Hälfte niedriger liegen.

Festzuhalten ist, dass auch im Vergleich zu den Fließgewässern in den sauberen Alpenseen Rückstände von organischen Spurenstoffen nach- gewiesen werden, deren Konzentrationen zum Teil aber deutlich nied- riger liegen. Auch bislang wenig bekannte und untersuchte Stoffe wie TFA, Melamin und 1,4-Dioxan sind nachzuweisen. Aus Vorsorgegründen fordert die AWBR eine weitere Reduzierung der Stoffeinträge in die Seen und Oberfl ächengewässer, um den Schutz der Trinkwasserressourcen langfristig zu sichern.

49. AWBR-Jahresbericht 2017 45 46 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Grund- und Trinkwasserbelastungen durch Trifl uorace- tat im Großraum Mannheim/Heidelberg Jochen Ries, MVV Energie AG, Mannheim Markus Morlock, Stadtwerke Heidelberg

Zusammenfassung Im Herbst 2016 wurde im Zuge von Forschungsarbeiten des TZW Karls- ruhe erstmalig Trifl uoracetat (TFA) im Roh- und Trinkwasser verschie- dener Wasserversorgungsunternehmen (WVU) am Unteren Neckar nachgewiesen. Nachdem der Hauptemittent schnell im Raum Heilbronn identifi ziert werden konnte, wurden unverzüglich die erforderlichen Maß- nahmen eingeleitet, um die Trinkwasserversorgung in der Region aktuell und auch zukünftig sicherstellen zu können. Gleichzeitig wirft das aktu- elle Problem mit TFA weitergehende Fragen auf. Zahlreiche neckarna- he Brunnen zur Trinkwasserversorgung sind einem mehr oder weniger starken Eintrag von TFA durch Uferfi ltration ausgesetzt. Die betroffenen WVU verfügen dabei zum einen nicht über geeignete Aufbereitungstech- niken, zum anderen zumindest teilweise auch nicht über ausreichende Versorgungsredundanzen. Aus diesen Gründen wird es in naher Zukunft erforderlich sein, geeignete Strategien zur Weiterentwicklung der Ver- sorgungssituation zu erarbeiten.

Einleitung Die Brunnengalerien der Wasserwerke (WW) Rheinau (MVV Energie AG – kurz MVV) und Rauschen (Stadtwerke Heidelberg) liegen im quartären Porengrundwasserleiter des Oberrheintals. Die Grundwasserentnahme im Wasserwerk Rheinau betrug im Geschäftsjahr 2017 ca. 8,5 Mio. m³, die Wasserförderung erfolgt ausschließlich aus dem Oberen Grundwas- serleiter. Das Rohwasser aus dem WW Rheinau wird mit Trinkwasser aus dem WW Schwetzinger Hardt des Zweckverbandes Wasserversor-

49. AWBR-Jahresbericht 2017 47 gung Kurpfalz (ZWK) verschnitten, so dass in diesem Geschäftsjahr ins- gesamt ca. 12,5 Mio. m³ abgegeben wurden. Im WW Rauschen wurden im Jahr 2016 ca. 3,5 Mio. m³ Grundwasser entnommen. Aufgrund der TFA-Belastung wurde die Grundwasserentnahme im Jahr 2017 im WW Rauschen auf ca. 2,6 Mio. m³ reduziert. Wie im WW Rheinau wird auch im WW Rauschen das Rohwasser mit Trinkwasser des WW Schwetzin- ger Hardt (ZWK) verschnitten.

Das Trinkwasserschutzgebiet des Wasserwerkes Rheinau umfasst ca. 35,3 km². 52 % der Fläche werden landwirtschaftlich genutzt, der Rest fällt in die Bebauung oder in die forstwirtschaftliche Nutzung. Das Grund- wasser für die Trinkwasserversorgung im Ballungsraum Rhein-Neckar ist zahlreichen anthropogenen Einfl üssen ausgesetzt. Wichtige Belastungs- faktoren sind Müllablagerungen, Rohstoffabbau, Kraftfahrzeugverkehr, Lagerung und Umgang mit wassergefährdenden Stoffen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie schadstoffbelastete Luftimmissionen bzw. Niederschläge. Hinzu kommt der Einfl uss durch Oberfl ächengewässer, von dem insbesondere die neckarnahen Brunnen des WW Rauschen sowie die nördliche Brunnenreihe des WW Rheinau betroffen sind.

Die beiden Wasserwerke Rauschen und Rheinau fördern ausschließlich Grundwasser aus dem Oberen Grundwasserleiter (OGL). Der OGL hat im Bereich Mannheim/Heidelberg eine wassererfüllte Mächtigkeit von ca. 30 m. Er wird nach oben durch die Basis der Deckschichten, nach unten durch den Oberen Zwischenhorizont begrenzt. Der Obere Zwischenho- rizont hat in der Region eine mittlere Mächtigkeit von 10 - 20 m, die maximale Mächtigkeit reicht bis zu 35 m. Die Grundwasserfl urabstände im Einzugsgebiet der Wasserwerke liegen nahezu fl ächendeckend zwi- schen 8 und 10 m, die Abstandsgeschwindigkeit der Grundwasserströ- mung beträgt ca. 500 m/a.

Wie die Grundwassersimulationen mittels eines von MVV erstellten Strö- mungsmodells zeigen, hat der Vorfl uter Neckar einen maßgeblichen An- teil an der Grundwasserneubildung in der Region Mannheim/Heidelberg. Der Neckar infi ltriert dabei auf der Strecke von Heidelberg bis zur Ne-

48 49. AWBR-Jahresbericht 2017 ckarschleife Ilvesheim in den Oberen Grundwasserleiter. Dies bedeutet, dass die neckarnahen Brunnen des WW Rauschen im Mittel ca. 90% Uferfi ltrat erhalten, während die weiter entfernt liegenden Brunnen des WW Rheinau Uferfi ltratanteile zwischen 0 und 20% enthalten. Dieser Gradient ist darin begründet, dass sich die Brunnengalerie Rheinau in Nord-Süd-Richtung erstreckt und die südlichsten Brunnen zu weit ent- fernt vom Neckar liegen, um noch vom Uferfi ltrat beeinfl usst zu werden. Der Einfl uss des Neckars spiegelt sich auch in den hydrochemischen Verhältnissen wider. So weisen z.B. die Rohwässer der neckarnahen Brunnen im WW Rauschen trotz des stark landwirtschaftlich genutzten Einzugsgebiets seit jeher nur vergleichsweise niedrige Nitratgehalte auf, während diejenigen der Brunnen im WW Rheinau aufgrund des deutlich niedrigeren Verdünnungseffekts höher mit Nitrat belastet sind.

Bild 1: Uferfi ltratanteile des Rohwassers aus den WW Rauschen und Rheinau

49. AWBR-Jahresbericht 2017 49 Bild 2: Fließzeiten des Neckaruferfi ltrats

Trifl uoracetat Trifl uoracetat (TFA) ist ein Salz der Trifl uoressigsäure, welche u.a. als Lösungsmittel für Proteine oder als Synthesebaustein für die Herstellung von neuen Pfl anzenschutz- und Arzneimittelwirkstoffen verwendet wird. TFA kann über verschiedene Wege in die Gewässer gelangen: Dazu zählen Einleitungen aus industriellen Herstellungsprozessen sowie der Eintrag über den Boden als Abbauprodukt verschiedener Pfl anzen- schutzmittel aus der Landwirtschaft.

Im Rahmen von Forschungsarbeiten des TZW Karlsruhe wurde im Au- gust 2016 nachgewiesen, dass im Neckar zwischen Bad Wimpfen und der Mündung zum Rhein in Mannheim teilweise sehr hohe Konzentra- tionen von TFA von bis zu ca. 100 μg/L enthalten sind. Aufgrund der sehr hohen Konzentrationen dieser Verbindung wurde eine industrielle

50 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Einleitung vermutet. Diese Vermutung wurde im Zuge weiterer Untersu- chungen bestätigt. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Solvay Fluor GmbH am Standort Bad Wimpfen Trifl uoracetat (TFA) in den Ne- ckar einleitet.

Die Solvay Fluor GmbH verfügt über eine vom Regierungspräsidium Stuttgart ausgestellte Genehmigung zur Einleitung von Abwasser in den Neckar. Dort ist der Parameter TFA allerdings nicht erwähnt. Am 23.03.2017 haben das RP Stuttgart und Solvay Fluor GmbH eine öf- fentlich-rechtliche Vereinbarung geschlossen, in der u.a. eine vorläufi - ge Begrenzung der TFA-Einleitungen auf defi nierte Frachten festgelegt wurde.

In der Trinkwasserverordnung ist TFA nicht aufgeführt, daher gibt die Ver- ordnung keinen Grenzwert für diese Verbindung vor. Für Stoffe, die wie TFA nicht mit einem Trinkwassergrenzwert belegt sind, hat das Umwelt- bundesamt (UBA) ein Bewertungssystem entwickelt, bei dem aus toxiko- logischen Studien gesundheitliche Orientierungswerte (GOW) abgeleitet werden. Im Rahmen dieser Bewertung werden neben toxikologischen Aspekten auch die Reinheitsansprüche an das Trinkwasser gemäß des geltenden Minimierungsgebots berücksichtigt. Für TFA wurde ein GOW von 3 μg/L abgeleitet. Bei Überschreitungen dieses Wertes wird von den Gesundheitsbehörden in Baden-Württemberg für einen Zeitraum von 10 Jahren ab 2016 eine erhöhte Konzentration geduldet (sog. Maßnah- mewert). Der zunächst im Oktober 2016 festgelegte Maßnahmewert von 10 μg/L wurde im November 2017 durch das UBA auf 30 μg/L erhöht.

Auswirkungen auf MVV und Stadtwerke Heidelberg Die Brunnen des Wasserwerks Rauschen sind aufgrund ihrer neckar- nahen Lage mit dem beschriebenen hohen Anteil an Uferfi ltrat stark mit TFA belastet. Die Konzentrationen liegen zwischen 15 und 22 μg/L (sie- he Bild 3).

