Textrahmenoptionen: 16 mm Abstand oben Plenarprotokoll 18/147

Deutscher

Stenografischer Bericht

147. Sitzung

Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2015

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 22: Matthias W . Birkwald (DIE LINKE)...... 14526 D Beratung der Unterrichtung durch den Parla- Karl Schiewerling (CDU/CSU) ...... 14529 A mentarischen Beirat für nachhaltige Entwick- lung: Stellungnahme des Parlamentarischen (Havelland) Beirates für nachhaltige Entwicklung zum (DIE LINKE) ...... 14530 A Indikatorenbericht 2014 „Nachhaltige Ent- Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ wicklung in Deutschland“ des Statistischen DIE GRÜNEN)...... 14530 D Bundesamtes – und – Erwartungen an den Fortschrittsbericht 2016 der nationalen (DIE LINKE) ...... 14531 D Nachhaltigkeitsstrategie Dr . (SPD)...... 14533 C Drucksache 18/7082...... 14513 B Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU). . . . 14535 A Carsten Träger (SPD)...... 14513 C Matthias W . Birkwald (DIE LINKE). . . . . 14536 C Birgit Menz (DIE LINKE)...... 14514 C (Wetzlar) (SPD) ...... 14537 D Dr . (CDU/CSU)...... 14515 C (CDU/CSU)...... 14539 A Dr .V alerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 14516 D (SPD) ...... 14541 B Dr . (SPD)...... 14518 C Sabine Leidig (DIE LINKE)...... 14519 C Tagesordnungspunkt 24: (CDU/CSU)...... 14520 B Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Maß- (SPD)...... 14521 D nahmen zur Förderung der Kulturarbeit (CDU/CSU)...... 14522 D gemäß § 96 des Bundesvertriebenengesetzes in den Jahren 2013 und 2014 Jeannine Pflugradt (SPD)...... 14524 B Drucksache 18/5598...... 14542 D (CDU/CSU)...... 14525 A Dr . (CDU/CSU)...... 14542 D Sigrid Hupach (DIE LINKE)...... 14544 A Tagesordnungspunkt 23: (SPD)...... 14545 A Antrag der Abgeordneten Matthias W . Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, (BÜNDNIS 90/ weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE DIE GRÜNEN)...... 14546 D LINKE: Rentenniveau anheben – Für eine (CDU/CSU)...... 14547 D gute, lebensstandardsichernde Rente Drucksache 18/6878...... 14526 C Dr . (CDU/CSU)...... 14548 C II Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Tagesordnungspunkt 25: Dr . (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und 14558 C SPD: Transfer von Forschungsergebnissen Dr . (CDU/CSU)...... 14560 A und Innovationen in die Gesundheitsver- sorgung beschleunigen (DIE LINKE) ...... 14562 A Drucksache 18/7044...... 14549 D Dr . (SPD)...... 14563 A (CDU/CSU)...... 14550 A Dr .Andreas Lenz (CDU/CSU)...... 14564 B (DIE LINKE)...... 14552 A (SPD)...... 14566 A René Röspel (SPD)...... 14553 B (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). . . . 14555 B Nächste Sitzung ...... 14567 D (CDU/CSU)...... 14556 C Berichtigung...... 14567 D Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr .Julia Verlinden, Christian Kühn (Tübin- gen), , weiteren Abge- Anlage 1 ordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ Liste der entschuldigten Abgeordneten. . . . . 14569 A DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (Erneuerbare-Energi- Anlage 2 en-Wärmegesetz – EEWärmeG) Drucksache 18/6885...... 14558 C Amtliche Mitteilungen...... 14569 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14513

(A) (C) Textrahmenoptionen: 30,5 mm Abstand oben

147. Sitzung

Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2015

Beginn: 9 .00 Uhr

Präsident Dr. : Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet . die Aussprache 60 Minuten vorgesehen .– Das scheint einvernehmlich zu sein . Also können wir so verfahren . Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich zur voraussichtlich letzten Plenar- Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem sitzung in diesem Jahr . Kollegen Carsten Träger für die SPD-Fraktion . (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) se Einschränkung macht mich nervös! – Dr .Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Carsten Träger (SPD): NEN]: „Voraussichtlich“, das ist gefährlich! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Was kommt da noch? – [CDU/ Kollegen! Ein Jahr geht zu Ende, und da ist es Brauch, CSU]: Mit Schwimmen ist ja jetzt nichts bei dass man zurückblickt auf das Jahr: auf das Erreichte und (B) dem Wetter!) vielleicht auf das Unvollkommene . Da passt es gut, dass (D) – Ich hätte eigentlich damit rechnen können, dass das von wir heute, am letzten Plenartag des Jahres, den Indika- dem einen oder anderen als Anregung verstanden werden torenbericht zum Stand der nachhaltigen Entwicklung könnte . So war es aber ausdrücklich nicht gemeint . Es in Deutschland debattieren . Darin geht es um die langen gibt heute nicht einmal mehr Veränderungen in der Ta- Linien, die großen Trends . Wohin führt unsere Entwick- gesordnung oder andere Formalitäten zu verkünden und lung? Wo läuft es gut? Wo besteht Handlungsbedarf? Ich zu billigen . ziehe eine positive Bilanz aus mehreren Gründen . Wir kommen daher gleich zu dem Tagesordnungs- Ich habe es schon an anderer Stelle erwähnt – aber punkt 22: man kann es gar nicht oft genug betonen –: Deutschland ist mit seiner Architektur der Nachhaltigkeit weltweit Beratung der Unterrichtung durch den Parlamen- beispielgebend . Wir können stolz darauf sein, dass wir tarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung seit 2002 eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie haben, Stellungnahme des Parlamentarischen Beira- dass wir einen Rat für Nachhaltigkeit haben und dass tes für nachhaltige Entwicklung zum Indika- wir einen Parlamentarischen Beirat haben . Wir können torenbericht 2014 „Nachhaltige Entwicklung auf diese Institutionen und auf die Arbeit, die sie leisten, in Deutschland“ des Statistischen Bundesam- stolz sein . Aber wir müssen sie weiterentwickeln . tes (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) und Ein fester Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie ist Erwartungen an den Fortschrittsbericht 2016 der regelmäßige Indikatorenbericht, den wir heute debat- der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie tieren . Alle zwei Jahre misst das Statistische Bundesamt anhand von 21 Indikatoren den Fortschritt in den Kern- Drucksache 18/7082 bereichen Generationengerechtigkeit, Lebensqualität Überweisungsvorschlag: und sozialer Zusammenhalt . Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher- heit (f) Im Bericht 2014 stehen positive Trends wie der Aus- Ausschuss für Wirtschaft und Energie bau der erneuerbaren Energien, der Abbau der Schulden Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und die Erhöhung des Beschäftigungsniveaus . Dann gibt Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur es Ziele, die sich zwar in die richtige Richtung entwi- Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- ckeln, gleichwohl zu langsam . Dazu zählen die Energie- schätzung und Rohstoffproduktivität, der Primärenergieverbrauch, 14514 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Carsten Träger (A) die Gleichstellung sowie die Flächeninanspruchnahme . Hendricks und ihrem Team, das auf beiden Konferenzen (C) Hier sind weitere Anstrengungen nötig, ganz klar . Großartiges geleistet hat . Und dann gibt es negative Trends in den Bereichen (Beifall bei der SPD) Mobilität, Zukunftsinvestitionen und Artenvielfalt . Dort Liebe Barbara Hendricks, mit diesen Verträgen ist liegt der Indikatorenwert bei 63 Prozent des Zielwerts . Historisches gelungen . In Zeiten großer internationaler Das ist der schlechteste jemals gemessene Wert . Alarmie- Krisen sind diese Verträge rechtzeitig zu Weihnachten rend ist auch der Teilindikator für das Agrarland . Dieser das schönste Geschenk: die Hoffnung, dass die Welt ist auf 56 Prozent des Zielwerts gesunken . Er hat sich in rechtzeitig zur Besinnung kommt . den letzten zehn Jahren deutlich verschlechtert . Vielen Dank . Wir müssen die Belange des Natur- und Artenschutzes in der Landwirtschaft stärken . Wir haben eine nationale (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Biodiversitätsstrategie . Trotzdem wird Biodiversitätspo- litik nicht als Querschnittsaufgabe verstanden . Hier ha- Präsident Dr. Norbert Lammert: ben wir Handlungsbedarf . Für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Birgit Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Mal geht Menz das Wort . es bei der Fortschreibung des Indikatorenberichts nicht (Beifall bei der LINKEN) nur darum, die Ziele und Indikatoren ein weiteres Mal fortzuschreiben . Denn wir haben im September dieses Birgit Menz (DIE LINKE): Jahres die 17 globalen Nachhaltigkeitsziele, die SDGs, verabschiedet . Deshalb geht es dieses Mal darum, unsere Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Strategie an diese 17 Ziele und die 169 Unterziele an- Kollegen! Liebe Gäste! Ich würde mich freuen, wenn die zupassen . Denn, seien wir ehrlich, gemessen an diesen Frage, wie wir eine nachhaltige Zukunft erreichen und globalen Zielen sind auch wir ein Entwicklungsland . Es gestalten wollen, häufiger den Platz im Parlament ein- mag den einen oder anderen Nationalisten überraschen: nehmen würde, den sie verdient . Auch unsere Nachhaltigkeitsstrategie ist weit davon ent- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- fernt, perfekt zu sein . Sie muss weiterentwickelt werden . neten der SPD) Dazu bieten die SDGs jetzt eine Chance . Wir sollten sie ergreifen . Denn Nachhaltigkeit ist im Kern ein hochpolitischer Be- griff . Das sehen wir auch an den Debatten, die wir im (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung (B) führen . Dass am Ende dieser Debatten Konsensentschei- (D) Ich möchte hier für einen Konsumindikator plädieren . dungen stehen, wie auch bei der vorliegenden Stellung- Für mich geht es letztlich darum, dass, wie Ernst Ulrich nahme, ist gut so, bedeutet aber vor allem für die Oppo- von Weizsäcker es formuliert, die Preise die Wahrheit sition viele Kompromisse . sagen müssen . Wenn wir ein T-Shirt für 3 Euro kaufen, sind damit die Kosten für die Faser, die Herstellung, den Die Linke steht für eine sozial-ökologische Transfor- Transport und den Verkauf wirklich abgedeckt? Das alles mation unserer Gesellschaft . Dieses Leitbild unterschei- für 3 Euro? det sich zum Teil deutlich von dem, was in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie abgebildet wird . Wir werden Ein anderes Beispiel: Ist ein Stück billiges Fleisch deshalb im Rahmen des Beirats darauf hinarbeiten, dass wirklich so billig? Wie sähe es ohne Subventionen in die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele in der Landwirtschaft aus, oder wie sähe es mit veränder- Deutschland neue, auch politisch unbequeme Schwer- ten Subventionen in der Landwirtschaft aus, die etwa den punkte setzen kann . Naturschutz belohnen? Wie kann man das messen? Und wie kann man wirklich dafür sorgen, dass die Preise die (Beifall bei der LINKEN) Wahrheit sagen? Ich finde, das ist eine spannende Auf- Mit den Forderungen nach neuen Zielen zur Förde- gabe . rung nachhaltigen Konsums und zur Bekämpfung von (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ungleichheiten weist die Stellungnahme hier in eine der CDU/CSU) richtige Richtung . Was aber in der Nachhaltigkeitsstra- tegie bisher deutlich zu kurz kommt, ist die Tatsache, Liebe Kolleginnen und Kollegen, 2015 war ein gu- dass Nachhaltigkeit längst zur sozialen Frage unseres tes Jahr für die Nachhaltigkeit . Wie erwähnt, haben wir Jahrhunderts geworden ist . Wir müssen zum Beispiel fol- im September in New York den Weltzukunftsvertrag gende Fragen neu denken: Wie schaffen wir einen fairen geschlossen, ohne den das Klimaschutzabkommen von globalen Lastenausgleich bei der Bekämpfung des Kli- Paris niemals zustande gekommen wäre . Genauso wie mawandels? Was erkennen wir als Gesellschaft jenseits wir die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Wirt- der klassischen Lohnarbeit als Arbeit an, und wie kann schaft, Ökologie und Soziales – mittlerweile gemeinsam Arbeit gerecht verteilt werden? denken, müssen wir diese beiden Verträge miteinander (Beifall bei der LINKEN) betrachten . Sie bedingen einander . Dass es gelungen ist, beide Verträge ins Werk zu setzen, ist ein starkes Signal Wir haben im vergangenen Jahrzehnt erlebt, wie eine der Hoffnung für unseren Planeten . Dafür danke ich allen zunehmende soziale und wirtschaftliche Verunsicherung Beteiligten, vor allem unserer Umweltministerin Barbara der Bevölkerung den Widerstand gegen die stete Aus- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14515

Birgit Menz (A) dehnung der Verwertungslogik auf den Menschen, seine Zum Schluss möchte ich mich bei meinen Kollegin- (C) Fähigkeiten und seine Arbeit erfolgreich gebrochen hat . nen und Kollegen und deren Mitarbeiterinnen und Mitar- Wirtschaftlicher Nutzen wurde immer mehr zum Kern beitern für die gute Zusammenarbeit im Beirat bedanken . der Möglichkeit, Anerkennung in der Gesellschaft zu er- Lassen Sie uns weiter streiten und jene Irritationen schaf- fahren . Diesen Zusammenhang müssen wir aufbrechen . fen, die es uns ermöglichen, aus den bekannten Denk- Wir werden eine nachhaltige Gesellschaft nur erreichen mustern auszubrechen, sie zu hinterfragen und Neues zu können, wenn wir allen eine sichere Grundlage geben, denken . Lassen Sie uns mutig sein! auf der sie frei und mutig neue Zukünfte denken und ge- Danke . stalten können . (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Beifall bei der LINKEN) neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Deshalb brauchen wir endlich gute Arbeit und Teilhabe- Volker Kauder [CDU/CSU]: Brechen Sie mal chancen für alle, wir brauchen eine gerechte Umvertei- aus Ihrem ideologischen Denken aus!) lung von Wohlstand und Ressourcen . (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Andreas Lenz ist der nächste Redner für die CDU/ Diese Umverteilung müssen wir unter der Vorgabe er- CSU-Fraktion . reichen, dass Wachstum nicht grenzenlos ist . Wir müssen anerkennen, dass unser Wachstum oftmals zulasten ande- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- rer geht und schon jetzt seine klaren Grenzen an der öko- ordneten der SPD) logischen Belastbarkeit unserer Umwelt gefunden hat . Das schulden wir unseren Mitmenschen weltweit ebenso Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): wie den nachfolgenden Generationen . Denn auf einem Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen toten Planeten gibt es nicht nur keine Arbeit, wie die und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue Gewerkschaft treffend mitteilt, sondern auf einem toten mich, dass wir zu so prominenter Zeit heute das Thema Planeten gibt es auch keine Zukunft . Um den Einwand Nachhaltigkeit hier im Hohen Haus diskutieren . Das „Müssen wir uns also einschränken?“ vorwegzunehmen, zeigt auch, dass das Leitbild einer nachhaltigen Entwick- antworte ich: Wenn damit gemeint ist, dass wir weniger lung fundamentaler Bestandteil bundesdeutscher Politik verbrauchen, weniger Müll produzieren und auf umwelt- ist . Schaut man sich den Koalitionsvertrag an, dann stößt schädliche und unverantwortliche Technologien wie zum man 69-mal auf den Begriff der Nachhaltigkeit, manch- Beispiel das Fracking verzichten müssen, dann lautet die mal in einem etwas unglücklichen Zusammenhang . Aber (B) Antwort: Ja . nichtsdestotrotz zeigt das einmal mehr, wie wichtig der (D) (Beifall bei der LINKEN) Begriff der Nachhaltigkeit und nachhaltige Politik für Deutschland sind . Das ist wichtig für die Bundesregie- Wenn damit aber der Mangel an Lebensqualität ge- rung, aber auch für das Parlament . Wir setzten hier ganz meint ist, dann lautet die Antwort ebenso eindeutig: gezielte Akzente . Nein . Denn Lebensqualität hängt nicht vom Massen- Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie wird durch den konsum ab . Umverteilen setzt Umdenken voraus . Wir Indikatorenbericht begleitet . Hier wird die Zielerreichung müssen den strukturellen Wachstumszwang überwinden, gemessen, die einzelnen Punkte werden begutachtet . Ich der soziale Ungerechtigkeit verschärft und unsere Um- will die im Indikatorenbericht genannten Punkte anhand welt zerstört, und wir müssen Räume schaffen, in de- einiger Beispiele deutlich machen und aufzeigen, in wel- nen gemeinwohlorientiertes Wirtschaften entstehen und chen Bereichen wir Verbesserungen erreichen konnten . funktionieren kann . Das betrifft zum Beispiel die Frage, wie wir in Deutschland zentrale Wirtschaftssektoren wie Für mich ist das wichtigste Beispiel der ausgeglichene Energie und Mobilität demokratisch und nachhaltig ge- Haushalt, den wir mittlerweile zum dritten Mal anstreben stalten können . Das betrifft aber auch die Architektur und auch erreichen werden . Das ist deshalb nachhaltig, des Handels, die Steuerpolitik, das Arbeitsrecht und den weil ohne die maßvolle Haushaltsführung die Bewälti- Sozialschutz, all das, was aktuell einem für Mensch und gung der mit der Flüchtlingskrise einhergehenden He- Umwelt verheerenden globalen Standortwettbewerb un- rausforderungen nicht möglich wäre . Gleichzeitig wer- terworfen ist . Hier müssen wir globale Übereinkünfte den die Investitionen in die Infrastruktur, insbesondere in und entsprechende Strukturen anstreben; denn wir ha- die digitale und in die Verkehrsinfrastruktur, konsequent ben auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, wel- fortgesetzt . Das ist Nachhaltigkeit, auch im Sinne der che Auswirkungen unser Handeln, unsere Politik für die Generationengerechtigkeit . Chancen auf eine gerechte, ökologisch verträgliche so- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ziale Entwicklung weltweit hat . Die überarbeitete Nach- ordneten der SPD) haltigkeitsstrategie muss diese internationale Verantwor- tung als Aufgabe aller Politikbereiche definieren. Die Kaum woanders werden die Unschärfen des Begriffes drei großen Gipfel in Addis Abeba, New York und Paris der Nachhaltigkeit so klar wie beim Thema Energiewen- haben noch einmal klargemacht, dass es ein Weiter-so de . Uns ist die Entkoppelung von Energieverbrauch und nicht geben darf . Dazu haben wir uns alle bekannt . Nun Wirtschaftswachstum gelungen . gilt es, zu beweisen, dass wir es ernst meinen . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Beifall bei der LINKEN) ordneten der SPD) 14516 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Dr. Andreas Lenz (A) Die erneuerbaren Energien sind Deutschlands wichtigste andere ist, sie auch umzusetzen . Jetzt muss auf die Um- (C) Stromquelle . Der Anteil der erneuerbaren Energien am setzung geachtet werden . Klar ist, dass die Prioritäten Stromverbrauch lag im ersten Halbjahr 2015 erstmals bei der einzelnen Länder unterschiedlich sind . Es geht um über 30 Prozent . Dabei konnte die EEG-Umlage stabili- Common But Differentiated Responsibility, also um eine siert werden . Die soziale Dimension von Nachhaltigkeit gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortung . Es gilt es eben auch zu berücksichtigen, ebenso wie die öko- ist erstaunlich bzw . beachtlich, was man feststellt, wenn nomische . man in Neu-Delhi, in Indien, am Flughafen landet: Ein Plakat mit den 17 Nachhaltigkeitszielen ist dort an pro- Im Bereich der Innovationen hat Deutschland viel er- minenter Stelle platziert . Das spricht doch dafür, dass das reicht . Die Ausgaben des Bundes für Bildung und For- Bewusstsein für eine globale Verantwortung durch diese schung haben sich seit 2005 verdoppelt, aber auch die Ziele gestärkt werden kann . Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind gesamt- wirtschaftlich deutlich angestiegen . Deutschland hat sich als eines von neun Ländern verpflichtet, die Ziele möglichst früh vollständig umzu- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- setzen . Dazu muss es gelingen, die Inhalte der globalen ordneten der SPD) Nachhaltigkeitsziele verständlich zu kommunizieren . Gerade die Forschung und der Transfer von Techno- Die Bundesregierung wird deshalb im Rahmen der logien, die einer nachhaltigen Entwicklung dienen, bie- Fortschreibung der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ten wirtschaftliche Chancen . Es gibt also wesentliche zügig einen Umsetzungsplan vorlegen . Wir als Nachhal- Fortschritte im Bereich einer nachhaltigen Entwicklung . tigkeitsbeirat werden diesen Prozess konstruktiv, aber Deutschland ist hier nach wie vor Vorbild, aber – wir ha- natürlich, wie es unsere Art ist, auch kritisch begleiten . ben es gehört – Deutschland ist auch Entwicklungsland . Der Beirat ist sozusagen der Stachel im Fleisch der nati- Natürlich hindert uns niemand daran, noch besser zu wer- onalen Nachhaltigkeitspolitik . Wir werden die Nationale den . Es gibt auch Bereiche, in denen dies notwendig ist . Nachhaltigkeitsstrategie anpassen müssen, ebenso die Indikatoren, die zur Prüfung dienen . Im Bereich der Mobilität erreichen wir unserer Ziele nicht . Der Endenergieverbrauch im Sektor Verkehr war Aber auch auf europäischer Ebene ist eine Weiterent- 2014 rund 1,7 Prozent höher als 2005 . Die Gütertransport­ wicklung der Nachhaltigkeitsstrategie notwendig . Auf intensität steigt weiter . Der Beirat fordert hier, umwelt- dieser Ebene sind wir als Beirat in Gesprächen ebenfalls freundliche Antriebstechnologien, auch die Elektromo- aktiv . Angesichts der globalen Herausforderungen gilt es, bilität, durch sinnvolle Maßnahmen stärker zu fördern . noch einmal die Notwendigkeit einer globalen nachhal- tigen Entwicklung zu betonen . Auch wenn es schwierig (Volker Kauder [CDU/CSU]: Die Leute müs- ist, weil die Länder unter Nachhaltigkeit etwas Unter- (B) sen es kaufen!) schiedliches verstehen, gilt: Wir haben dank der globa- (D) Auch beim Klimaschutz sind weitere Anstrengun- len Nachhaltigkeitsziele eine Chance, die wir ergreifen gen notwendig . Das Klimaschutzabkommen von Paris sollten . schafft dafür gute Voraussetzungen . Der Kohleausstieg Achten wir also, wie Papst Franziskus es in seiner En- muss gelingen . Der Beirat fordert, dass Deutschland bei zyklika sagt, aufeinander und haben wir sorgsam Acht der Verringerung der Pro-Kopf-Emissionen weiterhin auf die Schöpfung. Das ist, wie ich finde, eine sehr schö- ambitioniert vorangeht . ne Definition von Nachhaltigkeit. Deutschland leistet viel im Bereich der Entwicklungs- Herzlichen Dank . zusammenarbeit, der Armutsbekämpfung, der Friedens- sicherung und der Demokratieförderung . Dennoch sind (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- in diesem Bereich die selbstgesteckten Ziele finanziell ordneten der SPD) noch nicht erreicht . Wir brauchen also weiterhin ein am- bitioniertes Vorgehen, um die nationalen Ziele tatsäch- Präsident Dr. Norbert Lammert: lich zu erreichen, und wir können die Ziele erreichen . Das Wort erhält nun die Kollegin Valerie Wilms für Nachhaltigkeitspolitik ist mehr als Indikatoren; so die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen . wichtig diese auch sind . Insgesamt 195 Länder haben (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sich am 25 . September dieses Jahres auf 17 übergeord- und der SPD sowie des Abg . Peter Meiwald nete globale Nachhaltigkeitsziele geeinigt . Das ist wirk- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) lich eine historische Einigung . Die Ziele, wie Armut und Hunger zu beenden, ein gesundes Leben zu ermöglichen, Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zugang zu Bildung zu schaffen usw ,. bieten letztendlich auch die Grundlage dafür, Perspektiven zu schaffen und Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! die Fluchtursachen langfristig global und effektiv zu be- Meine Damen und Herren! Wieder ist ein Jahr vorbei . kämpfen . Woran merken wir das? Wir haben mal wieder das The- ma Nachhaltigkeit auf der Tagesordnung des Plenums, Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung muss und das zu prominenter Stunde, in der sogenannten Kern- gelingen . Es handelt sich um nicht weniger als einen zeit . Das scheint mir fast eine vorweihnachtliche Tradi- Weltzukunftsvertrag, wie es unser Minister für wirt- tion zu werden . Kollege Lenz, Kollege Träger, Kollegin schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung formu- Menz, vielleicht schaffen wir das nächstes Jahr ja auch lierte . Es ist das eine, Ziele zu verabschieden, aber das wieder . Gucken wir mal . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14517

Dr. Valerie Wilms (A) Viele sind heute gekommen, um zuzuhören . Das ist Das scheint ihr bei der nationalen Umsetzung der Kli- (C) etwas Neues . Das haben wir bei Nachhaltigkeitsthemen mapolitik aber leider öfter zu entfallen . Irgendwie ist das sonst nicht unbedingt . Das Auditorium ist zwar nicht so verloren gegangen . groß, wie wenn wir über ein riesiges Streitthema debat- Werte Kolleginnen und Kollegen, ich mache mir gro- tieren, aber es sind doch eine ganze Menge Abgeordnete ße Sorgen, dass sich die Bundesregierung hier verzettelt . da . Die Nachhaltigkeitsstrategie soll nächstes Jahr fortge- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir schrieben und an die sogenannten SGDs angepasst wer- sollen nicht streiten! – Volker Kauder [CDU/ den . So weit, so gut . CSU]: Vor Weihnachten wollen wir doch (Volker Kauder [CDU/CSU]: Okay!) friedlich sein!) Die Regierung hat sich dazu ein aufwendiges Prozedere Nachhaltigkeit ist also nicht länger ein kleines Ni- ausgedacht: Es gibt Regionalkonferenzen . Bürgerinnen schenthema, um das sich eine Handvoll Leute kümmert . und Bürger und die Zivilgesellschaft können sich vor Ort Nein, Nachhaltigkeit geht uns alle an, werte Kolleginnen oder im Netz einbringen . Das klingt so weit gut . und Kollegen . Generationengerechtigkeit, Lebensqua- lität, sozialer Zusammenhalt und internationale Verant- (Volker Kauder [CDU/CSU]: Super!) wortung – wer sich von diesen Themen überhaupt nicht Aber irgendwie kenne ich das . Das gleiche aufwendi- angesprochen fühlt, möge die Hand heben . Der Nachhal- ge Prozedere gibt es noch ein zweites Mal: bei der so- tigkeitsgedanke ist so allumfassend, dass eben jeder und genannten Gut-Leben-Strategie . Hier gibt und gab es jede betroffen ist . 100 Bürgerdialoge und eine aufwendige, wissenschaft- lich begleitete Auswertung . An deren Ende soll stehen – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ich zitiere von der Homepage der Bundesregierung –: sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Die gewonnenen Erkenntnisse münden in Indikato- ren für Lebensqualität, an denen sich die Bundesre- Mit der Verabschiedung der 17 globalen Nachhaltig- gierung künftig orientieren wird . Ein Bericht wird keitsziele, der schon mehrfach angesprochenen SDGs, über den Stand sowie die Entwicklung von Lebens- und dem wegweisenden Klimavertrag von Paris – Frau qualität in Deutschland Auskunft geben . Hendricks, herzlichen Dank – bekommt die Nachhaltig- keitspolitik neuen Schwung . Beide Verträge bedeuten Das kommt Ihnen bekannt vor? Ja, mir auch, liebe Bun- Umsetzungsanstrengungen, auch hierzulande . desregierung . Aufwachen und nicht weiter Geld ver- plempern! Das alles gibt es bereits seit 2002 . (B) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (D) sowie bei Abgeordneten der SPD und der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) LINKEN) Das nennt sich nämlich Nachhaltigkeitsstrategie . Die hätten Sie nur regelmäßig anwenden und aktualisieren Frau Hendricks, daran mangelt es noch massiv . Vielleicht müssen . Die Indikatoren der Nachhaltigkeitsstrategie sollten Sie Ihren Koalitionspartner ein bisschen einnor- und einen Bericht über deren Entwicklung finden Sie alle den, wenn ich das als Norddeutsche einmal so sagen darf . zwei Jahre in einer schönen Veröffentlichung des Statisti- Der Zug fährt, und er fährt in die richtige Richtung . schen Bundesamtes mit dem Titel „Nachhaltige Entwick- Jetzt muss man nur noch einsteigen . Deswegen möchte lung in Deutschland“ . Ich habe sie einmal mitgebracht; ich die Bundesregierung bitten, nicht nur mitzufahren die anderen Kollegen haben sie ja noch nicht gezeigt . und im Bordrestaurant über das gute Leben zu sinnie- (Die Rednerin hält den Bericht hoch) ren – dazu später noch ein bisschen mehr –; nein, sie soll vorne Platz nehmen und den Zug mit steuern . Das wäre Dies ist Anlass unserer heutigen Debatte . Der Parlamen- ihre Aufgabe . tarische Beirat für nachhaltige Entwicklung bewertet den Bericht und die Entwicklung der Indikatoren . Er mahnt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verbesserungen an und zeigt, wo Konzepte und Verände- sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – rungen nötig sind – das alles übrigens im Konsens und Volker Kauder [CDU/CSU]: Dazu braucht in guter Zusammenarbeit mit allen Fraktionen, wofür ich man einen Führerschein, eine Ausbildung!) mich an dieser Stelle herzlich bedanke; das klappt näm- lich wirklich toll . Die Voraussetzungen dafür sind durchaus gut . Wir ha- ben bereits seit 2002 – Herr Kauder, daran sollten auch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sie sich einmal zurückerinnern; Sie sind ja lange genug sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der dabei – SPD und der LINKEN) (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auch wenn es ein mühsamer Prozess ist, schaffen wir es, sozusagen die größte Schnittmenge, die wir hier im eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie . Wir haben eine Haus finden können, darzustellen, und das abseits allen Kanzlerin – da spreche ich jetzt auch die Union an –, die Tagesstreits . sich auch einmal als „Klimakanzlerin“ bezeichnet hat . Der Indikatorenbericht zeigt auf den ersten Blick, dass (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nicht noch lange nicht alle Ziele erreicht sind; manche sind sie! Das haben andere gemacht!) nicht einmal auf einem guten Weg . Beispiel: Güterver- 14518 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Dr. Valerie Wilms (A) kehr . Er wurde von Herrn Lenz ja schon angesprochen; statt immer wieder neue Strategien ins Leben zu rufen (C) ich gehe damit noch ein bisschen härter um . Eine Verla- und planlos nebeneinanderzustellen . Das vernebelt und gerung weg vom Lkw hin zu Schiene oder Wasserstraße verwirrt nämlich nur . Nachhaltigkeitspolitik muss aber hätte positive Umweltauswirkungen . Insbesondere im genau das Gegenteil erreichen: Wir müssen klarer sehen, Hinblick auf die Klimakonferenz in Paris ist die bessere was wir mit unserer heutigen Politik in der Zukunft an- Umweltbilanz von Schiene und Wasserstraße ein wichti- richten . Das ist die entscheidende Frage . Deswegen lau- ger Faktor . Leider stagnieren beide Werte, bzw . sie ent- tet meine eindeutige Aufforderung: etwas weniger PR wickeln sich rückläufig. Die gesetzte Zielmarke ist also für diese Wohlfühlkoalition und etwas mehr klassisches weit, weit entfernt . Da müssen wir ran . politisches Handwerk . Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber ich frage mich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schon: Was sind die Ziele eines Berichts zum sogenann- In diesem Sinne sollten wir schauen, dass wir gut ins ten guten Leben? Wohin führt uns ein weiteres Indikato- nächste Jahr kommen, und uns dann wieder hier zu die- renset? Soll da nur die Doppelarbeit der Enquete-Kom- sem Thema treffen . mission aus der letzten Wahlperiode fortgesetzt werden? Machen Sie hier etwa vorgezogene Wahlwerbung mit Herzlichen Dank . Steuermitteln? Die Gefahr der Doppelung verschiede- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ner Indikatoren mit der Nachhaltigkeitsstrategie ist recht hoch . Was ist, wenn sich die Indikatoren gegenseitig widersprechen? Nach Planung der Bundesregierung be- Präsident Dr. Norbert Lammert: kommen wir im Sommer 2016 einen Bericht und einen Für die SPD-Fraktion erhält nun der Kollege Lars Aktionsplan für das sogenannte gute Leben . Castellucci das Wort . (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Im Herbst 2016 kommt dann die Fortschreibung der Nachhaltigkeitsstrategie, ebenfalls mit neuen Indikato- Dr. Lars Castellucci (SPD): ren . Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verstehen Sie mich nicht falsch: Bürgerbeteiligung ist Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachhaltigkeit begrüßenswert; wir Grünen stehen voll dahinter . ist wirklich eine Überlebensfrage für die Menschheit . Es ist aber gleichzeitig eine Chance auf mehr Lebensqualität (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) für Menschen, denen es deutlich schlechter geht als den (B) Auch das Messen politischer Ziele und deren tatsächliche Menschen bei uns . Und auch bei uns gibt es Menschen, (D) Durchsetzung sind eine gute Sache . Ich frage mich aber: denen es schlecht geht . Wirtschaftlichen Wohlstand, die Warum werden mit so großem Aufwand immer wieder Bewahrung der Schöpfung und das soziale Miteinander neue Strategien und Konzepte erarbeitet? in Einklang zu bringen, dafür intelligente Lösungen zu finden und über Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist wirklich ein großes Versprechen und ein Ansporn für uns in der Politik . Warum konzentriert man sich nicht einfach einmal auf die Umsetzung bereits etablierter Konzepte? Oder muss (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten jede neue Koalition, Herr Kauder, immer wieder das Rad der CDU/CSU) neu erfinden, nur damit es etwas Neues gibt? Ich zitiere jetzt einmal etwas: Die Nachhaltigkeitsstrategie ist wirklich nicht neu und Nachhaltige Entwicklung heißt, mit Visionen, mit im Kanzleramt als zentraler Regierungsstelle definitiv Fantasie und Kreativität die Zukunft zu gestalten, verankert . Trotzdem bekommen wir im Beirat heute im- Neues zu wagen und unbekannte Wege zu erkunden . mer noch häufig Gesetzentwürfe, aus denen klar hervor- geht, dass die Existenz dieser Strategie nicht bis in alle Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist nicht Äste der Regierung vorgedrungen ist . von Greenpeace oder WWF, sondern von der Bundesre- gierung . Die Nachhaltigkeitsprüfung in den Gesetzen wird bes- ser . Dafür möchte ich mich an dieser Stelle einmal bei (Volker Kauder [CDU/CSU]: Hört! Hört!) den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ministeri- Erlauben Sie mir an dieser Stelle eine kritische Refle- en bedanken . xion unseres Arbeitens: Wie häufig ist ein Kompromiss, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den wir finden, dann doch nur ein bisschen etwas von und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der dem einen und etwas von dem anderen und eben noch CDU/CSU) nicht die intelligentere Lösung, die wir brauchen? Ge- rade jetzt am Jahresende erleben wir, wie Kolleginnen Aber sie ist immer noch nicht überall bekannt . Deshalb und Kollegen von einem Termin zum anderen hetzen . Ich sollten wir unsere Energie auf das Vorhandene verwen- frage uns einmal: Wo ist denn der Raum für Fantasie und den . Wir müssen die Nachhaltigkeitsstrategie ernst neh- Kreativität im politischen Bereich? men und mit Leben füllen, (Dr . [DIE LINKE]: Na, in (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der Linksfraktion!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14519

