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Bemerkungen zur Verhaltensweise und Phänologie der Raupen von tetrio (Linnaeus, 1771) und verwandten Dilophonotini-Genera (: ): wer ahmt wen nach?

Boštjan Dvořák Dr. Boštjan Dvořák, Babelsberger Straße 9, D-10715 Berlin, Deutschland; [email protected]

Zusammenfassung: Mit ihren auffälligen Mustern und leb­ Hinterbereich sowie an den Klammerfüßen macht sie haf­ten Farbtönen unterscheiden sich die Raupen einiger von weitem sichtbar und ist — im Gegensatz zu denen der Gattung­ en des neotropischen Macroglossinae-Zweiges der Vertreter von Iso­gna­thus Felder & Felder, 1862 (Abb. Di­lophonotini Burmeister, 1878 beträchtlich von denen ande­ ­rer Sphingidae. Die aufsehenerregende Erscheinung 11–13) — invariabel. der Rau­pen von Pseudosphinx tetrio (Linnaeus, 1771) geht Mit dieser auffälligen Er­scheinung scheint ein nicht mit ei­nem ebenso auffälligen Verhalten einher, das Freßg­ e­ min­der auffälliges Ver­hal­ten zu korrelieren; die Raupen mein­schaften und Wanderzüge mit einschließt, wie sie für eine­ Reihe der Vertreter der Saturniidae (speziell He­mileu­­ nehmen­ keinerlei schützende­ Positionen ein, sondern ci­nae, Bunaeinae und andere) und einiger ande­ ­rer Fa­mili­ ­en füh­ren auch bei feh­lender Bedrohung lebhafte Be­we­ der Lepidoptera typisch sind, aber nicht für Schwär­mer; die gun­gen aus (unter anderem zucken die Hörner peit­ Tiere scheinen sich zu exponieren und ent­behr­en jeg­lic­her schenar­ tig vor und zurück bei jeder Fortbewegung), mimetischer Merkmale. Was lließe sich dem Aussehen und sam­meln sich auf Blättern, Stengeln und Stämmen zu Verhalten der Gattungen Pseudosphinx Bur­meister, 1856, Felder & Felder, 1862 und Pa­chylia Wal­ker, auf­fäl­ligen Ruheformationen an, und besonders die 1856 entnehmen, wie verhält es sich mit der Warntr­ acht, jun­gen Raupen bewegen sich, wie man­che Aufnahmen und welche Rolle spielen die giftigen Fut­ter­pflanzen?­ und Vi­deos belegen, gelegentlich sog­ar in geordneten ein­rei­hi­gen Zügen (Abb. 5) fort (Dvořák 2017b), wie On behaviour and phenology of caterpillars of Pseudo­ dies auch für die überwältigendeMehrzahl der Ver­tre­te­ sphinx tetrio (Linnaeus, 1771) and related Dilopho­no­ rin­nen der Gattung Automeris (Hübner, 1819) und der tini genera (Lepidoptera: Sphingidae): who imitates meist­ en anderen Gattungen der neotropischen Sa­tur­nii­­ whom? dae-Unterfamilie Hemileucinae Grote & Ro­bin­son, 1866 Abstract: By their striking patterns and variegated colours, kennzeichnend ist. the caterpillars of a few genera of the Dilophonotini Bur­ meis­ter 1878 among the neotropic Macroglossinae branch Anders als bei P. tetrio werden die meist anders, bei ei­ni­ con­siderably differ from those of other Sphingidae. The gen Arten aber auch sehr ähnlich, in fast allen Fällen startling­ appearance of the larvae of Pseudosphinx tetrio je­doch sehr bunt, also nicht mimetisch, sondern apose­­ (Lin­naeus, 1771) widely corresponds to an equally striking ma­tisch gefärbten Raupen bei der Gattung Isognathus beha­ viour, in which feeding communities and wandering pro­cessions are included, in a form typical for quite some (Abb. 11–13) — zumindest als ausgewachsene Tie­re — re­presentatives of the Saturniidae (especially Hemileucinae stets nur einzeln gefunden. Das auffällig bunte Farbkleid­ or Bunaeinae, but also others) and some other families of ohne mimetische Elemente scheint bei diesen beiden­ Lepidop­ tera, but not for the Sphingidae; the seem Gattungen, im Gegensatz zu den mimetisch ge­färb­ten to expone themselves and miss any kind of mimetic ele­ Raupen der dritten nahe verwandten Gattung Erin­nyis ments. What can be eventually concluded from appear­ ­ance and behaviour in the genera Pseudosphinx Burmeister, 1856, Hübner, [1819], mehr oder weniger eng mit dem hohen­ Isognathus Felder & Felder, 1862 and Wal­ker, Giftgehalt ihrer Futterpflanzen zusam­men­zu­hän­gen. 1856, what is the matter with the warning signals, and what Bunte Farben und auffällige Muster werden bei Schmet­ is the role of poisonous hostplants? terlingsraupen traditionell mit Mimikry as­so­zi­iert, da Keywords. Neotropics, Dilophonotini, larval phenology, lar­ zu vermuten ist, daß die Tiere andere, meist ge­fähr­ val behaviour, larval hostplants, warning signals, Bat­esi­ ­an mimicry, Mullerian mimicry, gregarious occurence. lichere Lebewesen nachahmen, das heißt im Laufe der Entwicklung durch selektive Mechanismen infolge der genetischen Vererbung deren Aussehen bezie­ hungs­­ Einleitung wei­se einzelne Merkmale davon angenommen haben. In Die buntgestreiften Raupen von Pseudosphinx tetrio (Lin­ die­sem Kontext ist von der Batesschen beziehungsweise naeus, 1771) (Abb. 1–5) fallen auf ihren Futt­er­pflan­zen der Müllerschen oder Mertensschen Mimikry die Rede — — fast ausschließlich Arten der Gattung Plu­me­ria und wobei es meist schwierig erscheint, die einzelnen Ty­pen gelegentlich noch einigen Vertretern von Hi­ma­t­an­thus der Mimikry sicher und zuverlässig voneinander zu tren­ und Alamanda sowie eventuell weiteren Gattun­ g­en der nen. Obwohl die anzunehmenden Mimikry-Mec­hanis­­ Apocynaceae oder Hundsgiftgewächsen — so­wohl in men auf gut begründete Vermutungen zurückgehen und den jungen Stadien als auch als ausgewachsene Tiere naheliegende Überlebensstrategien widerspiegeln, lie­ auf; das lebhaft schimmer­ n­de schwarz-weiß be­zie­ gen im einzelnen oft immer noch keine zufr­ ieden­ st­ ellen­­ hungs­weise -gelblich ge­rin­gel­te Rumpfmuster mit ro­tem den Belege für ein funktional wirksames Ver­teidi­ ­gungs­ Kopf und orang­ef­arbe­ nen­ Elementen im Vorder- und konzept auf dieser Basis vor.

