Fortschreibung Stadtentwicklungskonzept Perspektiven für Heilbad Heiligenstadt | 2008 im Auftrag und in Zusammenarbeit mit der Stadt Heilbad Heiligenstadt

Arbeitsgruppe Stadt Büro für Stadt- und Regionalplanung Sickingenstraße 10 34117 Kassel Tel. 0561 / 77 83 57 Fax. 0561 / 10 75 68 E-Mail: [email protected] Web: www.arbeitsgruppe-stadt.de Vorwort

Städte und Dörfer sind in einem starken Wandel begriffen. Gewerbe und Wohnen, ergänzt um das Sonderthema Altstadt Tradition, Erhalt und Veränderung haben unsere Stadt insbe- formuliert und in ihren Potentialen, Synergien und Chancen sondere in den vergangenen 19 Jahren geprägt. Waren die untersucht. ersten Jahre nach der friedlichen Revolution von 1989 und Das Ziel der vorliegenden Fortschreibung des Stadtent- der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten vornehmlich wicklungskonzeptes ist es, an die vorangegangenen erfolgrei- von dem dringend erforderlichen Aufbau der notwendigen In- chen Planungen und Konzepte anzuknüpfen und diese weiter- frastruktur, der Verbesserung der wirtschaftlichen und sozia- zuentwickeln. Dass die Entwicklung der Stadt Heilbad Heiligen- len Lebensverhältnisse auch in Heilbad Heiligenstadt und sei- stadt trotz Schwierigkeiten im Detail so positiv verlaufen nen vier Ortsteilen bestimmt, so stellen sich nunmehr neuarti- ist, ist dem Engagement und der intensiven Arbeit aller an der ge Anforderungen an die künftige Entwicklung unserer Stadt. Stadtentwicklung Beteiligten zu verdanken, der Politik, der Seit Mitte der 1990er Jahre wirken die Folgen der Abwande- Verwaltung und den vielen engagierten Bürgern und Fachleu- rungen aus den neuen Bundesländern und der demographische ten. Wandel auf die Entwicklung der Regionen und Kommunen ein. Das Ziel des hier verfolgten partizipativen Ansatzes ist, die Die Auswirkungen stellen neben den Kommunen insbesondere Belange und Kompetenz der Bürger frühzeitig einzubinden und die großen ostdeutschen Wohnungsunternehmen vor große gemeinsam mit den Fachleuten Empfehlungen zur zukünftigen Herausforderungen - steigende Leerstände, Verwahrlosung und Entwicklung der Stadt zu erarbeiten, die konsensbildend sind Segregation - führen über kurz oder lang zu erheblichen und von den Bürgern mitgetragen und umgesetzt werden sol- Substanzproblemen und schließlich zur Existenzgefährdung. len. Hierzu werden, bezogen auf die genannten Entwicklungs- Hier hat sich unsere Stadt bisher sehr gut behauptet und die schwerpunkte, mittel- bis langfristige Perspektiven formuliert Bevölkerungszahl annähernd halten können. Hierzu hat neben und konkrete Einzelprojekte und Vorhaben zur Umsetzung be- der konsequenten Sanierung der Altstadt, der frühzeitigen nannt. Der hier dargestellte Entwicklungsprozess soll offen Modernisierung und dem Umbau von Teilbeständen des kom- und nachvollziehbar sein, eine klare Richtung aufweisen, aber plexen Wohnungsbaus eine, die Bestände pflegende und ent- auch in Einzelentscheidungen revidierbar sein. Dieser offene wickelnde kommunale Wirtschaftpolitik sowohl im gewerbli- Prozess soll auch künftig in der bewährten Form von Informa- chen Sektor wie bezogen auf die Kur- und Tourismuswirtschaft tionsveranstaltungen und Workshops mit den Bürgern fortge- beigetragen. Für diesen Umstrukturierungsprozess konnten führt werden. erhebliche Fördermittel vom Land und vom Bund akquiriert werden. Stadtentwicklung ist kein statischer Prozess, sondern er lebt von der Einbindung und Mitwirkung aller. Aus diesem Grund Einen ersten Schritt zur kritischen Bestandsaufnahme des lade ich Sie sehr herzlich ein, sich auch weiterhin intensiv an schon Erreichten und zur Formulierung der weiteren Entwick- der Entwicklung unserer Stadt zu beteiligen und mit Ihren lung bildete im Jahr 2002 der Bundeswettbewerb „Stadtum- Wünschen und Vorstellungen einzubringen. bau Ost - Für lebenswerte Städte und attraktives Wohnen“. Hier wurden rückblickend die Erfahrungen der ersten Jahre Herzlichst Ihr der Nachwendezeit bis zum Jahr 2002 reflektiert und zu ei- nem integrierten Stadtentwicklungskonzept weiterentwickelt. Dies wurde dann mit der Verabschiedung des Flächennutzungs- plans im Jahr 2006 auch formal festgeschrieben und legte den rechtlichen Rahmen der zukünftigen räumlichen Entwick- lung der Stadt fest. Mit der Vorlage der Fortschreibung des integrierten Stadtentwicklungskonzeptes in 2008 wird die Weiterentwick- lung der Arbeit dokumentiert. Dazu werden analog dem ISEK 2002 sektorale Entwicklungs- Bernd Beck leitbilder für die Themen Kur -Tourismus Freizeit, Handel – Bürgermeister

Vorwort 1 Impressum

Erstellt in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Heilbad Heiligenstadt

Arbeitsgruppe Stadt Büro für Stadt- und Regionalplanung Sickingenstraße 10 34117 Kassel

Tel. 0561 / 77 83 57 Fax. 0561 / 10 75 68 E-Mail: [email protected] www.arbeitsgruppe-stadt.de

Bearbeiter: Dipl.-Ing. Dieter Hennicken Dipl.-Ing. Markus Briehle Dipl.-Ing. Marco Link

Herausgeber

Stadtverwaltung Heilbad Heiligenstadt Aegidienstraße 20 37308 Heilbad Heiligenstadt

Druck Arbeitsgruppe Stadt Sickingenstraße 10 34117 Kassel

Auflage 1000 Exemplare

Stand 2008

2 Impressum Inhaltsverzeichnis

Vorwort ...... 1

Einführung ...... 5 Regionale Einbindung ...... 5 Historische Entwicklung ...... 5 Heilbad Heiligenstadt Das kulturelle, wirtschaftliche und historische Zentrum der Region ...... 7 Städtebauliche Struktur der Kernstadt ...... 8

Übergeordnete und vorangegangene Planungen ...... 9 Regionaler Raumordnungsplan (RROP) ...... 9 Überregionale Verkehrsplanung ...... 9 Flächennutzungsplan 2006 ...... 10

Bestandsaufnahme und Analyse...... 11 Bevölkerungsstruktur ...... 11 Wohnstandort Heilbad Heiligenstadt ...... 13 Ergebnisse der Wohnungsbedarfsprognose ...... 14 Finanzausstattung der Kommune; Kaufkraft ...... 15 Wirtschaft...... 16 Kur und Tourismus ...... 20 Soziale Infrastruktur ...... 23

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt ...... 25 Methodischer Aufbau des Konzeptes ...... 25 Entwicklungsprofil Kur, Tourismus, Tagung, Freizeit ...... 26 Entwicklungsschwerpunkt Leinepark ...... 28 Entwicklungsprofil Handel und Gewerbe ...... 33 Entwicklungsprofil Wohnen ...... 44 Entwicklungsschwerpunkt Auf den Liethen ...... 46 Entwicklungsschwerpunkt Auf der Rinne ...... 49 Entwicklungsprofil Altstadt ...... 54

Fazit / Ausblick ...... 61

Inhaltsverzeichnis 3 4 Einführung

Regionale Einbindung Region (Landkreis) Der Landkreis umfasst eine Gemarkungsfläche von Lage in der Region 940 km² und ist zwischen Harz, Hessischem Bergland und Das Heilbad Heiligenstadt ist Kreisstadt des Landkreises dem Thüringer Wald eingebettet. Im Landkreis leben 107.924 Eichsfeld und liegt im Nordwesten des Freistaates Thüringen Menschen (Stand 31.12.2007), die sich auf drei Städte und im Dreiländereck Hessen-Niedersachsen-Thüringen. Das Mittel- 90 Gemeinden verteilen. Die Einwohnerdichte beträgt 115 Ein- zentrum, mit seinen vier Ortsteilen, ist die geographische Mit- wohner/km² und liegt deutlich unter dem bundesdeutschen (rd. te Deutschlands unweit der Städte Göttingen, Kassel und Nord- 231 Einwohner/km²) und dem thüringischen Durchschnittswer- hausen. Die Ortsteile Flinsberg, Günterode, Kalteneber und ten (rd. 141 Einwohner/km²). Annähernd 39% der Bevölke- Rengelrode sind gewachsene Dörfer. rung des Landkreises konzentrieren sich in den drei Städten Heilbad Heiligenstadt, Leinefelde-Worbis und Dingelstädt. Heil- Durch die gute Anbindung an regionale und überregionale Ver- bad Heiligenstadt ist mit einer Einwohnerzahl von 17.032 nach kehrsnetze ist die Stadt sehr gut erreichbar. Die Bundesauto- Leinefelde-Worbis mit 20.223 Einwohnern die zweitgrößte bahn A 38 (Leipzig-Göttingen/Kassel) verläuft in Ost-West-Rich- Stadt im Landkreis. Die zentrale Lage und die gute Anbindung tung nördlich der Stadt. Eine weitere überörtliche Anbindung der Region verhinderten in der Vergangenheit eine ausgeprägt in Ost-West-Richtung besteht durch die Landesstraße L 3080, negative Gesamtentwicklung, wie sie in vergleichbaren Land- die direkt durch die Kernstadt verläuft und im Bereich der kreisen in den neuen Bundesländern zu beobachten war und Gemeinden Marth sowie an die Bundesstraße ist. Dies ist an den Indikatoren Bevölkerungsentwicklung und B 80 anschließt. Anschlüsse an wichtige Nord-Süd-Verbindun- Arbeitslosenquote ablesbar. Die Arbeitslosenquote auf gen wie die Bundesautobahn A 7 sowie die Bundesstraßen Landkreisebene liegt mit 10,9% nur 2,3% unterhalb des Jah- B 27 und B 247 befinden sich in einem Umkreis von rd. 15 – resdurchschnitts 2007 auf Landesebene, jedoch 4,5% niedri- 25 Kilometer. ger als der Durchschnitt des Arbeitsagenturbezirks Nordhausen (15,4%). Durch die Anbindung an das regionale Schienennetz bestehen Die Bevölkerungsentwicklung weist von Ende 2003 bis Ende direkte Verbindungen in Richtung Göttingen, Kassel, Halle/Saa- 2007 mit einem Rückgang von 111.455 auf 107.924 Einwoh- le und , die wichtige Haltepunkte im Fernreiseverkehr ner (ca. -3%) weiterhin einen Negativwert auf, der aber in des deutschen Bahnnetzes darstellen. etwa dem Landestrend entspricht. Die Wirtschaftsstruktur des Eichsfeldkreises wird dominiert durch den Handels- und Dienstleistungssektor, gefolgt von den Sektoren Produktion sowie im geringen Maße Land- und Forst- wirtschaft. Zum 30.06.2007 bestanden im Landkreis 4.089 Betriebe mit 30.581 sozialversicherungspflichtigen Beschäf- tigten.

Historische Entwicklung

Die Kernstadt Durch die Kolonisation der Franken wird Heiligenstadt vermut- lich im achten Jahrhundert n. Chr. gegründet. Zwischen 847 und 856 weiht der Mainzer Erzbischof Hrabanus Maurus die St. Martins Kirche. Am 23.11. 973 wird Heiligenstadt erst- mals in einer Urkunde des Kaisers Otto II. erwähnt. Durch die günstige Lage an der alten Ost-West Handelsstraße im Leinetal und nach dem Bau des Kollegiatsstiftes nimmt die Abb. 1: Regionale Einbindung Heilbad Heiligenstadt Entwicklung der Stadt einen schnellen Aufschwung.

Einführung 5 Um das Jahr 1000 erhält Heiligenstadt Marktrechte. Die Stadt- An der Geislede und dem Mühlgraben werden mehrere Mühlen rechte werden um 1227 verliehen, der erste Stadtrat wird um und die erste Papierfabrik errichtet. Parallel entsteht die Nadel- 1280 berufen. Die aufstrebende Stadt erfährt im hohen Mit- fabrik (Firma Engelmann) und das Baugewerbe fasst in der telalter ihre Blütezeit, um 1240 wird eine doppelte Stadtmau- Stadt Fuß. er fertig gestellt. 1333 werden große Teile der Stadt durch 1929 erlangte die Stadt die Anerkennung Kneipp-Kurort, 1950 einen Brand zerstört. Mit der Willkür erhält die Stadt Heiligen- wurde das Prädikat Heilbad verliehen. stadt bereits 1335 eine eigene Rechtsnorm. Um 1460 wird Tilman Riemenschneider in der Stadt geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind nur unwesentliche Kriegs- schäden zu verzeichnen. Das Obereichsfeld wird zunächst von Auf dem Eichsfeld hält sich während des Bauernkrieges Tho- den Amerikanischen Streitkräften besetzt, der Gebietstausch mas Müntzer auf und predigt in Heiligenstadt. Durch die Je- führt aber am 5.7.1945 zur Besatzung durch die Rote Armee. suiten wird ab 1575 die Gegenreformation vorangetrieben. Durch die Lage nahe der innerdeutschen Grenze verliert Heil- Kulturell profitiert die Stadt von der hervorragenden Schule bad Heiligenstadt die traditionellen Verbindungen nach Hes- der Jesuiten, die bis zum Jahre 1773 betrieben wird. 1739 sen und Südniedersachsen. Mit dem Eichsfeldplan versucht wird die Stadt durch einen Brand verwüstet, nur wenige Ge- die DDR 1959 „aus dem industriellen Notstandsgebiet kapita- bäude wie das Schloss, das alte Rathaus, die Zehntscheune, listischer Zeit“ ein modernes, sozialistisches Industrie-Agrar das Mainzer Haus und die Kirchen überstehen die Feuersbrunst. Gebiet werden zu lassen. Die Wirtschaft der Stadt wird ge- Die Kirche St. Martin, Stiftsberg und Knickhagen sind der Ur- prägt durch die Großbetriebe Kombinat Solidor, VEB Eichsfelder sprung der alten Siedlung, das Schloss wird 1738 fertig ge- Bekleidungswerke, VEB ESDA, VEB Schraubenwerk, VEB Pa- stellt. Zudem wird das neue Rathaus nach dem Brand gebaut. pierfabrik und das Baugewerbe. Aus den Siedlungsgebieten am Stiftsberg, am Heimenstein, Erst nach 1989 nimmt der Verkehr und Handel Richtung We- um den alten Markt, der heutigen Lindenallee, und der neuen sten wieder zu, Gewerbe und Industrie müssen auf eine neue Stadt mit dem Zentrum Wilhelmstraße wächst die Stadt zu- Basis gestellt werden. Die Stadt reagiert mit der Ausweisung sammen. Bald verlagerte sich das Geschäftsleben in die neue von Gewerbeflächen zur Sicherung der weiteren Entwicklung, Wilhelmstraße. gleichzeitig werden alle Bemühungen unternommen, um in den ehemals volkseigenen Betrieben Umwandlungen vorzunehmen, Mit der Auflösung der geistlichen Fürstentümer am 3.8.1802 die Betriebe in den Altstandorten zu halten und neue Gewerbe gelangt das Eichsfeld an die Krone Preußens. anzusiedeln. Mit der preußischen Herrschaft findet das ortsansässige Webereigewerbe seinen Niedergang, nach 1856 bringt die Zwischen 1991 und 1992 erfolgt die Eingemeindung der Dör- Zigarrenfabrikation einen zeitweiligen wirtschaftlichen Auf- fer Flinsberg, Günterode, Kalteneber und Rengelrode. schwung. Mit der Eröffnung der Bundesautobahn A 38 Leipzig-Göttin- Im Jahr 1867 wurde die Eisenbahnstrecke Halle/Saale – Kas- gen/Kassel Ende 2006 erhält die Stadt einen direkten sel in Betrieb genommen. Anschluss an das Fernstraßennetz.

Abb. 2: Räumliche Entwicklung der Stadt Stadtstruktur 1646, um 1800, 1960, 1970, 1994

6 Heilbad Heiligenstadt - Das kulturelle, rd. 70 Ärzten, dem Eichsfeldklinikum, Haus St. Vinzenz und wirtschaftliche und historische Zentrum der Kurparkklinik. der Region • Kulturelle Einrichtungen – Kulturhaus, Museen, Stadtbiblio- thek und Sehenswürdigkeiten in der Altstadt, Kurkonzerte Heilbad Heiligenstadt verfügt über eine Einwohnerzahl von und einem regen Vereinsleben 17.032 (31.12.2007). Die Bevölkerungsentwicklung ist sta- • Sport- und Freizeiteinrichtungen – Sportvereine, öffentliche bil. Seit Ende 1990 (17.401 Einwohner) verzeichnete diese Anlagen wie Schwimmbad, Bolzplätze, kommerzielle Einrich- nur kleinere Schwankungen (Tiefpunkt Ende 1998: 17.012) tungen wie den Vitalpark, Bowling-Center und verschie- hatte. Bereits 2001 verfügte die Stadt wieder über 17.351 dene Fitnesseinrichtungen. Einwohner. Der Ende 2007 erfasste Einwohnerstand entspricht einem faktischen Bevölkerungsrückgang von rd. 400 Einwoh- nern, also lediglich 2%. Dies bedeutet, dass sich die Stadt während des wirtschaftlichen Strukturwandels durch die Lage- gunst als Kreisstadt und Mittelzentrum ihre Position als at- traktiven Wohn- und Arbeitsstandort hat erhalten und aus- bauen können. Entsprechend der Funktion als Mittelzentrum verfügt Heilbad Heiligenstadt heute über ein vielfältiges Gewerbe- und

Einzelhandelsangebot, mit vier Gewerbegebieten , differenzier- Abb. 3: Heinrich-Heine-Kurpark ten Handelsflächen von großflächigem Einzelhandel bis zu Fach- einzelhändlern in der historischen Altstadt. Ein weiterer wirt- schaftlicher Schwerpunkt der Stadt ist der Kur- und Tourismus- betrieb. Die Kurgesellschaft konnte im Jahr 2008 insgesamt 80.129 Übernachtungen verzeichnen, was einer Auslastung von 93% entspricht. Im Kur- und Tourismuswesen werden per- spektivisch auch zentrale Entwicklungspotentiale gesehen. Ausschlaggebend für den Erfolg auf diesem Sektor ist die kon- sequente Nutzung, Sicherung und Entwicklung vorhandener Potentiale: • Die naturräumliche Lage mit landschaftlich reizvoller Umge-

bung und attraktiven, innerstädtischen Grünanlagen Abb. 4: Konzertveranstaltung im Heinrich-Heine-Kurpark • Eine hochwertig sanierte Altstadt mit zahlreichen kulturel- len Anziehungspunkten • Moderne Kureinrichtungen in altstadtnaher Lage mit attrak- tiven Grünanlagen • Differenzierte Angebote an sozialer Infrastruktur • Behörden und Einrichtungen mit dem Hauptstandort der Kreisverwaltung sowie allen Angeboten der kommunalen Verwaltung • Schulen und Bildungseinrichtungen - Heilbad Heiligenstadt verfügt im Bildungsbereich über eine hervorragende Aus- stattung und ist der zentrale Schulstandort des Land- kreises • Versorgungseinrichtungen – gutes Angebot an Kindertages- stätten sowie Pflege und Betreuung alter und behinderter Menschen mit verschiedenen Formen des betreuten Woh- nens; ergänzt durch eine gute medizinische Versorgung mit Abb. 5: Landratsamt

Einführung 7 Abb. 6: Darstellung der Flächennutzungen im Siedlungsgebiet Heilbad Heiligenstadt (Quelle: Flächennutzungsplan 2006)

Städtebauliche Struktur der Kernstadt dominieren. Nördlich dieser Wohngebiete entsteht seit Mitte 2007 das Gewerbegebiet an der A 38. Im weiteren Verlauf Die Morphologie der Stadt ist aus der Weiterentwicklung der Richtung Osten schließt der Stadtteil Auf den Liethen an. Die historischen Stadtstruktur bestimmt. Der Stadtkörper wird ge- Siedlung bildet den nördlichen Siedlungsabschluss und prägt prägt von der Anlage des Klosterberges mit der Altstadt, eini- durch die Südhanglage und die Komplexbauweise das Stadt- gen barocken Bauten sowie den drei mittelalterlichen Kirchen. bild. Östlich der „Liethen“ befinden sich das städtische Frei- Der Altstadtbereich ist umgeben von der in weiten Teilen er- bad und der Ende der 1990er Jahre errichtete Vitalpark und haltenen Stadtmauer. Seit dem 19. Jahrhundert wurde die das 2008 eröffnete Hotel sowie die Gewerbegebiete Ost I und Stadt außerhalb der Stadtmauer weiterentwickelt. Aus die- II. In Richtung Süden, entlang dem stillgelegten Gewerbegleis ser Zeit stammen einige Gründerzeitvillen südlich und südwest- und dem Naturraum Dün, sind in eher dörflichen Wohn- lich der Altstadt entlang der Iberg- und Petristraße. strukturen Ein- bis Zweifamilienhäuser, im Verlauf zu den an- schließenden Gewerbegebieten Süd I und II aber auch Mehr- Eine intensive Bautätigkeit außerhalb der Altstadt ist jedoch familienhausstrukturen im komplexen Wohnungsbau zu finden. erst seit den 1950er Jahren zu verzeichnen. Vom westlichen Ortseingang zieht sich bandartig entlang der Leineaue und der Westlich an die Gewerbegebiete Süd I und II schließt das Wohn- Bahntrasse das Gewerbegebiet West I bis hin zum Bereich des gebiet Auf der Rinne an, das hauptsächlich Anfang der 1980er ehemaligen Schlachthofes nördlich des Heinrich-Heine-Parks. Jahre in Plattenbauweise erstellt wurde. Der südliche Teil der Partiell wird dieses Band durch kleinere Flächen mit Wohn- Stadt, zwischen Iberg und historischer Altstadt bis hin zum und Mischnutzungen unterbrochen. Nordwestlich des Gewerbe- westlichen Ortseingang, ist im wesentlichen durch das Woh- bandes befinden sich verschiedene Wohnstandorte, die zum nen geprägt. Zum südlichen Ortsrand hin befinden sich zahl- Teil noch durch gründerzeitliche Bauten geprägt sind und die reiche Kleingärten. Der südwestliche Siedlungsrand wird durch neu entwickelten Wohngebiete Hohes Rott und Am Richte- die in den 1990er Jahren entstandenen Einfamilienhausgebiete berg, in denen Einfamilienhausstrukturen der Nachwendezeit bestimmt.

8 Übergeordnete und vorangegangene Planungen

Regionaler Raumordnungsplan (RROP) Verkehr: Landesentwicklungsplan 2004; S.19). Zusam- mengefasst hat ein Mittelzentrum wie Heilbad Heiligenstadt Der Regionale Raumordnungsplan Nordthüringen nimmt eine somit die Funktion, die Grundversorgung der jeweiligen Stadt strukturelle Raumeinteilung der Planungsregion gemäß des sicherzustellen, sowie auch für die umliegenden, in der Zentren- Zentrale-Orte-Systems vor, nach dem entsprechende Schwer- struktur funktional geringer eingestuften Kommunen die ge- punktsetzungen und Funktionsverteilungen vorgenommen hobenen und qualifizierten Bedarfe zu decken. werden. Heilbad Heiligenstadt ist hiernach als eines von fünf Mittelzentren der Region Nordthüringen ausgewiesen. Das Überregionale Verkehrsplanung Regionsgefüge Nordthüringen setzt sich zusammen aus den Landkreisen Eichsfeld und Nordhausen, dem Kyffhäuserkreis Im Zuge des Ausbaus der überregionalen Verkehrsinfrastruktur sowie dem Unstrut--Kreis. Die weiteren Mittelzentren zur Förderung des Zusammenwachsen der neuen und alten sind Leinefelde-Worbis (Landkreis Eichsfeld), Artern und Son- Bundesländer (Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 13), ent- dershausen (Kyffhäuserkreis) sowie (Unstrut- standen nördlich der Kernstadt und des Ortsteiles Rengelrode Hainich-Kreis). Funktional höher eingestuft sind die Städte sowie südlich des Ortsteiles Günterode zwei Teilabschnitte Mühlhausen (Unstrut-Hainich-Kreis) sowie Nordhausen (Land- der Autobahn A 38, die der Entlastung der B 80 dienen sollen. kreis Nordhausen), die als Mittelzentren über Teilfunktionen Ende 2006 wurden die beide Teilabschnitte für den Verkehr eines Oberzentrums verfügen. Oberzentren bestehen im freigegeben. Die B 80 wurde in der Folge zum 01.01.2008 Planungsraum nicht. teilweise zur Landesstraße L 3080 zurückgestuft. Die Mittelzentren „sollen über ein breites Spektrum von Ein- Etwa 1,5 km nördlich der Kernstadt besteht die Anschlussstelle richtungen mit regionaler Bedeutung sowie umfassende An- Heilbad Heiligenstadt, mit der die Stadt über die L 1005 di- gebote an Gütern und Dienstleistungen verfügen“ (vgl. Fort- rekt an das überregionale Straßenverkehrsnetz angeschlos- schreibung des RROP Nordthüringen (Entwurf Juni 2007)). sen wird. Um die Erschließung der Anschlussstelle von der „Zur Ausstattung der Mittelzentren gehören z. B. weiterfüh- L 3080 aus zu verbessern wurden westlich und östlich von rende allgemeinbildende und Berufsbildende Schulen, Einrich- Heilbad Heiligenstadt Zubringer vorgesehen. Die L 1005n (Ost- tungen der Erwachsenenbildung sowie der Kultur, öffentliche zubringer) ist bereits in Betrieb, die L 1074n (Westzubringer) Bibliotheken mit wissenschaftlichem Buchbestand, Behörden wird derzeit planerisch vorbereitet. Das Planfeststellungsver- und Gerichte der unteren Stufe, Polizeidienststellen, bedarfs- fahren soll zu Beginn 2009 eingeleitet werden. gerechte Sportstätten mit regionaler ggf. überregionaler Be- Mit der Fertigstellung der A 38 sowie des Ostzubringers ist deutung, Krankenhäuser, vielseitige Einkaufsmöglichkeiten des eine deutliche Reduzierung des Verkehrsaufkommens im Be- gehobenen Bedarfs, Filialen von Banken und Versicherungs- reich des Hauptverkehrsstraßennetzes erfolgt. Der Rückgang einrichtungen, Hotels. Darüber hinaus sollen sie in das Fern- des Durchgangsverkehrs, und hier insbesondere des Schwer- straßen- (Autobahnen, Bundesstraßen) und das Eisenbahnnetz lastverkehrs, hat gemäß des 2008 erstellten Gutachtens zur eingebunden sein.“ (vgl. Thüringer Ministerium für Bau und Luftqualität zu einer wesentlichen Reduzierung von Lärm- und

Abb. 7: Westzubringer - geplanter Trassenverlauf

Übergeordnete und vorangegangene Planungen 9 Schadstoffimmissionen geführt. Hieraus sind positive Effekte Bodennutzung gewährleisten und dazu beitragen, eine men- für das nähere, stark durch Wohnen geprägte Umfeld sowie schenwürdige Umwelt zu sichern sowie die natürlichen Le- die Gesamtstadt hinsichtlich des Status als Kurort zu erwar- bensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln (§ 1 (5) BauGB). ten. Im Flächennutzungsplan (vorbereitende Bauleitplanung) ist für Mit der geplanten Realisierung des Westzubringers wird sich das gesamte Gemeindegebiet die beabsichtigte Art der Boden- die Anbindung von südwestlich von Heilbad Heiligenstadt lie- nutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemein- genden Gemeinden an die A 38 sowie die regionalen Verkehrs- de in den Grundzügen darzustellen (§ 5 (1) BauGB) und hat beziehungen entlang der L 3080 verbessern. Auch hierdurch bindende Wirkung für die verbindliche Bauleitplanung der Ge- sind weitere Entlastungen im Bereich des Zentrums der Kern- meinde. stadt zu erwarten. Der Flächennutzungsplan baut auf das im Jahr 2002 im Rah- men des Bundeswettbewerbes Stadtumbau Ost erstellte Flächennutzungsplan 2006 Stadtentwicklungskonzept auf. Dieses definiert die Rahmen- bedingungen sowie grundsätzliche Ziele der künftigen städte- Seit dem 30.06.2006 verfügt die Stadt Heilbad Heiligenstadt baulichen Entwicklung, benennt jedoch auch konkrete Umbau- über einen rechtswirksamen Flächennutzungsplan. Der Flächen- und Entwicklungsprojekte, deren Umsetzung teils weitreichen- nutzungsplan unterliegt als formelle Planung dem rechtlichen de Änderungen bestehender Flächennutzungen auslösen, z.B. Rahmen des Baugesetzbuches (BauGB), nach dem die die Ansiedlung von Sport- und Freizeitnutzungen auf bisher Bauleitpläne (Flächennutzungs- und Bebauungspläne) den Zie- landwirtschaftlich genutzten Flächen. Ergänzend hierzu flos- len der Raumordnung anzupassen sind (§ 1 (4) BauGB); sie sen Konzepte in den Flächennutzungsplan mit ein, die nach sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung und eine Erstellung des Stadtentwicklungskonzeptes entstanden oder dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozialgerechte im Laufe des Aufstellungsverfahrens entwickelt wurden.