Dr. Lars Castellucci (A) Nehmen wir einmal den Begriff der Nachhaltigkeit . zur Kenntnis nehmen, sondern dass sie einem Beschluss (C) Für diesen Begriff könnten wir hier wahrscheinlich sehr des Deutschen Bundestages zugeführt wird, dass wir sie viele unterschiedliche Definitionen finden, aber in einem hier im Parlament diskutieren und verabschieden . stimmen wir doch überein: Es geht um Langfristigkeit, um etwas, das auf Dauer angelegt ist . Wie sehr sind wir (Beifall bei der SPD) auch im politischen Betrieb bei dem, was wir tagtäglich Wir haben aufgrund der Gipfelergebnisse Grund, opti- tun, von der Nachrichtenlage beeinflusst? mistisch zu sein, und wir haben, wie es Karl Popper sagt, Ich glaube, wir brauchen gar nicht zu streiten, ob das sogar die Pflicht, optimistisch zu sein. Es ist kein Opti- Glas zurzeit halb leer oder halb voll ist, sondern wir mismus im Sinne von „Es wird schon werden“, sondern können, wie es auch schon angeklungen ist, gemeinsam ein Optimismus der Tat . Vielleicht nicht mehr vor Weih- feststellen: Beim Thema Nachhaltigkeit ist noch viel Luft nachten, aber im nächsten Jahr wollen wir damit enga- nach oben, auch in Deutschland . giert weitermachen . Gleichzeitig ist jetzt ein guter Zeitpunkt, über Nach- Alles Gute und vielen Dank allen, die sich für dieses haltigkeit zu sprechen; denn gerade haben wunderbare Thema engagieren . Ereignisse wie der Gipfel in New York und der Klima- gipfel in Paris stattgefunden . Das gibt uns Rückenwind . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich will auch sagen, dass die Flüchtlinge, die zu uns kommen, uns zeigen, dass die Probleme, die es auf dieser Präsident Dr. Norbert Lammert: Welt gibt, eben nicht weit weg sind, sondern auch mit uns Sabine Leidig ist die nächste Rednerin für die Fraktion etwas zu tun haben, und dass diese Probleme, wenn wir Die Linke . unserer Verantwortung nicht gerecht werden – so gut wir das als eine starke Nation und ein starkes Europa eben (Beifall bei der LINKEN) können –, auch zu unseren Problemen werden . Außerdem ist unsere Bevölkerung derzeit auf Mitma- Sabine Leidig (DIE LINKE): chen getrimmt, wie wir das nie zuvor – abgesehen von Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich der Zeit, als das Land in Trümmern lag – erlebt haben . kann mich Herrn Castellucci nur anschließen . Auch ich Diesen guten Zeitpunkt für eine Fortschreibung der na- wünsche mir ehrgeizigere Ziele für die Veränderung un- tionalen Nachhaltigkeitsstrategie müssen wir engagiert serer Produktions- und Lebensweise; denn nichts anderes nutzen . steht eigentlich auf der Tagesordnung, wenn wir es wirk- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie lich schaffen wollen, nachhaltig zu leben . (B) (D) bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE Nun ist es aber so – das haben einige der Vorredner GRÜNEN) und Vorrednerinnen auch schon gesagt –, dass die Rele- Da bald Weihnachten ist, wünsche ich mir etwas: Ich vanz dieser Nachhaltigkeitsstrategie nicht in allen Berei- wünsche mir, dass wir ehrgeizige Ziele finden, dass wir chen des parlamentarischen und des Regierungshandelns wirklich aufgreifen, was in New York verabschiedet wur- zu spüren ist . In manchen Feldern passiert immer wieder de, und dass wir nicht Ziele definieren, die wir ohnehin das Gegenteil . Das Thema „Mobilität und Verkehr“ wur- erreichen, weil wir stark sind, sondern dass wir ehrgeizi- de ja schon angesprochen . ge Ziele erarbeiten, mit denen wir wirklich einen Beitrag Ich würde gerne einen Vorschlag machen, mit dem ich zur Erreichung der globalen Ziele leisten . ein bisschen von den großen strategischen Linien herun- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- tergehe, auf denen es immer extreme Widersprüche gibt, ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – über die wir uns als politische Parteien durch eine Dis- Volker Kauder [CDU/CSU]: Beispiel?) kussion über das Wie der Umsetzung auseinandersetzen müssen: Ich möchte Ihnen vorschlagen, wie der Parla- Ich wünsche mir, dass wir an 1992 anknüpfen und et- mentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung tatsäch- was schaffen, was es damals gegeben hat, nämlich einen lich zum Stachel werden kann . wirklichen gesellschaftlichen Aufbruch zu mehr Nach- haltigkeit . Ich denke an die Lokale Agenda 21 . Wir brau- (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das wollen wir chen so etwas wie eine Lokale Agenda 2 0,. die wir jetzt doch gar nicht!) ausgehend von der Diskussion über die nationale Nach- haltigkeitsstrategie starten müssen . Ich finde, das ist ein richtiger Anspruch. Das erreichen wir, indem wir uns darum kümmern, wie der Bundestag Und wir müssen uns als Parlament – das ist auch selber handelt und welche konkreten Maßnahmen in un- schon angeklungen – das Thema Nachhaltigkeit stärker serem eigenen Haus umgesetzt werden oder nicht . aneignen, als das in der Vergangenheit geschehen ist . (Volker Kauder [CDU/CSU]: Weniger Licht! (Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Aber bitte Kerzen!) konkret!) Ich will hier zwei Beispiele nennen, die ganz aktuell Es ist doch so: Das Thema Nachhaltigkeit fristet eher ein sind: Nischendasein, als dass es wirklich Leitbild und Zentrum der nationalen Politik ist . Darum lautet meine Forderung, Erstens . Unser Fahrdienst RocVin, den einige mehr, dass wir die nationale Nachhaltigkeitsstrategie nicht nur andere weniger häufig benutzen, will die 55 VW Passat, 14520 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Sabine Leidig (A) die im Mai letzten Jahres angeschafft worden sind, durch sich als Erwartung an das eigene Haus, an den eigenen (C) Mercedes-Fahrzeuge ersetzen . Fahrdienst richtet . (Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Weil die Ben- (Beifall des Abg . [SPD]) ziner besser zu verkaufen sind als die VW Pas- Ich will in diesem Zusammenhang auch betonen, sat! Das ist nachhaltig!) dass es – sicher nach langem Ringen und vielen Dis- – Sie sagen, das sei nachhaltig . kussionen – gelungen ist, die Grenzwerte für die Autos im Fahrdienst des Bundestages zu verschärfen und die- (Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Ja, weil die se verschärften Grenzwerte auch einzuhalten . Der Par- Wiederverwertung entscheidend ist!) lamentarische Beirat fordert jetzt, dass hier verstärkt RocVin sagt, diese Fahrzeuge seien imagestärker . Ich Elektroautos eingesetzt werden . Nach Gesprächen mit weiß nicht, ob es wirklich nachhaltig ist, und finde, dar- dem Ältestenrat vertrauen wir darauf, dass es genau so um müsste man sich kümmern . kommt . Ich möchte diesen Ort dafür nutzen, dieser For- derung noch einmal Nachdruck zu verleihen . Wenn wir (Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Ist doch lä- Elektromobilität insgesamt voranbringen wollen, dann cherlich! Die leben vom Verkauf!) müssen wir selber mit diesen Autos fahren . Deshalb ist es der richtige Weg, das hier zu betonen . Den zweiten Punkt finde ich noch wichtiger. Derzeit werden etwa 30 Leute eines IT-Service, die die IT von (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- 400 Abgeordnetenbüros betreuen, entlassen . Der IT-Ser- ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ vice wird vom Bundestag alle zwei Jahre neu ausge- DIE GRÜNEN) schrieben . Jetzt werden diese Leute entlassen, weil ein Wir sprechen heute über den Indikatorenbericht, mit anderes Unternehmen diesen Service billiger anbietet . dem das Vorankommen der Nachhaltigkeitsstrategie Ob das sicherer, sinnvoller, nachhaltiger und sozialer ist, geprüft wird . Die Nachhaltigkeitsstrategie sind qua- ist mit großen Fragezeichen zu versehen, und ich bitte si die Zehn Gebote für eine nachhaltige Entwicklung darum, dass sich der Parlamentarische Beirat zum Für- in Deutschland, und dieser Bericht ist die unabhängige sprecher einer nachhaltigen Personalpolitik im Bundes- Überprüfung als Vorlage für das Beichtgespräch . Dabei tag macht . stellt sich die Frage: Wo kommen wir gut voran, und wo (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Ulli kommen wir weniger gut voran? Nissen [SPD]) Ich will zunächst einmal die internationalen Entwick- Sorgen Sie dafür, dass mit diesem Unsinn Schluss ge- lungen aufgreifen, die schon angesprochen worden sind . (B) macht wird; denn dadurch werden die Leute immer wie- Da kann man nun sagen, dass wir in diesem Jahr ausge- (D) der in existenzielle Unsicherheit gestürzt und wir Abge- sprochen gut vorangekommen sind . Wir haben gestern ordnete und Mitarbeiter des Bundestages müssen uns mit in der Aktuellen Stunde über den Weltklimavertrag dis- immer wieder anderen Leuten ständig neu einarbeiten . kutiert, der nach langem Ringen in Paris endlich verab- schiedet werden konnte, ein Erfolg dieser Bundesregie- (Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Meine rung . Güte! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir müs- sen die Ergebnisse nachhaltig sichern, und das Ich will heute verstärkt auf den Nachhaltigkeitsver- wird beschlossen!) trag, den Weltzukunftsvertrag, eingehen, der auch durch den Einsatz der Bundesregierung mit den internationalen Im Hinblick auf die soziale Nachhaltigkeit wäre das ein Partnern im September dieses Jahres in New York ver- sehr konkreter und sehr wirksamer Schritt . abschiedet werden konnte und der einen Paradigmen- wechsel in der internationalen Politik für Nachhaltigkeit Danke schön . darstellt . 13 Jahre nach dem Umweltgipfel von Rio ist es (Beifall bei der LINKEN) endlich gelungen, in diesem Jahr in beiden Bereichen, Entwicklung und Umwelt, Verträge zu schließen und damit einen Knopf dranzumachen . Damit wird in New Präsident Dr. Norbert Lammert: York ein Wechsel vollzogen: von den Millenniumszie- Der nächste Redner ist der Kollege Andreas Jung für len – damals vertrat man noch die Denkweise: das sind die CDU/CSU-Fraktion . Entwicklungsziele für die Entwicklungsländer; sie sollen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- im Prinzip so werden wie wir, dann wird alles gut – hin ordneten der SPD) zu der Denkweise: Wir alle müssen uns entwickeln; denn wenn die Menschen in den Entwicklungsländern mit Ressourcen, Energie und Flächen so umgehen würden Andreas Jung (CDU/CSU): wie wir, dann bräuchten wir zwei Planeten . Wir haben Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich aber nur einen, und den müssen wir gemeinsam bewah- will zu Beginn an meine Vorrednerin anknüpfen und un- ren . Deshalb sind diese Verträge ein Erfolg . Sie sind aber terstreichen, dass sich der Parlamentarische Beirat durch- jetzt vor allem auch Auftrag . aus als Fürsprecher dafür versteht, dass wir als Deutscher (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Bundestag mit dem, was wir hier tun, Vorreiter für nach- haltige Entwicklung sind und dass das, was wir fordern, Zu diesem Auftrag gehört unsere internationale Ver- beispielsweise im Bereich der nachhaltigen Mobilität, antwortung. Ich will an dieser Stelle betonen: Ich fin- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14521

Andreas Jung (A) de, es ist ein großer Erfolg, dass es gelungen ist, den jetzt Anzeichen, dass die EU die Nachhaltigkeitsstrategie (C) Etat für Entwicklungshilfe in den nächsten Jahren um fortführt . 8,3 Milliarden Euro aufwachsen zu lassen . Das ist ein (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der ganz erheblicher Fortschritt . Wir können sagen: Wenn es SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- die Bundesregierungen vor uns genauso gemacht hätten NEN) wie diese Bundesregierung, dann müssten wir uns keine Sorgen über die Einhaltung des 0,7‑Prozent-Ziels – also Das ist wichtig und notwendig . Alles andere wäre auch 0,7 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für Entwick- ein Armutszeugnis gewesen . lungshilfe bereitzustellen – machen . Da haben wir jetzt Zu dem, was wir in Deutschland machen, gibt es in einen wichtigen Punkt gemacht . dem Bericht vieles, das einen optimistisch stimmen Trotzdem müssen wir, weil das in der Vergangen- kann . Andreas Lenz hat auf die ausgeglichenen Haushal- heit eben nicht erfolgt ist, den Finger immer wieder in te hingewiesen . Ich will hinzufügen: Dazu tragen auch die Wunde legen und sagen: Das müssen wir erreichen . die Quote der Jugendlichen, die eine qualifizierte Aus- Dieses Versprechen wurde über Jahre und Jahrzehnte bildung abschließen, die hohe Beschäftigungsquote und von unterschiedlichen Bundesregierungen gegeben . Das die geringe Arbeitslosenquote bei . Das ist ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit und zur nachhaltigen Ent- muss eingehalten werden . Dafür brauchen wir einen ganz wicklung . Damit sind wir auf einem guten Weg, und den konkreten Stufenplan, der auch gegenüber den Partnern gilt es weiter voranzuschreiten . in den Entwicklungsländern zeigt: Wir nehmen unsere Verantwortung wahr, und wir lösen unsere Versprechen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und ein .– Das gehört zur Glaubwürdigkeit dazu . Das müssen der SPD) wir auch tun . Ich will aber zum Schluss auch ansprechen, dass wir (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Hausaufgaben haben . Ich will einige wenige Bereiche ordneten der SPD) ansprechen . Wir haben vor allem Hausaufgaben im Be- reich der Artenvielfalt . Die Zahlen sind drastisch und In dem Bericht wird mit Blick auf die internationale dramatisch: Arten verschwinden, und wenn eine Art erst Verantwortung darauf hingewiesen, dass unser Handel einmal verschwunden ist, dann kann man das nicht mehr mit Entwicklungsländern stagniert . Da müssen wir vor- korrigieren; dann ist sie für immer weg . Deshalb müssen ankommen . Wir brauchen Wertschöpfung in diesen Län- wir jetzt konsistent über alle Ressorts und Fachbereiche dern . Nur durch diese Wertschöpfung wird es dort auch hinweg – Umwelt, Landwirtschaft, Forsten und Städte- Perspektiven geben . Nur dann werden die Menschen dort bau – handeln; da besteht Handlungsbedarf . (B) (D) ihre Zukunft sehen und vor Ort bleiben . (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deshalb brauchen wir Fortschritte – das betrifft das Ressort von Gerd Müller –: Wir müssen die Transparenz Ich will noch einen Bereich hinzufügen: Das gilt auch für der Lieferketten engagiert angehen und uns dafür einset- das Vorankommen des Ökolandbaus . Da sind die Öster- zen, dass das, was dort produziert und hier verkauft wird, reicher noch besser als wir, und wir sollten entsprechend sich nicht in einer Sphäre vollzieht, in der unsere sozialen aufholen . und ökologischen Standards nicht eingehalten werden . (Beifall des Abg . [BÜND- Das Beispiel der T-Shirts ist bereits angesprochen wor- NIS 90/DIE GRÜNEN]) den . Wir haben uns im Beirat mit Kakao und Schokolade aus nachhaltigem Anbau beschäftigt . Das, was wir hier Es gibt also noch einiges zu tun . Wir werden das als konsumieren, muss nachhaltig produziert werden . Dafür Parlamentarischer Beirat beherzt angehen . Ich will mich tragen auch wir Verantwortung, und deshalb unterstützen zum Ende dieses Jahres bei allen Kolleginnen und Kolle- wir diese Aktivitäten . gen für die ausgesprochen gute und konstruktive gemein- same Arbeit an der Sache und für die Sache bedanken . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Alles Gute . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Was das angeht, was in letzter Zeit nicht so gut ge- laufen ist, will ich die Europäische Union ansprechen . Wir werden den Prozess einer internationalen Nachhal- Präsident Dr. Norbert Lammert: tigkeit nur dann prägen können, wenn wir als Europäer Das Wort hat nun der Kollege Bernd Westphal für die geschlossen auftreten . Das war bei der Konferenz in New SPD-Fraktion . York der Fall . Aber die Europäische Union wollte ihre (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten eigene Nachhaltigkeitsstrategie einstampfen . Sie sollte der CDU/CSU) nur noch ein Unterpunkt der Strategie Europa 2020 sein . Dazu haben wir als Beirat über alle Fraktionsgrenzen hinweg gesagt: Das kann nicht sein . Bernd Westphal (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Die Bundesregierung hat uns in Brüssel unterstützt . Kollegen! In der heutigen Debatte geht es um die anste- Wir haben gefordert, dass die Strategie fortgeführt wird, hende Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie . und nach langem Ringen und vielen Gesprächen gibt es Durch die neuen globalen Nachhaltigkeitsziele haben 14522 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Bernd Westphal (A) sich die Anforderungen erhöht . Deutschland muss sicht- versorgung sichert, das Klima schützt und den sozialen (C) bar seine Vorreiterrolle behalten . Wir müssen technolo- Fortschritt voranbringt . Es geht aber nicht um Arbeit statt gisch, wirtschaftlich, sozial und ökologisch stark bleiben . Umwelt oder um Umwelt statt Arbeit, sondern um die Förderung all dessen, was eine Vereinbarkeit im Sinne Ich möchte auf einige der insgesamt 21 Indikatoren der Nachhaltigkeit auf höherem Niveau ausmacht . Dazu eingehen . Wir brauchen ein klares Ja zur Energiewende gehören vor allen Dingen auch Arbeits- und Ausbil- und zur Energieeffizienz. Nur dadurch ist eine Senkung dungsplätze . des Primärenergieverbrauchs möglich . Wir müssen die Treibhausgase in den bisher festgelegten Pfaden reduzie- Bei dem, was wir heute tun, müssen wir die Zukunft ren . Allerdings ist auch die hohe industrielle Wertschöp- unserer Kinder und Enkelkinder im Blick behalten . fung in Deutschland zu berücksichtigen . Sie hat uns gera- Das darf ihre Aussicht auf eine lebenswerte Umwelt in de in der Finanzkrise enorm geholfen . Dekarbonisierung Wohlstand und sozialer Sicherheit nicht schmälern . Das darf nicht Deindustrialisierung bedeuten . sage ich als Vater von drei Söhnen und stolzer Großva- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der ter des kleinen Louis, der vor allen Dingen Perspektive CDU/CSU) braucht . Wir haben als Abgeordnete Verantwortung . Wir müssen für ein tragfähiges Gleichgewicht zwischen Um- Bei den erneuerbaren Energien brauchen wir glo- weltschutz, sozialer Verantwortung und wirtschaftlicher bal mehr Anstrengungen für eine umweltverträgliche Notwendigkeit sorgen . Der notwendige Strukturwandel Strom­erzeugung . Die bisherige weltweite Entwicklung wird nur gelingen, wenn wir soziale, ökologische und mit steigendem Energie- und Stromverbrauch und stei- wirtschaftliche Aspekte gleichrangig berücksichtigen . genden CO2-Emissionen muss durchbrochen werden . In Eine nachhaltige Zukunft liegt in unserer Hand . Ein La- Deutschland sind wir gerade im Strombereich auf einem kota-Indianer hat einmal gesagt: „Wir haben die Erde guten Weg und müssen nun den Strommarkt und die vo- nicht von unseren Eltern geerbt, wir haben sie von unse- latilen erneuerbaren Energien aufeinander abstimmen . ren Kindern geliehen .“ Nachholbedarf gibt es im Wärme- und Verkehrsbereich sowie in der Landwirtschaft . Anstrengungen auf Bun- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) desebene, Landesebene und kommunaler Ebene müssen mehr verzahnt und koordiniert werden . Herzlichen Dank für die interfraktionelle Zusammen- Was die wirtschaftliche Zukunftsvorsorge angeht: arbeit im Parlamentarischen Beirat . Herzliches Glückauf! Deutschland ist nach wie vor eine der bedeutendsten In- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) dustrienationen der Welt . Wohlstand und Beschäftigung hängen deshalb mehr als in anderen Ländern in hohem (B) (D) Maße von der industriellen Produktion ab . Auch aus der Präsident Dr. Norbert Lammert: Innovationskraft der Industrie und des Mittelstands ent- stehen international anerkannte Qualitätsprodukte, die Für die CDU/CSU-Fraktion ist der nächste Redner der wir zur Lösung der globalen Probleme dringend brau- Kollege von Marschall . chen . Sorge muss uns die stagnierende und teilweise (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- rückläufige Nettoinvestitionsquote der letzten Jahre ma- ordneten der SPD) chen . (Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Völlig rich- tig!) Matern von Marschall (CDU/CSU): Wir brauchen direkte und indirekte Impulse für die Brut- Vielen herzlichen Dank .– Sehr geehrter Herr Präsi- toanlageinvestitionen . dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt ein wenig Kritik vorab und dann ein wenig Lob hintenan . Die Kri- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der tik betrifft die Präsenz der beiden maßgeblichen Ministe- CDU/CSU) rien, des Umweltministeriums und des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung . Ich In Verbindung mit Nachhaltigkeit stehen Anreize für kann nicht erkennen, dass die beiden zuständigen Minis- Energieeffizienz, aber auch für den Erhalt der öffent- ter anwesend sind; lichen Infrastruktur . Anreize privater Investitionen in nachhaltige Entwicklung müssen daher gefördert wer- (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist sehr den . Wir brauchen klare politische und sichere Rahmen- bedauerlich!) bedingungen für ein investitions- und innovationsfreund- liches Umfeld . Frau Hendricks war wohl vorhin anwesend . (Beifall des Abg . Ulrich Freese [SPD]) Was mich erfreut – das ist das Lob hintenan –, ist die Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht nicht nur um Präsenz unseres Fraktionsführers . Vielen Dank, Herr die Erreichung eines Ziels, sondern um die Verknüpfung Kauder! Die übrigen Fraktionsführer kann ich, soweit ich der Ziele . Alle Ziele greifen ineinander und helfen dabei, das im Moment überblicke, nicht erkennen . Nachhaltigkeit in Deutschland zu schaffen . Wir brauchen eine nachhaltige Industrie-, Energie- und Klimapolitik, (Dr . [DIE LINKE]: Herr Bartsch die industrielle Entwicklung und Innovation fördert, war auch hier! – [DIE LINKE]: langfristig eine umwelt- und klimaverträgliche Energie- Herr Bartsch ist da!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14523

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: wir zusätzlich eine halbe Milliarde Euro für den sozia- (C) Herr Kollege von Marschall, ich kann im Augenblick len Wohnungsbau ausgeben, aber ohne Priorisierung von aber auch eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kolle- Flüchtlingen oder von Bedürftigen, die in unserem Land gen nicht erkennen . schon leben, dann ist auch das ein gutes Symbol dafür, wie wir Nachhaltigkeit begreifen . (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das stimmt, Herr Präsi- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) dent!) Ich würde ganz gern noch, sehr geehrter Herr Präsi- dent, auf unser Haus und seine Arbeit zu sprechen kom- Matern von Marschall (CDU/CSU): men . Herr Präsident, Sie haben ja am 1 .September 2015 Das ist angesichts der Prime Time, zu der wir über auf der Welt-Parlamentspräsidentenkonferenz in New diesen Tagesordnungspunkt diskutieren, noch bedauerli- York eine Ansprache gehalten . Wir hatten die Freude, cher . während des Klimagipfels in Paris mit dem Präsidenten der Interparlamentarischen Union, mit Saber Chowd- (Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Reden Sie zum hury, zusammenzutreffen, von dem wir Ihnen – das darf Thema! Es reicht!) ich an diesem Platz vielleicht sagen – ganz herzliche – Ja, jetzt kommen wir zum Thema . Welche Bedeutung Grüße übermitteln sollen . das Thema für manche hat, wird symbolisiert durch ihre Es ist für uns von außerordentlicher Bedeutung, den Präsenz . interparlamentarischen Austausch voranzubringen, um Weil der Einwurf von der Linken kam: Frau Kollegin festzustellen, wie in anderen Parlamenten der Erde so- Menz, wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie davon zusagen fachausschussübergreifend die Arbeit der Nach- gesprochen, dass es gilt, den Wachstumszwang zu über- haltigkeitsentwicklung vorangebracht wird oder wie sie winden . im Moment vielleicht auch noch nicht vorangebracht wird . Insofern begreifen wir diese Möglichkeit des in- (Caren Lay [DIE LINKE]: Ja! Sehr richtig!) terparlamentarischen Austausches, auch auf solchen glo- Aber ohne Wachstum gibt es leider keinen wirtschaftli- balen Konferenzen, als eine Möglichkeit, anderen dies- chen Erfolg, und ohne wirtschaftlichen Erfolg können bezüglich hilfreich zur Seite zu stehen und Anregungen auch keine Steuereinnahmen erzielt werden . Ohne Steu- zu geben . ereinnahmen besteht nicht die Möglichkeit, 1 Million Liebe Frau Dr .Wilms, ich möchte auf Ihren stets prag- Flüchtlingen in diesem Land zu helfen . matischen Ansatz zurückkommen . Sie haben vollkom- men Recht: Dopplungen sind an sich nicht sinnvoll . (B) (Caren Lay [DIE LINKE]: Umverteilen! Der (D) Reichtum ist doch da, nur an den falschen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stellen!) Dr .Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Insofern ist es schon hilfreich, dass wir mit annähernd NEN]: Schön, dass Sie das zugeben!) 700 Milliarden Euro Steuereinnahmen maßgeblich in Wir brauchen die Integration der Arbeit in die Nachhal- Deutschland und wesentlich in Europa einen Beitrag tigkeitsstrategie wegen der Lebensqualität; darüber hi- leisten . naus muss die Integration der globalen, der noch nicht (Beifall bei der CDU/CSU) vorhandenen europäischen und der nationalen Nachhal- tigkeitsstrategie vollzogen werden . Das gehört für uns Sie brauchen gar nicht zu schimpfen; denn uns in zusammen . Deutschland ist es immerhin gelungen, die wirtschaftli- che Entwicklung vom Ressourcenverbrauch zu entkop- Ich will Ihnen aber schon noch ein bisschen Wasser peln . Im Übrigen sind wir führend beim Aufbau der Nut- in den Wein schütten . Es ist nämlich so, dass das Nach- zung erneuerbarer Energien, und wir sind dank unserer haltigkeitsthema leider kein Privileg einer Fraktion oder Forschung maßgeblich verantwortlich für den Technolo- Partei ist . Ich freue mich, dass am Montag und Dienstag gietransfer . Das ist ein nennenswerter Beitrag zur Nach- der Bundesparteitag der CDU stattgefunden hat . In des- haltigkeit insgesamt . sen Zentrum stand die umfangreiche Nachhaltigkeitsstra- tegie der CDU . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Dr .Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ordneten der SPD) NEN]: Das ist schön!) In dieser Nachhaltigkeitsdebatte beziehe ich mich Es lohnt sich, das Ganze nachzulesen, auch weil diese symbolisch auf einen Punkt, um klarzumachen, wie Strategie eine Fortsetzung der bereits begonnenen Poli- schwierig es ist, die Balance herzustellen, nämlich auf tik ist, etwa unseres Ministers Müller, zum Beispiel im den Baubereich, für den wir im Umweltausschuss eben- Zusammenhang mit dem Textilbündnis, durch das eine falls Verantwortung tragen . Zu uns kommen Hundert- durchgängige Lieferkette gewährleistet werden soll . tausende von Menschen und brauchen, etwa in Univer- sitätsstädten wie meiner Heimatstadt Freiburg, neuen Ich möchte zum Abschluss auf die Weihnachtstage Wohnraum . Hier müssen wir eine Balance zwischen öko- blicken, die ja naturgemäß Tage des Abarbeitens von logischen Ansprüchen an das Bauen, notwendiger Bau- Wunschlisten sind . Wir können alle zusammen etwas geschwindigkeit und Kosteneffizienz finden. In dieser für Nachhaltigkeit tun, indem wir – Andreas Jung hat es Balance befindet sich unsere praktische Politik. Wenn schon angesprochen – auf zuverlässige Label achten, auf 14524 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Matern von Marschall (A) Label, die wir noch entwickeln müssen . Da, wo bei die- Von daher können Sie vielleicht noch zwei Minuten zu- (C) sen Labeln geschummelt wird, müssen wir kräftig auf die hören . – Finger klopfen . Solche Label gibt es bereits im Bereich (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des der Schokolade und des Tees; Sie kennen das . Mit sol- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) chen Produkten lässt sich das Weihnachtsfest mit gutem Gewissen, was die Nachhaltigkeit angeht, feiern . Das alles ist uns bekannt, auch Herrn Kauder . Das ist ganz wunderbar . Man kann auch darauf achten, inwieweit Produk- te regional sind . Auch der Lebensmitteleinzelhandel in (Volker Kauder [CDU/CSU]: Mir ist es leider Deutschland achtet sehr darauf – ich verweise da vor bekannt!) allen Dingen auf das Vorgehen von Edeka im Südwes- Der Anteil adipöser Personen ist jedoch in den niedrigen ten –, dass regionale Lebensmittel zur Verfügung gestellt Statusgruppen deutlich größer als in den höheren Status- werden . Wir müssen versuchen, in den nächsten Jahren gruppen . Bei Frauen wirkt sich traurigerweise der sozi- durch das nationale Parlament – das ist schon wichtig bei oökonomische Status noch stärker als bei Männern aus . der Verzahnung der verschiedenen Ebenen; nicht nur ho- Gleichzeitig nehmen jedoch Menschen mit niedrigem rizontal ist ein Austausch nötig, etwa der interparlamen- sozioökonomischem Status Präventionsangebote selte- tarische Austausch – auf die Bildung, die ja Sache der ner in Anspruch als Personen mit höherem Status . Länder ist, einzuwirken, um den Menschen eine bessere Möglichkeit zu bieten, selber nachzufragen, selber zu ler- In Deutschland ist in den vergangenen Jahren eine nen, was es eigentlich für sie selbst bedeutet, im Alltag Zunahme von ungesundem Ernährungsverhalten und Be- konkret Nachhaltigkeit zu leben . Und daran wollen wir wegungsmangel festzustellen, in deren Folge die Anzahl arbeiten . der übergewichtigen Menschen zunimmt . Es ist von be- sonderer Wichtigkeit, gegen den Anstieg ernährungsbe- Ich wünsche Ihnen, uns allen am heutigen letzten Sit- dingter Krankheiten aktiv vorzugehen . Hierbei muss vor zungstag eine gute und erholsame Weihnachtszeit und allem die Gruppe der Kinder und Jugendlichen in einen freue mich auf eine wunderbare Zusammenarbeit im besonderen Fokus gerückt werden . Kitas und Schulen kommenden Jahr . gelten wegen ihres universellen und vergleichsweise dis- kriminierungsarmen Zugangs als Schlüssel zur Verbesse- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) rung gesundheitlicher Chancengleichheit . Die Daten der KiGGS-Studie des Robert-Koch-Insti- Präsident Dr. Norbert Lammert: tuts zeigen, dass Kinder und Jugendliche mit niedrigem sozialem Status insgesamt seltener sportlich aktiv sind (B) Die Kollegin Pflugradt ist die nächste Rednerin für die (D) SPD-Fraktion . und seltener Vereinssport treiben und leider Gottes mehr Zeit mit der Nutzung elektronischer Medien verbringen (Beifall bei der SPD) als Gleichaltrige aus der mittleren oder hohen Status- gruppe . Hinzu kommt, dass sich Kinder und Jugendli- che der niedrigen Statusgruppe ungesünder ernähren . Sie (SPD): Jeannine Pflugradt konsumieren deutlich häufiger Weißbrot, Fleisch, Wurst- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und waren, Fast-Food-Produkte sowie fast alle zuckerreichen Kollegen! Werte Gäste! Wir haben schon viel über den Lebensmittel und Getränke . Der Anteil der übergewich- Indikatorenbericht gehört . Ich beziehe mich heute aus- tigen und adipösen Kinder und Jugendlichen ist in der schließlich auf den Indikator 14e „Anteil der Menschen niedrigen Statusgruppe ebenfalls am größten . mit Adipositas (Fettleibigkeit)“ . Präventive Maßnahmen sollen in besonderem Maße Die Gesundheit der Bevölkerung ist ein wichtiges Zu- sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen mit einem kunftsthema und entscheidend für die ökonomische und niedrigen sozioökonomischen Status erreichen, da die- soziale Entwicklung . Die Mitgliedstaaten der Weltge- se häufig einen schlechteren Gesundheitszustand ha- sundheitsorganisation, WHO, der Europäischen Region ben . Diese Bevölkerungsgruppen nehmen, wie bereits haben sich deshalb auf ein gemeinsames Rahmenkonzept erwähnt, die verhaltenspräventiven Maßnahmen jedoch „Gesundheit 2020“ verständigt . Die Strategie ist insbe- leider am wenigsten wahr . Genau daraus ergibt sich ein sondere darauf ausgerichtet, gesundheitliche Ungleich- Bedarf an spezifischen Angeboten und an weiterführen- heiten zu verringern . den Ansätzen . Dazu gehören Maßnahmen zur Gesund- heitsförderung und verhältnispräventive Maßnahmen, Besonders ausgeprägt ist die Bedeutung der sozioöko- die das Ziel haben, die Lebens-, Arbeits- und Umweltbe- nomischen Situation für die Verbreitung von Adipositas . dingungen so zu entwickeln, dass sie der Gesundheit der Starkes Übergewicht ist ein bedeutender Risikofaktor für Bevölkerung dienen . Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, erhöht – – Es besteht weiterhin erheblicher Bedarf, die Bedeu- (Volker Kauder [CDU/CSU]: Muss denn das tung von Prävention und Gesundheitsförderung gesell- jetzt vor Weihnachten sein? – Heiterkeit bei schaftspolitisch zu stärken, finanziell auszubauen und Abgeordneten im ganzen Hause) neben den verhaltens- auch verhältnispräventive Maß- nahmen umzusetzen sowie miteinander zu verzahnen . – Doch, Herr Kauder, das ist ganz wichtig vor Weihnach- Darunter müssen unbedingt Initiativen, die ausgewogene ten . Uns stehen Tage mit sehr fettreichem Essen bevor . Ernährung und körperliche Aktivität für alle Menschen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14525

Jeannine Pflugradt (A) unterstützen, in den Fokus genommen werden . Uns allen Es gibt bereits Initiativen, die diese Aufgaben durch- (C) ist klar, dass natürlich in erster Linie die Eltern in der führen . Im Anschluss an die UN‑Dekade „Bildung für Pflicht sind, hierauf zu achten. Dennoch dürfen wir als nachhaltige Entwicklung“ werden wir jetzt unser nati- Staat sie dabei nicht alleinlassen; denn wir haben doch onales Konzept umsetzen . Hier freut es mich ganz be- ein ureigenes Interesse an der Senkung von horrend teu- sonders, dass auch die erfolgreiche Bundesinitiative zur ren Ausgaben im Gesundheitswesen, die man im Kindes- MINT-Bildung, das „Haus der kleinen Forscher“, in dem und Jugendalter bereits vermeiden kann . schon die Kleinsten in Kita und Grundschule für Wissen- (Beifall bei der SPD sowie des Abg . Michael schaft und Forschung begeistert werden, in die Vermitt- Grosse-Brömer [CDU/CSU]) lung von Bildung für Nachhaltigkeit einbezogen wird . Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wün- (Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Das ist eine sche allen hier im Hause eine gesegnete und friedvolle gute Initiative!) Weihnacht . Wenn wir, wie im Koalitionsvertrag festgelegt, 80 Pro- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten zent der Kindertageseinrichtungen mit dem „Haus der der CDU/CSU) kleinen Forscher“ erreichen, so ist das doch wohl schon ein guter Anfang . Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist (Beifall bei der CDU/CSU) die Kollegin Sybille Benning für die CDU/CSU‑Frakti- on . Diese vielversprechende Verbindung von MINT-Initia- tiven und Bildung für nachhaltige Entwicklung begrüße (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ich ausdrücklich . ordneten der SPD) Ich komme zur Forschung . Forschungsergebnisse un- Sybille Benning (CDU/CSU): terstützen unser Verständnis von Klimawandel und un- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und sere Fähigkeit, mit den Folgen umzugehen . Im Rahmen Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Als letzte dieses Wandels zu einer nachhaltigen Gesellschaft müs- Rednerin in dieser Debatte möchte ich, nachdem wir sen wir scheinbar gegenläufige Ziele in Einklang bringen: noch viel Optimierungspotenzial festgestellt haben, aber Wohlstand, Fortschritt und eine lebenswerte Zukunft . auch eine Menge Lob gehört haben, jetzt einfach einmal Dabei sollen gleichzeitig der Ressourcenverbrauch und (B) aufzeigen, was wir schon alles unternehmen, um die der Ausstoß klimaschädlicher Stoffe gemindert werden . (D) Nachhaltigkeitsstrategie mit Leben zu füllen . Das ist eine Herausforderung und Chance zugleich . Auch unser Leitantrag auf dem CDU‑Parteitag „Nachhaltig le- Die 17 Nachhaltigkeitsziele müssen jetzt auch lokal ben – Lebensqualität bewahren“ unterstreicht das einmal umgesetzt werden . Die Umsetzung dieser konkreten mehr . Er ist lebens- und ausführenswert . weltweiten Ziele erfordert es, unser Leben in Zukunft nachhaltiger zu gestalten. Jetzt befinden wir uns in ei- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- nem strukturierten Dialog, um die vertikale Kohärenz bei ordneten der SPD) der Umsetzung zu gewährleisten . Seit diesem Herbst ge- schieht das auch unter reger Teilnahme der Bevölkerung Mit den Kopernikus-Projekten wurde jetzt die größte dank der Bürgerdialoge im Rahmen der deutschen Nach- Forschungsinitiative zur Energiewende gestartet . Neue haltigkeitsstrategie . Energiesysteme und ‑konzepte sollen entwickelt werden, In dieser Rede möchte ich mich auf zwei Indikatoren um sie im großen Maßstab anwenden zu können . Sowohl des Nachhaltigkeitsberichtes konzentrieren: die Indika- die maximale Förderdauer von zehn Jahren als auch die toren zu Bildung und zu Innovation, also Forschung . geplante Fördersumme von 400 Millionen Euro machen den herausragenden Stellenwert des Vorhabens deutlich . Bildung ist der Katalysator für die Sicherung einer Kopernikus soll die Weichen für neue Wege in der Ko- nachhaltigen und damit besseren Zukunft; und in der operation von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft neuen Nachhaltigkeitsstrategie soll Bildung für Nachhal- stellen . Kopernikus ist eine Energieforschung, die uns tigkeit mehr Gewicht erhalten . Bildung für nachhaltige hilft, Nachhaltigkeit und unsere Klimaziele zu erreichen . Entwicklung hat das Ziel, vom Wissen zum Handeln zu kommen . Bis 2030 soll jeder Lernende zum Beispiel wis- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) sen, was ein nachhaltiger Lebensstil ist, was Menschen- rechte sind und was Geschlechtergerechtigkeit bedeutet . Das Anfang dieses Jahres vorgestellte Forschungs- Das alles soll ein nachhaltiges Bewusstsein fördern . programm „Forschung für Nachhaltige Entwicklung“, Bildung für Nachhaltigkeit ist kein Randthema, sondern FONA3, ist darauf ausgerichtet, Innovationen zum Um- gehört in Kita, Schule, Berufsschule, Hochschule, For- bau zu einer nachhaltigen Gesellschaft zu fördern . Unter schungsinstitute und Unternehmen; denn der Blick in die den zentralen Elementen des neuen Programms ist neben Zukunft muss mitgedacht werden – lebenslang . der Green Economy und der Energiewende besonders die (Beifall bei der CDU/CSU – Volker Kauder Zukunftsstadt das Thema, das mich als Berichterstatterin [CDU/CSU]: Klatscht mal, ihr Faulenzer!) für nachhaltige Stadtentwicklung besonders beschäftigt . 14526 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Sybille Benning (A) Die Stadt der Zukunft braucht eine nachhaltige Stadt­ Meine Kollegen, ich wünsche Ihnen allen eine gute (C) entwicklung . Weihnachtszeit und bedanke mich für die gute Zusam- menarbeit in diesem Jahr . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nachhaltige Stadtentwicklung ist erfreulicherweise ein Ich schließe die Aussprache . eigenes globales Nachhaltigkeitsziel, das SDG 11 . Im Bereich nachhaltiger Urbanisierung ist die deutsche For- Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf schung auch international führend und trägt mit einer Drucksache 18/7082 an die in der Tagesordnung aufge- Reihe ausgezeichneter Forschungsprogramme dazu bei, führten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit ein- Städte und Megacitys der Zukunft lebenswert zu machen . verstanden? – Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen . (Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Das müssen wir mehr in den Fokus stellen!) Ich rufe jetzt unseren Tagesordnungspunkt 23 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Matthias – Wir müssen das mehr in den Vordergrund stellen; da hat W . Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), die Kollegin völlig recht . Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Fraktion DIE LINKE Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Genau!) Rentenniveau anheben – Für eine gute, le- bensstandardsichernde Rente Zusammen mit den UN-Habitat-Programmen und weiteren Partnern fördert das BMBF mit dem Projekt Drucksache 18/6878 „Rapid Planning“ die Entwicklung einer schnell umsetz- Überweisungsvorschlag: baren transsektionalen Stadtplanungsmethodik, die eine Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) rasche Anpassung an schnellwachsende Städte erlaubt . Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ich hatte die Möglichkeit, mit Architekten und Studen- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ten in Hanoi intensiv dieses Programm zu diskutieren . Es Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für kommt gut an, und es wird auch realisiert . die Aussprache 60 Minuten vorgesehen, wobei sich die Für die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie wäre es Fraktionen offenkundig darauf verständigt haben, dass die Fraktion Die Linke zwei Minuten zusätzlich erhalten (B) gut – das meint auch der Bericht –, Faktoren mit den In- (D) dikatoren Fläche, Innovation und nachhaltige Mobilität soll, im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung zusam- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) menzufassen und abzubilden . Das muss natürlich im Di- alog mit den Kommunen geschehen . was ich erst durch wohlwollende Nachfragen ermittelt habe, aber hiermit ausdrücklich zustimmend zur Kennt- Als Berichterstatterin sind mir verschiedene Kommu- nis nehme . Darf ich fragen, ob auch alle übrigen Kolle- nen bekannt, die dank des FONA-Programms „Zukunfts- ginnen und Kollegen mit dieser Vereinbarung einverstan- werkstatt“ hervorragende, nachhaltige und zukunftswei- den sind? – Das ist offensichtlich der Fall . Also können sende Projekte implementiert haben . Ich nenne hier nur wir so verfahren . Freiburg und Bottrop, von Münster ganz zu schweigen . Dann eröffne ich die Aussprache und erteile dem Kol- (Beifall bei der CDU/CSU) legen das Wort . (Beifall bei der LINKEN) Eine ganz erfreuliche Entwicklung ist die zunehmen- de Wertschätzung urbaner Grünflächen in der Stadtpla- nung . Grün in der Stadt sorgt nicht nur für Freiräume, Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Orte der Begegnung, der Erholung, der Integration, son- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- dern liefert auch einen wichtigen Beitrag zu Klimaschutz ren! Ich beginne mit einem Zitat: und Gesundheit . . . .– zum Mitschreiben –: Die Rente ist sicher . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt ja auch!) neten der SPD – Dr .Valerie Wilms [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau: Grün!) Das sagte der damalige Sozialminister Norbert Blüm, CDU, am 10 . Oktober 1997 im Deutschen Bundestag . Grün in der Stadt ist einfach lebensnotwendig (Beifall bei der LINKEN – Beifall bei Abge- (Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ordneten der CDU/CSU) NEN]: Das ist ein gutes Schlusswort!) Der Sozialexperte der SPD, Rudolf Dreßler, antwortete ihm – Zitat –: – und völlig ideologiefrei, meine Kollegen .– Davon pro- fitieren kleine und große Städte, kleine Forscher bis hin Wer sich auf das Wort des Bundesministers . . ver- zu großen Forschungsvorhaben nachhaltig . lässt, hat auf Sand gebaut . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14527