49. AWBR-Jahresbericht 2017 51 25

22 22 22 21 20 20 19 19 19 18 18

16 16 15 15 g/L μ TFA in TFA 10

5

0 Br.1 Br.2 Br.3 Br.8 Br.9 Br.4 Br.7a Br.12 Br.10 Br.5 Br.6 Br.11 Br.7a

Bild 3: TFA-Werte WW Rauschen (Juli 2017)

Ca. 13 % des Wasserbedarfs der Stadtwerke Heidelberg wurden im Jahr 2017 aus dem WW Schlierbach gedeckt. Das WW Schlierbach befi n- det sich unmittelbar neben dem Neckar. Zwei der drei Brunnen im WW Schlierbach sind vom Neckar beeinfl usst und dadurch auch mit TFA be- lastet.

MVV ist von der TFA-Problematik ausschließlich im Wasserwerk Rhei- nau betroffen. Die nördlichen Brunnen der Brunnengalerie Rheinau ha- ben TFA-Konzentrationen von ca. 10 μg/L. Die Konzentrationen nehmen dann in Richtung der südlichsten Brunnen bis < 1 μg/L ab. Am Ausgang des Wasserwerkes Rheinau werden Konzentrationen von unter 5 μg/L im Trinkwasser gemessen. Die Behörden dulden diese geringe Über- schreitung des GOW allerdings bis 31.12.2026. Die TFA-Konzentration im Wasserwerk Rheinau kann auf dem derzeitigen Niveau gehalten werden, weil unbelastetes Trinkwasser vom Wasserwerk Schwetzinger Hardt des Zweckverbands Wasserversorgung Kurpfalz (ZWK) zuge- mischt wird.

52 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Bild 4: Konzentrationsverteilung von TFA im Oberen Grundwasserleiter zwischen Heidelberg und Mannheim

Tabelle 1 zeigt die unmittelbare Betroffenheit der einzelnen WVU nach Vorlage der ersten Untersuchungsergebnisse im September 2016.

Tabelle 1: TFA-Konzentrationen im Trinkwasser der betroffenen WVU

Konzentration TFA im Trinkwasser - September 2016 Wasserversorgung Mannheim direkt betreffend: Wasserwerk Käfertal (WWK) < BG Wasserwerk Rheinau (WWR) 4,9 μg/L (Trinkwasser) 7 μg/L (Rohwasser) Schwetzinger Hardt (WWH) < BG Angrenzende Wasserversorgungen betreffend: Neckargruppe Edingen-Neckarhausen (NGE) 16 - 30 μg/L Stadtwerke Heidelberg (WW Rauschen) 15 - 22 μg/L Stadtwerke Heidelberg (WW Schlierbach) 1 - 12 μg/L BG = Bestimmungsgrenze

49. AWBR-Jahresbericht 2017 53 Derzeit existieren keine Aufbereitungsverfahren, um das mit TFA konta- minierte Rohwasser so zu behandeln, dass die aktuell geltenden Höchst- werte (GOW und Maßnahmewert) eingehalten werden können.

Maßnahmen der WVU, Behörden und Einleiter Besonders belastete Brunnen wurden umgehend vom Netz genommen (Neckargruppe Edingen-Neckarhausen – NGE; Stadtwerke Heidelberg – HD). Die Zumischung unbelasteten Wassers wurde deutlich erhöht bzw. begonnen (NGE, HD). Weiterhin wurde die Brunnenfahrweise an- gepasst (Wasserwerk Rheinau), d.h. bei besonders stark betroffenen Brunnen wurde die Förderleistung gedrosselt. Zur gesundheitlichen Vorsorge wird in Mannheim und Heidelberg weiterhin der ursprüngliche Maßnahmewert von 10 μg/L eingehalten, bis voraussichtlich Mitte 2019 Erkenntnisse aus einer toxikologischen Langzeitstudie im Auftrag der Firma Solvay Fluor GmbH vorliegen.

Auch die zuständigen Behörden und der Einleiter haben verschiede- ne Maßnahmen ergriffen. So wurde die hauptsächliche Quelle für die TFA-Einleitung, die Produktion von Trifl uoressigsäure am Standort Bad Wimpfen, gestoppt und der Prozess an einen Standort in Frankreich ver- legt. Zusätzlich wurden technische Maßnahmen vorgenommen, um die Einleitemengen auch der übrigen Produktionslinien zu reduzieren. Das alles mündete in eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen Solvay Fluor GmbH und dem Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Regierungspräsidium Stuttgart. Darin verpfl ichtet sich Solvay Fluor, bis zum 31.10.2017 eine Konzentration von max. 4,3 kg TFA/h bzw. 105 kg TFA/d im Abwasser einzuhalten (24h-Mischprobe). In einer nachfolgen- den Vereinbarung wurde festgelegt, dass Solvay Fluor ab 01.12.2017 die Einleitung auf eine max. TFA-Fracht von 3,4 kg/h bzw. 81,6 kg/d bzw. einen Monatsmittelwert von max. 2,2 kg/h reduziert. In einem nächsten Schritt wird ab 01.03.2018 die Einleitung weiter auf eine max. TFA-Fracht von 2,2 kg/h und einen monatlichen Mittelwert von 1,7 kg/h reduziert.

54 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Parallel dazu hat die Landesanstalt für Umwelt und Messungen BW (LUBW) ein Transportmodell entwickelt, um belastbare Prognosen für den Verbleib bzw. die Verlagerung von TFA im Grundwasser erstellen zu können. Die bisher vorliegenden Ergebnisse der Grundwasser-Modellie- rungen sind:

 Aufgrund der langen Laufzeiten im Grundwasser wird sich der Rück- gang der TFA-Konzentrationen im Neckar erst nach einigen Jahren an den Entnahmebrunnen auswirken.

 Je größer die Entfernung der Brunnen vom Neckar ist, desto geringer ist der Uferfiltratanteil und umso später werden Veränderungen der TFA-Konzentrationen im Neckar die Brunnen erreichen.

 Gleichzeitig nehmen einzelne Konzentrationsspitzen mit der Entfer- nung ab, und die Belastungskurve wird zeitlich gestreckt.

 Die bereits erzielte Reduzierung der TFA-Frachten im Neckar ab Ende 2016 wird voraussichtlich innerhalb der nächsten 5 Jahre zur Unterschreitung einer Konzentration von 10 μg/L in den neckarnahen WW-Brunnen führen. Eine Konzentration von 3 μg/L kann in den neckarnahen Brunnen in etwa 5 bis 10 Jahren erreicht bzw. unter- schritten werden, wenn der TFA-Eintrag in den Neckar auf < 0,8 kg/h abgesenkt wird.

 Für die neckarfernen Brunnen des WW Rheinau ist mittelfristig von einem Anstieg der TFA-Konzentrationen auszugehen. Die Prognosen zeigen, dass auch hier eine Konzentration von 3 μg/L überschritten und teilweise ein Wert von 10 μg/L erreicht wird. Die Überschreitun- gen werden geringer sein, aber dafür länger andauern als bei den neckarnahen Brunnen. Um einen Rückgang der TFA-Konzentrationen der neckarfernen Brunnen auf Werte < 3 μg/L zu erreichen, müssen die TFA-Einleitungen langfristig auf weniger als 0,8 kg/h abgesenkt werden.

Weitere Maßnahmen Die Firma Solvay hat am 08.02.2018 eine toxikologische Langzeitun- tersuchung in Auftrag gegeben, um eine belastbare Grundlage zur Be- wertung der chronischen Toxizität von TFA zu schaffen. Design, Umfang und Ort (Hongkong, China) dieser in-vivo-Studie sind mit dem Umwelt- bundesamt (UBA) abgestimmt. Nach Vorlage der Ergebnisse und der

49. AWBR-Jahresbericht 2017 55 anschließenden Auswertungen Mitte 2019 wird das UBA eine neue Be- wertung durchführen, die dann zu einem anderen GOW oder Leitwert für diese Substanz führen kann. Diese Bewertung wird dann auch maßgeb- lich für alle betroffenen WVU sein, da sich die verantwortlichen Gesund- heitsbehörden an die UBA-Empfehlungen halten.

Parallel dazu lassen einige betroffene WVU Strukturgutachten erstellen, die u.a. neue Erkenntnisse zur potenziellen Verlagerung von Wasserver- sorgungsanlagen sowie zu redundanten Versorgungsstrukturen liefern sollen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass WVU mit Brunnen in Neckarnähe grundsätzlich ein erhöhtes Gefährdungspotenzial haben, über die Uferpassage unerwünschte Stoffe in Roh- bzw. Trinkwasser zu bekommen.

56 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Bestimmung von Glyphosat und AMPA im Bodensee und seinen Zufl üssen mittels HPLC-HRMS Felix Weinmann, Christian Mosbach, Michael Petri und Roland Schick Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung, Sipplingen

Zusammenfassung In den 17 Zufl üssen des Bodensee konnten deutliche Unterschiede in den Glyphosat- und AMPA-Konzentrationen gemessen werden. Die Konzentrationen können je nach Anwendung von Glyphosat in der Land- wirtschaft und den metereologischen Bedingungen im Einzugsgebiet der einzelnen Zufl üsse (z.B. Abschwemmungen bei Regen) aber auch sehr stark schwanken. Die Hauptzufl üsse Alpenrhein und Bregenzer Ach zeigten die niedrigsten Konzentrationen an Glyphosat und AMPA, was hauptsächlich an deren alpinen Einzugsgebieten mit geringer land- wirtschaftlicher Nutzung liegt. Die Zufl üsse zum Bodensee, die landwirt- schaftlich stark genutzte Flächen entwässern, wie die z.B. die Schus- sen, haben deutlich höhere Konzentrationen an Glyphosat und AMPA. Im Überlinger See sind die Konzentrationen deutlich geringer als in den Zufl üssen, was im Wesentlichen an der starken Verdünnung durch den niedrig belasteten Alpenrhein liegt.

Glyphosat war im Rohwasser der Bodensee-Wasserversorgung nur noch qualitativ nachweisbar, d.h. die gemessenen Glyphosat-Konzentra- tionen lagen deutlich unterhalb der Bestimmungsgrenze von 10 ng/L. Die AMPA-Konzentrationen lagen im Rohwasser zwischen 25 und 30 ng/L. Durch die oxidative Trinkwasseraufbereitung mit Ozon wurden Glypho- sat und AMPA vollständig entfernt, d.h. im Trinkwasser der Bodensee- Wasserversorgung konnte weder Glyphosat noch AMPA qualitativ nach- gewiesen werden.

