SCHWEIZER BANKEN 2017 SPIELRAUM NACH OBEN

Oliver Wyman ist eine international führende Managementberatung mit weltweit 4.500 Mitarbeitern in mehr als 50 Büros in rund 30 Ländern. Das Unternehmen verbindet ausgeprägte Branchenspezialisierung mit hoher Methodenkompetenz bei Strategieentwicklung, Prozessdesign, Risikomanagement und Organisationsberatung. Gemeinsam mit Kunden entwirft und realisiert Oliver Wyman nachhaltige Wachstumsstrategien. Wir unterstützen Unternehmen dabei, ihre Geschäftsmodelle, Prozesse, IT, Risikostrukturen und Organisationen zu verbessern, Abläufe zu beschleunigen und Marktchancen optimal zu nutzen. Oliver Wyman ist eine hundertprozentige Tochter von Marsh & McLennan Companies (NYSE: MMC).

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AUTOREN

TOBIAS WÜRGLER ROGER STETTLER YANN KUDELSKI Partner and Head Swiss Banking practice Principal Principal [email protected] [email protected] [email protected] +41 44 553 35 85 +41 76 427 99 11 +41 44 553 32 78

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INHALT

MANAGEMENT SUMMARY 4

SCHWEIZER BANKEN: STATUS QUO 6

ANSTEHENDE HERAUSFORDERUNGEN 16

DER WEG IN DIE ZUKUNFT 20

FAZIT UND NÄCHSTE SCHRITTE 30 MANAGEMENT SUMMARY

Auf das Schweizer Inlandgeschäft ausgerichtete Banken haben ihre Profitabilität trotz eines schwierigen Marktumfelds aufrechterhalten können. Dazu zählen UBS Schweiz, Swiss Universal (SUB), die Raiffeisen Gruppe, alle Kantonalbanken inkl. Bank Cler, PostFinance, , Valiant und weitere Regionalbanken. Die aggregierte Eigenkapitalrendite lag 2016 bei 5,7 Prozent1. Korrigiert um die Überkapitalisierung dieser Institute ergibt sich daraus noch immer ein leicht positiver Economic Profit nach Kapitalkosten. Selbst Schocks wie negative Zinsen, steigende Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen und ein rückläufiges Kreditwachstum hatten in den Jahren 2011 bis 2016 keine gravierenden negativen Auswirkungen auf die Gesamtprofitabilität der Schweizer Inlandbanken.

Allerdings existieren aus Sicht von Oliver Wyman einige grundlegende strukturelle Defizite:

• Rückläufige Bewertungen börsenkotierter Inlandbanken deuten darauf hin, dass Investoren nicht mehr bereit sind, einen Aufschlag für Banken zu zahlen, die an ihrem bestehenden Geschäftsmodell festhalten. • Die Zinserträge haben sich nur durch eine erhebliche Bilanzausweitung und in manchen Fällen durch erhöhtes Risiko im Asset Liability Management (ALM) stabil halten lassen. Dadurch mussten rückläufige Zinsmargen ausgeglichen werden. • Die fortschreitende Digitalisierung führt zumindest in der jetzigen Phase zu strukturell steigenden Kosten. • Geschäftsmodelle und Kostenstrukturen beruhen auf einem Kreditwachstum, das deutlich über dem prognostizierten nominalen BIP-Wachstum liegt.

Darüber hinaus sehen wir eine Reihe zukünftiger Herausforderungen, die sich negativ auf den Schweizer Inlandmarkt auswirken könnten. Banken müssen sich auf Folgendes vorbereiten:

• Neue Wettbewerber im zentralen Hypothekargeschäft mit besseren Refinanzierungsmöglichkeiten und daher erheblichen Kostenvorteilen, zum Beispiel Versicherungsgesellschaften oder Pensionskassen. • Transformation der traditionellen Kanäle für die Kundeninteraktion, beispielsweise durch ein Schweizer Äquivalent zur Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 in der EU. • Hohe Investitions- und Betriebskosten im digitalen Bereich, um zeitgemässe Kundenerlebnisse bieten zu können. • Risiken durch die Konkurrenz von Fintechs – insbesondere aus dem Ausland –, die ihre europäischen oder globalen Lösungen mit Wettbewerbsvorteilen durch Skaleneffekte auf die Schweiz übertragen können.