Matthias W. Birkwald (A) Heute wissen wir: Rudolf Dreßler hatte recht . Das Ren- dardsichernde Rente muss das Rentenniveau angehoben (C) tenniveau befindet sich im freien Fall. werden . Auf 53 Prozent! Was heißt das? Das Rentenniveau bezeichnet das (Beifall bei der LINKEN) Verhältnis zwischen einer Standardrente und dem Herr Kollege Weiß, Sie haben laut Handelsblatt vom Durchschnittsgehalt der sozialversicherungspflichtig 2 . Dezember gesagt – Zitat –: Beschäftigten im selben Jahr . Die für die Berechnung zugrundegelegte Standardrente entspricht der Altersrente Die Rendite der gesetzlichen Rente liege bei drei eines Durchschnittsverdieners nach 45 Jahren . Prozent . „Da haben kapitalgedeckte Systeme eher Schwierigkeiten, eine solche Rendite darzustel- Dieses Rentenniveau – offiziell heißt es Sicherungsni- len .“… veau vor Steuern – lag im Jahr 2000 bei 53 Prozent . Alle Fachleute sind sich einig: Das ist ein lebensstandardsi- (Zuruf von der CDU/CSU: Im Moment ja!) cherndes Rentenniveau . Und das wird seit 15 Jahren Richtig, Herr Weiß . Betriebliche und private Vorsorge systematisch ruiniert . Gerhard Schröder, SPD, Walter sind aber meistens kapitalgedeckt . Nur: Warum gehen Riester, SPD, und Joschka Fischer, Grüne, haben unter Sie dann weiter den falschen Weg der beitragsfreien Ent- lautem Beifall von CDU und CSU dafür gesorgt, dass das geltumwandlung? Da steht nur Betriebsrente drauf, da Rentenniveau Schritt für Schritt dramatisch sinkt . Rudolf ist aber keine Betriebsrente drin . Im Gegenteil: Bei der Dreßler hatte sich das bestimmt anders vorgestellt, meine Entgeltumwandlung zahlen die Versicherten Geld von Damen und Herren . ihrem Bruttoeinkommen zum Beispiel in eine Direkt- (Beifall bei der LINKEN) versicherung ein . Dadurch sinkt ihr Lohn . Und deshalb werden geringere Beiträge an die gesetzliche Rentenver- Heute liegt das Rentenniveau nur noch bei 47,5 Pro- sicherung abgeführt . Die Folge: Wer Entgeltumwand- zent . Bis zum Jahr 2030 darf es auf bis zu 43 Prozent lung macht, kürzt sich selbst die gesetzliche Rente . Und absinken . Meine Damen und Herren, das war unverant- noch schlimmer: Weil die Lohnsumme aller Versicherten wortlich, ist unverantwortlich und wird unverantwortlich dadurch sinkt, wird auch die Rente von allen anderen bleiben . gekürzt, sogar von denen, die selbst gar keine Entgelt­ umwandlung machen . Darum sage ich: Schaffen Sie die (Beifall bei der LINKEN) Entgeltumwandlung ab, und erhöhen Sie stattdessen das Was heißt das in Euro? Das heißt: Die Sekretärin aus Rentenniveau! Köln, die zum Beispiel am 1 .Mai 2029 nach 45 Jahren (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Durchschnittsverdienst in Rente gehen wird, wird jeden neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (B) Monat rund 245 Euro Rente weniger erhalten, weil die (D) Rentenkaputtreformierer zwei sogenannte Dämpfungs- Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, faktoren in die Rentenanpassungsformel eingebaut ha- Riester und solch schlechte Betriebsrenten sind keine gu- ben . Knapp 245 Euro weniger Rente im Monat – das ten Alternativen zur gesetzlichen Rente . Warum kürzen macht rund 2 940 Euro Rente weniger im Jahr . Da Frauen Sie dann das Rentenniveau bis 2030 so dramatisch? Jahr ihre Rente durchschnittlich 21,4 Jahre beziehen, bedeu- für Jahr bleibt die gesetzliche Rente hinter den Löhnen, tet das: Fast 63 000 Euro werden dieser Rentnerin durch dem Wachstum und dem Wohlstand immer mehr zu- die Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors und des Ries- rück . Dabei sollte die Rente genau das Gegenteil leisten, ter-Faktors im Portemonnaie fehlen . 63 000 Euro Ren- nämlich den im Arbeitsleben erreichten Lebensstandard tenkürzung nach einem harten Berufsleben – das ist so- sichern und die Menschen am Wohlstand, den sie sich er- zial ungerecht, völlig inakzeptabel und absolut daneben! arbeitet haben, auch im Alter teilhaben lassen . Und: Die Rente soll vor Armut schützen . (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie behaupten, die drastischen Verluste bei der gesetzlichen Rente könnten Das tut sie aber nicht mehr, weil durchschnittlich Verdie- die Menschen ja mit privater Altersvorsorge oder einer nende im Jahr 2030 bereits 31,5 Jahre werden arbeiten Betriebsrente ausgleichen . Drei-Säulen-Modell nennen müssen, um eine Rente in Höhe der Sozialhilfe zu erhal- Sie das . Ich sage Ihnen: Die Riester-Rente ist tot, und die ten . Der durchschnittliche Bedarf der Grundsicherung im betriebliche Altersversorgung ist gefangen in der Nied- Alter liegt übrigens derzeit bei 785 Euro . Das ist nicht rigzinsfalle . Schauen Sie doch mal bitte in Ihrem eigenen armutsfest . Deshalb lassen Sie uns die Notbremse zie- Rentenversicherungsbericht auf Seite 40 nach . Da träu- hen und umkehren . Die Rente muss wieder den Löhnen men Sie nämlich von einem Gesamtversorgungsniveau folgen . aus gesetzlicher Rente und Riester-Rente von 51,1 Pro- (Beifall bei der LINKEN) zent im Jahr 2029 . Das ist maßlos überschätzt, weil Sie immer noch von einer Verzinsung von 4 Prozent ausge- Ich habe in der vergangenen Woche Sozialministerin hen . Das ist völlig utopisch . gefragt, wie die beiden Kürzungsfakto- ren, die Sie in die Rentenanpassungsformel hineinge- Liebe Koalition, Sie sind mit der Teilprivatisierung schrieben haben, denn Jahr für Jahr wirken . Die Antwort der Rente völlig auf dem Holzweg . Darum fordere ich der geschätzten Staatssekretärin Lösekrug-Möller war: Sie auf: Stoppen Sie die Talfahrt der gesetzlichen Rente! Zwischen 2003 und 2015 blieben die Rentenerhöhungen Die Linke sagt deshalb: Für eine gute und lebensstan- wegen des Riester-Faktors um 4,5 Prozentpunkte hinter 14528 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Matthias W. Birkwald (A) den Lohnerhöhungen zurück .– Noch erschreckender ist Wie soll das denn finanziert werden? (C) ein Blick in die Zukunft: Zwischen 2016 und 2029 wer- den es noch mal 7,8 Prozentpunkte sein, die die Renten Nun, die Einführung einer neuen Rentenanpassungs- hinter den Löhnen herhinken werden . Ursache: vor allem formel kostet nach unseren Berechnungen 30,31 Milliar- der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor . Heißt auf Deutsch: den Euro . Der Beitragssatz müsste nur um je 1,18 Pro- Die Löcher im Geldbeutel der Rentnerinnen und Rentner zentpunkte für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen werden immer größer . sowie Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen ansteigen . Für durchschnittlich verdienende Beschäftigte wären das Meine Damen und Herren, den Nachhaltigkeitsfaktor 34,40 Euro im Monat – für ein lebensstandardsicherndes haben Sie ja mal aus Angst vor der demografischen Ent- Rentenniveau! Die Riester-Rente wäre dafür dann nicht wicklung eingeführt . Seien Sie doch nicht so ängstlich . mehr nötig . Das wäre doch wunderbar! Es gibt doch zurzeit auch gute Entwicklungen . Ich nenne Ihnen vier . (Beifall bei der LINKEN) Erstens . Wenn wir es schaffen, die vielen jungen Ge- Meine Damen und Herren, das Rentenniveau anzuhe- flüchteten zügig in den Arbeitsmarkt zu integrieren, wer- ben, ist der Kern einer guten Rentenpolitik . Ein höheres den sie noch Jahrzehnte in die Rentenkasse einzahlen Rentenniveau bedeutet höhere Renten für die heutigen können . Das ist doch gut! Rentnerinnen und Rentner und höhere Renten für die künftigen Rentnerinnen und Rentner . Das ist Generatio- (Beifall bei der LINKEN – Dr . Martin nengerechtigkeit . Rosemann [SPD]: Der erste richtige Satz!) (Beifall bei der LINKEN) Zweitens . Es gibt viele Frauen, die nicht mehr nur Teilzeit arbeiten wollen, sondern Vollzeit . Ein höheres Rentenniveau ist gut für Jung und Alt, es ist gut für Frauen und Männer, gut für Ossis und Wessis und Drittens . Seit einem Jahr gibt es endlich einen gesetz- für Schwerbehinderte und Nichtbehinderte . Ein höheres lichen Mindestlohn . Der ist zwar viel zu niedrig, aber Rentenniveau sortiert nicht ein noch aus . Ein gutes Ren- immerhin erhöht er die Rentenansprüche, vor allem im tenniveau ist gut für alle . Osten . ( [SPD]: Und du hast nicht zuge- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen diese stimmt!) Wende in der Rentenpolitik . Die gesetzliche Rente muss den Lebensstandard wieder sichern, und niemand soll im – Ich war einer der Ersten, der den gefordert hat . – Alter von weniger als 1 050 Euro im Monat leben müs- (Katja Mast [SPD]: Du hast nicht zuge- sen . (B) (D) stimmt!) (Beifall bei der LINKEN) Aber er ist zu niedrig . Er muss dringend auf 10 Euro an- gehoben werden . Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei der LINKEN) Herr Kollege . Das wäre auch ein wichtiger und richtiger Schritt in Richtung einer armutsfesten Rente . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Ich komme zum Schluss, Herr Präsident .– Darum Und viertens werden immer mehr Kinder geboren . werden wir auch im kommenden Jahr unseren Vorschlag Also: Diese Entwicklungen müssen klug gestaltet und für eine Solidarische Mindestrente neu in die Debatte ausgebaut werden . Das wäre viel besser, als weiterhin und den Bundestag einbringen . das Rentenniveau in den Keller zu schicken . Darum for- Herzlichen Dank . dert die Linke: Erstens . Der Nachhaltigkeitsfaktor und der Ries- (Beifall bei der LINKEN) ter-Faktor müssen aus der Rentenanpassungsformel ge- strichen werden . Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei der LINKEN) Das Wort erhält nun der Kollege Karl Schiewerling für die CDU/CSU-Fraktion, Zweitens . Es wird eine neue Rentenanpassungsformel eingesetzt . Ihr Kern: Die Rente muss wieder den Löhnen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- folgen, ohne Wenn und Aber . ordneten der SPD) (Beifall bei der LINKEN) der sicher auch bestätigen wird, Herr Kollege Birkwald, dass der von Ihnen zitierte langjährige Arbeits- und So- Drittens . Um das Rentenniveau wieder schrittweise zialminister Norbert Blüm seine rentenpolitischen Vor- auf lebensstandardsichernde 53 Prozent anzuheben, wird stellungen auch nach Ausscheiden aus dem Amt tapfer ein Rückholfaktor eingeführt . aufrechterhält . So, und jetzt fragen Sie alle: Was kostet das? (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das fin- NEN]: Milliarden!) de ich sehr gut! Danke für den Hinweis!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14529

(A) Karl Schiewerling (CDU/CSU): zung ist, die Zukunft vernünftig zu gestalten . Allerdings (C) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kol- sehe auch ich, dass mit den Ausgaben, die gerade durch leginnen und Kollegen! Die Alterssicherung in Deutsch- das Rentenpaket anfallen, die Rücklage abschmilzt . Des- land steht nach wie vor auf drei Säulen: auf der gesetz- wegen bin ich nachdrücklich dafür, dass wir die untere lichen Rente, auf der betrieblichen Altersvorsorge und Grenze der Nachhaltigkeitsrücklage sukzessive von 0,2 auf der privaten Altersvorsorge . Alle drei Säulen sind auf mindestens 0,4 bis 0,5 durchschnittliche Montags- abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung: ohne ausgaben anheben, um genügend Liquidität für schwieri- gute wirtschaftliche Entwicklung keine stabile Alterssi- ge Zeiten zu haben und um nicht wieder Darlehen beim cherung . Bund aufnehmen zu müssen . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD – Matthias W . Birkwald Vor einer Woche hat die Deutsche Rentenversicherung [DIE LINKE]: Das haben wir schon vor eini- Westfalen ihr 125-jähriges Jubiläum gefeiert, nicht nur in ger Zeit beantragt! Den Antrag haben wir doch Anwesenheit des vorhin zitierten ehemaligen Arbeitsmi- eingebracht! Das haben Sie abgelehnt!) nisters Norbert Blüm, sondern auch seines Nachfolgers Franz Müntefering, vor allem aber mit einem vielbeachte- Es geht auch um die Frage der Stabilisierung der Ren- ten Vortrag des Präsidenten des Deutschen Bundestages, te; denn die Rente ist ein Generationenvertrag . Und der der auf die Entwicklung hingewiesen hat, dass natürlich Generationenvertrag kann nur erfüllt werden, wenn ihn alle Altersvorsorgesysteme, auch die gesetzliche Rente, alle Generationen akzeptieren . Das betrifft nicht nur die auch die betriebliche Altersvorsorge und auch die priva- Generation der Rentnerinnen und Rentner, das betrifft te Altersvorsorge, von der demografischen Entwicklung auch die Generation derjenigen, die heute einzahlen, und abhängen. Diese demografische Entwicklung dürfen wir die Generation, die noch gar nicht so weit ist, dass sie nicht ausblenden: keine Kinder, keine Zukunft oder eine einzahle müsste, aber all die Lasten für die Altersvorsor- teure Zukunft – in der Phase stecken wir . ge übernehmen muss, die jetzt schon aufgehäuft sind . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Ich kann nicht nur von einem Rentenniveau reden, ordneten der SPD) sondern ich muss auch zusehen, dass das ganze System bezahlbar bleibt . Meine Damen und Herren, auch wenn der Kollege Birkwald jetzt dargestellt hat, wie hell der Tag wird, (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das tut nachdem so viele Menschen zuwandern, nachdem einige es! – Weitere Zurufe von der LINKEN) Kinder mehr geboren werden, als ursprünglich gedacht, Dazu gehört auch, dass die Menschen länger fit bleiben, (B) nachdem sich offensichtlich die ein oder andere Ent- dass sie länger arbeiten können . Deswegen haben wir in (D) wicklung positiv am Horizont auftut, können wir doch der Koalition vor dem Hintergrund der demografischen auf Grundlage dieser Entwicklung im Augenblick keine Entwicklung die Flexirente vereinbart mit einem ganz ungedeckten Schecks ausstellen und sagen: Das wird starken Anteil an Rehabilitation und Prävention und mit schon alles, damit kriegen wir die rentenpolitischen Fra- einem ganz starken Anteil an Flexibilität, damit die Men- gen geklärt . schen länger in Arbeit bleiben können und nicht zu früh (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ja, in Rente gehen . genau!) Was den Nachhaltigkeitsfaktor und den Riester-Faktor Das ist Politik der Linken: Sie stellt Schecks aus, die angeht, sage ich: Ja, Herr Kollege Birkwald, man kann nicht gedeckt sind, und man weiß nicht, wohin es geht . das so machen, wie Sie das gemacht haben: Rückwärts Das ist nicht verlässlich . Das ist nicht vernünftig geplant . rechnen, aufrechnen, was man in der Zeit an Rente alles nicht bekommen hat; unter dem Strich steht dann eine (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Summe, die einen schwindelig werden lässt .– Ich kann ordneten der SPD) aber auch sagen: Der Nachhaltigkeitsfaktor und der Ries- ter-Faktor sind im Interesse der Generationengerechtig- Auch beim vorliegenden Antrag wird deutlich: Die keit eingeführt worden, damit sich die jetzige und die zu- Linken sind mindestens auf einem Auge blind . Es geht künftige Rentnergeneration an den zukünftigen Kosten ihnen ausschließlich um die Frage des Rentenniveaus . beteiligt . Die Deutsche Rentenversicherung hat aber verschiedene Stellschrauben . Sie ist vor allen Dingen ein solidarisches (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Sie Sicherungssystem, das ohne diese vier Stellschrauben schicken Durchschnittsverdiener in die Ar- letztendlich nicht auskommt, und zwar erstens die Bei- mut!) träge, zweitens das Rentenniveau, die dritte Stellschrau- Deswegen ist das, was damals eingeführt wurde, übri- be ist die Frage der Laufzeit von Renten und die vierte gens unter Rot-Grün, in der Sache richtig . ist der Bundeszuschuss . Alle vier Aspekte müssen im Gleichgewicht bleiben und abgewogen werden, sonst ist (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) die Rente auf Dauer gesehen nicht zu finanzieren. Deswegen gehen wir an diese Frage nicht heran . Meine Damen und Herren, es geht uns in der Tat im Im Übrigen ist der Riester-Faktor längst ausgelaufen . Augenblick gut: niedrige Arbeitslosigkeit, hohe Beschäf- Er wirkt natürlich nach . tigung . Wir haben hohe Rücklagen im Bereich der Ren- tenversicherung . Ich glaube, dass das eine gute Vorausset- (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Aha!) 14530 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Karl Schiewerling (A) Den Nachhaltigkeitsfaktor werden wir nicht aushebeln die private Altersvorsorge – das hat der Kollege Weiß in (C) können . Würden wir das tun, würden wir den Umstand den Medien kundgetan – nicht ernst nehmen, dass, unabhängig davon, dass im Au- genblick ein paar Kinder mehr geboren werden, dann die (Lachen des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE beitragszahlenden Generationen eine wesentlich kleinere LINKE]) Gruppe bilden als die Generation der Rentner . Wir dürfen keine ungedeckten Schecks auf die Zukunft ausstellen . unter Druck geraten . Anfang der 2000er-Jahre hatten wir aber eine Situation, 2002, in der das genau umgekehrt (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Bei- war . tragszahler, darauf kommt es an!) (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das ist aber nicht verlässlich!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Lieber Kollege Schiewerling, lassen Sie eine Zwi- Damals waren die Zinsen hoch – damals hat es sich ge- schenfrage des Kollegen Petzold zu? lohnt, Kapital anzulegen –, und die Renten waren unten . Jetzt hat sich die Situation umgekehrt . Ich kann Ihnen nur raten: Machen Sie auch in der Opposition keine kurzat- Karl Schiewerling (CDU/CSU): mige Politik; Sie könnten eines Tages von wirtschaftli- Ja, eine lasse ich zu . chen und finanzpolitischen Entwicklungen in Deutsch- land und in der Welt eingefangen werden, die Sie nicht in (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Schade der Hand haben . eigentlich!) – Sie haben gar keine Frage, Herr Birkwald? – Ach so, (Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W . Sie, Herr Petzold . Bitte . Birkwald [DIE LINKE]: Schön, dass Sie uns schon in der Regierung sehen!)

Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Meine Damen und Herren, auch wir wollen nicht, dass Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfra- das Rentenniveau dauerhaft ins Bodenlose fällt . Auch wir ge zulassen, ausnahmsweise von einem nicht rentenpoli- wollen, dass es zu einem Stopp kommt . Auch wir wollen, tischen Experten . – Das Anliegen, die Bezahlbarkeit des dass die Menschen am Ende der Tage von ihrem Einkom- Gesamtsystems sicherzustellen, teile ich . Ich möchte Sie men leben können . Wir wollen die bisherigen Regelun- gerne fragen, warum Sie gestern einem Gesetzentwurf gen der Riester-Förderung in der Tat überprüfen – ich zugestimmt haben, mit dem 40 000 gut verdienende Syn- halte das auch für notwendig –, nicht, weil sie aufgrund (B) (D) dikusanwälte aus der gesetzlichen Rentenversicherung des niedrigen Zinsniveaus an Bedeutung verlieren, son- herausgenommen werden . dern aufgrund der Entwicklungen bei den Versicherern, aufgrund der Dinge, die sich dort abgespielt haben . Au- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – ßerdem wollen wir die betriebliche Altersvorsorge aus- Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: weiten und stärken . Eine Arbeitsgruppe unserer Fraktion Nein! Die sind nicht raus! Die waren gar nicht und eine Arbeitsgruppe der Koalitionsfraktionen arbeiten drin!) daran . Die umlagefinanzierte Rente ist wie keine andere Ins- Karl Schiewerling (CDU/CSU): titution in Deutschland Ausdruck des Zusammenhalts der Erstens . Die Syndikusanwälte waren bisher überhaupt Generationen . Vielleicht ist das der letzte institutionali- nicht in der Rentenversicherung . Zweitens musste das sierte Zusammenhalt der Generationen . Diesen Zusam- aufgrund der Rechtsprechung eines Sozialgerichts neu menhalt wollen wir stärken . geregelt werden . Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit des Advents, ein fro- (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- hes Weihnachtsfest und ein gesegnetes neues Jahr . NEN]: Das Sozialgericht hat gesagt, sie sollen rein!) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Drittens ging es darum, dem Berufsstand und den Bedin- gungen des Berufsstandes gerecht zu werden . Deswegen Präsident Dr. Norbert Lammert: haben wir dieses Gesetz gemacht . Ich halte das in der Markus Kurth erhält nun das Wort für die Fraktion Sache auch für vertretbar . Bündnis 90/Die Grünen . (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, wir wollen, dass die Men- Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): schen auch in Zukunft von ihren Alterseinkünften leben Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! können, von der gesetzlichen Rente, von der betriebli- Meine Damen und Herren! 500 Milliarden Euro, das sind chen Rente und von der privaten Altersvorsorge . Herr 100-mal die Kosten des unvollendeten Flughafens BER . Kollege Birkwald, Sie haben mit Ihrer Analyse recht: 500 Milliarden Euro, das sind 23 Monatsausgaben der Aufgrund der Situation am Kapitalmarkt, aufgrund der gesetzlichen Rentenversicherung . 500 Milliarden Euro niedrigen Zinsen, ist die betriebliche Altersvorsorge und würde es kosten, wenn man die Vorschläge der Linken Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14531

Markus Kurth (A) zur Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent umset- W . Birkwald [DIE LINKE]: Aha, der Wahl- (C) zen würde . kampf fängt an!) ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ich habe das als Bereitschaft verstanden, endlich Verant- NEN]: Oh, das ist aber üppig!) wortung zu übernehmen – etwas, was Sie in den ganzen letzten Jahren, gerade in der Sozialpolitik, sehr oft nicht Um dies zu finanzieren, müsste man, auch nach den eige- getan haben . nen Berechnungen von Matthias Birkwald, den Beitrags- satz in der gesetzlichen Rentenversicherung auf 28 Pro- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zent anheben . sowie bei Abgeordneten der SPD) (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Nicht Ihr Antrag macht genau das, was Herr Ernst in seinem heute!) Artikel auch gefordert hat, nicht . Er eröffnet nämlich kei- ne strategische Perspektive . Das ist schade . Sie schaden Ich frage Sie wirklich: Was denken Sie sich politisch? mit diesem Antrag nicht nur sich selbst – das könnte mir Wo leben Sie denn? ja völlig egal sein –, sondern Sie schaden auch einer ver- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, nünftigen Debatte darüber, wie man das Rentensystem bei der CDU/CSU und der SPD) weiterentwickeln kann, und Sie machen es den Regie- rungsfraktionen wahnsinnig leicht . Deshalb ist es ganz Ich sage nicht, dass Sie falsch gerechnet haben; Sie einfach, Ihren Antrag abzulehnen . haben es ja vorgerechnet . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage) Präsident Dr. Norbert Lammert: – Sie wollen mir das jetzt wahrscheinlich alles noch ein- Herr Kollege Kurth, darf der Kollege Ernst denn eine mal darlegen, was die 28 Prozent betrifft . Wir haben hier Zwischenfrage stellen, wenn er auf Rechenbeispiele ver- ja schon mehrfach gehört, dass Sie die Riester-Beiträge zichtet? sozusagen umrechnen . (Heiterkeit) (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Klassi- sche Mathematik!) Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): – Ja, die klassische Mathematik .– Darum möchte ich Ja, das kann er gerne machen . Ich freue mich darauf . eine Zwischenfrage an dieser Stelle nicht zulassen . Das, (B) (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (D) was Herr Birkwald jetzt vorrechnen würde, kenne ich NEN]: Aber keine Zahlen! – Zuruf von der nämlich schon . SPD: Kein Spickzettel, Herr Ernst!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und Klaus Ernst (DIE LINKE): der SPD) Herzlichen Dank, dass Sie die Frage zulassen . Aber Politik ist nicht die Fortsetzung der Mathematik mit (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- anderen Mitteln . Politik ist der Kampf um gesellschaftli- NEN]: Jetzt nimm nicht zurück, was du ge- che Mehrheiten . schrieben hast, Klaus!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich glaube, sagen zu können – ohne dabei Abstriche an sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und meinem Artikel zu machen –, dass die Rente und unser der SPD) Vorschlag zur Rente mit Sicherheit nicht zu dem Teil ge- Eigentlich ist das, was Sie hier vorlegen, im Vergleich hören, bei dem wir Abstriche machen müssten . zu dem, was Klaus Ernst in einem, wie ich finde, bemer- (Beifall bei der LINKEN) kenswerten Artikel in der Frankfurter Rundschau jüngst geschrieben hat, ein Rückschritt . Herr Ernst hat nämlich Vielmehr geht es – im Gegenteil – darum, gemeinsame geschrieben – das war das erste Mal, dass man das als linke Projekte zu finden, die im Interesse der Bürgerin- klare Analyse so lesen konnte –, die Linke müsse „runter nen und Bürger dieses Landes eine Alternative zur ge- von der Zuschauertribüne“ . Er schrieb auch, man müsse genwärtigen Regierungspolitik sein können . Darum geht sich die Frage stellen, ob es sich die Linke in ihrer Bie- es . dermeierwelt noch lange so kuschelig machen kann . (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: An- NEN]: Aber euer Rentenkonzept gehört nicht ständige Rente ist Biedermeierwelt?) dazu!) Ich habe das als erste vernünftige strategische Überle- Was die Rentenpolitik betrifft, weiß ich, dass die gung bewertet, wie man in diesem Parlament vielleicht Grünen das Modell einer Bürgerversicherung bzw . ei- auch andere Mehrheiten herstellen kann . ner Erwerbstätigenversicherung anstreben . Wir leben in einer Zeit, in der viele Bürgerinnen und Bürger dieses (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Landes, die in Rente gehen, nicht wissen, wie sie damit sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias umgehen sollen, dass der Monat bei weitem länger ist, 14532 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Klaus Ernst (A) als der Geldbeutel gefüllt ist, und das, obwohl Deutsch- Sicherlich wird man sagen, dass die gesetzliche Ren- (C) land eines der reichsten Länder der Welt ist . Wir wissen, te sozusagen als Basis und Voraussetzung für die priva- dass alle privaten Rentenversicherungsmodelle, die es te Vorsorge gestärkt werden muss . Ich erwarte aber ein gegenwärtig gibt, gescheitert sind – das betrifft sowohl planvolles Vorgehen die Riester-Rente als auch die private Vorsorge –, weil es fast keine Zinsen mehr gibt . In einer solchen Zeit kommt (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Was es darauf an, dass wir gemeinsam – Linke, Grüne und heißt das denn konkret? Was heißt das, „die die Sozialdemokratische Partei – diese Dinge wieder in gesetzliche Rente stärken“?) Ordnung bringen . und nicht einfach das Aufstellen eines Wunschkatalogs (Beifall bei der LINKEN) und die Aussage: So muss das aber sein . – Das ist genau die kuschelige Oppositionswelt, aus der Sie sich doch an- Insofern sehe ich nicht, dass ich an dem, was ich in mei- geblich verabschieden wollten . nem Artikel geschrieben habe, auch nur die geringsten Abstriche machen müsste . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und Wir sollten uns überlegen, solche Projekte hinzube- der SPD) kommen, damit wir eine Alternative darstellen und die Bürger sehen: Wenn wir die wählen, dann ändert sich et- Ich finde, man kann es den Regierungsfraktionen an- was . – Was sich ändern muss, ist die Rentenpolitik . Da gesichts dessen, was im Feststellungsteil analysiert wird, finde ich, dass die Vorschläge, die mein Kollege Birkwald nicht leicht machen; denn das absinkende Rentenniveau hier eingebracht hat, und die Vorschläge meiner Fraktion wird aktuell leider nicht durch die Riester-Rente kom- genau die richtigen sind . pensiert . Wie eine meiner Kleinen Anfragen an das Fi- nanzministerium ergeben hat, sind es nur 6,4 Millionen (Beifall bei der LINKEN – Katja Mast von 35 Millionen Versicherungsberechtigten, die den [SPD]: Was war die Frage?) Riester-Vertrag wirklich voll besparen . Das heißt also: Der ganze Niveauausgleich findet so gar nicht statt. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben gleichzeitig eine hohe Selektivität bei Ries- Herr Ernst, ich muss meine eben gemachten, ermun- ter; denn die Geringverdiener schließen das eben nicht ternd gedachten Bemerkungen zur strategischen Überle- ab . bensfähigkeit wieder ein bisschen relativieren . Politik ist keine voluntaristische Veranstaltung . (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Sag (B) (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- ich doch!) (D) SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Diese hohe Selektivität bzw . diese Unwucht haben wir Wenn Sie sagen, dass wir keine Abstriche machen gleichzeitig bei der zweiten Säule, der Betriebsrente . müssen, dann müssen Sie sich, selbst wenn Sie eine ab- Auch da sehen wir: Der Verbreitungsgrad ist noch zu ge- solute Mehrheit hätten, fragen, ob denn das, was Herr ring . Er konzentriert sich auf die Großunternehmen und Birkwald hier vorgeschlagen hat, auch nur ansatzwei- auf eher besserverdienende Personen . Hier ist eben für se mit den Gewerkschaften machbar sein würde . Das einen großen Teil der Bevölkerung die zweite Säule auch würde es nämlich nicht . Ich bin sicherlich niemand, der nicht tragfähig . Das bedeutet, dass wir bei jeder Säule die Lohnnebenkosten als Superargument ganz oben an schauen müssen, wie wir an der Stelle weiter vorankom- die erste Stelle stellt, aber einen Beitragssatzanstieg um men . 10 Prozentpunkte kann man nicht ignorieren . Das wird Da sehe ich bei der Großen Koalition aber großes natürlich Folgen für die Ökonomie haben . Schweigen im Walde . Sie haben verschiedene, im Dif- (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Nicht fusen bleibende Vorschläge; manche Sachen liegen in in einem Jahr und auf einen Rutsch! Das ist den Schubladen des Bundesministeriums . Im Grunde doch Unsinn! Ganz langsam!) genommen befinden Sie sich aber in einer Blockadesitu- ation, und zwar wegen des Rentenpakets, das Sie gleich, Wir können auch die gesetzliche Rentenversicherung nachdem Sie die Regierung übernommen haben, verab- nicht allein betrachten; denn auch die gesetzliche Kran- schiedet haben . Seitdem trauen Sie sich doch gegenseitig kenversicherung steht angesichts des demografischen nicht mehr über den Weg, blockieren sich und schieben Wandels vor Kostensteigerungen . notwendige Entwicklungen auf . Wenn man sich überlegen will, wie man Politik macht, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) muss man gerade bei einer langfristig angelegten Sozi- alversicherung sehen, dass das Ganze pfadabhängig ist . Sie kommen auch in anderen Bereichen nicht voran . Die jetzige Situation mit dem Drei-Säulen-Modell ist Selbst bei an sich eigentlich harmlosen Geschichten wie nicht vom Himmel gefallen, sondern ein längerer Ent- der Arbeitsstättenverordnung wird alles gleich aufgebla- wicklungsprozess . Genauso wird man in einem längeren sen, Unternehmerlager und Wirtschaftsflügel der CDU Entwicklungsprozess Defizite dieser drei Säulen analy- regen sich auf, und deswegen unterbleiben notwendige sieren und schauen müssen, wie man jeweils innerhalb Weiterentwicklungen oder fallen, wie bei Ihren Vor- der drei Säulen damit klarkommt; das führe ich gleich schlägen zur Flexirente, minimal aus . Ob da ein Gesetz noch aus . kommt – wir warten ohnehin schon lange darauf . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14533

Markus Kurth (A) Das Glück, das Sie haben, ist, dass die wirtschaftli- 1 050 Euro zu fordern, sind keine realistische und keine (C) che Lage günstig ist . Der Problemdruck wird aber nicht strategische Perspektive . geringer . Es steht zu befürchten, dass wir spätestens ab Mitte der 2020er-Jahre sowohl von der Beitragsseite als Vielen Dank . auch von der Seite der Altersarmut unter Druck geraten, wenn wir an dieser Stelle nichts machen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Warum stellen Sie sich zum Beispiel in Bezug auf die Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Da war Betriebsrente nicht die Frage, ob Sie es machen sollten nichts Konkretes dabei!) wie in Großbritannien? Dort gibt es ein Opt-out-Modell . Arbeitgeber müssen eine Betriebsrente anbieten, und die Beschäftigten können dann sagen, ob sie sie wollen oder Präsident Dr. Norbert Lammert: nicht . In Großbritannien ist die Verbreitung der Betriebs- Martin Rosemann ist der nächste Redner für die rente dadurch gestiegen, und sie befindet sich auf dem SPD-Fraktion . Vormarsch . Warum kann man sich das nicht einmal über- legen? Warum reagieren Sie nicht auf diese Mängel, die (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) ich gerade in Bezug auf die Riester-Rente genannt habe?

Wir diskutieren im Moment in der Fraktion darüber – Dr. Martin Rosemann (SPD): ich hoffe, dass wir bald zum Abschluss kommen –, dass man die Förderung bei Riester umstellen kann, und zwar Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! weiter in Richtung der Geringverdienenden, damit dort Meine Damen und Herren! Markus Kurth, herzlichen die Verbreitung steigt . Wir brauchen gleichzeitig mehr Dank dafür, dass Sie alles gesagt haben, was zum Antrag Transparenz bei den Produkten . Diese ist unbefriedigend . der Linken zu sagen ist . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) All die Reparaturen bei der zweiten und dritten Säule werden trotzdem nicht dazu führen, dass alles ausgegli- Deswegen kann ich mich wieder der Realität zuwenden . chen wird, was mit dem gesetzlichen Rentenniveau zu- sammenhängt . Zunächst einmal zur aktuellen Lage . Diese ist in der Rentenversicherung ausgesprochen gut . Die Nachhal- (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Aha!) tigkeitsrücklage liegt bei rund 35 Milliarden Euro . Wir mussten in dieser Legislaturperiode sogar schon die Bei- (B) Darum gebe ich zu: Wir müssen das Niveau der gesetz- (D) tragssätze senken . Diese Situation ist deutlich besser, als lichen Rente nach oben hin stabilisieren . Das muss tat- es noch vor einigen Jahren prognostiziert worden ist . sächlich so sein; denn die Voraussetzungen für die ka- Matthias Birkwald, das zeigt, dass der Nachhaltigkeits- pitalgedeckte Absicherung – auch die Betriebsrente ist faktor auf die Situation am Arbeitsmarkt reagiert; denn überwiegend kapitalgedeckt – werden in Zukunft nicht das, was wir erleben, hat mit der sehr guten Lage auf besser . Wir haben, weil wir eine sehr reife Volkswirt- dem Arbeitsmarkt, mit der höchsten Erwerbstätigkeit, schaft sind, ein tendenziell sinkendes Zinsniveau . Wir der höchsten Zahl an sozialversicherungspflichtig Be- werden nicht auf 4 Prozent Kapitalmarktzinsen bei ent- schäftigten und der geringsten Arbeitslosigkeit seit der sprechend risikoarmen Anlagen kommen . Darauf muss Wiedervereinigung zu tun . man reagieren . Im Unterschied zu 2000, der Jahrtausendwende, ist es (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Weil so, dass wir seitdem eine Finanzmarkt- und Euro-Krise das so ist, dürfen die Leute keine anständige hatten und die gesetzliche Rente die Überlegenheit des Rente kriegen? Das ist unlogisch!) Umlagesystems unter Beweis gestellt hat . Nicht einmal die Versicherungswirtschaft stellt in Abrede, dass die Das wiederum hat etwas mit den Strukturreformen auf umlagefinanzierte gesetzliche Rente Voraussetzung für dem Arbeitsmarkt vor rund zehn Jahren zu tun . Es hat private Vorsorge ist . Nur wenn wir eine armutsfeste und etwas zu tun mit den richtigen Weichenstellungen der Po- stabile gesetzliche Rente haben, haben Leute auch Anrei- litik in der Finanzmarktkrise . Und es hat erst recht etwas ze, privat vorzusorgen oder Betriebsrenten in Anspruch damit zu tun, dass wir verantwortungsvolle Unternehmer zu nehmen . und engagierte Beschäftigte in Deutschland haben . (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Haben (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sie in Zukunft nicht mehr!) der CDU/CSU) Das heißt, wir sind in dieser Hinsicht ein Stück weiter Meine Damen und Herren, ich will aber auch noch als vor 15 Jahren, auch gesellschaftlich . Selbst Herr an die ersten Leistungsverbesserungen in der Rente seit Schiewerling hat gewisse Nachdenklichkeit signalisiert . Jahren, die Aufwertung der Kindererziehungszeiten vor So sollte man dann das Ruder langsam umsteuern und 1992, den früheren Rentenzugang für besonders langjäh- sich in eine andere Richtung bewegen . Das macht die Re- rig Versicherte und Verbesserungen bei den Erwerbsmin- gierung im Moment leider nicht . Aber nur voluntaristi- derungsrenten erinnern . Das hat diese Bundesregierung sche Das-will-ich-so-Sprüche und eine Mindestrente von gemacht . Das hat die Bundesministerin Andrea Nahles 14534 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Dr. Martin Rosemann (A) gemacht . Und das hat diese SPD gemacht, meine Damen Deutschland . Deswegen müssen wir sie auch stabilisie- (C) und Herren . ren .