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Beschreibung einiger Details bar, der Effekt be­zie­hungs­wei­se Zusammenhang aber meist offensichtlich ist. So signa­ ­lisier­ en bunte Far­ben in Müllersche und Batessche Mimikry gestreiften Mustern im Tier­reich oft Lebens­ ­ge­fahr — sei Das nach Bates (1862) benannte Konzept der Ver­tei­ es, daß diese von der Un­ver­daulichkeit eines Or­ganismus digung­ eines Organismus durch Nachahmung gef­ähr­li­ ausgeht, sei es, daß ein Biß des Tieres töd­lich sein kann. ch(e­r)er Lebewesen (Batessche Mimikry) leuchtet ein Mit dem entsprechend effektvollen Farbkleid sind im­mer und scheint im Tier­reich eine bedeutende Rolle zu spie­ angreifbare Lebewesen, also potentielle Beutetiere, aus­ len. Den Be­ob­ach­tun­gen Bates’ an neotropischen Fal­ tern der Gattung Dis­morphia und der Ithomiini zufolge gestattet; das läßt sich bei Wespen, anderen In­sekt­en, — die genießbare Art nahm infolge selektiver Me­chanis­­ darunter manchen Schmetterlingen und ins­be­son­de­re men, also durch Ein­wirkung der Prädatoren, nach und deren Raupen, Spinnen, vielen Reptilien und Am­phi­ nach das Ausse­ hen­ und Verhalten der für diese ung­e­ bien, einigen Fischarten, Vertretern von Weichtieren nieß­baren Arten an —, können wir schon im Rahmen der und weiteren Tierordnungen beobachten. Lepidoptera leicht weitere überzeugende Beispiele hin­ Der schwache beziehungsweise problematische Punkt die­ zu­fügen: Fal­ter, deren Hinterflügel augenähnliche Mus­ ses auf verschiedenen Beobachtungen begründeten Kon­ ter aufweisen, beziehungsw­ eise Raupen mit ähnli­c­hen zepts ist die Unkenntnis über seinen genauen Ur­sprung. Strukturen im Thor­akalbereich oder solche, die ander­ ­ Der Effekt kann auf eine geologisch ältere Ge­ge­ben­heit weitig an eine Schlan­ge, Echse, Wespe, Spinne, ei­nen zu­rück­gehen, von der wir heute wenig wissen, auch Vogel oder ein ander­ es größeres oder giftigeres Tier wenn sie möglicherweise in allen beobachteten Fällen­ er­innern, das den eventuellen­ Prädatoren gefährlich wer­den kann bezie­ ­hungs­weise kein geeignetes Beutetier — konkret bei allen auffällig gestreiften Lebe­ ­we­sen — dar­stellt. Solche Merkmale­ belegen offensichtlich einen zumindest in Resten vorhanden, also erhalten ist. Ab­schre­ckungs­me­chanismus, dessen Wirksamkeit in Es kann sich andererseits aber auch um verschiedene, eini­g­en Fällen durch Beobachtungen nachgewiesen voneinander­ unabhängige Ursprünge handeln, deren wur­de und für viele andere entsprechend vermutet Grund­funktionen später zusammenflossen und heute bezie­ hungs­ w­ eise vor­ausgesetzt werden kann (siehe etwa nicht mehr oder nur teilweise rekonstruierbar sind. So Jan­zen et al. 2010, Siler & Welton 2010). sind auch viele Räuber, etwa manche Vögel, Waschbä­­ Im Fall unserer bunten Raupen wird in der Literatur ren, Katzen, Lemuren oder Beutelwölfe ähnlich ge­mus­ ebenf­alls auf eine solche Verbindung hingewiesen, und tert, und bei Tigern und Zebras scheint die seit langem zwar scheint es glaubhaft, daß sie mit ihren Mustern dis­kutierte Funktion der Streifen immer noch nicht das Aussehen der im selben Areal vorkommenden restlos­ geklärt zu sein. Zugleich sind Teile einer Mül­ Ko­ral­len­ottern (Micrurus spp.; Elapidae) „nachahmen“ ler­schen Mimikry-Gemeinschaft öfter zusätzlich auch (Green & McDiarmid 1981, 2005, Brodie 1993, Brodie & als eine­ Reihe von Einzelfällen der Batesschen Mimikry Janzen 1995, Brodie & Moore 1995). Eine Ver­mutung,­ deut­bar, etwa im Fall der Hornissenglasflügler wie Sesia die angesichts der Gefährlichkeit mancher ihrer Ver­ api­formis (Clerck, 1759) und Vertreter anderer Gattun­­ treter scheinbar keiner weiteren Begründung bedarf, gen der Familie Sesiidae (Glasflügler) oder, innerhalb zu­mal da es nachgewiesen ist, daß die giftigen, lebens­­ der Sphingidae, der Gattung der Hummelschwärmer, ge­fährlichen Arten (Abb. 20–22) vielfach von ungif­ ­ti­ He­maris Dalman, 1819, deren Erscheinung eindeutig gen, harmlose(re)n Vertretern der Schlangengattungen auf die der entsprechenden Hautflügler (Hymenoptera) Ce­mophora und Lampropeltis (Colubridae) nachgeahmt wer­den (Abb. 17–19). Der Effekt ist — zumindest inner­ ­ zu­rückgeht. halb der Schlangen — biologisch ökonomisch, denn auf­ Bunt quergestreifte (geringelte) Raupen ernähren sich grund der ähnlichen Färbung werden, mit entsprechend ty­pischerweise von besonders giftigen Gewächsen und aussc­hlaggebenden Abweichungen bei sympatrischer sind ungenießbar oder schlecht verdaulich; das gilt und allopatrischer Verbreitung (Harper & Pfennig 2007, für den neotropischen Schwärmer Pseudosphinx tetrio Pfennig 2010), sowohl giftige als auch ungiftige Ver­ genau­ so­ wie für den paläarktischen Jakobskrautbär Tyria treterinnen von den potentiellen Prädatoren gemie­ den.