Abb. 8: Ausschnitt aus dem Flächennutzungsplan 2006 der Stadt Heilbad Heiligenstadt

10 Bestandsaufnahme und Analyse

Bevölkerungsstruktur ren kontinuierlich einen negativen Saldo bei den Wanderun- gen aus.Betrachtet man die Wanderungen differenziert nach Bevölkerungsentwicklung 1997 - 2006 Altersgruppen, so zeigen sich in Heilbad Heiligenstadt im Zeit- Weite Teile der neuen Bundesländer waren in den vergange- raum von 2000 - 2006 deutliche Wanderungsverluste bei der nen Jahren infolge massiver Abwanderungstendenzen starken Bevölkerungsgruppe zwischen 18 und 30 Jahren. Leicht posi- Schrumpfungsprozessen ausgesetzt. Dies gilt auch für weite tive Tendenzen bestehen in den Altersgruppen unter 18 Jahre Teile Thüringens. Auch die Bevölkerung des Landkreises sowie den 30- bis 50-jährigen, sog. „Familienwanderer“. Be- Eichsfeld schrumpft, wenngleich nicht in solch extremen Aus- sonders auffällig sind die hohen Wanderungssalden bei Perso- maßen wie andere Teile des Bundeslandes. In den vergange- nen ab 50 und besonders ab 65 Jahren, für die Heilbad Heiligen- nen zehn Jahren ging die Bevölkerungszahl des Landkreises stadt als attraktiver Wohnstandort angesehen werden kann. um rd. 6,4 % auf nunmehr 108.883 Personen zurück. Dieses Wanderungsmuster lässt auf verschiedene Gründe Die Bevölkerungszahl Heilbad Heiligenstadts blieb im gleichen schließen: Zeitraum nahezu stabil und unterlag nur leichten Schwankun- gen. Zum Ende des Jahres 2006 lebten 17.103 Personen in • Die Entfernung zu den nächsten größeren städtischen Heilbad Heiligenstadt. Agglomerationsräumen ist zu groß, so dass Heilbad Heiligen- stadt als attraktiver Suburbanisierungsraum für junge Fa- milien und Haushalte mittleren Alters nur bedingt infrage kommt. • Die negativen Wanderungssalden bei den jungen Erwachse- nen lassen sich durch Bildungswanderung in entfernte (Groß) Städte mit Ausbildungsplätzen und Universitäten erklären. • Die Attraktivität von Heilbad Heiligenstadt für ältere Perso- nenkreise kann im Zusammenhang mit dem Status der Stadt als Kurort gedeutet werden. Offenbar sind das landschaft- lich reizvolle Umfeld und die vielfältigen Angebote für Se- nioren wichtige pull-Faktoren.

Abb. 9: Bevölkerungsentwicklung von Heilbad Heiligenstadt und dem Landkreis Eichsfeld (1997-2006) Die stabile Bevölkerungsentwicklung der Stadt ist jedoch nicht auf die natürliche Bevölkerungsbewegung zurückzuführen. Über die vergangenen zehn Jahre wies die Stadt permanent einen Sterbefallüberschuss auf. Durchschnittlich standen 136 Geburten 168 Sterbefälle gegenüber. Der negative Saldo lag damit bei 32 Personen pro Jahr. Die Stabilisierung der Bevölkerung erfolgte durch einen insge- samt positiven Wanderungssaldo, mit dem die negative natür- liche Bevölkerungsentwicklung ausgeglichen werden konnte. Heilbad Heiligenstadt hatte zwischen 1997 und 2006 einen Abb. 10: Wanderungsbewegungen nach Altersklassen in Heilbad Wanderungssaldo von insgesamt +245 Personen. Der größte Heiligenstadt (2000-2006) Teil der Wanderungsgewinne entfällt dabei auf die Jahre 1999 bis 2001. In diesen Jahren erfolgte die Entwicklung der Wohn- Ein schwerwiegendes Problem in Bezug auf die Bevölkerungs- gebiete „Hohes Rott“ und „Liethen West“. entwicklung offenbart eine geschlechterspezifische Betrach- Damit hebt sich die Kreisstadt erneut deutlich vom gesamten tung der negativen Wanderungssalden der Gruppe der 18- bis Kreisgebiet ab. Der Landkreis Eichsfeld weist seit zehn Jah- 30-jährigen. Bei einem Minus von insgesamt 283 Personen im

Bestandsaufnahme und Analyse 11 Untersuchungszeitraum sind 166, also annähernd 60 % Frau- Bevölkerungsprognose en. Diese Frauen selbst fehlen dann nicht nur in den zukünfti- Die Bevölkerungsprognose basiert auf einer Fortschreibung des gen Bevölkerungszahlen, ihr Weggang führt auch dazu, dass Trends der Jahre 2000 – 2006. Nach zunächst hohen positi- ihre potentiellen Kinder nicht in der Region, sondern andern- ven Wanderungssalden in den ersten beiden Jahren gingen orts geboren werden. Dadurch fehlen nachrückende diese in den folgenden Jahren deutlich zurück. Die Wanderungs- Bevölkerungsteile und zudem erneut zukünftige (potentielle) gewinne konnten die negative natürliche Bevölkerungsentwick- Mütter in der Region. lung nicht mehr ausgleichen und die Bevölkerungszahl ging zurück. Dieser Trend wird sich mit einer stetig sich verstär- kenden Tendenz fortsetzen. Der sich selbst verstärkende Ef- fekt begründet sich in dem stetigen Rückgang der Zahl von Frauen im gebärfähigen Alter. Im Zuge von Bildungs- wanderungen verlassen gerade junge Frauen verstärkt ihre Heimat und verziehen in Regionen mit besseren Ausbildungs- und Einkommenschancen Dieser Trend zeichnet sich zwar in Heilbad Heiligenstadt nicht so deutlich ab wie in anderen ost- deutschen Regionen, dennoch ist ein Unterschied zur männli- chen Bevölkerung feststellbar.

Abb. 11:Wanderungssalden Altersgruppen und Geschlecht (2000-2006) Die Wanderungsverflechtungen des Heilbades Heiligenstadt bestehen vor allem mit dem näheren Umland. Durchschnittlich 38 % aller Fortzüge und sogar 59 % aller Zuzüge haben als Ziel oder Quelle den Landkreis Eichsfeld. Die Gemeinden - felde-Worbis sowie stellen die wesentlichen Quell- und Zielorte dar. Hier konnte Heilbad Heiligenstadt zwischen 2000

und 2006 Wanderungsgewinne von 87 sowie 142 Personen Abb. 12: InWIS-Bevölkerungsprognose Heilbad Heiligenstadt verzeichnen. Dies verdeutlicht, dass Heilbad Heiligenstadt ge- rade in der näheren Umgebung als relativ attraktiver Wohn- Infolgedessen kommen mit der Zeit in Heilbad Heiligenstadt standort gilt. immer weniger Kinder zur Welt, was dazu führt, dass für zu- Sowohl bei den Zuzügen als auch bei den Fortzügen sind grö- künftige Jahrgänge wiederum weniger potenzielle Mütter in ßere Städte von geringerer Bedeutung. Dies unterstreicht, dass Heilbad Heiligenstadt leben. Heilbad Heiligenstadt kein klassischer Zielort von Subur- Die Bevölkerungsprognose kommt zu dem Ergebnis, dass sich banisierungswanderungen ist und Verflechtungen mit größe- die Bevölkerung in Heilbad Heiligenstadt aller Wahrscheinlich- ren Städten – eingeschränkt – bei Fortzügen aus Heilbad keit nach rückläufig entwickeln wird. Bis zum Jahr 2030 wird Heiligenstadt bestehen. Dies deutet auf Bildungswanderer hin, mit einem Rückgang auf etwa 14.500 Einwohner gerechnet, die dort etwa eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren. also um etwa 15,3 %. Der Zeitraum, der als Grundlage für die Auch wenn man die Bevölkerungsentwicklung der vergange- Bevölkerungsprognose verwendet wurde, ist mit insgesamt nen Jahre als weitgehend stabil bezeichnen kann, ist ein rück- sieben Jahren von 2000 bis 2006 vergleichsweise groß, wes- läufiger Trend erkennbar. Konnte die Stadt zwischen 1999 halb für die ermittelten Durchschnittswerte eine hohe Aussa- und 2001 nochmals Zuwächse durch die Bereitstellung attrak- gekraft für längerfristige Entwicklungen ausgeht. Die Wahl tiven Baulandes verzeichnen, so ist die Bevölkerungsentwick- eines entsprechend großen Ausgangszeitraums führt auch lung seit dem rückläufig. Im Jahr 2007 ging die Einwohner- dazu, dass die Jahre mit hohen Wanderungsgewinnen zu Be- zahl Heiligenstadt nochmals um 71 Personen auf 17.032 zu- ginn des Zeitraumes nicht überrepräsentiert sind. Aus diesem rück. Zum 30.06.2008 waren laut der Meldebehörde der Stadt Grund ergibt sich diese vergleichsweise negative Bevölkerungs- insgesamt 16.686 Einwohner gemeldet. prognose als Trendfortschreibung. Im Gegenzug lässt sich hier-

12 aus jedoch ableiten, dass bei einer stetigen und bedarfsge- nungsmarkt hat diese Veränderung der durchschnittlichen rechten Ausweisung geeigneter Bauflächen der Trend hin zu Haushaltsgröße in Kombination mit der prognostizierten Be- einem positiveren Verlauf beeinflusst werden kann. völkerungsentwicklung differenziertere Auswirkungen. Zu- nächst ist infolge der Verringerung der Haushaltsgrößen mit Entwicklung der Alterstruktur einem Anstieg der Haushaltszahlen zu rechnen (trotz des gleich- Angesichts der demographischen Entwicklung, insbesondere zeitig rückläufigen Bevölkerungsstands). der sinkenden Geburtenzahlen und der steigenden Lebenser- wartung, ist eine fortschreitende Alterung der Bevölkerung feststellbar. Dies gilt für Heilbad Heiligenstadt umso mehr, als dass gerade bei den über-50-Jährigen bzw. über-65-Jährigen deutliche Zuwanderungsgewinne erkennbar sind.

Abb. 13: Veränderung der Alterszusammensetzung der Bevölkerung in Abb. 14: Entwicklung der durchschnittlichen Haushaltsgröße Heilbad Heiligenstadt Dementsprechend ist auch künftig ein Ansteigen des Anteils Erst ab etwa 2015 gehen nach dem Prognosemodell dann auch der Personengruppen ab 50 Jahren zu erwarten, deren Anteil die Haushaltszahlen stetig zurück, bis sie zwischen 2025 und an der Gesamtbevölkerung der Stadt von 38,1 % in 2006 auf 2030 das heutige Niveau unterschreiten. 55,9 % im Jahr 2030 steigen wird. Dieser Anstieg verläuft vor allem auf Kosten der unter 18-jährigen sowie der Perso- Wohnstandort Heilbad Heiligenstadt nen zwischen 30 und 50 Jahren. Der Anteil der Personen zwi- schen 18 und 30 Jahren stabilisiert sich auf niedrigerem Ni- Im Vergleich zu anderen Gemeinden bzw. Städten im Land- veau als heute. kreis Eichsfeld bzw. in Thüringen gilt Heilbad Heiligenstadt als ausgesprochen attraktiver Wohnstandort. Insbesondere im Entwicklung der Haushalte Vergleich zum ländlichen Umfeld zeichnet sich die Stadt durch Bereits seit Jahrzehnten geht die durchschnittliche Haushalts- die vorhandene Kreisstadt-Infrastruktur (Handel, Kultur, Bil- größe in Deutschland (sowohl in West- wie auch in Ostdeutsch- dung, Verwaltung) positiv aus. Hinzu kommt, dass das Bau- land) deutlich zurück, was mit vielfältigen gesellschaftlichen land in Heiligenstadt – gemessen an den benachbarten Regio- und demographischen Wandlungsprozessen, wie Überalterung nen in Niedersachsen und Hessen – relativ günstig ist. Ein der Bevölkerung, Wandel von Familienformen und weiterer Aspekt ist, dass die Eichsfelder insgesamt sehr bo- Singularisierung zusammenhängt. Der Trend zu kleineren Haus- denständig sind und ihre Heimat eher ungern verlassen bzw. halten ist auch im Landkreis Eichsfeld und in Heilbad Heiligen- nach dem Ende der Berufstätigkeit wieder zurückkehren. Ein stadt sichtbar. Indiz hierfür sind positiven Wanderungszahlen in den Alters- Während im Jahr 2000 noch von 6.631 Haushalten in Heilbad gruppen ab 50 Jahren und insbesondere über 65 Jahren. Heiligenstadt ausgegangen wurde, bestanden 2006 bereits 7.404 Haushalte. Dies entspricht einer durchschnittlichen Wohnungsbestand Haushaltsgröße von 2,31 Personen. Eine Umkehr dieses Ent- Der Wohnungsbestand in Heilbad Heiligenstadt ist zwischen wicklungstrends ist nicht zu erwarten, da mit einem Wandel den Jahren 1997 und 2000 (jeweils 31.12.) von 7.286 auf der gesellschaftlichen und demographischen Rahmenbedingun- 7.708 Wohneinheiten angestiegen. Dies entspricht einem An- gen nicht zu rechnen ist. stieg von fast 6%. Der wesentliche Faktor dieses enormem In Heilbad Heiligenstadt wird sich demnach die durchschnittli- Zuwachses ist das Jahr 1999, in dem letztmalig, durch die che Haushaltsgröße bis 2030 der 2,0 annähern. Für die Zahl Ausweisung der Baugebiete Richteberg und Hohes Rott, in der zu erwartenden Haushalte als Bedarfseinheiten am Woh- großem Maße Baubedarfe, 239 Wohneinheiten in Häusern mit

Bestandsaufnahme und Analyse 13 ein oder zwei Wohneinheiten, gedeckt werden konnten. Ab • Nachholbedarf: der Bedarfsstau, der sich bereits zu Beginn dem Jahr 2000 ging die Bautätigkeit, auch im Vergleich zu der Prognose (im Ausgangsjahr) aus der Gegenüberstellung den Jahren vor 1999, stark zurück auf etwa 30 Einheiten pro von verfügbaren Wohnungen und vorhandenen Bedarfsträ- Jahr. Ende 2006 belief sich der Wohnungsbestand auf 8.038 gern zusammensetzt. Bei einem negativen Nachholbedarf Einheiten. kann von einem Wohnungsüberhang ausgegangen werden. • Neubedarf: die Menge an Wohnungen, die sich aus der Zu- Annähernd 30 % des Wohnungsbestandes sind in den Groß- nahme der Haushalte mit Wohnungsbedarf im Prognose- wohngebieten Auf den Liethen sowie Auf der Rinne zu finden. zeitraum ergibt. Angesichts eines zu Beginn des Prognose- Den Großteil der hier bestehenden rd. 2.280 Wohnungen- zeitraums bestehenden Wohnungsüberhangs ist es möglich, befinden sich im Eigentum der beiden örtlichen Wohnungsunter- dass ein negativer Neubedarf ausgewiesen wird. nehmen Kommunale Wohnungsgesellschaft Obereichsfeld mbH • Ersatzbedarf, Erneuerungsbedarf: der Bedarf an Wohnun- und Wohnungsgenossenschaft Heiligenstadt eG. gen, der sich als Ersatz für durch Abriss, Zusammenlegung oder Umwidmung abgängige Wohnungen ergibt. Zwischen 2002 und 2007 wurden im Gebiet „Auf den Liethen“ insgesamt 130 Wohneinheiten zurückgebaut. Dies erfolgte Aufgrund des vorhandenen Leerstandes besteht derzeit ein vorwiegend durch Komplettrückbau von nicht mehr im wirt- Überhang an Wohnungen bei einem nur gering ausgeprägten schaftlichen Rahmen zu sanierenden Gebäuden. Ersatzbedarf sowie entsprechend negativem Neu- sowie Nach- holbedarf. Infolge der steigenden Notwendigkeit der Ersetzung Wohnungsleerstand vorhandener Wohnungen durch Neubauten und im Zusammen- Zur Erstellung des Stadtentwicklungskonzeptes im Jahr 2002 hang mit einem zunächst ebenfalls steigenden Neubedarf durch lagen noch keine Leerstandserhebungen vor. Im Rahmen der steigende Haushaltszahlen ergibt sich besonders für den Zeit- seinerzeit erstellten Bevölkerungs- und Wohnungsbedarfs- raum zwischen 2010 und 2020 insgesamt ein vergleichswei- prognose wurde eine rechnerische Ermittlung des Wohnungs- se hoher Wohnungsbedarf. Mit den dann aber deutlich rück- leerstands / Wohnungsüberhangs vorgenommen. Auf Basis des läufigen Haushaltszahlen und dem infolgedessen ebenfalls zu- Wohnungsbestandes des Jahres 2000 wurde ein Leerstand rück gehenden Neubedarf geht der Gesamtbedarf an neuen von rd. 880 Einheiten ermittelt. Wohnungen gegen Ende des Prognosezeitraums auf einen leicht Für das Jahr 2006 wurden 310 leerstehende Wohneinheiten negativen Wert zurück. in den Gebieten Altstadt (30 Einheiten), Auf den Liethen (166 Einheiten) und Auf der Rinne (114 Einheiten) erhoben. Für das übrige Stadtgebiet ist von etwa 164 Leerständen auszuge- hen, woraus sich ein Leerstand von 474 Einheiten für das Gebiet der Gesamtstadt ergibt. Hiervon abzuziehen ist jedoch eine Fluktuationsreserve von ca. 3 % des Gesamtwohnungs- bestandes. Diese Fluktuationsreserve gewährt die Funktiona- lität des Wohnungsmarktes und umfasst umzugs-, umbau- oder modernisierungsbedingt leerstehende Wohnungen. Dies zeigt, dass trotz der Erhöhung des Wohnungsbestandes eine Reduzierung des Leerstandes erfolgt ist. Abb. 15: Wohnungsbedarfsprognose aufgrund der Bevölkerungsprognose

Ergebnisse der Es kann angenommen werden, dass gegen 2030 etwa eine Wohnungsbedarfsprognose bedarfsdeckende Verfügbarkeit von Wohnungen erreicht ist.

Der zukünftige Wohnungsbedarf ist abhängig vom derzeitigen Angesichts des Wandels der Wohnungsnachfrage kommt es quantitativen und qualitativen Wohnungsbestand, der Be- dazu, dass trotz rückläufiger oder stagnierender Bevölkerungs- völkerungs- und Haushaltszahlen sowie deren künftiger Ent- entwicklung ein Neubaubedarf entsteht. Dies kann auch gel- wicklung. Hieraus ergibt sich ein Gesamt-Wohnungsbedarf, der ten, wenn zunehmend Leerstände auf dem lokalen Wohnungs- sich aus mehreren Komponenten zusammensetzt: markt feststellbar sind – angesichts des Wandels der Ansprü-

14 che an Wohnraum und einem damit zusammenhängenden Wan- Stadt eine Schlüsselzuweisung von insgesamt ca. 5,1 Mio. del in der Wohnungsnachfrage werden zukünftig immer mehr Euro. Auf Grund der Folgen der Unternehmenssteuerreform bestehende Wohnungen kaum noch vermarktbar sein. Sie er- ab dem Jahre 2008, wurde der Ansatz der Gewerbesteuer ab füllen nicht die (gestiegenen) Ansprüche an Wohnraum. dem Folgejahr 2008 daher generell um 200.000 • auf 3,4 Mio. Euro zurückgenommen. Der Anteil der Gemeinde an der Ein- kommens- u. Umsatzsteuer entwickelte sich allerdings mit ca. 2,7 Mio. Euro im Jahre 2007 sehr positiv.

Die Stadt Heilbad Heiligenstadt lag im Jahr 2007 somit um etwa 10,93 % über der durchschnittlichen Steuerkraft- messzahl des Landes Thüringen. Die Planungen bis 2012 sind auf Grund der Änderungen o.g. gesetzlicher Rahmenbedingun- gen und eventueller konjunktureller Abschwächungen nicht mehr sicher vorauszuplanen. Hier bleibt die Entwicklung in den Jahren 2008 u. 2009 abzuwarten. Abb. 16: Prognose des zukünftigen Nachfragepotentials nach neuem und gebrauchtem Wohneigentum bis 2020 (inkl. Zuwanderung) Schuldenstand Die Nachfrage nach Bestandswohnungen sowie die Nachfra- Zu Beginn der Neunziger Jahre wurde eine größere Anzahl an ge nach Neubauwohnungen entwickeln sich in den kommen- Investitions-Krediten insbesondere in die Entwicklung der In- den Jahren kontinuierlich rückläufig. Es ist davon auszuge- frastruktur bis zu einem Gesamtvolumen von ca. 27 Mio. Euro hen, dass etwa zwei Drittel der Nachfrage nach Neubauwoh- aufgenommen. Seit dem Jahre 2000 bereits wird die Verschul- nungen auf den individuellen Wohnungsbau entfallen wird. Die dung kontinuierlich zurückgeführt. Betrug die Pro-Kopf-Ver- Nachfrage nach Neubauwohnungen im Geschosswohnungsbau schuldung im Jahr 1999 noch 1.587 Euro, so wurde im Jahr nähert sich bereits in den nächsten Jahren einstelligen Wer- 2002 noch 1.518 Euro und am 31.12.2007 nur noch 1.217 ten. Die prognostizierte Entwicklung knüpft dabei an die in Euro pro Kopf der Bevölkerung ausgewiesen. Zum 31.12.2008 den vergangenen Jahren realisierten Fertigstellungswerte an. wird die Gesamtverschulung nur noch ca. 20,8 Mio. Euro be- Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Ausweisung grö- tragen, im Jahre 2009 erstmals unter 20 Mio. Euro sinken ßerer Baugebiete zu steigender Zuwanderung aus Nachbarge- und im Jahre 2012 noch bei ca. 16 Mio. Euro liegen. Damit meinden und damit kurzfristig auch zu einer höhere Nachfrage liegt Heilbad Heiligenstadt derzeit noch über den Werten auf nach Wohnungen führen kann. Entsprechende Spitzen wür- Landes- und Kreisebene. Da diese jedoch seit Jahren weitge- den sich jedoch in den folgenden Jahren durch eine deutlich hend gleichbleibende oder durch Investitionstätigkeit leicht stei- niedrigere Nachfrage nach Neubauwohnungen ausgleichen. gende Werte aufweisen, nähert sich ihnen die Pro-Kopf-Ver- schuldung der Stadt stetig an.

Finanzausstattung der Kommune; Für die Investitionstätigkeit wird stets versucht, die beste- Kaufkraft henden Fördermöglichkeiten auszuschöpfen. Im Jahr 2007 wurden annähernd 1,46 Mio. Euro an Zuschüs- Finanzausstattung der Kommune sen für Investitionen im Haushalt vereinnahmt. Der Haushalt der Stadt Heilbad Heiligenstadt entwickelt sich im Wesentlichen kontinuierlich. Arbeitslosigkeit Die hohe Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern ist in Steuereinnahmen den vergangenen Jahren als schwerwiegendes Problem wahr- Im Jahr 2007 nahm die Stadt rd. 1,3 Mio. Euro Grund- und ca. genommen worden und sorgte z.B. für verstärkte Abwan- 3,4 Mio. Euro Gewerbesteuer, somit ca. 200.000 Euro weni- derungstendenzen aus einigen Regionen. Insbesondere Räu- ger als im Vorjahr, ein. Dies entspricht pro Kopf einer Einnah- me mit geringer Bevölkerungsdichte außerhalb der städtischen me von ca. 275 Euro. Unter Berücksichtigung der Steuer- Agglomerationen waren in den vergangenen Jahren von einer kraftmesszahl je Einwohner aus dem Jahr 2006 erhielt die anhaltenden Strukturschwäche geprägt.

Bestandsaufnahme und Analyse 15 Dies gilt im Speziellen für das Gebiet beiderseits der ehemali- Wirtschaft gen innerdeutschen Grenze. Entwicklung Die Wirtschaftsstruktur Heiligenstadts war bis 1989 geprägt durch zahlreiche Großbetriebe des produzierenden Gewerbes (z.B. Kombinat Solidor, VEB Bekleidungswerk, VEB Papierwa- ren), die insgesamt ca. 7.500 Mitarbeiter beschäftigten. Hin- zu kamen noch die Einrichtungen des Einzelhandels von Kon- sum und HO (Handelsorganisation).

Ein Großteil der Betriebe fiel nach der politischen Wende dem wirtschaftlichen Strukturwandel zum Opfer. Ähnlich wie in anderen ostdeutschen Kommunen, versuchte die Kommunal-

Abb. 17: Nordhausen (2003-2006: Jahresmittelwerte; Monatswerte 07) verwaltung, zusammen mit der Treuhandgesellschaft, durch Umorganisation den Betrieb einiger Unternehmen weiterzu- Im Oktober 2007 sank die Arbeitslosenquote im Landkreis führen. Der Reißverschlusshersteller Solidor wurde im Zuge Eichsfeld auf 9,6%. Dieser Wert ist zwar nur bedingt mit den dieser Maßnahme in vier unabhängige Gewerbebetriebe ge- vorherigen Jahresdurchschnittswerten vergleichbar, jedoch splittet. Dadurch konnte ein Teil der Mitarbeiter weiter- weisen die Oktoberwerte der Vorjahre mit 11,1% (2006) und beschäftigt werden. 12,9% (2005) deutlich höhere Werte auf. Hieraus ist eine ent- sprechend positive Entwicklungstendenz ableitbar. Zudem reagierte die Stadtverwaltung auf die negative Wirt- schaftsentwicklung mit dem Kauf von Bauland und Auswei- Kaufkraftindex sung von Gewerbegebieten, um Voraussetzungen für die Neu- Der Kaufkraftindex pro Einwohner lag laut der Gesellschaft ansiedlung von Gewerbebetrieben zu schaffen. Ein Ziel der für Konsumforschung (GfK) im Jahr 2006 bei 85,1 (100 ent- Gewerbeentwicklung Heiligenstadts war und ist, störendes spricht dem Bundesdurchschnitt), zahlreiche umliegende Ge- Gewerbe aus dem Innenstadtbereich in die Gewerbegebiete meinden (insbesondere in östlicher Richtung) erreichen im Ver- an die Ortsränder zu verlagern, um Handel und Kurwesen Platz gleich nicht einmal einen Wert von 80. Überdurchschnittliche zu schaffen und die Attraktivität des Stadtzentrums zu erhö- Werte werden in der näheren Umgebung lediglich in den Uni- hen. Mit dieser Strategie ist es der Stadt gelungen die wirt- versitätsstädten Göttingen und Kassel erreicht. In der direk- schaftliche Entwicklung in positive Bahnen zu lenken, was ten Umgebung des Heilbades Heiligenstadt reicht lediglich die maßgeblich zum Erhalt und zum Ausbau des Arbeitsmarkt- Gemeinde Bernterode mit einem Index von 93,1 fast an den standortes Heiligenstadt beigetragen hat. Bundesschnitt heran. Dies verdeutlicht, dass besonders das ländlich geprägte nördliche Thüringen trotz einiger positiver Gewerbegebiete Entwicklungen und Investitionen in Infrastrukturen nach wie Die Stadt Heilbad Heiligenstadt verfügt über vier größere Ge- vor hinter prosperierenden – und wachsenden – Regionen zu- werbe- und Industriegebiete, wobei sich das Gewerbegebiet rückbleibt. an der A 38 erst seit Mitte 2007 in der baulichen Entwicklung befindet. Trotz des unausbleiblichen Strukturwandels Anfang der 1990er Jahre erlebte der Handel, das Handwerk und das Gewerbe einen dynamischen Aufschwung. Dieses spiegelt sich in den zahlreichen Neuansiedlungen von Betrieben und den beachtlichen Erweiterungen bestehender Betriebe wieder. Ein gesunder Mix aus produzierendem Ge- werbe, Dienstleistungen, Groß- und Einzelhandel kennzeich- nen den Standort Heilbad Heiligenstadt. Dabei sind der Ma- schinen- und Anlagenbau sowie die Automobilzulieferindustrie führend.

16 Gewerbegebiete West I und II Die Gewerbegebiete West I und II bestanden ebenfalls schon zu Zeiten der DDR. In dem 15,3 ha großen Gebiet bestehen heute drei Großbetriebe des produzierenden Gewerbes (Schwerpunkt Automobilzulieferindustrie).

Abb. 18: Flächengrößen der Gewerbegebiete in Heilbad Heiligenstadt

Gewerbegebiet Süd I und II Die Gewerbegebiete Süd I und II sind sog. Altstandorte, die seit der Wende 1989 einem stetigen Umwandlungsprozess un- terworfen sind. Die Aufgabe früherer Betriebsstätten hat teils vergleichbare Folgenutzungen oder aber gänzlich neue Nutzun- gen nach sich gezogen. So haben sich hier neben Gewerbe- und Handwerksbetrieben vor allem großflächige und regional Abb. 20: Luftbild Gewerbegebiet West I und II bedeutsame Handelseinrichtungen wie ein Baumarkt, Auto- handel sowie entsprechende Dienstleistungs- und Service- Die Netto nutzbaren 10,2 ha sind somit voll belegt. In westli- betriebe angesiedelt. Die Gewerbegebiete verfügen über eine cher Richtung stellt der Flächennutzungsplan eine kleine Gesamtfläche von 31,2 ha, wovon 25,4 ha netto nutzbar sind. Erweiterungsfläche dar, die dem dort angrenzenden Betrieb Diese Flächen sind im wesentlichen belegt. dienen soll. Diese wurde bereits in Anspruch genommen und der Betrieb benötigt eine weitere Fläche zur betrieblichen Er- weiterung. Die hierfür notwendigen Bauleitplanverfahren be- finden sich derzeit in Aufstellung.