Angesichts dieser Dynamik sind Schweizer Inlandbanken gezwungen, innerhalb des bestehenden Geschäftsmodells taktische Optimierungshebel zu nutzen und ihre Marktposition im Zinsgeschäft offensiv zu verteidigen und zu stärken.

1 Ohne UBS Schweiz und Credit Suisse SUB, die in Bezug auf die Eigenkapitalrendite aufgrund von Gruppeneffekten nicht direkt vergleichbar sind.

4 Auch sollten sie den Vorstoss in potenzielle Wachstumsbereiche wie Wealth Management, Ver- sicherungen und Banking für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wagen sowie parallel dazu Chancen in den Bereichen Asset Management und Handel nutzen. In Ergänzung zu traditionellen Massnahmen im Kostenmanagement wie Lean Management, Faktorkostensenkung oder Prozess- optimierung lässt sich durch die Vergemeinschaftlichung in selektiven Bereichen eine nachhaltige Senkung der Kosten erreichen.

Langfristig müssen Banken ein neues strategisches digitales Target Operating Model entwickeln. Dessen Fokus sollte nicht nur auf der digitalen Kundeninteraktion liegen, sondern auch auf konse- quenter Prozessstandardisierung und -automatisierung.

Die effektive Nutzung praktisch aller Hebel erfordert daten-, analyse- und technologiegestützte Ansätze. Hier müssen sich Institute deutlich aggressiver positionieren und entsprechende Fähig- keiten ausbauen.

Schweizer Inlandbanken sind grundsätzlich gut positioniert, um diese Herausforderungen zu meistern. Dank ihrer aktuellen Kostenstruktur und Profitabilität verfügen sie über den notwendigen Handlungsspielraum, um vorhandene Schwächen und Risiken in ihrem Geschäftsmodell zu redu- zieren und weiterhin einen Economic Profit für ihre Eigentümer zu erwirtschaften.

METHODIK

Der Report umfasst auf das Schweizer Inlandgeschäft ausgerichtete Banken (Retail-Banking, damit verknüpftes Wealth Management im Affluent-Bereich sowie KMU-Banking). Dazu zählen UBS Schweiz, Credit Suisse Swiss Universal Bank (SUB), die Raiffeisen Gruppe, alle Kantonal- banken inkl. Bank Cler, PostFinance, Migros Bank, Valiant und weitere Regionalbanken. Für Teile der Analyse wurden individualisierte Regionalbank- und Raiffeisenbankendaten verwendet. Zudem wurde aufgrund von Datenrestriktionen für historische Analyse einzelne Institute weggelassen (insb. Schweizer Geschäft von UBS und CS). Augrund von unterschiedlichen Steuerregimes (insb. bei den Kantonalbanken) und Steuergutschriften können Eigenkapital- renditen einzelner Banken nicht direkt verglichen werden. Erfolgsrechnungs- und Bilanzposten wurden für alle Banken standardisiert und gruppiert. Jedoch können durch unterschiedliche Definitionen trotzdem gewisse Inkonsistenzen entstehen. Internationale Vergleiche beruhen auf einer repräsentativen Auswahl an Banken in den jeweiligen Ländern und können durch lokale Regulierung, Steuerniveaus und Marktbedingungen zu einem gewissen Grad verzerrt sein.

5 SCHWEIZER BANKEN: STATUS QUO

6 SCHWEIZER BANKEN: STATUS QUO

7 Auf das Schweizer Inlandgeschäft ausgerichtete Banken, die ihren Fokus auf Retail-Banking, damit verknüpftes Wealth Management im Affluent-Bereich sowie KMU-Banking2 haben, sind gut auf- gestellt. Mit einer aggregierten operativen Bruttomarge von 42,3 Prozent und einer Eigenkapitalrendite von 5,7 Prozent für 2016 sind sie weiterhin profitabel. Nach Korrektur um die Überkapitalisierung lag die Rendite auf den risikogewichteten Aktiva bei 7,8 Prozent3. Mit anderen Worten: Dank ihres stabilen Geschäftsmodells und des Niedrigzinsumfelds erwirtschaftet die durchschnittliche Inland- bank einen leicht positiven Economic Profit.

Sowohl die Eigenkapitalrendite als auch die Rendite auf risikogewichtete Aktiva bewegen sich – bereinigt um das sinkende Zinsniveau – in etwa auf dem Level von 2011. Dies stellt eine erhebliche Leistung dar, waren Banken doch in diesem Zeitraum mit mehreren Schocks konfrontiert. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang vor allem das negative Zinsumfeld, aber auch erhöhte Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen sowie steigende Regulierungskosten.