­ ja­co­baeae (Linnaeus, 1758). Die Raupen einer langen Sind also die Raupen in den Rahmen dieser Wirkung als Reihe­ anderer Schmetterlingsarten verschiedener Fa­mi­ weit­ere Nachahmer einzubeziehen und die Gef­ähr­lich­ lien weisen verblüffend ähnliche Merkmale auf. Die keit der Giftschlangen als initiales Motiv zu betrachten? meist­en von ihnen ernähren sich ebenfalls von giftigen Bei der Müllerschen Mimikry (Müller 1879) pro­fi­tiert Ge­wächsen; bei denen aber, die auf ungiftigen Pflanzen eine Gruppe verwandter oder nicht verwandter, al­so le­ben, läßt es sich vermuten, daß ihr Aussehen sich — verschiedener Le­be­we­sen (auch mehrerer Tier­ord­nun­ durch Einwirkung des Beutegreifverhaltens der Präda­­ gen) zugleich von ei­nem Signaleffekt; dasselbe Merk­ to­ren — in Anlehnung an ein giftiges „Vorbild“ entwi­­ mal kann die In­for­mation­ über verschiedene Ar­ten ckelt beziehungsweise erhalten hat, womit wir es, wie von Gefährlichkeit an po­ten­tielle Prädatoren ver­mit­ inner­ halb der Schlangen, mit einem Fall der echten teln, wobei das Aus­gangs­mo­tiv oft nicht klar de­fi­nier­ Mi­mikr­ y im Batesschen Sinne zu tun hätten.

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Raupen und Schlangen Ab­stam­mung, ausnahmslos von mimetischen Merkma­­ len gekennzeichnet, durch die sie sowohl vor Beut­e­tie­ren Angesichts des hohen Giftgehalts der Apocynaceae, von als auch vor Prädatoren getarnt sind. Keine ihrer Ver­tre­ de­ren Vertretern sich die Raupen von Pseudosphinx und terinnen ist jedoch ungenießbar und zeigt von sich aus Iso­gnathus ernähren (Apocynaceae-Arten von Plumeria, auffällige Warnsignale; diese scheinen dann auf­zu­treten, Hi­matanthus, Alamanda und einigen weiteren Gattun­­ gen) scheint die Annahme plausibel, daß die Tiere durch wenn es sich um langsame, sich verdeckt halt­ende Tiere ihr auffälliges Aussehen direkt mit ihrer Ung­ e­nieß­barkeit handelt und im selben Biotop ein gif­ti­ges, ungenießbares assoziiert werden können und zum Schutz kein externer Vorbild besteht. Gefahrenverweis vonnöten ist. Eine visuel­ ­le Mimese und Die auf der Tödlichkeit des Bißgiftes basierende Gef­ähr­ ein entsprechendes schützendes Ver­hal­ten scheinen sie lich­keit der Schlangen kann somit — allgemein — keines­­ deswegen nicht entwickelt zu ha­ben, weil sie aufgrund wegs proportional zu einer bunten Erscheinung kor­re­ der Giftigkeit nicht notwendig wa­ren. liert werden, die wir als „Warnmechanismus“ ansehen Die Verknüpfung mit ähnlichen Mustern bei gef­ähr­li­ kön­nen, während dies bei der auf der allgemeinen Gif­ chen Giftschlangen erscheint zwar möglich, kann aber tigk­ eit basierenden Ungenießbarkeit der Beutetiere aller­ ­ im Hinblick auf die Unverdaulichkeit für die meisten dings möglich ist. Vog­ el­arten und anderen Prädatoren als überflüssig an­ge­ Giftige und damit ungenießbare „Modelle“ können — se­hen werden. Als um einiges wahrscheinlicher ist die so­fern es sich tatsächlich um eine Abhängigkeit und Mög­lichkeit zu bewerten, daß die Wirkung umgekehrt nicht eher einen Paralleleffekt handelt — durchaus Rau­ ver­lief und Schlangen Raupen imitieren: das heißt, im pen alter Familien der Lepidoptera oder andere Insek­ ­ Lau­fe der Entwicklung durch Einwirkung der Selek­ ­tions­ ten gewesen sein; Brodie & Moore (1995) gehen mit me­chanismen ein ihnen ähnliches Aussehen ang­e­nom­ Hil­fe von Experimenten sogar der Frage nach, ob das men haben. Strei­fenmuster giftiger Schlangen primär von ebenfalls Diese Vermutung ließe sich durch zwei Argumente stüt­ un­genießbaren Tausendfüßern (Myriapoda) aus­ge­gan­ zen. gen sein könnte, was sich in ihrer Studie allerdings nicht • Zum einen sind alle unter dem Sammelbegriff „Ko­ral­ bestätigen oder eindeutig klären ließ. Manchen Auf­ lenschlangen“ bezeichneten Arten als Fleischfr­ es­ser nahmen ist zu entnehmen, daß das gestreifte Must­er im Gegensatz zu den besprochenen Raupen und un­ge­ einiger Schlangen, zum Beispiel Oligodon purpu­ ­ras­cens, acht­et der Gefährlichkeit einiger ihrer Vertreter sehr sogar Reihen ziehender Raupen mimt. wohl ge­nieß­bare Beutetiere, die von Vögeln, ande­ ­ren Schlan­gen und Reptilien sowie Säugetieren reg­el­mä­ Die Raupen von (Hübner, 1819) ßig verzehrt wer­den. Im Gegensatz zu Pseudosphinx Burmeister, 1856 und Iso­ • Zum anderen treten die Raupen hauptsächlich in gnathus sind die Raupen der Gattung Pachylia Wal­ker, ei­nem Biotopteil auf, in dem sich diese Schlangen als 1856 von