49. AWBR-Jahresbericht 2017 57 Einleitung Vor mehr als 40 Jahren wurde Glyphosat (Bild 1) durch den US Konzern Monsanto als patentiertes Totalherbizid auf den Markt gebracht [1]. Der Wirkstoff Glyphosat ist das am meisten eingesetzte Herbizid der Welt. Neben der Anwendung in der Landwirtschaft wird Glyphosat auch zur Unkrautvernichtung in heimischen Gärten, auf unkultivierten Industrie- fl ächen und zur Unkrautbekämpfung auf Bahngleisen genutzt. In der europäischen Landwirtschaft wird das Breitband-Herbizid hauptsächlich dazu verwendet, Unkräuter vor und nach dem Anbau mit Getreide und anderen Feldfrüchten zu bekämpfen. Zudem wird es im Obst- und im Weinbau eingesetzt. Auch in Deutschland ist Glyphosat mit 5530 t im Jahr das meist genutzte Breitbandherbizid [2]. Ca. 40 % der Ackerfl ä- chen in Deutschland werden damit behandelt. Obwohl es durch seine chemische Struktur an Bodenmineralien adsorbiert, wird ein Teil des Herbizids durch Winddrift und Abschwemmungen in Oberfl ächengewäs- ser eingetragen [3].

Angesichts der aktuellen Medienpräsenz und der daraus im Fokus ste- henden Diskussionen über mögliche Gesundheitsgefahren sollen Gly- phosat und das Abbauprodukt AMPA in den Zufl üssen zum Bodensee und im Überlinger See untersucht werden. Das Analysenverfahren um- fasst eine Derivatisierung der Analyten mit 9-Fluorenylmethylchlorofor- miat (FMOC-Cl), eine Anreicherung und Aufreinigung mittels Festpha- senextraktion (SPE) sowie eine fl üssigchromatographische Trennung gekoppelt mit einem hochaufl ösenden Massenspektrometer (HPLC- HRMS).

Glyphosat AMPA

Bild 1: Strukturformeln von Glyphosat und AMPA

58 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Bestimmung von Glyphosat und AMPA

Probenaufbereitung Die Proben von den Zufl üssen werden vor der Derivatisierung über einen 0,45 μm Cellulose-Acetat-Filter fi ltriert. 80 mL Filtrat werden in eine Braunglasfl asche abgefüllt. Der Probe werden 10 μL des internen Standards (13C15N-Glyphosat, 13C15N-AMPA je 800 μg/L) sowie je 10 mL 40 mM Boratpuffer (2 g Natriumtetraborat auf 250 mL Reinstwasser) und 6,5 mM FMOC-Cl-Derivatisierungsreagenz (87,1 mg FMOC-Cl in 50 mL Acetonitril) zugegeben [1]. Um mögliche Matrixeffekte bei der analyti- schen Bestimmung erkennen zu können, wird mit jeder Probe eine Stan- dardaddition mit 50 ng/L angesetzt.

Messtäglich wird eine Fünf-Punkt-Kalibrierung über das Gesamtverfah- ren in aufbereitetem, aber ungechlortem Trinkwasser der Bodensee- Wasserversorgung angesetzt. Die Derivatisierung erfolgt über Nacht (min. 12 h) unter Lichtausschluss und bei Raumtemperatur und wird mit Zugabe von 6 mL 2 %iger Phosphorsäure zur Probe abgestoppt.

Die Aufkonzentrierung der derivatisierten Analyten und die Reinigung der Proben erfolgt über eine automatisierte Festphasenextraktion (Aspec GX271, Gilson) auf OASIS HLB. Die Kartuschen werden mit 3 x 3 mL Methanol und 3 x 3 mL 0,1%iger Ameisensäure konditioniert. 80 mL der derivatisierten Probe werden angereichert. Um störende Nebenprodukte zu entfernen, werden die beladenen Kartuschen mit 2,5 mL Dichlorme- than gewaschen und anschließend 10 min im Stickstoffstrom getrocknet. Die Elution der Analyten erfolgt mit 5 mL Methanol. Das Eluat wird bei 50 °C mit einem Stickstoffstrom bis zur Trockne eingeengt und der Rück- stand mit 1 mL MilliQ-Wasser aufgenommen und in ein 2 mL-Glasvial überführt.

Flüssigkeitschromatographie und Massenspektrometrie Die chromatographische Trennung erfolgt auf einer ACQUITY UPLC HSS T3 (2,1x100 mm, 1,8 μm, Waters) bei 40 °C. Als Gradient wird eine

49. AWBR-Jahresbericht 2017 59 Acetonitril und 0,1 %iges Triethylamin in Reinstwasser (mit Essigsäure auf pH 9,5 eingestellt) verwendet (Tabelle 1a). Das Injektionsvolumen beträgt 200 μL. Zur massenspektrometrischen Detektion wurde ein Q- Exactive von Thermo Scientifi c benutzt. Die Analyse erfolgte im negati- ven Ionisationsmodus. Für die Analyse wurde eine FULL Scan – data de- pendent MS2 Methode ausgewählt. Die Analyten wurden mittels exakter Masse quantifi ziert und mittels spezifi scher Fragmentspektren identifi - ziert (Glyphosat-FMOC m/z = 390,0748, AMPA-FMOC m/z = 332,0693, 13C15N-Glyphosat-FMOC m/z = 393,0780, 13C15N-AMPA-FMOC m/z = 343,0692). Die weiteren Einstellungen für die Q-Exactive sind in Tabelle 1b aufgeführt.

Bild 2 zeigt ein Chromatogramm der Analyten Glyphosat und AMPA ei- nes derivatisierten Standards. Die Wiederfi ndung der Methode wurde durch eine Standardaddition (50 ng/L) an verschiedenen Zufl uss- und Seeproben ermittelt und liegt in einem Bereich von 80 - 120 %. Die Be- stimmungsgrenze liegt für beide Analyten bei 10 ng/L.

Tabelle 1: Gradientenprogramm für die HPLC und Einstellungen für das Q- Exactive

a) Gradientenprogramm

Zeit [min] Acetonitril Reinstwasser (0,1 % Triethylamin [%] mit Essigsäure auf pH 9,5) [%] 0 892 1,5 892 3 95 5 4,5 95 5 6 892 11 892 b) Q-Exactive Einstellungen Polarität Negativ Laufzeit 0 - 20 min Full MS Scanbereich 80 - 900 m/z Aufl ösung 70.000 dd-MS2 Aufl ösung 17.500 NCE 30

60 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Bild 2: Chromatogramm eines derivatisierten Standards (Glyphosat-FMOC und AMPA -FMOC)

Ergebnisse

Zufl üsse In den 17 Zufl üssen des Bodensees konnten deutliche Unterschiede in den Glyphosat- und AMPA-Konzentrationen gemessen werden. Die Konzentrationen können je nach Anwendung von Glyphosat in der Land- wirtschaft und den metereologischen Bedingungen im Einzugsgebiet der einzelnen Zufl üsse (z.B. Abschwemmungen bei Regen) aber auch sehr stark schwanken.

Im Alpenrhein, der Bregenzer Ach und im Leibach lagen die Glyphosat- Konzentrationen mit 2 - 8 ng/L deutlich unterhalb der Bestimmungs- grenze. Die geringen Konzentrationen lassen sich durch ihren alpinen Ursprung und dem Fehlen großer landwirtschlafl icher Nutzfl ächen im

49. AWBR-Jahresbericht 2017 61 Einzugsgebiet erklären. Dem gegenüber stehen Salmsach, und Steinach, die landwirtschaftlich stark genutzte Flächen entwässern. Hier wurden Glyphosat-Konzentrationen von bis zu 351 ng/L nachge- wiesen. Bei den übrigen Zufl üssen liegen die Herbizidkonzentrationen zwischen 13 und 107 ng/L (Tabelle 2).

AMPA kann dagegen in allen untersuchten Zufl üssen nachgewiesen werden. Die höchsten AMPA-Konzentrationen wurden in der Salmsach (336 ng/L), der Steinach (290 ng/L) und in der Schussen (263 ng/L) ge- messen. Die niedrigsten quantifi zierbaren Ergebnisse sind im Alpenrhein (10 - 22 ng/L) und in der (18 - 23 ng/L) zu fi nden. Die Werte der anderen Flüsse und Bäche lagen zwischen 27 und 290 ng/L.

Bild 3: Der Bodensee und seine Zufl üsse (Zuordnung der Nummern zu den Zufl üssen siehe Tabelle 2)

62 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Tabelle 2: Glyphosat- und AMPA-Konzentrationen in den Zufl üssen des Bodensees

Nummer Zufl uss Glyphosat [ng/L] AMPA [ng/L]

1 Alter Rhein < 10 - 51 70 - 71 2 Alpenrhein < 10 10 - 22 Lustenauer Kanal, Fußach 13 - 81 36 -+ 67 3 Dornbirner Ach 37 - 38 233 - 270 4 Bregenzer Ach < 10 < 10 - 16 5 Leiblach < 10 69 - 99 6 Argen < 10 - 35 18 - 23 7 Schussen 13 - 325 71 - 263 8 < 10 - 107 22 - 110 9 Brunnisach < 10 - 51 18 - 62 10 Lipbach < 10 - 74 24 - 127 11 Seefelder Aach < 10 - 54 26 - 72 12 Stockacher Aach < 10 - 19 21 - 110 13 Radolfzeller Aach < 10 - 12 24 - 46 14 Salmsacher Aach 27 - 326 66 - 336 15 Steinach 14 - 351 74 - 290 16 Goldach < 10 - 69 32 - 54 17 Seerhein, Konstanz < 10 20 - 27

Überlinger See - Tiefenprofi l Im Überlinger See wurde das Seewasser in verschiedenen Tiefen auf Glyphosat und AMPA untersucht. Glyphosat war in allen Tiefen des Überlinger Sees qualitativ nachweisbar. Die Konzentrationen lagen mit 2 - 7 ng/L aber deutlich unterhalb der Bestimmungsgrenze von 10 ng/L (siehe Bild 3). AMPA konnte in Konzentrationen zwischen 13 und 38 ng/L gemessen werden, wobei die Konzentrationen mit der Tiefe eine leicht ansteigende Tendenz zeigen.