Abbildung 1: Operative Bruttomarge4, Eigenkapitalrendite und Rendite auf risikogewichtete Aktiva5 in Prozent, aggregierter Wert für Schweizer Inlandbanken6

OPERATIVE BRUTTOMARGE IN CHF

2011 44.8

42.3 -2.5 Punkte 2016 38.8

EIGENKAPITALRENDITE

2011 7.0

5.7 -1.3 Punkte 2016 7.3

RENDITE AUF RISIKOGEWICHTETE AKTIVA

2011 8.3

7.8 -0.5 Punkte 2016 10.8

Ohne UBS / Credit Suisse SUB Einschliesslich UBS Switzerland / Credit Suisse SUB (2016)

Quelle: Geschäftsberichte, Orbis, Oliver Wyman-Analyse

2 Der Report umfasst auf den Inlandmarkt ausgerichtete Schweizer Banken (Retail-Banking, KMU-Banking und Wealth Management in der Schweiz): UBS Schweiz, Credit Suisse Swiss Universal Bank (SUB), die Raiffeisen Gruppe, alle Kantonalbanken inkl. Bank Cler, PostFinance, Migros Bank, Valiant und weitere Regionalbanken. Vergangenheitsbezogene Vergleiche sind aufgrund fehlender historischer Daten aus einer Marktanalyse unter Ausschluss von UBS Schweiz und Credit Suisse SUB abgeleitet. 3 Ohne UBS Schweiz und Credit Suisse SUB, die in Bezug auf die Eigenkapitalrendite aufgrund von Gruppeneffekten nicht direkt vergleichbar sind. 4 Definiert als Bruttobetriebsertrag minus Bruttobetriebsaufwand/Bruttobetriebsertrag. 5 Definiert als Reingewinn nach Steuern/Zwölf Prozent der risikogewichteten Aktiva (RWA). 6 Historischer Vergleich ohne UBS Schweiz und Credit Suisse SUB. Für 2016 sind auch aggregierte Werte einschliesslich UBS Schweiz und Credit Suisse SUB angegeben. Es besteht jedoch grosse Unsicherheit bezüglich ihrer Ergebnisse aufgrund fehlender Daten und der Bedeutung von konzerninternen Verrechnungskosten sowie Kapitalallokation, sodass einige Positionen geschätzt werden mussten.

8 Insbesondere im Vergleich zu auf den Inlandmarkt ausgerichteten Instituten in Deutschland und Südeuropa sind die Schweizer Banken wirtschaftlich sehr erfolgreich. Nur Banken aus den nordischen Ländern erzielen bessere Renditen sowie Cost-Income-Ratios, und dies auch nur in erheblich konzentrierteren Märkten.

Beim Vergleich der Bruttomargen werden erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen europäischen Märkten sichtbar. Die nordischen Märkte waren in den letzten Jahren durch eine stark steigende Profitabilität gekennzeichnet, während andere mit sinkender Profitabilität zu kämpfen hatten.

Erreicht haben die nordischen Banken dieses Wachstum durch eine umfangreiche Transformation in ihren Geschäfts- und Betriebsmodellen. Dies beinhaltete Automatisierung und Standardisierung sowie erhebliche Kosteneinsparungen.

Die Beobachtungen lassen sich nicht eins zu eins von einem Land aufs andere übertragen. Zu be- rücksichtigen sind vielmehr die konkrete Situation am jeweiligen Markt – und damit Unterschiede im Kundenverhalten und in der Wettbewerbsintensität – sowie die relative wirtschaftliche Lage in dem entsprechenden Land.

Abbildung 2: Internationaler Profitabilitätsvergleich Inlandbanken nach Bruttomarge (1-Cost-Income-Ratio)7 (in %)

BENELUX

2011 35

2016 34 -1 Punkt

DEUTSCHLAND

2011 28

2016 30 +2 Punkte

NORDISCHE LÄNDER

2011 42

2016 53 +11 Punkte

SÜDEUROPA

2011 39

2016 31 -8 Punkte

SCHWEIZ

2011 45

2016 42 -3 Punkte

Quelle: Geschäftsberichte, Orbis, Oliver Wyman-Analyse

7 Auf Basis einer Auswahl von Banken, die in den entsprechenden Ländern auf das Inlandgeschäft ausgerichtet sind; Schweiz ohne UBS Switzerland und Credit Suisse SUB.