(Beifall bei der SPD – Michael Grosse- (Beifall bei der SPD) Brömer [CDU/CSU]: Ganz allein wart ihr nicht!) Klar ist aber auch, dass der demografische Wandel nur bewältigbar ist, wenn wir die Lasten gerecht zwischen Wir sind damit sicherlich noch nicht am Ende; denn den Generationen verteilen und Alterssicherung auf meh- die Herausforderungen durch den demografischen Wan- reren Säulen basiert . Klar ist schließlich auch, dass es so, del, durch zunehmende Altersarmut liegen auf dem Tisch . wie man es sich einmal vorgestellt hat, nicht gut genug (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: „Koali- funktioniert . Deswegen sehen auch wir da Reformbedarf . tion“ ist heute ein Fremdwort!) (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Im- – Ja, die Koalition hat es gemeinsam gemacht . merhin!)

(Beifall bei der CDU/CSU – Sabine Weiss Reformbedarf sehe ich vor allem in zwei Bereichen . [Wesel I] [CDU/CSU]: Danke!) Es ist ja Weihnachten . Ich glaube, wir müssen auch bei kapitalgedeckten Systemen weg von individuellen Lösungen . Wir müssen (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das hin zu mehr kollektiven Lösungen und zu mehr Verbind- hängt auch ein bisschen mit Mehrheiten zu- lichkeit . Das heißt, dass betriebliche Altersversorgung sammen!) auch in Deutschland sozialpartnerschaftlich organisiert wird . Das erhöht die Verbindlichkeit, und wir erreichen – Wenn ihr euch durch diese Bundesregierung nicht an- mehr Beschäftigte . Das reduziert Vertriebs- und Verwal- gesprochen fühlt, dann ist das nicht mein Problem . tungskosten und ermöglicht optimalere Anlagestrategien . (Lachen bei der CDU/CSU) Den zweiten Reformbedarf sehe ich bei der Förde- Die Herausforderungen durch den demografischen rung . Ich glaube, wenn wir über stärkere kollektive Sys- Wandel und durch zunehmende Altersarmut infolge von teme die zweite Säule, die betriebliche Altersversorgung, brüchigen Erwerbsbiografien liegen also auf dem Tisch. stärken, dann müssen wir in der zweiten Säule auch Ge- Wir haben mit den Verbesserungen bei den Erwerbsmin- ringverdienerinnen und Geringverdiener besser fördern, derungsrenten schon einen wichtigen Schritt zur Bekämp- damit nicht nur gut verdienende Facharbeiter aus der fung von Altersarmut gemacht . Aber natürlich brauchen zweiten Säule, der betrieblichen Altersversorgung, pro- (B) (D) wir weitere Antworten, gerade dann, wenn Menschen mit fitieren. brüchigen Erwerbsbiografien, mit geringen Löhnen, mit langen Phasen der Arbeitslosigkeit in Zukunft in Rente (Beifall bei der SPD) gehen . Deswegen werden wir als Koalition geringe An- wartschaften im Rahmen der solidarischen Lebensleis- Insgesamt heißt das, dass wir einen Paradigmenwech- tungsrente noch in dieser Legislaturperiode aufwerten . sel bei der betrieblichen Altersversorgung vornehmen müssen und die betriebliche Altersversorgung von einem (Beifall bei der SPD – Matthias W . Birkwald Instrument der betrieblichen Personalpolitik zu einem [DIE LINKE]: Da bin ich mal gespannt!) Instrument der Sozialpolitik für alle Beschäftigten in Wenn wir im Durchschnitt älter werden, dann müssen Deutschland weiterentwickeln müssen . wir im Durchschnitt auch länger arbeiten . Dann müssen Aber klar ist: Nicht alle Probleme sind alleine in der wir aber auch dafür sorgen, dass die Menschen das schaf- Rentenpolitik zu lösen . Denn natürlich gibt es einen Zu- fen . Wenn wir auf die Arbeitsmarktstatistiken schauen, sammenhang: gute Arbeit, gute Löhne, gute Rente . dann sehen wir, dass wir dabei schon ein großes Stück vorangekommen sind . Mit der Einigung in der Koalition (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- über flexible Übergänge verbessern wir die Bedingungen NEN]: Sag doch mal was zu Riester!) weiter . Deshalb haben wir den Mindestlohn eingeführt . Des- (Beifall der Abg . Katja Mast [SPD]) halb stärken wir die Tarifbindung . Deshalb arbeiten wir Durch eine attraktivere und flexiblere Teilrente und die für den Grundsatz: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit für frühere Möglichkeit, Abschläge abzukaufen, machen wir Frauen und Männer genauso wie in der Leiharbeit . einen flexiblen Ausstieg attraktiver. Durch die Stärkung von Prävention und Reha verbessern wir die Chancen, ( [DIE LINKE]: Aber nicht dass die Menschen bei guter Gesundheit möglichst lange für Leiharbeiter!) im Erwerbsleben bleiben können . Durch die Möglichkeit, eigene Rentenanwartschaften auch während des Renten- Deshalb setzen wir uns für die bessere Vereinbarkeit von bezugs zu erwerben, machen wir das Weiterarbeiten auch Familie und Beruf ein . Deshalb geht es auch um bessere nach dem Renteneintritt attraktiver . Bildung von Anfang an . An all dem arbeiten wir Sozial- demokratinnen und Sozialdemokraten hier im Bund ge- Klar ist und klar muss sein: Die gesetzliche Rente meinsam mit unserem Koalitionspartner, aber auch in der ist und bleibt die zentrale Säule der Altersversorgung in Verantwortung in den Ländern . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14535

Dr. Martin Rosemann (A) In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein frohes Wir haben ein umlagefinanziertes Rentenversiche- (C) Weihnachtsfest . rungssystem . Das, was heute eingezahlt wird, wird mor- gen für die Rentnerinnen und Rentner ausgegeben . 1960 (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten kamen auf einen Rentner noch drei Erwerbstätige . der CDU/CSU) (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Nein, Präsident Dr. Norbert Lammert: das ist falsch! 1960 kamen da 5,8, im Jahr 2010 Das Wort erhält nun Peter Weiß für die CDU/ waren es 3,1, Herr Weiß! Sorry, da kenne ich CSU-Fraktion . mich aus! – Heiterkeit) (Beifall bei der CDU/CSU) Herr Birkwald, egal welche Zahl Sie nehmen, der Punkt ist der: Die Zahl derjenigen, die mit ihren Beiträ- gen das finanzieren müssen, was die Rentnerinnen und Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Rentner an Rente bekommen, nimmt kontinuierlich ab Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! und wird auch in den kommenden Jahren kontinuierlich Wenn man das System der Rentenversicherung richtig in abnehmen . den Blick nehmen will, dann muss man auch ein biss- chen zurückgucken . Die gesetzliche Rentenversicherung Einerseits wird die Rentenbezugsdauer länger – es ist ist eine tolle Erfindung gewesen, aber sie hat über Jahr- ja schön, dass wir alle länger leben können und dürfen –, zehnte hinweg nie zu finanziellen Leistungen geführt, die andererseits nimmt die Zahl derjenigen ab, die diese wirklich den Lebensstandard der älteren Generation ge- Rente für die große Zahl von Rentnerinnen und Rentnern sichert haben; sie war nur ein Beitrag . aktuell finanzieren. Diese beiden Entwicklungen müssen in einem Rentenversicherungssystem, das auf Genera- (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das ist tionengerechtigkeit und dem Generationenvertrag fußt, Geschichtsklitterung!) Konsequenzen haben, und eine Konsequenz kann nur 1957 ist es mit der Einführung der dynamischen Ren- sein, dass die Belastungen und Entlastungen zwischen te zum ersten Mal gelungen, die Rentenversicherung so den Generationen gerecht verteilt werden . Das ist die umzubauen, dass sie Leistungen erbringt, durch die wirk- Philosophie unserer Rentenpolitik: Generationengerech- lich der Lebensstandard im Alter gesichert werden kann . tigkeit . Der Zeitpunkt der Einführung der dynamischen Rente ist das entscheidende Geburtsdatum . (Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das ist Volksschu- Das war deswegen möglich, weil wir nach dem Zwei- le Sauerland! Da haben Sie die Produktivität (B) ten Weltkrieg ein Wirtschaftswunder erlebt haben und nämlich nicht berechnet!) (D) weil in Deutschland Jahr für Jahr mehr Kinder geboren wurden, wodurch die Zahl der Beschäftigten in Deutsch- Was die Grünen vorschlagen, bedeutet nichts anderes, land angestiegen ist . Das war damals möglich mit dem um es mit einem Satz zu sagen, als den Ausstieg aus der Höhepunkt 1964, als die meisten Kinder in Deutschland Generationengerechtigkeit und eine Entsolidarisierung geboren wurden, nämlich 1,35 Millionen, und das hat na- unserer Gesellschaft . türlich auch dazu geführt, dass das Rentenniveau steigen (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Die konnte, weil eine große Zahl von Beitragszahlerinnen Linke, Herr Weiß! – Karl Schiewerling [CDU/ und Beitragszahlern einer damals vergleichsweise ge- CSU]: Die Linken haben den Antrag gestellt!) ringen Zahl von Rentnerinnen und Rentnern gegenüber- stand . – Was die Linke vorschlägt, ist Entsolidarisierung . So ist Seither hat sich die Welt aber geändert: 1960 haben die es richtig, danke . Menschen, die in Rente gingen, im Durchschnitt 10 Jah- (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) re lang Rente beziehen können, bis sie verstorben sind . Heute beträgt die durchschnittliche Rentenbezugsdauer Wir haben noch etwas gemacht, was ebenfalls zur Ge- 20 Jahre. Man profitiert also doppelt so lang von seinem nerationengerechtigkeit beiträgt, hier bisher aber nicht Anspruch auf eine gesetzliche Rente . Daneben hat sich erwähnt worden ist: Die gesetzliche Rente wird längst seitdem die Zahl der Kinder verringert . Seit 1964 nimmt nicht mehr nur aus Beiträgen finanziert, sondern wir ha- die Zahl der Kinder, die jährlich geboren werden, Jahr ben durch einen ständig steigenden Zuschuss aus dem für Jahr ab . Bundeshaushalt, aus dem Steueraufkommen, alle Ein- kunftsarten und damit alle Mitbürgerinnen und Mitbür- (Dr .Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- ger an der Finanzierung der gesetzlichen Rente beteiligt . NIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt nimmt sie wie- Mit dem kürzlich verabschiedeten Bundeshaushalt 2016 der zu!) steigen diese Beiträge des Bundes zur Rentenversiche- Deswegen hat sich auch das Verhältnis zwischen der rung auf insgesamt 86,2 Milliarden Euro an. Wir finan- Zahl der Menschen, die eine Rente beziehen, und der zieren also die solidarisch finanzierte Rente zusätzlich Zahl derjenigen, die aufgrund ihrer Arbeit Beiträge in das aus Steuermitteln . Das ist der größte Ausgabenblock in Rentenversicherungssystem zahlen, verändert . unserem Bundeshaushalt . (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Was ist (Zuruf von der CDU/CSU: Und wehe, der mit der Produktivität?) fällt weg!) 14536 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Peter Weiß (Emmendingen) (A) Um die Vergleichsziffer zu nennen: Die Gesamtausgaben schäftigte gibt es, die Beiträge zahlen? Wenn deren Zahl (C) werden sich, so der Haushaltsplan der Deutschen Ren- nach oben geht, dann bedeutet das: Der Nachhaltigkeits- tenversicherung, im kommenden Jahr auf 283,3 Milliar- faktor wirkt positiv . Wenn deren Zahl nach unten geht, den Euro belaufen, davon stammen eben 86,2 Milliarden wirkt er negativ . Euro aus Steuermitteln . Das heißt, wir haben die Solida- rität in der Rentenversicherung zusätzlich gestärkt . (Dr .Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat den Nach- Nun ist es richtig: Wenn man im Alter auskömmlich haltigkeitsfaktor erfunden?) leben will, wird alleine das, was man aus der gesetzli- chen Rentenversicherung bekommt, nicht ausreichen . Verehrte Damen und Herren, die beste Rentenpolitik, die Deswegen ist es übrigens auch schon in der Vergangen- beste Politik, um auch für die Zukunft gute Renten zu heit richtig gewesen – das hat auch ein Großteil der Ar- sichern, ist gute Beschäftigung und gutes Wirtschafts- beitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland ge- wachstum . macht –, sich fürs Alter etwas anzusparen . Für viele in (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Deutschland gilt: Ich schaue, dass ich zu Wohneigentum ordneten der SPD) komme . Auch das ist ein Stück Alterssicherung . (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Die Vizepräsidentin : Hälfte schafft das, die andere nicht! – Gegen- ruf der Abg . Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/ Kollege Weiß, gestatten Sie eine Frage oder Bemer- CSU]: Immerhin!) kung des Kollegen Birkwald? Wir haben Instrumente entwickelt, um die betriebli- che Altersversorgung und die private kapitalgedeckte Al- Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): tersversorgung attraktiver zu machen, nicht deshalb, weil Bitte schön . in dem einen oder anderen System die Rendite höher ist – Sie haben mich dazu aus dem Handelsblatt zitiert –, (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sondern weil es sinnvoll ist, neben einer umlagefinan- NEN]: Gnade! – Heiterkeit) zierten Altersvorsorge, die darauf aufgebaut ist, dass die nächste Generation finanziell für einen einsteht, auch ein Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Element einer Altersvorsorge zu haben, das man selber Vielen Dank, Herr Weiß, dass Sie die Frage zulassen . angespart hat – mit staatlicher Unterstützung und mit Un- Vielen Dank, Frau Präsidentin .– Liebe Kolleginnen und terstützung des Arbeitgebers . Das ist der Sinn eines Al- Kollegen, Sie müssen keine Angst haben: Wir machen (B) terssicherungssystems, das damit eben nicht auf einem, (D) das Seminar im Ausschuss . sondern auf zwei Beinen steht . Diese Lebensweisheit gilt immer: Es ist besser, auf zwei Beinen zu stehen als nur (Heiterkeit) auf einem . Das ist die Philosophie unseres Rentensys- tems . Der Kollege Weiß hat eben erklärt, die Linke habe behauptet, der Nachhaltigkeitsfaktor wirke immer und (Beifall bei der CDU/CSU) jederzeit dämpfend . – Dazu stelle ich fest: Das hat die Nun ist mittlerweile der einzige Faktor, der diesen Linke natürlich nicht getan . Wir sind ja nicht doof . Ausgleich zwischen Alt und Jung, also zwischen den (Beifall bei der LINKEN) Generationen, schafft, der sogenannte Nachhaltigkeits- faktor . Dieser Nachhaltigkeitsfaktor muss aber nicht Wir wissen, dass der Nachhaltigkeitsfaktor in manchen zwingend, wie von den Linken dargestellt, zu einem sin- Jahren positiv wirkt . kenden Rentenniveau führen . Herr Kollege Weiß, ich habe vorhin schon darauf hin- (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Von gewiesen: Ich habe das Ministerium gefragt, wie sich die „zwingend“ habe ich nicht gesprochen!) Faktoren auswirken . Auf dem mir vorliegenden Papier Im Jahr 2015 zum Beispiel hat der Nachhaltigkeitsfaktor ist zu sehen, dass der Nachhaltigkeitsfaktor von 2003 bei der Rentenanpassung zum 1 . Juli positiv gewirkt . bis 2015 nur mit minus 0,18 Prozentpunkten gewirkt hat . Das war in der Tat sehr harmlos . Aber das Ministerium (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Ich hat mir freundlicherweise auch mitgeteilt, dass diese habe nicht das Gegenteil behauptet!) Entwicklung in Zukunft eben ganz anders aussehen wird . Das heißt, er hat zu einer höheren Rentenanpassung ge- Für den Zeitraum von 2016 bis 2029 steht hier ein Minus führt, weil aufgrund der hervorragenden wirtschaftlichen von 4,38 Prozentpunkten . Lage in unserem Land die Zahl derjenigen, die arbeiten Ich frage Sie: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, und Sozialversicherungsbeiträge zahlen, so deutlich stär- dass der Nachhaltigkeitsfaktor in den nächsten 14 Jahren ker gestiegen ist als die Zahl derjenigen, die in Rente ge- dafür sorgen wird, dass massenhaft Rentnerinnen und gangen sind . Es ist doch offenkundig, dass die Frage, wie Rentner deutlich weniger Rente erhalten werden? sich das Rentenniveau in Zukunft entwickelt, zuallererst und eigentlich ausschließlich mit der Frage zusammen- (Dr .Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- hängt: Wie entwickelt sich die Wirtschaft in unserem NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kommt darauf Land, und wie viele sozialversicherungspflichtig Be- an!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14537

(A) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): man auch dazu nutzen, etwas Gutes für unsere Rentner- (C) Herr Kollege Birkwald, in Ihrer Rede vorhin haben innen und Rentner zu tun, und das haben wir gemacht . Sie gesagt, es gebe auch aus Ihrer Sicht positive Entwick- (Beifall bei der CDU/CSU) lungen . Zum Beispiel würden Sie davon ausgehen, dass die Flüchtlinge, die derzeit zu uns ins Land kommen, alle Uns als Union war besonders wichtig, dass wir etwas einmal Rentenbeitragszahlerinnen und ‑beitragszahler für diejenigen tun – das sind vor allem Frauen –, die we- würden . Das haben Sie vorgetragen . gen der Kindererziehung früher meist aus dem Erwerbs- leben ausgestiegen sind . Sie bekommen mit der Mütter- (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Wenn rente eine stärkere Anerkennung . wir das schaffen! – Kathrin Vogler [DIE LIN- KE]: Wir müssen dafür arbeiten!) (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wer bezahlt das? Warum nicht mit Das ist richtig . Das ist genau die Wirkung, die ich be- Steuern?) schrieben habe . Wenn die Zahl der Menschen, die bei uns in Deutschland Arbeit haben und Beiträge zahlen, in Genauso wichtig war es uns, etwas für diejenigen zu Relation zu der Zahl der Rentnerinnen und Rentner nicht tun, die wegen Krankheit oder eines Unfalls vorzeitig aus sinkt, sondern steigt, dann ist die Berechnung des Minis- dem Erwerbsleben austeigen müssen und Erwerbsminde- teriums nicht mehr richtig; dann korrigiert sie sich ins rungsrente beziehen . Gegenteil . Das habe ich vorgetragen . (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE Das beweist nur, dass eines richtig ist: Der Nach- GRÜNEN]: Das war viel zu wenig!) haltigkeitsfaktor und auch der früher von der CDU und Norbert Blüm vorgeschlagene demografische Faktor ha- Verehrte Kolleginnen und Kollegen, diese gute Ent- ben einen Ausgleich geschaffen zwischen der Generati- wicklung der Rentenversicherung führt auch dazu, dass on, die arbeitet und Beiträge zahlt, und der Generation, wieder Rentenerhöhungen für die aktuellen Rentnerin- die im Ruhestand ist und Rente bezieht . nen und Rentner möglich sind, die deutlich über der In- flationsrate liegen. (Dr .Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Nicht der de- Wir stehen jetzt am Jahresende 2015 und blicken dem mografische Faktor! Der Nachhaltigkeitsfak- Weihnachtsfest und dem Jahreswechsel entgegen . Die tor!) gute Nachricht für die Rentnerinnen und Rentner für das kommende Jahr ist, dass voraussichtlich die Rentenan- Wenn wir dafür sorgen, wie wir es zurzeit in der passung 2016 zwischen 4 und 5 Prozent liegen wird . glücklichen Situation in Deutschland machen, dass sozi- (B) Das ist die höchste Rentenanpassung seit Jahren und (D) alversicherungspflichtige Beschäftigung zunimmt, dann eine gute Aussicht für die Rentnerinnen und Rentner in wirkt der Nachhaltigkeitsfaktor positiv . Das ist das, was Deutschland für das kommende Jahr . Darauf können wir ich sagen wollte . stolz sein . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Matthias W . Birkwald [DIE LIN- der SPD – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: KE]: Okay!) Bei niedriger Inflationsrate!) Verehrte Kolleginnen und Kollegen und auch alle Bür- Aber ich möchte nicht nur den Rentnerinnen und Rent- gerinnen und Bürger, die fragen, wie es weitergeht: Ent- nern ein gutes neues Jahr wünschen, sondern auch Ihnen, scheidend sind die wirtschaftliche Entwicklung, die Lohn­ verehrte Kolleginnen und Kollegen, ein frohes und ge- entwicklung und die Frage, wie viele Beschäftigte wir segnetes Weihnachtsfest und ein erfolgreiches Jahr 2016 . haben. Aber bei unserer demografischen Entwicklung gibt es nur eine Lösung: Belastungen und Entlastungen Vielen Dank . müssen generationengerecht aufgeteilt werden, statt eine Generation einseitig zu bevorzugen oder einseitig zu be- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- lasten . ordneten der SPD) Wir haben als Große Koalition, die aus einer sehr star- ken CDU/CSU-Bundestagsfraktion und einer etwas klei- Vizepräsidentin Petra Pau: neren SPD-Bundestagsfraktion besteht – um Ihnen die Das Wort hat die Kollegin Dagmar Schmidt für die Dimensionen zu erklären –, SPD-Fraktion . (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das (Beifall bei der SPD) Leben ist hart!) die gute Lage, die wir in Deutschland wirtschaftlich Dagmar Schmidt (Wetzlar) (SPD): und in der Rentenversicherung haben – der Kollege Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Rosemann hat in seiner Rede zu Recht darauf hinge- Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Kol- wiesen –, dazu genutzt, erstmals seit 25 Jahren keine leginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke! Niemand Leistungseinschränkungen, sondern Leistungsverbes- bestreitet, dass das Rentenniveau in der von Ihnen be- serungen in das Rentenrecht einzuführen. Ich finde das schriebenen Weise sinken wird . Das hat bisher niemand bemerkenswert . Ja, eine gute wirtschaftliche Lage kann getan . 14538 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Dagmar Schmidt (Wetzlar) (A) Das Rentenniveau sinkt auch nicht erst, wie gerne Genauso führen gebrochene Erwerbsbiografien, -Ar (C) und auch dieses Mal wieder von Ihnen behauptet, seit beit ohne Alterssicherung, zum Beispiel Soloselbst- Gerhard Schröders Kanzlerschaft, sondern bereits seit ständigkeit, oder andere schlecht versicherte oder un- Anfang der 80er-Jahre . Dass es nicht endlos weitersinken versicherte selbstständige Arbeit zu schlechten Renten . kann, ist auch klar . Ich glaube, alle Fraktionen – nicht nur Wir wollen erreichen, dass keine Erwerbstätigkeit ohne Sie – beschäftigen sich mit dieser Frage . Absicherung im Alter bleibt . Das betrifft vor allem Solo- selbstständige . Aber am Ende steht für uns als SPD eine (Dr .André Hahn [DIE LINKE]: Es wird da- Erwerbstätigenversicherung für alle, auch wenn wir das durch nicht besser!) in dieser Legislaturperiode noch nicht erreichen werden . Wenn wir aber sagen, dass das Rentenniveau sinkt, (Dr .Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- dann meinen wir das theoretische Modell mit dem so- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagen denn die genannten Eckrentner . Die Wahrheit über die reale so- Rechtspolitiker von der SPD dazu?) ziale Lage der Rentnerinnen und Rentner in Deutsch- land erzählt uns der Eckrentner aber nicht; denn seine Auch Krankheit und früher Renteneintritt führen zu Erwerbsbiografie gibt es nicht. 45 Jahre Vollzeit und schlechten Renten . Deshalb haben wir im Rahmen der Durchschnittsverdienst, das ist ein zutiefst hypotheti- AG „Flexible Übergänge“ vieles beschlossen, was die sches Arbeitsleben . Einige arbeiten länger . Viele schaffen Gesundheitsprävention und die Unterstützung von Men- keine 45 Jahre . Manche verdienen mehr, andere weniger . schen mit besonders schwerer Arbeit verbessert . So ist das nun einmal mit dem Durchschnitt . (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Das Standardrentenniveau kennzeichnet als statis- NEN]: Aber die Gesetze kommen nicht!) tische Maßzahl die relative Einkommensposition der Rentnerinnen und Rentner im Vergleich zu den Arbeit- Das alles verbessert die Basis für die Rente deutlich . nehmerinnen und Arbeitnehmern . Es sagt uns aber nichts Von alledem haben viele Menschen in der Vergangenheit über die realen Altersrenten realistischer und tatsächli- aber noch nicht profitieren können. Deswegen verstehe cher Erwerbsbiografien. Diese sehen anders aus. Denn ich nicht, wieso Sie in Ihrem Antrag abschätzig über un- zur ganzen Wahrheit der Rente gehört: Schlechte Löhne ser Vorhaben der Einführung einer Solidarrente reden . führen zu schlechten Renten . Deswegen haben wir den (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das Mindestlohn eingeführt und haben damit 4 Millionen kann ich Ihnen gerne erklären!) Menschen die Löhne erhöht . Denn Sicherheit vor Altersarmut erlangt man nicht über (Beifall bei der SPD – Matthias W . Birkwald die Anhebung des Rentenniveaus . Bei der solidarischen [DIE LINKE]: Das holt keinen Rentner aus (B) Lebensleistungsrente werden wir geringe Anwartschaf- (D) der Armut heraus!) ten aufwerten . Das kann zu Anhebungen von bis zu Der Mindestlohn allein reicht aber nicht . Deswegen 50 Prozent führen für diejenigen, die es am meisten brau- stärken wir die Tarifpartnerschaft . Das haben wir zum chen . Das erreichen Sie mit Ihrer Forderung nach 53 Pro- Beispiel getan mit der Erleichterung der Allgemeinver- zent Rentenniveau, also einer Steigerung um 11 Prozent, bindlichkeitserklärung von Tarifverträgen . für alle aber nicht . (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das hat aber (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Des- nicht funktioniert!) halb machen wir auch eine solidarische Min- destrente dazu!) Wir wollen die Tarifpartnerschaft aber auch im Zuge der Regelungen von Leiharbeit und Werkverträgen stärken . – Legen Sie einmal alles vor und erklären uns dann, wie Sie das finanzieren. Dann diskutieren wir noch einmal. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie Klare und starre gesetzliche Regelungen als Grundlage, bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE aber flexible Handhabungsmöglichkeiten im Rahmen GRÜNEN – Matthias W . Birkwald [DIE LIN- von Branchentarifverträgen, also Mindestlohn als An- KE]: Sehr gerne! Jetzt?) standsgrenze und starke Anreize, tarifpartnerschaftlich zu agieren, das stärkt die Löhne insgesamt . Ich verstehe auch nicht, warum Sie in Ihrem Antrag abschätzig darüber schreiben, dass wir die betriebliche Teilzeitarbeit und kurze Erwerbsbiografien führen Altersversorgung stärken, verbessern und verbreitern ebenfalls zu schlechten Renten . Wie Sie bereits gesagt wollen . Aber dazu wird mein Kollege Ralf Kapschack haben, beschreibt das die Situation vieler Frauen . Des- gleich noch etwas sagen . wegen werden wir noch in dieser Legislaturperiode das Recht auf Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit umsetzen . Rentenpolitik ist eine dauerhafte Aufgabe . Kein Ren- tenkonzept dieser Welt wird auf alle Zeiten für alle eine (Beifall bei der SPD – Matthias W . Birkwald gute Antwort geben . Unsere Gesellschaft, unsere Wirt- [DIE LINKE]: Warum klatscht bei der CDU/ schaft und unser Arbeitsleben verändern sich nicht nur CSU keiner?) durch die Digitalisierung . Frauen arbeiten mehr, Männer Wir fördern Partnerschaftlichkeit und Flexibilität bei der wollen weniger arbeiten. Der demografische Wandel hat Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Beispiel durch seine schwierigen Auswirkungen . Genauso kann aber die das Elterngeld Plus und verringern damit die Rentenlü- Zuwanderung unsere Gesellschaft positiv beeinflussen. cke zwischen Männern und Frauen . Wir haben viel Gutes auf den Weg gebracht . Seien Sie Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14539

Dagmar Schmidt (Wetzlar) (A) versichert: Genauso erfolgreich werden wir alle weiteren Jahren zu mehreren Schritten entschieden, die weitaus (C) Herausforderungen in der Rentenpolitik annehmen . vernünftiger sind als das, was die Kollegen der Linken uns heute hier präsentiert haben: „Ein gutes Gewissen ist ein ständiges Weihnachten“, sagte Benjamin Franklin . Wir haben nicht nur ein gutes Erstens . Wir sagen den Menschen, dass die Altersvor- Gewissen; wir sind auch stolz auf das, was wir in den sorge künftig eben nicht mehr allein von der gesetzlichen letzten zwei Jahren erreicht haben . Ich wünsche Ihnen Rente getragen werden kann . Zwar soll die gesetzliche allen ein schönes, fröhliches und vor allem ein friedliches Rentenversicherung weiterhin Kernstück unserer Alters- Weihnachtsfest . vorsorge bleiben, aber auch die betriebliche und private Altersvorsorge wird für einen guten Ruhestand künftig (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten unverzichtbar sein . der CDU/CSU) Zweitens . Wir sagen den Menschen, dass längeres Vizepräsidentin Petra Pau: Arbeiten künftig unverzichtbar ist für den Erhalt unserer Für die CDU/CSU-Fraktion hat die Kollegin Jana Solidargemeinschaft, nicht nur, um unsere sozialen Si- Schimke das Wort . cherungssysteme zu finanzieren, sondern auch, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass wir immer länger le- (Beifall bei der CDU/CSU) ben, dass es den Menschen immer besser geht . Das muss sich am Ende auch am Arbeitsmarkt abbilden . Jana Schimke (CDU/CSU): Drittens . Im Jahr 2001 gab es eine Rentenreform, die Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nächs- zur Folge hatte, dass die Beiträge an die gesetzliche Ren- te Woche ist Weihnachten, und die Linke verteilt wieder tenversicherung ansteigen . Gleichzeitig wurde verein- einmal Geschenke – faule Geschenke; nichts anderes ist bart, dass das Rentenniveau bis 2030 absinkt; auch das ist ihr Antrag . in der Debatte heute schon mehrfach angeklungen . Aber (Dr .André Hahn [DIE LINKE]: So ein Un- nur so konnte sichergestellt werden, dass die gesetzliche fug!) Rentenversicherung eben in keine finanzielle Schieflage gerät . Es sind faule Geschenke, die auf den ersten Blick gut aussehen; aber auf den zweiten Blick zeigt sich, wer das Viertens . Im Jahr 2004 wurde der Nachhaltigkeitsfak- Ganze am Ende zu bezahlen hat . tor eingeführt; auch das ist heute mehrfach angeklungen . Dadurch wurde dafür gesorgt, dass das Verhältnis der Meine Damen und Herren, wir führen heute wieder Zahl der Beitragszahler zur Zahl der Rentner nicht aus einmal eine sehr aufregende Diskussion über die Fragen: (B) dem Gleichgewicht gerät: Steigt die Zahl der Rentner (D) Wie soll unser Rentensystem künftig aussehen? Wie soll überproportional, steigen eben auch die Renten weniger sich unsere Altersvorsorge künftig gestalten? Wir de- stark . Ich halte das nur für gerecht . battieren im Wesentlichen immer wieder über dieselben Dinge . Ich glaube, man kann es eigentlich nicht oft genug Fünftens. Wir brauchen natürlich flankierende Maß- sagen: Es ist richtig, und es ist auch kein Geheimnis – das nahmen, die Arbeiten und Ruhestand eben nicht mehr wissen wir schon seit längerem –, dass die gesetzliche als zwei gegensätzliche Dinge sehen . Da haben wir in Rente allein künftig nicht mehr ausreichen wird, den Le- dieser Legislatur mit den ersten Maßnahmen zur Flexi- bensstandard auch im Rentenalter abzusichern . Das ist rente schon etwas Gutes auf den Weg gebracht . Da sind nichts Neues . wir schon erste Schritte gegangen, und wir werden das künftig fortsetzen . Es ist nicht so lange her, dass wir uns über ganz wich- tige, ganz entscheidende Schritte in diesem Bereich ver- (Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W . ständigt haben: Wir haben uns darauf verständigt, die Birkwald [DIE LINKE]: Wollen Sie die Ma- Gewichtung in unserem Rentensystem, dem sogenannten loche bis zum Tod, oder wie darf ich das ver- Drei-Säulen-System, etwas zu verschieben, ja, etwas zu stehen?) verändern, und zwar zu Recht: Was unsere Gesellschaft braucht, ist eben ein Umden- Der demografische Wandel – das ist uns allen be- ken, ein Denken weg von einer starren Grenze „von der kannt – stellt eine existenzielle Gefahr für unsere sozia- Arbeit in den Ruhestand“ hin zu weitaus mehr Flexibi- len Sicherungssysteme dar . lität, durch die man durchaus in der Lage ist, beides zu vereinen: Ruhestand und Arbeiten im Alter . (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das bestreite ich nicht!) (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Men- schen haben ein Recht auf Ruhestand!) Wir leben in einem Land, das auf umlagefinanzierte sozi- ale Sicherungssysteme zurückgreift. Der demografische Wir haben uns mit dem Koalitionspartner darauf ver- Wandel ist der Hauptgrund dafür, dass dieses System ins ständigt, Erleichterungen bei den Hinzuverdienstgrenzen Wanken gebracht wird . Weniger Junge und damit weni- zu schaffen . Wir wollen Anreize setzen, dass sich län- ger Beitragszahler in unserem Land sowie mehr Ältere geres Arbeiten sowohl für Arbeitgeber als natürlich auch und damit natürlich auch mehr Rentenempfänger brin- für Arbeitnehmer lohnt, und wir wollen auch Erleichte- gen unser umlagefinanziertes Sicherungssystem auf die rungen bei den Sozialbeiträgen durchsetzen . Außerdem Dauer in die Schieflage. Unsere Aufgabe ist es, darauf haben wir gemeinsam mit der Deutschen Rentenversi- zu reagieren . Deshalb haben wir uns in den vergangenen cherung darauf hingewirkt, dass die Arbeitnehmer nicht 14540 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Jana Schimke (A) mehr nur darüber informiert werden, ab wann man in NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch (C) Rente gehen darf, sondern dass sie durchaus auch über Quatsch!) alternative Möglichkeiten des Ruhestandes und des Wei- terarbeitens unterrichtet werden . Das ist mein Verständ- Sie behaupten in Ihrem Antrag, dass sich private und be- nis von einer modernen Rentenpolitik, von einem moder- triebliche Altersvorsorge für die Menschen in unserem nen Rentenversicherungssystem . Land nicht mehr lohnt . Aber glauben Sie denn ernsthaft, dass sich die Situation der arbeitenden Bevölkerung im (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Alter zum Positiven wenden würde, wenn Sie ihr jetzt NEN]: Bis jetzt gibt es nur ein Papier der mit massiven Rentenbeiträgen zusätzlich in die Tasche Fraktionen!) greifen? Meine Damen und Herren, diese Schritte sind nicht (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: nur notwendig und sinnvoll, sie sind vor allen Dingen 34,40 Euro! Massiv?) auch generationengerecht . Ich frage mich immer wieder: Die Vorschläge, die von der Linken kommen, kosten viel Denken Sie nicht, dass eine Erhöhung der Rentenbei- Geld, zielen auf eine Gruppe ab, und keiner fragt: Wie träge unsere ohnehin im europäischen Vergleich hohen soll das eigentlich finanziert werden? Arbeitskosten weiter verteuern würde? Genau das würde sie tun . (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Eine Gruppe? Das ist echt gut! 20,6 Millionen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Rentner und 30 Millionen Beschäftigte! Das Dr .Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- ist keine Gruppe!) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Arbeitskosten sind niedrig im europäischen Vergleich! Ich Sie insbesondere tun das nicht . dachte, die FDP wäre nicht mehr im Bundes- Die junge Generation zahlt . Die Schülerinnen und tag!) Schüler zahlen, die Sie regelmäßig in Ihrem Wahlkreis Mein Verständnis von guter Sozialpolitik ist: Am Ende treffen, die Sie möglicherweise regelmäßig im Deutschen muss netto mehr übrigbleiben . Wenn wir über Vorsorge Bundestag besuchen . Denen sollten Sie das mal erzählen . für das Alter sprechen, denken wir einmal nicht nur an Meine Damen und Herren, so werden die wiederkeh- die betriebliche und die private Vorsorge, sondern denken renden Forderungen der Linken auch nicht besser und wir vielleicht auch an das kleine Eigenheim, das sich die auch nicht richtiger . Wir haben heute schon eine Vielzahl jungen Familien in jungen Jahren errichten . Auch dazu Ihrer Wünsche und Vorstellungen gehört . Sie fordern brauchen sie natürlich mehr netto in der Tasche . Genau (B) zum Beispiel, dass die Rente den Löhnen folgen soll . darauf zielt unsere Politik ab; Ihre tut das nicht . (D) Demnach hätten die Renten 2009 sinken müssen . Denn (Beifall bei der CDU/CSU – Dr .Wolfgang hätte die Bundesregierung in diesem Jahr – das war zu Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Zeiten der Wirtschaftskrise – keine Rentengarantie aus- NEN]: Auf die reichere Hälfte der Gesell- gesprochen, hätte sich der Einbruch der Löhne auch in schaft zielt Ihre Politik ab!) den Renten abgebildet . Das hat er aber nicht, weil es die Rentengarantie gab . Verlierer Ihrer Politik von Arbeitsplatzverlusten und nicht geschaffenen Stellen sind ausgerechnet jene, die (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es! – Matthias Sie mit Ihrem Antrag vorgeben unterstützen zu wollen . W . Birkwald [DIE LINKE]: Habe ich heute Es sind die Geringqualifizierten. Eines ist Fakt: Die irgendetwas dagegen gesagt? – Dr .Wolfgang größte Gefahr von Altersarmut geht immer noch von der Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Arbeitslosigkeit aus . Die notwendigen – nicht nur renten- NEN]: Das haben die Rentner trotzdem be- politischen – Maßnahmen, um im Alter möglichst gut ab- zahlt!) gesichert zu sein, sollten unseres Erachtens andere sein . Entgegen der demografischen Wirklichkeit wollen Sie Neben den bisher erläuterten Schritten, die ich Ihnen zudem das Rentenniveau dauerhaft auf 53 Prozent an- lang und breit erklärt habe, haben wir uns natürlich im heben und den Nachhaltigkeitsfaktor abschaffen . Finan- Koalitionsvertrag auch auf die Stärkung der betriebli- zieren wollen Sie das natürlich nur mit einem massiven chen Altersvorsorge verständigt . Das wollen wir noch Anstieg der Rentenbeiträge . in dieser Legislaturperiode umsetzen . Wir wollen für (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Nach- Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anreize setzen, Modelle haltigkeitsfaktor und Nachholfaktor sind zwei der betrieblichen Altersvorsorge stärker anzubieten, zu verschiedene Sachen, Frau Kollegin!) verbreiten und auch zu nutzen . Meine Damen und Herren, was Sie fordern, ist ein Ein weiterer Punkt ist der berufliche Aufstieg. Er ist Angriff nicht nur auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nicht nur mit Karriere, sondern auch mit mehr Gehalt nehmer in unserem Land, nicht nur auf unsere Leistungs- verbunden. Das wiederum erfordert Bildung und Qualifi- träger, sondern das ist auch ein Angriff auf die junge Ge- kation . Eine solide Ausbildung und eine kontinuierliche neration . Erwerbsbiografie sind immer noch die beste Altersvor- sorge . Daran sollten wir weiterhin arbeiten . (Dr .André Hahn [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht! – Markus Kurth [BÜND- (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14541