49. AWBR-Jahresbericht 2017 63 Konzentration in ng/L 0 1020304050 0

20

40

60

80 Seetiefe in Seetiefe m

100

120 AMPA Glyphosat

140

Bild 4: Glyphosat- und AMPA-Konzentrationen im Überlinger See

Roh- und Trinkwasser der Bodensee-Wasserversorgung Um Aussagen über den Abbau von Glyphosat und AMPA in der Roh- wasseraufbereitung treffen zu können, wurde das Rohwasser der Bo- densee-Wasserversorgung und das aufbereitete Trinkwasser regelmä- ßig auf Glyphosat und AMPA untersucht. Glyphosat war im Rohwasser qualitativ nachweisbar, die Konzentrationen lagen mit 4 - 6 ng/L aber

64 49. AWBR-Jahresbericht 2017 deutlich unterhalb der Bestimmungsgrenze von 10 ng/L. Für AMPA konnten im Rohwasser Konzentrationen zwischen 25 und 30 ng/L ge- messen werden. Im Trinkwasser konnten weder Glyphosat noch AMPA qualitativ nachgewiesen werden, was auf einen vollständigen Abbau von Glyphosat und AMPA durch die oxidative Aufbereitung des Rohwassers mit Ozon hinweist.

Literatur [1] Hanke I., Singer H., Hollender J.; Ultratrace-level determination of glyphosate, amino- methylphosphonic acid and glufosinate in natural waters; Springer; 2008 [2] Deutscher Bundestag; Drucksache18/6490; 28.10.2015 [3] W. M. Edwards; Jr. G. B. Triplett; R. M. Kramer; „A Watershed Study of Glyphosate Transport in Runoff“, 1980

49. AWBR-Jahresbericht 2017 65 66 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Algen- und Daphnientoximeter in einem Trinkwasser- frühwarnsystem – Vergleich der Sensitivität zweier Biomonitore Ann-Sophie Friedrich, Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden- Württemberg Richard Wülser, IWB Industrielle Werke Basel

Zusammenfassung In der Gewässerüberwachung werden seit den 1990er Jahren vermehrt Biomonitoring-Systeme eingesetzt, die durch ihre direkte Reaktion auf Schadstoffe ideal für die kontinuierliche Überwachung von Gewässern und Trinkwasseraufbereitungsanlagen sind. Lebende Organismen wer- den dabei zunehmend zur kontinuierlichen Überwachung von Trink- wasserversorgungen in sogenannten kontinuierlichen Biomonitoren verwendet. In dieser Arbeit wurden zwei kontinuierliche Biomonitore, ein Algen- und ein Daphnientoximeter, auf ihre Sensitivität für verschie- dene Pestizide sowie gereinigtes Produktionsabwasser getestet. Damit sollte unter anderem geklärt werden, ob das Algentoximeter durch sein anderes Sensitivitätsprofi l eine sinnvolle Ergänzung zum bestehenden Daphnientoximeter darstellt und ob die Toximeter, obwohl für die Über- wachung von Oberfl ächenwasser entwickelt, auch für die Überwachung von Abwasser geeignet sind.

Einleitung Die kontinuierlichen Biomonitore als Beispiel der effektbezogenen Ana- lytik werden am häufi gsten in der Überwachung von Gewässern und Trinkwassersystemen eingesetzt. Dabei werden Organismen kontinuier- lich oder in einer bestimmten Zeitabfolge mit der Testsubstanz in Verbin- dung gebracht und laufend Messparameter erhoben. Toxizitätstests mit Organismen eignen sich besonders, um Stoffgemische ökotoxikologisch zu bewerten. Hier ist zu bedenken, dass aus den Daten der Einzelsub-

49. AWBR-Jahresbericht 2017 67 stanzen nicht ohne Weiteres das Verhalten von Schadstoffgemischen vorhergesagt werden kann (DENEER et al. 2000). Die am meisten ver- wendeten Biomonitore sind Fischtests, Wasserfl ohtests (Daphnia magna [Konsument]) und Algentests (Chlorella vulgaris [Primärproduzent]). Um eine Vielzahl an Schadstoffen zu erkennen, werden im besten Fall Orga- nismen aus verschiedenen Trophieebenen ausgewählt (LAWA 2000).

Häufi g verwendete Toximeter sind das Daphnientoximeter und das Al- gentoximeter der Firma bbe Moldaenke. Beide Toximeter detektieren für den Menschen und die Umwelt möglicherweise gefährliche Substanzen (BBE MOLDAENKE 2016). Dabei ist das Algentoximeter sensitiver für Herbizide und das Daphnientoximeter für Insektizide (GRESENS 2000). Kontinuierliche, niedrige Belastungen durch Spurenstoffe und die damit verbundenen chronischen Wirkungen können mit den Toximetern nicht erfasst werden, da beim Algentoximeter alle 30 min und am Daphniento- ximeter alle 7 Tage neue Testorganismen verwendet werden.

In der Literatur fi nden sich, z.B. zur Gefahreneinschätzung von Chemi- kalien, bisher vor allem Daten aus statischen Biotests. Der Vergleich von Daten aus statischen und dynamischen (kontinuierlichen) Biotests ist nicht uneingeschränkt durchführbar. In statischen Daphnientests wird z.B. die Schwimmunfähigkeit als Endkriterium verwendet, während in kontinuierlichen Tests schon eine Verhaltensänderung detektiert wer- den kann. Bei einem kontinuierlichen Algentest wird die Hemmung der Photosynthese gemessen, nicht das Wachstum wie in statischen Tests (JANSSEN 2011). Ein Beispiel für die Unterschiede der Wirkungsschwel- len bei statischen und kontinuierlichen Test ist ein Ereignis, das mit Bio- monitoren an der Rheingütestation Worms detektiert wurde. Im Jahr 2010 wurden von der Firma BASF versehentlich 1,2 t Styronal D 628 in den Rhein eingeleitet, was einer Konzentration von bis zu 200 μg/L ent- sprach. Dieses Ereignis wurde sowohl mit dem Daphnientoximeter als auch mit einer Erhöhung des Spektralen Absorptionskoeffi zienten (SAK) in der Wellenlänge von 254 nm registriert. Im Sicherheitsdatenblatt der BASF wird die Wirkschwelle für Daphnien mit einem EC 50 Wert (48 h) mit >100 mg/L angegeben. Diese Konzentration ist etwa drei Grössen-

68 49. AWBR-Jahresbericht 2017 ordnungen höher, als die bei der kontinuierlichen Messung tatsächlich detektierte (DIEHL 2010).

Forschungsprojekte mit kontinuierlichen Abwassertests wurden in der Veröffentlichung der Landesarbeitsgemeinschaft Wasser LAWA (2000) mit dem Titel: „Kontinuierliche Biotestverfahren für die Emissionsüber- wachung“ zusammengefasst. Hierbei wurden verschiedene Biotestsys- teme auf ihre Tauglichkeit im Einsatz zur Überwachung von Abwasser getestet. Beim Vergleich verschiedener Biomonitore schneiden hier die semikontinuierlich messenden Systeme (z.B. Algentoximeter) besser ab, als das kontinuierlich messende Daphnientoximeter. Je nach Bewer- tungsmatrix wurde ein Leuchtbakterientest für den Betrieb mit Abwasser als noch geeigneter eingestuft.

Bild 1: Biomonitore bei den Industriellen Werlen Basel (IWB): Algentoximeter (links) und Daphnientoximeter (rechts)

49. AWBR-Jahresbericht 2017 69 Ziel der Arbeit Die Trinkwasserversorgung der Stadt Basel und der umliegenden Ge- meinden wird zu einem Teil aus der Grundwasseranreicherung durch Versickerung von Rheinwasser sichergestellt. Für die Überwachung der Rohwasserentnahmestelle werden Biomonitore eingesetzt. Das beste- hende Daphnientoximeter könnte durch ein Algentoximeter ergänzt wer- den, um das Wirkungsspektrum der Daphien mit einem anderen Organis- mus zu erweitern, der andere Schadstoffe detektieren kann. Die grösste Gefahr für eine Verunreinigung des Rheinwassers geht von mehreren Produktionsstätten der Chemie- und Pharmabranche fl ussaufwärts der Rohwasserentnahmestelle aus. Die Annahme ist, dass die Biomonitore empfi ndlich auf geklärtes Produktionsabwasser reagieren. Damit könn- ten sie erhöhte Einleitungen dieser Abwässer detektieren, wenn auch eventuell nicht beide Toximeter mit derselben Intensität zur selben Zeit.

Hierzu soll das Wirkungsspektrum eines Daphnientoximeters (DaphTox der Firma bbe Moldaenke) gegenüber dem eines Algentoximeters (Al- gentoximeter der Firma bbe Moldaenke), bezogen auf den Normalbe- trieb mit Rheinwasser und unter dem Einfl uss der Einleitung von ge- klärtem Abwasser zweier Produktionsanlagen rheinaufwärts überprüft werden. Unter Einbeziehung des aktuellen Standes der Wissenschaft entwickelten sich folgende Fragen:

 Können Biomonitore am Standort der Rohwasserentnahme Gewäs- serverunreinigungen durch Industriekläranlagen detektieren?

 Reagiert das Algentoximeter sensibler auf Produktionsabwässer als das Daphnientoximeter?

 Ab welcher Verdünnung reagieren die Biomonitore auf die Produkti- onsabwässer?