9 Allerdings haben die derzeitigen Geschäftsmodelle vieler Institute aus unserer Sicht strukturelle Defizite. Dies spiegelt sich in den Bewertungen am Aktienmarkt wider.

Die Bewertungen für börsenkotierte Schweizer Inlandbanken sind in den letzten Jahren stark gesunken. Zwischen 2007 und 2016 verzeichneten sie einen Rückgang des Kurs-Buchwert- Verhältnisses (KBV) von rund 25 Prozent auf einen Wert von 1,3. Dabei notierte etwa ein Viertel aller Schweizer Inlandbanken mit einem KBV von unter 1. Dies deutet darauf hin, dass Investoren nicht mehr bereit sind, einen Aufschlag für Banken zu zahlen, die an ihrem bestehenden Geschäftsmodell festhalten. An den nominalen Aktienkursen ist dies nicht erkennbar, da Banken durchschnittlich 50 bis 60 Prozent ihres Gewinns einbehalten haben, um ihre Eigenkapitalbasis zu stärken und die Ausweitung ihrer Bilanzen zu finanzieren.

Wichtigster Faktor für den Aktienkurs ist die Cost-Income-Ratio, mit der sich etwa 20 Prozent der Unterschiede beim KBV statistisch erklären lassen. Anleger sind willens, einen Aufschlag für Banken mit einer niedrigen Cost-Income-Ratio und einer hohen Eigenkapitalrendite zu entrichten. Auch wird eine Prämie für grössere Institute bezahlt. Andere Aspekte wie Geschäftswachstum, Ertragsquellen oder Ausschüttungspolitik haben keine nennenswerten Auswirkungen auf die Bewertung.

Zwischen 2011 und 2016 blieben sowohl Ertrag als auch Kostenstruktur bei Schweizer Inlandbanken relativ stabil. Der Gesamtertrag war 2016 nominal etwas höher als 2011, mit einem leichten Anstieg beim Handels- und beim sonstigen Ergebnis. Auf der Kostenseite war ein stärkerer, aber immer noch moderater Anstieg von etwa zwei Prozent pro Jahr zu beobachten.

Aus Sicht von Oliver Wyman gibt es eine Reihe von strukturellen Schwachstellen, die die mässiger werdenden Bewertungen mit treiben.

Abbildung 3: Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV), Schweizer Retailbanken (aggregiert)8

2.4

KURS BUCHWERT VERHÄLTNIS -25 %

1.6

0.8

0.0 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

Quelle: Datastream, Oliver Wyman-Analyse

8 Auswahl: Börsenkotierte Schweizer Retailbanken, 2007 bis 2017.

10 Grösster Schwachpunkt auf der Ertragsseite ist die starke Abhängigkeit vom Zinsgeschäft, die bei allen Schweizer Inlandbanken festzustellen ist. Bei unserer Auswahl machen die Zinserträge 55 Prozent des Gesamtertrags im operativen Geschäft aus. Bei kleineren Kantonal-, Regional- und Raiffeisen- banken kann der Ertragsanteil des Zinsgeschäfts sogar bei bis zu 80 Prozent liegen.

Der Nettozinsertrag blieb mit einem Wachstum von jährlich 0,2 Prozent zwischen 2011 und 2016 nahezu unverändert. Erreicht wurde dies durch eine erhebliche Bilanzausweitung, vorwiegend durch Wachstum im Hypothekengeschäft (zirka 4,5 Prozent pro Jahr im Zeitraum 2011 bis 2016) als Gegengewicht zu rückläufigen Zinsmargen. Eine genauere Analyse ausgewählter Banken zeigt auch einen Anstieg der Zinsrisiken und eine Abhängigkeit von Gewinnen aus der Fristentransformation. Der Ertrag konnte stabil gehalten werden – allerdings um den Preis erheblich höherer Bilanzsummen, damit verbundenen Risiken und Eigenkapitalanforderungen.

Abbildung 4: Betriebsertrag und -aufwand, Schweizer Inlandbanken (aggregiert)9 (in %)

2016 55 31 9 5 29 Mrd. CHF 0.2 1.2 3.8 22 1.3 ’11- ’16 1) Veränd. p.a.