Jana Schimke (A) Auch sollte die Arbeitsmarktpolitik den Unternehmen Ich will mich auf einen besonderen Aspekt konzentrie- (C) in unserem Land genügend Freiraum lassen, um zu in- ren . vestieren und Arbeitsplätze zu schaffen . Denn Wohlstand und Wertschöpfung fallen eben nicht vom Himmel . Das Vorab: Es bleibt für mich und uns bei der Idee, lang- muss man immer wieder sagen, wenn wir über Anträge fristig eine Erwerbstätigenversicherung aufzubauen und der Linken diskutieren . die gesetzliche Rentenversicherung zu einer Altersver- sorgung für alle Beschäftigten, also auch für Selbststän- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) dige und Beamte, umzubauen . Von einem robusten Arbeitsmarkt profitieren eben nicht (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- nur jene, die einer Beschäftigung nachgehen können, ten der LINKEN und des Abg . Markus Kurth sondern es profitieren auch unsere sozialen Sicherungs- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr .André systeme durch eine Vielzahl von Beitragszahlern . Hahn [DIE LINKE]: Das ist gut! – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Da machen wir Lassen Sie mich als letzten Punkt noch etwas ganz mit!) Wichtiges sagen: Es geht um die Familienpolitik . Wir konnten uns gestern über eine Meldung in den Medien Das schafft mehr Gerechtigkeit, und das schafft auch freuen, dass die Anzahl der Geburten steigt und dass es neue finanzielle Spielräume. Aber – das muss man der mehr Kinder in unserem Land gibt . Ich glaube, das ist Ehrlichkeit halber sagen – auch eine Erwerbstätigenver- auch Ausdruck unserer guten Familienpolitik, die wir sicherung löst nicht alle Probleme . Trotzdem ist sie aus von CDU und CSU in den letzten Jahren gemacht haben . meiner und unserer Sicht langfristig der richtige Weg . Deshalb halten wir daran fest . Zugegeben: Nächste Wo- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) che wird das noch nichts . Das wird schon noch ein biss- Wir haben wahnsinnig viele Maßnahmen auf den Weg chen dauern . gebracht, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – – (Dr .Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Gestern war ein Vizepräsidentin Petra Pau: Rückschritt da! – Matthias W . Birkwald [DIE Frau Kollegin Schimke, die müssen Sie dann bitte in der LINKE]: Mit der CDU könnt ihr das nicht ma- nächsten Debatte vortragen oder im Ausschuss . Sie müs- chen!) sen jetzt einen Punkt setzen . Deshalb müssen wir uns natürlich damit beschäfti- (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: gen, wie wir die jetzige Form der Altersversorgung absi- Das ist eine gute Idee!) chern . Die gesetzliche Rente ist – ich habe es gesagt – der (B) zentrale Teil, aber sie ist eben nur ein Teil . Das Gesetz (D) schreibt vor, dass spätestens 2020 – das ist nicht mehr Jana Schimke (CDU/CSU): ganz so weit – eine Überprüfung zu erfolgen hat und ge- Das mache ich sehr gerne .– Ich wollte nur darauf eignete Maßnahmen zu ergreifen sind, wenn Beitragssatz hinweisen, dass die Maßnahmen, die wir im Bereich der und Sicherungsniveau von den Plänen abweichen und Familienpolitik auf den Weg gebracht haben, richtig und wenn die freiwillige zusätzliche Altersversorgung nicht gut waren . Denken Sie daran, meine Damen und Herren, ausreicht, um dieses Niveau zu halten . wenn Sie jetzt in die Weihnachtszeit gehen: Ohne Kinder ist alles nichts . Darauf sollte unsere Politik abzielen . In der Tat – das ist schon angesprochen worden – hat die private Altersversorgung die Erwartungen bislang Vielen Dank . nicht erfüllt . Wir haben 16 Millionen Riester-Verträge, (Beifall bei der CDU/CSU) aber das entspricht nur rund 35 Prozent der Beschäftig- ten . Bei knapp 20 Prozent der Verträge wird zurzeit gar nichts eingezahlt . Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Ralf Kapschack für die (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: So ist SPD-Fraktion . es!) (Beifall bei der SPD) Woran liegt das? Für manche ist das Thema Rente sicher noch weit weg, aber viele können sich die zusätzliche Vorsorge auch nicht leisten . Von den Geringverdienern Ralf Kapschack (SPD): erhalten mehr als 40 Prozent weder eine Betriebsrente Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! noch eine Riester-Rente, also ausgerechnet diejenigen, Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Die gesetzliche die die zusätzliche Vorsorge am dringendsten brauchen . Rente ist und bleibt der zentrale Ansatzpunkt, um eine Das müssen wir ändern, und das wollen wir ändern . Altersversorgung zu gewährleisten, von der Frau und Mann gut leben können . (Beifall bei der SPD – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Warum klatscht die CDU (Beifall bei der SPD) nicht?) Das ist völlig klar . Deshalb ist es gut – vielen Dank da- Gerade Geringverdiener werden auch in Zukunft auf für –, dass wir heute darüber reden können . Es gibt in der zusätzliche Vorsorge angewiesen sein . Eine Diskussion Tat noch einiges zu tun . Vieles ist angesprochen worden . über das Rentenniveau allein hilft ihnen nicht . 14542 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Ralf Kapschack (A) Die betriebliche und tarifvertraglich abgesicherte Al- sorgung mit Zulagen arbeiten müssen, um Geringverdie- (C) tersversorgung ist für uns die beste Form der privaten nern den Zugang zu ermöglichen; denn von steuerlicher und zugleich kollektiven Altersversorgung . Wir wollen Förderung haben sie wegen ihres niedrigen Einkommens sie stärken und durch die Erleichterung bei der Allge- in der Regel nichts . meinverbindlichkeit auch in Regionen und Branchen in Im kommenden Jahr werden wir hier über konkrete Deutschland durchsetzen, in denen sie derzeit aufgrund Vorschläge zur Reform der betrieblichen Altersversor- der geringen Tarifbindung noch viel zu wenig genutzt gung diskutieren . Darauf freue ich mich schon . Für uns wird . Die Stärkung der betrieblichen Altersversorgung ist und bleibt die gesetzliche Rente der Kern der Al- ist für uns eine wünschenswerte Ergänzung der gesetz- tersversorgung . Aber die betriebliche Altersversorgung lichen Rente . ist eine sinnvolle Ergänzung . Zurzeit haben etwa 60 Prozent der Beschäftigten An- Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und schöne spruch auf eine betriebliche Altersversorgung, in Groß- Weihnachten . betrieben ist es fast jeder, im Handwerk aber nur jeder Zehnte . Auch für Mittel- und Kleinbetriebe muss die (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) betriebliche Altersversorgung selbstverständlich werden . So ist das im Koalitionsvertrag formuliert, und so werden Vizepräsidentin Petra Pau: wir das umsetzen . Ich schließe die Aussprache . (Beifall bei der SPD) Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Der Klempner- oder Bäckermeister will sich, wenn er Drucksache 18/6878 an die in der Tagesordnung aufge- abends die Lohnabrechnung macht, in der Regel nicht führten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit ein- auch noch um die betriebliche Altersversorgung küm- verstanden? – Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung mern, und das kann er auch nicht . Eben weil vor allem so beschlossen . kleine Betriebe oft damit überfordert sind, sollte es nach Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf: unserer Ansicht tarifvertragliche Lösungen geben . Die Betriebe könnten von Risiko und Organisationsaufwand Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre- entlastet werden . Gleichzeitig können gemeinsame Ein- gierung richtungen durch ihre Größe Kostenvorteile beim Ver- Bericht der Bundesregierung über die Maß- trieb, bei den Verwaltungskosten und bei möglichen nahmen zur Förderung der Kulturarbeit ge- Anlagen realisieren . Das Arbeitsministerium arbeitet an mäß § 96 des Bundesvertriebenengesetzes in entsprechenden Vorschlägen . den Jahren 2013 und 2014 (B) (D) Aus meiner Sicht brauchen wir eine obligatorische Drucksache 18/5598 Regelung . Das heißt: Jede oder jeder Beschäftigte muss in Zukunft ein Angebot des Arbeitgebers für eine betrieb- Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Kultur und Medien (f) liche Altersversorgung bekommen . Die Erfahrung in den Auswärtiger Ausschuss Nachbarländern zeigt, dass eine solche Regelung zu ei- Innenausschuss ner deutlich besseren Verbreitung führt . Auch die Christ- Ausschuss für Tourismus lich-Demokratische Arbeitnehmerschaft hat sich vor kurzem für eine obligatorische betriebliche Altersversor- Ich bitte, die notwendigen Umgruppierungen so vor- gung ausgesprochen. Ich finde das prima und unterstütze zunehmen, dass wir mit der Debatte fortfahren können . sie natürlich dabei . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für Martin Rosemann hat es gesagt: Betriebliche Al- die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei- tersversorgung ist für uns nicht nur betriebliche Perso- nen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . nalpolitik, sondern auch Sozialpolitik im eigentlichen Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Kollege Sinne . Klar ist doch – das sollte man an dieser Stelle Dr . Christoph Bergner für die CDU/CSU-Fraktion . auch sagen –: Wenn sich die Situation bei der betriebli- chen Altersversorgung nicht ändert, wenn nicht deutlich (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- mehr Unternehmen ihren Beschäftigten eine betriebliche ordneten der SPD) Altersversorgung anbieten, dann wird der Druck steigen, die Beiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung zu Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU): erhöhen, um eine angemessene Versorgung zu gewähr- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! leisten . Auch deshalb wäre es für Unternehmen sehr Eine Bemerkung vorab: Wir alle mögen unsere Staatsmi- kurzsichtig, weiter auf betriebliche Altersversorgung nisterin Monika Grütters . Aber bevor die Sehnsucht nach zu verzichten . Denn höheren Beiträgen können sie sich ihr den einen oder anderen zu einem Antrag auf Herbei- nicht entziehen . zitierung verleiten könnte, will ich sagen: Sie muss im Moment im Bundesrat das Kulturgutschutzgesetz vertei- In den nächsten Wochen sollen die Ergebnisse eines digen . Ich glaube, das ist ein Punkt, den wir respektieren Gutachtens vorliegen, das vom Finanzministerium in sollten . Auftrag gegeben worden ist . Davon erhoffen wir uns Er- kenntnisse über die Wirkung der steuerlichen Förderung Nun zum vorliegenden Bericht . Seit 1999 vergibt die der betrieblichen Altersversorgung . Ich vermute, wir Europäische Kommission den Titel Kulturhauptstadt Eu- werden auch in Zukunft bei der betrieblichen Altersver- ropas, und sie tut es nach der Osterweiterung der Euro- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14543

Dr. Christoph Bergner (A) päischen Union unter bewusster Einbeziehung von nam- wichtig . Unter diesem Gesichtspunkt müssen wir das An- (C) haften Städten unserer östlichen Mitgliedstaaten . Ich darf liegen des § 96 BVFG sehen . einige Städte der letzten Jahre einmal aufzählen: 2007 Hermannstadt, Sibiu, in Rumänien, 2010 Fünfkirchen, Zu den Besonderheiten des vorliegenden Berichtes Pecs, in Ungarn, 2011 Tallinn, Reval, in Estland, 2013 gehört, dass er – Zitat – „die Zeitmarke von 60 Jahren“ Kosice, Kaschau, in der Slowakei, Riga in Lettland letz- nach Verabschiedung des Bundesvertriebenengesetzes tes Jahr, Pilsen in Tschechien in diesem Jahr und Breslau umfasst . 2013, im 60 . Jahr der Verabschiedung des Bun- in Polen im nächsten Jahr . desvertriebenengesetzes, hat der Deutsche Bundestag eine Resolution beschlossen, in der es heißt – ich darf Meine Damen und Herren, warum erwähne ich diese zitieren –: Kulturhauptstädte Europas im Zusammenhang mit der Diskussion unseres Berichtes? Es sind alles Orte, deren Das Anliegen und die Leistungen des BVFG sind reiche Geschichte ohne den Beitrag deutscher Kultur Teil der Politik der Kriegsfolgenbewältigung durch unverständlich und unvollständig geblieben wäre . Es die Bundesrepublik Deutschland . sind heute Orte europäischer Kultur, deren Wert ohne Kriegsfolgenbewältigung, das heißt die Aufarbeitung den Beitrag der Deutschen im Rahmen der europäischen des Holocaust, der Folgen der nationalsozialistischen Siedlungsgeschichte nicht darstellbar wäre, seien es die Gewaltherrschaft sowie des Zweiten Weltkrieges, war Siebenbürger Sachsen, seien es die Karpatendeutschen, für den Deutschen Bundestag und sämtliche Bundes- die Ungarndeutschen, die Baltendeutschen oder im regierungen stets ein zentrales Anliegen . Kriegsfolgen- nächsten Jahr mit Breslau die Schlesier . bewältigung hat mehrere Aspekte . Von übergeordneter § 96 des Bundesvertriebenengesetzes enthält den Auf- Bedeutung sind die Leistungen der Versöhnung und trag – ich zitiere –: Wiedergutmachung gegenüber den Opfern des Natio- nalsozialismus und der von Deutschland ausgehenden das Kulturgut der Vertreibungsgebiete in dem Be- Aggressionskriege . Daneben steht die Solidarität mit wusstsein der Vertriebenen und Flüchtlinge, des den Deutschen, die wegen ihrer Volkszugehörigkeit ein gesamten deutschen Volkes und des Auslandes zu besonders schweres Kriegsfolgenschicksal erlitten ha- erhalten, . . ben . Das Anliegen des § 96 BVFG liegt ganz wesent- lich auch in der Aufarbeitung und im Gedenken der Lei- Wenn wir diesen Auftrag richtig verstehen wollen, so densgeschichte der Deutschen, die in Reaktion auf die sollten wir uns klar sein: Es geht darum, dass wir unseren Verbrechen des Nationalsozialismus allein wegen ihrer deutschen Beitrag zu einem gemeinsamen europäischen Volkszugehörigkeit Vertreibung, Unterdrückung und Kulturerbe pflegen. Zwangsassimilation ausgesetzt waren . (B) (D) Gerade das kulturelle Erbe der Heimatvertriebenen, der deutschstämmigen Aussiedler und der deutschen Vizepräsidentin Petra Pau: Volksgruppen im Osten hat oft genug eine Entstehungs- Kollege Bergner, ich störe ungern, aber Sie müssen geschichte und eine Dimension, die ein allein national- zum Schluss kommen . kulturelles Verständnis überschreitet . Es leistet deshalb innerhalb der EU einen Beitrag zur Entwicklung eines kulturellen Identitätsbewusstseins, das sich immer we- Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU): niger national und immer mehr europäisch versteht . Die Ich bedauere das sehr . – Beide Aspekte scheinen mir Förderung nach § 96 Bundesvertriebenengesetz kann für die Umsetzung des § 96 Bundesvertriebenengesetz also einen Beitrag leisten, ein vorwiegend national be- und für das Verständnis des vorliegenden Berichtes wich- stimmtes Kultur- und Geschichtsverständnis durch ein tig . Mir ist es wichtig, zu sagen, dass es angesichts eines europäisches Verständnis abzulösen . solchen zukunftsweisenden Anliegens bedauerlich war, dass in den Jahren 1998 bis 2005 die dafür erforderlichen Ich muss in diesem Zusammenhang nicht daran er- Mittel gekürzt worden sind, und dass es erfreulich ist, innern, welche Abgrenzungen genau mit einem immer dass sie nach 2005 regelmäßig ausgebaut wurden . stärker national verbundenen Kulturverständnis einher- gingen und wie aggressiver Nationalismus Europa in die Ich möchte Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachts- kriegerischen Katastrophen des 20 . Jahrhunderts stürzte . fest – Die Kenntnis der in Jahrhunderten historisch gewachse- nen kulturellen Verflechtungen in Europa, gerade in den deutschen Siedlungsgebieten im Osten, und die daraus Vizepräsidentin Petra Pau: resultierenden Gemeinsamkeiten sind ein kaum zu über- Klären Sie das mit den Redezeiten mit Ihrer Fraktion . schätzender Faktor der europäischen Integration . Ich füge gern persönlich hinzu, dass ich es immer wie- Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU): der für einen problematischen Irrtum halte, dass europä- – und ein gutes neues Jahr wünschen . Ich denke im Sinne ische Integration vor allen Dingen in der Gemeinsamkeit des § 96 Bundesvertriebenengesetz in diesem Fall beson- der Märkte und der Währung gesucht wird . Gemeinsam- ders an die Organisationen der deutschen Minderheiten keit, die ein kulturelles Identitätsbewusstsein schafft, aus im Osten, von Usbekistan über Rumänien bis hin zu an- dem auch ein europäisches Gemeinwohlverständnis ab- deren Ländern . Sie haben einen besonderen Weihnachts- geleitet werden kann, scheint mir in dem Zusammenhang gruß verdient . 14544 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Dr. Christoph Bergner (A) Herzlichen Dank . des 19 . und 20 .Jahrhunderts hat sie zu vermeintlich ho- (C) mogenen Räumen erklärt und durch ethnische Säuberun- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- gen und Vertreibungen zu unvorstellbarem Leid geführt . ordneten der SPD) Betrachtet man die Geschichte dieser Regionen nicht mit der deutschen Brille, sondern als Geschichte transkultu- Vizepräsidentin Petra Pau: reller Verflechtungen, könnte man mit einer gesamteuro- Das Wort hat die Kollegin Sigrid Hupach für die Lin- päischen Betrachtungsweise eine wirklich differenzierte ke . Analyse der Geschichte Europas im 20 . Jahrhundert an- stellen, unter klarer Benennung der Ursachen, und dann (Beifall bei der LINKEN) könnte man für die verheerenden Folgen der Ausgren- zung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Spra- Sigrid Hupach (DIE LINKE): che oder ihrer Religion sensibilisieren, und man könnte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! das Bewusstsein schärfen für ausschließende Prozesse, Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer Zeit, in der das die es auch heute gibt . Thema „Flucht und Vertreibung“ von leidvoller Aktuali- Die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung kann tät ist, sprechen wir heute über die Förderung der Kultur- hierbei einen wesentlichen Beitrag leisten . Das geht aber arbeit gemäß § 96 des Bundesvertriebenengesetzes . Das nur, wenn die gegenwärtig bestehende Chance zu einem bietet die Chance, aus einem alten und an sich überholten Neuanfang auch wirklich genutzt wird, wenn die bisheri- Gesetz Lösungsansätze und Ideen für die Gegenwart zu gen Probleme der Stiftung analysiert und auch öffentlich entwickeln . Ohne Zweifel stehen die Kommunen aktuell thematisiert werden . Der vorgelegte Bericht schweigt vor großen Herausforderungen . Viele Menschen suchen sich dazu jedoch aus, obwohl im Berichtszeitraum der bei uns Zuflucht. Sie müssen mit dem Nötigsten versorgt Gründungsdirektor entlassen wurde und es zu einem werden, ja, aber wir müssen ihnen auch mit Respekt be- ­Eklat bei zwei Ausstellungen kam . Das verwundert vor gegnen . Menschenrechte gelten für alle, egal wo . allem, weil es in der letzten Zeit sehr wohl anderslauten- (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . de Äußerungen vonseiten der Bundesregierung gab . Frau Heiko Schmelzle [CDU/CSU] und Martin Staatsministerin Grütters stellte am vergangenen Sonn- Dörmann [SPD]) tag im Interview im Deutschlandfunk fest, dass die Stif- tung an der schwierigen Entstehungsgeschichte krankt . Ich möchte an dieser Stelle an die erfolgreiche Inte- Das ist eine richtige, aber auch überfällige Erkenntnis . gration von 12 Millionen Menschen nach dem Ende der Ich hoffe sehr, dass Sie nun auch den Mut haben, daraus NS-Herrschaft erinnern und an die 3 Millionen Spätaus- die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen . (B) siedler, deren Integration natürlich auch nicht konfliktfrei (D) bewältigt wurde . Vor diesem Erfahrungshorizont aber (Dr . Bernd Fabritius [CDU/CSU]: Sie meinen muss es doch möglich sein, heute 1 Million geflüchtete aber Ihre destruktive Begleitung!) Menschen würdevoll in unsere Gesellschaft aufzuneh- – Okay .– Die Stiftung muss inhaltlich neu positioniert men . werden und die aktuellen Bezüge zu Flucht und Vertrei- (Beifall bei der LINKEN – Heiko Schmelzle bung aufnehmen . [CDU/CSU]: Wo ist denn die Vergleichbar- (Beifall bei der LINKEN) keit?) Die Stiftungsgremien müssen anders zusammengesetzt Dies wird aber nur gelingen, meine Damen und Her- werden, ohne die Übermacht des Bundes der Vertriebe- ren, wenn wir unsere Erfahrungen von Integration und nen und unter Berücksichtigung aller im Bundestag ver- Wiederaufbau nach Ende des Zweiten Weltkrieges kon- tretenen Fraktionen und vor allem unter Einbeziehung struktiv in die Gegenwart übertragen . Das Bundesvertrie- von Vertreterinnen und Vertretern der jüdischen Organi- benengesetz taugt dazu aber nicht . Zu sehr spricht aus sationen, der Sinti und Roma sowie von Wissenschaftle- ihm noch immer der Geist der damaligen Zeit . So wirkt rinnen und Wissenschaftlern aus Mittel- und Osteuropa . auch der von Ihnen vorgelegte Bericht entsprechend be- fremdlich . Gleich unter Punkt 1 heißt es, dass die deut- (Beifall bei der LINKEN) sche Kultur im östlichen Europa als verbindendes Ele- ment für ein gemeinschaftliches Europa anzusehen ist . Die internationale Ausrichtung ist hier unerlässlich . Wenn es ein über alle Grenzen hinweg verbindendes Nur so kann die Stiftung wirklich der Versöhnung die- Element in Europa gibt, dann ist es doch die kulturelle nen, nur so kann die Stiftung das Thema im europäischen Vielfalt, Kontext bearbeiten . Nutzen Sie also die Chance zum Neuanfang! Unsere Unterstützung haben Sie . (Dr . Christoph Bergner [CDU/CSU]: Was ist das jetzt? Ein Gegensatz?) (Beifall bei der LINKEN) das interkulturelle Miteinander oder, so müsste man ge- Die Stiftung ist ein gutes Beispiel für einen weiteren nauer sagen, die transkulturelle Verflechtung. Gedanken, mit dem ich schließen möchte. Früher fiel die Stiftung unter die Kulturförderung nach § 96 des Europa war nie geprägt durch ethnisch oder kulturell Bundesvertriebenengesetzes, seit 2008 aber ist sie beim homogene Räume, sondern eben durch kulturelle Viel- Deutschen Historischen Museum angesiedelt . Damit falt . Das gilt auch für alle Gebiete Osteuropas . Erst die ist schon der erste Schritt getan, für den sich die Linke völkische, rassistische und nationalsozialistische Politik schon in der Enquete-Kommission 2007 starkgemacht Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14545

Sigrid Hupach (A) hat, nämlich für das Ende der speziellen Kulturförderung Chance . Gerade jetzt in der Europakrise können wir über (C) nach § 96 BVFG, für eine Eingliederung in die allgemei- diesen Kulturaustausch dazu beitragen, dass nicht Ultra- ne Kulturförderung sowie für die Gründung von multina- nationalismus, nicht Abgrenzung und nicht Rassismus tionalen Stiftungen, in denen neben Bund und Ländern wieder an die Stelle von Partnerschaft, Zusammenarbeit auch die osteuropäischen Staaten und die Opfergruppen und Versöhnung treten . gleichberechtigte Partner wären . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wenn sich die Kulturförderung durch einen transkul- der CDU/CSU und des Abg . Dr .Harald Terpe turellen Ansatz und eine gesamteuropäische Betrach- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) tungsweise auszeichnen würde, könnten wir einen wirk- Ich bin überzeugt, dass es die Aufgabe unserer Bundes- lich nachhaltigen Beitrag zur europäischen Einheit in kulturförderung sein muss, einen solch hohen Anspruch Vielfalt leisten . zu verfolgen . Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . Ich will nicht verschweigen, dass es immer wieder (Beifall bei der LINKEN) Kontroversen und Diskussionen um den sogenannten Kulturparagrafen gab und gibt; denn die kulturpoliti- schen Anliegen einzelner Interessengruppen wie etwa

Vizepräsidentin Petra Pau: der Vertriebenenverbände spielen eine Rolle, wenn es Das Wort hat die Kollegin Hiltrud Lotze für die um die Förderung von Projekten und Einrichtungen geht . SPD-Fraktion . Nach dem von Deutschland entfesselten Zweiten (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Weltkrieg haben Millionen von Deutschen ihre Heimat der CDU/CSU) im Osten verloren . Unsere Gesellschaft hat ihr Schick- sal bis heute nicht hinreichend gewürdigt, finde ich, und Hiltrud Lotze (SPD): auch nicht ihren Anteil am Wiederaufbau Deutschlands Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und nach 1945 . Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! § 96 des Bun- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der desvertriebenengesetzes verpflichtet Bund und Länder, CDU/CSU) die Kultur und Geschichte jener Regionen im östlichen Europa zu erforschen und zu sichern, in denen früher Auch über das Trauma des Heimatverlustes darf und teilweise jahrhundertelang Deutsche gelebt haben oder muss gesprochen werden . Das ist Teil unserer Geschich- heute noch leben . Mehr als 20 Millionen Euro geben wir te . (B) jährlich dafür aus . Das geschieht im Interesse unserer Jedoch müssen Ursache und Wirkung, der von Nazi- (D) Gesellschaft, und es geschieht auch im Interesse derje- deutschland verursachte Krieg und die dann folgenden nigen Menschen, die heute in den historischen Gebieten Fluchtbewegungen in ganz Osteuropa, klar benannt wer- wie Ostpreußen, Pommern und Schlesien leben . Für die den . Deshalb darf sich die Kulturförderung nach § 96 Partnerschaft mit unseren osteuropäischen Nachbarn ist Bundesvertriebenengesetz nicht allein an die Deutschen dies von herausragender Bedeutung . richten . Die Wechselwirkung mit anderen Kulturen, mit Durch die Förderung werden auch grenzüberschrei- anderen Ethnien und deren wissenschaftliche Erfor- tende Projekte unterstützt . Das ist im Bericht nachzule- schung sowie die Auseinandersetzung damit müssen im sen . Der Bericht erfährt auch immer große Zustimmung . Vordergrund der Förderaktivitäten des Bundes stehen . Ein Beispiel: Wissenschaftler am Institut für Kultur und (Beifall bei der SPD sowie der Abg . Geschichte der Deutschen in Nordosteuropa, kurz: Nord­ [CDU/CSU]) ost-Institut, in meinem Wahlkreis in Lüneburg forschen 2016 gemeinsam mit Historikern der Universität Bres- Mit der mittlerweile breit akzeptierten „Konzeption lau in dem Projekt „Juden und Deutsche im polnischen 2000“ hat die damalige rot-grüne Bundesregierung die- kollektiven Gedächtnis“ . Auf dieser gemeinsamen wis- se wissenschaftliche und fachliche Professionalisierung senschaftlichen Arbeit gedeiht vertrauensvolle Zusam- festgeschrieben . Seitdem hat sich Europa aber deutlich menarbeit mit vielen Partnereinrichtungen im östlichen verändert: 2004 sind Estland, Lettland, Litauen, Polen, Europa . die Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn der EU beigetreten, 2007 Rumänien und Bulgarien und 2013 (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Kroatien, also Länder, in denen zum Teil ehemals von CDU/CSU) Deutschen besiedelte Regionen liegen . Nicht nur bei der Erlebnisgeneration und ihren Nach- Genau deshalb haben sich SPD und CDU/CSU in ih- fahren ist das Interesse an Kultur und Geschichte im öst- rem Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Förderung lichen Europa groß, sondern auch bei den jungen Leuten, des kulturellen Erbes der Deutschen im östlichen Euro- bei Schülern, bei Studierenden und bei jungen Wissen- pa als Beitrag zur kulturellen Identität Deutschlands und schaftlern, die sich dem Thema „Flucht und Vertreibung“ Europas zu würdigen und mit dem Ziel verstärkter euro- heute mit ganz neuen Fragestellungen nähern . Auch in päischer Integration die „Konzeption 2000“ anzupassen den ehemals deutschen Siedlungsgebieten, die mittler- und weiterzuentwickeln . Einige kritische Anmerkungen weile überwiegend in den Mitgliedstaaten der EU liegen, und Hinweise zu diesem Prozess der Weiterentwicklung ist das Interesse an deutscher Kultur und Geschichte groß . in Richtung Kulturstaatsministerin Grütters kann ich, Hierin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegt eine große auch wenn wir kurz vor Weihnachten sind, nicht vermei- 14546 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Hiltrud Lotze (A) den, auch wenn sie leider noch nicht hier ist: Die BKM In den letzten Monaten wurde wegen der gescheiter- (C) hatte zugesagt, Eckpunkte zur Anpassung der Förder- ten Neubesetzung mit einem Direktor erneut negativ über konzeption noch vor der Sommerpause 2015 vorzulegen . die Stiftung berichtet . Dabei hat die Stiftung gutes Po- Aber erst im November wurde uns ein ausformulierter tenzial, und sie hat gutes Personal . Damit sie dieses gute Diskussionsentwurf vorgelegt . Dann musste es plötzlich Potenzial aber entfalten kann, muss sie dahin rücken, wo ganz schnell gehen . Mit Verweis auf die Haushaltsan- sie hingehört: in die Mitte der Gesellschaft . meldungen für 2017 wurde großer Zeitdruck aufgebaut . Ein zuvor verabredeter Zeitplan wurde nicht eingehalten, (Beifall bei der SPD sowie der Abg . Ulle möglicherweise in der Hoffnung – das könnte man ver- Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) muten –, die SPD würde das Papier einfach so durchwin- Es wäre ein mehr als positives Signal, wenn wir den ken. Ich finde, so geht das nicht. Dieses Vorgehen ist für Stiftungsrat erweitern und weitere Gruppen zur Mitarbeit uns nicht akzeptabel . einladen würden, über die Vertreter der Bundesregierung, der Regierungsfraktionen, der beiden Kirchen, des Zen- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) tralrats der Juden und der größten Gruppe, des Bundes Es ist vor allen Dingen deshalb nicht akzeptabel, weil das der Vertriebenen, hinaus . Ich bin sicher, dass eine breitere vorgelegte Papier aus unserer Sicht sehr diskussions- und Basis dazu beitragen kann, die Stiftung gut aufzustellen kritikwürdig ist und einen unzeitgemäßen Duktus enthält . und von alten, einseitigen und meist negativen Zuschrei- bungen wegzukommen . Der im Koalitionsvertrag formulierte Auftrag ist ein- Denn neben der Dauerausstellung, für die nun endlich deutig: Die Kulturförderung nach § 96 Bundesvertriebe- das Drehbuch entwickelt werden muss, brauchen wir nengesetz soll dem veränderten europäischen Kontext jetzt eine Direktorin oder einen Direktor und einen Wis- angepasst werden . Zugleich muss es eine Öffnung geben, senschaftlichen Beirat, damit die Stiftung zum Laufen hin zu neuen Zielgruppen, zu den nachfolgenden Genera- kommt . Sie muss endlich durch gute Arbeit und durch in- tionen und zur Gesamtgesellschaft . Die Förderung nach teressante Veranstaltungen auf sich aufmerksam machen § 96 BVFG hat einen gesamtstaatlichen Auftrag . Sie und nicht länger durch negative Schlagzeilen . Auch hier, richtet sich nicht ausschließlich an die Vertriebenenver- liebe Frau Grütters – in Abwesenheit –, sind Sie gefor- bände und ihre Landsmannschaften, aber auch an diese, dert, in den nächsten Tagen und Wochen die Situation weil die Arbeit dieser Verbände und ihrer einzelnen Mit- zu klären und zu befrieden . Der SPD ist diese Stiftung, glieder für die Verständigung und Vermittlung mit den die wir gemeinsam in der letzten Großen Koalition be- Nachbarn in Osteuropa auf zivilgesellschaftlicher Ebene gründet haben, wichtig . Doch unsere Geduld ist auch hier unheimlich wichtig ist . Das Klima, das dadurch geschaf- endlich . (B) fen wird, brauchen wir . Es ist unverzichtbar für ein bes- (D) seres Verständnis zwischen den benachbarten Völkern Ich danke für die Aufmerksamkeit und wünsche allen der EU . schöne Weihnachtstage . Ich will daher eindrücklich an die Kulturstaatsministe- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten rin Grütters appellieren, im anstehenden Abstimmungs- der CDU/CSU und des Abg . Dr .Harald Terpe prozess darauf zu achten, dass die Anpassung der Förder- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) konzeption diesem Anspruch gerecht wird . Vizepräsidentin Petra Pau: (Beifall bei der SPD) Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kol- Nur so erfüllt sie einen gesamtstaatlichen Auftrag, und legin Ulle Schauws das Wort . letztendlich sind auch nur so die erheblichen Mittel in Höhe von über 20 Millionen Euro jährlich zu rechtferti- Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): gen . Das ist ein Thema, das uns allen wichtig ist und das Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und die ganze Gesellschaft etwas angeht . Kollegen! Wenn wir über Vertriebenenpolitik sprechen, Das gilt im Übrigen auch für die Stiftung Flucht, Ver- müssen wir vor allen Dingen über die Kontroverse spre- treibung, Versöhnung, die den Auftrag hat, das Thema chen, über die die Kollegin Lotze gerade schon gespro- „Zwangsmigration im 20 .Jahrhundert“ im europäischen chen hat, nämlich: Seit Jahren schlägt die Debatte um die Kontext aufzuarbeiten . Es wird im Ausland sehr genau Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung hohe Wellen; darauf geachtet, wie wir in Deutschland mit diesem The- sie sorgt immer wieder für Unruhe . ma umgehen . Wir müssen über diese Stiftung deswegen sprechen, weil viele zentrale Fragen weiterhin unbeantwortet sind: Das Thema „Flucht und Vertreibung“ ist ja aktueller Wer wird die Stiftung, die jetzt seit einem Jahr keine denn je . Staatsminister Michael Roth hat in einem Arti- Direktorin bzw . keinen Direktor hat, zukünftig leiten? kel in dieser Woche sehr richtig geschrieben, dass allein Wann wird die dringend notwendige konzeptionelle Neu- durch den Blick zurück Wunden und Narben von Flucht aufstellung endlich realisiert? Hierauf warten wir bereits und Vertreibung nicht verheilen . Nur indem wir heute seit Jahren . Warum ist die Zusammensetzung des Stif- eine Erzählung finden, die die nächste Generation und tungsrates nicht schon längst verändert worden? ihre persönlichen Erfahrungen mit diesem Thema an- spricht, ist und bleibt die Stiftung wichtig und rechtfer- Antworten auf diese zentralen Fragen bekommen wir tigt die erheblichen Bundesmittel . bisher keine, von der Bundesregierung zumindest nicht . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14547

Ulle Schauws (A) Stattdessen bekommen wir schlechte Nachrichten, und turen und für Begegnungen auf Augenhöhe . Denn vie- (C) zwar aus den Medien . Es wird über endlose Personalque- le ältere Menschen erinnern sich aktuell an ihre eigene relen berichtet . Es ist die Rede von mehr Belastung als Fluchterfahrung. Viele möchten deshalb Geflüchtete un- Versöhnung, von einem würdelosen Spiel der BKM-Cha- terstützen und ihre Erfahrungen an junge Menschen wei- ostruppe . tergeben . Gerade die eigene Vertreibungsgeschichte führt doch zu viel Empathie gegenüber denjenigen, die jetzt zu (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- uns kommen . NEN]: So was!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen genauso gut wie ich, wie schlecht solche Berichte für uns sind, gerade Junge Menschen verbinden mit dem Thema Flucht auch aus internationaler Perspektive . jetzt vor allem die aktuelle Situation in Syrien . Ihr Inte- resse an einer Auseinandersetzung mit den Ursachen für (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Flucht und Vertreibung in der Vergangenheit kann durch So wird die Stiftung ihrem Zweck, einen Beitrag zur den Bezug zur aktuellen Situation geweckt werden . Da- Versöhnung und Verständigung zu leisten, mitnichten für braucht es aber ein Zentrum, das Flucht und Vertrei- gerecht . bung über die singuläre Leidensgeschichte einzelner Völker hinaus als Phänomen aufzeigt, das alle betrifft . Aber ich sage Ihnen: Gerade jetzt, in Zeiten, in de- nen das Thema „Flucht und Vertreibung“ viele Menschen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) bewegt und ein beispielloses gesellschaftliches Engage- Nur so kann die Stiftung zu einem Forum werden, in dem ment für Geflüchtete stattfindet, sollten nicht endlose über Mechanismen von Terror, Krieg und Nationalismus Konflikte im Mittelpunkt stehen, sondern die Chancen aufgeklärt wird – in Geschichte und in Gegenwart . Im der Stiftung . Sie könnte, wenn sie denn neu aufgestellt besten Fall könnte so das Erlebte Generationen und Her- wird, zu einem wichtigen Ort des Dialogs und der Auf- kunft verbinden . Es kann vielleicht sogar zu einem Ort klärung werden . Dafür ist allerdings ein entschiedenes werden, in dem so etwas wie gelebte Humanität vermit- Handeln der Bundesregierung erforderlich . telt wird . Meine Damen und Herren, was muss für einen ernst- Ich möchte die Frau Kulturstaatsministerin ausdrück- gemeinten Neuanfang alles getan werden? Es braucht lich auffordern, beim Thema „Stiftung Flucht, Vertrei- eine Stiftungsleitung, die als dialogfähige Friedensstifte- bung und Versöhnung“ die bisher verpassten Chancen rin nach vorne in die Zukunft schaut und nicht zurück . Es für einen ernstgemeinten Neuanfang endlich zu ergreifen ist die Aufgabe der Kulturstaatsministerin, hier endlich und nicht erneut wieder verstreichen zu lassen . (B) eine passende Person zu finden. (D) In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine friedvolle (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zeit . Es braucht eine neue Zusammensetzung des Stiftungsra- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tes . Alle Gruppen – alle, die von Flucht und Vertreibung betroffen sind – sollten hier vertreten sein, also auch der

Zentralrat der Sinti und Roma und natürlich auch Vertre- Vizepräsidentin Petra Pau: terinnen und Vertreter von Migranten- und Flüchtlingsor- Das Wort hat die Kollegin Ute Bertram für die CDU/ ganisationen . Dieser Schritt ist längst überfällig . CSU-Fraktion . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU)