Material und Methoden Algentoximeter: Das Algentoximeter der Firma bbe Moldaenke ist ein Messgerät, welches Wasser kontinuierlich auf für Algen toxische Sub- stanzen untersucht. Im Algentoximeter wird die Hemmung der variab-

70 49. AWBR-Jahresbericht 2017 len Chlorophyllfl uoreszenz einer standardisierten Algenzucht (Chlorella vulgaris) durch Schadstoffe im Wasser im Vergleich zu Algen im Trink- wasser gemessen. Die Messung der Chlorophyll-a Konzentration erfolgt hierbei nach DIN 38412, ISO 10 260. Wird der Ablauf der Elektronen- transportkette in der Lichtreaktion der Photosynthese durch ein Herbizid gehemmt, verändert sich bei künstlicher Beleuchtung der Algen die Art der Fluoreszenz gegenüber dem Normalzustand. Über die sogenannte prompte Fluoreszenz wird dann der Aktivitätszustand der Algen ermittelt. So hemmt zum Beispiel Diuron den Elektronentransport vom Photosys- tem II zum Plastochinon (KNAUERT et al. 2008). Die Referenzgiftmes- sung im Algentoximeter wird regelmässig alle 12 h mit einer Atrazinlö- sung von 10 μg/L vorgenommen.

Daphnientoximeter: Das Daphnientoximeter der Firma bbe Moldaenke ist ein kontinuierlich messendes Biotestsystem, das die Wirkung von Schadstoffen im Wasser auf den Testorganismus Daphnia magna be- obachtet. Hierbei wird das Schwimmverhalten des Testorganismus von einer Kamera aufgezeichnet und die Veränderungen in Form eines To- xizitätsindex ausgegeben. Der Wasserfl oh (Cladocera) Daphnia magna gehört zur Klasse der Crustacea (Krebstiere) (FLÖSSNER 1972). Die leichte Kultivierbarkeit, eine hohe Reproduktionsrate, ihre genetische Ähnlichkeit (Klonalität) und ihre schnelle Reaktion auf Schadstoffe ma- chen Daphnia magna zu einem idealen Testorganismus für akute und chronische Toxizitätsversuche (FLÖSSNER 1972) sowie für kontinuierli- ches Biomonitoring zur Gewässerüberwachung (BRESCH 1977). In jede Kammer des Daphnientoximeters werden wöchentlich 10 neue Daphnien im Alter von ungefähr 2 Tagen eingesetzt. Ihr Schwimmverhalten wird mit zwei Kameras beobachtet. Die Verhaltensparameter können vom Benut- zer unterschiedlich stark gewichtet werden und geben bei einer Verän- derung deshalb einen für jedes Toximeter spezifi sch eingestellten Alarm aus. Für die Beurteilung des Verhaltens der Tiere werden die Parameter Geschwindigkeit, fraktale Dimension, Geschwindigkeits-Klassen-Index, Anzahl der aktiven Tiere und ihr mittlerer Abstand aufgezeichnet.

49. AWBR-Jahresbericht 2017 71 Gerätetest: In dieser Arbeit wurden für die Sensitivitätstests an den Biomonitoren das Herbizid Diuron und das Insektizid Trichlorfon aus- gewählt, da sie bei WERTH (2006) als Pestizide mit besonders starker biologischer Wirkung beschrieben werden. Diese Tests ermöglichen die Bestätigung einer einwandfreien Funktionalität der Testsysteme.

Wasser für die Versuche: Das Rheinwasser wurde am Freitag vor der Versuchswoche über die Wasseranschlüsse der Biotest-Toximeter ent- nommen. Für das Algentoximeter war das Wasser ungefi ltert, für die Versuche am Daphnientoximeter lief das Wasser über den eingebauten 42 μm-Filter des Daphnientoximeters in eine 20 L Chromstahlkanne. Das Rheinwasser wurde dann bei 10 °C gelagert. Das Produktionsabwasser wurde zu Beginn der Woche entnommen und die Messungen direkt be- gonnen. Während der Versuche wurde es ebenfalls bei 10 °C in einer 20 L Chromstahlkanne gelagert.

Messunsicherheit: Ein Aspekt der Messungenauigkeit ist das Rau- schen der Messergebnisse am Algentoximeter. Hier wird die Sensitivität des Toximeters im Normalbetrieb (Grundrauschen während des Betriebs mit Flusswasser) mit dem SNR (Signal to Noise Ratio, Verhältnis des Si- gnals zum Rauschen) bestimmt. Das Algentoximeter zeigt im Mittel eine Standardabweichung der Hemmung von +/- 0,5 % (Berechnung aus Da- ten des Normalbetriebs). Am Daphnientoximeter wird im Nachhinein kei- ne statistische Analyse der Daten vorgenommen, da das Toximeter erst einen Alarm ausgibt, wenn eine statistisch signifi kante Abweichung (de- fi niert durch den Hinkley-Detektor und die Steigungsalarme) vom Nor- malverhalten vorliegt. Zudem werden bei den Biomonitoren keine physi- kalischen Messverfahren als Detektor verwendet, sondern Lebewesen. Diese unterliegen biologischen Schwankungen. Die ausreichende Re- produzierbarkeit der Ergebnisse bei identischen Versuchsbedingungen war somit fraglich.

72 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Ergebnisse Die Sensitivität der Biomonitore der IWB wurde bisher noch nicht ermit- telt. Ein Ziel dieser Arbeit war es, mit defi nierten Schadstoffen die Sen- sitivität der eigenen Toximeter einzugrenzen und mit Literaturdaten zu vergleichen. Hierzu wurden Versuche mit ausgewählten Pestiziden und Produktionsabwasser durchgeführt.

Die Versuche an den Biomonitoren wurden, statt in Daphnienmedium und Trinkwasser, für eine bessere Vergleichbarkeit mit dem Normal- messbetrieb am Rhein mit Rheinwasser durchgeführt. Die 20 L Stich- probe des Rheinwassers wurde mit den Jahresmittelwerten der Roh- wassermessstation verglichen, um abzuschätzen, ob eine ungefähr dem Durchschnitt entsprechende Probe gezogen wurde. Ebenso wurden die Stichproben des Produktionsabwassers mit den Jahresmittelwerten der jeweiligen Betriebe verglichen. Dafür wurden die Parameter DOC, Am- monium, Nitrat, Phosphat, AOX, SAK (254 nm) und einige Schwerme- talle bestimmt.

Im Normalbetrieb bewegen sich die Daphnien im Rahmen ihrer natür- lichen Verhaltensmuster relativ konstant. Insbesondere der Parameter Schwimmgeschwindigkeit der Daphnien hatte im Toximeter meistens geringe Schwankungen. Einzelne Versuche zeigten jedoch, dass bei der Überwachung mit Testorganismen durchaus eine Reaktion stattfi nden kann, obwohl mit chemisch-physikalischer Onlineanalytik nichts detek- tiert wurde. Solch eine Reaktion kann durch eine plötzliche Veränderung im Nährstoffangebot im Daphnientoximeter vorkommen (Sedimentieren von Algen in der Futterzudosierung). Sowohl in der Abbildung der Tox- punkte als auch in der Schwimmgeschwindigkeit ist zu sehen, dass die zwei Kammern teilweise leicht unterschiedlich reagieren.

Die Sensitivität der Daphnien der eigenen Zucht wurde mit einem stati- schen Kaliumdichromattest überprüft. Kaliumdichromat wird nach DIN EN ISO 6341:2013-01 als Referenzsubstanz bei statischen Daphnien- tests zur Bestimmung der Hemmung der Beweglichkeit von Daphnia magna eingesetzt.

49. AWBR-Jahresbericht 2017 73 Um die Versuche am Algentoximeter auswerten und bewerten zu kön- nen, ist ein konstanter Normalbetrieb die Grundvoraussetzung. Zur Auswertung wurden 5 verschiedene Zeitpunkte (je 24 h) aus den Nor- malbetriebsdaten zwischen Januar und Februar 2016 genommen. Der Mittelwert der Inhibition der Algen sollte im Normalbetrieb bei 0 % liegen und wurde in diesem Fall mit -0,4 % und einer absoluten Standardab- weichung von +/- 0,6 % berechnet. Die Überprüfung der Funktionstüch- tigkeit des Toximeters wurde alle 12 h mit einer Referenzgiftmessung mit 10 μg/L Atrazin vorgenommen (hier nicht dargestellt). Der Mittelwert der Inhibition der Algen mit dem Referenzgift Atrazin liegt bei 9,3 % (+/- 2 %).

Beide Toximeter wurden unter anderem mit Herbiziden und Insektizi- den getestet. Zur einfacheren Handhabung und aufgrund der teilweise schlechten Wasserlöslichkeit der Substanzen wurden die Pestizide in Aceton vorgelöst. Nach OECD 2012 ist defi niert, dass eine Substanz in Lösungsmittel gelöst werden kann, sofern sie schlecht wasserlöslich ist. Damit ein Einfl uss auf die Versuchsorganismen durch das Lösemittel Aceton ausgeschlossen werden kann, wurden zunächst Vorversuche mit Trinkwasser und 8 mg/L Aceton am Algentoximeter und mit Daphnien- medium und 8 mg/L Aceton am Daphnientoximeter gemacht. Diese Kon- zentration wurde von Leonie et al 2008 als maximale Konzentration an Aceton für statische Daphnientests vorgeschlagen. Sowohl das Algento- ximeter als auch das Daphnientoximeter lösten bei einer Konzentration von 8 mg/L Aceton in Trinkwasser bzw. Rheinwasser keinen Alarm aus.

Zunächst wurde die Funktionstüchtigkeit der Toximeter mit ausgewähl- ten Pestiziden überprüft. Das Algentoximeter kann Pestizide in Konzen- trationen ab 0,3 μg/L detektieren (WERTH 2006), das Daphnientoxime- ter detektiert Substanzen im Konzentrationsbereich von >2 μg/L, häufi g aber erst >100 μg/L (GRESENS 2000). Mit dem Herbizid Diuron konnte mit 0,3 μg/L am Algentoximeter durch Hemmung der Photosynthese um relativ ermittelte 3 % ein Alarm ausgelöst werden (siehe Bild 2).