2016 53 47 18 Mrd. CHF 2.1 2.4 2.2 ’11- ’16 1) Veränd. p.a.

Provisionsergebnis Sonstiges Ergebnis Sachkosten Zinsergebnis Handelsergebnis Personalkosten

1. Veränderung p. a. 2011-2016 ohne UBS Switzerland, Credit Suisse SUB Quelle: Geschäftsberichte, Oliver Wyman-Analyse

9 Aggregierter Wert für Inlandbanken für 2016, einschliesslich Ergebnisse für UBS Switzerland und Credit Suisse SUB. Historischer Vergleich (jährliche Veränderung 2011 bis 2016) ohne UBS Switzerland und Credit Suisse SUB.

11 Neben den ungünstigen Auswirkungen des Niedrig- oder Negativzinsumfelds stellt sich zunehmender Wettbewerb am Hypothekarmarkt ein. Pensionskassen und Versicherungsgesellschaften verfügen aufgrund ihrer Refinanzierungsstruktur über strukturelle Kostenvorteile und treten aggressiv am Hypothekarmarkt auf. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzen wird und stark vom Zinsgeschäft abhängige Banken entsprechend unter Druck bleiben. Bilanzorientierte Geschäfts- modelle sind kurz- und mittelfristig weniger attraktiv.

Bei näherer Betrachtung einzelner Unternehmen sind diversifizierte Banken widerstandsfähiger als spezialisierte Anbieter, beispielsweise Banken mit einem Fokus auf Entgegennahme von Kunden- geldern. So hat sich die Einführung negativer Zinsen durch die Schweizerische Nationalbank im Januar 201510 unterschiedlich auf verschiedene Bereiche ausgewirkt. Während sich die Margen bei allen Kreditprodukten erhöht haben, sind sie bei Einlageprodukten nun weitgehend negativ. Diversi- fizierung ist daher für Banken eine natürliche Absicherung. Institute, die ihre Aktivitäten auf ein sehr spezifisches Geschäftsmodell wie Einlagen konzentrieren, sind am stärksten von den Auswirkungen des Negativzinses betroffen.

Abbildung 5: Zinsmarge, Schweizer Retailbanken (aggregiert) (in %)

2.0

1.8 - 4 bps p.a.

1.6

1.4

1.2

1.0

0.8 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

90% Rang-Marge Durchschnittsmarge 10% Rang-Marge

Quelle: Geschäftsberichte, Oliver Wyman-Analyse

Die zweite Ertragssäule – Provisionserträge – verzeichnete zwischen 2011 und 2016 mit jährlich 1,2 Prozent ein etwas stärkeres Wachstum. Dies war einem Anstieg des verwalteten Vermögens zu verdanken, der lediglich durch rückläufige Margen leicht konterkariert wurde. Da das Provisions- geschäft jedoch grösstenteils nicht in einer direkten Verbindung zur Bilanz steht und nur sehr wenig Eigenkapital erfordert, haben sinkende Margen dort nicht die gleichen Folgen für die Eigenkapital- rendite wie ein Margenrückgang im Zinsgeschäft.

Der starke Anstieg des Handelsergebnisses von 3,8 Prozent pro Jahr ist vor allem auf die Aktivitäten bestimmter Banken zurückzuführen und in seinem Umfang begrenzt. Insbesondere bei Banken mit ausreichender Grösse, gutem Rating und entsprechender Kundenbasis, sprich einer starken Position bei Firmenkunden, institutionellen Kunden und beim Asset Management, kann ein solches Geschäft im aktuellen Umfeld sehr profitabel und eine attraktive Option zur Ertragsdiversifizierung sein.

10 Die Schweizerische Nationalbank hat am 18. Dezember 2014 mit Wirkung zum 22. Januar 2015 negative Zinsen von -0,25 Prozent (Mitte des Zielbands) eingeführt. Am 15. Januar 2015 wurde eine weitere Absenkung auf -0,75 Prozent bekannt gegeben.

12 Auf der Kostenseite sorgen Personal- und Sachkosten weiterhin für Druck. Der Gesamtanstieg der Personalkosten bei Inlandbanken (ohne UBS und Credit Suisse) belief sich zwischen 2011 und 2016 auf jährlich 2,1 Prozent und lag damit deutlich über der Inflationsrate. Dieser Anstieg hat zwei Ursachen: steigende Mitarbeiterzahlen und eine Zunahme der Personalstückkosten.

