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sonderdruck iazz Torschung Jazz research 17 (1 985) aka,Cemische ,Cruck- LJ. verlaosanstalt Rona]d Hitzler, Bamberg / BRD COLLAGEN EINES SCHELMS Zum ästhetischen Stil des Francis Vincent Zappa Von der Kunst, keinem Verein beizutreten. (Die Charakteristik) Den kompositorischen Genius des Francis Vincent (Frank) Zappa musikimma- nent zu erhellen und in Bezug zu setzen zu charakteristischen Merkmalen seiner Persönlichkeit ist die ambiti-öse Absicht dieses Aufsatzes. Dabei so11 relativ wenig rekurriert werden auf biographische Details über Zappa, auf Analysen seiner Songtexte und auf die immerwieder so gern gestellten Fragen nach der Glaubwürdigkeit seiner sozialkritischen Atti- tüden, den Hintergründen seiner oft konstatierten Sex-Besessenheit und den Ursachen seines vielgeschmähten autoritären Charakters - obwohl auch l) solche Probleme nicht unerwähnt bleiber, ""rdun. Ich behaupte, daß Zappas Arbeiten aus der Zusammenschaudes bislang 2) zugänglichen Gesamtwerkes zu analysieren und zu bewerten sind: aIs Elemente der Totalisierung eines relativ frühen konzeptionellen Entwur- fes. - Zappa ist ein s a t i r i s c h e r H u m o r i s t, der seine sinnstiftende Grundidee, die p a r o d i s t i s c h e K o m i k, ent- faltet ineinemdichterisch-kompositorischen Co I I agen-We rk, das sich dem Rezipienten erschließt als Synthese medialer und insbeson- dere auditiver Techniken und Verfahren (aus Rückgriffen, Wendungen, Er- weiterungen, Verweisungen, Sprüngen, Exkursen, Überschneidungen, Revisi- onen, Paraphrasen und - im übertragenen Sinne - 'Kontrapunktierungen'). Zappa schöpft den wie weit auch immer gefassten Bereich von Rock- und Pop-Musik aus und transzendiert ihnr gespeist aus zahlreichen Quellen der modernen Klassik und des Jazz, und nimmt so eine Schlüsselstellung ein hinsichtlich erwartbarer Entwicklungen einer (Re-)Fusion derzeit noch zwanghaft (vor allem marktstrategisch begründet) differenter musik- 3), ästhetischer 'Subsubsinnwelten' "Zappa is a brilliant musician with a flair for satire. Unfortunately, he tends to do things a couple of 4 ) years before people are ready for them . " fgor Strawinsky hatte - gegen die traditionsfixierte Schönberg-Schu- 1e - der weiteren Entwicklung klassischer Musik ein prä-Feyerabendsches 'Anything goes!' eröffnet: Zappas Komponieren ist gleichsam eine Um- setzung der antipuristischen, materialreichen und'konstruktiven' Auf- fassung Strawinskys auf die aktuelle musikalische Gesamtszene - ein- schließlich aller puristischer (zentraler wie margj-naler) Strömungen, Moden und Ideologien im Rock- und Pop-Genre: "Nichts ist endgültig fest- rtl gelegt, der ganze Stoff kann vielleicht umgearbeitet, umstrukturiert und in einen relativ andersartigen Kontext gestellt werden, je nachdem, was 5 ) man damit aussagen möchte. " Trnn=q - i^denfalls kontextuell überragendes (und auch 'schwachel Phasenwiedie mu s i ka 1 i s ch unergiebiqeKonzept-Triologie D I979d und D 1980-überdauerndes) - talent a1s Komponist und Arrangeur bJ ist unbestritten. sein Ruf als Gitarrist ist geringer als sein Ehr- geiz, der sich in nicht immer originellen, oft aber ungemein ausgiebigen 1) Soli niederschlägt. Zappas