74 49. AWBR-Jahresbericht 2017 12 Zeitraum der Zudosierung 1ug/l Diuron 10 0.5ug/l Diuron 0.3ug/l Diuron 8 0.1ug/l Diuron Langzeitalarm 6 Kurzzeitalarm

4

Hemmung [%] 2

0

-2

-4 0 2 4 6 8 1012141618202224 Zeit [h] Bild 2: Hemmung der Photosyntheseaktivität der Algen bei vier verschiedenen Kon- zentrationen an Diuron in Rheinwasser mit dem Algentoximeter, Kurzzeitalarm (2 Messwerte über 5 % Hemmung) , Langzeitalarm (5 Messwerte über 2 % Hemmung)

Ein Alarm am Algentoximeter wird dann ausgegeben, wenn die regist- rierten Messwerte eine defi nierte Veränderung im Fluoreszenzverhalten der Algen anzeigen. Dabei ist die Alarmschwelle defi niert als zweimal über 5 % Hemmung oder fünfmal über 2 % Hemmung. Am Daphnien- toximeter konnte eine Veränderung des Schwimmverhaltens beobachtet werden, allerdings noch kein Alarm. Ein Alarm am Daphnientoximeter wird bei 10 Toxpunkten ausgegeben, wobei diese Punkte aus der Än- derung der verschiedenen Verhaltensparameter generiert werden. Die Versuche mit dem Insektizid Trichlorfon ergaben einen Alarm mit dem Daphnientoximeter ab einer Konzentration von 2 μg/L. Am Algentoxime- ter hingegen konnte selbst bei Konzentrationen von 12 μg/L kein Alarm detektiert werden (siehe Bild 3). Da die Toximeter der Literatur entspre- chend reagiert haben, kann von einer Funktionstüchtigkeit beider Toxi- meter ausgegangen werden.

49. AWBR-Jahresbericht 2017 75 Kammer1 Kammer2 0.1ug/l Trichlorfon P1 Rotalarm Gelbalarm Aktive Organismen Toxpunkte Zudosierung TCF nach 360min 05 1525

1ug/l Trichlorfon P1 Toxpunkte 05 1525 Zeitpunkt der Zudosierung Zeitpunkt 2ug/l Trichlorfon P1 Toxpunkte 010203040

4ug/l Trichlorfon P1 Toxpunkte 0 10203040

0 80 160 280 400 520 640 760 880 1000 1120 Zeit [min]

Bild 3: Darstellung der Toxpunkte am Daphnientoximeter der Versuche mit Trichlorfon inklusive Alarmschwellen und Anzahl der aktiven Organismen, P1 =Parameter- einstellung 1, grün= (aktive Organismen, maximale Anzahl = 10), Kammer 1= schwarz, Kammer 2= grau, rot= Rotalarm bei 10 Toxpunkten, gelb= Gelbalarm bei 8 Toxpunkten, V1 - V4 = Versuch eins bis vier

Im Rahmen der Abwasserversuche wurde Produktionsabwasser aus zwei verschiedenen Unternehmen aus dem Grossraum Basel mit Rhein- rohwasser verdünnt. Bei Produktionsabwasser 1 gab es die Information, dass die Produktion im entsprechenden Betrieb kontinuierlich erfolgte und deshalb nur geringe Schwankungen in der Zusammensetzung des Produktionsabwassers zu erwarten seien. Bei Produktionsabwasser 2 wurden die erwarteten Schwankungen als so gross eingeschätzt, dass keine Aussagen über die Zusammensetzung gemacht werden konn- ten. Die erste Verdünnungsstufe wurde mit 1:100 festgelegt. In weite- ren Schritten wurde das Produktionsabwasser immer weniger verdünnt (1:50, 1:10, 1:5), um schliesslich drei Wiederholungen mit einer 1:1 Ver- dünnung durchzuführen. Die Messwerte der Untersuchung mit Produk-

76 49. AWBR-Jahresbericht 2017 tionsabwasser 1 (PA1) am Algentoximeter liessen erkennen, dass auch mit einer sehr geringen Verdünnung von 1:1 kein Alarm ausgelöst wurde. Es zeigte sich tendenziell der gegenteilige Effekt, dass die Hemmung der Algen im Zeitraum grosser Mengen des PA1 Wassers stärker negativ wurde (siehe Bild 4). Insbesondere war dieser Effekt in der Versuchsrei- he V1 PA1 1:1 zu sehen. Erst die Verdünnungen mit 1:1 Rheinrohwasser zu Produktionsabwasser bewirkten eine verstärkte Hemmung der Algen. Versuch 2 und Versuch 3 erzeugten eine Hemmung von ungefähr 2 %, was, bei 5 Werten über 2 % Hemmung, einen Alarm auslösen würde. Die gemessene Tagesmischprobe V4 löste im Vergleich zu den anderen Stichproben mit zwei Messwerten über der 5 % Markierung einen Alarm aus.

6

4 Zeitraum der Zudosierung Produkonsabwasser 1

2

0 0 2 4 6 8 101214161820

Hemmung [%] -2

-4 8 Produkonsabwasser 2

6

4

2

Hemmung [%] 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

-2

V1 1:1 V2 1:1 V3 1:1 V4 1:1 Langzeitalarm Kurzzeitalarm -4 Zeit [h]

Bild 4: Versuche am Algentoximeter mit Produktionsabwasser, oben= Produktions- abwasser 1, unten= Produktionsabwasser 2 – Darstellung der Hemmung der Algen in % (1:1 Verdünnung 1Teil Produktionsabwasser mit 1Teil Rheinrohwas- ser), V4= Tagessammelprobe, V1 - V3 =Stichprobe, Kurzzeitalarm (2 Messwer- te über 5 % Hemmung), Langzeitalarm (5 Messwerte über 2 % Hemmung)

49. AWBR-Jahresbericht 2017 77 Das Daphnientoximeter reagierte bei den Versuchen mit Produktionsab- wasser etwas sensibler, es kam bei einer Verdünnung von 1:5 des Pro- duktionsabwassers 2 zu einer ersten Alarmausgabe. Im Gegensatz dazu konnte am Algentoximeter erst ab einer Verdünnung von 1:1 ein Alarm ausgelöst werden. Produktionsabwasser 1 löste an beiden Toximetern keinen Alarm aus.

Kammer1 Kammer2 PA2 1:1 V1 Rotalarm Gelbalarm Zeitpunkt der Zudosierung nach 360min Toxpunkte 0 5 15 25

PA2 1:1 V2 Toxpunkte 05 1525

PA2 1:1 V3 Zeitpunkt der Zudosierung Zeitpunkt Toxpunkte 0 5 15 25

PA2 1:1 Sammelprobe Toxpunkte 0 5 15 25

0 80 160 280 400 520 640 760 880 1000 1120 Zeit [min] Bild 5: Versuche mit Produktionsabwasser 2 (PA2) am Daphnientoximeter - Darstel- lung der Toxpunkte mit Parametereinstellung 2 (siehe 8.3.3) (1:100 Verdünnung = 1 Teil Produktionsabwasser mit 1Teil Rheinrohwasser), Kammer 1 = schwarz, Kammer 2 = grau, rot = Rotalarm bei 10 Toxpunkten, gelb = Gelbalarm bei 8 Toxpunkten, V1 - V4 = Versuch eins bis vier

78 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Da die Versuche mit den Produktionsabwässern zeigten, dass erst ab einer Verdünnung von 1:1 Reaktionen bzw. Alarme detektiert werden konnten, wurden die 1:1 Verdünnungen dreimal wiederholt und eine Tagessammelprobe in der Verdünnung 1:1 gemessen. Die Wiederho- lungen mit dem Produktionsabwasser 1 am Daphnientoximeter zeigten jeweils unterschiedliche Muster in den Toxpunkten.

Bei den Wiederholungsversuchen mit dem Produktionsabwasser 2 wur- den in zwei Fällen ein Rot-Alarm ausgelöst und in einem Fall ein Gelb- Alarm (siehe Bild 5). Ebenso löste die Tagessammelprobe einen Rot- Alarm aus.

Diskussion In dieser Arbeit wurden ein Algen- und ein Daphnientoximeter hinsicht- lich ihrer Sensitivität auf verschiedene Substanzen (Pestizide, gereinigte Produktionsabwässer) getestet. Gereinigtes Abwasser ist eine bedeu- tende Quelle, über die Schadstoffe regelmässig in die Flüsse gelangen (ORT 2009). Die Pestizidversuche erbrachten nach der Literatur zu er- wartende Resultate, wobei das Algentoximeter sensibler auf das Herbi- zid und das Daphnientoximeter sensibler auf das Insektizid reagierte. Von den Produktionsabwässern war nur Produktionsabwasser 2 in der Lage, einen Alarm auszulösen (siehe Bilder 3 und 4). Im Folgenden wer- den die Ergebnisse sowie mögliche Einschränkungen einer Bewertung diskutiert.

Versuche mit gereinigtem Produktionsabwasser: Effektbezogene Untersuchungen eignen sich insbesondere für Wasser mit komplexer Zusammensetzung wie zum Beispiel gereinigtes Abwasser. Grosse Schwankungen in der Beschaffenheit, sowohl bezogen auf die Konzen- tration einzelner Inhaltsstoffe als auch auf physikalische Parameter wie Trübung, sind typisch für gereinigte Abwasser (LAWA 2000). Die Tempe- ratur und der pH-Wert beider Produktionsabwässer liegen im Rahmen der Studie der SLUG (2003). Nur die Leitfähigkeitsmessungen liegen bei beiden Produktionsabwässern mit 7490 S/cm und 9860 S/cm deut-

49. AWBR-Jahresbericht 2017 79 lich höher. Die Jahresmittelwerte aller Parameter befi nden sich ungefähr in der gleichen Grössenordnung wie die Messungen der Stichproben. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass eine einigermassen repräsentative Stichprobe gezogen wurde. Im Produktionsabwasser 1 konnten nach ca. 2 Stunden braune Flocken beobachtet werden. Even- tuell sind bei dieser Ausfällung wassergefährdende Substanzen verloren gegangen, die dann nicht mehr in die Toxizitätsuntersuchung an den Bio- monitoren eingehen konnten. Für die Abwasserversuche wurde einmalig eine 20 L Stichprobe gezogen sowie eine Tagessammelprobe vom Vor- tag der Versuchsreihe. Mit diesem Wasser wurden dann ca. 10 Versuche à 24 h mit unterschiedlichen Verdünnungen durchgeführt. Die Anzahl der Stichprobe/n ist für eindeutige Ergebnisse zu gering. Da bei IWB bisher noch keine Versuche mit Abwasserverdünnungen gemacht wurden, wur- de dieser Kompromiss eingegangen, da es die einzige Möglichkeit war, die Versuche untereinander vergleichen zu können. Eine ausführlichere Testung mit mehreren Stichproben war im zeitlichen Rahmen dieser Ar- beit nicht möglich. Unabhängig von der Zusammensetzung der Produk- tionsabwässer war es ein Ziel dieser Arbeit, die Verdünnungsstufe zu bestimmen, bei der ein Alarm sowohl am Algen- als auch am Daphnien- toximeter ausgelöst wird. Im Folgenden werden nun Möglichkeiten und Grenzen der Toximeter anhand der durchgeführten Abwasserversuche aufgezeigt.