Was wir vor allem endlich brauchen – angesichts der Ute Bertram (CDU/CSU): aktuellen Flüchtlingssituation umso mehr –, ist eine in- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und haltliche Neukonzeption der Stiftungsarbeit . Weltweit Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema sind Millionen von Menschen vertrieben und auf der „Flucht und Flüchtlinge“ ist seit Monaten in aller Munde . Flucht . Sie versuchen, ein neues Leben in Freiheit und Wenn wir sehen, wie viele Menschen heute in Deutsch- Sicherheit zu finden. Sie suchen Schutz vor Krieg. Die land Schutz suchen, erkennen viele Deutsche Parallelen Menschen, die zu uns kommen, darunter viele junge zur eigenen Familiengeschichte . Leute, werden unsere Gesellschaft nachhaltig verändern . Die Geschichte von Flucht und Vertreibung kann deshalb Denn nach dem Zweiten Weltkrieg kamen aus den nicht ohne diesen aktuellen Bezug verstanden werden – ehemaligen deutschen Gebieten gut 14 Millionen Flücht- und umgekehrt . Die Stiftung sollte deshalb ihren Fokus linge und Heimatvertriebene ins heutige Bundesgebiet . erweitern und die Aufarbeitung der Vergangenheit mit Später folgten die deutschstämmigen Aussiedler aus dem Impulsen für Versöhnung und Austausch heute verknüp- östlichen Europa und den Nachfolgestaaten der Sowjet­ fen . union . Sie alle standen vor der Aufgabe, sich hier eine neue Heimat zu schaffen, ohne ihre Wurzeln zu verleug- Flucht und Vertreibung und die Aufnahme von Milli- nen . Eine Allensbach-Studie hat erst dieses Jahr bestä- onen von Menschen – das ist nichts Neues für uns . Jeder tigt: Jeder vierte Deutsche hat dazu einen persönlichen und jede Dritte in Deutschland kommt aus einer Fami- oder familiären Bezug . lie, in der Angehörige vertrieben wurden. Ich finde, hier bietet sich eine riesige Chance für den Dialog zwischen Welche Rolle die alte Heimat bis heute spielt, sehe ich Menschen aus unterschiedlichen Generationen und Kul- in meinem Wahlkreis Hildesheim . Tausende von Schle- 14548 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Ute Bertram (A) siern bauten sich bei uns eine neue Heimat auf, und bis hauptstadtprogramm vorkommen, genauso wie die deut- (C) heute gibt es einen regen kulturellen Austausch mit der schen Minderheiten . Herkunftsregion im Riesengebirge rund um die Stadt Das Thema bleibt aktuell in Bezug auf unsere östli- Hirschberg . Es ist beeindruckend, was die Heimatver- chen Nachbarn, und es wird aktuell in Bezug auf unser triebenen und ihre Organisationen bis heute leisten, vor Zusammenleben mit allen Tausenden Flüchtlingen, die allem auch für die Verständigung mit unseren osteuropä- heute zu uns kommen . Ich hoffe, dass all jene, die sich ischen Nachbarn . seit Jahren für die Vertriebenen engagieren, ihr vieles Allerdings stirbt die Generation derer, die sich noch Wissen nun mit einbringen . Denn wer weiß, was Flucht aus eigenem Erleben an Hirschberg oder an die anderen und Vertreibung für das eigene Leben bedeuten, der kann Herkunftsorte des deutschen Ostens erinnern können, auch den heute ankommenden Flüchtlingen helfen . aus . Wir stehen deshalb vor der großen Herausforderung, Ich wünsche Ihnen allen eine gesegnete Weihnachts- die Jugend für das gemeinsame Engagement mit Osteu- zeit . ropa zu gewinnen . Hier müssen die Schulen noch mehr tun . Denn für unser nationales Selbstverständnis spielt Vielen Dank . dieser Teil der deutschen Geschichte eine entscheidende (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Rolle . ordneten der SPD) Die unmittelbare Pflege des Kulturgutes der- Her kunftsgebiete ist damit eng verbunden . Seit 1953 en- Vizepräsidentin Petra Pau: gagiert sich der Bund für die Förderung von Archiven, Der Kollege Dr . Bernd Fabritius hat für die CDU/ Museen, Bibliotheken, Wissenschaft und Forschung im CSU-Fraktion das Wort . östlichen Europa . Wie wichtig uns diese Förderung ist, haben wir noch einmal im Koalitionsvertrag verankert . (Beifall bei der CDU/CSU) Wir sprechen heute über das Engagement des Bundes in den Jahren 2013/14 . Der Bericht belegt eindrucksvoll Dr. Bernd Fabritius (CDU/CSU): die Vielfalt der Vorhaben zur deutschen Kultur und zur Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Geschichte im östlichen Europa . Im Vergleich zum Be- Kollegen! Ich fasse den Bericht der Bundesregierung zu richtszeitraum 2011/12 konnten wir die Förderung um § 96 BVFG zusammen: Es brechen endlich wieder bes- mehr als 30 Prozent auf insgesamt 43,5 Millionen Euro sere Zeiten an . – Und das ist hocherfreulich . aufstocken . Mit weiteren 1,7 Millionen Euro unterstützt Einige Vorrednerinnen tun allerdings fast so, als ob das Bundesministerium des Innern im gleichen Zeitraum sich Kulturpflege in Geschichtsbewältigung erschöpft. (B) die verständigungspolitische Arbeit der Vertriebenen . Das ist dem Grunde nach falsch . Deswegen gehe ich da- (D) Das ist ein deutliches Zeichen unserer hohen Wertschät- rauf nicht ein . zung für das kulturelle Erbe im östlichen Europa . Nach 15 Jahren ist es uns gelungen, die Kulturförde- Freilich will ich nicht verhehlen, dass wir die starken rung nach § 96 BVFG wieder auf das Niveau zu bringen, Kürzungen in diesem Bereich aus der Regierungszeit von das es vor dem unglücklichen Kahlschlag vor 15 Jahren Rot-Grün noch nicht vollständig überwunden haben . In- hatte, und sogar noch zu steigern . Das Fördervolumen sofern, Frau Lotze und Frau Schauws, kann ich es nicht hat endlich wieder das Niveau erreicht, welches Inhalt akzeptieren, dass Sie hier Kritik anbringen . und Auftrag des § 96 entspricht . § 96 ist beileibe kein (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Instrument der Flüchtlingspolitik, auch wenn einige das gerne so hätten . Bei uns Christdemokraten ist dieses Thema nämlich ganz oben angesiedelt . Die Bundeskanzlerin Angela Es war dringend nötig: Das jahrhundertealte kulturel- Merkel hat es sich letztes Jahr nicht nehmen lassen, nach le Erbe der Deutschen aus den ehemaligen Siedlungs- Schweidnitz und Kreisau in Schlesien zu fahren . 1989 gebieten in Ost-, Mittelost- und Südosteuropa – das ist nahm Helmut Kohl mit dem damaligen polnischen Re- Objekt des § 96 – sowie die „Weiterentwicklung der gierungschef Tadeusz Mazowiecki an der Kreisauer Kulturleistungen der Vertriebenen“ wurden mit dem Versöhnungsmesse teil . Der Friedensgruß zwischen den Naumann‘schen Änderungskonzept im Jahre 2000 fak- beiden gilt als der symbolische Ausgang des Versöh- tisch aufgegeben . Es sollte durch weitgehende Museali- nungsprozesses nach dem Fall des Eisernen Vorhangs . sierung – welch euphemistische Umschreibung einer Ab- wicklung – geradezu kaltgestellt werden . Die Verbände 25 Jahre später feierte die Bundeskanzlerin dort das und Selbstorganisationen der deutschen Heimatvertrie- Mauerfalljubiläum . Auf dem Gut der Familie Moltke benen sollten kaputtgespart werden . Ihre eigenen Kul- verschwor sich einst der berühmte Kreisauer Kreis gegen tureinrichtungen wurden zunehmend isoliert und von der Hitler . Heute ist daraus, auf Wunsch Deutschlands, eine Bundesförderung ausgeschlossen . Das breite Aufgabens- deutsch-polnische Jugendbegegnungsstätte geworden . pektrum zu Pflege, Erhalt und Weiterentwicklung dieses Weil wir wissen, dass Kulturarbeit Brücken schlägt, för- kulturellen Schatzes – besonders auch der kulturellen dern wir als Parlament noch weitere Projekte . Als Bei- Breitenarbeit – konnte von den entsprechenden Verbän- spiel möchte ich den Kulturhauptstadtexpress nach Bres- den so nur noch ungenügend erfüllt werden. Kulturpflege lau anführen, Europäische Kulturhauptstadt 2016 . Auch in der Personengruppe war auf ehrenamtliche Wahrneh- dort wird deutsch-polnische Kulturarbeit lebendig; denn mung und Finanzierung durch beschränkte Eigenmittel die deutsche Geschichte der Stadt wird auch im Kultur- reduziert und entsprach so nicht im Ansatz mehr dem Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14549

Dr. Bernd Fabritius (A) gesetzgeberischen Auftrag, den man sich immer wieder Jahrhunderte in diesen Regionen gewachsen ist . Polen (C) vergegenwärtigen sollte . und seine neue Regierung dürfen das Engagement auf diesem Gebiet nicht aufgeben und müssen insbesondere (Hiltrud Lotze [SPD]: Es ging um Professio- auch die Verpflichtungen aus der ratifizierten einschlägi- nalität!) gen Charta des Europarates einhalten . Entgegenstehen- Erst mit dem Haushaltsjahr 2006 konnten wieder ein de Signale dürfen sich nicht verfestigen und sollten zum positiver Trend eingeleitet und die Mittel nach und nach Nachdenken anregen . Denn, Frau Kollegin Hupach, die aufgestockt werden . Wenn wir einen Blick in den hier Kultur Schlesiens ist auch die Kultur Polens, die Kultur vorliegenden Bericht werfen, dann wird deutlich, dass der Sudetendeutschen ist auch die Kultur der Tschechi- dieses Geld gut angelegt ist und dass eine umfassende, schen Republik, und die Kultur Siebenbürgens und des breite und professionelle Kulturarbeit, Frau Kollegin Banats ist auch die Kultur Rumäniens . Lotze, heute erneut möglich ist . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wir sehen natürlich auch, dass es an der einen oder Zuruf der Abg . Sigrid Hupach [DIE LINKE]) anderen Stelle weiteres Verbesserungspotenzial gibt . Ich denke beispielsweise an die Förderung der Kulturstiftung Kulturarbeit und Kulturförderung haben auch etwas der deutschen Vertriebenen oder an dringend benötigte Verbindendes . In einem vereinten Europa sind die je- Kulturreferenten im Wirkungsbereich dieses Personen- weiligen Minderheiten wichtige Brückenbauer und Ver- kreises, dessen Kultur es zu sichern und zu entwickeln ständnisbilder zwischen den Nationen . Die Verbände aus gilt . Ich sehe auch noch Lücken in der institutionellen Deutschland stehen in einem intensiven Dialog mit den Förderung einiger Museen, um auch eine gewisse Nach- Minderheiten vor Ort, mit der einheimischen Mehrheits- haltigkeit bei deren Arbeit sicherzustellen . Denn eines bevölkerung und mit den staatlichen Institutionen . Gera- ist klar: Mit reiner Projektförderung sind Nachhaltigkeit de im Jugendbereich gibt es weitreichende Kooperatio- und Kontinuität nicht mehr als ein Wunsch und damit nen und Projekte, die alte Vorurteile abbauen und sich für ebenfalls ungenügend im Sinne des § 96 BVFG . Verständigung mit den östlichen Nachbarn starkmachen . So wächst Europa weiter zusammen, so funktioniert eine Ich sage Ihnen auch, warum es richtig und wichtig ist, auf Völkerverständigung ausgerichtete Kulturpflege. Ab- sich für eine nachhaltige Förderung einzusetzen und die- bau von Vorurteilen scheint auch in Deutschland weiter- ses kulturelle Erbe der deutschen Heimatvertriebenen – hin nötig zu sein . ich wiederhole es – zu erhalten: Die Kultur der deutschen Heimatvertriebenen ist unser aller kulturelles Erbe und Danke . Teil der gesamtdeutschen Geschichte . Deswegen hat der (Beifall bei der CDU/CSU – Dr .André Hahn (B) Gesetzgeber mit § 96 eine gesamtdeutsche Verpflichtung (D) zum Erhalt und zur Weiterentwicklung dieses Erbes ge- [DIE LINKE]: Ja, aber Revanchismus brau- schaffen, das nicht zur Disposition stehen darf . chen wir nicht!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vizepräsidentin Petra Pau: NEN]: Genau! Weiterentwicklung!) Ich schließe die Aussprache . Die Selbstorganisationen der Heimatvertriebenen dür- Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf fen wir mit dieser Arbeit nicht alleine lassen . Sie müssen Drucksache 18/5598 an die in der Tagesordnung aufge- vielmehr als Partner der Kulturarbeit in die Bemühungen führten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit ein- von Bund und Ländern zum Erhalt eines lebendigen Kul- verstanden? – Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung turerbes einbezogen werden . Daher zählt es zu unseren so beschlossen . Verpflichtungen, im Bereich von Wissenschaft und For- schung, im Bereich von Kulturvermittlung, im Bereich Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf: der gesamten kulturellen Breitenarbeit deutliche Signale Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ zu setzen und die einzelnen Gruppen zu unterstützen . CSU und SPD Auch die Einbeziehung derjenigen – das wurde dan- kenswerterweise angesprochen –, die heute weiter in den Transfer von Forschungsergebnissen und In- Siedlungsgebieten leben und dort zum Erhalt von Tra- novationen in die Gesundheitsversorgung be- ditionen, Bräuchen und kulturellen Werten beitragen, schleunigen ist wichtig . Deshalb bin ich dankbar dafür, dass wir im Drucksache 18/7044 Haushalt 2016 die Mittel für die Förderung der deutschen Minderheiten vor Ort weiter erhöht haben und so unseren Überweisungsvorschlag: Teil dazu beitragen, das kulturelle Erbe in den Herkunfts- Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- schätzung (f) gebieten zu erhalten . Finanzausschuss (Beifall bei der CDU/CSU) Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Gesundheit Gleichzeitig fordere ich an dieser Stelle auch unsere Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi- cherheit Nachbarländer dazu auf, diese Kultur zu schützen und Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union einen Beitrag zu ihrem Erhalt zu leisten . Denn es ist auch Ausschuss Digitale Agenda ihre Kultur, die als Teil der jeweiligen Gesamtkultur über Haushaltsausschuss 14550 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Vizepräsidentin Petra Pau (A) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für Von Hilfs- und Verbandsmitteln über Geräte für Diagnos- (C) die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei- tik, Chirurgie und Intensivmedizin bis hin zu Prothesen, nen Widerspruch . Dann ist so beschlossen . Implantaten und der Bildgebungstechnik erstreckt sich die Bandbreite . – So weit, so gut . Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Kollege Stephan Albani für die CDU/CSU-Fraktion . Aber: Angesichts der zunehmenden Komplexität im Innovationsprozess bedarf es immer häufiger und mehr (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . gemeinsamer Anstrengungen und Abstimmungen von- René Röspel [SPD]) seiten der Forschungs-, der Gesundheits- und auch der Wirtschaftspolitik, um dies in Zukunft zu verbessern . Ein Stephan Albani (CDU/CSU): Transfer von Innovationen aus der Forschung in die Ge- sundheitsversorgung zum Nutzen der Patientinnen und Liebe Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Patienten muss effektiver und effizienter gestaltet -wer Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Tribünen den . und zu Hause an den Bildschirmen! Die Medizintechnik ist für uns Menschen und unsere Wirtschaft in Deutsch- Forschungspolitisch hat sich die Bundesregierung mit land von großer Bedeutung . Wir haben in Deutschland dem im Jahr 2010 verabschiedeten Rahmenprogramm ein Gesundheitsversorgungssystem, das uns Versicherten Gesundheitsforschung hier bereits auf den Weg gemacht . eine umfangreiche medizinische Versorgung auf hohem Insbesondere durch den nationalen Strategieprozess Niveau bietet . Das ist vorbildlich und weltweit anerkannt . „Innovationen in der Medizintechnik“, den das Bundes- ministerium für Bildung und Forschung, das Bundesge- Der Gesundheitssektor in Deutschland ist zugleich sundheitsministerium und das Bundeswirtschaftsminis- auch ein erheblicher Wirtschaftsfaktor . So sind in der terium gemeinsam mit zahlreichen Akteuren von 2010 erweiterten Gesundheitswirtschaft derzeit rund 6,2 Milli- bis 2012 durchführte, wurden Innovationshürden für die onen Erwerbstätige beschäftigt . Fast jeder siebte Arbeits- Medizintechnik und Wege zu deren Überwindung aufge- platz findet sich also in diesem Bereich, und Prognosen zeigt . gehen von einem deutlichen Zuwachs der Beschäftigten in diesem Bereich aus . Aus den Handlungsempfehlungen dieser Strategie lässt sich nun erkennen, dass es hier noch weiterer An- Mehr als 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes wer- strengungen in Bezug auf eine kohärente Innovations- den im Gesundheitsbereich erwirtschaftet . Die erweiterte politik der Bundesregierung bedarf . Dies fordern wir in Gesundheitswirtschaft ist damit die größte Wirtschafts- dem vorliegenden Antrag . Wir wollen darum die ressort­ branche in Deutschland . In ihr sind mehr Menschen übergreifende Zusammenarbeit weiter unterstützen und (B) beschäftigt als in der Automobilindustrie und in der weiter ausbauen und den Transfer von Forschungsergeb- (D) Elektroindustrie zusammen . Allein die industrielle Ge- nissen stärken . sundheitswirtschaft beschäftigt in Deutschland mehr als eine Viertelmillion Menschen und generiert zudem dop- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) pelt so viele Arbeitsplätze in anderen Wirtschaftsberei- Nach umfassenden technischen Innovationen in den chen . vergangenen Dekaden ist es wichtig und richtig, die For- Die Medizintechnik stellt innerhalb dieser Gesund- schungsförderung nicht allein, aber verstärkt am Bedarf heitswirtschaft einen zentralen Wachstumstreiber dar . der Versorgung zu orientieren . Daher müssen wir nun in Mit rund 130 000 Mitarbeitern und einem jährlichen einem nächsten Schritt Forschungsförderung bedarfsori- Umsatz von 8,7 Milliarden Euro im Inland und 18,3 Mil- entierter verfolgen . liarden Euro im Ausland ist die Medizintechnik von ho- (Beifall des Abg . René Röspel [SPD]) her Bedeutung . Vor allem kleine und mittlere Betriebe in Deutschland bilden mit 1 200 Betrieben und einer Ex- Wir stellen fest, dass das Spannungsfeld von teilre- portquote von 68 Prozent die große Stütze der Branche . gulierten Märkten und komplexen Versorgungssystemen die Entwicklung eines Medizinproduktes auf dem Weg Die Medizintechnik hat viele Erfindungen hervorge- von der Idee zur Anwendung erheblich erschwert . Es bracht, die unser Leben heute lebenswerter machen und darf nicht sein, dass ein Patient 14 Jahre auf ein innovati- überlebenswichtig sind . Wer möchte sich eine Welt ohne ves Medizinprodukt warten muss . 14 Jahre! diese Hilfsmittel vorstellen, deren Ziel es ist, die Gesund- heit der Menschen durch Diagnostik und Therapie zu er- (Beifall bei der CDU/CSU) möglichen und das Leben schlussendlich sogar zu retten? Das ist der Durchschnitt . Das bedeutet: Wenn einer oder Medizinische Innovationen retten immer wieder Leben . zwei das Medizinprodukt innerhalb von einem Jahr oder So verringerte sich in Deutschland im Zeitraum 2000 zwei Jahren bekommen, müssen andere bis zu 30 Jahre bis 2010 die Sterblichkeit bei akutem Herzinfarkt um darauf warten . rund ein Fünftel . Die hohe Überlebensquote verdanken (Dr .André Hahn [DIE LINKE]: Wie bei Au- wir der verbesserten Notfallversorgung, wirksamen Me- tos!) dikamenten und eben leistungsfähigen Medizinproduk- ten . Stellen Sie sich einen Patienten vor, der beim Arzt oder Apotheker in einer Zeitschrift oder Tageszeitung (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- liest, dass in einem hervorragenden Forschungsinstitut ordneten der SPD) oder an einer Universität ein neues Verfahren entwickelt Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14551

Stephan Albani (A) wird, und zwar just genau für die Erkrankung, unter der Kommen wir zu einem weiteren Hinweis auf dem lan- (C) er leidet . Was tut er? Er fragt seinen Arzt . Dieser antwor- gen Weg von der Idee zum medizinischen Produkt: Es tet: Das habe ich noch nicht . ist völlig normal, dass ein entwickelndes Unternehmen ein unternehmerisches Risiko trägt, fraglos . Wenn es am Der Patient schaut dann in den kleinen Kasten unter Ende der Entwicklung und nach einem Beleg des Nut- dem Artikel, in dem der Name des Instituts steht . Er ruft zens aber noch lange – mitunter gefühlt ewig – dauert, dort an . Auf der anderen Seite ist ein Wissenschaftler, bis eine Finanzierung im Versorgungssystem geregelt dem Transfer natürlich verpflichtet, und sagt ihm: Ja, wir wird, dann darf auch das nicht sein . Wir können die Un- haben dieses Medikament oder dieses Verfahren gefun- ternehmen auf diesem Weg nicht alleinelassen . den . – Daraufhin fragt der Patient: Ja, wann kann ich das kriegen? – Sie müssen schon ein sehr hartgesottener Wis- (Beifall des Abg . [CDU/ senschaftler sein, wenn Sie dann dem Patienten erzählen: CSU]) Jetzt müssen wir erst einmal Start-ups gründen und Li- zenzen erwerben . Danach müssen wir die Phasen eins, Ein Stichwort ist hier die Innovationsfinanzierung. zwei und drei der Zulassung durchlaufen . All das dauert Hierdurch kann das Wachstumspotenzial der Medizin- noch – ich sage einmal – 10 bis 20 Jahre . technikbranche besser unterstützt und das gesellschaftli- che Klima für den Gründergeist weiter gefördert werden . (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE Dies trägt zudem der Tatsache Rechnung, dass Innovati- GRÜNEN]: Wollen Sie das abschaffen, oder onsprozesse deutlich zeit- und kostenintensiver gewor- was?) den sind . So verständlich die Forderung nach Sprungin- Wenn der Patient am anderen Ende sagt: „Wer weiß, ob novationen an dieser Stelle auch ist, so darf man doch ich dann noch lebe“, müssen Sie schon sehr hart sein, nicht darüber hinweggehen, dass dem Patienten auch vie- um das zu ertragen .– Das ganze Verfahren müssen wir le kleine Schritte eine erhebliche Verbesserung bringen schneller machen . können . Viele Schritte ergeben mitunter dieselbe Strecke wie ein Sprung . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Wir fordern daher die Bundesregierung auf, hierzu an verschiedenen Stellen die Initiative zu ergreifen . Innova- Wir wollen daher weiter in die medizinische For- tionsprozesse müssen vor allem effizienter und koopera- schung investieren und brauchen einen schnelleren tiver gestaltet werden . Wir brauchen dafür neue Formen Transfer zum Nutzen des Patienten . Dass neue Medizin- der Zusammenarbeit, neue Versorgungskonzepte, neue produkte – das ist jetzt sehr wichtig – vor Einführung Innovationsmodelle und eine neue Kooperationskultur in den Versorgungsalltag einen klinischen Beleg für ihre entlang der gesamten Prozesskette . (B) Schadlosigkeit und ihre Wirksamkeit erbringen müssen, (D) ist im Sinne der Patientensicherheit nicht umkehrbar . Pa- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) tientensicherheit steht über allem, fraglos . Wenn aber die Genehmigung der Begleitdiagnostik bei einer klinischen Hier bin ich insbesondere dafür dankbar, dass die Zusam- Studie die Testung einer Therapie über Monate und Jahre menarbeit für diesen Antrag nicht nur zwischen den Ko- verzögert, dann kann ich nur sagen: Das darf nicht sein . alitionspartnern – hier danke ich dem Kollegen Röspel –, sondern insbesondere auch in unseren Fraktionen über (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . die Arbeitsgruppen Wirtschaft und Gesundheit ganz her- René Röspel [SPD]) vorragend funktioniert hat . Stellen Sie sich vor, Sie bringen Ihr Auto zum TÜV . Wir wollen durch diesen Antrag einen wesentlichen Auch hier geht es um die persönliche Sicherheit und um Beitrag dazu leisten, dass sich all diese Vorgänge verbes- die Sicherheit der Allgemeinheit . sern . Wir beschleunigen den Transfer von Forschungs- (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE ergebnissen und Innovationen in die Gesundheitsversor- GRÜNEN]: Wenn es kein VW ist, geht es ja!) gung . Dies umfasst das Vorgetragene, aber auch noch viele andere Dinge: Die Ergebnisse des Pharmadialogs Auf die Frage hin, wann Sie Ihr Auto denn wiederbekä- sollen dem Parlament vorgestellt und zeitnahe Umset- men, kommt die Aussage: Wenn wir fertig sind . – Das ist zungen vorgeschlagen werden . Zudem sollen ein Akti- nicht akzeptabel . onsplan Wirkstoff und Arzneimittelforschung vorgelegt und geeignete Rahmenbedingungen für die aktive Ein- Ein Wort zu den Fristen bei der Zulassung der Anwen- bringung von Interessengemeinschaften, Patientenver- dung von Röntgenstrahlen in klinischen Studien . Hier hat bänden sowie Kostenträgern in den Innovationsprozess das Bundesamt für Strahlenschutz in den vergangenen geschaffen werden . Vorgesehen sind auch die Weiter- Jahren bereits Erhebliches verbessert . Aber entscheidend entwicklung des Konzeptes für die Zentren der Gesund- sind die Verbindlichkeit und die Planbarkeit des Prozes- heitsforschung und die Förderung der interdisziplinären ses . Zusammenarbeit . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Kehren wir zu dem eingangs erwähnten Patienten zu- rück, der über eine Therapie seiner Krankheit gelesen Dies erscheint vielleicht hier und da als ein kleiner Schritt . hat . Ich möchte, dass wir ihm in Zukunft sagen können, Aber es ist ein wichtiges Signal für die in Deutschland dass er schneller als in 10 bis 20 Jahren eine entsprechen- forschenden Unternehmen . de Hilfe bekommt . 14552 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Stephan Albani (A) Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Anbetracht der dem werden diese Mittel bereits massiv verordnet – zum (C) Herausforderungen für die Gesundheitsversorgung der Schaden der Versicherten und der Kranken . Zukunft haben wir den Auftrag, weiter konsequent ei- nen integrierten Politikansatz bezogen auf Gesundheits- Angesichts dieser Missstände gäbe es also tatsächlich forschung, Wirtschaft und Versorgung des Patienten zu einen großen Handlungsbedarf . Aber Sie ignorieren das . verfolgen . Sie haben ja auch die Universitäten und Forschungsein- richtungen systematisch zu Außenstellen der Wirtschaft Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit . Frohe Weih- gemacht . nachten! (Dr . [CDU/CSU]: Das ist un- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) glaublich! So ein Unfug!) Unabhängige Forschung, die nicht von Drittmitteln aus Vizepräsidentin Petra Pau: der Industrie abhängig ist, gibt es kaum noch . Es wird Das Wort hat die Kollegin Kathrin Vogler für die Frak- vorwiegend beforscht, was wirtschaftlich interessant sein tion Die Linke . könnte . Die Patente, also die Verwertungsrechte für die (Beifall bei der LINKEN) Forschungsergebnisse, eignet sich dann die Privatwirt- schaft an, auch wenn dafür öffentliche Gelder geflossen sind . Kathrin Vogler (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin .– Sehr geehrte Da- Das wollen Sie mit Ihrem Antrag auch noch forcieren . men und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vie- Oder wie soll ich es sonst verstehen, wenn Sie bei der le Patientinnen und Patienten setzen große Hoffnungen öffentlich geförderten Gesundheitsforschung verstärkt in den medizinischen Fortschritt und die Ergebnisse der die Effektivität in den Blick nehmen oder im Bereich Gesundheitswissenschaften . Sie warten darauf, dass neue der Medizintechnik – ich zitiere – konsequent marktef- Behandlungsverfahren ihr Leid mildern und ihre Lebens- fektiv forschen wollen? Mit Ihrer Forderung unter Punkt qualität verbessern können . Deshalb ist es wichtig, dass 2 d wollen Sie allen Ernstes die Krankenkassen auch Forschungsergebnisse und Innovationen in erster Linie noch mit Forschungsausgaben belasten . Dabei steigen ihnen zugutekommen . Der Antrag, den die Koalition vor- die Beiträge schon jetzt zum Jahreswechsel, weil diese gelegt hat, weist aber leider in eine falsche Richtung . Bundesregierung permanent für gesamtgesellschaftliche Aufgaben in die Taschen der Beitragszahlerinnen und Schon der Feststellungsteil, den der Kollege Albani zu Beitragszahler greift . großen Teilen vorgelesen hat, ist dermaßen wirtschafts- Das machen Sie doch die ganze Zeit: Die Risiken (B) freundlich, als hätten Sie sich den von den Unternehmer- (D) verbänden schreiben lassen . sollen die öffentliche Hand, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler oder die Krankenversicherten tragen; den (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Seit wann Gewinn streicht irgendein privates Unternehmen ein . haben Sie denn was gegen die Wirtschaft?) Was bei Ihnen vollständig fehlt, ist eine Orientierung da- Ihre flammende Begeisterung für den Wachstumsmarkt rauf, was unbedingt erforscht werden müsste, aber eben Gesundheitswirtschaft kann ich nur sehr begrenzt teilen . nicht marktkonform ist . (Tino Sorge [CDU/CSU]: Dann gucken Sie Ein Beispiel: Etwa eine halbe Million Menschen in- sich die Zahlen doch mal an! Schauen Sie sich fizieren sich in Deutschland jährlich mit sogenannten die Eckdaten an!) Krankenhauskeimen . Zehntausende sterben daran, auch deshalb, weil viele Erreger gegen Antibiotika resistent Aus gesundheitspolitischer Sicht ist es nämlich eine Ka- sind . Die Entwicklung neuer Antibiotika müsste deshalb tastrophe, dass die Ökonomisierung im Gesundheitswe- ganz oben auf der Forschungsagenda stehen . sen dazu führt, dass sehr viel Geld in Scheininnovationen fließt, die lediglich den Aktienkursen nutzen, aber nicht (Tino Sorge [CDU/CSU]: Da steht sie doch! – dem medizinischen Fortschritt . Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Lesen bil- det!) (Beifall bei der LINKEN – Stephan Albani [CDU/CSU]: Das stimmt schon lange nicht Antibiotika haben aber aus der Perspektive der Industrie mehr!) einen entscheidenden Nachteil: Sie heilen nämlich Kran- ke . Regelmäßig kommen unnütze oder sogar schädliche Arz- neimittel und Medizinprodukte auf den Markt und lassen (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist eine die Kosten im Gesundheitswesen steigen und steigen . unverschämte Unterstellung!) Das können Sie nachlesen . Im Innovationsreport der Man nimmt sie drei Tage, zehn Tage oder ein paar Wo- Techniker Krankenkasse werden neue Medikamente chen, und dann ist die Krankheitsursache beseitigt . Re- nach ihrem Nutzen, ihrem Risikopotenzial und den Kos- serveantibiotika dürfen gar nicht in großen Mengen ten nach dem Ampelprinzip wissenschaftlich bewertet . In verordnet werden; denn sonst geht der Teufelskreis der diesem Jahr hat von 20 untersuchten Neuzulassungen nur Resistenzen wieder von vorne los . Aus wirtschaftlicher ein einziges Präparat grünes Licht bekommen . 60 Pro- Perspektive ist es schlicht uninteressant, solche Produk- zent sind mit der roten Ampel versehen . Ihr Schadenspo- te zu entwickeln . Da sagen wir als Linke: Wir brauchen tenzial ist also höher als der zu erwartende Nutzen . Trotz- eine öffentliche, staatliche Forschungsförderung, die sich Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14553

Kathrin Vogler (A) eben nicht am möglichen Profit orientiert, sondern am gierungsverantwortung gestellt und nicht verweigert ha- (C) gesellschaftlichen Nutzen, also am Allgemeinwohl . ben, in den Bereich des basisgesellschaftlichen und ba- siswissenschaftlichen Fortschritts wesentlich investiert (Beifall bei der LINKEN) haben, nämlich in die Grundlagenforschung . Seit 2005, Die Ergebnisse dieser Forschung, die Patente, gehören als Rot-Grün den Pakt für Forschung und Innovation dann auch in öffentliche Hand . auf den Weg gebracht hat, den alle nachfolgenden Re- gierungen fortgesetzt haben, gibt es bis zum Auslaufen Wir brauchen eine kritische und unabhängige Gesund- dieses Paktes 22 Milliarden Euro mehr für die Grundla- heitswissenschaft, die auch erforscht, welche Therapien genforschung. Diese Forschung findet beispielsweise bei vielleicht unnütz oder gar schädlich sind, selbst wenn das Max-Planck-Instituten und der Helmholtz-Gemeinschaft bestimmte Geschäftsmodelle beenden könnte; denn sonst statt . wird unser Gesundheitswesen noch mehr zum Selbstbe- dienungsladen für Unternehmen, die sich aus den Kassen (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) der Versicherten grandiose Gewinnspannen organisieren . Aber CDU/CSU und SPD lehnen dies ab . Vor knapp Diese Forschung ist nicht interessengeleitet . Im Rahmen vier Wochen hat die Linke in den Haushaltsberatungen des Hochschulpakts wird bis zu dessen Ende 2019 die 500 Millionen Euro für eine nichtkommerzielle Pharma- zentrale Basis unseres Wissenschaftssystems mit über forschung gefordert . Dazu haben Sie Nein gesagt . 20 Milliarden Euro gefördert, nämlich die Forschung an den Hochschulen . Diese Forschung ist ebenfalls nicht (Stephan Albani [CDU/CSU]: Der Haushalt interessengeleitet, auch wenn Sie das gerne anders hät- ist verdoppelt worden! Was für ein Quatsch!) ten . Kein Max-Planck-Forscher wird sich vorschreiben lassen, was er zu erforschen hat, und das ist auch gut so . Stattdessen kommen Sie nun mit seitenweise Lobhudelei für die Bundesregierung und deren wirtschaftsfreundli- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem chen Kurs . Entschuldigung, dieser Antrag ist einfach nur BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ein Armutszeugnis . Er ist forschungspolitisch nutzlos und gesundheitspolitisch kontraproduktiv . Gesundheit ist Das war übrigens kein leichter Akt, sondern eine große ein Menschenrecht und keine Ware . Kraftanstrengung . (Beifall bei der LINKEN) Warum ist Grundlagenforschung so wichtig? In der Grundlagenforschung widmen sich Menschen bestimm- ten Fragen und suchen nach Antworten . In der ange- Vizepräsidentin Petra Pau: wandten Forschung, die von Unternehmen betrieben Das Wort hat der Kollege René Röspel für die wird, wird eine Lösung für ein Problem gesucht, eine (B) SPD-Fraktion . Lösung, die man meinethalben kommerzialisieren kann . (D) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Ja, wir brau- der CDU/CSU) chen aber auch Lösungen, die keiner kommer- zialisieren kann!) – Deshalb fördern wir die Grundlagenforschung . Aber René Röspel (SPD): die Politik mischt sich nicht ein . Die Forscher können Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und im Rahmen ethischer Grenzen tun und lassen, was sie Herren! Vielleicht versuchen wir nun, anhand des An- wollen . trags ein bisschen zu referieren, worum es geht . Der Kol- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der lege Albani hat viel, wenn auch relativ schnell, aus dem CDU/CSU) Antrag zitiert . Es geht tatsächlich um die Verbesserung der Medizintechnik und der Versorgung von Menschen . Es gibt ein paar prägnante Beispiele, die deutlich An dieser Stelle, Stephan Albani, vielen Dank für die machen, warum Grundlagenforschung für den Erkennt- gute Zusammenarbeit – auch mit der Kollegin Griesbach nisgewinn wichtig ist . Genau darum geht es in unse- aus Ihrem Team – im abgelaufenen Jahr . Wir haben uns rem Antrag: Wie können wir Erkenntnisse, die in der beispielsweise um vernachlässigte und armutsassoziierte Grundlagenforschung gewonnen werden, in die Gesund- Krankheiten gekümmert, einen entsprechenden Antrag heitsversorgung oder – dagegen ist nichts zu sagen – in gestellt und forciert, dass das BMBF dagegen etwas tut . kommerzielle Anwendungen transferieren? Vor 120 Jah- Die Linke ist leider vor langer Zeit aus diesem Thema ren – das ist vielleicht eines der bekanntesten Beispiele – ausgestiegen und beschränkt sich in ihren Anträgen of- hat ein Physiker im Physikalischen Institut in Würzburg fenbar auf Ihre Ideologieschemata und -schablonen . vor einer abgedeckten Kathodenröhre gesessen und ein (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) bisschen experimentiert . Dann hat er festgestellt, dass be- stimmte Substanzen außerhalb dieser Region zu leuchten Weil Sie den unbewiesenen, da falschen Vorwurf der anfangen . Dieser Physiker war Wilhelm Conrad Rönt- interessengeleiteten Forschung erhoben haben, gen . Er hat sich mit Grundlagenforschung befasst und überhaupt keine Überlegungen angestellt, welche An- (Dr .André Hahn [DIE LINKE]: Das ist so wendung seine geniale Entdeckung haben könnte . Auf billig!) Röntgenforschung, Röntgenstrahlen und Röntgenappa- will ich darauf hinweisen, dass wir, die drei Fraktionen, rate will heute aber niemand mehr in einem guten Ge- die sich in den letzten anderthalb Jahrzehnten der Re- sundheitssystem verzichten . 14554 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