mimetischen Merkmalen gekennzeichnet und Bo­denbewohner kaum aufhalten — in den Wipfeln auf ihren Futterpflanzen — verschiedenen Arten von ei­ni­ger Bäume. Feigenbäumen — außerordentlich gut getarnt (Abb. 14); Als nachtaktive Jäger, die sich die meiste Zeit in der sie leben einzeln in den Wipfeln der Baumkronen und Bo­den­streu oder unter niedrigem Dickicht aufhalten, bewegen sich sehr wenig. sind Schlan­gen meist nur sichtbar, wenn sie von einem in die­sem Biotopteil nach Nahrung stöbernden Prädator Die Raupen der drei verwandten Arten P. ficus (Lin­ auf­gedeckt werden. Hierbei scheint ihre bunte Er­schei­ nae­us, 1758), P. syces und P. darceta Druce, 1881 sind nung die Hauptrolle zu spielen; da sie an unverdauliche sich sehr ähnlich und verfließen in Form und Farbe aus­ Raupen­ erinnern, die sich an solchen Plätzen unter dem ge­zeich­net mit dem Laub der Futterbäume. Da sie sich, Laub verpuppen und dort als Vorpuppen be­zie­hungs­ wie die Raupen fast aller Schwärmer, auf dem Boden wei­se herumirrende Raupen aufhalten (und teilweise ver­puppen, kriechen sie als ausgewachsene Tiere in der an­sammeln), werden sie nicht aufgelesen, sondern lie­ End­phase von den Stämmen herunter; dabei verändert gen­ge­lassen. Ihre Farbe signalisiert also Unge­nieß­bar­keit sich ihr Farbkleid. Die Raupen der Art P. syces er­strah­ im Sinne der Müllerschen Mimikry. len dann in einem neuen, schwarz-weiß geringelten Mus­ter mit roter Kopfkapsel (Abb. 15 und 16). Ihre neue Demnach verleihen die Warnfarben den Schlangen Erscheinung ist nicht mehr mi­me­tisch und ent­spricht ei­nen passiven Schutz und haben für sie als Jäger keinen nicht den erwarteten tarnenden Umst­ änden auf dem Nach­teil, weil sie nachts beziehungsweise in der Boden­­ laubbedeckten Boden, sondern ei­ner offen­sicht­li­chen streu nicht sichtbar sind. Schlangen, die in höher ge­le­ Mimikry mit Warnzeichen. ge­nen Biotopteilen, etwa im Gebüsch oder in Baumkro­­ nen jagen (Python, Boas, Mambas, andere Baum­schlan­ Hängt die­se Warntr­ acht der Präpuppen von den am gen) oder aber auf der Bodenoberfläche unterwegs und Boden­ lebenden Ko­ral­lensc­ hlan­gen ab oder mit den so­mit auch tagsüber sichtbar sind (Vipern, Nattern, eben­falls dort liegenden und sich ebenso ver­puppenden Kob­ r­as), sind dagegen, ungeachtet ihrer genealogischen gif­ti­gen Rau­pen von Pseu­do­sphinx tetrio zu­sammen?

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Da es sich um ein Farbkleid handelt, das im Bo­den­be­ (zu­min­dest ansatzweise beobachtbares) geselliges Ver­ reich wirkt, wäre beides möglich und sinnvoll. Es ist halt­en kommen auch bei Hyles Hübner, 1819, einer ver­ je­doch aufgrund der oben skizzierten Unverdaulichkeit meint­lich aus der Neotropis stammenden Gattung, vor der giftigen Raupe naheliegend, daß diese nachgeahmt und sind auch hier gut mit Pflanzengiften asso­zi­ier­bar; wird, die Prädatoren also die giftige Art meiden und bei H. nicea (de Prunner, 1798) aber ist das Grundmus­­ lie­gen lassen und auch die Individuen einer anderen, ter schwarz-weiß gebändert. un­gif­ti­gen Art um so bessere Überlebenschancen hatten, Überraschend ähnliche Muster wie die Raupen von je ähn­licher sie dieser aussahen. Zu dieser Vermutung Pseu­dosphinx und Arsenura weisen schließlich jene der fügt sich der Umstand, daß die Vorpuppen von P. syces Alt­weltgattung Asota Hübner, 1819 (Erebidae) auf, ins­ nicht die für die Schlangen typischen roten oder orange­ besonder­ e der im tropischen Asien weit verbreiteten far­benen­ Elemente aufweisen, sondern nur schwarz- Art Asota plana Walker, 1854, die ebenfalls gesellig auf­ weiß ge­rin­gelt sind, also genauso aussehen, wie jene der bereits ge­schrumpften und verblaßten Raupen von P. treten und sich in großen Freßgemeinschaften vom Laub tetrio und/oder einiger Arten von Isognathus. verschiedener Feigenarten ernähren (Abb. 10). Der Umstand, daß wir weltweit Raupen mit ähnlichen Andere Raupen mit ähnlichem Muster/Verhalten Farb­mustern und Verhaltensweisen antreffen, die sich Vergleichbare Farbmuster, entweder in ähnlicher Kom­ vor­wiegend von giftigen, teilweise aber auch von ungif­­ bina­ ­tion oder sogar identischer Zeichnung, kommen bei ti­gen, aber kompakten Pflanzen ernähren, könnte dar­ Raupen­ verschiedener Schmetterlingsfamilien der Neo­ auf hinweisen, daß es sich bei sogenannten „Warn­far­ tro­pis und anderer Kontinente vor. Interessanterweise ben“ um ein äl­teres Konzept handelt, das ver­hält­nis­ tre­ten junge Raupen der neotropischen Spinnerart Ar­se­ mä­ßig ur­sprüng­lich ist und sich bei Arten, die in einer nu­ra cf. armida (Cramer, 1779) (Saturniidae, Ar­se­nu­ri­ en­gen Bindung an hochgiftige Gewächse leben, besser nae), die ebenfalls gesellig leben und ausgeprägte Freß- und öf­ter er­halt­en konnte, weil bei ihnen die Mimese, und Ruhegemeinschaften bilden (Abb. 8), in einem ein spät­er nach und nach aufkommendes Schutzkonzept, schwarz-weiß beziehungsweise schwarz-gelblic­ h ge­rin­ nicht von­nö­ten war. gel­ten Muster mit rötlichen Extremitäten auf, das sich Geht es beim schwarz-weiß ge­rin­gel­ten Muster — im von dem der Raupen von P. tetrio kaum un­ter­scheidet. Hin­blick darauf, daß es auch bei vie­len Prädatoren und Gro­ße Ansammlungen dieser mit langen schwar­zen Fort­ an­deren Tiergruppen vorkommt — mög­licherweise pri­ sätzen ausgestatteten Räupchen (L 1–L3) sehen de­nen mär um so etwas wie ein Lockmus­ ­ter, dessen Funktion­ der besprochenen Schwärmerart mit peitsc­ henf­ör­mi­ bei Beutetieren dem in Dvořák (2015a) skizzierten, gen Analhörnchen verblüffend ähnlich aus; ausg­ e­wach­ am beobac­ hteten Verhältnis zwisc­ hen dem japanischen sen erinnern sie mit ihren geschwungen gezeic­ hne­ ­ten, Ei­chen­spinner Antheraea ya­ma­mai (Guérin-Méneville, wasserartig schimmernden, auf den Seg­ment­en qua­ dratisch verteilten Mustern (Abb. 7) dagegen stark an Raupen der Isognathus-Arten, ins­be­sondere I. caricae Tafel 1: Skizzen einiger Raupen- und Schlangenarten. — Abb. 1–6:

(Lin­naeus, 1758), auch wenn sie we­sentlich flacher Pseudosphinx tetrio. 1–3: L3-, L4- und L5-Raupen beim Ruhen auf Stengeln gef­ormt und von bläulichweißer Grundf­arbe sind. Diese und Blät­tern von Plumeria alba (Apocynaceae). 4: Eiräupchen beim Abnagen der Blattepidermis. 5: Zug von L2-Raupen. 6: Eine Vorpuppe. of­fensichtlichen Ähnlichkeiten scheinen­ auf Spuren — Abb. 7–8: Ar­senura cf. armida (Saturniidae: Arsenurinae). 7: Auf grö­ßerer Zusammenhänge hinzu­ ­deu­ten, die jedoch bei einem Stamm ruhende ausgewachsene Raupen. 8: Sich auf Blättern von Pachira quinata (Mal­vaceae) häutende L -Raupen. — Abb. 9: Darunter jetzig­ em Kenntnisstand nicht def­inierbar­ sind und zur 2 eine ausgewachsene Raupe der noch nicht zugeordneten, bisher Klär­ ung weiterer Beobachtungen beziehungsw­ eise Über­ teilweise (und wohl unk­or­rekt) mit Manduca albi­plaga (Sphingidae: legungen bedürfen. Sphinginae) assoziierten Schwärmerart auf einer nicht bestimmten Pflanzenart. — Abb. 10: Die asia­tische Art Asota plana (Noc­tuoidea: Schwarz-weiß-kombinierte Muster kommen — breit Aganainae: Erebidae), ruhende L4-Raupen auf dem Blatt einer Feigenart ge­zeichne­ t oder schmal schraffiert — bei Raupen mehrerer (Moraceae). — Abb. 11–13: Rau­pen von Isognathus. 11: L4-Rau­pe von Fa­milien­ der Lepidoptera vor, nicht zuletzt bei den bek­ ann­ Isognathus leachii auf einem Alamanda-Blatt (Apocynaceae); 12: Raupe einer noch nicht klar bes­ timmba­ r­en Art dieser Gattung; 13: dar­unter am ten Danainae, die sich entsprechend auch von in der Regel Stengel eine Raupe von I. caricae. — Abb. 14–16: Raupen von Pachylia giftigen Gewächsen der Asclepiadaceae und Apo­cynaceae syces. 14: eine im Feigenlaub ge­tarnt­e so gut wie ausg­ e­wachsene­ Raupe ernähren; Isognathus leachii (Swainson, 1823) (Abb. 11) in Tarnpose. 15: darunter ein zum Boden kriechendes Exemplar in der farblichen Übergangsform. 16: ganz unten die gestreifte Vor­puppe. — und eine andere, bisher erst durch weni­ ­ge Aufnahmen Abb. 17–22: Verschiedene Schlangen. — Abb. 17–18: Über den beiden dokumentierte Isognathus-Art (Abb. 12) weisen ein Vorpuppen die ähnlich ge­mus­ter­te, nicht giftige Ket­ten­nat­ter Lam­pro­ schwarz-weißes Muster auf, ebenso wie eine­ bisher nicht pel­tis getula; links in Bewegung. — Abb. 19: darüber eine L. triangulum (beides Colubridae). — Abb. 20–22: Die meistgenannten „Model­ le“­ klar zuzuweisende Schwärmerart, die bis vor kurzem (alle drei Elapidae): Abb. 20: Die giftige Korallenotter Micrurus fulvius. wohl irrtümlich mit Manduca albiplaga (Wal­ker, 1856) in 21: Die ebenfalls giftige M. mipartitus (am Stamm) sowie 22: M. lem­ Verbindung gebracht wurde (Abb. 9), aber wahrscheinlich niscatus. M. mipartitus und M. lemniscatus sind zwei der Arten, die an ruhende (geknäuelt) beziehungsweise ziehende (ausg­ estreckt) Raupen den Macroglossinae zuzuordnen ist (Dvořák 2015b). von P. tetrio erinnern. — Alle Arten bis auf Asota plana, die die orientalische Region bewohnt, neotropisch; von diesen die Lepi­ dop­ tera bis auf Arse­ Leuchtend rote Färbung der Kopfkapsel und Ex­tre­mi­ nu­ra cf. armida (Saturniidae) alle Mitglieder des Dilophonotini-Zweiges tä­ten wie bei Pseudosphinx und Isognathus sowie ein der Unterfamilie Macroglossinae innerhalb der Sphin­gidae.