Gewerbegebiete Ost I und II Die Entwicklung der Gewerbegebiete Ost I und II begann im Jahr 1994. Die beiden Gebiete weisen eine Bruttogesamtfläche von 59 ha auf, wovon jedoch im Wesentlichen topographie- bedingt nur 31,9 ha Netto zu erschließen sind. Rund 27 ha sind derzeit mit vorwiegend Produktions-, aber auch Dienstleistungs- und Handwerksbetrieben belegt. Somit be- stehen hier noch Flächenpotentiale von rd. 4,9 ha, die nach Einschätzung der Stadtverwaltung jedoch kurzfristig (in etwa ein bis zwei Jahren) aufgebraucht sein werden, da es bereits konkrete Interessenten gibt. Im südwestlichen Bereich des Gebietes befindet sich ein Umspannwerk, von dem ausgehend Hochspannungsfreileitungen (110 kv) verlaufen. Diese behin- dern die Erschließung weiterer Flächenpotentiale, die den an- liegenden Betrieben als Erweiterungsreserven dienen könnten. Die Stadt steht diesbezüglich mit dem Leitungsträger in Kon- takt.

Abb. 19: Luftbild Gewerbegebiet Süd I und II Gewerbegebiet an der A 38 Flächenpotentiale entstehen somit lediglich bei der Aufgabe Das 55,2 ha große Gewerbegebiet an der A 38 befindet sich von Liegenschaften. Das Gebiet soll weiterhin dem klassischen seit Mitte 2007 in der Entwicklung. Mit Herstellung der ge- und weniger störenden Gewerbe vorbehalten bleiben und es samten öffentlichen Erschließungsinfrastruktur werden Netto- soll die Möglichkeit zur Ansiedlung von großflächigen Handels- flächen von 42 ha kurzfristig erschlossen und stehen für eine einrichtungen gegeben werden. Vermarktung zur Verfügung. Gut 9 ha der Gewerbeflächen sind

Bestandsaufnahme und Analyse 17 bereits belegt, von weiteren Firmen bestehen konkrete An- siedlungsinteressen. Einen ersten großen Ansiedlungserfolg konnte die Stadt im Oktober 2008 verzeichnen. Ein international agierender Verpackungsmittelhersteller wird hier investieren und sich auf rd. 5,3 ha Fläche ansiedeln.

Abb. 22: Betriebe und Verkaufsflächen des Einzelhandels in Heilbad Heiligenstadt Die prägnantesten Einzelhandelsstandorte sind der Bereich Dingelstädter Straße sowie die Altstadt, in denen sich jeweils rd. ein Drittel der Gesamtverkaufsfläche befinden. Der Rest entfällt auf andere Lagen, woran die o.g. Nahversorgungsan- lagen sowie das Fachmarktzentrum Sperberwiese großen An- teil haben. Der Anteil von 32 % der Gesamtverkaufsfläche in der Altstadtlage ist für ostdeutsche Verhältnisse ein sehr ho- her Wert, der üblicherweise bei etwa 15-20 % liegt. Eine eher Abb. 21: Gewerbegebiet an der A38 untergeordnete Rolle spielt der Verkaufsflächenanteil von Einzelhandel1 Nahversorgungsanlagen (ca. 14 %), der jedoch durch das am Die Stadt Heilbad Heiligenstadt verfügt entsprechend ihrer nordwestlich Rand der Altstadt liegende Fachmarktzentrum Funktion als Mittelzentrum über eine ausgeprägte Einzel- Sperberwiese ergänzt wird. Der Großteil der Einzelhandels- handelsstruktur. In der Kernstadt befinden sich 176 Einzel- flächen in der Altstadt befindet sich in der Hauptgeschäfts- handelsbetriebe mit einer Verkaufsfläche von ca. 48.530 m². lage Wilhelmstraße, Marktplatz und Schöllbach. Nach einer In den Ortsteilen befindet sich lediglich in Günterode eine klei- Erhebung der Stadtverwaltung Heilbad Heiligenstadt im März ne Nahversorgungseinrichtung von ca. 100 m². 2008 waren in der Wilhelmstraße insgesamt 16 Leerstände mit einer Flächengröße von etwa 1.300 m² der Gesamt- Einzelhandelsstandorte und Sortimentsverteilung verkaufsfläche von rd. 16.000 m² vorzufinden. Dies entspricht Die Einzelhandelsbetriebe sind in den folgenden Standortlagen einer Quote von gut 8 %. konzentriert: Altstadt mit der Hauptgeschäftslage Wilhelmstraße, Markt- Verkaufsflächendichte platz und Schöllbach; Nahversorgungsanlage Holzweg mit Heilbad Heiligenstadt verfügt in der Summe über eine über- Norma sowie mehreren kleinflächigen Einzelhandelsbetrieben; durchschnittliche Verkaufsflächendichte, die bei 2.838 m² je Nahversorgungsanlage Dingelstädter Straße / Brückenweg mit Aldi, Lidl und Plus sowie weiteren kleinflächigen Anbietern; Nahversorgungsanlage Auf den Liethen (Grünwaldstraße) mit Edeka; Nahversorgungsanlage Brüsseler Straße mit Tegut und Aldi;Fachmarktzentrum Sperberwiese mit Rewe, Deichmann, Rossmann sowie mehreren kleinflächigen Anbietern. Ein weiterer prägender Standort befindet sich in der Dingel- städter Straße im Gewerbegebiet Süd I. Hier haben sich, in autokundenorientierter Lage, großflächige Einzelhandelsein- richtungen im wesentlichen der Segmente Möbel, Einrichten und Baumarkt etabliert.

1 Quelle: Einzelhandelsgutachten „Stormpassage“ Heilbad Heiligenstadt - Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA), Erfurt 2008 Abb. 23: Angebotsdichte in Heilbad Heiligenstadt

18 1.000 Einwohner liegt. Als Vergleichsbasis wird die GMA- örtlichen Angebotes nicht zwingend zu einer Steigerung der Kennziffer angeführt, die einen Durchschnittswert von 48 Städ- Kaufkraftbindung, sondern eher zu Umverteilungseffekten füh- ten zwischen 15.001 und 20.000 Einwohnern von 1.659 m² ren wird. je 1.000 Einwohner benennt. In bestimmten Warengruppen werden bis zu doppelte Werte der Vergleichstädte erreicht (z.B. Bekleidung / Schuhe / Sport und Elektrowaren).

Flächenproduktivität Als Flächenproduktivität wird der durchschnittliche Jahres- umsatz je m² Verkaufsfläche bezeichnet. Für den Einzelhandel der Stadt Heilbad Heiligenstadt ermittelte das GMA-Gutach- ten auf Basis einer qualifizierten Schätzung eine jährliche Umsatzleistung von 113,7 Mio. Euro, die eine Flächen- produktivität von 2.340 Euro ergibt. Anhand eines kommuna- Abb. 25: Kaufkraftbindungsquote im kommunalen Vergleich len Vergleiches wird deutlich, dass der örtliche Einzelhandel eine relativ niedrige Flächenproduktivität aufweist. Dies ist Stärken und Schwächen des Einzelhandelsstandortes auf die vergleichsweise hohe Verkaufsflächendichte zurück- Heilbad Heiligenstadt zuführen, da der Umsatz im Verhältnis zu anderen Kommunen Zusammenfassend kommt das GMA-Gutachten zu dem Ergeb- mit vergleichbarer Einwohnerzahl recht hoch ist. nis, dass Heilbad Heiligenstadt seine Versorgungsfunktion als Mittelzentrum gegenüber der Stadt sowie dem überwiegend ländlich strukturierten Umland erfüllt. Die Stadt verfügt über ein breites Einzelhandelsangebot in nahezu allen Sortimentsbereichen, großflächige Betriebe mit überörtlicher Wirkung - Magnete - ( Standort Dingelstädter Stra- ße mit großflächigen Einzelhandelseinrichtungen der Segmen- te Möbel, Einrichten und Baumarkt), ausreichende Kaufkraft im Einzugsgebiet und eine relativ große Entfernung zu nächst- gelegenen Orten mit höherer zentralörtlicher Funktion. (Ober-

Abb. 24: Umsatz und Flächenproduktivität im kommunalen Vergleich zentrum Göttingen sowie Mühlhausen, Mittelzentrum mit Teil- funktionen eines Oberzentrums) Kaufkraft, Kaufkraftbindung Die Kaufkraft der 17.032 (31.12.2007) Einwohner der Stadt Hervorzuheben ist die hohe Bedeutung der Altstadt als Heilbad Heiligenstadt beträgt rd. 79,2 Mio. Euro. In der Stadt Einzelhandelsstandort mit einem hohen Anteil an der Gesamt- kommen jedoch auch die Kaufkraft anderer Personenkreise, verkaufsfläche der Stadt. Hier befindet sich ein breites Handels- vorwiegend Bevölkerung aus den umliegenden Teilen des Land- angebot mit einem hohen Anteil an Fachgeschäftsstrukturen. kreises sowie Touristen, zum tragen. Diese verfügen über ein überwiegend modernes und zeitgemä- Insgesamt geht das GMA-Gutachten davon aus, dass etwa ßes Warenangebot sowie Ladendesign. Negativ fällt hier auf, 46-47% der jährlichen Umsatzleistung von 113,7 Mio. Euro dass es keinen großflächigen Magnetbetrieb in der Haupt- durch auswärtige Kunden getätigt werden, also rd. 53,5 Mio. geschäftsstraße gibt. Euro. Mit Einwohnern der Stadt Heilbad Heiligenstadt erzielt der örtliche Einzelhandel etwa 61,2 Mio. Euro. Im Verhältnis Als negativ auf gesamtstädtischer Ebene ist zu beurteilen, dass zur o.g. Kaufkraft von 79,2 Mio. Euro können somit 77 % der branchenbezogene Angebotslücken bestehen, die zu Kaufkraft- bestehenden Kaufkraft in der Stadt gebunden werden, 23 % abflüssen führen. Z.B. großflächiger Sportfachmarkt, der Kaufkraft fließen ab. großflächiger Elektromarkt, SB-Warenhaus. Allerdings er- schwert die bereits hohe Wettbewerbsdichte und das insge- Die Kaufkraftbindungsquote Heiligenstadts ist im kommuna- samt gegrenzte Kaufkraftpotential im Einzugsgebiet die Eta- len Vergleich als sehr positiv zu beurteilen. Hieraus ist jedoch blierung neuer Strukturen, die auch eine stärkere Ausstrah- auch die Schlussfolgerung zu ziehen, das eine Ausweitung des lung in ein erweitertes Umland ermöglichen würden.

Bestandsaufnahme und Analyse 19 Pendlerverflechtungen Kur und Tourismus Im Stadtentwicklungskonzept 2002 wurde eine sehr ausführ- liche Erhebung der Pendlerverflechtungen vorgenommen, die Heilbad Heiligenstadt weist ein hohes touristisches Potential hier nicht in dieser Detailgenauigkeit fortgeschrieben wird. Das auf und gehört heute zu den drei führenden Kur- und Tourismus- 2002 dargestellte Ergebnis beruhte auf einem Vergleich der orten in Thüringen.1 Der Kur- und Tourismussektor ist we- Zahlen der Jahre 1995 und 2000, in denen jeweils die Zahl sentlicher Bestandteil der Wirtschaftsstruktur in Heilbad der Einpendler deutlich höher als die Zahl der Auspendler lag Heiligenstadt. Dies zeigt sich an der Anzahl der Beschäftigten (1995: 3.475 zu 2.716; 2000: 4.175 zu 2.985). Die Stadt in diesem Sektor sowie den das Stadtbild prägenden Kurein- konnte somit also jeweils einen positiven Pendlersaldo auf- richtungen. In den Einrichtungen der Klinikgesellschaft sind weisen. 130 Personen beschäftigt. Am Standort Vital-Park haben 32 Personen im Vital-Park und 36 Personen im Hotel einen Ar- Als Hauptquellgebiete (Einpendler) galten in diesen Jahren der beitsplatz. Somit bestehen allein hier 200 direkte Beschäfti- Landkreis Eichsfeld (ohne Heilbad Heiligenstadt) mit einem gungsverhältnisse. Anteil von gut 85% und der Unstrut-Hainich-Kreis sowie die 1 vgl. Vergleichende Qualitätbewertung (VQB) von Heilbädern und Stadt Göttingen mit Anteilen von etwa 2 % bis 3 %. Kurorten aus (gesundheits-) touristischer Sicht; Europäisches Tourismus Hauptzielgebiete (Auspendler) waren der Landkreis Eichsfeld Institut an der Universität Trier GmbH, November 2007 (ohne Heilbad Heiligenstadt) mit einem Anteil von gut 39% und die Stadt Göttingen mit etwa 28 %. Weitere Ziele waren u.a. die Stadt Kassel, der Unstrut-Hainich-Kreis, die Stadt Er- furt sowie der Werra-Meißner-Kreis mit Anteilen zwischen etwa 2,0 % und 7,5 %.

Die Zahlen der Stadt Heilbad Heiligenstadt für das Jahr 2004 wiesen ebenfalls wieder eine, wenn auch weniger positive Pendlerbilanz auf, da die Zahl der Einpendler gesunken ist, wäh- rend die Zahl der Auspendler gestiegen ist. Somit standen „nur noch“ 4.056 Einpendler 3.215 Auspendlern gegenüber. Dar- aus folgt, dass sich die zahlenmäßige Differenz zwischen den Pendlergruppen zwischen 2000 und 2004 von 1.190 auf 841 reduziert hat. Die Gesamtzahl der Pendler ist zwischen 2000 Abb. 26: Hotel am Vital-Park und 2004 auf 7.271 gestiegen. Anzahl der Gäste und Übernachtungen1 Die Hauptquell- und –zielgebiete der Pendler dürften sich im Wesentlicher Bestandteil des Kur- und Tourismuswesens ist Wesentlichen nicht verändert haben. Konkrete Zahlen für die der Klinikbereich, der mit 80.129 Übernachtungen im Jahr Stadt Heilbad Heiligenstadt liegen zwar nicht vor, jedoch be- 2008 (Quote von 93%) sehr gut ausgelastet ist. Neben dem stätigen die Zahlen für den Landkreis Eichsfeld mit Stand vom stationären Kurbereich hat sich in den letzten Jahren auch 30.06.2007 (vgl. Broschüre des Landkreises Eichsfeld – Zah- der Gesundheitsurlaub, also Hotelurlaub mit Nutzung der örtli- len, Fakten, Übersichten, 2008) diese Vermutung. chen Kureinrichtungen, etabliert. Dies hat sich positiv auf die Als Hauptquellorte der Einpendler werden hier der Unstrut- Auslastung der örtlichen Beherbergungsbetriebe ausgewirkt. Hainich-Kreis, der Landkreis Nordhausen sowie die Stadt Göt- Die Übernachtungszahlen auf gesamtstädtischer Ebene stie- tingen benannt. gen zwischen 1994 und 2002 um gut 100% auf über 116.000. Als Hauptziele der Pendler aus dem Landkreis heraus werden Die Beliebtheit der Stadt führte zu Engpässen bei den die Stadt Göttingen, der Unstrut-Hainich-Kreis sowie der Wer- Übernachtungsangeboten. In den Folgejahren gingen die ra-Meißner-Kreis angeführt. Übernachtungszahlen bis auf 110.783 im Jahr 2005 zurück. Im Jahr 2006 erfolgte wieder ein leichter Anstieg auf 111.292 Übernachtungen bei insgesamt ca. 16.463 Gästen. Die durch- schnittliche Aufenthaltsdauer pro Gast betrug also 6,8 Tage.

20 Der Anteil Heilbad Heiligenstadts an den Übernachtungszahlen Kureinrichtungen des Landkreises im Jahr 2006 betrug rund 44,0%, da die Den Kurgästen stehen diverse Einrichtungen innerhalb der Orts- Verweildauer auf Landkreisebene im Durchschnitt nur 3,7 Tage lage zur Verfügung. Die Haupteinrichtungen konzentrieren sich betrug. Für das Jahr 2008 konnte die Stadt 125.353 Über- im Umfeld des 9ha großen Kurparks (mit Wasserspielen, Kur- nachtungen bei insgesamt 22.997 Gästen verzeichnen. Die promenade und Musikpavillon) und entlang der Leineaue. Hier Anzahl der erfassbaren Tagestouristen, welche die Tourist- findet man neben der Fachklinik für Orthopädie und Innere Information aufsuchten, lag 2006 bei etwa 7.000 bis 9.000 Medizin (Kurparkklinik ca. 230 Betten) auch den seit 1998 Gästen. Die Gesamtzahl der Tagesgäste wird auf etwa 35.000 amtlich anerkannten Solebrunnen. Weiter östlich, entlang der geschätzt. Leine, präsentiert sich der Ende der 1990er Jahre errichtete Neben dem stationären Kurbereich hat sich, wie oben bereits Vitalpark, der ein vielfältiges Angebot im Bereich Therapie und erwähnt, der Tourismus in Form des Gesundheitsurlaubs eta- Freizeit bereithält. In diesem Gebäudekomplex, unmittelbar am bliert. Die Nachfrage in diesem Segment ist entsprechend ge- Heiligenstädter Freibad, sind neben der Eichsfeld-Therme auch stiegen. Dies führte zu einer guten Auslastung der örtlichen eine Bowlingbahn sowie ein Restaurant integriert. Der Stand- Beherbergungseinrichtungen. Die Klinikgesellschaft kooperiert ort wurde mit dem im August 2008 eröffneten Hotel Am Vital- diesbezüglich mit einigen ortsansässigen Hotels, deren Kapa- park arrondiert. zitäten allerdings nicht immer ausreichten. Insbesondere die Unterbringung größerer Reisegruppen (50 Personen und mehr) in der Stadt gestaltete sich in der Vergangenheit schwierig. Mit der Eröffnung des über 260 Betten verfügenden Hotel Am Vitalpark im August 2008 wurde dieses Angebotsdefizit be- hoben.

1 Quelle: Touristinfo Heilbad Heiligenstadt, www.tls.thueringen.de

Angebote und Leistungen im Kursektor1 Die vor Ort angebotenen klassischen Kuren beziehen sich auf folgende gesundheitliche Beschwerden: Erkrankungen und Unfallfolgen am Stütz- und Bewegungsapparat; Herz- und Kreis- Abb. 27: Vital-Park lauferkrankungen; Atemwegserkrankungen; Hauterkrankung- Im übrigen Stadtgebiet befinden sich noch weitere, dem Kur- en; Stoffwechselerkrankungen; Psychosomatische Störungen; wesen zugeordnete Standorte. Dazu zählen das im nördlichen Ernährungsstörungen / Milieuschäden / Erschöpfungszustän- Stadtgebiet (Wohngebiet Auf den Liethen) gelegene Kinder- de bei Kindern. 60-70% der durchgeführten Behandlungen be- therapiezentrum Haus Sonnenschein, das Therapiezentrum am ziehen sich auf die Erkrankungen und Unfallfolgen am Stütz- Rande des Kurparks und die Kurverwaltung südlich der Alt- und Bewegungsapparat und ca. 30% auf die innere Medizin. stadt in der Nähe des Eichsfelder Kulturhauses. Das Hotel und Restaurant Am Jüdenhof (ca. 40 Betten) bietet zudem Über- Neben diesen von den Krankenkassen finanzierten Kuren wird nachtungen mit Kurmöglichkeiten an, und ist dementsprechend das Angebot ergänzt durch privat finanzierte Pauschalange- ebenfalls als kurspezifische Einrichtung zu qualifizieren. bote, wie: Gesundheitspauschalen (z.B. Abschied vom Stress, Das Kreuz mit dem Kreuz, usw.); Ambulante Badekuren; Beherbergungsgewerbe Urlaubspauschalen; Stationäre Kuren auf Selbstzahlerbasis. Insgesamt stehen in Heiligenstadt rd. 1024 Betten zur Unter- Je nach vorliegenden gesundheitlichen Beschwerden bzw. nach bringung von Gästen zur Verfügung. Davon 422 Betten in 6 Wahl des Gastes können folgende Leistungen in Anspruch ge- Hotels mit einer Bettenanzahl zwischen 16 und 260, die sich nommen werden: ärztliche Betreuung; Gymnastik; Massagen; zentral im Stadtgebiet sowie am Vitalpark befinden. 606 Bet- Entspannungsbehandlungen; Sauna, Solarium; Physiotherapeu- ten bietet die Kurgesellschaft, davon 260 im Hotel Am Vital- tische Behandlungen z.B. Ergo-, Thermo- oder Elektrothera- park. 20 Betten stehen in einem Gasthof, der ebenfalls zen- pie; Bewegungs-, Sporttherapie und Krankengymnastik. tral liegt, sowie 24 Betten in zwei Pensionen zu Verfügung. Zusätzlich werden 112 Betten von insgesamt 32 Privat- 1 Quelle : http://www.klinikgesellschaft-heilbad-heiligenstadt.de/ Oktober 2007 vermietern angeboten.

Bestandsaufnahme und Analyse 21 Schließlich stellen noch drei kirchliche Gästehäuser Fehlen eines attraktiven Filmtheaters/Kinos innerhalb des Übernachtungsangebote bereit. Stadtgebietes.

Gastronomie / Freizeit / Kultur Ausflugsziele / Sehenswürdigkeiten Das gastronomische Angebot in Heiligenstadt ist, insbesonde- Neben der fast vollständig sanierten, sehr gut erhaltenen und re in der Innenstadt, quantitativ reichhaltig. Eine weitere Dif- sehenswerten historischen Altstadt, mit ihren zahlreichen Fach- ferenzierung im Angebot der Restaurants, vor allem im geho- werkhäusern, Sakralbauten, der Stadtmauer, dem Schloss, benen Bereich, könnte zur Attraktivitätssteigerung der Stadt dem Eichsfelder Heimatmuseum und dem Theodor-Storm- beitragen. Museum, sind es vor allem die Kureinrichtungen, die eine hohe Anziehungskraft auf die Besucher ausüben und das Angebot Das kulturelle Angebot ist insbesondere in den Frühlings- und abrunden. Sommermonaten sehr vielfältig. Die ganzjährig stattfindenden Aufführungen im Kulturhaus sowie die Veranstaltungen im Al- ten Rathaus und Ausstellungen im Theodor-Storm-Museum werden ergänzt durch zahlreiche Konzerte und Stadtfeste in Heiligenstadt und der Umgebung. Zu nennen sind hier das Fest der Möhrenkönige und die Burgkonzerte auf der Burg Hanstein, insbesondere aber die Konzerte im Barockgarten und im Hein- rich-Heine-Kurpark, die zu mittlerweile teils überregional be- deutsamen Events gewachsen sind.

Abb. 29: Literaturmuseum mit Rosengarten

Mit dem Heinrich-Heine-Kurpark verfügt die Stadt über eine großzügige und attraktive innerstädtische Grünfläche, die so- wohl den Gästen als auch der einheimischen Bevölkerung als beliebte Erholungsfläche dient.

Die landschaftlich reizvolle Umgebung, insbesondere südlich der Ortslage, wird über verschiedene Rad- und Wanderwege erschlossen und lädt die Besucher zur Erkundung ein. Durch Abb. 28: Barockgarten die bewegte Topographie ergeben sich zahlreiche interessan- Die Stadt verfügt über ein gutes Sport- und Freizeitangebot. te Aussichtspunkte, die dem Besucher vielfältige Blicke auf In den vergangenen Jahren hat man durch den Aufbau des Stadt und Landschaft eröffnen. Darüber hinaus findet man Sportpark Stelzenberg das Angebot an Sporteinrichtungen zahlreiche Anlaufpunkte, wie die Ibergwarte, den Kurfürsten- erhöhen können. Hier stehen u.a. ein Fußball-, Volleyball- und stein, die Aussichtspunkte Elisabethenhöhe und Maienwand ein Bogenschießplatz sowie eine Hundesportanlage zur Verfü- oder die Friedenseiche, die über verschiedene Wanderwege gung. Berücksichtigt man die Funktion der Stadt als Mittel- gut erreichbar sind. Mit dem Iberghaus, dem Erholungspark und Tourismuszentrum in der Region, könnte sich das Ange- Neun Brunnen und der Gaststätte im ehemaligen Forsthaus bot durchaus noch ausgewogener gestalten, insbesondere befinden sich drei gastronomische Einrichtungen im Heiligen- Angebote wie Badminton, Squash oder Tennis sind nur unzu- städter Stadtwald, die zum Teil ein gehobenes Angebot bereit reichend vorhanden. Ebenfalls als Defizit zu bezeichnen ist das halten. Das Wegenetz im Heiligenstädter Stadtwald ist auch

22 Bestandteil sog. Stations-/Pilgerwege; im Stadtwald sowie Bestandteil des Wandertourismus ist auch der Pilgerweg dem näheren Umfeld befinden sich einige Waldkapellen. Loccum-Volkenroda. Der etwa 300 km lange Pilgerweg führt vom Kloster Loccum, nordwestlich von Hannover, zum Klo- Betrachtet man das weitere Umfeld Heiligenstadts, zeigen sich ster Volkenroda bei Mühlhausen in Thüringen. Dabei führt der weitere Anziehungspunkte, wie beispielsweise der Heiligen- Weg auch durch die Heiligenstädter Altstadt, wo sich mit der städter Ortsteil Flinsberg, in dem der geographische Mittel- St.-Martins-Kirche ein Stationspunkt des Pilgerweges befin- punkt Deutschlands liegt, die Burg Hanstein, der Bärenpark det. Worbis, die Burg Scharfenstein, das Grenzmuseum in Asbach- Sickenberg und die Stockmacher-Manufaktur in Neben den beschriebenen Schwerpunkten des Fremdenver- sowie zahlreiche Wallfahrtskirchen und das Harzvorland. kehrs stehen noch weitere Angebote zur Verfügung, die sich alle unter den Begriff Aktivurlaub fassen lassen. Darin enthal- Arten des Tourismus ten ist auch der Radtourismus, der, nach den vorgenommen Ein weiterer Schwerpunkt neben dem Kur- und Gesundheits- Verbesserungen im Radwegenetz in und um Heiligenstadt, of- tourismus ist der Wandertourismus. Die Stadt verfügt dem- fensiv vermarktet werden muss. entsprechend über ein gut ausgebautes und vielfältiges Sehr positiv ist die Betreuung, der Service und die bauliche Wanderwegenetz. Dieses ist aufgeteilt in die Bereiche „Kur- Gestaltung für geistig und körperlich behinderte Menschen in und Wanderwege – um das Heilbad Heiligenstadt“, was sich der Stadt, die ausgesprochen gute Bedingungen vorfinden. So auf die nähere Umgebung insbesondere den Heiligenstädter ist nicht nur ein Großteil der Stadt baulich barrierefrei gestal- Stadtwald bezieht und die Rundwanderwege im weiteren tet (abgesenkte Bordsteine usw.), sondern es gibt unter ande- Umfeld der Ortslage („Rundwanderwege entlang der Leine und rem spezielle Tourismus-Prospekte für Behinderte, zum Teil Geislede“ und „Rundwanderwege im Naturpark und bis zum sind Wanderwege für Rollstuhlfahrer nutzbar, das Gastgeber- Rusteberg“). verzeichnis weist behindertenfreundliche Unterkünfte speziell aus und es wird ein Betreuungsservice angeboten. Das Wanderwegenetz innerhalb des Stadtgebietes mit dem Heiligenstädter Stadtwald besteht insgesamt aus 10 Wander- Soziale Infrastruktur wegen mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad, Wege- führung und Zeitaufwand. Außerdem ist aus den Markierun- Die Funktion Heilbad Heiligenstadts als Kreisstadt des Land- gen und den dazugehörigen Erläuterungen zu erkennen, ob die kreises Eichsfeld hat zur Folge, dass sich neben den ortsübli- Routen für Rollstuhlfahrer geeignet sind und welchen körper- chen Einrichtungen der kommunalen Verwaltung zahlreiche lichen Anstrengungen sich der Nutzer aussetzen wird. Landkreisbehörden im Stadtgebiet befinden. Heilbad Heiligen- stadt ist Hauptstandort der Landkreisverwaltung, darüber hin- aus sind lediglich in Leinefelde-Worbis noch Verwaltungs- einheiten zu finden. Die landkreiseigenen Einrichtungen sind auf 5 Standorte im Stadtgebiet verteilt. Einen Großteil der Ämter findet der Bürger in zentraler Lage nahe bzw. innerhalb der Altstadt. Ähnlich wie im Bereich Handel und Dienstleistung fungiert Heilbad Heiligenstadt auch im Bildungsbereich als zentraler Versorgungsstandort für den Landkreis. Das Angebot an staat- lichen Bildungseinrichtungen wird ergänzt durch kirchliche In- stitutionen. Neben den 3 Grundschulen und 3 Regelschulen sowie den 2 Gymnasien, die insgesamt auf fünf Standorte im Stadtgebiet verteilt sind, befinden sich in Heiligenstadt auch zahlreiche Berufsbildungs-, Fortbildungs- und Sonderbil- dungseinrichtungen (z.B. der Hauptsitz der Kreisvolks- hochschule, das Berufsbildungszentrum für Heilberufe sowie Abb. 30: St.-Marien-Kirche die Katholische Fachschule für Sozialpädagogik).

Bestandsaufnahme und Analyse 23 Die medizinische Versorgung der Bevölkerung wird durch ins- gesamt ca. 70 Ärzte aus den unterschiedlichsten Bereichen sowie dem zentralen Kreiskrankenhaus St. Vincenz (Eichsfeldklinikum) und der Kurparkklinik mit angegliederter Fachklinik für Orthopädie und Innere Medizin gesichert. Wei- terhin befindet sich eine Tagesklinik für Psychiatrie und Psy- chotherapie der ökumenischen Hainich-Klinikums gGmbH Mühl- hausen in Heiligenstadt.

Abb. 31: Kurparkklinik

Der Bedarf an Kinderbetreuung wird durch 6 Kindertagesstät- ten, von denen sich eine in kommunaler Trägerschaft befin- det, gedeckt. Für die Betreuung älterer und behinderter Men- schen bestehen verschiedene Angebote, insbesondere der ka- tholischen und evangelischen Kirchen. Neben 3 Senioren- und Pflegeheimen kann die Bevölkerung außerdem auf ca. acht weitere soziale und gemeinnützige Einrichtungen zurückgrei- fen. Darunter zwei Pflegeeinrichtungen für Behinderte sowie Jugendeinrichtungen und Seniorenzentren.