René Röspel (A) Was ich beschrieben habe, ist vor 120 Jahren pas- also darum, dass das, was dort erforscht wird, bei den (C) siert . Ein aktuelles und räumlich näheres Beispiel: Keine Menschen ankommt . 500 Meter Luftlinie von hier entfernt befindet sich das Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie . Dort betreibt Unsere bereits bestehenden Systeme, die Gesund- man reine Grundlagenforschung . Man hat sich dort unter heitsnetzwerke und die Kompetenznetzwerke – wo Men- anderem mit der Tuberkulose befasst . Der einzige Impf- schen gesundheitlich versorgt werden, wo Forscher, etwa stoff gegen Tuberkulose ist fast 100 Jahre alt; er stammt Hochschulkliniker, arbeiten, wo die Erfahrungen aus von 1921 . Dieses Grundlagenforschungsinstitut hat die Forschung und die Behandlung von Patienten zusam- große Hoffnung, einen neuen Impfstoff gegen Tuberku- menkommen –, müssen stärker gefördert werden . lose zu entwickeln, auch wenn sich dieser noch in der kli- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nischen Phase befindet. Der entscheidende Punkt ist, wie der CDU/CSU) man die Erkenntnisse der Grundlagenforschung gewinn- bringend – gewinnbringend im Sinne von gesellschaftli- Auch da wollen wir bestehendes Gutes im Sinne der Pati- cher Verbesserung, von mir aus auch gewinnbringend für entenorientierung und der Forschung erhalten . pharmazeutische Unternehmen, die daraus irgendwann Ich will auch darauf hinweisen, dass deutlich mehr Kapital schlagen können – auf den Markt bringen kann . Patientenverbände als bisher beispielsweise im soge- Das geht zunächst leider nicht ohne staatliche Mittel; nannten Agenda-Setting von Forschung berücksichtigt aber irgendwann muss sich ein Pharmaunternehmen die- werden müssen . ser Erkenntnisse der Grundlagenforschung annehmen, um dann, wie hier, einen Impfstoff zu vermarkten . (Beifall des Abg . Dr . [SPD]) Dieser Antrag setzt sich im Wesentlichen mit Medi- zintechnik auseinander: Wie können wir das, was Rönt- Wir wollen die Betroffenen und Patientenverbände an gen entdeckt hat, im medizintechnischen Bereich prak- den Überlegungen, was für Forschung betrieben werden tisch umsetzen? Aber wir gehen auch deutlich über die soll, partizipieren lassen. Ich finde, dagegen kann man Medizintechnik hinaus . So fordern wir zum Beispiel ei- überhaupt nichts sagen . Es wird noch schwer genug sein, nen Aktionsplan Wirkstoff- und Arzneimittelforschung . diese Neuerung durchzusetzen . Das Thema Antibiotika ist hier schon angesprochen wor- Ein letzter wichtiger Punkt – das hätten Sie in unserem den . Es gibt seitens des BMBF seit längerem – vielen Antrag lesen können –: Wir wollen mehr in die Versor- Dank dafür – eine Antibiotika-Resistenzstrategie, weil gungsforschung und in die Pflegewissenschaft investie- bekannt ist, dass gegen die meisten Antibiotika, die wir ren . verwenden, wegen menschlichen Missbrauchs – von mir (B) aus können wir auch sagen: wegen kommerziellen Miss- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (D) brauchs – Resistenzen existieren . Dagegen müssen wir der CDU/CSU) etwas tun . Wir wollen einen Aktionsplan Wirkstoff- und Arzneimittelforschung, weil die pharmazeutischen Un- Medizintechnische Innovationen sind wichtig, wie sich ternehmen da versagen; das muss man deutlich sagen . bei Röntgen gezeigt hat . Manchmal sind es aber gar nicht die großen teuren Geräte, die unsere Gesellschaft weiter- Wir haben gestern über das EFI-Gutachten gespro- bringen . Es wäre schon ein Fortschritt, wenn sich mehr chen. Darin findet man die Aussage, dass die Forschungs- Menschen im Krankenhaus einfach nur die Hände wa- und Entwicklungsintensität gerade der pharmazeutischen schen würden . Mit einfachen Mitteln, etwa mit der Be- Industrie seit 2012 rückläufig ist. Sie ist in Deutschland achtung von Hygieneregeln, würden wir uns viele Pro- zwar immer noch auf einem hohen Niveau; aber offenbar bleme ersparen . wird zu wenig geforscht . Da braucht es leider staatliches Engagement und politische Initiativen, um eine Verbes- Das heißt: Wir wollen nicht nur mit Medizintechnik serung zustande zu bringen . Deutschland war einmal auf die Menschen zugehen und dort das Heil suchen, die Apotheke der Welt . Unsere globale Verantwortung sondern wir sagen, dass es in der Versorgungsforschung für Menschen und Länder, die sich Medizin eben nicht viele kleine Maßnahmen gibt, von technischen Maßnah- so leisten können wie wir, bewegt uns dazu, zu sagen: men abgesehen, Wir müssen in diesem Bereich unseren Teil beitragen . Es (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE braucht öffentliche Mittel, also Steuermittel, und öffent- GRÜNEN]: Zum Beispiel mehr Personal!) liche Forschung, um da ein Stück weiterzukommen . Die- ser Gedanke findet sich in unserem Antrag wieder. etwa wie man mit pflegebedürftigen Menschen umgeht und was man beachten muss . Genau das wollen wir hin- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten zunehmen, damit am Ende das Wichtigste steht, nämlich der CDU/CSU) dass es den Menschen im Alltag bei ihrer Gesundheits- Wir fordern zum Beispiel, dass die Deutschen Zen- und Krankheitsversorgung besser geht . tren der Gesundheitsforschung, die es seit einigen Jah- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) ren gibt – dort konzentriert man sich auf die Arbeit zu bestimmten Themen; man ist vernetzt mit Dritten, mit Vom forschungsseitigen Ansatz her ist dies, wie ich Hochschulen, aber auch mit Wirtschaftsunternehmen –, glaube, ein guter Antrag . Wir werden ein Stück weiter- im Hinblick auf die Möglichkeit evaluiert werden, die kommen . Die politische Diskussion, was die Gesell- dort gewonnenen Erkenntnisse in die Versorgungspraxis, schaft damit macht und was die Bürgerinnen und Bürger in die Gesundheitsversorgung zu transferieren . Es geht entscheiden, was ihnen eine gute Gesundheitsversorgung Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14555

René Röspel (A) in diesem Land wert ist und ob sie bereit sind, möglicher- strengend, dass die Koalition dem kleinteiligen Lob des (C) weise mehr dafür zu bezahlen, Regierungshandelns so breiten Raum gibt (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Vor allem (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Sehr detail- weil ihr ja nur die Versicherten belastet!) liert!) findet auf einer anderen Ebene statt. Wir als SPD werden und dagegen bei den Forderungen so allgemein und vage unser Konzept der Bürgerversicherung weiter aufrecht- bleibt . erhalten, weil wir glauben, dass es wichtig, ist, dass alle (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in eine Kasse zahlen und alle die gleichen Möglichkeiten sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Albert haben . Rupprecht [CDU/CSU]: Stimmt überhaupt (Beifall bei der SPD sowie des Abg . nicht!) Dr .Thomas Feist [CDU/CSU] – Kathrin Im Antrag verteilen Sie Weihnachtsgeschenke: Die Re- Vogler [DIE LINKE]: Stellt doch erst mal die gierung bekommt Lobeshymnen, Qualität wieder her!) (Tino Sorge [CDU/CSU]: Das sind objektive Aber das werden wir heute hier nicht entscheiden . Feststellungen!) Ich danke allen Initiatoren und Mitinitiatoren für die- die Gesundheitsindustrie ein Musterzeugnis und der Mit- sen Antrag, stelle fest, dass ich nichts mehr dazu zu sagen telstand einen warmen Händedruck . Einige Probleme habe, aber noch eine Minute Redezeit habe . Die nutze ich werden benannt, deren Gründe aber weitgehend ausge- jetzt, um meine Redezeitüberschreitung des ablaufenden blendet . So erreichen wir weder mehr Patientenorientie- Jahres zu kompensieren und Ihnen allen frohe Weihnach- rung noch einen effizienteren Einsatz der Forschungsmit- ten zu wünschen . tel . Vielen Dank . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Kathrin Vogler [DIE LINKE]) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Beispiel: KMU-Förderung . Sie erwähnen mehrfach das Rückgrat der Branche, also kleine und mittlere Un- Vizepräsidentin Petra Pau: ternehmen . Unbestritten ist, dass diese von bestehenden Das Wort hat der Kollege Kai Gehring für die Fraktion Förderinstrumenten nicht ausreichend erreicht werden . Bündnis 90/Die Grünen . (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Deswegen (B) entwickeln wir das weiter! Genau lesen, Kai!) (D) Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war gestern übrigens auch Thema in der EFI-Debat- Es freut mich, dass ich jetzt ein bisschen mehr Zeit habe . te . Ihnen fällt ein: mehr Wagniskapital und die Erhöhung der Programmmittel, die bisher noch nicht so gut wirken . (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Die Präsiden- tin schüttelt schon den Kopf!) (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist doch gut! Dann ist doch nichts dagegen einzuwen- – Das war nur ein Scherz . den!) Meine Damen und Herren! Der zügige Transfer von Wir haben mit der Einführung einer steuerlichen For- Ergebnissen der Gesundheitsforschung in die Praxis be- schungsförderung für KMU ein wirksames Instrument deutet für viele Menschen eine Verbesserung ihrer Le- vorgeschlagen . bensqualität . Deshalb ist das Grundanliegen des vorlie- (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Ach!) genden Antrags der Koalitionsfraktionen zu unterstützen . Es ist nicht hinnehmbar, dass dieser fehlende Ausgleich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von Förderdefiziten, die es EU-weit nur noch in Deutsch- und bei der CDU/CSU sowie beim Abg . land und Estland gibt, Forschungsaktivitäten hierzulande Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]) hemmt . Es ist aber nicht damit getan, wie Herr Albani es getan hat, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu sagen: Von der Idee zur Anwendung muss es schneller gehen .– Nein, wir brauchen Ernsthaftigkeit, Gründlich- Sie fordern weiter blumig mehr Abstimmung der For- keit, Sicherheit und Qualität in den Zulassungsverfahren . schungs- und Gesundheitspolitik mit der industriellen Gesundheitswirtschaft . Aber erst drei lange Seiten später (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden dann endlich die Patientinnen und Patienten er- sowie bei Abgeordneten der LINKEN – wähnt . Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Und Schnel- ligkeit!) (René Röspel [SPD]: Das Beste zum Schluss!) – Da hätten Sie jetzt auch mitklatschen können . Unklar bleibt, wie diese unterschiedlichen Akteursinter- Ich finde an Ihrem Antrag, den wir seit vorgestern essen fairer als bisher ausbalanciert werden sollen, damit haben und der wieder sehr lang geraten ist, wirklich an- am Ende nicht erneut steigende Arzneimittelkosten und 14556 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Kai Gehring (A) höhere Beiträge für die Versicherten stehen . Das gilt es noch nicht verwirklicht . Sie fordern heute die Beteiligung (C) zu vermeiden . von Patientenvertreterinnen und -vertretern am Agen- da-Setting-Prozess . Das ist gut . Bisher hat die Koalition (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Gesundheitswesen dazu wenig zustande gebracht . Es sowie bei Abgeordneten der LINKEN) würde uns daher sehr interessieren, wie genau Sie die Sie fokussieren in Ihrem Antrag auf Forschungsfel- Forschungsförderung tatsächlich und konkret partizipati- der, aus denen sich unmittelbar wirtschaftlicher Profit ver gestalten wollen . Wir freuen uns auf Ihre guten Ideen schlagen lässt . Die wichtige und richtige Forderung, ne- und bringen eigene ein . ben technischen auch soziale Innovationen zu fördern, kommt dagegen leider nur in einem Halbsatz vor . So set- Ihr Antrag bietet auf jeden Fall insgesamt sehr viel zen Sie nicht die richtigen Prioritäten; denn die wären: Stoff zur Diskussion . Deshalb freue ich mich auf intensi- mehr Prävention und integrierte Versorgungssysteme ve Beratungen im Forschungsausschuss . zum Wohl der Patientinnen und Patienten . ( [CDU/CSU]: Ein würdi- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ger Schluss!) Sie haben eben gefordert, dass es eine schnellere Zu- lassung von Medikamenten geben müsse . Das ist gene- Schöne Feiertage . rell ein gutes Ziel . Die Sicherheit darf dabei nicht auf der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Strecke bleiben . sowie bei Abgeordneten der SPD) (Stephan Albani [CDU/CSU]: Das habe ich ausgeführt! – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Schau einmal in den Antrag hinein!) Vizepräsidentin Petra Pau: – Das haben Sie ausgeführt . Aber wie konkret soll es Das Wort hat der Kollege Tino Sorge für die CDU/ denn dann gehen? – Wie werden das Verfahren und die CSU-Fraktion . Zulassung beschleunigt? Ich finde, da bleiben Sie in Ih- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- rem Antrag, der die Grundlage dieser Debatte ist, sehr ordneten der SPD) nebulös . (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Ralph Tino Sorge (CDU/CSU): Lenkert [DIE LINKE]) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (B) Das gilt ebenso für Ihre Forderung, den tatsächlichen Liebe Frau Kollegin Vogler, Sie haben das gemacht, was (D) Nutzen für die Gesundheit stärker bei der Förderent- auch der Kollege Gehring wieder gemacht hat: Sie haben scheidung zu gewichten . Wie wollen Sie denn den Kos- unseren Antrag offensichtlich nicht genau gelesen . tenträgern, wie Sie schreiben, frühzeitig die Möglichkeit (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Sehr genau!) zur Beteiligung an Innovationsprozessen geben? In dem vorgeschlagenen Dialogverfahren werden die Kranken- Sie haben nämlich Kooperation mit Konfrontation ver- kassen gar nicht erwähnt . Warum greifen Sie nicht unsere wechselt . Das heißt, Sie haben das herausgegriffen, was Vorschläge zur Gesundheitsförderung und zur Stärkung Ihnen nicht gepasst hat, und die anderen Dinge einfach der Versorgungsforschung aus den Haushaltsberatungen nicht erwähnt, und das ist nicht gut . auf? Das wären wichtige Schritte . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD – Dr .André Hahn [DIE Unterstützen möchte ich ausdrücklich die Forde- LINKE]: Das stimmt ja nicht! – Kathrin rungen nach Stärkung und Evaluation der Verbundfor- Vogler [DIE LINKE]: Sie könnten mir ja drei schung . Hierzu muss auch die Rolle der Deutschen Zen- Minuten Redezeit schenken!) tren der Gesundheitsforschung reflektiert werden. Deren Kooperationen, zum Beispiel mit Universitätsklinika, Worüber reden wir in diesem Antrag? Wir reden über verlaufen generell gut, aber nicht überall optimal . Die Innovation, und wir reden ganz konkret über Translation . Unikliniken haben zudem das Problem eines räumlichen Translation heißt nichts anderes als Übersetzung, so viel und apparativen Investitionsstaus . Verbesserungen bei wie die PS im Forschungsbereich auf die Straße zu brin- der Grundfinanzierung der Hochschulen und Lösungen gen . Das heißt, wir wollen Grundlagenforschung, klini- für den Hochschulbau und Universitätsklinikbau sind sche Forschung und ärztliche Anwendung besser mitei- somit auch wichtige Bedingungen für einen besseren nander verbinden . Das ist nichts Schlimmes . Wir haben Forschungstransfer zum Nutzen der Patientinnen und das Ziel, wissenschaftliche Ergebnisse schneller zum Patienten . Wohle der Patienten anwenden zu können, aber wech- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – selseitig auch Fragen und Erkenntnisse aus der ärztlichen Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Kai, du hast Praxis in die Wissenschaft zurückzugeben . das Kooperationsverbot vergessen!) Dass das schon immer ein wichtiger Grundsatz war, Patientenbeteiligung, Angebots- und Kostentranspa- sieht man daran, dass bereits 1654 der Naturwissen- renz sind hehre Ziele; sie sind aber in der Realität längst schaftler Otto von Guericke mit dem Magdeburger Halb- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14557

Tino Sorge (A) kugelversuch die Existenz des Vakuums nachgewiesen Forschungsförderung allein nicht ausreicht, Innovatio- (C) hat . nen schneller in den Markt zu bringen .

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das hat ja Dass Sie bei Ihrem Antrag über Vakuum spre- auch keiner gesagt!) chen, verstehe ich!) Was haben wir als Politik gemacht? Wir wollen sinnvolle Rahmenbedingungen schaffen . Der Etat des Er hat zwei Halbkugeln mit einer umgebauten Feuer- Bildungs- und Forschungsministeriums ist erneut um spritze so zusammengefügt, dass die Pferdegespanne, 1,1 Milliarden Euro gestiegen . Das ist ein Zuwachs um die von beiden Seiten an den Halbkugeln zogen, diese 18 Prozent im Vergleich zum Beginn der Legislatur und Halbkugeln nicht auseinanderziehen konnten . Damit hat um 65 Prozent gegenüber 2006 . er nachgewiesen, wie hoch der auf ihnen lastende Luft- druck war . Das heißt ganz konkret, wenn man das auf (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Was hat das mit dem Antrag zu tun?) Translation bezieht, dass Innovationen wie die Glühbirne oder das Elektronenmikroskop Eigenschaften des Vaku- Das sind Zahlen, die man nennen und durchaus positiv ums nutzen . würdigen sollte .

Deutschland ist auch heute noch das Land von For- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- schung und Innovationen . Das haben wir erst letztens neten der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ gesehen, als der Nobelpreis für Chemie an den Forscher DIE GRÜNEN]: Das hat aber nichts mit Ih- Stefan Hell ging . Er bekam ihn für seine Forschung und rem Antrag zu tun!) die Entwicklung der hochauflösenden Fluoreszenzmi­ Die Investitionen der öffentlichen Hand in Koopera- kroskopie. Das finde ich deshalb so bemerkenswert, weil tion mit der privatwirtschaftlichen Forschung sind ein noch 1873 der Wissenschaftler und Optiker Ernst Abbe Erfolgsbeispiel . Es geht um den Patientennutzen . Schau- sagte, dass Lichtmikroskope keine Objekte vergrößern en wir uns den Gesundheitsbereich einmal an: Es gibt können, die kleiner als 0,2 Mikrometer sind . Strukturen, technologische Innovationen wie mitwachsende Herz- die kleiner sind als die Wellenlänge von Licht, sichtbar klappen . Es gäbe viele andere Beispiele, die ich hier zu machen, ginge nicht, so hat man bisher immer gesagt . nennen könnte . Wir müssen damit aufhören, den Ge- Stefan Hell hat das Gegenteil nachgewiesen und die Ge- sundheitsbereich immer nur als Kostenblock zu sehen . setze der Optik ausgetrickst . Der Gesundheitsbereich ist einer der größten Wachs- tumsmotoren – mein Kollege Stephan Albani hat bereits (B) Wie ist die Situation bei uns? Wir haben eine hervor- darauf hingewiesen – mit einem Anteil von 13 Prozent (D) ragende Ausgangssituation; wir haben forschungsstarke am Bruttoinlandsprodukt . Es sind mehr Menschen im Firmen und eine exzellente universitäre Forschung . Die Bereich der Gesundheitswirtschaft beschäftigt als in der Zahl der Unternehmensgründungen ist bundesweit 2013 Automobilindustrie . gegenüber dem Vorjahr um rund 15 Prozent gestiegen . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deutschland belegt weltweit einen Spitzenplatz, wenn es um den Export von Gütern der Hochtechnologie geht . Das sind Punkte, die wir durchaus häufiger erwähnen Die Exportquote im Bereich der Medizintechnik liegt bei müssen . 65 Prozent . Das heißt aber nicht, dass wir nicht noch bes- Warum tun wir das alles? Wir tun das vor dem Hin- ser werden können; denn wer aufhört, besser zu werden, tergrund der demografischen Entwicklung und einer al- hört auf, gut zu sein . ternden Gesellschaft . Wir wissen, dass in Deutschland im Jahr 2050 jeder Dritte 65 Jahre oder älter sein wird . Die Es herrscht erheblicher Innovationsdruck . Die Innova- Zahl der Menschen, die an Volkskrankheiten wie Krebs, tionszyklen werden kürzer . Wenn man sich überlegt, dass Diabetes, Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sich zwischen 1800 und 1900 das Wissen verdoppelt hat leiden, steigt erheblich an . Gleichzeitig ist festzustellen, und heute die Verdoppelung des Wissens in vier Jahren dass aufgrund der Forschung beispielsweise im onkolo- geschieht, dann erkennt man, wie hoch der Innovations- gischen Bereich die Überlebensraten signifikant steigen. druck ist . Wir reden gerade in Zeiten der Digitalisierung Viele Erkrankungen, die bisher tödlich verliefen, sind zu und Globalisierung darüber, den Anschluss nicht zu ver- chronischen Erkrankungen geworden . Im immunonko- lieren . Wir diskutieren über disruptive Geschäftsmodel- logischen Bereich haben wir in den letzten Jahren Fort- le; wir reden darüber, dass sich unser Kommunikations- schritte erlebt, die bisher nicht denkbar waren . Deshalb verhalten durch das Smartphone in den letzten Jahren ist es so wichtig, dass wir Ergebnisse aus dem Bereich erheblich verändert hat . Andere Nationen drängen mit der Grundlagenforschung in innovative therapeutische Spitzentechnologien auf den Markt . Da heißt es für uns, Verfahren überführen und schneller in die Regelversor- mit ihnen Schritt halten zu können . gung aufnehmen .

Eine große Chance bietet – darauf haben wir in dem (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Antrag hingewiesen – der Gesundheitsbereich . Man kann natürlich, wie die Opposition es gerne macht, sagen, dass Das Beispiel der Deutschen Zentren der Gesundheits- alles schlimm ist und die Gesundheitswirtschaft nur ge- forschung mit ihrer Vernetzung ist angesprochen worden . winnorientiert ist . Man muss aber sagen, dass öffentliche Ich denke, wir müssen auch da viel besser werden . Es 14558 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Tino Sorge (A) sind gute Grundlagen gelegt . Aber es geht auch darum, Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf: (C) dass Wissenschaft und Wirtschaft an den Schnittstellen interdisziplinär besser vernetzt werden . Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr . Julia Verlinden, Christian Kühn (Tübingen), Da wir von Kosten und Kostendeckelung gesprochen Annalena Baerbock, weiteren Abgeordneten haben, will ich den Grundsatz bemühen: Am besten spart und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN man, indem man das Geld erst gar nicht ausgibt, sondern eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- vorhandene Quellen nutzt . Zu diesen Quellen gehören derung des Gesetzes zur Förderung Erneuer- auch die Datenquellen . Wir haben daher mit viel En- barer Energien im Wärmebereich (Erneuer- gagement den Aufbau von Registern vorangetrieben . Wir bare-Energien-Wärmegesetz – EEWärmeG) werden ihn weiter forcieren . Dies ist deshalb so wichtig, um valide Daten über die Ursache, Entstehung und Ver- Drucksache 18/6885 breitung von Volkskrankheiten zu bekommen . Deshalb Überweisungsvorschlag: ist es wichtig, dass wir die Nationale Kohorte, eine der Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) größten Gesundheitsstudien mit 200 000 Teilnehmern, Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher- vorantreiben . Deshalb ist es so wichtig, dass wir Krebs- heit register zentralisieren, um gute Daten zu bekommen . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) die Aussprache 38 Minuten vorgesehen .– Ich werte das Gemurmel an der Seite nicht als Widerspruch . Dann ist Deshalb ist es so wichtig, ein Diabetesregister zu bekom- so beschlossen . men . Zum Transplantationsregister liegt uns bereits ein Referentenentwurf aus den letzten Wochen vor . Ich bitte Sie, die notwendigen Umgruppierungen, Ver- abschiedungen und anderes zügig vorzunehmen .– Ich er- Ich will damit sagen: Wir brauchen keine Datenfried- öffne die Aussprache . Das Wort hat die Kollegin Dr .Julia höfe . Vielmehr müssen wir anonymisierte Routinedaten, Verlinden für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen . die sowieso erhoben werden und jetzt verfügbar sind, viel stärker nutzen . Wir müssen gerade im Sinne einer Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): besseren Versorgung Forschungseinrichtungen und auch Kassenärztliche Vereinigungen Daten, die ohnehin schon Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten den Krankenkassen vorliegen, nutzen lassen . Damen und Herren! Nach den mutmachenden Beschlüs- sen von Paris zum internationalen Klimaschutz kommt (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: es jetzt auf die Umsetzung in jedem einzelnen Land an . (B) Sagen Sie noch was zum Datenschutz? Daten- (D) schutz ist auch Innovation!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will das an einem konkreten Beispiel aus meinem Das heißt: Es geht um nichts weniger als darum, jetzt den Wahlkreis Magdeburg – - Planeten zu retten . (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vizepräsidentin Petra Pau: NEN]: Ja!) Das wird Ihnen nicht mehr gelingen, Kollege Sorge, Da hat die Bundesregierung großen Nachholbedarf; denn auch wenn der Koalitionspartner ein paar Sekunden üb- bisher hat sie die Energiewende im Wärmesektor und rig gelassen hat . Sie müssen einen Punkt setzen . beim Verkehr völlig verschlafen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Tino Sorge (CDU/CSU): sowie des Abg . Ralph Lenkert [DIE LINKE]) Gut, den werde ich jetzt machen, Frau Präsidentin . Ich wünsche Ihnen, den Kolleginnen und Kollegen und den Das zeigt sich zum Beispiel an den Absatzzahlen für Zuhörern auf der Tribüne schöne, besinnliche Weihnach- neue Heizungen . Laut dem Bundesverband der Hei- ten und uns allen ein paar ruhige Tage . Ich hoffe, wir se- zungsindustrie waren über 80 Prozent der im vergange- hen uns alle gesund im neuen Jahr wieder . nen Jahr verkauften Wärmeerzeuger Öl- oder Gasheizun- gen . Mehr als 80 Prozent! Ich frage Sie: Wie wollen wir Herzlichen Dank . eine Dekarbonisierung schaffen, wenn heute immer noch überwiegend Technik eingebaut wird, die die nächsten (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) 30 Jahre lang Öl und Gas verbrennt?

Vizepräsidentin Petra Pau: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es wird noch Gelegenheiten geben, dieses Thema zu Durch Heizung, Warmwasser und Industriewärme vertiefen . – Ich schließe die Aussprache . verursachen wir in Deutschland etwa ein Drittel der ge- samten CO2-Emissionen des Landes . Wenn die Regie- Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf rung ihre Zusagen für ambitionierten Klimaschutz in Pa- Drucksache 18/7044 an die in der Tagesordnung aufge- ris ernst nimmt, muss sie endlich etwas vorlegen für eine führten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit ein- klimaschonende Wärmepolitik . verstanden? – Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14559

Dr. Julia Verlinden (A) Damit meine ich nicht nur neue Strategiepapiere wie zu- Was wir jetzt brauchen, sind konkrete Gesetze mit kon- (C) letzt Ihre Energieeffizienzstrategie Gebäude. Darin ste- kreten Maßnahmen, und da geben wir Ihnen heute Start- hen sicherlich viele richtige Fakten . Nur: Das alles sind hilfe . keine neuen Erkenntnisse . Es gibt in der Wärmepolitik und beim Energiesparen auch gar keine Erkenntnispro- Während die Bundesregierung noch an ihrer Ge- bleme . Es gibt vielmehr ein Umsetzungsproblem . Daran bäudestrategie feilt, haben wir schon mal losgelegt und schuld ist diese Bundesregierung, liebe Kolleginnen und einen Entwurf für ein erweitertes Erneuerbare-Energi- Kollegen . en-Wärmegesetz ausgearbeitet . Wir stützen uns darin auf das entsprechende Gesetz aus Baden-Württemberg, im (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Übrigen das einzige Bundesland, in dem es bisher eine Weil die Regierung jetzt selbst erkannt hat, dass sie in Regelung für erneuerbare Energien für die Wärmeversor- der Wärmepolitik nicht vom Fleck kommt, versucht sie gung im Gebäudebestand gibt . Und es spricht viel dafür, es mit Rechentricks . Im Monitoringbericht zur Energie- so eine wichtige Sache jetzt bundeseinheitlich zu regeln . wende für das Jahr 2013 betrug der Anteil der erneuerba- ren Energien an der Wärmeversorgung wie schon in den (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jahren zuvor nur knapp 10 Prozent . Im jüngsten Monito- ringbericht ist der Anteil dann auf wundersame Weise auf Mit unserem grünen Gesetzentwurf werden also künf- 12 Prozent angestiegen, aber nicht etwa, weil tatsächlich tig automatisch erneuerbare Energien zum Einsatz kom- mehr erneuerbare Energien zur Wärmeerzeugung ein- men, sobald eine Heizung ausgetauscht wird . Die neue gesetzt worden wären . Das Gegenteil ist sogar der Fall . Anlage muss dann mindestens 15 Prozent erneuerbare Nein, die Regierung hat einfach die Berechnungsmetho- Wärme nutzen . So kommen wir endlich voran mit der de geändert, um besser dazustehen . In anderen Zusam- Energiewende und mit dem Klimaschutz, und wir kom- menhängen würde man da wohl von Bilanzfälschung men voran mit der Unabhängigkeit von teuren Öl- und sprechen . Gasimporten . Fast 100 Milliarden Euro gibt Deutschland jedes Jahr für Kohle-, Erdgas- und Erdölimporte aus . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Und wir Grüne machen bei der erneuerbaren Wärme al- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) lein nicht halt . Die grüne Bundestagsfraktion hat ein gan- Jetzt werden Sie vermutlich sagen: Ach, die in der zes Paket an Maßnahmen und Instrumenten geschnürt, Opposition, die haben ja gar keine Ahnung von Regie- wie wir uns eine zukunftsweisende, eine sozial gerechte rungsstatistik .– Dann schauen wir doch mal, was die von Wärmepolitik vorstellen . Wir wollen faire Wärme . Ihnen einbestellten Experten dazu sagen . Den Experten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (B) sind Ihre Rechentricks nämlich auch aufgefallen . Ich (D) zitiere aus der Stellungnahme der Wissenschaftler zum Monitoringbericht: Faire Wärme heißt für uns, dass energetische Sanie- rungen nicht länger für die Vertreibung von Mieterinnen Im Bereich der erneuerbaren Wärme lässt der Mo- und Mietern aus beliebten Innenstadtlagen missbraucht nitoring-Bericht der Bundesregierung große Da- werden . Für Haushalte mit kleinem Einkommen wol- tenunsicherheiten und wiederholte Umstellungen len wir warmmietenneutrale Sanierungen ermöglichen . der Berechnungsmethodik erkennen, ohne dass dies Dazu haben wir in der Haushaltsdebatte ja auch deutlich transparent erläutert würde . mehr Geld gefordert, zum Beispiel für die energetische (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Ach was!) Quartierssanierung . Faire Wärme heißt für uns auch, dass sich Bürgerinnen und Bürger und Genossenschaf- Und weiter heißt es bei den Experten: ten an Sanierungen beteiligen können, zum Beispiel an der energetischen Modernisierung von Schwimmbädern, Der Einsatz erneuerbarer Wärme war im Jahr 2014 Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden . So mobi- rückläufig. lisieren wir das notwendige Kapital und schaffen breite Das nenne ich eine schallende Ohrfeige für Ihre Art, sich Unterstützung für eine vorsorgende Wärmepolitik . den Stand der Energiewende im Wärmesektor schönzu- rechnen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Und faire Wärme heißt nicht zuletzt, dass wir mehr sowie bei Abgeordneten der LINKEN) erneuerbare Energien für die Wärmeversorgung nutzen; Sehen Sie der Tatsache doch ins Auge . Es geschieht denn Erdöl und Erdgas aus Krisenregionen haben wenig einfach nicht genug im Wärmesektor, und das, was pas- mit fairen Verhältnissen zu tun und genauso wenig mit siert, geschieht viel zu langsam . Mit dem Zeitlupentempo ernstgemeintem Klimaschutz, meine Damen und Herren . der Bundesregierung kommen wir im Klima- und Res- sourcenschutz einfach nicht voran, meine Damen und Wir Grüne zeigen, wie faire Wärme geht . Nehmen Herren . Mit Zahlentricks lässt sich die Klimakatastrophe Sie sich ein Beispiel daran, und legen Sie endlich los . aber nicht aufhalten . Wir brauchen echte Energieeinspa- Einen Baustein haben wir Ihnen heute mit dem Erneu- erbare-Energien-Wärmegesetz auf dem Silbertablett prä- rung, echte CO2-Einsparung und keine Einsparung nur auf dem Papier . sentiert . Und jetzt sind Sie dran . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 14560 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

(A) Vizepräsidentin : Die Bilanz des Erneuerbaren-Wärme-Gesetzes in (C) Vielen Dank .– Als nächste Rednerin hat Dr . Herlind Baden-Württemberg ist sehr durchwachsen . Hier haben Gundelach von der CDU/CSU-Fraktion das Wort . viele Hausbesitzer vor Inkrafttreten des Gesetzes schnell noch ihre Kessel getauscht, um die Pflicht zu umgehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Danach gab es dann einen starken Einbruch bei den Um- ordneten der SPD) sätzen mit Erneuerbaren für die Handwerker und für die Hersteller . (CDU/CSU): Dr. Herlind Gundelach (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! GRÜNEN]: Von wem haben Sie denn diese Wir haben in der Vergangenheit in der Tat sehr viel über Zahlen?) die Erzeugung von Energie debattiert und auch viel zu lange über die Bedeutung der Energieeffizienz, aber ihrer – Das können Sie nachlesen . Das hat übrigens sogar die Förderung zu wenig Aufmerksamkeit zukommen lassen . Regierung festgestellt . Vor allem die Wärme wurde in der Tat ein wenig stief- (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- mütterlich behandelt . Aber vor diesem Hintergrund wür- NEN]: Es gibt überhaupt keine vernünftige de mich eigentlich dann doch mal interessieren, ob Frau Datenlage! – [BÜNDNIS 90/ Verlinden auch definieren kann, was unfaire Wärme ist, DIE GRÜNEN]: Wenn Sie die Gaskesselher- wenn sie sagt, dass es faire Wärme gibt . steller fragen, dann ist ja klar, dass die das er- (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE zählen!) GRÜNEN]: Ja! Dann haben Sie nicht zuge- Seit der Einführung der Pflicht warten die Hausbe- hört!) sitzer meist darauf, bis ihre Heizung richtig kaputt ist, Aber weil das so ist, haben wir im Koalitionsvertrag bevor sie etwas tun . Das belegt im Übrigen auch der Mo- 2013 festgehalten, dass Energieeffizienz die zweite Säule dernisierungsindex, der zeigt, das Baden-Württemberg der Energiewende darstellt, und genau nach dieser Maß- seit Inkrafttreten des Gesetzes hinter den Bundestrend gabe handeln wir auch . zurückfällt . (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon sehe ich wenig!) GRÜNEN]: Nein! – Oliver Krischer [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind die Zahlen 2014 kam der NAPE mit Sofortmaßnahmen zur Stei- der Gasindustrie! Das ist doch klar!) gerung der Energieeffizienz und einer Vielzahl weiter- (B) führender Arbeitsprozesse . Für uns galt aber immer: Im Länderranking zum Ausbau der erneuerbaren (D) Nach dem NAPE ist vor dem NAPE . Wir arbeiten des- Energien belegt Baden-Württemberg den vierten Platz . halb konsequent an neuen Ideen und Impulsen für die Diese Zahlen haben wahrscheinlich auch dazu geführt, Energieeffizienz, natürlich auch für die Wärme. Daher dass in anderen Bundesländern trotz grüner Regierungs- wird allein das im Rahmen des Koalitionsgipfels im Juli beteiligung bislang keine vergleichbaren Regelungen ge- 2015 beschlossene Effizienzpaket bis zum Jahr 2020 troffen wurden. Denn: Pflichten funktionieren in diesem Haushaltsmittel in Höhe von insgesamt 5,8 Milliarden Fall gut nur im Neubau . Euro für mehr Energieeffizienz bereitstellen. Deswegen (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE verwundert es mich doch, dass die Grünen jetzt ein Ge- GRÜNEN]: Es funktioniert gut auf Bundes­ setz auf den Weg bringen wollen, das sich an einem Lan- ebene!) desgesetz orientiert, nämlich an dem Erneuerbare-Wär- me-Gesetz des Landes Baden-Württemberg, das sich in Entsprechend handelt auch der Bund . der Vergangenheit nicht unbedingt bewährt hat . Im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz des Bundes (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE zum Neubau werden auch private Eigentümer zur antei- GRÜNEN]: Was? – Oliver Krischer [BÜND- ligen Nutzung von erneuerbaren Energien verpflichtet. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso das?) (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE – Nein . Im vorliegenden Gesetzentwurf der Kolleginnen GRÜNEN]: Wie wollen Sie die Klimaziele und Kollegen von den Grünen ist, genauso wie damals in denn erreichen?) Baden-Württemberg, eine Pflicht zur anteiligen Nutzung Auf dem EEWärmeG fußt außerdem das Marktanreiz- von Erneuerbaren bei der Wärmeversorgung auch im pri- programm zur Förderung der erneuerbare Energien, mit vaten Gebäudebestand vorgesehen . dem wir den Ausbau erneuerbarer Wärme im Gebäude- (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE bestand fördern . Das Marktanzreizprogramm hat inso- GRÜNEN]: Ja, das ist wichtig, wenn wir die fern das gleiche Ziel, das Sie mit dem vorliegenden Ge- Klimaziele erreichen wollen!) setzentwurf verfolgen, aber es beschreitet einen anderen Weg zur Zielerreichung: – Genau . Die Grünen möchten folglich, dass Hauseigen- tümer, wie immer bei Ihnen, beim Tausch der Heizung (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE bestimmte Dinge nutzen müssen . GRÜNEN]: Es wird nicht reichen!) ( [CDU/CSU]: Bevormundet Es beruht nämlich auf Freiwilligkeit und nicht auf Be- werden!) vormundung . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14561