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1861) und dem Eichelhäher Garrulus­ glandarius vor­ge­ wie es am Wipfeltrieb eines mir unbekannten Strauc­ hes stell­ten Konzept der lokalen Häufung­ und territorialen mit großem, kompaktem Laub nagte. Mar­kierung entspricht? Bunte Muster, Mimese und Mimikry Gute Sichtbarkeit oder sogar Auffälligkeit war demnach ur­sprünglich von Vorteil, weil sie die Bindung eines Die Deutung bunter Farbmuster, wie sie bei recht vielen Haupt­prädators und damit automatisch den Schutz vor po­tentiellen Beutetieren auftreten, ist komplex und ver­ Neben­ ­prädatoren bewirkte; wenn später der Schutz vor langt — da sie offensichtlich mit der Gefährlichkeit und mo­bi­len Nebenprädatoren und damit die Mimese an Gif­tigkeit zusammenhängen, aber nur schwer erkennen Be­deutung gewann, erhielt sich das ursprünglichere lassen,­ in welcher Weise — weiterer systematischer Be­ob­ Kon­zept bei Arten, die sich nur nach einem spezia­ li­ ­sier­ achtungen und Überlegungen. ten Hauptprädator richteten und aufgrund ihrer Ung­e­ Die bei Pfennig (2010) beschriebenen, in umf­ang­rei­chen nieß­barkeit für andere nicht gefährdet waren — wes­we­ Studien durch­ge­führten Versuche, die die Zu­rück­hal­tung gen solche Arten heute fast immer auf besonders gif­ti­gen der Prä­da­to­ren bei entsprechenden Mus­ter­mo­ti­ven der Gewächsen leben und meist immer noch in beson­ der­ s Ko­ral­len­schlan­gen (und ihrer Mimen) be­le­gen, zeigen ausgeprägten Aggregationen auftreten. den offen­sicht­lichen Zusammenhang, lassen aber, da es Die Wirkung der Pflanzengifte scheint dabei (später) ein sich um Er­geb­nisse auf der Grundlage aus­geleg­ t­er Fallen sehr ursprüngliches Objekt der farblichen Sig­na­li­sie­rung han­delt, nicht erkennen, ob die Scheu der Jäg­ er auf der beziehungsweise Assoziierung von Gefahren dar­zu­stel­ Angst vor einem Gegenangriff oder auf der zu er­war­ten­ len; sie kann unter anderem auch darauf gestützt wer­ den Unverdaulichkeit des Organismus be­gründet ist. Es den, daß in Regionen, in denen ebenfalls entspr­ e­chend darf im Hinblick auf die zweite mög­li­che Deutung nicht gezeichnete Raupenarten vorkommen, sich aber von au­ßer Acht gelassen werden, daß es zahl­reiche andere, ungiftigen oder weniger giftigen Pflanzen ernähren, die eben­so giftige oder noch giftigere Schlangenarten ande­­ entsprechend gezeichneten Schlangen weitgehend feh­ rer Gattungen gibt, die nicht durch bun­te Farbmuster len oder nur schwach vertreten sind. ge­kennzeichnet sind. Im Gegensatz zur neotropischen Region weist die orien­ Anders verhält es sich offensichtlich bei konkreten ta­li­sche weniger toxische Vertreter der Apocynaceae auf; „Warnmo­ tiven“ wie den weltweit verbreiteten Au­gen­ entsprechend gefärbte Korallenschlangen, die sich in der must­ern, in denen sich bei einer beachtlichen Menge Neotropis einer großen Vielfalt erfreuen, sind in Asien ver­schiedener Raupenarten tatsächlich die Augen ver­ trotz eines durch die Inseln stark gegliederten Are­als auf schiedener­ Reptiliengattungen wiedererkennen lassen; wenige Gattungen (Calliophis, He­mi­bun­ga­rus) und Arten diese­ konkreteren Signale sind gewöhnlich eng an einen beschränkt. Neben Raupen von Asota pla­na sind unter weit­eren Mechanismus gekoppelt, der mit instinktivem solchen mit einem Farbmuster, das dem von Pseudosphix Re­ak­tionsautomatismus der Prädatoren zu­sam­men­ tetrio entspricht, noch die Raupen ei­niger Vertreter von hängt: den Überraschungseffekt, bei welchem aufgrund Bracca Hübner, [1820] (Geo­me­tri­dae) und Agarista der potentiellen tödlichen Bedrohung eine Flucht­reak­ ­ Leach, 1814 (Noctuoidea, Agar­is­ti­nae) zu nennen; es tion erfolgt, bevor die Proportion, Entfernung und Wahr­ handelt sich um Arten, die als Falter teil­weise ebenfalls scheinlichkeit beurteilt werden können (Janzen et al. 2010). auffällige Muster aufweisen (Hol­lo­way 1991, 1993). Nach dieser Reaktionshandlung befindet sich der Prä­ Bei Bracca werfen Siler & Welton (2010), die von einer­ da­tor in einem anderen Aufmerksamkeitszustand, und Schlangenmimikry ausgehen (Brown 2006), welche im das Beu­tetier kann erneut eine mimetische Haltung ein­ gemeinsamen Biotop mit der philippinischen Nat­tern­ neh­men, in der es nur schwierig entdeckt werden kann. art Hemibungarus calligaster auf dem südlichen Lu­zon Elemen­ t­e der Mimese und der Mimikry scheinen erst (Leviton 1963) hinsichtlich der überzeugend be­weis­ durch eine solche Kombination beziehungsweise geg­ en­ bar­en Korrelation durchaus glaubhaft erscheint, auch