Abb. 32: Kuranwendung Wassergymnastik

24 Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt

Methodischer Aufbau des Konzeptes Bei negativen Auswirkungen besteht die Möglichkeit eine Ab- wägung vorzunehmen, die eine Entscheidung über die Zurück- Ziel des Stadtentwicklungskonzeptes ist es, die unterschiedli- stellung entsprechender Belange, die Nichtdurchführung einer chen Anforderungen von Nutzungsbereichen wie z.B. Wohnen, Entwicklung oder auch eine konsensfähige Weiterentwicklung Arbeiten, Versorgung, Freizeit etc., die an die Stadt Heilbad ermöglicht. Mit dieser Vorgehensweise können die unterschied- Heiligenstadt gestellt werden, sowie die hierfür zur Verfügung lichen Belange in Zusammenhang gestellt und so ein stadt- stehenden und künftig benötigen Ressourcen zu ermitteln und übergreifendes, integratives Gesamtentwicklungskonzept for- konzeptionelle Wege zur Erfüllung dieser Anforderungen und muliert werden. Die nachfolgend dargestellte Perspektive zur Erschließung entsprechender Ressourcen aufzuzeigen. Die o.g. Gesamtentwicklung greift diesen Ansatz auf und benennt die unterschiedlichen Nutzungsbereiche stehen in funktionaler wesentlichen stadtentwicklungspolitischen Zielsetzungen. Abhängigkeit zueinander. Es ist notwendig, diese Verknüpfun- Diese sind aus den daran anschließenden drei Entwicklungs- gen möglichst weitreichend zu ermitteln, um die Auswirkun- profilen gen, positiv und/oder negativ, einer bestimmten Entwicklung in einem Nutzungsbereich auf einen anderen beurteilen zu kön- - Entwicklungsprofil Kur, Tourismus, Tagung, Freizeit, nen. Positive Auswirkungen können gegebenenfalls genutzt - Entwicklungsprofil Handel und Gewerbe sowie und Synergieeffekte erzeugt werden. - Entwicklungsprofil Wohnen

Abb. 33: Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 25 abgeleitet, die die Säulen der Gesamtkonzeption bilden. In den Das betrifft sowohl die mit dem Kur- und Tourismuswesen Entwicklungsprofilen werden zunächst allgemeine aber auch direkt und mittelbar verknüpften Arbeitsplätze im Dienstlei- schon differenzierte Zielsetzungen und ggf. deren Vernetzung stungssektor, wie auch das Image der Stadt als Wohn- und zu den anderen Entwicklungsprofilen benannt. Wesentliche Arbeitsstandort. Maßnahmen zum Erreichen der Zielsetzungen eines Ent- wicklungsprofils sind als Entwicklungsschwerpunkte hervor- Qualifizierung der Sektoren gehoben. In diesen sind Maßnahmen - die für die Entwicklung Aus der Analyse ergeben sich folgende Eckpunkte für eine besonders bedeutsamer Einzelstandorte oder für mehrere Qualifizierung der Sektoren Kur, Tourismus, Tagung und Frei- Einzelstandorte innerhalb eines in räumlich-/funktionalem Zu- zeit: sammenhang stehenden Gebietes - formuliert. Flankiert wer- den diese Entwicklungsschwerpunkte jeweils durch klein- • Zentraler Aspekt zukünftiger Kurplanung ist die langfristi- teiligere Entwicklungsflächen / Einzelprojekte. Die Bedeutung ge Sicherung der Prädikatisierung als Heilbad. und Wirkung auf andere Entwicklungsprofile oder deren • Gezielter Ausbau der touristischen Wirtschaftszweige ba- Maßnahmenvorschläge wird auch hier herausgearbeitet. sierend auf der vorhandenen Qualität und Auslastung der Einrichtungen. Im Gegensatz zum Stadtentwicklungskonzept 2002 findet der • Die vorhandenen Verknüpfungen von Urlaub und Kureinrich- Bereich der Altstadt in der 1. Fortschreibung besondere Be- tungen in der Angebotspalette sind gezielt zu sichern, zu rücksichtigung. Die Entwicklung der Altstadt ist einer der qualifizieren und bedarfsgerecht auszubauen. Kurzurlaube wesentlichen Motoren in der Integration der Bereiche Kur, in Form von Erholungs-, Wellness- und Fitnesswochenenden Tourismus, Handel sowie Wohnen und Handel. Im Prozess der sowie Aktivurlaube haben sich in den vergangenen Jahren Fortschreibung sowie dem durchgeführten Workshop zur Stadt- etabliert und werden vermutlich ihre Marktanteile steigern. entwicklung am 11.06.2008 in der Stadthalle Heilbad Heiligen- • Die landschaftlich reizvolle Umgebung muss positiv funktio- stadt wurde die Notwendigkeit der Erstellung detailliierterer nalisiert und in Wert gesetzt werden. Planungsperspektiven formuliert. In der Altstadt konzentrie- • Das Wander- und Radwegesystem muss weiter ausgebaut ren sich wichtige Funktionen wie Wohnen, Arbeiten, Versor- werden, um mit dem Wander- und Radtourismus neue gung, Freizeit sowie öffentliche Freiräume. Diese Nutzungen Fremdenverkehrspotentiale zu erschließen. sind hier in kleinteiligeren Strukturen und einem engen räumli- • Das Angebot an Unterkünften und ortstypischer Gastrono- chen Geflecht sowie funktionaler Vernetzung vorzufinden. mie für den Individualtourismus muss um höherwertige An- gebote ergänzt werden. Der Bereich der Altstadt wird deshalb, auch wenn er Teil der • Die vorhandenen Angebote der unterschiedlichen Bereiche anderen Entwicklungsprofile ist, in einem eigenständigen müssen miteinander verknüpft werden. Ausbau der Entwicklungsprofil bearbeitet. Wie auf Ebene der Gesamtstadt Pauschaltourismusangebote mit entsprechenden Angebots- werden auch für die Altstadt Entwicklungsschwerpunkte ge- schwerpunkten für Sport, Freizeit und Wellness. setzt und Einzelmaßnahmen benannt. • Die Ausweitung und Qualifizierung des Kurtourismus muss einhergehen mit dem Ausbau des Heilbads Heiligenstadt zu Entwicklungsprofil Kur, Tourismus, einem Tagungs- und Kongressstandort. In Verbindung mit dem Kur- und Klinikbereich können entsprechende Synergie- Tagung, Freizeit effekte erzielt werden, z.B. in Form von medizinischen Fort- bildungen und Kongressen. Die Sektoren Kur, Tourismus, Tagung und Freizeit sind we- • Die großen Einrichtungen der Kirchen in Heiligenstadt sind sentliche Impulsgeber der Entwicklung der Stadt Heilbad in die Überlegungen zum Tagungs- und Kongressbetrieb ein- Heiligenstadt. Diese gilt es nachhaltig zu sichern und bedarfs- zubeziehen. orientiert weiter zu entwickeln. Die Entwicklung dieser Berei- che ist entsprechend eng in die Entwicklungsplanung auf Image der Stadt gesamtstädtischer Ebene einzubinden. Von der Kur- und Zur Erschließung neuer Potentiale im Tourismus und Freizeit- Tourismusbranche werden auch zukünftig wesentliche Impul- bereich ist eine aktive Vermarktung des Standortes erforder- se zur ökonomischen Entwicklung der Stadt und zur Stabili- lich. Die Stadt muss mit neuen Angeboten werben und in ge- sierung der Bevölkerungsentwicklung erwartet. wissem Rahmen einen Imagewandel vollziehen.

26 Abb. 34: Entwicklungsprofil Kur, Tourismus, Tagung, Freizeit Mit dem Bild eines klassischen Kurortes werden meist, ver- gen und hat sich mit einem breiten Angebotsspektrum ent- mutlich nicht ganz vorurteilsfrei, Begriffe wie Ruhe, verschla- sprechend neue Märkte erschließen können. Dies muss auch fenes Nest, nur für Alte o.ä. verbunden. Untersuchungen zum adäquat an potentielle Kunden herangetragen werden. Das Nachfrageverhalten von Menschen im Alter zwischen 50 und klassische Kurwesen darf dabei jedoch nicht in den Hinter- 70 z.B. zeigen, dass diese sehr bewegungsaktiv sind und so- grund gedrängt werden. Der Erhalt des formalen Kurstatus wohl kulturelle, historische wie auch naturbezogene Angebo- stellt aus Imagegründen sowie entsprechenden Förder- te bevorzugen. zuwendungen einen wichtigen Beitrag für die Stadtentwick- Hinzu kommen gesellschaftliche Grundorientierungen auf Fra- lung dar und ist nach wie vor eine tragende Säule der Stadt- gen der Ökologie und der Nachhaltigkeit eigenen Handelns. ökonomie. Die Altersgruppe verfügt darüber hinaus auch über ausreichen- de Mittel ihre Nachfrage umzusetzen. In den hier nur kurz an- Altstadt gesprochenen Bereichen hat Heilbad Heiligenstadt einiges an- Die Altstadt mit ihren unterschiedlichen kulturellen Angebo- zubieten. ten, Freiräumen, Einkaufsmöglichkeiten, gastronomischen Ein- Die Beliebtheit und Bekanntheit der Stadt Heilbad Heiligen- richtungen etc. ist als wichtiger Bestandteil des Kur- und stadt ist sicherlich auf die zahlreichen Angebote und Touri- Tourismuswesens zu betrachten. Sie ist Anziehungspunkt für sten einer diesem Bild entsprechenden Klientel, auch aus der Tagestouristen und Besucher aus dem Umland ebenso wie Historie des Kurortes heraus, zu betrachten. Jedoch hat die für länger verweilende Touristen. Die Qualität dieser Angebo- Stadt in den vergangenen Jahren bereits einen Wandel vollzo- te beeinflusst somit nicht nur die Wertigkeit Heiligenstadts

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 27 und des Umlandes als Wohnstandort, für den die Altstadt we- Entwicklungsschwerpunkt Leinepark sentliche Versorgungsfunktion übernimmt, sondern ist in er- heblichem Maße auch für das Image als Tourismusstandort Die Grün- und Freiräume einer Stadt sind ein wichtiger Bau- prägend. Gleichzeitig kann der Handel von den Touristen in stein im Konzept einer an hoher Lebens- und Erlebnisqualität vielfacher Hinsicht profitieren. orientierten Stadtentwicklung, die sowohl auf die Bürger wie auch die Besucher ausgerichtet ist. Mit der Thematisierung Angebote für die Bürger der Stadt der Leineaue, die den zentralen Grün- und Freiraum im Stadt- Die mit den Sektoren Kur, Tourismus, Tagung und Freizeit di- gefüge Heiligenstadts darstellt, wird dieser Aspekt im rekt und mittelbar verknüpften Arbeitsplätze im Dienstlei- Stadtentwicklungskonzept aufgegriffen. stungssektor bilden neben Handel und Gewerbe das wichtig- Mit dem Ausbau bestehender und der Ansiedlung ergänzender ste Standbein des Beschäftigungsmarktes der Stadt. Nutzungen sowie deren räumlicher und funktionaler Verknüp- fung im parkartigen Charakter der Leineaue sollen die Sekto- Die Weiterentwicklung birgt somit enormes Potential die Stadt ren Kur, Tourismus, Tagung und Freizeit nachhaltig gestärkt als Arbeitsstandort und damit auch als Wohnstandort nach- und weiterentwickelt werden. haltig zu sichern und Abwanderungstendenzen entgegen zu wirken, wie es der Stadt seit 1989 bereits sehr gut gelungen ist. Dennoch dürfen sich die Angebote nicht nur auf die Anfor- derungen der Touristen konzentrieren, sondern müssen auch den Bedürfnissen der Bürger genügen und eine entsprechende Zugänglichkeit gewähren. So gibt es viele kommerzielle wie auch nicht kommerzielle Angebote, die Touristen wie Bewoh- nern gleichermaßen zu Verfügung stehen. Beispielsweise das Rad- und Wanderwegenetz, kulturelle Einrichtungen und der Vitalpark.

Weiteres Vorgehen Im und angrenzend an den Landschaftsraum der Leineaue be- finden sich insbesondere im nordöstlichen Teilbereich wesent-

liche Angebote und Einrichtungen der Sektoren Kur, Touris- Abb. 35: Heinrich-Heine-Kurpark mus, Tagung und Freizeit. Dies sind u.a. die Kurparkklinik, der Kurpark, das Sportstadion Gesundbrunnen und der Vitalpark Lage und Funktion im Stadtgefüge mit der Eichsfeldtherme und dem Hotel am Vitalpark. Sie bil- Die Leine mit ihren prägenden, gehölzbestandenen Ufer- den gute Anknüpfungspunkte um mit ergänzenden Maßnah- bereichen gliedert als raumbildendes „Grünes Band“ den men eine Stärkung und einen Ausbau dieses Funktionsraumes Siedlungsraum der Stadt und verbindet ihn mit dem umgeben- zu einem Sport- und Freizeitpark zu initiieren. den Landschaftsraum. Die historische Altstadt hat sich süd- lich der Leine, oberhalb der Überschwemmungsbereiche, ent- Die genannten Infrastruktureinrichtungen bilden den zentra- wickelt. Nachfolgend ist die Bebauung über die Altstadtgrenzen len städtebaulichen Entwicklungsschwerpunkt des Entwick- bis an die Ufer der Leine gewachsen. Der Heinrich-Heine-Kur- lungsprofils Kur, Tourismus, Tagung und Freizeit, der nachfol- park, das Gelände des Gesundbrunnens (Sportanlage) und die gend erläutert wird. Flankiert und ergänzt wird dieses Maß- nordöstlich angrenzenden Flächen sind als großzügige Freiräu- nahmenpaket durch die anschließend dargestellten Einzelpro- me im Auenbereich der Leine erhalten geblieben oder haben jekte. sich als freiraumbezogene Nutzungen entwickelt. Im Heinrich- Heine-Kurpark befindet sich die Heiligenstädter Solequelle, deren Wasser für die Kuranwendung eingesetzt wird und die den Status Heilbad der Stadt begründet. Die baulichen Nutzungen im Stadtgebiet haben den natürli- chen Verlauf der Leine beeinträchtigt. Der Leineflusslauf wur-

28 Querungsmöglichkeiten der Leine. Gleichzeitig stellen diese jedoch auch Hindernisse für die begleitende Wegeführung dar, sodass eine durchgängige, barrierefreie Verbindung entlang des Leineflusslaufes nicht gegeben ist. Die wichtigsten Querver- bindungen stellen die Anbindungen an die innerstädtischen Hauptstraßen Bahnhofstraße, Göttinger Straße/Richteberg und Leineberg sowie die Straße Felgentor dar, die eine Anbindung an den Altstadtkern ermöglicht. Durch die weitgehend unun- terbrochene Struktur des Flusslaufes, und des hohen Anteils an begleitenden Ufergehölzen, hat er eine große stadt- klimatische und ökologische Bedeutung.

Perspektive Leineaue Die Leineaue ist das Rückgrat des Grün- und Freiraumsystems der Stadt und verbindet den Siedlungskörper mit der umgebe- nen Landschaft. Ihre Bedeutung erfährt sie vor allem aus der Abb. 36: Luftbild im Bereich der Leineaue hohen Qualität als breit nutzbarer öffentlicher Freiraum. Durch de in Abschnitten (Bahnhofstraße, Schlachthofstraße) begra- die zentrale innerstädtische Lage, die Einbettung zahlreicher digt und befestigt, um zusätzliche Flächen für Bebauung und Kureinrichtungen innerhalb des Grünzuges und dem Anschluss Infrastruktur zu gewinnen. Durch begleitende Wege- an die Altstadt sowie das Wohngebiet Auf den Liethen, ist verbindungen mit unterschiedlichen Qualitäten, die auch Be- insbesondere der östliche Bereich der Leineaue im Stadtge- standteil des Leineradfernweges sind, wird der Fluss in das biet von hoher Bedeutung für die künftige Stadtentwicklung. Stadtgefüge eingegliedert. Zahlreiche Brückenbauwerke Die Qualifizierung der Leinaue zielt somit nicht nur auf die Ver- mit Straßen- oder Fuß-/Radwegführung gewähren die besserung der Freiraumqualität, sondern vor allem auch auf

Abb. 37: Entwicklungsschwerpunkt Leinepark

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 29 die nutzungsbezogene Aufwertung des gesamten Stadtraums ches ermöglichen würden. Damit kann eine Stärkung der funk- und den damit verbundenen funktionalen Synergieeffekten. Das tionalen, verkehrlichen und optischen Verknüpfung zwischen betrifft sowohl die Qualität des Wohnumfeldes und die öffent- den Bereichen Heinrich-Heine-Kurpark und Leinepark erreicht lichen Freiräume in der Altstadt, wie auch die Stützung der werden. vorhandenen Kur- und Tourismuseinrichtungen. Mit der Be- nennung von Einzelmaßnahmen werden zentrale, über den Grün- raum verknüpfte Orte bestimmt, an denen stadtökonomisch und funktional notwendige Ergänzungsbedarfe für die Sekto- ren Kur, Tourismus, Tagung und Freizeit verträglich und inte- griert realisiert werden können. Ergänzt durch die Stärkung bestehender sowie die Entwicklung zusätzlicher Grünraum- und Wegebeziehungen soll die Leineaue zu einer Parkanlage mit hoher Attraktivität und bedeutendem Freizeit- und Erholungs- wert entwickelt werden.

Maßnahmen Entwicklungsschwerpunkt Leinepark Abb. 38: derzeitige Querungssituation am Knotenpunkt Kurpark / Stadion Mit der stärkeren Verknüpfung der beiden Bereiche werden Sportanlage Gesundbrunnen bisherige Barrieren aufgelöst und eine räumlich und verkehrlich Die Sportanlage Gesundbrunnen besteht aus dem östlich an attraktivere Wegeverbindung geschaffen. Der Heinrich-Heine- den Heinrich-Heine-Kurpark angrenzenden Großspielfeld für Kurpark öffnet sich somit stärker in Richtung östlicher Leine- Fußball mit Anlagen für Leichtathletik, dem Vereinsheim so- aue, wodurch vor allem Besucher mit weniger Ortskenntnis wie dem durch den Bahndamm abgetrennten Jahnsportplatz, (Tagestouristen) in bisher weniger frequentierte Bereiche „wei- der vorwiegend als Trainings- und wetterbedingter Ausweich- tergeleitet“ werden können. Wenngleich mit der Straße Leine- platz fungiert. Die Anzahl und Art (Größe und Belag) der Spiel- berg hier weiterhin eine optische Barriere verbleibt. felder soll entsprechend eines vielfältigeren Angebotes der Neben der Sportanlage Gesundbrunnen werden im Wesentli- Sportvereine erweitert werden. chen jedoch die für das Kur- und Tourismuswesen bedeutsam- sten Standorte Altstadt, Kurparkklinik und Heinrich-Heine- Zur Erhöhung der Flächenpotentiale und einer besseren Wahr- Kurpark sowie der Vitalpark von dieser verbesserten Verknüp- nehmbarkeit des Gesamtstandortes Gesundbrunnen, soll der fung profitieren. Bahndamm, der bisher den Anschluss des stillgelegten Güter- bahnhof Ost an die Haupttrasse sicherstellt, zurückgebaut und Vitalpark und Hotel damit eine offenere, großzügigere und übersichtlichere Fläche Der in den Jahren 1999/2000 errichtete Vitalpark befindet geschaffen werden. Auf den hier entstehenden Flächen kön- sich unmittelbar nordöstlich der Sportanlage Gesundbrunnen. nen verschiedene Varianten bezüglich Anzahl und Größe von Der verkehrlich sehr gut erschlossene Standort verfügt über Spielfeldern realisiert werden. Das Sport- und Freizeitangebot zahlreiche Einrichtungen und Angebote, z.B. das Thermalbad an diesem Standort kann ausgebaut und modernisiert wer- Eichsfeld-Theme mit Saunalandschaft, Angebote aus dem den. Bereich Beauty/Wellness/Fitness, ambulantes Rehabilitations- zentrum, Bowling, Restaurant, Kongress- und Tagungsräume Mit der Erweiterung und intensiveren Nutzung des Geländes etc. Der Vitalpark ist eine Kerneinrichtung der Sektoren Kur, soll zugleich die verkehrliche Anbindung verbessert werden. Tourismus, Tagung und Freizeit. Dies betrifft sowohl die Anbindung des Straßenverkehrs am Knotenpunkt Leineberg / Gartenstraße, als auch die Verbin- In direkter Nachbarschaft befindet sich das Sport- und Frei- dung mit dem Heinrich-Heine-Kurpark für Fuß- und Radverkehre, bad der Stadt sowie der Märchenpark, der im Jahr 2004 er- für die derzeit eine niveaugleiche Querungsmöglichkeit der öffnet wurde. Auf dem großzügig angelegten Parkgelände mit Straße Leineberg besteht. Hier werden derzeit Planungs- einer Fläche von 2.600 m² sind verschiedene Märchenfiguren varianten überprüft, die eine Tunnelung der Straße Leineberg der Gebrüder Grimm dargestellt. Weiterhin gibt es ein vorsehen und damit eine störungsfreie Querung dieses Berei- Märchenschloss, verschiedene Freizeitangebote wie Wasser-

30 tretbecken, Sandkasten und Spielgeräte sowie seit Mai 2005 Catering, Freizeitangebote) sowie die medizinischen Einrich- ein kleines Gradierwerk. tungen (Ausrichtung Veranstaltung, Catering, Tagungs- räumlichkeiten) entstehen. Ausgehend von den seinerzeit vorhandenen Nutzungen Vital- park und Schwimmbad benannte das Stadtentwicklungs- Golfplatz, Walking-Park und Mountain-Bike-Rundkurs konzept 2002 diesen Bereich als einen von zwei, neben dem In räumlicher Nähe zum Standort Vitalpark sollen für Aktiv- Brauhausplatz, in Betracht zu ziehenden Standort zur Errich- urlauber freiraumbezogene Sportangebote entwickelt werden. tung eines Hotels. Am 01. August 2008 wurde das Hotel er- Hierfür wurden im Rahmen der Aufstellung des Flächennut- öffnet. Das über 260 Betten verfügende Hotel stellt eine ent- zungsplanes Flächen nordöstlich des Standortes benannt. Die scheidende Bereicherung der funktionalen Ausstattung der Kur- Flächen sind auf Grund der attraktiven naturräumlichen Aus- und Tourismusinfrastruktur dar. stattung (anliegende Grünflächen, Topographie), der räumli- chen Nähe den Einrichtungen Vitalpark und Hotel sowie zur Der Gesamtstandort Vitalpark verfügt über hervorragende Kernstadt ausgewählt worden. Gemäß einer groben Planungs- Standortqualitäten. Diese resultieren aus der naturräumlichen skizze der Stadtverwaltung sind hier im Einzelnen ein Golf- Lage, die durch die südlich angrenzenden natürlich gewachse- platz mit Clubhaus sowie ein Walking-Park und ein Mountain- nen Strukturen der Leineaue geprägt werden. Die Höhenlage Bike-Rundkurs weitgehend entlang bereits bestehender Wege- ermöglicht gute Sichtbeziehungen in das Leinetal und die Alt- verbindungen vorgesehen. Eine rechtsverbindliche Darstellung stadt sowie die Erhebungen des Heiligenstädter Stadtwaldes als Sonderbaufläche im Flächennutzungsplan konnte aufgrund und des Naturraumes Dün mit dem zwischenliegenden des u.g. Planungskonfliktes noch nicht erfolgen. Geisledetal. Ein weiterer wichtiger Standortfaktor ist die verkehrliche Anbindung. Aus dem näheren Stadtgebiet ist der Standort über die Fuß- und Radwegeführung entlang der Lei- ne sowie per Kraftfahrzeug / ÖPNV über die Straße Leineberg gut zu erreichen. Für regionale und überregionale Besucher ist der Standort über die Autobahn A 38 und den Zubringer Ost sehr gut erschlossen. Die Anschlussstelle Heilbad Heiligenstadt liegt in lediglich 2,5 km Entfernung.

Mit der Fertigstellung des Hotelneubaus ergeben sich zusätzli- che Entwicklungsperspektiven für den Standort selbst, sowie Synergien für andere Bereiche des Tourismussektors. Mit der Errichtung des Hotels wird das Übernachtungsangebot in Abb. 39: Potentieller Standort des Golfplatzes Heiligenstadt verbessert. Da bisher kein Haus in vergleichba- rer Größe vor Ort besteht , können nun insbesondere Angebo- Mit der Anlage dieser Sport- und Freizeitnutzungen sollen die te für Reisegruppen in unterschiedlicher Ausprägung realisiert Perspektiven Heiligenstadts als Kur-, Tourismus- und Freizeit- werden. standort weiter ausgebaut werden und das Angebotsprofil Durch die Verknüpfung des Hotelbetriebs mit anderen Ange- geschärft werden. Zusätzlich wird damit eine freiraum- boten, vorwiegend aus den Bereichen Kur, Tourismus, Tagung gestalterische Aufwertung des nördlichen Stadtbereiches er- und Freizeit können weitere Synergien erzielt werden. Mit folgen. Mit der Anlage eines attraktiven Golfplatzes kann ein speziellen (Pauschal-)Angeboten für Aktivurlauber beispiels- neues Segment der Tourismus- und Freizeitmärkte erschlos- weise kann die Frequentierung bestehender und künftiger kom- sen werden. In Verbindung mit der neu entstandenen Hotelan- merzieller und nichtkommerzieller Angebote wie Vitalpark, lage können entsprechende Pauschalangebote entwickelt Walking-Park / Mountain-Bike-Rundkurs, Tennisplätze, Golf- werden. Die räumliche Nähe dieser beiden Anlagen kann sich platz, Wanderwege etc. erhöht werden. Durch einen gezielten hierbei besonders positiv auswirken. Ausbau des Tagungsbetriebs in Richtung medizinische Fortbil- Ein weiteres Projekt, welches die erfolgreiche Entwicklung dung können vielfältige positive Effekte für die Objekte Hotel eines Golfplatzes begünstigen kann, ist funktionelle Erweite- (Übernachtung, Catering), Vitalpark (Tagungsräumlichkeiten, rung des Segelfluggeländes im Ortsteil Günterode.

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 31 Mit den erweiterten Angeboten für die Trendsportarten en Länder fortgesetzt. Die im Entwicklungskonzept 2002 for- Walking und Mountain-Biking soll ebenfalls ein für die Stadt mulierten Zielsetzungen wurden beharrlich verfolgt und mit Heilbad Heiligenstadt neues Tourismusklientel angesprochen dem Bau des Hotels am Vitalpark wurde ein weiterer großer werden. Meilenstein realisiert. Das wird die Position der Stadt in der Kur- und Tourismuslandschaft weiter festigen. Deutlich wird Entwicklungsflächen / Einzelprojekte aber auch, dass es weiterer erheblicher Anstrengungen be- darf diese Position auch in Zukunft zu verteidigen, wenn mög- Segelfluggelände Günterode lich auszubauen. Dazu wird es nötig sein, weiter konsequent Das Areal in Günterode ist derzeit als Segelfluggelände kate- am Profil vor allem im Bereich Tourismus zu arbeiten und sich gorisiert. Die Nutzung ist Segelflugzeugen, Motorseglern und nicht auf den Kursektor zu verlassen. Nichtsdestoweniger bil- anderen Luftfahrzeugen nur zum Zweck des Schleppens von det der Kurbereich den zentralen Motor dieser Entwicklung. Segelflugzeugen gestattet. Hier gilt es aber vor allem den Bestand zu bewahren, das An- Seitens des Betreibers gibt es derzeit das Bestreben, eine gebot auch für Touristen und Wellnessurlauber zu erweitern Umwidmung in einen Sonderlandeplatz sowie die Erweiterung und zu differenzieren, da im klassischen Kurbetrieb große der bisherigen Genehmigung nach § 6 Luftverkehrsgesetz vor- Zuwächse nicht erwartet werden dürfen. nehmen zu lassen. Damit sollen die bisher genehmigten Flugbetriebsarten präzisiert bzw. erweitert werden. Mit einer Erweiterung der Betriebsgenehmigung würde sich die Erreich- barkeit der Region insbesondere für Geschäftsreisende erhö- hen, woraus positive Effekte für die Standortbedingungen der ansässigen Betriebe sowie der bestehenden Gewerbeflächen- potentiale abzuleiten sind. Auch für die Kur und den Touris- mus sind aus der Funktionserweiterung des Flugplatzes posi- tive Impulse zu erwarten. Die Stadt Heilbad Heiligenstadt steht diesem Ansinnen grund- sätzlich positiv gegenüber, da hieraus positive Effekte für den Gewerbestandort Heiligenstadt abgeleitet werden können. Abb. 40: Wellnessangebot Vital-Park Entwicklungschancen könnten auch für den Sektor Kur, Tou- Die Entwick-lungschancen im Tourismussektor werden posi- rismus, Tagung, Freizeit entstehen. So könnten derzeitig be- tiv gesehen. Hierzu sind aber die oben aufgelisteten Ziele wei- stehende Angebote der hier ansässigen Luftsportvereinigung ter zu verfolgen und schrittweise umzusetzen und immer wie- Göttingen e.V. (Schnupperflüge, Kurse) stärker in den der am Markt zu orientieren. Von dieser Entwicklung werden Tourismussektor eingebunden und ausgebaut werden, z.B. auch positive Impulse für Stadtwirtschaft erwartet, insbeson- durch einwöchige Intensivkurse mit Übernachtung in Heilbad dere für die Altstadt und den Handel. Auch der Wohnstandort Heiligenstadt. Weiterhin würde ein Ausbau des Flughafens die wird absehbar profitieren. Eine Attraktivitätssteigerung ins- Erreichbarkeit des geplanten Golfplatzes für sog. „Golf- besondere für ältere Menschen wird Nachfrage nach Dienst- Hopping“ (Anreisen mit PKW o. ggf. auch Flugzeug, Golf spie- leistungen generieren, was auch der Schaffung von Arbeits- len, abreisen) erhöhen, woraus sich ebenfalls positive Effekte plätze, vor allem auch für junge Menschen dienen wird. Die (Übernachtungen) für den Bereich Vitalpark / Hotel ergeben Tendenz der Rückkehr älterer Menschen in mittelgroße Städ- könnten. Auch im Tagungssegment könnte die bessere Erreich- te mit guter sozialer und sonstiger Infrastruktur lässt sich für barkeit zu einer Aufwertung des Standortes führen. Heilbad Heiligenstadt tendenziell schon heute erkennen. Dem muss mit einer Aufwertung und Anpassung der öffentlichen Perspektive des Entwicklungsprofils Infrastruktur an die Anforderung der Kurgäste und der Bewoh- Es zeigt sich, dass die Stadt Heilbad Heiligenstadt in der Ent- ner Rechnung getragen werden. Das betrifft Barrierefreiheit, wicklung des Sektors Kur, Tourismus, Tagung, Freizeit wei- Zugang zu Freiräumen und Parks aber auch ein adäquates öf- terhin große Entwicklungspotentiale besitzt. Die nach der fentliches Verkehrsangebot (ÖPNV). Zusammenfassend kann Wende begonnene positive Entwicklung hat sich im Gegen- man auch sagen, die Lebensqualität für alle Nutzer der Stadt satz zu anderen Kurorten sowohl in den alten wie in den neu- muss verbessert werden.