Mit dem gereinigten Produktionsabwasser 1 konnte am Algentoximeter auch mit einer Verdünnung von 1:1 (1 Teil Abwasser mit 1 Teil Rhein- wasser) kein Alarm generiert werden, wohingegen mit dem Produk- tionsabwasser 2 mit der Tagessammelprobe ein Alarm auftrat (siehe Bild 3). Warum der Versuch PA2-1:1-V1 keine (oder erst eine sehr spä- te) Hemmung der Algen zeigt, ist unklar. Er wurde zeitlich gesehen vor den Versuchen V2 und V3 gemessen, weshalb ein Einfl uss durch die Probenlagerung eher ausgeschlossen werden kann. Bei den Versuchen mit dem Produktionsabwasser 1 kann optisch eine leichte Verlagerung der Hemmung ins stärker Negative beobachtet werden. Dies ist auf ein stärkeres Algenwachstum (BOSSARD et al. 1974) der Versuchsalgen mit dem Probewasser im Vergleich zum Leitungswasser zurückzuführen

80 49. AWBR-Jahresbericht 2017 (erhöhte Ammonium-, Nitrat- und Phosphatkonzentrationen).

Am Daphnientoximeter konnte mit dem Produktionsabwasser 2 mit einer Verdünnung von 1:5 (1 Teil Abwasser mit 5 Teilen Rheinwasser) ein Alarm ausgegeben werden (nicht abgebildet). Es gab bei den Wiederholungen der 1:1 Verdünnungen bei Produktionsabwasser 2 zweimal einen Rot- Alarm und zweimal einen Gelb-Alarm. Diese Unterschiede zwischen den einzelnen Wiederholungen sind im Rahmen von Biotests üblich. So wird von BAYER 2016 ein EC 50 Wert für Diuron mit Daphnien mit 1,4 mg/L angegeben, bei LEU UND GYKAX 2016 liegt er bei 4,8 mg/L. Dies zeigt, dass auch bei standardisierten Laborbedingungen Abweichungen in den Messungen mit Organismen vorkommen.

Neben den im Abwasser vorkommenden Schadstoffen spielen auch an- dere Einfl üsse für die Sensitivität der Daphnien eine wichtige Rolle: So kann ein hoher Salzgehalt Stress für die Daphnien bedeuten (GHAZY 2009). Zudem reagieren Daphnien sensibler auf Schadstoffe bei einem hohen Gehalt an Schwebstoffen (DIEHL et al. 2009). Insbesondere bei Versuchen mit Abwasser können auch die Färbung des Wassers, ein niedrigerer Sauerstoffgehalt und Biofi lme im Toximeter zu Störun- gen bzw. Fehlalarmen führen (LAWA 2000). FERREIRA et al 2008 un- tersuchten den Einfl uss des Sauerstoffgehaltes auf die Empfi ndlichkeit der Daphnien, wobei diese eine höhere Empfi ndlichkeit bei niedrigerem Sauerstoffgehalt aufwiesen.

Zu den Versuchen mit Abwasser waren eingangs folgende Fragen for- muliert worden:

„Reagiert das Algentoximeter sensibler auf Produktionsabwasser als das Daphnientoximeter? Ab welcher Verdünnung reagieren die Biomonitore auf Produktionsabwasser?“

Bei den Abwasserversuchen reagierte das Daphnientoximeter schon bei stärker verdünntem Abwasser als das Algentoximeter. Damit scheint das Algentoximeter nicht geeigneter zu sein, um Abwasser zu detektieren. Beide Toximeter reagierten allerdings erst bei einer Verdünnung von

49. AWBR-Jahresbericht 2017 81 1:5 bzw. 1:1, was im Verhältnis zur Verdünnung im Rhein sehr spät ist. Die gereinigten Produktionsabwässer werden im Verhältnis zwischen 1:1‘000 und 1:10‘000 eingeleitet. Jedoch ist der Probenumfang von einer Stichprobe und einer Tagessammelprobe zu gering, um eine genauere Aussage machen zu können. Mit der Erkenntnis, dass die Toximeter un- gefähr bei einer 1:1 Verdünnung des Abwassers einen Alarm ausgeben, müssten nun noch einmal mehrere Stichproben zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Wochentagen genommen und mit Biomonitoren getes- tet werden, um bessere Informationen über die zeitliche Variation der Produktionsabwässer zu erhalten.

Ein Schutz der Rohwasserentnahmestelle vor Industrieabwässern durch die Biomonitore kann angesichts der beschriebenen Verdünnungseffek- te nicht garantiert werden. Eine Einleitung, wie sie zum Zeitpunkt der Stichprobe simuliert wurde, könnte nicht detektiert werden. Mit den in dieser Arbeit neu erhaltenen Erkenntnissen stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, eine Überwachung mit Biomonitoren direkt an der Stelle der Einleitung durch die Industrie oder Kläranlagen zu betreiben. Damit könnten die oben erwähnten hohen Verdünnungseffekte im Rhein umgangen werden.

Überwachung der Rohwasserstation mit Biomonitoren: Nicht nur das Vorhandensein eines Schadstoffes, sondern auch die vorhandene Konzentration, ebenso wie die für Organismen wirksame Konzentration, sind für eine Nutzenanalyse wichtig. In den Jahren 2013 bis 2015 kam als maximale Konzentration eines Schadstoffes das chemische Additiv AMPS (2-Acrylamido-2-methylpropansulfonsäure) mit 4,6 μg/L im Rhein vor (RÜS 2016). Alle anderen Substanzen kamen in niedrigeren Konzen- trationen vor. Die häufi gste Substanzklasse der Pestizide waren die Her- bizide. Sie kamen in Konzentrationen zwischen 0,08 und 0,17 μg/L vor. Das Algentoximeter kann Konzentrationen des Herbizids Isoproturon ab 0,5 μg/L detektieren (WERTH 2006) und einen Alarm ausgeben. Im Jahr 2013 kam es durch besonders starke Regenfälle zu einer Abschwem- mung von Isoproturon und damit zu einem verstärkten Transport in die Flüsse. Aber auch diese fast viermal höhere Konzentration (0,13 μg/L)

82 49. AWBR-Jahresbericht 2017 von Isoproturon im Vergleich zu den im Rohwasser gemessenen Kon- zentrationen konnte nicht detektiert werden. Insektizide konnten im Rhein bei Basel in diesem Zeitraum nicht oberhalb der Meldeschwelle detektiert werden.

Eine weitere Möglichkeit, wie wassergefährdende Substanzen in den Rhein gelangen könnten, sind Unfälle. Um Unfälle rechtzeitig zu de- tektieren, werden in der Rohwassermessstation diverse Parameter der Wasserqualität gemessen und in einer Alarmsoftware kombiniert. Ein Alarm bei starken Verunreinigungen durch Unfälle und Störfälle kann mit beiden Toximetern detektiert werden. In diesen Fällen reagiert, je nach- dem ob die Substanzen daphnien- oder algenwirksam sind, ein System besser als das andere.

Bei Auslösung eines Alarms an der Rohwasserstation der IWB wird eine mögliche Kontamination mit Methoden der Spurenanalytik untersucht. Allerdings konnte in den Jahren 2013 bis 2015 kein Biomonitoring-Alarm mit einem Befund der Spurenanalytik validiert werden. Ein Biomoni- toring-Alarm lässt sich häufi g nicht mit Befunden der Spurenanalytik vergleichen, da Biomonitore auch auf bestimmte Kombinationen von Schadstoffen reagieren, welche weder in der GC-MS noch in der LC- MS Messung darstellbar sind. Auch die Reaktion von kontinuierlichen Biomonitoren auf Pharmazeutika müsste insbesondere für den Standort Basel noch weiter erforscht werden. In der Studie von CLEUVERS 2002 wurde gezeigt, dass Algen und Daphnien in statischen Tests häufi g erst bei sehr hohen Konzentrationen (0,7 bis 160 mg/L) auf Arzneimittel re- agieren. Allerdings wurde auch gezeigt, dass bei einer Kombination der Substanzen eine stärkere Toxizität detektiert werden konnte. Dies stellt eine interessante Grundlage für Folgeexperimente dar.

Ziel dieser Arbeit war es ausserdem, eine mögliche Kombination von Daphien- und Algentoximeter als Biomonitore am Standort Staustufe Birsfelden zu untersuchen. Fachlich gesehen ist das Algentoximeter eine gute Ergänzung zum Daphnientoximeter, da es die häufi g vorkom- menden Herbizide aus der Landwirtschaft besser detektiert. Allerdings lagen am untersuchten Standort, auf Grund einer starken Verdünnung

49. AWBR-Jahresbericht 2017 83 im Rhein und wenig intensiver Landwirtschaft, die Konzentrationen von Herbiziden in den letzten Jahren nie über 0,13 μg/L. Da die geringste ermittelte Nachweisgrenze einer entsprechenden Testsubstanz 0,3 μg/L beträgt, erscheint ein Einsatz hier wenig sinnvoll. WITTMER et al. 2014 zeigen, dass an anderen Stellen in der Schweiz eine Detektion von Her- biziden mit dem Algentoximeter durchaus möglich wäre.