sei­ti­ge Verknüpfung wirklich effizient zu sein. Hierbei die Frage nach der Giftigkeit ihrer Futterpflanzen auf; schei­nen sich aus einfachen, regelmäßigen Mustern, diese scheint jedoch bis heute nicht hinreichend ge­klärt die gleich­mäßig über die Segmente verteilt waren und zu sein. Jayson Rocha, der mich während einer von als rein geometrische Motive in bunten Farben der bes­ Vasja Mihelčič geleiteten Filmexpedition von „In­be­ ser­en Sichtbarkeit dienten (dieses Konzept kennen wir tween Media“ im März 2016 begleitete, dok­umen­ ­tier­te heu­te noch bei allen Vertretern der Gattung Hyles, aber im Lauf des folgenden Sommers insgesamt drei Funde­ auch noch einigen Arten von Theretra Hübner, 1819, dieser Raupenart am Fuße des Mt.-Banahaw-Massivs zum Beispiel T. oldenlandiae (Fabricius, 1775), oder (Luzon), von denen sich zwei Tiere auf dem Laub von Xylo­ ­phanes, Hübner, [1819], zum Beispiel X. tersa (Lin­ Ta­baernemontana-Pflanzen (Apocynaceae) befanden nae­us, 1771)) nach und nach differenzierte Muster zu und eines auf einem Kaffestrauch (Coffea sp.; Rubia­­ entwic­ keln, bei denen das runde geometrische Motiv auf ceae),­ alle im Waldunterwuchs, ohne jedoch Fraßspuren den meisten Segmenten allmählich kleiner wird (Dei­ zu bemerken. Ich selbst bekam am 10. iii. 2014 am Hang lephila Laspeyres, 1809) und schließlich ver­schwin­det des Mt.-Makiling-Vulkans (Luzon) ein Exemplar dieser­ (Hippotion Hübner 1819, die meisten Arten von The­retra), beziehungsweise einer sehr ähnlichen Art zu Ge­sicht, während es auf den vorderen Segmenten im­mer größer

© Entomologischer Verein Apollo e. V., Frankfurt am Main ©Entomologischer Verein e:V. Frankfurt am Main, download unter www.zobodat.at 189 wird und in Form einiger weniger oder eines­ einzigen ———, & Janzen, F. J. (1995): Experimental studies of coral snake Paares immer mehr den Augen eines Wir­beltieres gleicht mimicry: generalized avoidance of ringed snake patterns by (zum Beispiel Daphnis Hübner, [1819]). free-ranging avian predators. — Functional Ecology, London,­ 9: 186–190. Die Entwicklung scheint also von einem allgemein bun­ ———, & Moore, A. J. (1995): Experimental studies of coral snake ten, kontrastreich hervorgehobenen und daher gut mimicry: do snakes mimic millipedes? — Behaviour, er­kenn­baren Körper in Richtung einer doppelten Aus­ Worcester, MA, USA, 49: 534–536. prä­gung zu tendieren: einer immer intensiveren mime­­ Brown, R. M. (2006): A case of suspected coral snake (He­mi­bun­ga­ ti­schen Anpassung an die Umwelt, die mit der zu­neh­ rus calligaster) mimicry by lepidopteran larvae (Bracca sp.) mend kryptischen Lebensweise einhergeht, die zugleich from Luzon Island, Philippines. — Raffles Bulletin of Zoo­ logy, Singapur, 54 (2): 225–227. mit einer auf dem Überraschungseffekt basierenden, Dvořák, B. (2015a): Beobachtungen zur Eiablagestrategie von ef­fekt­vollen Mimikry kombiniert ist. Eine solche scheint Nachtpf­auenaugen oder Pfauenspinnern (Lepidoptera: bei den Raupen der Sphinginae noch nicht vorzuk­om­ Sa­tur­niidae) im Hinblick auf das Territorialverhalten einiger men, ist aber für die der meisten Macroglossinae ty­pisch Singv­ ogelarten (Aves: Passeri). — Nachrichten des Ent­omo­­ (vergleiche Dvořák 2017a). lo­gi­schen Vereins Apollo, Frankfurt am Main, N.F. 36 (2/3): 65–76. Dies ergibt ein System der Warnung und Tarnung, wie ——— (2015b): Einige Bemerkungen zu den Präimaginalstadien es schon aus einer an den Saturniinae durchgeführten des neotropischen Schwärmers Manduca albiplaga (Wal­ Stu­die von Oberprieler & Nässig (1994) hervorgeht; ker, 1856) (Lepidoptera: Sphingidae). — Entomologische ty­pischerweise zeigen die Arten mit dem ent­spre­chen­ Zeitschrift, Schwanfeld, 125 (2): 121–125. den Muster auch zwei verschiedene, gut ausgeprägte ——— (2016): Verbreitung der Acherontiini-Genera im Lichte der Kör­perhaltungen, eine tarnende und eine warnende, Ver­puppungsweise: Die Vertreter von Coelonia und Me­ga­ wie zum Beispiel die Raupen der Gattung Daphnis. Bei cor­ma als Nichtwanderer (Lepidoptera: Sphingidae). — be­sonders bunt gefärbten Tieren wie den Vertretern Nach­rich­ten des Entomologischen Vereins Apollo, Frank­furt am Main, N.F. 37 (2/3): 109–116. von Pseudosphinx und Isognathus, aber auch Hyles, ist ——— (2017a): Tarn- und Warnverhalten bei Amphimoea walkeri da­gegen keinerlei ausgeprägte Pose zu erkennen; sie sind (Bois­duval, 1875) und anderen Cocytiina (Lepidoptera; diesbezüglich also eher „archaisch“. Sphin­gidae). — Entomologische Zeitschrift, Schwanfeld, 127 Die sogenannten „warnenden“ Farben scheinen Teil eines­ (2): 121–125. deutlich älteren Überlebensmechanismus zu sein, der ——— (2017b): Geselliges Verhalten der Raupen von Pseu­dosphinx tetrio­ (Linnaeus, 1771) (Lepidoptera: Sphin­gi­dae). — En­to­ dem „mimenden“ Konzept (Mimese und Mimikry) vor­ mo­­lo­gi­sche Zeitschrift, Schwanfeld, 127 (4): 237–240. ausgeht und oft auch mit einer geselligen Lebens­ ­wei­se Greene, H. W., & McDiarmid, R. W. (1981): Coral snake mimicry: einhergeht. Zu dieser Annahme fügt sich der Umst­ and, Does it occur? — Science, Washington D.C., 213: 1207–1212. daß auch unter den Vertretern jener Gattungen, de­ren ———, & ——— (2005): Wallace and Savage: heroes, theories and Mehrheit deutlich vom doppelten „mimischen“ Kon­ ve­nomous snake mimicry. — S. 190–208 in: Don­nel­ly, M. A., zept geprägt ist (zum Beispiel Theretra, Xylophanes) Crother, B. I., Guyer, C., Wake, M. A., & White, M. E. ger­ade diejenigen ein teilweise geselliges Verhalten (Hrsg.), Ecology and evolution in the tropics: A her­pe­to­ be­zie­hungsweise Gruppenauftreten aufweisen, die kein logical perspective. — Chicago, Ill. (University of Chica­ ­go dif­ferenziertes Muster zeigen (zum Beispiel Theretra Press), 584 S. ol­den­landiae oder Xylophanes tersa). Bei den Raupen Harper, G. R., & Pfennig, D. R. (2007): Mimicry on the edge: Why ei­nes Teils der neotropischen Dilophonotini scheint do mimics vary in resemblance to their model in different parts of their geographic range? — Proceedings of the Royal sich in­ner­halb der Familie Sphingidae — aufgrund der Society, London, B 274: 1955–1961. be­son­ders giftigen Futterpflanzen, die bis zuletzt keinen Holloway, J. D. (1991): Patterns of speciation in the Indo- mi­me­tischen Mechanismus erforderlich machten — eine Australian archipelago. — S. 340–372 in: Dudley, E. C., besonder­ s alte, „vormimische“ Lebensweise in ihrer (Hrsg.), The unity of evolutionary biology. — Proceedings of ur­sprüng­lichen Form erhalten zu haben. the IVth International Congress of Systematics and Evolu­ tio­­ na­ry Biology. — Portland, Oregon (Dioscorides Pr.), 1160 S. Dank ——— (1993/1994): The of Borneo, family Geometridae, sub­family Ennominae. — Malayan Nature Journal, Kuala Wolfgang A. Nässig, Frankfurt am Main, danke ich für Lum­pur, 47: 1–309. auf­merksame Mitgestaltung mit ergänzenden Be­mer­ Janzen, D. H., Hallwachs, W., & Burns, J. (2010): A tropical horde kun­gen und Kommentaren. of counterfeit predator eyes. — Proceedings of the National­ Academy of Sciences (USA), Washington, 107: 11659–11665. — (URL: www.pnas.org/ content/ 107/ 26/ 11659.full; last Literatur visited 2. viii. 2017.) Bates, H. W. (1862): XXXII. Contributions to an fauna of the Leviton, A. E. (1963): Contributions to a review of Philippine Ama­zon Valley, Lepidoptera, Heliconiidae. — Trans­actions­ of snakes, III. The genera Maticora and Calliophis. — Phil­ip­pine the Lin­nean Society, London, 23 (3): 495–566, pls. LV–LVI. Journal of Science, Manila, 92: 523–550. Brodie, E. D. (1993): Differential avoidance of coral snake banded Müller, F. (1879): Ituna and Thyridia: a remarkable case of mimi­­ patt­erns by free-ranging avian predators in Costa Rica. — cry in butterflies. — Proceedings of the Entomological Evolution, Medford, MA, USA, 47: 227–235. So­cie­ty of London, 1879: 20–29.

© Entomologischer Verein Apollo e. V., Frankfurt am Main ©Entomologischer Verein e:V. Frankfurt am Main, download unter www.zobodat.at 190 Nachr. entomol. Ver. Apollo, N. F. 38 (4): 190 (2017)

Oberprieler, R. O., & Nässig, W. A. (1994): Tarn- oder Warntrach­­ Re­search_files/Summary_of_Field_Experiments.pdf; last ten — ein Vergleich larvaler und imaginarer Strategien bei vi­si­ted: 2. viii. 2017.) Saturniinen (Lepidoptera: Saturniidae). — Nachrichten des Siler, C. D., & Welton, L. J. (2010): Geographic variation in Phil­ip­ Entomologischen Vereins Apollo, Frankfurt am Main, N.F. pine mimicry system: Hypothesized widespread coral snake 15 (3): 267–303. (Hemibungarus calligaster) mimicry by lepidopteran lar­vae Pfennig, D. W. (2010, unveröff.): Life imitating life: Evolution and (Bracca sp.) on Luzon Island, Philippines. — Her­pe­to­lo­gical deve lop ment of mimicry. — Batesian mimicry in snakes: A Review, Clovis, CA, USA, 41 (4): 427–430. review of recent field experiments. — Research in the David Pfennig Lab. — (URL: labs.bio.unc.edu/ pfennig/ LabSite/ Eingegangen: 19. vi. 2017

© Entomologischer Verein Apollo e. V., Frankfurt am Main, April 2018 ISSN 0723-9912

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