32 Entwicklungsprofil Handel und Gewerbe den Flächen verträglicheren Nutzungen zuzuführen. Die Ziele der gewerblichen Entwicklung gehen somit einher mit den Allgemein wesentlichen Belangen der Kur- und Tourismusentwicklung Das Gewerbe in Heiligenstadt ist geprägt von einer eher mit- sowie der Stadt als Wohnstandort. Die gegebene Mischstruktur telständisch, technologisch orientierten Struktur. Die zukünf- des Kernbereiches sowie der südlich der Altstadt liegenden tige Gewerbeentwicklung ist im Einklang mit der gesamt- Stadtbereiche soll dabei beibehalten, beeinträchtigende Fak- städtischen Entwicklung so abzustimmen, dass sie zur Steige- toren aber möglichst gemindert werden. rung der Attraktivität der Stadt beiträgt. Mit der nach der Die Einzelhandelsnutzungen sind weitgehend stadtverträglich politischen Wende erfolgten Ausweisung des Gewerbegebiets entlang der Wilhelmstraße, die teils als Fußgängerzone ausge- An der B 80, den heutigen Gewerbegebieten Ost I und II, so- wiesen ist, im Zentrum der Altstadt konzentriert. Ausgenom- wie der derzeitigen Entwicklung der Gewerbeflächen an der men hiervon sind jedoch Einrichtungen aus dem Bereich der A 38 sind wichtige Schritte zur differenzierten und stadt- großflächigen Lebensmittelhändler. Diese haben sich weitge- verträglichen Gewerbeansiedlung eingeleitet worden. Die Stadt hend am Hauptstraßennetz in eher gewerblich genutzten Be- ist damit einerseits in der Lage großflächige und ggf. emittie- reichen und/oder Stadtrandlagen angesiedelt. Dennoch halten rende Neuansiedlungen aufzunehmen. Andererseits können sie dabei eine gewisse räumliche Nähe zu den Wohnstandorten Alternativflächen angeboten werden, um Altstandorte von sowie der Altstadt und sichern eine entsprechende Nah- unverträglichen Nutzungen zu entlasten, und die frei werden- versorgung. Insgesamt ist die Nahversorgung sowohl in den

Abb. 41: Entwicklungsprofil Handel und Gewerbe

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 33 Stadtteilen wie in der Altstadt als gesichert bis gut zu wer- handelsentwicklungen in den vergangenen 20 Jahren ten. Die Stadt verfügt über weitere großflächige Handelsein- („Erlebniseinkaufen“, Einkaufsgalerien, Einkaufen über Internet richtungen von teils regionaler Bedeutung, z.B. Baumarkt, etc.) wurde ein verändertes Nachfragerverhalten generiert. Autohandel etc. Diese sind standortgerecht in einem der Ge- Dieses Verhalten führte in Heiligenstadt dazu, dass vermehrt werbegebiete (Süd I) untergebracht. Wege in umliegende Versorgungszentren mit entsprechender Angebotsstruktur (z.B. Göttingen, Kassel, Erfurt) in Kauf ge- Gewerbegebiete nommen werden. Diesen Entwicklungen und den in der Regel Die Nutzungsschwerpunkte in den Gewerbegebieten West I damit verbundenen Preisentwicklungen (Discounterpreise) und II sowie den Gewerbegebieten Ost I und II liegen in den konnten und können alteingesessene inhabergeführte Geschäf- Sektoren Forschung, Dienstleistung und hochwertige Produk- te oftmals kein adäquates Angebot entgegensetzen. tion. Die hier ansässigen Betriebe verfügen über eine gute Daraus folgten zahlreiche Geschäftsaufgaben und entsprechen- Arbeitsplatzdichte sowie eine qualifizierte Mitarbeiterschaft de Leerstände oder Nachnutzungen durch Handelsketten vor- mit entsprechendem Kaufkraftpotential, die vor Ort gebunden wiegend im Niedrigpreissegment (im Sortiment Bekleidung z.B. werden muss. Für dieses Klientel ist insbesondere die Wohn- KIK, Takko, NKD). Hierdurch ist eine je nach Warensortimen- und Versorgungsqualität der Stadt ein wichtiger Standortfak- ten lückenhafte oder einseitige Angebotsstruktur entstanden, tor. Aufgrund der hieraus entstehenden Synergien sind diese die von Bürgern der Stadt als unattraktiv beurteilt wird betrieblichen Nutzungen nicht nur wegen ihrer Funktion als (Workshop zur Stadtentwicklung am 11.06.2008). Arbeitgeber als sehr positiv für die künftige Stadtentwicklung Diese beiden Tendenzen verstärken sich gegenseitig und konn- zu beurteilen, sondern auch wegen der Bindung der Mitarbei- ten bisher über das Kaufverhalten der Kurgäste und Touristen ter an die Stadt. Damit fließen große Teile der Wertschöpfung nicht ausgeglichen werden. Das Thema Einzelhandel in der in die Stadtwirtschaft und stärken den Standort Heilbad Altstadt wird nachfolgend (S. 58 ff.) gesondert vertiefend be- Heiligenstadt auch als Wohnstandort. Die Betriebe sind ent- handelt. sprechend gezielt zu fördern und zu erhalten. Die Gewerbege- biete West und Ost sind weitgehend ausgelastet und weisen Entwicklungsschwerpunkt Gewerbegebiet an der eine kongruente Nutzungsstruktur auf. A 38 Besondere Betrachtung erfordern die Gewerbegebiete Süd I Seit Mitte 2007 befindet sich das 55,2 ha große Gewerbege- und II sowie die Entwicklung des Gewerbegebietes an der A 38 biet an der A 38 in der Entwicklung. Bis Mitte 2009 wird die zur Bindung gewerblicher Neuansiedlungen. Nachfolgend wer- gesamte öffentliche Erschließungsinfrastruktur hergestellt und den beide Standorte vertiefend als gewerbliche Entwicklungs- damit 42 ha Nettobauland für Gewerbe erschlossen ein. Der schwerpunkte der künftigen Stadtentwicklung dargestellt und Vermarktungsprozess ist im Gange und gut 9 ha der Gewerbe- die wesentlichen Zielsetzungen formuliert. Als weiterer flächen sind bereits reserviert bzw. es bestehen konkrete An- Entwicklungsschwerpunkt wurde im Bereich der erweiterten siedlungsinteressen. Einen ersten großen Ansiedlungserfolg Altstadt der Standort Bahnhof Heiligenstadt mit teils brach- konnte die Stadt im Oktober 2008 verzeichnen. liegenden Bahn- bzw. Gewerbeflächen untersucht.

Handel Die Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs ist aufgrund der vorhandenen Verkaufsflächen aus dem Bereich Lebens- mittelhandel als gesichert zu bezeichnen. Anhand der vorhan- denen Verkaufsfläche pro Kopf im Vergleich zum Durchschnitt vergleichbarer Kommunen, kann hier auf gesamtstädtischer Ebene durchaus von einer Überausstattung gesprochen wer- den. Differenziert betracht liegt diese jedoch nur in bestimm- ten Sortimentsbereichen vor, während in andere Sortimente Defizite bestehen. Probleme in der Handelsstruktur Heiligenstadts bestehen im Wesentlichen in der Altstadt. Aufgrund allgemeiner Einzel- Abb. 42: Gewerbegebiet an der A 38 – Gewerbeansiedlung

34 Ein international agierender Verpackungsmittelhersteller wird lich bestehende Wohnbebauung (Auf den Liethen) sowie Kur- hier investieren und sich auf rd. 5,3 ha Fläche ansiedeln. und Freizeitnutzungen (Vitalpark und Hotel) zu vermeiden.

Entwicklungsschwerpunkt Gewerbegebiete Süd I und II Handlungsbedarf in den Bestandsgebieten besteht im wesent- lichem im Bereich des Altstandortes im Süden des Stadtgebie- tes, der in die Bereiche Süd I und Süd II östlich bzw. westlich des stillgelegten Gleiskörpers (ehem. Bahntrasse in Richtung Flinsberg) unterteilt ist. Der Standort ist weitgehend stabil und nur geringer Fluktuation unterworfen. Hinsichtlich der ge- stalterischen Erscheinung des Gebietes als Stadteingang, der verkehrlichen Anbindung sowie der internen Erschließung, und einer langfristigen stadtverträglichen Entwicklungsperspektive Abb. 43: Entwicklungsschwerpunkt Gewerbegebiet an der A 38 bestehen jedoch deutliche Optimierungsbedarfe. Durch die Randlage im städtischen Gefüge und die Entfernung zu den Wohn- sowie Kur-, Tourismus- und Freizeiteinrichtun- gen, ist das Gewerbegebiet in seinem Nutzungsspektrum we- nig eingeschränkt. Die Struktur der Gewerbeneuansiedlungen in dem am nördlichen Rand der Kernstadt liegenden Gewerbe- gebiet wird vor allem auf der A 38 als Standortfaktor basie- ren. Das heißt insbesondere für Unternehmungen aus der der- zeit stark boomenden Logistikbranche sind diese Flächen in- teressant, wenngleich ein direkter Bahnabschluss nicht ver- fügbar ist. Betriebe der Logistikbranche verfügen in der Regel jedoch über einen relativ geringen Arbeitsplatzbesatz und würden daher vermutlich nur verhalten positiv auf den ört- lichen Arbeitsmarkt auswirken. Daher sollte die Stadt versu- Abb. 44: Entwicklungsschwerpunkt Gewerbegebiete Süd I und II chen hier einen ggf. längerfristigeren Ansiedlungsprozess in Kauf zu nehmen und eine mit den Gewerbegebieten West und Lage und Funktion im Stadtgefüge Ost vergleichbare Betriebsstruktur zu fördern. Die Gewerbegebiete Süd I und II liegen im südlichen Stadtge- biet. Im Norden schließen vorwiegend Wohnnutzungen an. Dies Dementsprechend sollten hier weitere Gewerbebetriebe aus sind im Einzelnen die durch Geschosswohnungsbau geprägten dem Bereich Produktion angesiedelt werden, die langfristig Wohngebiete Auf der Rinne und der Bereich um die Albert- ein qualitativ und quantitativ höheres Arbeitsmarktpotential Schweizer-Straße sowie die Quartiere entlang der Dünstraße, bieten. Dieses Ziel hat die Stadt Heilbad Heiligenstadt bisher wo sich vorwiegend Ein- bis Zweifamilienhäuser befinden. konsequent verfolgt und Nachfragen nach flächenintensiven Südlich schließt der Landschaftsraum mit dem Heiligenstädter Nutzungen mit geringer Arbeitsplatzdichte negativ beschieden. Stadtwald und dem Dün an. Weiteres prägendes Grünraum- element ist das Geisledetal, das von Süden in den Stadtkörper Mit den ausgewiesenen Gewerbeflächen ist die Stadt in der hineingreift. Die Geislede mit weitgehend stark gehölz- Lage, Zuwächse von außen und Nachfragen aus der Stadt auf bestandenen Uferbereichen bildet den Übergang von der Stadt längere Zeit hin zu befriedigen. Die relativ strukturarme Land- in die Auenlandschaft. schaft nördlich der Kernstadt bietet zudem noch Entwicklungs- Die Gewerbestruktur des Gebietes weist viele unterschiedli- potential, über deren Entwicklungsperspektiven jedoch erst che Nutzungen auf. Der Großteil dieser Nutzungen wäre in mittel- bis langfristig (2015-2020) nachzudenken ist. Die räum- anderen Stadtbereichen nicht oder nur eingeschränkt verträg- liche Ausdehnung sollte dann in westlicher Richtung erfolgen, lich. Das Spektrum reicht von großflächigen Handelsein- um ein Heranrücken der gewerblichen Nutzung an die südöst- richtungen wie Baumarkt und Autohandel, diese Branchen er-

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 35 Nutzungen der Sektoren Handel, Dienstleistung und Freizeit sein. Der Standort bietet hier entsprechende Entwicklungs- möglichkeiten und verfügt durch seine Zentrumsnähe über eine attraktive stadträumliche Lage. Nicht diesem Spektrum ent- sprechende Betriebe sollten nach Möglichkeit an einem ande- ren Gewerbestandort, z.B. Gewerbegebiet an der A 38, neu positioniert werden, um am Standort Süd I Flächen für Han- dels-, Dienstleistungs- und Freizeitnutzungen anbieten zu kön- nen. Mittels eines Standortgutachtens/Rahmenplanung sind hier konkretere Entwicklungsmöglichkeiten und -schwerpunkte

Abb. 45: Blick über das Gewerbegebiet Süd I zu bestimmen. Im Rahmen von baulichen oder nutzungs- bezogenen Veränderungen im Gebiet sollte versucht werden gänzende Dienstleistungs- und Servicebetriebe, Unternehmun- die Übersichtlichkeit und die stadträumliche Qualität des gen im Bereich des verarbeitenden und produzierenden Gewer- Gewerbestandortes zu verbessern. Eine eindeutigere Erschlie- bes sowie Bau- und Handwerksbetriebe bis hin zu Freizeitein- ßung, Gliederung von Frei- und Verkehrsflächen der Gewerbe- richtungen. Das Gewerbegebiet übernimmt somit wichtige grundstücke (Lagerflächen, Stellplätze etc.), sowie die Anla- Versorgungsfunktionen (Arbeitsplätze, Handelsgüter, Freizeit- ge von Vegetationsstrukturen können hierzu beitragen. gestaltung) auf städtischer und regionaler Ebene. Mit einer gezielten Entwicklung des Standortes können der Bedeutung und Zentralität einer Kreisstadt angemessene zu- Die verkehrliche Erschließung der beiden Gewerbegebiete er- sätzliche Angebote an nicht zentrenrelevanten großflächigen folgt jeweils über die Dingelstädter Straße (L 1005), so dass Handels-, Dienstleistungs- und Freizeiteinrichtungen stadtnah eine gute Anbindung an das regionale Straßenverkehrsnetz und verträglich geschaffen werden. gegeben ist. Allerdings ist die interne Erschließung der Gebie- te nicht ausreichend, eine direkte Verbindung zwischen den beiden Gebieten besteht nicht. Hier stellt der Bahndamm der weitgehend aufgegebenen Gleistrasse einen starken Einschnitt dar. Der Bahndamm stellt zwar eine erhebliche Barriere in der Verknüpfung der beiden Gebiete dar, ist andererseits, aufgrund des starken Vegetationsbestandes, jedoch ein auffälliges Grün- raumelement. Innerhalb des Gebietes sind die Flächen weitge- hend versiegelt oder werden als Lager-/Abstellflächen genutzt. Prägende Vegetationsstrukturen sind kaum vorzufinden.

Entwicklungsperspektive Das Gewerbegebiet verfügt über zahlreiche unterschiedliche Nutzungen, dennoch sind Nutzungsstrukturen sowie funktio- nale und nutzungsspezifische Schwerpunkte zu erkennen, die Abb. 46: Gebäudestruktur im Bereich der ehem. Papierfabrik künftig weiter gestärkt werden müssen. Flächenpotentiale befinden sich lediglich im Bereich der ehem. Gewerbegebiet Süd I Papierfabrik, dessen Areal nur teilweise einer Nutzung unter- Das Gewerbegebiet Süd I verfügt neben Produktionsstandorten liegt. Der vorhandene kleinteilige Gebäudebestand sowie die vor allem über Nutzungen aus den Bereichen Handel, Dienst- unübersichtliche interne Erschließung erschweren jedoch die leistung und Freizeit, die ein vergleichsweise hohes Besucher- Nachnutzung des Standortes. Bei der derzeitig vorhandenen aufkommen generieren. Die vorhandene, direkte Erschließung Struktur erscheinen Nachnutzungsmöglichkeiten weitgehend des Standortes erweist sich hier als vorteilhaft. Flächen- nur für kleinteilige Gewerbeeinheiten, Handwerker, Betriebs- potentiale bestehen derzeit kaum, dennoch sollten Planungs- gründer etc. gegeben. Die Erschließungsstruktur ließe dann schwerpunkte für eine zukünftige Entwicklung gesetzt wer- jedoch ähnliche Probleme wie im Bereich nördlich der den. Ziel der Entwicklung sollte die Konzentration großflächiger Flinsberger Straße (Unübersichtlichkeit etc.) erwarten.

36 Für Nutzungen mit Kundenverkehr ist der Standort entspre- Der Standort soll dennoch in seinen Nutzungsstrukturen gefe- chend ungünstig. Für großflächige Einrichtungen bietet der stigt, weiterentwickelt und Nutzungskonflikten entgegenge- Standort im Bestand ebenfalls wenig Perspektiven, für eine wirkt werden. Die Auslagerung des Bau- und Speditions- Ansiedlung wären umfangreichere Rückbaumaßnahmen erfor- gewerbes, wie sie im Stadtentwicklungskonzept 2002 als Ziel- derlich. Der Standort bedarf daher einer eingehenderen Unter- stellung formuliert wurde, ist aus heutiger Sicht als wenig ziel- suchung um in erster Linie nutzungsspezifische und städte- führend zu beurteilen. Die Stadt verfügt lediglich im Gewerbe- bauliche Möglichkeiten aufzuzeigen. Eine weitere Umnutzung gebiet an der A 38 über entsprechendes Flächenpotential, die des Standortes wird mit erheblichen Kosten verbunden sein. Etablierung von Baugewerbe würde jedoch dem Entwicklungs- Die Ausweisung als Stadtumbaugebiet und die Beantragung ziel eines hochwertigen und regional bedeutsamen Gewerbes- entsprechender Fördermittel erscheint sinnvoll. tandortes widersprechen. Allenfalls die Verlagerung des Speditionsgewerbes hierhin wäre denkbar. Da Betriebsverla- gerungen, die die Eigentümer in der Regel ablehnen, wenn über- Gewerbegebiet Süd II haupt nur schwer zu realisieren sind, müssen andere Wege Im Gewerbegebiet Süd II sind die Betriebe des Bau- und einer Entschärfung der Konfliktsituation zwischen Wohnen und Speditionsgewerbes sowie Produktions-, Dienstleistungs- und Gewerbe eingeschlagen werden. Dies soll mittels der Verbes- kleinere Handelsbetriebe als Schwerpunktnutzungen vorhan- serung der Erschließungssituation getan werden. Ziel ist der den. Die Strukturen sind an diesem Standort weitgehend eta- Ausbau (und evtl. die Verlängerung) der Straße Auf der Rinne. bliert und gebietsverträglich, wenngleich es Konflikte und Damit kann die „Sackgassensituation“ aufgelöst und eine Ent- Standortdefizite gibt. Durch das Bau- und Speditionsgewerbe lastung der sensiblen Stadtquartiere erfolgen. Mit dem Aus- werden Lärmimmissionen durch Betrieb auf dem Grundstück bau sollte auch die Gestaltung des öffentlichen Raums sowie sowie (Schwerlast-)Verkehr im benachbarten Wohngebiet Auf die Anbindung der Grundstücke sowie deren Vorzonen aufge- der Rinne verursacht. Auch durch die Produktionsbetriebe wertet werden. Insgesamt könnte mit diesen Maßnahmen die werden entsprechende Verkehrsaufkommen generiert. Standortqualität deutlich verbessert werden.

Abb. 47: Entwicklungsschwerpunkt Gewerbegebiet Süd I und II

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 37 Maßnahmen Entwicklungsschwerpunkt bedingungen ist ein Ausbau der vorhandenen Straße sowie Gewerbegebiete Süd I und II der Neubau einer Wendemöglichkeit erforderlich. Die bereits im Flächennutzungsplan dargestellte Anbindung des Gewer- Liegenschaft der ehemaligen Konsumbäckerei begebietes an die Flinsberger Straße stellt eine mögliche Opti- Das ca. 6.200m² große Grundstück der ehemaligen Konsum- on dar. Diese kann jedoch nur unter Voraussetzung eines bäckerei liegt im Gewerbegebiet Süd II. Die ehemaligen Weiterbetriebes des Museumsbahnbetriebes und der vorgese- Produktionsgebäude stehen seit mehreren Jahren leer, die Pro- henen Verlängerung der Strecke des Eisenbahnvereins in das duktion wurde bereits Anfang der 1990er Jahre eingestellt. Pferdebachtal erfolgen. Die Verwaltungs- und Nebengebäude wurden jedoch weiter Mit der Erweiterung des Gewerbegebietes wurden auf Grund durch die Konsumgenossenschaft genutzt. Diese befindet sich konkreter Nachfrage an diesem Standort kurzfristig Gewerbe- mittlerweile in Insolvenz, in deren Folge auch die noch vorhan- flächen geschaffen. Die Flächen unterliegen erst teilweise ei- dene Nutzung aufgegeben wurde. Die Liegenschaft steht zur ner Nutzung, so dass noch Flächenangebote bestehen. Veräußerung; die Stadt Heilbad Heiligenstadt zieht einen Er- werb der Flächen in Betracht, um ein längerfristiges Brach- Sanierung und Ausbau der Flinsberger Str. sowie fallen der Fläche zu verhindern. Jedoch gibt es auch noch an- Erneuerung des Brückenbauwerks dere Interessenten, so dass der Flächenerwerb derzeit nicht Die Flinsberger Straße (L 1006), die die Kernstadt mit dem forciert wird. Ortsteil Flinsberg verbindet, befindet sich teils in sanierungs- bedürftigem Zustand. Dies ist insbesondere im Bereich der Gewerbegebiete Süd I und II der Fall. Mit der geplanten Sanie- rung der Straße soll auch der Knotenpunkt Dingelstädter Straße (L 1005) / Flinsberger Straße (L 1006) neu gestaltet werden, sowie das Brückenbauwerk über die Geislede erneuert wer- den. Dieses ist ebenfalls sanierungsbedürftig und entspricht in seiner bestehenden Baubreite nicht den heutigen Verkehrs- anforderungen. Parallel zur Flinsberger Straße (L 1006) soll ein Radweg entstehen, der durch das Pferdebachtal hindurch den Ortsteil Flinsberg anbindet.

Abb. 48: Gebäudebestand der ehem. Konsumbäckerei Aus Sicht der Stadt sollten die nicht mehr benötigten Gebäu- de abgerissen und die neu zu ordnenden Flächen wieder einer attraktiven, gewerblichen Nutzung zugeführt werden. Damit könnte ein positives Signal für die künftige Entwicklung des Gewerbestandortes Süd II gesetzt und dem Rückzug weiterer gewerblicher Nutzungen entgegengewirkt werden. Abb. 49: Zufahrt zum westlichen Bereich des Gewerbegebietes Süd I Das Vorhaben obliegt der Planungshoheit des Straßenbauam- Erweiterung des Gewerbegebietes Süd II, tes Nordthüringen. Mit den Maßnahmen sollen die Anforde- Verlängerung der Straße Auf der Rinne rung an die notwendige Qualität der Straße bezüglich Verkehrs- Südlich an die bestehenden Gewerbeflächen des Gebietes Süd sicherheit sowie die sich entwickelten Anforderung (Zu- II wurden im Flächennutzungsplan der Stadt aus dem Jahr nahme der Verkehre) und die Attraktivität der Strecke für Rad- 2006 Erweiterungsflächen mit einer Größe von ca. 3,5 ha. verkehre erfüllt werden. dargestellt. Hierfür wurde ein Bebauungsplanverfahren durch- geführt. Erste Gewerbeansiedlungen sind hier bereits erfolgt. Der Ausbau der Straße wird sich insbesondere im Bereich der Zur weiteren Attraktivitätssteigerung des Gewerbestandortes Gewerbeflächen positiv auf die Gestaltung des Straßenraumes wie auch der funktionellen Verbesserung der Erschließungs- und damit die Qualität des Standortes auswirken. Mit einer

38 erneuerten Radwegeführung (parallel statt bisher auf der Stra- ße) wird sich die Attraktivität dieses Stadt-/Landschaftsraumes und die Anbindung des Ortsteiles Flinsberg sowie die Anbin- dung durch den Unstrutradwanderweg für Radfahrer / - touristen deutlich erhöhen.

Entwicklungsschwerpunkt Bahnhofsareal

Das Umfeld des Bahnhofes unterliegt seit der politischen Wen- de 1989 einem anhaltenden Umwandlungsprozess. Neben den Abb. 50: Hauptgebäude des Bahnhofes Heiligenstadt vorhandenen Wohnnutzungen wurde der Standort stark durch gewerbliche Nutzungen geprägt. Diese wurden im Rahmen des tigen Handels- und Dienstleistungsangeboten dar. Weiterhin wirtschaftlichen Umschwungs teilweise aufgegeben und die befinden sich mit den Schulen und den publikumsintensiven Standorte lagen lange Zeit brach. Lediglich der Standort der Dienststellen des Landkreises wichtige öffentliche Einrichtun- heutigen Solidor Heuer GmbH gegenüber dem Bahnhofsareal gen in unmittelbarer Nachbarschaft. hat sich stabilisiert. Einige der brachliegenden Standorte wur- den mittlerweile beräumt und neuen Nutzungen zugeführt. Dies Entwicklungsperspektive sind im Wesentlichen die Standorte des neuen Zentralen Om- Durch die sehr gute verkehrliche Anbindung des Entwicklungs- nibusbahnhofes sowie eines Lebensmittelmarktes in der schwerpunktes, die innenstadtnahe Lage und den Sitz der Kreis- Bahnhofstraße. Daraus lässt sich eine Entwicklungstendenz verwaltung, verfügt das Areal über eines der höchsten in Richtung eines Standortes mit wohnverträglicheren Nut- Entwicklungspotentiale in Heilbad Heiligenstadt. Die Nähe zum zungen ableiten. Trotz der bisherigen Umwandlungen verblei- Bahnhof, dem Busbahnhof und die gute, stadtverträgliche ben Brachflächen, für die Entwicklungsperspektiven formu- Autoanbindung des Bereichs sichern eine exzellente Anbindung liert werden müssen. für alle Verkehrsarten. Auf den derzeit brachliegenden Flächen Das Bahnhofsareal selbst befindet sich in einem verbesserungs- im östlichen Bereich des Entwicklungsschwerpunktes (ehem. bedürftigen Zustand. Das Bahnhofs- sowie die Nebengebäude Nadelfabrik Engelmann) sollten, in Anlehnung an den bereits stehen leer. Erste Spuren von Unternutzungen sind sichtbar. vorhandenen Lebensmittelhandel und die Verwaltungs- Frühere Nutzungen wie Auskunfts- und Fahrkartenschalter, einrichtungen, Handels- und Dienstleistungsnutzungen etabliert Gastronomie o.ä. sind offensichtlich nicht mehr tragfähig. Auch werden. Beispielsweise könnten nachfragegerechte, nicht die Anbindung des Bahnhofes von der nördlichen Stadtseite innenstadtrelevante Sortimente in mittlerer Größenordnung (Wohngebiet Hohes Rott, Steingraben) ist unbefriedigend und (1.500 – 3.000 qm) geschaffen werden. In Abhängigkeit der nur über eine äußerst unattraktive Unterführung möglich. In- Entwicklung des Projektes „Stormpassage“, der bei der Ent- folge dessen wird häufig eine ungesicherte Querung der Gleis- wicklung von Handelsflächen Vorrang einzuräumen ist, könn- anlagen in Kauf genommen. ten hier Potentialflächen für weitere (großflächige) Nutzun- Die Haupt- und Nebengebäude sowie Teile der Freiflächen des gen, die in der historischen Altstadt aufgrund der verkehrlichen Personenbahnhofes wurden seitens der Deutschen Bahn an Infrastruktur und der städtebaulichen Dichte räumlich nur einen privaten Investor veräußert. Die Stadt steht mit diesem schwer zu integrieren sind, vorgehalten werden. Die Bereit- in Verhandlung und bemüht sich um einen Erwerb der Flächen. stellung solcher Flächenangebote kann zu einer langfristigen Sicherung der Kreisstadtfunktionalität beitragen. Dies gilt vor Lage und Funktion im Stadtgefüge allem gegenüber den über entsprechende Angebote verfügen- Die Flächen des Entwicklungsschwerpunktes Bahnhof Heiligen- den Ober- und Mittelzentren wie Göttingen und Kassel, deren stadt befinden sich unmittelbar nordwestlich der Altstadt. Der Erreichbarkeit sich durch die A 38 verbessert hat, sowie Mühl- Standort verfügt über eine sehr gute Anbindung an das öf- hausen/Thüringen oder auch Erfurt. Die Notwendigkeit sowie fentliche Verkehrsnetz (Bus und Bahn) sowie den Individual- die Chancen hier innenstadtverträglich weitere Handelsflächen verkehr. Die Fußgängerzone (Wilhelmstraße) liegt fußläufig in anzusiedeln sollte nach Abschluss der Entwicklung der gut 500 m Entfernung. Die direkte fußläufige Anbindung an „Stormpassage“ sowie einer angemessenen „Etablierungszeit“ die Innenstadt stellt eine attraktive Verknüpfung mit den dor- untersucht werden. Alternativ sind jedoch auch andere

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 39 Nutzungsarten in Betracht zu ziehen. Aufgrund der Nähe zur Altstadt sowie zum Bahnhof wären beispielsweise auch Wohnnutzungen denkbar.