Dr. Herlind Gundelach (A) Die Grünen begründen ihre Idee zum Zwang auf na- gens gar nicht mit einer gesetzlichen Pflicht zum Einbau (C) tionaler Ebene – das haben Sie eben auch gemacht – vor kombinierbar; denn das, was Gesetz ist, dürfen Sie über allen Dingen mit der Behauptung, dass wir das im EE- das Haushaltsrecht nicht mehr fördern . Das kann ja wohl WärmeG formulierte Ziel, nämlich den Anteil der erneu- auch nicht in Ihrem Interesse sein . erbaren Energien am Wärme- und Kälteverbrauch bis 2020 auf 14 Prozent zu erhöhen, ohne eine Pflicht zum Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Ihr anteiligen Einbau nicht schaffen könnten . Aber das ist er- Vorschlag ist aus meiner Sicht deswegen ein alter Schuh, freulicherweise ja nur eine Behauptung . der noch nicht mal passt . (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber glauben Sie, die 14 Prozent GRÜNEN]: Sie haben gar keine Idee!) reichen als Ziel?) – Doch .– Was wir brauchen, sind kreative und innova- Denn die Praxis widerlegt Ihre Annahme . tive Ideen und Konzepte . Wir brauchen Gesetze, Verord- nungen, Programme und Impulse, die genau aufeinander Die Kombination aus gesetzlicher Nutzungspflicht abgestimmt sind; beim Neubau und dem Marktanreizprogramm für die Förderung und den Ausbau im Gebäudebestand hat (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sich nämlich bewährt . So zeigt der Zweite Erfahrungs- NEN]: Ja! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ bericht zum EEWärmeG, der am 18 . November dieses DIE GRÜNEN]: Und Sie machen gar nichts!) Jahres vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, dass denn sonst behindern sich nicht nur die Maßnahmen der Anteil der Erneuerbaren in der Wärme- und Kälte- gegenseitig, sondern dann behindern wir auch die Men- versorgung von 8,5 Prozent im Jahre 2008, also vor dem schen, die sie umsetzen wollen . Inkrafttreten des EEWärmeG, auf inzwischen 12 Prozent in 2014 gestiegen ist . Da wir schon fast Weihnachten haben und diese De- (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- batte die letzte vor dem Fest ist, sage ich auch noch ein NEN]: Ich habe Ihnen doch gerade erklärt, wa- paar versöhnende Worte: Als jemand, der seit 1987 Um- rum das die falsche Berechnung ist! – Oliver weltpolitik macht und schon bei der Vor- und Nachberei- Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da tung der Konferenz von Rio dabei war, finde ich Ihr En- schummeln Sie! Fragen Sie doch einmal Ihre gagement für den Klimaschutz ja grundsätzlich positiv; eigene Expertenkommission! Die sagt Ihnen, (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dass da geschummelt wird!) NEN]: Das ist aber schön!) (B) – Nein, wir schummeln überhaupt nicht, sondern das ist aber müssen Sie denn immer gleich die Gesetzeskeule (D) eine saubere Berechnung, die Sie nachvollziehen können . schwingen (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Es ist doch klar, dass da geschummelt NEN]: Ich denke, es kommen versöhnliche wird!) Worte!) – Nein, ich könnte genauso gut behaupten, Sie schum- und auf Gebote und Verbote setzen? – Die versöhnlichen meln bei Ihrer Interpretation . Wir können die Zahlen bei Worte kommen im zweiten Teil . – Gelegenheit gerne miteinander vergleichen . Die Prognose des Erfahrungsberichts geht auf Grund- (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – lage der vorhandenen Zahlen übrigens auch davon aus, Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dass der Anteil bis 2020 voraussichtlich auf 16,3 Prozent NEN]: Ach so!) ansteigen wird . Damit werden wir unser Ziel, 14 Prozent Darauf reagieren Menschen nämlich in der Regel aller- in 2020, auch mühelos erreichen, ja wir werden es sogar gisch . Dann suchen sie nach Wegen, wie sie diese Ver- übertreffen . bote umgehen können; denn die Menschen wollen in (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- der Regel nicht gegängelt werden . Wenn Sie mir das neten der SPD – Dr .Julia Verlinden [BÜND- nicht glauben, dann schauen Sie doch einfach einmal in NIS 90/DIE GRÜNEN]: Und dann ist alles die einschlägige psychologische Literatur oder in weih- gut, oder was?) nachtlicher Muße – das ist zugegebenermaßen sehr an- strengend – in die Werke des großen Kirchenlehrers und Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Philosophen Thomas von Aquin . eine ordnungsrechtliche Nutzungspflicht für erneuerba- re Energien senkt in der Regel die Akzeptanz und die Ich appelliere an Sie: Lassen Sie uns gemeinsam da- Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, überhaupt ran arbeiten, dass die Menschen aufgrund von Einsicht Maßnahmen zur Heizungsmodernisierung zu ergreifen . und eigener Erkenntnis im Interesse des Klimaschutzes Deshalb setzt die am 18 . November von der Bundesre- handeln . gierung verabschiedete Energieeffizienzstrategie Gebäu- (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE de auch weiterhin ausdrücklich auf Freiwilligkeit und GRÜNEN]: Ja! Da sind wir dabei!) eben auf das Marktanreizprogramm, das in diesem Jahr übrigens ganz hervorragend angenommen wurde . Dieses Lassen Sie uns das neue Jahr in diesem Sinne mit ge- Programm wäre aus haushaltsrechtlichen Gründen übri- meinsamem Schwung und energieeffizient nutzen. Ich 14562 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Dr. Herlind Gundelach (A) freue mich auf viele fruchtbare Diskussionen mit Ihnen Es ist richtig, den Hauseigentümern größtmögliche (C) in den kommenden Monaten . Flexibilität bei der Umsetzung zuzugestehen . Die Mög- lichkeit der Wahl zwischen Heizungsmodernisierung, Ihnen und Ihren Familien wünsche ich ein schönes Dämmung und Sanierungsfahrplan im Gesetzentwurf der und friedfertiges Weihnachtsfest und alles Gute für das Grünen begrüßen wir . kommende Jahr . (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie Herzlichen Dank . des Abg . Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) GRÜNEN]) Das Landesgesetz in Baden-Württemberg zeigt erste Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Erfolge . Dass die Anzahl kleiner stromproduzierender Vielen Dank .– Als nächster Redner spricht Ralph Heizanlagen, KWK genannt, wächst, ist so ein Erfolg . Lenkert für die Fraktion Die Linke . (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Allerdings braucht es noch viel mehr Ansätze . Eine dif- ferenzierte Energiebedarfsanalyse des Gebäudebestands Ralph Lenkert (DIE LINKE): fehlt noch immer . Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen prüfen wir, ob die Fixierung in der Energieeinsparver- und Kollegen! In der gestrigen Aktuellen Stunde zum ordnung, EnEV, auf den Dämmzustand der Außenwände Klimagipfel wurde fraktionsübergreifend gewürdigt, noch der richtige Ansatz ist . Entscheidend ist doch nicht, dass es in Paris vorwärtsging . Frau Gundelach, man kann wie viel Wärme theoretisch durch die Außenwände ent- sich ja darüber streiten, ob die Schuhe der Grünen neu weicht, sondern wie viel Heizenergie man entsprechend oder alt sind, aber wenigstens haben sie Schuhe, ziehen der Nutzung braucht bzw . einsparen könnte . Heute ist die sie an und wollen loslaufen, was man von Ihnen nicht Messtechnik weiter entwickelt als zur Geburtsstunde der sagen kann . EnEV . Stellen wir also gemeinsam die Analyse auf die (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- richtige Basis: Gebäude müssen nach Heizbedarf je Qua- NIS 90/DIE GRÜNEN) dratmeter Nutzfläche bewertet werden. Bei Strom aus erneuerbaren Energien, bei Energie- Im Vorschlag der Grünen fehlt auch die Verknüpfung speichern, im Verkehrssektor, bei der Energieeffizienz – von Wärme- und Strommarkt . Gebäude sind nicht nur überall stehen Sie auf der Bremse, und ganz besonders Stromproduzenten über Solardächer und KWK-Anlagen . (B) bei der Wärmewende . 95 Prozent der deutschen Wohn- Gebäude könnten auch hervorragend als Wärmeenergie- (D) gebäude werden immer noch überwiegend mit fossilen speicher genutzt werden, damit überschüssiger Wind- Energieträgern beheizt . Nur etwa 4,5 Millionen Haus- oder Solarstrom zwischengespeichert und genutzt wird . halte in Deutschland decken einen Teil ihres Bedarfs Noch ein Wort zu strukturschwachen Regionen . Dort aus erneuerbaren Quellen. Das ist definitiv zu wenig. So sind viele Hausbesitzer mit Sanierungen schlicht über- kann Deutschland seinen Teil im Kampf gegen die Erd- fordert . Oft ist auch unsicher, ob diese Gebäude zukünf- erwärmung nicht leisten . tig genutzt werden können . Was machen Sie denn mit der (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- alten Dame, die nur eine geringe Rente bekommt und al- NIS 90/DIE GRÜNEN) lein im eigenen Haus wohnt? Da braucht es praktikable Lösungen, um soziale Härten abzufedern: Die Grünen legen jetzt einen Gesetzentwurf vor und fordern, dass Hauseigentümer künftig 15 Prozent der ge- (Beifall bei der LINKEN) nutzten Wärmeenergie aus regenerativen Quellen decken Sanierungspflicht bei selbstgenutzten Häusern in solchen müssen oder weniger Energie verbrauchen müssen . Der Fällen erst nach Eigentümerwechsel, Abwrackprämien Gesetzentwurf geht in die richtige Richtung . Auch die für Altheizungen und vor allem Förderungen, die warm- Linke kritisiert, dass die Bundesregierung bei der Sanie- mietenneutrale energetische Sanierungen ermöglichen . rung des Gebäudebestandes ihre Gesetzgebungskompe- Mieterinnen und Mieter verdienen den gleichen Schutz tenz ignoriert, vor allem, dass nur auf mieterfeindliche, wie das Klima . Damit soziale Verantwortung und Klima- überteuerte energetische Modernisierungsmaßnahmen schutz möglich werden, fordert die Linke jährlich 5 Mil- gesetzt wird . Es braucht gesetzliche Vorgaben, die Ver- liarden Euro für energetische Sanierungen . mieter und Hausbesitzer zu Energieeinsparmaßnahmen bringen, ohne dass diese zu einer ungerechtfertigten Er- Da es kurz vor Weihnachten ist, liebe Kolleginnen und höhung der Mieten führen . Kollegen von der Union: Sie alle träumen von weißen Weihnachten . Wenn Sie, wie bisher, beim Klimaschutz (Beifall bei der LINKEN) auf der Bremse stehen, werden weiße Weihnachten in Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes bietet die Mög- Deutschland in Zukunft nur noch ein Traum sein . Das lichkeit für diese Forderung . Ich zitiere: können wir gemeinsam verhindern . Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Vielen Dank . dem Wohle der Allgemeinheit dienen . (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Das heißt, Sie könnten, wenn Sie wollten . NIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14563

(A) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: nicht umgesetzt werden, hat das fatale, verheerende Aus- (C) Vielen Dank .– Als nächste Rednerin spricht Dr .Nina wirkungen auf das Verhalten der Leute, die ihre Kessel Scheer für die SPD-Fraktion . austauschen bzw . Modernisierungsmaßnahmen durch- führen wollten, dann aber auf eine Sache gewartet ha- (Beifall bei der SPD) ben . In dieser Zeit hätten sie allerdings, wenn sie nicht gewartet hätten, schon viele gute Maßnahmen ergreifen Dr. Nina Scheer (SPD): können . Sehr geehrte Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen Insofern möchte ich festhalten: Es ist ganz wichtig, und Kollegen! Es ist ja schon vieles über den Zustand des dass wir den Umstieg auf die erneuerbaren Energien stär- Wärmebereichs und über die Ausbauzahlen gesagt wor- ker in den Fokus rücken. Ich finde, diese gute Anstoß- den . Natürlich muss man konstatieren, dass es nicht gut wirkung kann man dem Gesetzentwurf, der jetzt vorliegt, ist, wenn der Ausbau erneuerbarer Energien im Wärme- entnehmen; das ist anzuerkennen . Man sollte dabei nicht bereich und die Investitionen in den Ausbau erneuerbarer zu stark auf den Effizienzaspekt setzen, weil dann die Energien rückläufig sind. Die Zahlen sprechen leider die- von mir geschilderten Effekte eintreten könnten . se Sprache; das muss man einfach konstatieren . Zu den Berechnungsmethoden nur ganz kurz: Wir (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE können die Zahlen ja noch einmal vergleichen . Das ist GRÜNEN]: Ja, schade!) aber ein Stück weit müßig . Erläuternd muss man an die- Insofern ist es wichtig, dass wir uns damit auseinander- ser Stelle sagen: Ja, es ist, auch aufgrund einer Vorga- setzen . be der EU, nun dazu gekommen, dass man die ganzen Strombereiche aus der Berechnung herausnimmt, inso- Ich finde aber, es ist schade, wenn dann ein Modell in fern den reinen Wärmebereich als Berechnungsgrundla- den Mittelpunkt gerückt wird, an das sich mehr Fragezei- ge nimmt . Daher hat es bei den Zahlen eine Verschiebung chen als Lösungswege anschließen . Insofern möchte ich gegeben. Aber ich finde es etwas müßig, jetzt so sehr auf einige Punkte in Erinnerung rufen . die Zahlen abzustellen Zunächst zu den Rahmenbedingungen, mit denen wir (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE zurzeit zu tun haben . Wir haben einen extrem niedrigen GRÜNEN]: Wir müssen das Ziel erhöhen!) Ölpreis . Es ist natürlich klar, dass Anreizprogramme, die aufgelegt werden und die für sich genommen richtiger- und die Frage zu stellen: „Sind die Ziele erreicht oder weise auch auf erneuerbare Energien zielen, in puncto nicht?“, weil es jenseits dieser Ziele aufgrund der gerade Effizienz – es soll ja auch Effizienz angereizt werden – von mir genannten Aspekte wichtig ist, dass wir schauen, wie wir es schaffen, die erneuerbaren Energien auszu- (B) vor dem Hintergrund eines niedrigen Ölpreises mögli- (D) cherweise eine ganz andere Wirkung entfalten, als sie es bauen . bei einem hohen Ölpreis täten . Jetzt noch zu der Frage: Soll man wirklich das Modell Natürlich erklärt sich vor diesem Hintergrund auch, aus Baden-Württemberg übernehmen? Frau Gundelach dass mit dem Effizienzanreiz, der gesetzt ist und der, wie hat richtigerweise angemerkt, dass auch dort am Anfang gesagt, natürlich auch erneuerbare Energien anreizen ein Effekt zu verzeichnen war, der erst einmal bedeutet würde, auf einmal Öl und niedrige Gasbrennwertkessel hat: Es geht in die falsche Richtung . – Das hat sich in- gefördert und angereizt werden . Das ist eine Entwick- zwischen etwas nivelliert . Aber auch von heute aus ge- lung, die man natürlich beobachten muss und die man sehen – fünf oder sechs Jahre nachdem das Gesetz in nicht gutheißen kann . Auch da, meine ich, müssen wir Baden-Württemberg in Kraft getreten ist – können wir selbstkritisch sagen: Vielleicht sollte man an dieser Stelle feststellen, dass es kein richtig durchschlagendes Instru- nachsteuern und feststellen: Diese Anreize, die an sich ment ist; das muss man einfach zur Kenntnis nehmen . in Richtung Energieeffizienz und Förderung der erneu- Vor diesem Hintergrund frage ich mich: Was bedeutet erbaren Energien weisen sollten, haben leider ungünstige es, wenn man dieses Instrument additiv in den Maßnah- Mitnahmeeffekte . Darauf muss die Politik reagieren . menkatalog, den wir schon haben, aufnimmt? Das hät- te zur Folge, dass man beim MAP Umstrukturierungen Ein weiterer Punkt ist der milde Winter . Wir haben ein vornehmen müsste . In einem Bereich, in dem man etwas etwas verzerrtes Bild davon, welcher Anteil beim Ausbau auf den Weg gebracht hat und in dem man gerade dabei der erneuerbaren Energien tatsächlich erreicht wurde, al- ist, den Menschen zu erklären, welche Möglichkeiten sie lein schon deshalb – in positiv unterstrichenem Sinne –, haben, müsste man also sagen: Nein, Kommando zurück! weil wir in den letzten Jahren insgesamt einen geringeren Wir ändern das . Die Förderung wird jetzt zu einer Nut- Heizbedarf hatten . Wir müssen natürlich darauf vorberei- zungspflicht umdeklariert. – Das halte ich im Hinblick tet sein, dass dies, wenn möglicherweise punktuell wie- auf die politische Kommunikation für ungünstig . der härtere Winter kommen, ein anderes Bild hervorruft . (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Zu guter Letzt – dieser Aspekt ist in den letzten Dis- NEN]: Die Bundesregierung fördert jetzt sogar kussionen, die wir über diesen Themenkomplex geführt fossile Gasheizungen! – Dr . Julia Verlinden haben, schon vielfach erwähnt worden – ist auch der [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fördern und Investitionsattentismus aufgrund des doch nicht gekom- Fordern!) menen steuerlichen Anreizes zu nennen . Wir können na- türlich nicht immer nur über Modelle reden; denn dann Man kann, wenn man Maßnahmen verändert und wenn warten die Leute auf solche Modelle . Wenn sie dann sich die politischen Rahmenbedingungen verändern, 14564 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Dr. Nina Scheer (A) nicht so tun, als befinde man sich im luftleeren Raum. Sie führten in einem Interview aus: (C) Man muss schon dafür sorgen, dass die Maßnahmen, die auf den Weg gebracht wurden, auch greifen . Wenn sie Wir haben die Regelungen aus Baden-Württemberg nicht zielführend sind, muss man genau dort ansetzen, fast durchgängig übernommen . wo deutlich wird, dass sie nicht zielführend sind, und darf (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nicht immer gleich das Kind mit dem Bade ausschütten NEN]: Ja, weil die sich da bewährt haben! – und komplett neue Maßnahmen ins Leben rufen . Das hal- Max Straubinger [CDU/CSU]: Jawohl, so ist te ich mit Blick auf die Verunsicherung der Bevölkerung, es!) die Unklarheit ob der Fülle der Maßnahmen, die zur Ver- fügung stehen, und die Rahmenbedingungen nicht für Ich rate Ihnen: Schreiben Sie doch wenigstens von den zielführend . Klassenbesten ab und nicht von Klassenschlechtesten . (Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer NEN]: Also, in Baden-Württemberg ist [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was kommt niemand verunsichert! – Oliver Krischer denn jetzt? – Dr . Julia Verlinden [BÜND- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Union NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer sind denn Ihrer ist verunsichert!) Meinung nach die Klassenbesten?) – Insgesamt ist ja die Rede davon, das jetzt auf die Bun- – Darauf komme ich noch . desebene zu übertragen; davon habe ich gesprochen . Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass wir alle – jetzt Der Gesetzentwurf hat eine Pflicht zur anteiligen Nut- spreche ich über meine persönliche Einschätzung – uns zung von erneuerbaren Energien für die Wärmeversor- auch fragen müssen: Was bedeutet die nach wie vor mas- gung auch im privaten Gebäudebestand zum Inhalt . Der sive Verstromung und die anderweitige Nutzung fossiler Pflichtanteil der erneuerbaren Energien bei der Wärme Energien? Ich persönlich bin der Meinung, dass wir auf soll auf 15 Prozent steigen . Es soll außerdem eine Aus- lange Sicht, gerade angesichts des niedrigen Ölpreises, dehnung der Verpflichtungen auf den privaten Bereich wahrscheinlich nicht umhinkommen, auch die Schäd- und auf Nichtwohngebäude geben, genauso wie eben in lichkeit dieser Emissionen zu bewerten; das ist meine Baden-Württemberg . Ich muss schon einmal sagen: Ver- ganz persönliche Sicht auf die Dinge . Möglicherweise suchen Sie erst einmal, Ihre rot-grünen Länderkollegen muss man irgendwann auch über eine Schadstoffsteuer zu überzeugen, bevor Sie beim Bund anfangen . nachdenken; das ist, wie gesagt, meine persönliche Ein- (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schätzung . Das wäre eine Maßnahme, die additiv ergrif- NEN]: Was nützt es denn der Branche, wenn (B) fen werden könnte und die den „richtigen“ Maßnahmen, wir 16 Landesgesetze haben? Wem nützt das (D) die schon aufgesetzt wurden, nicht widerspricht . Insofern denn?) haben wir, glaube ich, noch eine Menge Diskussionen vor uns . In diesem Sinne: Auf eine konstruktive Zusam- Kein anderes Bundesland hat bisher dieses Gesetz über- menarbeit! nommen . Aber der Bund soll es machen . Vielen Dank . (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten GRÜNEN]: Ja, weil Einheitlichkeit für die der CDU/CSU) Branche besser ist!) Das entbehrt einer gewissen Logik . Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank .– Als nächster Redner hat Dr .Andreas Schaut man sich das Gesetz an, dann gibt es gute Lenz für die CDU/CSU-Fraktion das Wort . Gründe – wir haben es vorhin schon gehört –, warum sich niemand diesem Gesetz anschließt . Die Ausdeh- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- nung der Nutzungspflicht für erneuerbare Energien auf ordneten der SPD) den privaten Gebäudebestand ist weder notwendig noch sachgerecht . In der Praxis kann ein solches Gesetz zu At- Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): tentismus führen, dadurch, dass die Heizungen noch spä- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ter repariert werden oder noch länger repariert werden, Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht um bevor sie letztlich ausgewechselt werden . Der Umwelt einen Gesetzentwurf der Grünen zur Änderung des Er- wäre hiermit ein Bärendienst erwiesen . Die Leute lassen neuerbare-Energien-Wärmegesetzes . Bisher hatten wir sich nicht gerne etwas vorschreiben . es immer mit Anträgen von Ihnen, Frau Verlinden, zu (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE tun . Jetzt liegt gleich ein ganzer Gesetzentwurf vor . GRÜNEN]: VW lässt sich auch nicht gerne (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE etwas vorschreiben!) GRÜNEN]: Yeah!) Verpflichtungen und Zwang erreichen häufig weniger als „Respekt!“, dachte ich mir zuerst . Aber ein zweiter Blick kluge Anreize . Diese richtigen klugen Ansätze werden machte mir klar: Es handelt sich um nicht mehr als eine Gesetz . Im privaten Gebäudebestand wird der Ausbau Kopie des Gesetzes aus Baden-Württemberg; Sie sagten erneuerbarer Wärme durch das Marktanreizprogramm das ja vorhin selbst . unterstützt . Im aktuellen Erneuerbare-Energien-Wärme- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14565

Dr. Andreas Lenz (A) gesetz ist diese Förderung als zentrales Instrument aus- werbsfähig machen, und nicht, dass wir Öl und Gas teu- (C) drücklich verankert . rer machen . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Steuern sind auch Anreize . Ich möchte bei dieser Ge- legenheit auf einen Punkt hinweisen, der die Attraktivität Gerade die Kombination aus Erneuerbaren-Energi- von erneuerbaren Energien im Wärmebereich unnötig en-Wärmegesetz mit der gesetzlichen Nutzungspflicht behindert . 72 Prozent der erneuerbaren Wärme wurden für den Neubau und dem Marktanreizprogramm für den 2014 durch Holz erzeugt . Dies zeigt auch, dass für die Bestand hat sich als wirksam erwiesen . Der am 18 .No - Wärmewende gerade die Biomasse unersetzlich ist . In vember von der Bundesregierung verabschiedete Zweite Deutschland werden Scheite, Briketts und Pellets bei der Erfahrungsbericht zeigt, dass die Instrumente des Geset- Umsatzsteuer mit dem begünstigten Satz von 7 Prozent zes wirken . Der Anteil hat sich auf 12,2 Prozent erhöht . belegt . Das ist auch gut so . Holzhackschnitzel dagegen Man kann immer sagen: Das ist zu wenig . Man kann werden mit dem normalen Steuersatz von 19 Prozent auch immer die Berechnungsgrundlage kritisieren, belegt, außer sie bestehen überwiegend aus Nadeln und (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Rinden und sind so optisch eindeutig als Abfall zu er- NEN]: Das ist geschummelt!) kennen . Das ist nicht nachvollziehbar . Hier sollten wir ansetzen . nichtsdestotrotz haben wir einen Anstieg zu verzeichnen . (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir warten auf den Gesetzentwurf!) NEN]: Nein! Er geht sogar zurück! – Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine weitere wichtige Komponente der Wärmewende Nein, das haben sogar die Experten gesagt!) ist die Geothermie für Fernwärme . Schon heute produ- zieren viele Versorger ihre Fernwärme umweltschonend Wenn es in diesem Bereich in diese Richtung weiter- mittels Kraft-Wärme-Kopplung . Hier haben wir einiges geht, dann rechnet die Bundesregierung bis 2020 voraus- erreicht . Die Umweltbilanz der Fernwärme ist schon jetzt sichtlich mit einem Anteil von 16,3 Prozent der erneuer- positiv . Geothermiebasierte Fernwärme ist erneuerbar baren Wärme . und zu 100 Prozent CO2-frei . Die Stadtwerke München (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE beispielsweise wollen bis zum Jahr 2040 die erste Groß- GRÜNEN]: Reicht nicht, um die Welt zu ret- stadt rein durch erneuerbare Wärme versorgen . Die große ten!) Kreisstadt Erding spart beispielsweise jährlich 9 Millio- nen Liter Heizöl durch geothermiebasierte Fernwärme . Das ist sogar noch höher als der Zielwert von 14 Prozent . Dies sind sinnvolle und innovative Ansätze, die es gilt (B) Jetzt können wir trefflich diskutieren, ob es reicht, aber zu fördern . (D) auf jeden Fall ist zu konstatieren, dass das von Ihnen vor- geschlagene Gesetz der falsche Weg für ein solches Ziel Letztlich brauchen wir also ein Gesamtkonzept aus wäre . Energieberatung, gebäudeindividuellen Sanierungsfahr- plänen und gesetzlichen Bestandteilen . Genau das wird (Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Julia erstellt . Genau das ist auch richtig . Ihr Gesetzentwurf Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: setzt einseitig auf Zwang Wir haben wenigstens Vorschläge! Von Ihnen kommt ja nichts!) (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo steht das denn?) Schauen Sie einmal auf Bayern statt auf Baden-Württem- berg . anstatt auf Anreize und kann deshalb leider nicht befür- (Max Straubinger [CDU/CSU]: Können Sie wortet werden . abschreiben!) Sprechen wir aber gerne auch mehr über die Wärme- Hier liegt der Anteil der erneuerbaren Energien im Wär- wende mebereich 2014 bei 19,6 Prozent, ganz ohne Gesetz . (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo bleibt sie denn?) GRÜNEN]: Warum gelingt das nicht auf Bun- als fundamentalen Bestandteil der Energiewende . Sie desebene? – Max Straubinger [CDU/CSU]: muss stärker ins Blickfeld genommen werden . Wir müs- Bayerische Effektivität!) sen aber natürlich auch die Effizienzseite anschauen, Letztlich sind auch die Kosten für die Attraktivität ei- beispielsweise bei der steuerlichen Förderung der ener- nes Heizsystems entscheidend . getischen Gebäudesanierung . Da haben auch Sie lange Zeit blockiert . (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Biogas und EEG, das haben Sie auch (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ kaputtgemacht!) DIE GRÜNEN]: Nein, Bayern hat blockiert! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Das billige Öl und Gas tragen dazu bei, dass Erneuerbare NEN]: Bayern! Seehofer!) preislich unattraktiver werden . Das ist übrigens ein Fakt, den Sie niemals für möglich gehalten haben . Deshalb – Nein, nein, jetzt machen wir da mal keine Geschichts- müssen wir schauen, dass wir die Erneuerbaren wettbe- fälschung . Es war immer so, und es ist nach wie vor so, 14566 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

Dr. Andreas Lenz (A) dass Bayern auch einer steuerlichen Förderung gegen- Dass Sie von den Grünen jetzt sagen, dass wir die Be- (C) über offen ist . standsgebäude in die Überlegung einbeziehen müssen, ist von daher richtig . (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Anfang des Jahres hat Seehofer (Beifall des Abg . Christian Kühn [Tübingen] mit Koalitionsbruch gedroht!) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich komme zum Schluss . Vielleicht sollten wir gera- Die Bundesregierung tut das ja auch im Nationalen Akti- de an Weihnachten ein bisschen an diejenigen denken, onsplan Energieeffizienz und in den zahlreichen Förder- die es an Weihnachten überhaupt nicht warm haben . Ich programmen . Auch das ist hier schon deutlich geworden . wünsche allen in diesem Sinne ein schönes Weihnachts- Wenn man sieht, dass man 20 Millionen Bestandsgebäu- fest im Warmen, am besten natürlich unter dem Christ- de in Deutschland hat, ist es auch richtig, dass man nicht baum mit erneuerbarer Wärme aus Bienenwachs . nur über Neubau diskutiert, sondern auch über die Be- standsgebäude . In diesem Sinne herzlichen Dank und schöne Weih- nachten . (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sehr gut!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Sie schlagen jetzt vor, dass man das Erneuerbare-Energi- en-Wärmegesetz auf die Bestandsgebäude überträgt . Die Diagnose ist ungefähr richtig, aber die Therapie ist leider Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: falsch . Ganz herzlichen Dank .– Als letzter Redner in der De- batte hat Klaus Mindrup für die SPD-Fraktion das Wort . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜND- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten NIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, schade!) der CDU/CSU) – Ja, hören Sie sich das einmal an . – Der entscheidende Fehler, den Sie machen, ist: Sie setzen wieder beim Ein- Klaus Mindrup (SPD): zelgebäude an . Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle haben uns vor wenigen Tagen über (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE das Ergebnis des Klimagipfels in Paris gefreut . Aber wir GRÜNEN]: Das stimmt nicht!) alle wissen auch, dass die praktische Arbeit erst jetzt be- Ich bin aber fest davon überzeugt, dass die erfolgreiche (B) ginnt . Sanierung immer im Quartier erfolgen muss . (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr .Julia sowie bei Abgeordneten der SPD) Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! – Danke für den Applaus von den Grünen . Das sagt der Gesetzentwurf auch!) Es gibt dazu unter anderem den Bericht der Töpfer-Kom- (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- mission beim Deutschen Verband für Wohnungswesen, NEN]: Die Große Koalition klatscht nicht! – Städtebau und Raumordnung . Es gibt aber auch andere Gegenruf der Abg . [SPD]: wissenschaftliche Untersuchungen dazu . Wir wissen das schon!) Fünf Dinge sind entscheidend: – Ihr wart zu schnell .– Wir wissen auch, dass die Minde- rungspläne, die die Staaten eingereicht haben, überhaupt Sie brauchen ein klares Energiekonzept, wenn Sie so nicht ausreichen werden, um das 2-Grad-Ziel zu errei- etwas in den Quartieren umsetzen wollen . Das muss in chen . Wir wissen also, dass man sich überall in der Welt ein Stadtentwicklungskonzept eingebunden sein, und die anstrengen muss . In Deutschland wollen wir ja Vorreiter Akteure vor Ort müssen das umsetzen, seien es Stadt- sein . Wir wissen, dass wir uns sehr anstrengen müssen, werke, Energiegenossenschaften oder auch Wohnungs- um das Ziel von 40 Prozent CO2-Minimierung bis 2020 baugesellschaften; Vivawest, habe ich eben gehört, ist da zu erreichen und erst recht das 95-Prozent-Ziel bis 2050 . sehr vorbildlich . Wenn wir die Begrenzung des Anstiegs der Erderwärm- ung auf 1,5 Grad anstreben – das wollen wir –, dann müs- Sie brauchen Sachverständige vor Ort, die eine gute sen für uns in Deutschland 95 Prozent das Ziel sein . und unabhängige Beratung durchführen; der sogenannte Kümmerer-Ansatz . Wir in Deutschland sind ja sehr erfolgreich beim Aus- bau der Erneuerbaren im Strombereich . Da liegen wir bei Man braucht Zeit dafür . Das geht nicht in zwei bis drei über 33 Prozent . Ich denke, die Erfolgsgeschichte da- Jahren . hinter ist, dass es bei den Bürgerinnen und Bürgern eine (Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- hohe Akzeptanz für dieses Vorgehen und auch eine breite NEN]: Wir wissen das schon seit 20 Jahren! – Bürgerbeteiligung gibt . In der Gesamtbilanz liegen wir Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- deutlich schlechter . Da dürften wir bei ungefähr 14 Pro- NEN]: Ja! Und wo bleibt jetzt die Politik?) zent liegen, wahrscheinlich auch, weil die Akzeptanz in den anderen Sektoren nicht so hoch ist . Die Zielrichtung muss zehn Jahre sein . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14567

Klaus Mindrup (A) Sie brauchen Anreize, Förderung und natürlich auch Strom und auch den ökologischen Rucksack des Gebäu- (C) immaterielle Anreize, sprich: Der Nachbar macht es, und des betrachten . Dann kommen wir weiter . man zieht dann nach . (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Sie brauchen auch soziale Akzeptanz sowohl bei Mie- CDU/CSU – Dr .Julia Verlinden [BÜND- terinnen und Mietern als auch bei Hauseigentümern, die NIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wo sind jetzt die zum Teil natürlich auch nicht immer viel Geld haben . Maßnahmen?) Lassen Sie uns doch einmal anschauen, was bei dem Der letzte Punkt ist: Ich möchte nicht 15 Prozent er- vorbildlichsten Projekt in Deutschland – das ist die Inno- neuerbare Energien, wie die Grünen, sondern ich möchte vationCity Ruhr, Modellstadt Bottrop – in der Umsetzung 100 Prozent erneuerbare Energien . passiert . Dort gibt es im Augenblick eine Sanierungsrate (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr .Julia von durchschnittlich 3 Prozent im Jahr . Das ist dreimal Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: so hoch wie der Durchschnitt in Deutschland . Sie werden Ja, das wollen wir auch! – Oliver Krischer bis 2020 38 Prozent CO2 einsparen . Die Basis ist hier [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!) nicht 1990, sondern das Jahr 2010 . Das ist enorm gut . Das ist sozusagen der richtige Ansatz . Hier liegen die großen Chancen im Bereich der Photo- voltaik . Es ist zu überlegen, wie man die Photovoltaik (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zukünftig stärker in Quartierskonzepte einbinden kann NEN]: Genau! Das ist in Nordrhein-Westfa- und wie die Wärmeversorgung über Wärmepumpen zu len, und da ist ein grüner Minister zuständig!) gewährleisten ist . Daneben ist auch der Bereich Elek­ tromobilität sehr wichtig . Denn die zukünftige Welt wird Also nicht das Einzelgebäude, sondern das Quartier soll- viel stärker von elektrischer Energie und erneuerbaren ten wir angehen . Wir haben ein Quartiersprogramm, das Energien geprägt sein als die augenblickliche Welt . wir auch ausweiten; da gehen wir weiter . In diesem Sinne hoffe ich auf weitere konstruktive Be- Im nächsten Jahr werden wir die Diskussion bekom- ratungen im nächsten Jahr . Ich wünsche Ihnen allen frohe men, wie wir die EnEV und das Erneuerbare-Energi- Weihnachten und ein gutes neues Jahr . en-Wärmegesetz besser verzahnen . Danke schön . (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten GRÜNEN]: Ja, und wir haben schon Vorschlä- der CDU/CSU) ge gemacht!) (B) Das hat die Baukostensenkungskommission empfohlen, Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: (D) aber auch die Konferenz der Bauminister auf Länder- Vielen Dank . – Damit schließe ich die Aussprache . ebene . Also, das wird sowieso angegangen . Insofern sind wir hier auf dem richtigen Weg, aber wir müssen das be- Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent- schleunigen . wurfs auf Drucksache 18/6885 an die in der Tagesord- nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es Ich denke, wir müssen zukünftig auch noch stärker dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall . darüber nachdenken, wie wir die Nutzer – es geht um Dann ist die Überweisung so beschlossen . das Nutzerverhalten – und die Immobilieneigentümer Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Beratun- mitnehmen können . Die Immobilieneigentümer bekla- gen . gen sich völlig zu Recht über die steuerliche Diskrimi- nierung, die sie erleben, wenn sie Strom erzeugen und Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- diesen zum Beispiel an ihre Mieter verkaufen wollen . tages auf Mittwoch, den 13 . Januar 2016, 13 Uhr, ein . Das muss anders werden . Jetzt bleibt mir nur noch, Ihnen allen ein frohes Weih- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- nachtsfest, einen guten Rutsch und vor allen Dingen gute SES 90/DIE GRÜNEN) Erholung zu wünschen, damit wir uns hier im Januar froh und munter wiedersehen . Wir brauchen zukünftig auch stärker eine ökologische Die Sitzung ist geschlossen . Gesamtbilanz, sprich: Wir dürfen nicht nur Wärme oder Kälte betrachten, sondern wir müssen Wärme, Kälte, (Schluss: 13 .36 Uhr)

Berichtigung 146 . Sitzung, Seite 14458 B, vorletzter Absatz, ers- ter Satz, ist wie folgt zu lesen: „Wir haben außerdem eine Indexierung vorgenommen und diese im Grunde genommen identisch an die Entwicklung der absoluten Obergrenze angekoppelt, die seit 2011 gilt .“

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14569

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Bulling-Schröter, Eva DIE LINKE 18 .12 .2015 Middelberg, Dr . Mathias CDU/CSU 18 .12 .2015

Ehrmann, Siegmund SPD 18 .12 .2015 Nahles, Andrea SPD 18 .12 .2015

Ernstberger, Petra SPD 18 .12 .2015 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ 18 .12 .2015 DIE GRÜNEN Feiler, Uwe CDU/CSU 18 .12 .2015 Rachel, Thomas CDU/CSU 18 .12 .2015 Gerdes, Michael SPD 18 .12 .2015 Röring, Johannes CDU/CSU 18 .12 .2015 Gohlke, Nicole DIE LINKE 18 .12 .2015 Schröder (Wiesbaden), CDU/CSU 18 .12 .2015 Göppel, Josef CDU/CSU 18 .12 .2015 Dr . Kristina

Griese, Kerstin SPD 18 .12 .2015 Spinrath, Norbert SPD 18 .12 .2015

Janecek, Dieter BÜNDNIS 90/ 18 .12 .2015 Steinbach, Erika CDU/CSU 18 .12 .2015 DIE GRÜNEN Steinke, Kersten DIE LINKE 18 .12 .2015 Jantz, Christina SPD 18 .12 .2015 (B) Steinmeier, Dr . Frank- SPD 18 .12 .2015 (D) Karawanskij, Susanna DIE LINKE 18 .12 .2015 Walter

Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/ 18 .12 .2015 Volmering, Sven CDU/CSU 18 .12 .2015 DIE GRÜNEN Wagenknecht, Dr . Sahra DIE LINKE 18 .12 .2015 Kömpel, Birgit SPD 18 .12 .2015 Walter-Rosenheimer, BÜNDNIS 90/ 18 .12 .2015 Kunert, Katrin DIE LINKE 18 .12 .2015 Beate DIE GRÜNEN

Mast, Katja SPD 18 .12 .2015 Weber, Gabi SPD 18 .12 .2015

Merkel, Dr . Angela CDU/CSU 18 .12 .2015 Wicklein, Andrea SPD 18 .12 .2015

Anlage 2 lungsgesetzes unverzüglich vorlegen auf Drucksa- che 18/3919 zurückzieht . Amtliche Mitteilung ohne Verlesung Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit- gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von geteilt, dass sie den Antrag zu dem Vorschlag für einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen eine Verordnung des Europäischen Parlaments und absehen: des Rates über die Tierzucht- und Abstammungs- bestimmungen für den Handel mit Zuchttieren Haushaltsausschuss und deren Zuchtmaterial in der Union sowie für die Einfuhr derselben in die Union, KOM(2014) 5 – Unterrichtung durch die Bundesregierung endg., hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grund- der Finanzhilfen des Bundes und der Steuerver- gesetzes, Kennzeichnung von Zuchttieren und günstigungen für die Jahre 2013 bis 2016 (25. Sub- -materialien mit Klonabstammung im EU-Tier- ventionsbericht) zuchtrecht verankern auf Drucksache 18/3557 sowie den Antrag Novelle des Kraft-Wärme-Kopp- Drucksachen 18/5940, 18/6138 Nr. 7 14570 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015

(A) Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ratsdokument 8892/15 (C) Drucksache 18/5982 Nr . A .5 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Ratsdokument 8905/15 Bericht zur Verordnung über Vereinbarungen zu Drucksache 18/5982 Nr . A .6 Ratsdokument 10078/15 abschaltbaren Lasten Drucksache 18/5982 Nr . A .9 Erforderlichkeit und Eignung abschaltbarer Las- Ratsdokument 11021/15 ten, um Gefährdungen oder Störungen der Sicher- Drucksache 18/6417 Nr . A .17 Ratsdokument 12128/15 heit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversor- Drucksache 18/6417 Nr . A .18 gungssystems zu beseitigen Ratsdokument 12137/15 Drucksache 18/6096 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzausschuss Verfahren zur Zulassung privater Bewachungsun- ternehmen auf Seeschiffen gemäß § 31 der Gewer- Drucksache 18/4749 Nr . A .27 Ratsdokument 7373/15 beordnung Erfahrungsbericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie im Benehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infra- Haushaltsausschuss struktur und dem Bundesministerium des Innern Drucksache 18/6607 Nr . A .14 Ratsdokument 12502/15 Drucksachen 18/6443, 18/6605 Nr. 1.5 Drucksache 18/6607 Nr . A .15 Ratsdokument 12503/15 Drucksache 18/6711 Nr . A .5 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reak- Ratsdokument 13159/15 torsicherheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Programm für eine verantwortungsvolle und si- Ausschuss für Wirtschaft und Energie chere Entsorgung bestrahlter Brennelemente und Drucksache 18/6146 Nr . A .9 radioaktiver Abfälle (Nationales Entsorgungspro- Ratsdokument 11485/15 gramm) (B) (D) Drucksachen 18/5980, 18/6138 Nr. 8 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/6607 Nr . A .18 Wohngeld- und Mietenbericht 2014 Ratsdokument 12575/15 Drucksachen 18/6540, 18/6708 Drucksache 18/6607 Nr . A .19 Ratsdokument 12576/15 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Drucksache 18/6607 Nr . A .20 mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- Ratsdokument 12584/15 onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Drucksache 18/6607 Nr . A .21 Beratung abgesehen hat . Ratsdokument 12598/15

Innenausschuss Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Uni- on Drucksache 18/642 Nr . C .3 Ratsdokument 6007/11 Drucksache 18/419 Nr . A .183 Drucksache 18/1393 Nr . A .18 Ratsdokument 12730/13 Ratsdokument 8401/14 Drucksache 18/3898 Nr . A .17 Drucksache 18/1393 Nr . A .19 Ratsdokument 5080/15 Ratsdokument 8406/14 Drucksache 18/4152 Nr . A .15 Drucksache 18/2533 Nr . A .17 Ratsdokument 5711/15 Ratsdokument 11815/14 Drucksache 18/4152 Nr . A .16 Drucksache 18/4152 Nr . A .3 Ratsdokument 5712/15 Ratsdokument 5470/15 Drucksache 18/5459 Nr . A .18 Drucksache 18/4504 Nr . A .2 Ratsdokument 8876/15 Ratsdokument 6624/15 Drucksache 18/5459 Nr . A .19 Drucksache 18/5982 Nr . A .4 Ratsdokument 9435/15

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