Die Anzahl der Vollzeitäquivalente hat sich leicht um 0,4 Prozent pro Jahr erhöht. Parallel dazu sind auch die Stückkosten gestiegen. Der Personalaufwand je Vollzeitäquivalent hat um jährlich 1,7 Prozent zugenommen. Damit liegt diese Zuwachsrate deutlich über dem durchschnittlichen Lohnwachstum für die Schweiz, das sich auf 0,7 Prozent beläuft.

Steigende Stückkosten sind in der europäischen Bankenbranche nicht ungewöhnlich. Banken beschäftigen in transaktionsbezogenen Front-, Middle- und Backoffice-Funktionen weniger niedrigqualifizierte Mitarbeiter und stellen für die Steuerung komplexerer Prozesse hochqualifizierte Mitarbeiter ein.

Allerdings sehen wir in Märkten wie Deutschland und Südeuropa von 2011 bis 2016 einen Beschäf- tigungsrückgang von jährlich etwa 1 Prozent im Inlandgeschäft. Auf das Retail-Banking in der Schweiz trifft dies nicht zu. Bei Schweizer Inlandbanken bleibt das Beschäftigungsniveau konstant, während die Stückkosten steigen.

Erklären lässt sich dies damit, dass Schweizer Banken noch immer über ein sehr dichtes Filialnetz verfügen, was mit erheblichen Kosten verbunden ist. Andere europäische Märkte wie die nordischen und die Benelux-Länder bieten ein hohes Serviceniveau bei weit weniger Filialen. Dänemark gehört zu den Märkten, in denen Banken ihr Filialnetz deutlich ausgedünnt haben, um Kosten zu sparen und ihre Vertriebskanäle neu zu strukturieren – und das insbesondere mit neuen digitalen Modellen.

Abbildung 6: Auswirkungen des Negativzinses auf Geschäftsbereiche, Schweizer Inlandbanken

AFFLUENT BANKING + KREDITGETRIEBEN KMU +

- RETAIL BANKING AFFLUENT BANKING -- EINLAGENGETRIEBEN

13 Abbildung 7: Anzahl Vollzeitäquivalente und Personalaufwand, aggregierter Wert für Schweizer Inlandbanken ohne UBS und CS11; Filialen von Geschäftsbanken pro Kopf, europäische Märkte

111

110

109 Struktureller 108 Stückkostenanstieg 5.3%, 2011-2016 107

106

105 Durchschnittliche 104 Lohnerhöhung Schweiz 103 3.4%, 2011-2016 102

101 Indexierter FTE / Personalaufwand (2011=100) 100 2011 2012 2013 2014 2015 2016

Personalauwand FTE

70

60

50

40

30

20

10

Bankfilialen, je 100.000 Einwohner 0 2011 2012 2013 2014 2015

Südeuropa Schweiz Benelux Deutschland Dänemark Nord. Länder

Quelle: Geschäftsberichte, BFS, OECD, EZB, Oliver Wyman-Analyse

11 Hohe Zahlungen an Pensionskassen für Bankmitarbeiter in den Jahren 2012 (ZKB, Raiffeisen), 2015 () und 2016 (ZKB). Bereinigt um diese Einmalzahlungen lag der strukturelle Anstieg der Stückkosten zwischen 2011 und 2016 bei 3,8 Prozent.

14 Abbildung 8: Jährliches Wachstum bei ausstehenden Hypotheken am Schweizer Markt im Vergleich zum Wachstum des nominalen BIPs in der Schweiz (in %)

6

5

4 -2.8 Punkte

3 Wachstum ausstehende Hypotheken 2

1 Schweizer BIP-Wachstum, nominal

0 2011 2012 2013 2014 2015 2016

Quelle: SNB, BFS, OECD

Und schliesslich sehen wir viele Banken mit etablierten Geschäftsmodellen, die auf einem hohen Kreditwachstum beruhen, das deutlich über dem prognostizierten Wachstum des nominalen BIPs liegt. Mehrheitlich erwarten Schweizer Inlandbanken immer noch, dass sich ihr Kreditwachstum auch längerfristig deutlich über dem nominalen BIP-Wachstum bewegt, und sind strukturell ent- sprechend aufgestellt. Unseres Erachtens sollten diese Banken ihr Geschäftsmodell radikal auf eine „Null-Kreditwachstums-Ära“ ausrichten. Das jährliche Wachstum der ausstehenden Hypotheken ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken, und dieser Trend wird sich aller Voraussicht nach weiter fortsetzen.