Das Bahnhofsgebäude sowie das Bahnhofsumfeld müssen gestalterisch und nutzungsspezifisch aufgewertet und die Ver- knüpfung mit den umliegenden Stadtbereichen verbessert werden. Damit kann die Attraktivität des Bahnhofes sowie die stadtgestalterische Wirkung auf den Gesamtstandort er- höht werden. Mit diesen Maßnahmen kann der mit dem Neu- bau des Busbahnhofes begonnene Aufwertungsprozess fort- geführt und eine Wiederinwertsetzung des Gesamtareals so- wie die Attraktivitätssteigerung der Brachflächen für neue Abb. 52: Luftbild des Entwicklungsschwerpunktes Bahnhofsareal Nutzungen erreicht werden. Hierzu müssen entsprechende Perspektiven entwickelt wer- den. Maßnahmen Entwicklungsschwerpunkt Damit einhergehen muss eine verbesserte Erreichbarkeit und Bahnhofsareal Gestaltung des Bahnhofes sowie des Umfeldes, um die derzei- tige Kundenfrequenz zu erhalten und ggf. zu steigern. Bahnhofsgebäude / Bahnhofsumfeld Das Bahnhofsgebäude ist, trotz seiner derzeit eingeschränk- Das Bahnhofsgebäude sollte entsprechend seiner eigentlichen ten Funktion, ein identitätsstiftendes und historisch wertvol- Funktion mit neuen bahn- und nutzerbezogenen Angeboten aus- les Standortmerkmal. Die Sicherung und der langfristige Er- gestattet werden, um einen hochwertigen und kunden- halt des Gebäudes ist, aus wirtschaftlicher Sicht, nur mit ei- freundlichen Standort zu entwickeln. Zusammen mit einem ent- ner adäquaten Nutzung zu erreichen. sprechend guten regionalen Verkehrsangebot zur Sicherung

Abb. 51: Entwicklungsschwerpunkt Bahnhof Heiligenstadt

40 und zum Ausbau der Kundenfrequenz, Verknüpfung von Bahn und Bus, kann eine nachhaltige Sicherung des Standortes in- itiiert werden. Hierzu können unterschiedliche Nutzungen oder Nutzungskombinationen beitragen. Angebote, die auf größe- ren Bahnhöfen auf mehrere Einrichtungen verteilt sind, könn- ten gebündelt werden. Beispielsweise könnte die Anreise von Touristen mit der Bahn über Pauschalangebote gefördert wer- den. Am Bahnhof könnte dann eine Einrichtung platziert wer- den, die die Funktionen eines Infostandes für Touristen, einen Rufservice für Taxi oder Shuttleservice (z.B. zu Kurparkklinik und Hotel) u.ä. erfüllt. Diese könnte kombiniert werden mit Abb. 53: Hauptgebäude der ehem. Nadelfabrik Engelmann heute gängigen Versorgungseinrichtungen für Reisende (Bäk- in der Bahnhofstraßé kerei und Zeitungen/Zeitschriften usw.) und ggf. auch als Bahn- andere Nutzungen z.B. Wohnen denkbar. Die Rückseite des informationsschalter dienen. Grundstückes sollte bezüglich der räumlich-gestalterischen Qualität bei der Neugestaltung des Areals nicht, wie bisher, In den weniger von Bahnkunden frequentierten Bereichen des nahezu unberücksichtigt bleiben. Die Rückseite grenzt unmit- Gebäudes (1. OG) sind neben für die o.g. Nutzungen notwendi- telbar an das Bahnhofsareal an, die Gestaltung wirkt sich so- gen Flächen für Büros und Verwaltung auch eigenständige mit auch auf dessen Umfeldqualität aus. In diesem Bereich Nutzer aus den Bereichen Büro, Verwaltung und Dienstleistung befindet sich lediglich noch das östliche Ende eines Bahnsteiges vorstellbar. sowie zur Bahnliegenschaft gehörende brachliegende Grünflä- chen. Im Rahmen der Neugestaltung des Bahnhofsumfeldes Die Gestaltung des Bahnhofes und der Freiflächen (Vorzone und der Entwicklung des Gewerbestandortes sollten Optionen und Bahnsteige), der angrenzenden Nutzungen ZOB und Stell- zur Nutzung dieser Teilfläche geprüft werden. Möglicherwei- platzanlagen sowie die anschließenden Fuß- und Radwege se kann sie der Gewerbefläche zugeschlagen und damit ggf. sollen aufeinander abgestimmt werden. Weiterhin sollen klare deren Nutzbarkeit sowie das Vermarktungspotential erhöht Flächenzuordnungen und deren Erkennbarkeit durch unter- werden. schiedliche Materialwahl (Oberfläche, Farbe etc) herausgear- beitet und somit potentielle Konfliktpunkte zwischen unter- Ausbau Steingraben u. Rückbau Bahnübergang schiedlichen Nutzern / Verkehrsarten vermieden werden. Rengelröder Weg, Errichtung Fußgänger-/Rad- fahrerbrücke u. Sanierung Fußgängertunnel Brachfläche Fabrik- und Lagergebäude Leinegasse Das brachliegende Gewerbeareal (ehem. Nadelfabrik Engel- Im Bereich des Bahnhofes sind verschiedene Maßnahmen im mann) befindet sich im Bereich Bahnhofsstraße / Leinegasse, Bereich Fuß- und Radverkehr sowie dem Individualverkehr unmittelbar gegenüber des Standortes der Solidor Heuer GmbH. vorgesehen, die der verbesserten Anbindung des Bahnhofes Das direkt an die Bahnhofstraße angrenzende Hauptgebäude an die umliegenden Stadtbereiche sowie der Entschärfung sowie die rückwärtigen, zur Bahntrasse liegenden Nebenge- verkehrlicher Konfliktpunkte dienen sollen. bäude befinden sich in schlechtem baulichen Zustand. Das Hauptgebäude soll nach Möglichkeit saniert sowie einer Nach- Mit dem Ausbau des Steingrabens soll die verkehrliche Erschlie- nutzung zugeführt werden. Die Nebengebäude sollen zurück- ßung unmittelbar nördlich der Bahntrasse sowie die Erschlie- gebaut werden. Dadurch entstehen Flächenpotentiale für ei- ßung der anliegenden Gewerbeflächen verbessert werden. Mit nen ergänzenden Neubau, an einer städtebaulich markanten der Anbindung an die Hospitalstraße östlich sowie an den Ecksituation. Rengelröder Weg im Westen wird eine durchgehende Ver- bindungsstraße hergestellt, die an den künftigen Westzubringer Der Standort soll einer standortverträglichen Nachnutzung anschließen wird. Die Stadt Heilbad Heiligenstadt hat hierzu zugeführt werden. Gemäß der formulierten Entwicklungs- Flächen von der Deutschen Bahn erworben. perspektive für den Gesamtstandort wären Handels- und Die Planungen für den Bau des Westzubringers sehen eine Über- Dienstleistungsnutzungen zu bevorzugen. Es wären jedoch auch brückung der Bahntrasse und einen Anschluss für zu- und ab-

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 41 fließende Verkehre des Rengelröder Weges vor. Damit wird Entwicklungsflächen / Einzelprojekte ca. 250 m westlich des bisherigen ebenerdigen Bahnübergangs Rengelröder Weg ein hinderungsfreier Querungspunkt für den Flächen des ehemaligen Güterbahnhofes KFZ-Verkehr entstehen. Der Bahnübergang Rengelröder Weg Zur Herstellung einer verbesserten Erreichbarkeit des Ost- wird somit entbehrlich und soll entsprechend zurückgebaut zubringers zur A 38 soll eine Verlegung der L 1005 ab dem werden. Hierzu besteht eine Planungsvereinbarung zwischen Bahnübergang im Bereich des ehem. Güterbahnhofes erfolgen. der Deutschen Bahn und der Stadt. Das notwendige Planfest- Die neu anzulegende Straße soll im Bereich der noch beste- stellungsverfahren für den Westzubringer soll Anfang 2009 henden Gleistrasse verlaufen und auf die L 3080 (Nordhäuser eingeleitet werden. Straße) aufbinden. Das Vorhaben wird durch das Straßenbau- amt Nordthüringen als Baulastträger betrieben. Die Flächen des ehemaligen Güterbahnhofes sowie die Gleis- anlagen sind als Flächen für den Schienenverkehr gewidmet und unterliegen derzeit nicht der Planungshoheit der Kommu- ne. Die Stadt hat die Flächen von der Deutschen Bahn erwor- ben. Im Rahmen des Erwerbs wurde ein Antrag auf Freistel- lung von Bahnbetriebszwecken gemäß § 23 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) gestellt. Das formale Entwidmungs- verfahren ist jedoch noch nicht abgeschlossen.

Ziel des Projektes ist eine verbesserte Erreichbarkeit des Ost- Abb. 54: Fußgängertunnel Leinegasse zubringers zur A 38, um insbesondere die Anbindungsqualität Zur verbesserten Verknüpfung des Wohngebietes Hohes Rott der südlich der Stadt Heilbad Heiligenstadt liegenden Gemein- mit dem Bahnhof sowie dem südlich der Bahntrasse liegenden den an das Autobahnnetz zu erhöhen. Die Stadtverwaltung Stadtgebiet, insbesondere der Altstadt, soll eine Brücke für steht diesem Ansinnen positiv gegenüber, da hierdurch eine Fuß- und Radverkehre errichtet werden. Diese führt vom höher- erhebliche Entlastung des durch Wohnnutzung geprägten nörd- liegenden Wohngebiet mit ebenerdiger Anbindung auf dem lichen Abschnittes der Dingelstädter Straße und des anschlie- Steingraben auf das Bahnhofsareal, wo der Höhenunterschied ßenden Abschnittes der Wilhelmstraße sowie des Knotenpunk- mit einer Treppen- sowie einer Rampenanlage überwunden tes Wilhelmstraße / Petristraße / Geisleder Tor zu erwarten ist. wird. Der bisher einzige Verbindungsweg durch den Fußgän- Damit kann die Qualität des innerstädtischen Wohnens in die- gertunnel Leinegasse soll saniert werden. sem Bereich erhöht werden. Die fußläufige Verbindung zwischen Leinegasse (südlich der Bahntrasse) sowie der geplanten Brücke muss entsprechend Die Flächen des Bahnhofes sowie die Ladestraße befinden sich gesichert werden. Diese muss wie bisher im Bereich des be- im Besitz der Stadt, die das Areal von der Deutschen Bahn stehenden Bahnsteigs und somit auf Flächen der Deutschen erworben hat. Es wird angestrebt, die Flächen des ehemali- Bahn verlaufen. In der Gestaltung des Bahnhofareals ist dies gen Güterbahnhofes zu entwidmen und in Teilen für den Aus- entsprechend zu berücksichtigen. bau der Landesstraße L 1005 zu nutzen. Entsprechend der zu erwartenden Lärmbelastung der L 1005 als Zubringer zur Ost- spange, der zu erwartenden Altlasten sowie der umliegenden Wohnbebauung erscheint die Bereitstellung der Flächen für kleinteilige und wohnverträgliche Gewerbestrukturen als sinn- vollste Entwicklungsperspektive.

Abb. 55: Vorentwurf der Fußgängerbrücke (Ingenieurbüro Kleb)

42 Fazit / Perspektive des Entwicklungsprofils Bei der Vermarktung ist auf die Ansiedlung von arbeitsplatz- intensiven Betrieben Wert zu legen, die strategisch in das Port- Nach der politischen Wende ist es gelungen zunächst wesent- folio der bestehenden Betriebsstruktur passt. Eine wichtige liche Schlüsselbetriebe in der Stadt zuhalten und diese auf Ressource bilden die vorhandenen gut ausgebildeten Arbeits- Dauer marktfähig weiter zu entwickeln. Dieser Prozess ist ins- kräfte in der Stadt und in der Region. Die Bedeutung des gesamt relativ ruhig und stetig vorangegangen. Diese Humankapitals zeigt zum Beispiel an Betrieben die einige Jah- unspektakuläre Vorgehensweise war dennoch sehr erfolgreich. re, nachdem sie ihre Produktion ins Ausland verlagert haben, Das zeigt sich unter anderem an der aktuellen Erweiterung wieder zurückkehren. Auch die aktuelle Diskussion um der Fa. Magna im unmittelbaren Umfeld des bestehenden Fachkräftemangel macht die Bedeutung einer motivierten und Standortes (Gewerbegebiet West I). qualifizierten Arbeitsbevölkerung deutlich.

Abb. 56: Gewerbegebiet West I - Firma Magna

Insofern sind die für die gewerbliche Wirtschaft zu konstatie- renden Problembereiche nur gering. Durch die absehbare Kon- solidierung der Flächennutzungen, die nicht mehr von dramati- schen Veränderungen gekennzeichnet wird, ist die wesentli- che Zukunftsaufgabe den Bestand zu pflegen und weiter zu Abb. 57: Altstadt - Wilhelmstraße qualifizieren. Insbesondere die Gestaltung, räumliche Qualität und in Teilen funktionale Differenzierung in den Gewerbege- Im Segment Versorgung und Handel ist Heilbad Heiligenstadt bieten Süd I und II ist unbefriedigend. Hier müssen funktionale im Prinzip gut aufgestellt, die Nahversorgung ist in allen Be- Defizite, die sich aus der Geschichte und der Nachnutzung der reich gut gesichert und flächendeckend gewährleistet. Die Standorte ergeben haben beseitigt werden, um die Qualität Differenzierung im Angebot kann bezogen auf die Größe und der bestehenden Nutzungen zu schützen und weiter zu ent- Funktion der Stadt als überdurchschnittlich bewertet werden. wickeln. Um eine nachhaltige Neuordnung von Teilbereichen Probleme gibt es in der Altstadt und bei höherwertigen Wa- zu erzielen, sind Bodenordnungsmaßnahmen, Änderungen der ren. Diese Thematik wird im Kapitel Altstadt gesondert be- Zuschnitte der Grundstücke sowie Abriss desolater Gebäude- trachtet. substanz notwendig. Hierzu bedarf es öffentlicher Förderun- gen, die vor allem die funktionierenden Bestandsbetriebe si- chern sollen. Die negative Entwicklung einzelner Grundstücke darf sich nicht auf die Nachbarnutzungen auswirken.

Mit der Inbetriebnahme des Gewerbegebietes an der A38 hat die Gemeinde die Option zusätzliche Betriebe anzusiedeln, stö- rende Betriebe umzusiedeln und bestehende Betriebe bei wei- terer Expansion in der Gemeinde zu halten.

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 43 Entwicklungsprofil Wohnen Dem gegenüber besteht auf dem Markt des Eigenheimbaus nach wie vor eine Nachfrage, wenngleich diese jedoch durch Allgemein die Abschaffung der sog. Eigenheimzulage rückläufig ist. Die- se Nachfrage hat verschiedene Gründe. Zum einem ist es nach Ausgangslage wie vor der Wunsch nach Individualität im eigenen Haus und Die aktuelle sowie die prognostizierte Bevölkerungsentwick- den spezifischen Vorteilen dieser Wohnform vor allem für die lung in Deutschland erfordert neue Strategien für die Familie, zum anderen die Attraktivität des Hauses oder der Wohnungsmärkte der Städte. Die anhaltend rückläufige na- Eigentumswohnung als Geldanlage und Alterssicherung. türliche Bevölkerungsentwicklung sowie die Konzentrations- Zur Deckung der Nachfrage in diesem Marktsegment, sieht prozesse der Bevölkerung durch arbeitsmarktbedingte Wan- die Stadt die Entwicklung der Wohngebiete Hohes Rott und derungen in den Wachstumsregionen führt in den Ab- Auf dem Hohen Raine vor. Durch die planungsrechtliche Si- wanderungsregionen mittel- und langfristig weiterhin zu wach- cherung der Flächen im Flächennutzungsplan kann die Stadt senden Wohnungsüberhängen, die nicht ausschließlich durch diese Baugebiete bedarfsgerecht ausweisen und vermarkten. marktwirtschaftliche Strategien bewältigt werden können. In weiten Teilen der neuen Länder zwingen diese Bevölkerungs- Daneben gibt es eine wachsende und differenzierte Nachfra- verluste, die notwendige Diversifizierung der lokalen Nachfrage- ge nach Mietwohnungsbau unterschiedlicher Ausprägung, an märkte sowie das nach wie vor oft schlechte Image verbun- die steigende Qualitätsanforderungen (z.B. Balkon oder Garten- den mit der baulichen Überalterung des komplexen Wohnungs- benutzung, gesicherter Stellplatz, moderne energiefreundliche baus die Kommunen und vor allem auch die großen Wohnungs- Haustechnik etc.) geknüpft sind. Vor allem für alte und noch bauunternehmen dazu, ihre Wohnungsmärkte konsequent an mobile Menschen zeigt sich eine deutliche Tendenz zurück in die reduzierte und geänderte Nachfrage anzupassen. Dass wird die Stadt, weg vom Einfamilienhaus weit außerhalb auf der weiterhin zu teils drastischen Rückbaumaßnahmen im Bestand grünen Wiese. Das hat zu tun mit der wachsenden Bedeutung führen. der Nutzung sozialer und kultureller Infrastrukturen sowie der

Abb. 58: Entwicklungsprofil Wohnen

44 Herausbildung neuer Lebensformen. Alterswohngemein- fragegerechten Baugebieten, durch die Entwicklung eines schaften in unterschiedlichsten Formen sind hier nur eine Er- kinderfreundlichen Stadtambiente und der Um- oder Nach- scheinungsform, in einer sich deutlich differenzierenden Nach- nutzung innerstädtischer Einzelgrundstücke und Brach- frage nach Wohnungsangeboten. flächen. Ähnliche Veränderungen in den Motiven zum Rückzug in die • Parallel muss ein Angebot für Ein- und Zweipersonen- Stadt sind auch bei Familien mit Kindern zu beobachten, seien haushalte sowohl für alte Menschen wie für junge Men- es Alleinerziehende oder Familien mit zwei berufstätigen El- schen, vor der Phase der Familiengründung, in einer erleb- ternteilen, denen die Nähe und Erreichbarkeit von Versorgungs- nisreichen, attraktiven Innenstadt entwickelt werden. Hierzu infrastruktur und sozialen Dienstleistungen wie Kindergärten, müssen ggf. gezielte Beratungen und Förderungen erfolgen. Schule oder Hort wichtige Aspekte in der Organisation des • Differenzierte Angebote in den Bereichen Kindergarten, Schu- Alltags sind. le, Betreuungsangebote als ergänzende soziale Dienstleistun- Insgesamt erfährt damit die Stadt mit ihrer Dichte an unter- gen. schiedlichen Angeboten einen Bedeutungszuwachs, der sich • Bei der zukünftigen baulichen Entwicklung ist generationen- letztendlich auch in der Nachfrage nach spezifischen Formen übergreifend zu denken. Dies geht von der Ausgestaltung des Wohnens in der Stadt ausdrückt. des Wohnumfeldes bis hin zur Grundrissgestaltung der Woh- In Heilbad Heiligenstadt ist o.g. Abwanderungstrend zwar er- nungen. Der Wohnraum sollte flexibel für Menschen unter- kennbar, verläuft jedoch deutlich gemäßigter als in anderen schiedlicher Generationen nutzbar sein und damit zur För- Kommunen. Dies ist u.a. auch auf die Entwicklungsgeschich- derung generationengemischter Quartiere beitragen. te der Stadt zurückzuführen, die zu DDR-Zeiten keine ausge- • Dem Wunsch nach einem eigenen, dem Wohnraum zugeord- prägte und künstlich entwickelte Industriestadt wie z.B. Leine- neten Stück Freiraum in Form von Garten oder Balkon, so- felde war, sondern über eine differenzierte Arbeitsmarkt- wie eine Stellplatzmöglichkeit muss auch in dicht bebauten struktur verfügte, die nach der politischen Wende 1989 in gro- Stadtquartieren nachgekommen werden, da dies wesentli- ßen Teilen erhalten werden können. che Nachfragefaktoren des heutigen Immobilienmarktes Es zeigt sich aber auch, dass die Stadtentwicklungspolitik der darstellen. Stadt Heilbad Heiligenstadt, mit der Sanierung der Innenstadt, • Neue Arbeitsformen in Folge der Entwicklungen des Arbeits- der sehr gezielten und nachfragegerechten Ausweisung von marktes sowie der Informationsmedien, sind wichtige Pa- Wohnbauflächen im engeren Weichbild der Stadt hier schon rameter zukünftiger Wohnungspolitik. Der Heimarbeitsplatz früh die richtigen Weichen gestellt hat. Auch die Lage und Größe für selbständige / freiberufliche Tätigkeiten oder auch in ei- des komplexen Wohnungsbaus ist gut in das Stadtgefüge in- nem Beschäftigungsverhältnis stehende Menschen wird, im tegriert. Sinne einer familienfreundlicheren Arbeitsmarktpolitik, wei- ter an Bedeutung gewinnen. Übergeordnete Entwicklungsziele Aufbauend auf die Erkenntnisse des Workshops zur Stadtent- Diese Anforderungen kann der Gebäude- und Wohnungsbestand wicklung am 11.06.2008 in der Stadthalle Heilbad Heiligen- in der Altstadt sowie den Gebieten des komplexen Wohnungs- stadt, die Ergebnisse der Bevölkerungs- und Wohnungsbedarfs- baus nicht in allen Belangen erfüllen. prognose sowie die steigenden Qualitätsanforderungen an den Wohnungsmarkt muss die Stadt die Entwicklung eines hoch- Weiteres Vorgehen wertigen Wohnstandortes anstreben, um den bestehenden Im Bereich des komplexen Wohnungsbaus sind seit der Erstel- Abwanderungstendenzen weiterhin möglichst erfolgreich be- lung des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes 2002 zahl- gegnen zu können. Daraus ergeben sich die folgenden Grund- reiche positive Maßnahmen umgesetzt worden. Diese reichen anforderungen: von Rück- und Umbau, z.B. Modernisierung der Gebäude- infrastruktur und Grundrisse sowie Anbringen von Balkonen, • Familien müssen im Weichbild der Stadt die Möglichkeit zur bis hin zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität durch Straßen- Realisierung ihres Wunsches nach individueller Wohnform sanierung sowie Gestaltung der öffentlichen und privaten Frei- erhalten, um eine Abwanderung in die Region zu verhindern räume. Mit der Weiterentwicklung dieser integrierten und um die städtischen Infrastrukturen auszulasten. Dies Wohnquartiere wurde eine Sicherung der Standorte sowie des kann geschehen durch die Ausweisung von neuen, nach- damit verbundenen Kapitals, der Gebäude und der technischen

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 45 Infrastruktur, eingeleitet, die zugleich eine Chance für die lang- Entwicklungsschwerpunkt Auf den fristige Stadtentwicklung der Stadt Heilbad Heiligenstadt dar- Liethen stellt. Der Wandel der monotonen Bausubstanz der Groß- siedlungen hat gezeigt, dass sich Quartiere durch einen geziel- Lage und Funktion im Stadtgefüge ten Abriss oder Teilrückbau einzelner Wohnblöcke und –zeilen, Das Wohngebiet Auf den Liethen befindet sich im nördlichen verbunden mit einer qualitativen Aufwertung des Woh- Stadtgebiet und bildet einen markanten Siedlungsabschluss. numfeldes und der erhaltenen Bausubstanz, in eine neue, nach- Nördlich des Wohngebietes ist die Landschaft geprägt durch fragegerechte städtebauliche Struktur überführen lassen. Er- den Einschnitt des Eichbachtales, mit dem östlichen Autobahn- gänzend hierzu stellen frei werdende Flächen ein hohes Poten- zubringer (sog. Ostspange). Über diesen Taleinschnitt hinweg tial für eine nachfrageorientierte Neubebauung dar. öffnet sich in nordöstlicher Richtung ein von landwirtschaftli- cher Nutzung geprägten Landschaftsraum, in den die Auto- Durch die bestehende Infrastruktur können zeitnah und ko- bahn A 38 sowie das Gewerbegebiet an der A 38 eingebun- stengünstig neue Angebote für individuellen Wohnungsbau den sind. entwickelt und zugleich ein positives Signal für die Wertigkeit Im Westen der „Liethen“ grenzt das Wohngebiet „Liethen West“ der Stadtgebiete gesetzt werden. an, welches ab 1999 auf einem ehemaligen Kasernenareal Dieser Wandel ist jedoch bisher nur in Teilbereichen gelungen. entstanden ist. Weiterhin befinden sich hier zwei Lebensmit- Angepasst an die Erfahrungen der vergangenen Jahre sind für telmärkte sowie der Standort der örtlichen Feuerwehr. Weite- die Bereiche, in denen noch Handlungsbedarfe bestehen, re Handelseinrichtungen sind in Vorbereitung. Entwicklungsperspektiven zu formulieren. Die Wohngebiete Auf Im Südwesten des Plangebietes schließen großzügige Grund- den Liethen sowie Auf der Rinne bilden weiterhin Entwick- stücke mit Wohnbebauung sowie Pflegeeinrichtungen an. lungsschwerpunke des künftigen Stadtumbauprozesses. Im Süden grenzt, getrennt durch die in Ost-West-Richtung ver- laufende Bahnlinie und den Heinrich-Heine Park, der Bereich Zu Beginn des Stadtumbauprozesses in Heilbad Heiligenstadt der historischen Altstadt an. Die Straßen Am Richteberg und war der Fokus fast ausschließlich auf den komplexen Woh- Leineberg bilden die einzigen Verbindungen von den „Liethen“ nungsbau gerichtet. Für die Altstadt wurde auf Ebene des in den Altstadtbereich hinein. Förderprogramms Stadtumbau kein Handlungsbedarf gesehen, da der Sanierung des historischen Gebäudebestandes auf der Basis des ausgewiesenen Sanierungsgebietes und entsprechen- der Fördermaßnahmen erfolgreich begegnet wurde.

Seit der Erstellung des Integrierten Stadtentwicklungs- konzeptes 2002 kristallisierten sich jedoch auch am Wohn- standort Altstadt zunehmend Problematiken heraus (u.a. be- züglich Kriterien wie Wohn- und Standortqualität), die nicht rein auf die bauliche Substanz beschränkt sind. Dies macht auch hier eine übergreifendere Herangehensweise und die Er- arbeitung von Entwicklungsstrategien erforderlich, die insbe- sondere auch die Qualität öffentlicher und privater Freiräume Abb. 59: Die „Liethen“ aus der Luft berücksichtigen müssen. Das Thema „Wohnen in der Altstadt“ Östlich des Wohngebietes Auf den Liethen schließt der wird gesondert behandelt. Landschaftsraum Leineaue sowie der Standort Vitalpark an. Das Wohngebiet ist geprägt durch seine Südhanglage. Im Be- reich der Leineaue befindet man sich etwa 260 Meter über NN, im Norden des Wohngebietes erreicht man eine Höhenla- ge von 290 Meter über NN. Durch die Exposition und die groß- maßstäbliche Bebauung die hangparallel orientiert ist, ist das Wohngebiet von fast jedem Standort der Kernstadt sichtbar und daher im Stadtbild sehr präsent.

46 Die wichtigste Funktion der „Liethen“ ist die Wohnungs- versorgung der Kommune. Etwa 1.800 Wohneinheiten, also ca. 22,50 % aller Wohneinheiten des Stadtgebietes sind hier zu finden.

Das Wohngebiet verfügt über eine gemischte Angebots- struktur, welche vielfältige Nutzergruppen anspricht. So sind hier Angebote für junge und alte Menschen, betreutes Woh- nen, sozialer Wohnungsbau und preiswerte Familienwohnungen zu finden. Weiterhin befinden sich hier infrastrukturelle Ein- richtungen wie Schulen, Kindergarten und kleinere Nah- versorger. Abb. 61: Straßenraum im Bereich Liethen II Die o.g. Wohnangebote können im Wesentlichen nur in diesem Struktur des Gebietes sowie dem Wohngebiet Auf der Rinne zur Verfügung gestellt Die Struktur des Gebietes ist an den unterschiedlichen werden. Gerade im Bereich des preisgünstigen Wohnungsbaus Typologien ablesbar, die in den drei Bauphasen zwischen den muss daher mittel- bis langfristig auf wesentliche Teile der 1960er Jahren bis hin zu den 1990er Jahren entstanden. Im vorhandenen günstigen Wohnungen zurückgegriffen werden Osten und Süden werden die „Liethen“ von einer vier- können. Damit wird auch die zukünftige qualitative Bedeutung geschossigen Zeilenbaustruktur (Liethen I) geprägt, die sich der „Liethen“ für das untere Wohnungsmarktsegment deut- an der Topographie orientiert und bereits weitgehend grund- lich. Allerdings wird die mittel- bis langfristige Nachfrage in saniert wurde. Diese Wohngebäude des Bautyps 0,8 MP aus diesem Segment quantitativ nicht so hoch sein, dass der not- den 1960er und 1970er Jahren machen etwa drei Viertel des wendige Auslastungsgrad erreicht werden wird. Wohnungsbestandes aus.