Möglichkeiten aIs Sänger sind begrenzt, wenn auch nicht ohne eigenen Reiz (wie etwa D l9B3 dokumentiert); seine Ambitionen als Percussionist und Keyboard-Spieler sind kaum bekannt (jedoch etwa auf D 1969 zu hören); sej-ne Meriten a1s Choreograph, Per- former und Filmschaffender sind beachtlich und auch anerkannt; sein Image U) als Bandleader ist miserabel: Berüchtigt a1s autoritärer Egomane , wird er als 'Karajan der Rockmusik' karikiert. Politisch gilt Zappa (wenig- <{-ahq coi | 'ionssl 'DebakeI' in Berlin I968, aIs die revolutionär gestimmte APO ihn und seine Gruppe als rMothers of Reactionrabqualifizierte) als zumindest suspekt (und zwar aus jeder Position), was durch seine eigenen Außerungen eher bestärkt a1s entkräftet wird: "Ich bin sto1z, Amerikaner zu sein! .. Es ist falsch, wenn die Leute sagen, ich würde gegen das 9) System arbeiten." Seine Attitüde als exhibitionistischer Male-Chauvi- nist und pathologischer Sexmaniac hegt er, sämtlichen Angriffen aus den unterschiedlichsten ideologischen Lagern zum Trotz (oder ihnen zuliebe), seit den ersten Anfängen mit einer wahrhaft obszönen Penetranz und in I0) immer neuen varianten zum begrenzten Thema. All dies aber entfaltet sich vor dem Hintergrund, daß der arbeits- ff ) wütige Noten- und Textschreiber Zappa zuvörderst einer der raren Groß-Meister des Spotts, der Parodie, der Satire, des Zynismus, der An- spielung, der Häme, des Ulks, der Ironie, der Groteske, der Wortverdre- hung und Sprachverunglimpfung, kurz: ein Protagonist der 'verkehrten Welt' sei, ein professioneller Schalksnarr, ein musikalischer ScheIm, ein komödiantischer Freak, ein dadaistischer Karikaturist seiner viel- L2) fach gebrochenen Lebenswelt. Diese seine clowneske Absonderlichkeit, sein exzentrischer Humor, seine Skurrilität gestatten uns einen weit umfassenderen Zugriff auf Person und Werk des Alltags-Kultur-Demonteurs Zappar a1s seine oben aufgelisteten, mehr oder minder objektiv be- wertbaren Eigenschaften und Talente. Zappa, der Neo-Dadai-st, ist sekun- därsozialisiert in der Szene der Los-Angeles-Freaks (und er verstand zu- mindest in den Anfangsjahren seine Arbeit a1s ästhetischen Ausdruck des Freak-tums); Er ist weniger revolutionär aIs prinzipiell (gegenüber - fast - allem) 'verquer', eine Art höhnisch grinsender Mutation aus und im Schoße des american wav of life. "Seine Kritik an den bestehenden LI2 Verhältnissen erschöpfte sich in der Regel in beißender Ironie, Spott l-3 ) oder Zynismus. " Die Originalität und die künftige musikhistoriscire Bedeutung des mu- sikalischen Schaffens von Frank Zappa wird aber keineswegs geschmälert durch die den virtuosen Kompositionscollagen intrinsische Komik, die nicht nur in den Texten augenfälIig und sehr direkt faßbar wird, sondern ebenso nachdrücklich und wohl 'zeitloser' in der Musik selbst sich äußert. Vielmehr ist zD fragen, ob die Anstiftung zum Gelächter, die de- struktive Kraft des Unernstes nicht schlechthin d i e Überlebensstra- reoie des nroblematischen Einzeldaseins in modernen Gesellschaften sein könne; jener wirkende Faden a1so, der den 'Fleckerlteppich' konkurrie- render Sinn-Angebote, denen das Individuum gegenübersteht, zusanmenzu- hrrfon varhad v v!.rrqY , Ohne die