Grand

Text: Anne Kockelkorn Heiligendamm ist das älteste Seebad Deutschlands und eines Investor Anno August Jagdfeld schien wie gerufen, um die Heiligendamm droht zu ver- der wenigen Beispiele klassizistischer Bäderarchitektur in Nord- weiße Stadt am Meer wieder in altem Glanz erstrahlen zu las- fallen, nach der Luxussanie- Knapp 13 Millionen Euro kostet der 12 Kilometer lange Sicherheitszaun für die Staatschefs des G8-Gipfels. Dieser rung des Grand Text handelt nicht vom G8-Zaun, sondern von anderen Zäunen in Heiligendamm, von Barrieren, die dort bereits europa (Heft 27.1991). Das Kurhaus und die 16 Pensionshäuser sen. In der Hoffnung, Heiligendamm könne -Vor- (im Bild unten rechts) vor Jahren auftauchten; es ist eine leisere Geschichte über die Grenzen zwischen öffentlichem Raum und privaten und Villen entstanden zwischen 1793 und 1870, entworfen von pommerns neues Aushängeschild werden, verkaufte die Stadt ging das Geld aus. Das Pano- Carl Theodor Severin, Johann von Seydwitz und dem Schin- die Anlage an Jagdfelds Entwicklungs Compagnie Heiligen- rama zeigt den Blick von der Interessen; über Politiker und Denkmalschützer, die zulassen, dass das Erbe von Heiligendamm verloren geht; Strandpromenade Ende letz - eine Geschichte, die letztendlich beunruhigender ist als der G8-Natodraht. kelschüler Georg Demmler. Städtebaulich ist das Ensemble in damm (ECH) für weniger als sieben Mark pro Quadratmeter ten Jahres. Heute ist die Villa zwei Bereiche gegliedert; das Zentrum der Anlage besteht aus Wohnfläche. „Stadt und Vorhabenträger wirken darauf hin, Perle (links neben dem Hotel) fünf Solitären (Grand Hotel, Kurhaus, Haus Mecklenburg, Burg dass das Seeheilbad in seiner einzigartigen Ensemblewirkung bereits abgerissen, an ihrer Stelle steht die Pressetribüne Hohenzollern und Severin Palais), die diagonal nach Nordos- für die Öffentlichkeit erlebbar bleibt“, heißt es im Grundla- des G8-Gipfels. ten zum Meer hin ausgerichtet sind; zwischen diesen Gebäu- genvertrag von 2002 zwischen der Stadt und der ECH. den existiert ein direkter städtebaulicher Bezug vom Bahnhof zum Strand, der sich über die Seebrücke bis ins Meer fortsetzt. Fünf Jahre später ist das Gegenteil der Fall. Der Abriss der Villa Östlich dieses Zentrums reihen sich sieben kleine Villen an Perle im Januar 2007 beendete den Traum, Heiligendamm für der Strandpromenade auf, die sogenannte „Perlenkette“, mit der das Weltkulturerbe vorschlagen zu können – und vom Flair Villa Perle als städtebaulichem Bindeglied zum Grand Hotel. eines mondänen Badeortes ist kaum etwas zu spüren. Die fünf Solitäre sind zwar saniert, aber nur für Hotelgäste zugänglich. Nach der Wende suchte die Stadt Bad Doberan, zu der Heili- Die Villen drohen zu verfallen, der Ortsteil Heiligendamm ist gendamm gehört, einen finanzstarken Investor, um das Ensem- leergezogen, die Läden schließen, und das Ensemble wird im- ble en bloc zu sanieren. Die Bausubstanz bröckelte, in den sieb- mer weiter abgezäunt. Wer heute mit der Dampflok „Molli“ zi ger Jahren waren einige der Villen umgebaut, der Stuck ent- am Bahnhof ankommt, erreicht die Seebrücke nur noch auf fernt und die Fenstergrößen verändert worden. Der Aachener Umwegen durch den Wald. Die ECH erklärt, dass die Öffent- 10 betrifft Heiligendamm Bauwelt 23 | 2007 Bauwelt 23 | 2007 11

lichkeit aus Heiligendamm ferngehalten werden müsse, um die leger enttäuscht, ist allerdings nichts Neues; von den 36 Fonds, Schwan überhaupt genehmigt hat. Die Behörde argumen- Wirtschaftsfähigkeit des Luxushotels zu erhalten. Die Gäste die die Fundus-Gruppe seit 1982 aufgelegt hat, darunter Fonds tiert, die Villen hätten durch die DDR-Umbauten den Status würden sonst durch schaulustiges Volk belästigt. Also stellen für das Bürohaus Pyramide in Berlin-Marzahn und die Leipzi- des Einzeldenkmals verloren – als sei der Ensembleschutz der die Lokalpolitiker von Bad Doberan fest, dass die zentrale Prof.- ger Gutenberg-Galerie, haben lediglich sechs den Anlegern die Gesamtanlage bedeutungslos und die Kosten für Sanierung Dr.