Abb. 60: Entwicklungsschwerpunkt Auf den Liethen

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 47 Ergänzt wurde das Gebiet Anfang der 1990er Jahre durch fünf- Nachfragergruppen wieder herzustellen. Eine reine Gebäude- geschossige Wohnungsbauten (Liethen II) westlich an Liethen sanierung kann hierzu nicht ausreichend sein, sondern es muss I anschließend. Die sog. Nachwendebauten sind blockartig auch sozialräumlich eine Neugliederung des Gesamtstandortes strukturiert und in ihrem heutigen Erscheinungsbild nicht sehr Auf den Liethen erfolgen. Hierzu ist die Erarbeitung eines Ge- ansprechend, was neben der massiv wirkenden und gestalte- samtkonzeptes unter Einbindung der beiden Haupteigentümer risch unansprechenden Architektur auch auf erkennbare Kommunale Wohnungsgesellschaft Obereichsfeld mbH (KoWo) Sanierungsbedürftigkeit zurückzuführen ist. Sie sind dem sowie Wohnungsgenossenschaft Heiligenstadt eG (WG) not- Bebauungstyp WBR-85 zuzuordnen, dieser gehört zu den letz- wendig. ten Plattenbauserien, die in der ehemaligen DDR hergestellt wurden. Bereits zur Erstellung des Integrierten Stadtentwicklungs- konzeptes 2002 hat sich jedoch das Zusammenwirken der Nördlich dieses Bauabschnitts befinden sich sieben drei- beiden als problematisch herausgestellt, da die WG für sich geschossige Mehrfamilienhäuser, die 1995 im Rahmen öffent- eine geringere Handlungsnotwendigkeit und -fähigkeit formu- licher Förderung (sozialer Wohnungsbau) entstanden sind. lierte. Dies lässt sich am Beispiel der damaligen Situation des Gebietes Liethen II verdeutlichen. Von den etwa 560 Wohn- einheiten des Gebietes befanden sich ca. 70 % (400 WE) im Perspektive des Wohngebietes Auf den Liethen Eigentum der KoWo und ca. 30 % (160 WE) im Eigentum der Bereits zum Zeitpunkt der Erstellung des Integrierten Stadt- WG. Bedingt durch die Rechtsform der WG, die den Erwerb entwicklungskonzeptes 2002 waren weite Teile der Gebäude von Genossenschaftsanteilen der jeweiligen Mieter voraus- mindestens einer Grundsanierung unterzogen. Die Sanierung setzt, verfügte diese hier über ein „wertigeres“ Mieterklientel. wurde weiter verfolgt, Gebäude vollständig oder teilweise Die Leerstandsquote lagen bei der WG bei 4 bis 7 %, während zurückgebaut und teilweise mit neuen Wohnnutzungs- die in den Beständen der KoWo bei etwas über 10 % lag. Die konzepten, z.B. betreutes Wohnen, belegt. Die Qualität des WG hat allerdings im Wohngebiet Auf der Rinne mit höheren Bereiches Liethen I wurde durch die Aufwertung von Freiräu- Leerständen zu kämpfen (dies resultierte daraus, dass hier vor- men gesteigert. Der Bereich Liethen I ist somit aus heutiger wiegend nur Teilsanierungen vorgenommen wurden) und kon- Sicht als weitgehend konsolidiert zu bezeichnen. Die Eigen- zentriert ihre Sanierungsbemühungen entsprechend dort. Letzt- tümer sind aufgrund der von ihnen entwickelten Angebots- lich führt auch die sich mit zunehmendem Leerstand verschär- struktur in der Lage ein breit gefächertes Nachfragerspektrum fende Konkurrenzsituation zu einer mangelnden Kooperation. zu bedienen, und in gewissem Rahmen flexibel auf Wohnungs- Um den notwendigen Umbauprozess in diesem Bereich in Gang marktentwicklung reagieren zu können. zu bringen, ist es das Ziel der Stadtverwaltung eine Rahmen- planung zu erarbeiten, mit der Lösungen zu den städtebauli- Als problematischer hingegen muss der Standort Liethen II chen, sozialräumlichen und eigentumsrechtlichen Fragestellun- beurteilt werden. Dies ist auf folgende Faktoren zurückzufüh- gen gefunden werden sollen. Die beiden Wohnungsbaugesell- ren. Aufgrund des geringeren Baualters, der höheren Sanie- schaften haben ihre Bereitschaft bekundet, bei diesem rungsnotwendigkeit im Gebiet Liethen I sowie ggf. fehlender Planungsprozess aktiv mitzuwirkten. Aufgrund der sozial- Finanzierungsmittel wurden Sanierungsmaßnahmen im Gebiet räumlichen Situation, die ggf. eine Dekonzentration der pro- Liethen II bisher nicht oder nicht ausreichend durchgeführt. In blematischen Klientel erfordert, sollen und müssen auch die dem Gebiet hat sich zunehmend, auch aufgrund der Zuwei- anderen Gebiete des komplexen Wohnungsbaus Liethen I so- sung günstigen Wohnraums durch die öffentliche Hand, ein wie Auf der Rinne in dem Rahmenplanungsprozess berück- sozial schlechter gestelltes Klientel, vielfach mit russisch-deut- sichtigt werden. Die Einbindung der Eigentümer und deren Ziel- schem Migrationshintergrund, etabliert. Dies hat das Image setzungen und Handlungsspielräume, insbesondere in finanzi- dieses Standortes negativ beeinflusst und führte zusammen eller Hinsicht, stellt hierbei eine unerlässliche Grundlage für mit dem teils sehr schlechten baulichen Zustand der Gebäude eine erfolgreiche Durchführung dieses Prozesses dar. Die Stadt- zur weitgehenden Konzentrierung der Leerstände und sozialer verwaltung wird hierbei als Moderator zwischen den Eigentü- Probleme des Wohngebietes auf den Abschnitt Liethen II. Um mern fungieren. einer weiteren Verschärfung der baulichen sowie sozialen Si- tuation von Liethen II entgegenzuwirken ist es notwendig, die Attraktivität des Gebietes auch für sozial besser gestellte

48 Maßnahmen Entwicklungsschwerpunkt Auf den Entwicklungsschwerpunkt Auf der Liethen Rinne Wie oben beschrieben wurden im Wohngebiet Auf den Liethen zahl- reiche Sanierungsmaßnahmen durchgeführt. Viele dieser Maßnah- Lage und Funktion im Stadtgefüge men, vor allem an den Wohngebäuden im Gebiet Liethen I Das Wohngebiet Auf der Rinne liegt am auslaufenden Nordost- waren zu Beginn des Stadtumbauprozesses bereits weitge- hang des zum Heiligenstädter Stadtwaldes gehörenden Ibergs. hend abgeschlossen. Die Altstadt befindet sich in etwa 700 m Entfernung nord- In der Übersichtskarte sind daher nur Maßnahmen aufgeführt, westlich der „Rinne“. Zwischen Altstadt und dem Wohnge- die im Rahmen der Stadtumbauförderung (Bund-Länder-Pro- biet sowie weiter in östlicher Richtung befinden sich weitere gramm „Stadtumbau Ost“ sowie Thüringer Landesprogramm zahlreiche Wohnquartiere. Diese sind vorwiegend geprägt durch „Block / Platte“) bereits umgesetzt wurden bzw. deren Um- Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Geschosswohnungsbau in setzung noch vorgesehen ist. traditioneller Bauart, vorwiegend vor 1989 erbaut.

Mit der laufenden Modernisierung des Wohngebietes Auf den Östlich an das Wohngebiet schließt noch ein kleineres Platten- Liethen wurden wichtige Schritte zur nachhaltigen Sicherung bauquartier (Albert-Schweizer-Straße), die gemeinnützige Ein- des Standortes sowie des damit verbundenen öffentlichen richtung Raphaelsheim sowie Einzelhandelsnutzungen, im sowie privaten Kapitals unternommen. Bisher erfolgreich ver- Wesentlichen zwei Lebensmittelmärkte an. laufene Umbau- und Gestaltungsmaßnahmen müssen aufge- In südöstlicher Richtung liegen die Gewerbegebiete Süd I und II, griffen, den aktuellen Marktbedingungen angepasst und in den südlich und westlich schließt der freie Landschaftsraum mit noch nicht sanierten Bereich umgesetzt werden. landwirtschaftlichen Nutzflächen, privaten Grünflächen (Gär- ten) sowie der Stadtwald an. Durch das Angebot von Wohnformen für unterschiedliche Nach- frager-/Altersgruppen und soziale Schichten soll eine verträg- Das Wohngebiet Auf der Rinne ist nahezu ausschließlich durch liche Nutzermischung und somit ein langfristig attraktives Wohngebäude geprägt. Das Gebiet wurde 1981-82 in indu- Wohngebiet geschaffen werden. Wenn dies gelingt, kann das strieller Bauweise mit Typen der WBS 70-Serie errichtet und Image der Liethen verbessert und weitere Angebote geschaf- verfügt über ca. 480 Wohneinheiten. Dies stellt mengenmäßig fen werden. etwas weniger als ein Drittel der „Liethen“ dar. Die 480 Wohn- einheiten stellen etwa 6% des Angebotes auf dem Wohnungs- Beispielsweise können frei werdende Flächen für eine nach- markt der Stadt Heilbad Heiligenstadt dar, die sich sämtlich frageorientierte Neubebauung im Eigenheimsektor, Ein- bis im Besitz der WG bzw. Einzeleigentümerschaft (durch die An- Zweifamilienhäuser, in altstadtnaher Lage entwickelt werden. forderungen des Altschuldenhilfe-Gesetzes wurde eine Priva- tisierung von 15% des Wohnungsbestandes erforderlich. Die- se erfüllte die WG mit der Veräußerung von 65 Wohneinheiten des Bestandes im Wohngebiet „Auf der Rinne“) befinden.

Struktur des Gebietes Das Wohngebiet Auf der Rinne wurde, wie auch die „Liethen“, in einer Zeilenstruktur entlang der Hangsituation entwickelt. Bedingt durch die topographischen Gegebenheiten ist das Ge- biet erschließungstechnisch in zwei Bereiche unterteilt. Mit- tig im Gebiet verläuft die Theodor-Storm-Straße, die auch an die westlich hiervon liegende Thomas-Müntzer-Straße an- schließt. Die Wohngebäude des östlichen Gebietsteiles, Til- man-Riemenschneider-Straße, sind nur fußläufig von der Theo- dor-Storm-Straße aus erreichbar. Die Erschließung der Tilman- Riemenschneider-Straße für Fahrzeugverkehre erfolgt ledig- Abb. 62: Holbeinstraße: Sanierung und Teilrückbau lich von der Straße Auf der Rinne aus.

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 49 Perspektive des Wohngebietes Auf der Rinne Bausubstanz durch hausbezogene Um- und Rückbau- Im Wohngebiet Auf der Rinne sind, wie auch Auf den Liethen, maßnahmen, z.B. neue Grundrissgestaltung, Teilrückbau mit Leerstände vorzufinden. Diese sind jedoch weniger auf städ- Anlage von Dachgärten, Anbau von Balkonen, kleinteilige Ver- tebauliche oder soziale Missstände zurückzuführen, sondern besserung des hausbezogenen Wohnumfeldes oder auch eine im wesentlichen durch den Sanierungsrückstand der Wohnbe- Auflockerung der Zeilenstruktur zu stadtvillenartigen Gebäu- bauung verursacht. Zu Beginn der Sanierungsmaßnahmen in detypologien. den Großwohngebieten der Stadt Heilbad Heiligenstadt war für die Bestände der „Rinne“, bedingt durch das jüngere Bau- alter, noch nicht eine so starke Notwendigkeit gegeben wie für den Bereich Liethen I, in dem die WG ebenfalls über größe- re Bestände verfügt. So wurden die Sanierungsmaßnahmen und die notwendigen Finanzmittel schwerpunktmäßig hier ein- gesetzt. Im Gebiet Auf der Rinne wurden überwiegend Teil- sanierungen aber auch Wohnumfeldverbesserungen vorgenom- men. So verfügt der Großteil der Wohnungen auch heute noch über nicht marktgängige Wohnungsgrundrisse mit innenliegenden, fensterlosen Küchen und Bädern, die nicht den aktuellen An- forderungen an Wohnkomfort entsprechen. Bei den voll- Abb. 64: sanierte Bestände Wohngebiet Auf der Rinne sanierten und modern hergerichteten Wohnungen verlief die Vermarktung hingegen weitgehend problemlos. Großmaßstäbliche Rückbauten erscheinen im Wohngebiet Auf Die Perspektive des Wohngebietes liegt daher deutlich stär- der Rinne aus städtebaulicher Sicht zunächst nicht erforder- ker in der Attraktivierung und Aufwertung der vorhandenen lich zu sein. Eine gestalterische und funktionale Überarbeitung

Abb. 63: Entwicklungsschwerpunkt Auf der Rinne

50 der Freiräume sowie der städtebaulichen Einbindung in das Entwicklungsflächen / Einzelprojekte Gesamtgefüge der Stadt erscheinen sinnvoll. Wie im Gebiet Auf den Liethen ist auch hier mittels einer Rahmenplanung Stadtumbaugebiet Ibergstraße – Petristraße - Holzweg das künftige Vorgehen zu bestimmen. Mit Hilfe dieses infor- mellen Planungsinstrumentes müssen kurz- bis langfristige Ehem. Verwaltungsgebäude der Maßnahmen zur Erhöhung der Marktfähigkeit und damit einer Konsumgenossenschaft nachhaltigeren Sicherung dieses Wohnstandortes herausge- Die Liegenschaft befindet sich im Stadtzentrum in unmittelba- arbeitet werden. Hierbei werden neben städtebaulich-archi- rer Nähe zum historischen Altstadtbereich. Das 1.131m² gro- tektonischen Belangen vor allem aber auch betriebswirtschaft- ße Eckgrundstück wird von der Ibergstraße aus erschlossen liche Belange eine Rolle spielen müssen. Die Einbindung der und grenzt direkt an die Petristraße (L 3080) an. WG als Haupteigentümer, als Vertreter ihrer Mitglieder sowie Das Gebäude wurde Ende des 19. Jahrhunderts als Zigarren- als Bindeglied zu den Einzeleigentümern, für die WG Verwal- fabrik errichtet. Nachfolgend beherbergte es unterschiedliche tungsaufgaben übernimmt, ist hierbei unerlässlich. Nutzungen und wurde schließlich durch die Konsumgenossen- schaft, teils unter Einbezug von Nachbargrundstücken, genutzt. Maßnahmen Entwicklungsschwerpunkt Auf der Das Gebäude stand seit Anfang der 1990er Jahre leer und Rinne stellte zuletzt einen Missstand dar, da die umliegenden Grund- Wie auch schon im Wohngebiet Auf den Liethen wurden im stücke durch Abriss, Sanierung und Neubauten in einen städ- Gebiet Auf der Rinne vor Beginn der Stadtumbauförderung tebaulich angemessenen Zustand versetzt wurden. Mitte 2008 zahlreiche Sanierungsmaßnahmen in Form von Aufwertungen wurde das Gebäude abgerissen. der Gebäudesubstanz sowie des Wohnumfeldes vorgenommen. Auf Betreiben der Kreissparkasse Eichsfeld (als Gläubiger des Die Darstellungen in der Übersichtskarte beschränkt sich je- derzeitigen Eigentümers) in naher Abstimmung mit der Stadt- doch auf die im Rahmen der Stadtumbauförderung bereits verwaltung, wurde mit der TWE GmbH & Co. Richteberg KG umgesetzten bzw. deren Umsetzung schon vorgesehen ist. Die eine Gesellschaft zur Entwicklung des Areals betraut. Die Ge- Abgrenzung des Stadtumbaugebietes Auf der Rinne umfasst sellschaft nahm den vollständigen Abriss aller vorhandenen neben dem Wohngebiet auch die Liegenschaft des Raphaels- Baulichkeiten vor und plante ein sich in das Umfeld einfügen- heimes sowie ein nordwestlich des Gebietes Auf der Rinne des Wohnensemble. Das Nutzungskonzept sieht für den Stand- liegendes Quartier im Bereich Theodor-Storm-Straße und ort alters- und behindertengerechte Wohnformen vor. Freiheitsstraße. Hier befinden sich neben freistehenden Ein- und Zweifamilienhäusern auch Geschosswohnungsbauten in Zeilenbauweise.

Die bisher erfolgten Sanierungsbemühungen müssen fortge- setzt werden. Bezüglich der bisher teilsanierten Bestände wird außerdem ein stärkeres Sanierungsengagement erfolgen müs- sen. Auch wenn das Gebiet bisher nicht mit einem negativen Image wie der Bereich Liethen II zu kämpfen hat, kann sich auch hier ein qualitatives Ungleichgewicht einstellen. So ist damit zu rechnen, dass sich mit insgesamt zurückgehender Nachfrage, bedingt durch den zu erwartenden Bevölkerungs- rückgang, die verbleibende Nachfrage auf die vollsanierten Bestände konzentrieren wird. Eine Erhöhung des Leerstandes als Folge dieses „Verschiebungsprozesses“ in den teilsanierten Bestände konzentrieren, was zu einer weiteren Abwertung des Quartiers führen kann.

Abb. 65: Neubau Ibergstraße

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 51 Liegenschaft Holzweg 7 Bei einer vollständigen Aufgabe bzw. Brachfallen der Liegen- Das Geschäftshaus Holzweg 7 sowie die angrenzenden schaft wäre auch ein gänzlicher Rückbau in Betracht zu zie- Verkehrsflächen beherbergten in der Vergangenheit im wesent- hen. Das Areal könnte dann, angepasst an die umliegenden lichen das Arbeitsamt Heiligenstadt sowie den zentralen Om- Strukturen, zu einem neuen Wohnquartier entwickelt werden. nibusbahnhof. Beide Nutzungen wurden im Zeitraum der Jah- Grundsätzlich ist zunächst jedoch das Gespräch mit dem der- re 2003/2004 aufgegeben. zeitigen Grundeigentümer zu suchen und dessen Entwicklungs- Das sich in Privatbesitz befindliche Geschäftshaus steht seit vorstellungen abzufragen. Mittels eines städtebaulichen dem in den oberen Geschossen, in denen das Arbeitsamt un- Standortgutachtens wären die dargestellten Optionen bezüg- tergebracht war, leer. Im Erdgeschoss befinden sich ein lich Entwicklungschancen, Nutzungsschwerpunkte, künftiger Gastronomiebetrieb, ein Lebensmitteldiscounter sowie meh- städtebaulicher Struktur etc. näher zu quantifizieren. Von der rere kleinflächige Läden. Teile der Erdgeschossflächen sind künftigen Entwicklung des Standortes ist auch die Umsetzung jedoch ebenfalls ohne Nutzung. der Maßnahme „Öffentliche Erschließungsmaßnahme“ abhän- gig, mit der eine übersichtlichere Straßenraumaufteilung so- wie der Rückbau der ehemaligen ZOB-Anlagen erfolgen soll. Genauso betrifft dies die „Neuordnung der Stellplatzflächen“.

Erweiterung der Wohngebiete Hohes Rott und Auf dem Hohen Raine Im Flächennutzungsplan 2006 der Stadt wurden Entwicklungs- flächen zur Erweiterung der Wohngebiete Hohes Rott sowie Auf dem Hohen Raine dargestellt. Die vorhandene Bebauung ist im Wesentlichen durch Ein- bis Zweifamilienhäuser geprägt, Abb. 66: Liegenschaft Holzweg 7 es besteht aber auch eine das Angebot ergänzende Lediglich noch etwa 30% der Flächen sind in Nutzung. Der Mehrfamilienhausbebauung. Die Gebiete wurden Mitte der Lebensmitteldiscounter ist hier als sog. „Ankernutzung“ zu 1990er Jahre zur Deckung des individuellen Wohnbedarfs aus- beurteilen, so ist bei Aufgabe der Nutzung zu vermuten, dass gewiesen. auch die kleinflächigen Läden entscheidend geschwächt wür- Auch bei rückläufiger Bevölkerungszahl und vorhandenen Leer- den. Dies ist kurz- bis mittelfristig jedoch nicht zu erwarten, ständen in anderen Stadtgebieten, vorwiegend im Geschoss- da sich der Standort in verkehrsgünstiger Lage befindet und wohnungsbau der Gebiete des komplexen Wohnungsbaus, ein wichtiger Nahversorgungsstandort für die umliegenden muss die Stadt in der Lage sein, Flächen für individuelle Wohngebiete ist. Wohnbauformen anbieten zu können. Damit kann einer Ab- wanderung von entsprechenden Bauinteressenten in andere Die ehemalige Nutzung des Bereiches als zentraler Omnibus- Kommunen entgegengewirkt werden. Die bauliche Nach- bahnhof ist an der noch bestehenden Zeile aus Wartehäuschen verdichtung (Baulücken) sowie die Nutzbarmachung von be- in massiver Bauart (Beton) erkennbar. stehenden Flächenpotentialen im bebauten Innenbereich ge- hören dennoch zu den Zielsetzungen der Wohnungsbaupolitik Konkrete Entwicklungsziele für den Standort bestehen der- der Stadt Heilbad Heiligenstadt, denen auch bei der Aufstel- zeit nicht. Interessenten für die Neuaufnahme von Nutzungen lung des Flächennutzungsplanes Rechnung getragen wurde. am Standort, insbesondere im relativ großflächigen Bereich Diese Flächen befinden sich jedoch vorwiegend in privatem der Obergeschosse, sind der Stadtverwaltung nicht bekannt. Besitz, sodass die Stadt hier kaum Einfluss auf die Entwick- Ein Möglichkeit der Standortentwicklung wäre die bestehen- lung dieser Flächen nehmen kann. Daher ist es notwendig, den Leerstände einer Nachnutzungen zuzuführen. Im langfristige Flächenpotentiale zu benennen, die kurzfristig und Erdgeschoss könnten dies weitere kleinflächige Handels- und bedarfsgerecht entwickelt werden können. Bei der Darstel- Dienstleitungseinrichtungen sein. In den Obergeschossen sind lung dieser Erweiterungsflächen im Flächennutzungsplan wur- wie bisher Büro- und Dienstleitungsnutzungen, auch in kleine- de daher Wert auf integrierte Lagen gesetzt, um Aufwendun- ren Einheiten aber durchaus auch Wohnnutzungen unterschied- gen für Infrastruktur sowie Eingriffe in den Naturhaushalt zu licher Ausprägung denkbar. minimieren.

52 Fazit / Perspektive des Entwicklungsprofils men haben zu einer guten Stabilisierung der Unternehmen und der Wohnungsbaubestände geführt. Hierzu haben in nicht un- Das Wohnen ist nach wie vor die zentrale Schlüsselfunktion erheblichem Maße auch die durchgeführten Rückbaumaß- für die Stadtentwicklung von Heilbad Heiligenstadt. Die wich- nahmen beigetragen. Die noch nicht sanierten Bestände sind tigen Aspekte der Entwicklung der Kur, der gewerblichen Wirt- nur gering. Diese noch nicht sanierten Bestände befinden sich schaft und des Handels sind oben beschrieben worden. Dabei jedoch sowohl im Wohngebiet Auf den Liethen wie Auf der ist deutlich geworden, dass ihre Entwicklung unmittelbar und Rinne an strategisch wichtigen und städtebaulich sensiblen in vielfältiger Weise mit der Qualität und einem ausdifferen- Stellen. zierten Angebot an Wohnungen verbunden ist.

Die Anforderungen an das Wohnungsangebot sind sehr nutzungsspezifisch zu betrachten und haben sich in den letz- ten Jahren deutlich verändert. Die resultierenden Anforderun- gen aus unterschiedlichen Lebensstilen, neuen Familienformen und veränderten Alterstrukturen müssen ihren Reflex im An- gebot erfahren. Hier ist die Stadt Heilbad Heiligenstadt struk- turell gut positioniert und kann perspektivisch ein breites An- gebot entwickeln. Die einzelnen Marktsegmente, die vom Ein- familienhaus bis zum urbanen Wohnen in der Altstadt sowie nutzerspezifische neue Wohnformen im Bestand der beiden Wohnungsbaugesellschaften aber auch in Neubauten alle wich- tigen Nachfragemärkte abdecken können, sind oben detailliert dargestellt.

Abb. 68: sanierte Wohnungsbestände

Neben der Qualität und den Standards der Wohnungen spielt das Wohnumfeld und die stadträumliche Qualität, man kann auch sagen Image und Bedeutung des Quartiers, für die Markt- gängigkeit und den sozialen Zusammenhalt in den Siedlungen eine zunehmend wichtige Rolle. Diese Aspekte sind bei den bisherigen Planungen eher weniger betrachtet worden. Für die Zukunft gilt es städtebauliche Gesamtkonzepte für beide Quar- tiere zu entwickeln, die diese Aspekte, die zunächst einmal außerhalb der wohnungswirtschaftlichen Betrachtung geblie- ben sind, einzubinden.

Entsprechend sind auf der Grundlage demographischer Daten und einer präzisen Untersuchung des Nachfrageklientels und der aktuellen Zusammensetzung der Bewohnerschaft, soziale und städtebauliche Entwicklungsszenarien zur künftigen Nutzerstruktur der Quartiere zu entwickeln. Hier müssen die Wohnungsunternehmen und die Stadt in enger Abstimmung Abb. 67: sanierte Wohnungsbestände und im Konsens nachhaltig tragfähige Konzepte entwickeln, Für die nahe Zukunft ist allerdings erkennbar, dass die bishe- die einerseits der sozialpolitischen Aufgabenstellung der Ge- rigen erfolgreichen Strategien der beiden großen Wohnungsei- sellschaft, Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu gün- gentümer KoWo und WG an ihre Grenzen stoßen werden. Die stigen Preisen sowie den ökonomischen Anforderungen der bisher durchgeführten Umnutzungs- und Sanierungsmaßnah- Rentabilität der Eigentümer gerecht werden.

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 53 Entwicklungsprofil Altstadt Grün- und Freiraum Eine allgemeine Aufwertung der öffentlichen Grün- und Frei- Allgemein räume ist erforderlich; die Ausgestaltung der Wilhelmstraße ist unattraktiv - Einkaufen ist kein Erlebnis - Schaffung von Bedürfnisse und Anregungen der Bürger Aufenthaltsflächen, Außengastronomie; Gestaltung der Fuß- Im Rahmen des Workshops zur Stadtentwicklung am gängerzone wirkt düster (die Wilhelmstraße befindet sich in 11.06.2008 in der Stadthalle Heilbad Heiligenstadt formulier- einer Ost-West-Ausrichtung. In Verbindung mit der vorhande- ten die Bürger und lokale Fachleute für den Bereich der Alt- nen Straßenraumbreite sowie der Bebauung ergibt es sich, stadt zahlreiche Anregungen. Hierbei wurden insbesondere dass die Fußgängerzone über weite Teile des Tages zumin- Aspekte aus den Bereichen Wohnen, Sanierung, Handel, Ver- dest teilweise verschattet ist. Der Teils dunkle Pflasterbelag kehr sowie Grün- und Freiraum vorgetragen. verstärkt diesen Eindruck), keine ausreichende Beleuchtung.