Fazit In Anbetracht der hier dargestellten und diskutierten Ergebnisse kann das Algentoximeter nur eingeschränkt als eine sinnvolle Ergänzung zum Daphnientoximeter am untersuchten Standort angesehen werden. Die prinzipielle Anwendbarkeit der Toximeter für die Analyse von Produkti- onsabwässern wurde teilweise bestätigt. Nicht nur industrielle Produk- tionsabwässer, sondern auch Havarien, Unfälle beim Gütertransport, Fehleinleitungen oder Störfälle mit dem Betrieb von Kühlwasser tragen zum Gefahrenpotential der Gewässerverschmutzung am Standort bei. Diese punktuell höheren Belastungen können mit Biomonitoren eventu- ell schon früher, als von den Behörden gemeldet, detektiert werden, da hier erheblich höhere Konzentrationen zu erwarten sind.

Die Ergebnisse der Pestizidversuche zeigen, dass beide Toximeter der Literatur entsprechend reagiert haben und von einer Funktionstüchtig- keit beider Systeme auszugehen ist. Das Daphnientoximeter reagierte besser auf das Insektizid, das Algentoximeter besser auf das Herbizid, weshalb bei der Betrachtung von Einzelsubstanzen ein paralleler Ein- satz beider Geräte sinnvoll wäre.

Die Versuche mit geklärtem Abwasser zeigen, dass bei einem Normal- betrieb der Produktionsstätten erst bei einer 1:1 Verdünnung eine Re- aktion an den Biomonitoren zu detektieren ist. Im Gegensatz zur sehr geringen Verdünnung innerhalb der durchgeführten Versuche werden in- dustrielle Abwasser bei der Einleitung in den Rhein im Verhältnis 1:1‘000 bis 1:10‘000 verdünnt. In Anbetracht dieser Verdünnung erschiene es sinnvoller, einen Biomonitor direkt am Ausgang der Kläranlagen zu be-

84 49. AWBR-Jahresbericht 2017 treiben, da hier noch keine Verdünnungseffekte zu erwarten sind.

Generell kann nicht gesagt werden, dass ein Biomonitor sensibler re- agiert als der Andere. Mit Produktionsabwasser zeigten beide Geräte eine ähnliche Sensitivität. Da das Algentoximeter einen deutlichen ge- ringeren Wartungsaufwand hat, wird tendenziell eher ein Algentoximeter für geklärtes Abwasser empfohlen. Schwachstellen der Versuche waren die Lagerung der Versuchswässer und die Anzahl der Wiederholungen der Versuche mit Produktionsabwasser. Die in dieser Arbeit erbrachten Ergebnisse können deshalb nur als erster Versuch einer Beantwortung gesehen werden. Für eine verlässliche Beurteilung sind weitere Experi- mente nötig.

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49. AWBR-Jahresbericht 2017 87 88 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Ein Werkzeug zur nachhaltigen Substanzerhaltung von Anlagen der Trinkwassergewinnung Dr.-Ing. Bernd Hofmann, Prof. Dr.-Ing. Matthias Maier, B.Eng. Markus Müller, Dr.-Ing. Karl Roth Stadtwerke Karlsruhe GmbH

Einleitung Ziel des Projektes zur Anlageninvestitionsplanung (AIP) ist es, die zu- künftigen Instandhaltungskosten transparent und belastbar darzustellen. Die Grundlage bilden historische Daten, messbare Kennwerte von Ag- gregaten oder Brunnen sowie die Erfahrungen des Betriebspersonals. Die Berechnung erfolgt mit einem Werkzeug, mit dem die erforderlichen Daten bereitgestellt und die Ergebnisse grafi sch und tabellarisch zur Verfügung gestellt werden. Berücksichtigt werden nur außergewöhnli- che Maßnahmen (größere Instandsetzungsmaßnahmen und Verbesse- rungen).

Vorgehensweise Die Vorgehensweise zur Bewertung des Zustands der Anlagen wurde bisher für Wasserwerke, Druckerhöhungsanlagen und Trinkwasserhoch- behälter entwickelt und umfasst die in Abbildung 1 dargestellten fünf Schritte:

Zunächst werden die Anlagen in Cluster eingeteilt, die sich jeweils einem Gewerk (Gebäude + Infrastruktur, Anlagentechnik oder Elektrotechnik) zuordnen lassen. Die Cluster orientieren sich insbesondere an Sys- temgrenzen im Prozess (Wassergewinnung, -aufbereitung, -förderung, -speicherung). Die nächste Ebene der Einteilung bilden die Baugruppen. Dies sind praxisorientierte Einheiten, die im Zuge einer Instandhaltungs- maßnahme als Ganzes betrachtet werden. Den Clustern und Bauteilen werden Kosten für Anschaffung oder Instandhaltung auf der Grundlage tatsächlicher Investitionen zugewiesen. Sie dienen dazu, später in der

49. AWBR-Jahresbericht 2017 89 Berechnung den Wiederbeschaffungswert (WBW) der gesamten Anlage aufzuteilen und damit jeder Baugruppe einen WBW zuzuweisen.

Bild 1: Vorgehensweise

Im zweiten Schritt wird der Zustand der Bauteile erfasst. Dies erfolgt über angepasste Methoden für die unterschiedlichen Baugruppen. So ist beim Gelände oder den Gebäuden eine Sichtbewertung möglich, beim Druckwindkessel hingegen die TÜV-Prüfung ausschlaggebend. Ziel und Bestandteil laufender Untersuchungen ist es, weitere Kennwerte zu ermitteln, die eine messbare Zustandserfassung ermöglichen. Bereits verwendet werden die Kennwerte Isolationswiderstand, spezifi sche Er- giebigkeit der Förderbrunnen und Verschiebung der Pumpenkennlinie. Die Bewertung erfolgt in Schulnoten von 1 - 6, für die im Vorfeld Zustän- de defi niert wurden (z.B. Schadensbilder bei Sichtbewertung in Bewer- tungsmatrix).

90 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Schritt drei ist die Berechnung der zukünftigen Investitionen. Dabei wird angenommen, dass bei einer Bewertung von 1 der Restwert der Anla- ge noch 100 % des WBW beträgt und bei einer Bewertung von 6 alles verzehrt ist (s. Abbildung 2). Für den Bereich dazwischen wird ein li- nearer Werteverzehr angenommen. Da in der Trinkwasserversorgung aus Gründen der Versorgungssicherheit die Bauteile nicht bis zu ihrem Versagen betrieben werden können, muss eine untere Grenzbewertung defi niert werden. Erreicht die errechnete Bewertung im Jahr n eines Bau- teils die Grenzbewertung, ist eine Instandhaltungsmaßnahme fällig. Die Höhe der Instandhaltungskosten (IHK) errechnet sich aus der Differenz der Bewertung im Jahr n zur Zielbewertung, welche den angestrebten Zustand nach der Instandhaltungsmaßnahme beschreibt. Dabei ent- spricht jeder Notenschritt einem Betrag von 20 % des WBW.

1 100 Instandsetzungsaufwand 2 80 Zielbewertung 3 60

4 40 Grenzbewertung

Zustand/Bewertung Zustand/Bewertung 5 20 Restwert [% von WBW] [% von Restwert 6 0 0 20 40 60 80 100 Lebensdauer LD

Nutzungsdauer ND Alter [% von LD]

Bild 2: Verfahren zur Berechnung der zukünftigen Investitionen

Die Berechnung und Darstellung der Investitionen erfolgen in dem entwi- ckelten Werkzeug, in dem alle Anlagen eingepfl egt sind. Auch die Rand-

49. AWBR-Jahresbericht 2017 91 bedingungen wie Betrachtungszeitraum, Grenz- und Zielbewertung werden in einer Tabelle festgelegt. Ausgehend von der Ist-Bewertung errechnet das Programm die Bewertung in den einzelnen Jahren über den Betrachtungszeitraum. Erreicht ein Bauteil die Grenzbewertung, no- tiert das Programm die Höhe der Investition in einer Tabelle und setzt die Bewertung zurück auf die Zielbewertung. Auch eine Preissteigerung wird über eine Hochrechnung des Baupreisindex, auf Grundlage der durch- schnittlichen Steigerung in den letzten 10 Jahren, berücksichtigt.

Der fünfte und wichtigste Schritt für eine nachhaltige Anlageninvestiti- onsplanung ist der Abgleich der errechneten Kosten mit den tatsächlich realisierten Maßnahmen in Zeitpunkt und Höhe. Dabei ist es wichtig, bei einer Abweichung nach der Ursache zu suchen und die entsprechenden Randbedingungen anzupassen. Diese sind: Grenz- und Zielbewertung, angenommene Nutzungsdauern und vergebene Kostenanteile für Clus- ter und Bauteile.

Ergebnisse Nach der Anwendung auf die Anlagen der Wasserversorgung bei den Stadtwerken Karlsruhe wurde eine Kontrolle über ein etabliertes Verfah- ren zur Budgetierung von Instandhaltungsmaßnahmen vorgenommen. Hierfür wurden mit dem PABI-Verfahren (Fr. Prof. Bahr, HS Karlsruhe, Technik und Wirtschaft) die regelmäßigen und außergewöhnlichen Maß- nahmen für einen Betrachtungszeitraum von 50 Jahren berechnet und mit den Ergebnissen aus dem AIP-Verfahren verglichen (Abbildung 3).

Die Gegenüberstellung zeigt, dass die Ergebnisse (außerordentliche Maßnahmen) aus beiden Verfahren sehr gut vergleichbar sind. Es han- delt sich beim AIP-Verfahren um einen praxisnahen bottom-up-Ansatz, der es ermöglicht, die außerordentlichen Instandhaltungsmaßnahmen transparent und baugruppenscharf darzustellen. Die Berechnung und die Grundlagen sind praxisbezogen, so dass eine angepasste Zustands- bewertung durchgeführt werden kann.

92 49. AWBR-Jahresbericht 2017 Bild 3: Vergleich der Ergebnisse

Zusammenfassung Das Verfahren wird seit 2016 bei den Stadtwerken Karlsruhe zur Pla- nung der Kosten im Bereich der Trinkwassergewinnung eingesetzt. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass die Investitionsplanung der letzten 10 Jahre gut mit dem Tool abgebildet werden kann. Mit jeder Anwendung werden die Randbedingungen entsprechend angepasst oder gefestigt, so dass die Zuverlässigkeit weiter entwickelt werden kann.

49. AWBR-Jahresbericht 2017 93 94 49. AWBR-Jahresbericht 2017