-Vogel-Straße eine „betrieblich-öffentliche Straße“ und keine prognostizierten Gewinne erbracht. Gewinne in einer Höhe der Villen ein unzumutbarer Härtefall. „Hier ist alles mit Gemeindestraße ist und dass der Buchenwald „Kleiner Wohld“ von mindestens 40 Millionen Euro, so schätzt die „Wirtschafts- rechten Dingen zugegangen“, versichert der Leiter der Lan- westlich der Hotelanlage einer Renaturierungsmaßnahme un- woche“, entstanden jedoch für die ECH respektive für Jagdfeld desdenkmalschutzbehörde. Gottfried Kiesow, Gründer der terzogen und deswegen abgesperrt werden muss. Im „Kleinen durch den Verkauf der Hotelgebäude in Heiligendamm an die Deutschen Stiftung Denkmalschutz meint hingegen, dass po- Wohld“ will Jagdfeld das denkmalgeschützte, hoch auf der Fundus-Gruppe selbst. Die Anteilseigner des Fonds 34 bezahl- litischer Druck ausgeübt worden sei. Auch von einer einheit- Klippe stehende Alexandrinencottage zum privaten Feriensitz ten den Kaufpreis von 178 Millionen Euro; der Gewinn ging lichen Sprachregelung gegenüber Journalisten ist die Rede – umbauen. Vielleicht musste deshalb auch der europäische Küs- hingegen auf das Konto der ECH. und von der Empfehlung, auf Negativpresse spontan zu rea - tenwanderweg, der bisher direkt am Cottage vorbeiführte, er- gieren. Im Protokoll der 12. Sitzung des Tourismusausschus- satzlos unterbrochen werden. Die Villa Perle musste bereits den ökonomischen Interessen ses des Mecklenburgischen Landtags heißt es: „... von keiner der Fundus-Gruppe weichen. Es fügt sich gut, dass ausgerech- Seite (sollen) Querschüsse oder missgünstige Äußerungen in Inzwischen mehren sich die Hinweise, dass das finanzielle net an dieser Stelle die Pressetribüne für den G8-Gipfel aufge- der Presse erscheinen, die die Platzierung (des Fonds) verzö- Polster von Anno August Jagdfeld und seiner Fundus-Gruppe baut werden soll. Die denkmalgerechte Sanierung der Villa gern, verlängern oder auch verhindern.“ dünner wird. Das Kempinski schreibt vier Jahre nach der Er- sei wegen der maroden Bausubstanz nicht möglich gewesen, öffnung immer noch rote Zahlen, und nicht wenige der vielen teilt der Pressesprecher von Fundus mit. Dies erstaunt, da bei Die Gründe, weshalb das Bau- und Denkmalschutzrecht der je- tausend Anteilseigner, die seit den Neunzigern in Jagdfelds der „denkmalgerechten“ Sanierung des Grand Hotels und des weiligen Sachlage angepasst wird, mögen damit zusammen- Heiligendamm vor Beginn Fonds investierten, fühlen sich betrogen. Um die 200 Millio- Hau ses Mecklenburg die Altbauten komplett entkernt wur- hängen, dass die Stadt Bad Doberan und das Land Mecklen- der Privatisierung (links) und im Jahr 2007: Vom Bahnhof nen Euro Sanierungskosten für Heiligendamm zu stemmen, den und lediglich die Außenmauern stehen blieben. Es ist burg-Vorpommern immer noch auf eine Million Euro Gewer- kommt man nicht mehr direkt hatte Jagdfeld in den neunziger Jahren den Fundus-Fonds 34 kaum zu glauben, dass die Kubatur der Villa Perle nicht zu besteuereinnahmen vom Kempinski Grand Hotel hoffen und zur Seebrücke, sondern muss als geschlossenen Immobilienfonds aufgelegt, mit einer Ein- erhalten war – nun, Jagfeld hat versprochen, die Villa nach darauf vertrauen, das Hotel habe, wie von Jagfeld versprochen, rechts oder links um das Ho- tel herumlaufen. stiegssumme von 25.000 Euro für die Anteilseigner und einem dem Gipfel wieder aufzubauen, diesmal unterkellert und 250 Arbeitsplätze geschaffen. Weder die ECH noch die Arbeits- Versprechen von vier Prozent steuerfreier Ausschüttung. Bisher leicht vergrößert. Es leuchtet ein, dass die Unterkellerung agentur geben derzeit Zahlen bekannt; aber wenn im Wegekarten ohne Maßstab, hat noch keiner der Anleger diese Ausschüttung erhalten, und von denkmalgeschützter Bausubstanz kostenaufwendig ist. Grand Hotel Kempinski wirklich 250 Menschen arbeiteten, Foto: Bürgerinitiative „Für Öffentlichkeit in Heili- circa 30 Millionen Fondsanteile sind immer noch nicht ver- Weniger klar ist, warum die Obere Landesdenkmalschutzbe- würden bei der derzeitigen Auslastung des Hotels jeweils zwei gendamm e.V.“ / Hannes kauft. Dass ein Immobilienfonds der Fundus-Gruppe seine An- hörde in Schwerin den Abriss der Villen Perle, Möwe und Angestellte einen Gast betreuen. Meyer, Axel Thiessenhusen