Wohnen Handel Bereitstellung von Angeboten für alle Generationen, Genera- Hoher Leerstand, Belebung notwendig; Größere Einrichtung tionenhäuser; Möglichkeiten für Neubauten für Familien, mit Magnetwirkung fehlt - Standort „Stormpassage“; Fach- barrierefreies und betreutes Wohnen; Stärkere Förderung des geschäfte und bestimmte Sortimente fehlen; Geschäfte des Erhalts der historischen (Wohn-)Bausubstanz sowie der ener- Niedrigpreissegmentes vorwiegend im Sortiment Bekleidung getischen Erneuerung; Denkmalschutz und Gestaltungszwänge (KIK, NKD, TAKKO) nehmen deutlich zu, mittleres und geho- (örtliche Satzungen) stellen Sanierungshindernisse dar; Altstadt benes Preissegment gehen zurück; Geschäfte verfügen über immer begehrterer Wohnstandort teils zu wenig und unqualifiziertes Personal; Handel stellt sich

Abb. 69: Ausschnitt aus dem Flächennutzungsplan der Stadt Heilbad Heiligenstadt

54 teils auf die Kundenbedürfnisse ein, nicht vorhandene Ange- vorgenommen, aber auch anderen bestehenden oder an- bote werden kurzfristig besorgt; Für bessere Angebote und siedlungswilligen Nutzern ausreichender Entwicklungs- ein Einkaufserlebnis werden entsprechende Wege in Kauf ge- spielraum eingeräumt, soweit diese mit der Wohnnutzung ver- nommen, z.B. Leinefelde, Duderstadt, Göttingen, Kassel, Mühl- einbar sind. Die Standorte der Gemeinbedarfseinrichtungen hausen und Erfurt. wurden im Flächennutzungsplan ebenfalls entsprechend dar- gestellt. Als wesentliche Standorte sind hier Kirchen St. Verkehr Aegidien, St. Marien und St. Martin mit dem anliegenden Berg- Überprüfung des Verkehrskonzeptes hinsichtlich Einbahn- kloster (Kath. Gymnasium St. Elisabeth) und dem Landrats- straßenregelungen; Anbindung der Kurklinik und der zugehöri- amt sowie die Lorenz-Kellner-Schule zu nennen. Weiterhin gen Stellplatzanlage (Schlachthofstraße) verbessern; Stand- wurden die Standorte des ehem. Brauhauses und der ort „Stormpassage“: Erschließung des Standortes, Anlieferung, „Stormpassage“ gemäß der rechtsgültigen Bebauungspläne als Kundenverkehr, Auswirkungen auf umliegende Wohnbebauung Sondergebiet Hotel gem. § 11 BauNVO bzw. als Kerngebiet und Leistungsfähigkeit der Göttinger Straße; Pro/Contra: Auf- gemäß § 7 BauNVO dargestellt. Die Altstadt ist auch ein we- hebung der Fußgängerzone zur besseren Erschließung der Ge- sentlicher Baustein des Kur- und Tourismussektors. schäfte für den Autoverkehr; Öffnung der Fußgängerzone für Außer für die Flächen des ehem. Brauhauses sowie der den Radverkehr; Zu wenig Parkplätze im Stadtkern, Abschaf- „Stormpassage“ wurden im gesamten Bereich der Altstadt fung der Parkgebühren; Verbesserung der Leitsysteme: Beher- keine Bebauungspläne aufgestellt. Die städtebauliche Beur- bergung und Gastronomie, Parkplätze, öffentliche Einrichtun- teilung von Vorhaben erfolgt nach § 34 BauGB, die gestalteri- gen etc. schen Belange werden durch die bestehende Sanierungs- so- Die hier auf die Kernaspekte zusammengefassten Äußerun- wie die Gestaltungs- und Erhaltungssatzung (§§ 142 und 172 gen bestätigten nochmals die Notwendigkeit der ausführliche- BauGB) sowie den hohen Anteil an denkmalgeschützten Einzel- ren und integrativen Betrachtung der Thematik Altstadt. gebäuden oder Ensembles weitgehend gewahrt. Für sich nicht in die bauliche Umgebung einfügende Vorhaben ist die Auf- Struktur der Altstadt stellung eines Bebauungsplanes erforderlich. Somit sind der Die Struktur der Altstadt ist geprägt durch die gut erhaltene Stadt ausreichende Mittel der Einflussnahme auf Bauvorha- bzw. sanierte historische Bebauung, die neben Wohn- und ben gegeben, die eine Erhaltung der kleinteiligen Nutzungs- (klein-)gewerblichen Nutzungen zahlreiche öffentliche Einrich- und Bebauungsstrukturen ermöglicht. tungen wie Kirchen, Museum, Schule und Verwaltung beher- Im Altstadtbereich, der im Wesentlichen den Abgrenzungen bergt. Der historische Stadtgrundriss ist weitgehend erhalten, der Sanierungs- sowie der Erhaltungssatzung entspricht, ver- so dass gerade in den von Wohnnutzungen geprägten Berei- fügt die Stadt über markante Grün- und Freiraumbereiche, die chen meist dicht bebaute Blockstrukturen mit in vielen Berei- der Flächennutzungsplan entsprechend darstellt. Dies sind die chen engen, „gassenartigen“ Erschließungsstraßen vorzufin- eher städtisch geprägte Bereiche um die Kirche St. Martin mit den sind. An die Bereiche mit öffentlichen Nutzungen sind meist dem anliegenden Bergkloster und dem Landratsamt (Friedens- öffentliche Freiräume angegliedert. Anhand des Flächennut- platz), die Fußgängerzone in der Wilhelmstraße sowie der zungsplanes lässt sich diese Struktur verdeutlichen. Marktplatz am alten Rathaus. Eher freiraumplanerisch geprägte Bereiche befinden sich nördlich des Marktplatzes mit dem sog. Die Altstadt ist, wie beschrieben sehr stark durch Wohn- Barockgarten, anliegend an die Kirche St. Marien sowie das nutzungen sowie wohnverträgliche Einrichtungen aus den Theodor-Storm-Museum, und an der Lindenallee. Wesentliche, Bereichen Handel und Dienstleistung aber auch Handwerk und den Charakter der Altstadt prägende Grünstrukturen sind nörd- Kleingewerbe geprägt. Weiterhin ist ein hoher Anteil an öf- lich und östlich an die historische Stadtmauer angrenzend zu fentlichen und gemeinnützigen Einrichtungen festzustellen. finden. Hierbei handelt es sich nördlich der Stadtmauer um Zielstellung des Flächennutzungsplanes für den Bereich der private Gartenflächen, die in östlicher Richtung in den Hein- Altstadt ist der Erhalt der vorhandenen Nutzungsstrukturen, rich-Heine-Kurpark übergehen, der ein wesentliches Element dementsprechend wurde der Bestand planungsrechtlich fort- des kurbezogenen Freiraumangebotes darstellt. geschrieben. Der Großteil der Altstadt wurde als „Besonderes Die Darstellung von Erschließungsstraßen ist im Flächennut- Wohngebiet“ gemäß § 4a BauNVO dargestellt. Damit wurde zungsplan auf das Hauptverkehrsnetz beschränkt. Im Bereich eine deutliche Schwerpunktsetzung zugunsten des Wohnens der Altstadt erfolgte somit lediglich die Darstellung der

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 55 Göttinger Straße, die als Landesstraße über eine entsprechende kreativen und offenen Umgang mit dem denkmalpflegerischen Bedeutung verfügt. Sonst sind innerhalb der Altstadt die Bestand muss nachgedacht werden. Eventuell sind Korrektu- Aegidienstraße und der befahrbare Abschnitt der Wilhelmstraße ren der bestehenden Vorgaben notwendig, die jedoch in einer für das übergeordnete Straßennetz bedeutsam. Bei den übri- eigenen Untersuchung in enger Kooperation und Abstimmung gen Straßen der Altstadt handelt es sich ausschließlich um mit der Denkmalpflege erarbeitet und diskutiert werden müs- Quartierserschließungen, die ein engmaschiges Netz mit, ent- sen. sprechend der städtebaulichen Dichte, zahlreichen Einbahn- Das Wohnen sowie der Einzelhandel stellen derzeit die rele- straßen und Durchfahrtsbeschränkungen bilden. vantesten Nutzungen in der Altstadt dar, für die Konzepte für eine künftige und positive Entwicklung erarbeitet werden Entwicklungsziele müssen. Im Altstadtbereich müssen diese beiden Aspekte in Aus dem Flächennutzungsplan aber auch den schon vorange- den kommenden Jahren die zentralen Entwicklungs- gangenen Planungen zur Altstadtsanierung ist ein wesentli- schwerpunkte bilden. Ergänzend hierzu muss auch den Grün- ches Entwicklungsziel ablesbar: der Erhalt und die weitere und Freiraumqualitäten in und am Rande der Altstadt beson- Stärkung des Wohnens in einem gemischten Quartier. Dies kann dere Aufmerksamkeit zukommen. Diese stellen einen wichti- und wird nur gelingen, wenn Möglichkeiten geschaffen wer- gen Standortfaktor sowohl für das Wohnen als auch für die den nachfragegerechte Angebote bereitzustellen. Die heuti- Attraktivität des Stadtraumes als Aufenthaltsort für Bürger gen Anforderungen an Wohnkomfort weichen - in Teilen oft der Stadt, Touristen und Kurgäste dar und wirkt dadurch po- auch erheblich - von dem ab, was mit den vorhandenen oder sitiv auf entsprechende Einrichtungen. (Beherbergung, Gastro- planerisch gewünschten städtebaulichen und gestalterischen nomie, Handel, Museen etc.) Strukturen (gemäß den Örtlichen Satzungen, Denkmalschutz) vereinbar ist. Das betrifft zum Beispiel geschlossene, dichte Entwicklungsschwerpunkt Wohnen in der Altstadt Blockbebauung, Regelungen zu Dachformen, An- und Aufbau- ten, Dacheindeckung, die sehr rigide an der historischen Vor- Wie im Entwicklungsprofil Wohnen bereits beschrieben, muss gabe orientiert sind. Für diese Regelungen, die von den Bau- es ein wesentliches Ziel der Wohnstandortpolitik der Stadt herren und Architekten oft als sanierungshemmend empfun- sein, Familien im Weichbild der Stadt die Möglichkeit zur Rea- den werden, sowie für den Umgang mit diesen Regelungen bei lisierung ihres Wunsches nach individueller Wohnform zu er- künftigen Bau- und Sanierungsvorhaben müssen ggf. neue möglichen. Dies ist notwendig, um Abwanderung in die Regi- Leitziele und Genehmigungsgrundlagen entwickelt werden. Hier on zu verhindern, die städtischen Infrastrukturen auszulasten muss eine sinnvolle Balance zwischen Erhalt der historischen sowie Zuwanderungen zu fördern und damit die Bedeutung Substanz, des historischen Stadtbildes und den Anforderun- und Qualität der Stadt im regionalen Kontext langfristig zu gen an modernen zeitgemäßen Wohnraum gefunden werden. sichern. Hierzu gehört sicher auch eine qualifizierte Beratung der Bau- Die Menschen haben unterschiedliche Vorstellungen über ih- herren und der Architekten über einen sachgemäßen techni- ren „perfekten“ Wohnstandort, in den sie ggf. auch durch den schen wie gestalterischen Umgang mit der historischen Sub- Erwerb einer Immobilie erheblich investieren. Nach wie vor stanz, sowie das Aufzeigen von Qualitäten, die im Erhalt der finden viele diesen Standort in Neubaugebieten. Für diese In- historischen Substanz liegen. teressenten verfügt die Stadt schon über erschlossene Flä- chen und hält noch entsprechende Flächenpotentiale vor, die Neben der Priorisierung des Wohnens muss aber auch entspre- bedarfsgerecht erschlossen werden können. Andere ziehen chend Spielraum für andere Nutzungen wie Handel, Gewerbe einen zentralen Standort in Innen-/Altstadtlage mit guter, ggf. und Dienstleistung, die die Vielfalt des Standortes Altstadt fußläufiger Anbindung an Infrastruktur- und Versorgungsein- ausmachen, bleiben. Die vorhandenen Strukturen, insbeson- richtungen wie Kindergarten, Schulen, Ärzte, Gastronomie, dere des Innenstadthandels, müssen gestärkt und nachfrage- Einzelhandel etc. vor. Hierzu ist eine funktionale und attrakti- gerecht ausgebaut bzw. umstrukturiert werden, um eine nach- ve Gestaltung der öffentlichen Grün- und Freiräume sowie der haltige Sicherung des Standortes zu erreichen. Hierbei ist je- öffentlichen Stadträume nachhaltig sicher zu stellen, die die- doch auch weiterhin die Wohnverträglichkeit aller neuen Nut- ses Gefühl des urbanen Lebens vermitteln. zungen ebenso wie ein hohes Maß an städtebaulicher sowie Die Altstadt Heiligenstadts bietet für diese Wohnbedürfnisse stadtgestalterischer Integration sicherzustellen. Über einen gute Voraussetzungen. Dies spiegelt die aktuelle Situation in

56 der Akzeptanz der Altstadt als Wohnstandort wider. So sind in attraktiver Altstadtlage geschaffen werden. Hierbei sind in der Altstadt heute keine bzw. nur kurzfristige Leerstände hohe aber auch kostenmäßig vertretbare Maßstäbe an die Ein- im Bereich von Wohnnutzungen vorzufinden. Zum Ende des fügung in die bauliche Umgebung zu stellen, um den städte- Jahres 2007 waren in der Altstadt 28 leerstehende Wohnein- baulich-gestalterischen Charakter der Altstadt zu erhalten. heiten zu verzeichnen. Bei einem Bestand von ca. 900 Wohn- einheiten entspricht dies einem Wert von ca. 3 %, was im Eine größere Brachfläche, die einer Wohnnutzung zugeführt Rahmen der sog Fluktuationsreserve liegt. Die zunehmende werden soll, ist der sog. Brauhausplatz, der wie nachfolgend Begehrtheit der Altstadt als Wohnstandort führte dazu, dass erläutert entwickelt werden soll. nahezu alle Wohngebäude/Wohneinheiten entsprechend ge- nutzt werden. Hiervon ausgenommen sind stark sanierungs- Brauhausplatz – Standort „Genial zentral“ bedürftige bzw. nicht mehr bewohnbare Gebäude. Ca. 85 % Das Areal des ehemaligen Brauhauses wird seit der Beräumung des gesamten Gebäudebestandes in der Altstadt sind saniert als innenstadtnaher Parkplatz sowie als Festplatz genutzt. bzw. befinden sich in gutem, nicht sanierungsbedürftigem Erste planerische Zielsetzungen für die Revitalisierung des Zustand. Ca. 15 % des Bestandes sind sanierungsbedürftig. Standortes wurden mit einem rechtskräftigen Bebauungsplan Hinter der zunächst statistisch sehr positiven Situation ver- festgeschrieben. Dieser spiegelt die Zielstellung eines Hotel- birgt sich möglicherweise jedoch ein zukünftiges Problem, das Neubaus mit der Nutzungsausweisung Sondergebiet Hotel und noch nicht abschließend eingeschätzt werden kann. In einigen ergänzende Wohnbebauung (Ferienwohnungen) wider. Auf- Häusern wohnen nur wenige, oft alte Menschen. Im Falle ih- grund fehlender adäquater Investitionsnachfrage konnte die- res Ablebens ist eine Nachnutzung möglichenfalls nicht gere- se Zielsetzung jedoch bisher nicht umgesetzt werden. gelt. Für einige Gebäude ist das bekannt, die Fragestellung ist Im Sommer 2005 wurden über einen städtebaulichen Wettbe- bisher aber nicht detailliert untersucht worden. Konkrete Zah- werb im Rahmen der Initiative „Genial zentral – Unser Haus in len liegen nicht vor. Diese Fragestellung sollte in das Monitoring der Stadt“ Ideen für eine Nachnutzung des Standortes gesam- der Stadt aufgenommen werden, einerseits als Früherkennung melt. Gemäß der Initiative war die Aufgabenstellung auf die möglicher Problemfelder, aber auch als Chance Wohnraum für Entwicklung eines innenstadtnahen Wohnstandortes ausge- neue Nutzer bereitzustellen. richtet. Die Integration einer Hotelnutzung war zusätzlich in Die Stadt hat einen sehr positiven Sanierungsstand erreicht, einer Variante zu untersuchen. Der Wettbewerb ermöglichte der jedoch weiter auszubauen und langfristig zu sichern ist. es somit die Zielsetzungen des Bebauungsplanes erneut zu Dies gilt nicht nur für noch bestehende, sanierungsbedürftige überprüfen und zu konkretisieren. Objekte, sondern auch für Gebäude in gutem baulichen Zu- Aktuelle Überlegungen gehen in die Richtung, an diesem in- stand, an denen in gewissem Rahmen bauliche Anpassungen nerstädtischen Standort Angebote für Altenwohnen zu reali- vorgenommen werden müssen, um aktuellen Anforderungen sieren. Die Kombination mit einer Hotelnutzung oder aber auch an Wohnqualität aber auch technische Standards (z.B. Energie- allgemeinen Wohnangeboten ist hier durchaus denkbar. technik) zu genügen. Weiterhin müssen unbebaute innerstädtische Einzelgrund- Die bauliche Entwicklung des Standortes soll weiterhin in ei- stücke und Brachflächen einer entsprechenden Nachnutzung ner gemischten Nutzungsstruktur erfolgen. Durch das verstärk- zugeführt werden. Damit können Flächen für Neubauten auch te Interesse nach Wohnflächen in der Altstadt kann hier zu-

Abb. 70: Visualisierung zur Bebauung Obere Altstadt

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 57 künftig ein Entwicklungsdruck entstehen, der eine reine vorwiegend den sog. „inhabergeführten“ Geschäften zuzuord- Wohnbauentwicklung als die einfachere und schnelle Lösung nen sind. Im Gegenzug nehmen Betriebe von Handelsketten erscheinen lässt. Jedoch würde damit aus heutiger Sicht die des Niedrigpreissegmentes vorwiegend im Sortiment Beklei- einzige Potentialfläche für die Entwicklung eines weiteren dung (z.B. KIK, NKD, TAKKO) deutlich zu. Dieser sog. „Trading- Hotelstandortes verbaut. Dessen Notwendigkeit erweist sich Down-Effekt“ kann auf Veränderungen im Käuferverhalten jedoch als abhängig von der allgemeinen Entwicklung zurückgeführt werden, z.B. vermehrtes Einkaufen per Internet, Heiligenstadts als Kur- und Tourismusstandort und der Wir- „Erlebniseinkaufen“ in Städten mit größerem und vielfältige- kung der im Entwicklungsprofil Kur, Tourismus, Tagung, Frei- rem Angebot. zeit vorgeschlagenen Maßnahmen und wird sich ggf. erst lang- Mit dieser Entwicklung hat sich das Angebotsspektrum der fristig einstellen. Mittels eines Standortgutachtens bzw. Altstadt vereinfacht und verfügt über eine weniger differen- einer Machbarkeitsstudie müssen die unterschiedlichen Ent- zierte Struktur. Für die künftige Einzelhandelsentwicklung wicklungsoptionen auf ihre Umsetzungschancen geprüft und Heiligenstadt ist es dringend notwendig diesem Trend entge- Investoreninteressen abgefragt werden. Auf dieser Basis muss gen zu arbeiten. Bezüglich der Preissegmente sowie der Sorti- die Entscheidung für die weitere, ggf. kurz- oder lang-fristige mente muss eine Ausgeglichenheit und eine Attraktivitäts- Entwicklung getroffen werden. steigerung erreicht werden, um wieder verstärkt die Kaufkraft von Bürgern sowie Gästen der Stadt auch in diesem Segment Entwicklungsschwerpunkt Handel in der Altstadt zu binden. Insbesondere für Kurgäste und Touristen dürften Die Altstadt stellt einen Handelsschwerpunkt innerhalb der Läden von gängigen Handelsketten, die man beinahe als Stan- gesamtstädtischen Einzelhandelsstruktur dar. Die Tatsache das dard in jeder Kleinstadt bezeichnen kann, nur wenig Anzie- sich in der Altstadt gut 30 % des Gesamtbestandes der Han- hungskraft besitzen. delsflächen (ca. 16.000 m²) der Stadt befinden, untermauert dies eindrucksvoll. Insbesondere wenn man bedenkt, dass die- Positive Entwicklungseffekte sieht die Stadt diesbezüglich in ser Wert bei ostdeutschen Kommunen üblicherweise bei etwa der Ansiedlung einer größeren Einzelhandelseinrichtung bzw. 15-20 % liegt. Hierbei sollte allerdings berücksichtigt werden, einem Einkaufszentrum mit mehreren Einheiten im unmittelba- dass der Durchschnittswert bei Kurorten sicherlich etwas hö- ren oder direkten Altstadtbereich, von der man sich eine her liegen wird, da kleinteilige Handelstrukturen in attraktiver „Magnetwirkung“ erhofft. Mit dieser Einrichtung soll die Innenstadtlage eher dem Nachfragepotential der Kurgäste die- Frequentierung und die Kaufkraftbindung in der Altstadt wie- nen. Der hohe Anteil an Einzelhandelsflächen in der Innenstadt der erhöht und insgesamt eine positive Ergänzung und neue macht auch deutlich, dass die Stadt diesbezüglich eine erfolg- Impulse für die Haupteinkaufslage erreicht werden. Diese Ein- reiche Stadtentwicklung betrieben hat. Es ist ihr durch eine schätzung wird durch das GMA-Gutachten sowie örtliche Ex- gezielte Ansiedlungspolitik gelungen, den, der politischen Wen- perten gestützt. de folgenden, allgemeinen Ansturm großflächiger Einzelhandels- einrichtungen auf die sog. „grüne Wiese“ stadtverträglich zu Wilhelmstraße, Göttinger Straße, Stubenstraße steuern. (Projekt „Stormpassage“) Betrachtet man den Einzelhandelsstandort differenzierter so Bereits Ende der 1990er Jahre wurde für diesen weitgehend sind jedoch auch deutliche Problemlagen zu erkennen. In der brachliegenden Standort im Bereich der Wilhelmstraße, Göt- Haupteinkaufslage Wilhelmstraße, Marktplatz und Schöllbach, tinger Straße und Stubenstraße eine Handelseinrichtungen bis in der sich der Großteil der Einzelhandelsflächen in der Alt- zu einer Größe von ca. 1.500 m² in Verbindung mit Wohn- stadt befinden, sind nach einer Erhebung der Stadtverwaltung nutzungen projektiert. Hierfür wurde ein Bebauungsplan auf- Heilbad Heiligenstadt im März 2008 insgesamt 16 Leerstände gestellt, der insgesamt ca. 1,7 ha Kerngebiet (MK) sowie Ge- mit einer Flächengröße von etwa 1.300 m² vorzufinden. Dies biet zur Erhaltung und Entwicklung der Wohnnutzung (Beson- entspricht einer Quote von gut 8 %, die sich auf den Bereich dere Wohngebiete (WB)) gemäß BauNVO festsetzt. Eine Reali- der Wilhelmstraße konzentrieren. sierung erfolgte jedoch nicht. Eine weitere negative Entwicklung ist bezüglich der Angebots- Das aktuelle Projekt sieht die Ansiedlung von rd. 4.100 m² qualität zu verzeichnen. Dies drückt sich in einem Rückgang Einzelhandelsverkaufsfläche vor. Dabei sind im rückwärtigen des Verkaufsflächenanteils von Geschäften des mittleren und Bereich der Fläche (Stubenstraße) eher großflächige und auto- gehobenen Preissegmentes aus, die in Heilbad Heiligenstadt kundenorientierte Einrichtungen in Form von zwei Fachmärkten

58 mit zusammen etwa 1.500 m² VK sowie ein Lebensmittelmarkt mit 800 m² VK vorgesehen. In einer zur Wilhelmstraße orien- tierten Ladenpassage sollen kleinteiligere Einheiten (Fachge- schäfte) sowie ein weiterer Fachmarkt mit insgesamt 1.800 m² angesiedelt werden. In den Obergeschossen sollen nach wie vor Wohnnutzungen untergebracht werden. Im Zentrum der Entwicklungsfläche sollen etwa 128 Stellplätze entste- hen, von denen aus die neu geschaffenen Einrichtungen sowie die Wilhelmstraße (z.B. über Kupfergasse oder Ladenpassage) erreicht werden könnten. Die Haupterschließung für Kunden- sowie Anlieferverkehre soll über die Göttinger Straße erfol- gen. Abb. 72: Lageplan einer Projektvariante

Fazit / Perspektive des Entwicklungsprofils Die Perspektive der Altstadt ist in gewisser Weise prototy- pisch für die Situation auch in den anderen Entwicklungs- profilen. Einerseits ist schon sehr viel erreicht, es gibt vorder- gründig keine ausgesprochen schwierigen Problemlagen. Ober- flächlich scheint eine Stabilisierung der Altstadt eingetreten zu sein. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass es weiterer intensiver Anstrengungen bedarf, das Erreichte zu sichern und weiter auszubauen. Die Entwicklung ist noch lan- ge nicht selbsttragend. An keiner anderen Stelle wird die enge

Abb. 71: Standort „Stormpassage“ Interdependenz zwischen Wohnqualität, Kur- und Tourismus- wirtschaft, Handel, Kultur, Freiraumqualität, der öffentlichen Mit der Realisierung des Projektes soll die Attraktivität der und privaten Infrastruktur sowie dem Verkehr (Umweltverbund Altstadt als Einzelhandelsstandort gesteigert, aber auch der und PKW) so deutlich. Standort selbst, der seit langem einen städtebaulichen Miss- stand darstellt, erheblich aufgewertet werden. Die Entwick- lung des Standortes soll zur Stabilisierung und Diversifizierung der Einzelhandelsstruktur beitragen.

Wesentliches Ziel der Belegung der Verkaufsflächen ist es, in Heiligenstadt fehlende Sortimentsbereiche anzusiedeln. Den- noch ist aufgrund der bereits vorhandenen Wettbewerbsdichte in Teilsortimenten mit Überschneidungen zu rechnen. Daher empfiehlt das GMA-Gutachten hier den Grundsatz „Um- lagerungen im Betriebsbestand vor Neuansiedlungen“ zu ver- folgen. So können negative Auswirkungen auf die Bestands- strukturen vermieden werden und „alteingesessene“ Händler können ggf. von der Attraktivität eines neuen Standortes pro- fitieren.

Abb. 73: Bebauung im Bereich Brauhausplatz

Entwicklungskonzept Heilbad Heiligenstadt 59 Eine nachhaltige Entwicklung verlangt ein integriertes Hand- die Angebote im Kur- und Tourismusbereich, die Gastronomie, lungskonzept, das ausgehend von den öffentlichen städtischen die Angebotspalette im Einzelhandel, aber auch das Wohnungs- Räumen die oben genannten Belange zusammenführt, Konflikte angebot muss sich Schritt für Schritt in die Richtung hoch- abwägt und städtebaulich-räumlich sowie funktional hochwer- wertiger und nachfrageorientierter Angebote erweitern. tige Lösungen bietet. Das Ziel aller weiteren Überlegungen zur Altstadt kann nur bedeuten, wie kann die Qualität verbessert werden?

Abb. 76: Gestaltqualität des öffentlichen Raums Elemente eines solchen Konzeptes könnten sein, Einheitlich- keit und erkennbare Identität der öffentlichen Räume bezogen Abb. 74: hochwertige Sanierung des historischen Gebäudebestandes auf Materialwahl, Möblierung, Beleuchtung (Inszenierung der Das meint alle zukünftigen Lösungen müssen sich an dem Kri- Stadt in der Nacht) Beschilderung und Gestaltung der Werbe- terium der Hochwertigkeit messen lassen, es kann nicht mehr anlagen. Weitere wichtige Aspekte sind die Herstellung einer um Schadensbegrenzung oder Minimallösungen gehen. Eine flo- weitgehend barrierefreien Altstadt. rierende Altstadt muss mit ihren Pfunden wuchern, d.h. die historischen Substanz muss Image bildend inszeniert werden, Dazu muss ein städtebauliches Entwicklungs- und Gestalt- konzept für die gesamte Innenstadt erarbeitet werden. Hier- bei sind die Bürger, die Einzelhändler und die Kur- und Tourismusverantwortlichen von vorneherein intensiv einzubin- den, um zu einer konsensfähigen Entwicklungsperspektive zu gelangen. Diese muss die Interessen der Bewohner, der Händ- ler und die Belange des Kurbetriebs auf die bestmögliche Wei- se integrieren.

Abb. 75: hochwertige Sanierung des historischen Gebäudebestandes

60 Fazit / Ausblick

Mit den aufgezeigten räumlichen und funktionalen Potentia- zug, alle Maßnahmen sind immer auf ihr Integrationspotential len in den dargestellten Entwicklungsprofilen verfügt die Stadt in die Ziele der übergeordneten Entwicklungsprofile zu prüfen. Heilbad Heiligenstadt über strategische Entwicklungsfelder und Je konsequenter die Projekte, ausgerichtet auf die Gesamt- Ressourcen, die ihr - anders als anderen in der Größe vergleich- entwicklung, umgesetzt werden, umso stärker befördern sie baren ostdeutschen Gemeinden - Entwicklungs- und eine sich selbst tragende soziale und ökonomische Gesamt- Wachstumschancen bieten, die auf den ersten Blick überra- entwicklung. Dazu gehört im Wesentlichen auch die konse- schen. quente Fortsetzung der Einbeziehung der Bürgerschaft in die Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse, um größtmöglichen Konsens und Akzeptanz der Einzelmaßnahmen zu erzielen.

Auf dieser Grundlage sind die Maßnahmenkonzepte aus den Entwicklungsperspektiven abzuleiten, die Einzelmaßnahmen zu benennen, zu priorisieren, die Förderfähigkeit der Maßnahmen zu prüfen und entsprechende Finanzierungen langfristig und gestaffelt in den Haushalt einzustellen.

Investitionsvorhaben orientieren sich zunächst an kalkulier- baren, wirtschaftlichen Fakten. Der letztendliche Entschluss ist erfahrungsgemäß aber immer auch eine Entscheidung für Abb. 77: Blick auf die Stadt Heilbad Heiligenstadt einen bestimmten Ort, seine Ausstrahlung, sein Ambiente und eine konkret vorstellbare Perspektive: hier hat die Stadt Heil- Seit der Erstellung des integrierten Stadtentwicklungs- bad Heiligenstadt schon einiges zu bieten, in den nächsten konzeptes 2002 und der Umsetzung in den Flächenutzungs- Schritten wird es darum gehen dieses Flair und das positive plan 2006 sind schon wichtige Vorhaben umgesetzt oder auf Image zu stärken und zeitgemäß zu entwickeln. den Weg gebracht worden. Mit einer systematischen und koordinierten Entwicklungsstra- tegie, die die beschriebenen Teile: Gesamtentwicklung, Aus- bau und Qualifizierung der Kur- und Tourismusinfrastruktur, Ausbau des Leineparks, der Attraktivierung des Wohnungs- marktes, Weiterentwicklung Handel und Gewerbe sowie der konsequenten Aufwertung der Altstadt umfassen, kann der begonnene Prozess erfolgreich weiter geführt werden. Damit kann es gelingen die Lebensqualität und Attraktivität der Stadt nachhaltig zu sichern und weiter zu verbessern.

Der zentrale Vorteil der Entwicklungsschwerpunkte und der daraus abgeleiteten Einzelprojekte ist, dass sie jeweils für sich entwickelt und realisiert werden können, als Bündel zusätzli- che Synergien erzeugen und sich sinnvoll ergänzen. Die räum- liche und zeitliche Entkopplung der einzelnen Projekte und ihre große Flexibilität im Detail schaffen hervorragende Bedingun- gen für die notwendigen privaten Investitionen. Wo immer möglich sollten öffentliche Fördermittel den Entwick- lungsprozess stützen. Dabei ist zu jedem Zeitpunkt die Reversibilität der Planung gesichert. Das bedeutet im Gegen-

Fazit / Ausblick 61 62 Abbildungsnachweis

Arbeitsgruppe Stadt 1, 6, 8, 33, 34, 37, 38, 41, 45, 46, 47, 48, 49, 51, 53, 54, 58, 60, 61, 62, 63, 64, 66, 69, 71

Stadtverwaltung Heilbad Heiligenstadt 2, 7, 18, 19, 20, 21, 26, 27, 28, 31, 32, 35, 36, 39, 40, 42, 43, 44, 50, 52, 56, 59, 65, 67, 68, 72, 77

InWIS F&B GmbH 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17

GMA-Erhebung 2008 22, 23, 24, 25

Ingenieurbüro Kleb 55

Harmel & Löser Architekten 70

Herr Wolfgang Friese 3, 4

Citydirekt Stadtansichten 5, 29, 30, 57, 73, 74, 75, 76

Quelle CD wird noch benannt 21, 26, 27, 28, 31, 32, 35, 40, 42, 56, 77

Abbildungsnachweis 63 64