lebensweltlichen Inkonsistenzen allzugleiCh monistisch zu übertünchen bzw. sich einer der bereitstehenden therapeu- tischen Direktiven unterzuordnen. Mit anderen Worten: ob nicht das Ko- misch-Absurde d i e Antworb sei auf die implizite oder explizite, dem Menschen in der modernen Gesellschaft aber jedenfal]s unausweichliche Frage: "W a s tun, welchen Zweck h e u t e wäh1en? Und w i e tun, 14) mit welchen Mitteln?" Der Witz (auf eigene und auf fremde Kosten), sowohl der verbale aIs auch der musikalische als auch der aus der Interdependenz dieser beiden I5) kommunikativen Medien resultierende, ist in Zappas oeuvre jene Waffe. die das b1oß gefä1Iige Sentiment abwehrt, die der Produktion i.hre kogni- tive Scharfsinnigkeit bewahrt und die Rezeption weitgehend vor unkriti- 'l(lru' scher Emotionalisierung schützt. Der ästhetische Gehalt des Z ap p a s c h en Werkes erschließt sich inder intentionalen Zuwen- dung zur Heterogenität der SEilmittel, zur Technik der Verarbeitung und zur sinnstiftenden Idee kognitiver Distanznahme, keinesfalls jedoch (oder punktuell) affektuelle oder motorische Impulse zumindest nur über 'l?\ (wie an sich im Rock- und Pop-Genre allgemein üblich Zappa ist, so betrachtet, weit weniger Rock-Musiker als vielmehr Komponist zeitgenössi- 'anti-message', scher Musik schlechthin. Seine 'Botschaft' ist eine ist Identifikations-Nihilierung: "Es gibt Leute, die miteinander gefickt haben soIlen, während sie meine Platten hörten, aber ich schätze' das 1B) sind ganz eigenartige Typen, die ganz spezielle Sachen mögen." An den Quellen der Inspiration. (Der Hintergrund) Natürlich ist Zappa aber auch ein - wenn auch sein Genre transzendieren- der - Rockmusiker. Und somit ist es trivial, darauf hinzuweisen, daß seine musikalischen Wurzeln a u c h in der Rockmusik zu finden sind. Weniger trivial ist hingegen bereits der Umstand, daß Zappa (nach eige- Il3 nem Bekunden) nie viel von der populären'weißen'Musik gehalten und 'schwarzen' stattdessen als Jugendlicher Rhythm & Blues gehört und diesen in seinen ganz frühen Jahren auch gespielt bzw. imitj-ert hat. Im übrigen finden sich in Zappas Werk immer wieder Reminiszensen an den Rhvthm o 19 Brues. ) Die andere, für die Originalität Zappas in der Rockszene wohl weitaus 20)- gewichtigere Inspirationsguelle aber ist die zeitgenössische Klassik und hier insbesondere der von Zappa hochverehrte Edgar Varese, dessen musikhistorisch wichtigste Errungenschaft "die Entbindung des Geräuschs, die Schaffung eines umfassenden Klangkontinuums und die Entdeckunq neuer Mögrichkeiten der musikalischen Form" \^/aren.2L) varese hat aus ,urrt-r-r- gen Geräuschen Musik gemacht, er hat sich kompositorisch der technisier- ten Welt' ihrer Faszination und ihrem Grauen gesteIlt. Sein Erbe insbe- sondere hat Zappa in dem ihm eigenen ironisierenden Stil übernommen: 22) "It opened my eyes up to a Lot of possibilities.,, Dieses fronisieren, dieser Unernst, die imrner wieder aufkeimende Lust am schelmischen Un-Sinn weist auf dadaistisches Ideengut hin, dessen 'provokaLive Grundgedanke ja die Destruktion als Kunstprinzip' ist: "fn der oft absurd verstellten fnterpretation des Lädierten, Kaputten, Irren 23) schmilzt die Musik zur Wegwerfware." Dieses