Insgesamt haben Schweizer Inlandbanken in einem schwierigen Marktumfeld stabile Ergebnisse erzielt. Angesichts einer Reihe struktureller Schwächen, dazu gehören die starke Abhängigkeit von rückläufigen und strukturell unattraktiven Zinserträgen, der strukturelle Kostenanstieg und die Fokussierung auf Bilanzwachstum, wird es für Banken jedoch schwieriger werden, das aktuelle Niveau zu halten. Die sinkenden Bewertungen sind daher als Warnsignal zu betrachten.

15 16 ANSTEHENDE HERAUS- FORDERUNGEN

Zusätzlich zu den oben genannten strukturellen Schwächen zeichnen sich in Zukunft einige Heraus- forderungen ab, die Schweizer Inlandbanken weitaus stärker unter Druck setzen könnten.

So drängen neue Anbieter wie Versicherungs- gesellschaften oder Pensionskassen in das für den Zinsertrag zentrale Hypothekargeschäft und in einem geringeren Ausmass auch in den Markt für KMU-Kredite. Sie haben strukturelle Vorteile, da sie keine Einlagen quersubventionieren und langfristige Kredite nicht absichern müssen.

Derzeit betreiben Banken eine Quersubventio- nierung ihres unrentablen Einlagengeschäfts durch Preisanpassungen auf der Aktivseite, ins- besondere im Hypothekargeschäft. Alle Schweizer Inlandbanken verfügen über eine ähnliche Refinanzierungsstruktur, die sich vor allem auf Einlagen stützt. Gleichzeitig dominieren diese Banken den Schweizer Hypothekarmarkt mit einem aggregierten Marktanteil von rund 95 Prozent. Nichtbanken verfügen auch im Unter- nehmenskreditgeschäft mit KMU nur über einen verschwindend geringen Marktanteil. Daher war es möglich, Preisanpassungen im Kreditgeschäft vorzunehmen und die negativen Margen im Ein- lagengeschäft durch Margensteigerungen bei Hypotheken und anderen Krediten auszugleichen.

Nichtbanken haben nach wie vor nur einen Markt- anteil von etwa 5 Prozent am Schweizer Hypo- thekarmarkt. Dennoch könnten Zinsvorteile zusammen mit Kapitalvorteilen und neuen Ver- triebsmodellen den Wettbewerbsdruck durch Nichtbanken erheblich verstärken und damit für einen hohen Margendruck bei Banken sorgen. Und dies vor allem bei längeren Laufzeiten und weniger komplexen Hypothekenstrukturen im Niedrigrisikosegment.

17 FALL

STUDIE Abbildung 9: Konkurrenz durch Nichtbanken Fallstudie: Niederländischer Hypothekenmarkt12 (in %)

2010 20 80

2015 25 75

Neue Hypotheken 38 62 (H1 2016)

Banken Nichtbanken

Quelle: DNB

Am niederländischen Hypothekenmarkt haben Banken in den letzten Jahren Marktanteile an Wettbewerber verloren. Seit 2010 ist der Marktanteil von Instituten im Hypothekengeschäft leicht von 80 auf 75 Prozent gesunken. Wird jedoch nur das Neugeschäft betrachtet, so entfällt mittlerweile ein deutlich höherer Anteil auf Nichtbanken (38 Prozent). Von allen Wettbewerbern haben Pensionskassen die grössten Möglichkeiten, ihren Anteil am Hypothekenmarkt weiter auszubauen, da Hypotheken derzeit nur 2 Prozent ihres Anlageportfolios ausmachen.

Eine zweite Herausforderung ist die Transformation traditioneller Kanäle für die Kundeninteraktion. Die überarbeitete Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) hat mit Inkrafttreten in der Europäischen Union (EU) im Januar 2018 das Potenzial, die Spielregeln am Markt neu zu definieren.

PSD2 wird die rechtlichen Grundlagen dafür schaffen, dass alle Anbieter von Finanzdienstleistungen in der EU umfassenden Zugang zu Kunden- und Produktdaten haben. Jedes Unternehmen, das entsprechende Dienstleistungen offerieren möchte, wird dann auf Daten zu Einlagen, Zahlungen, Darlehen und Kapitalanlagen zugreifen können – unabhängig davon, welches Unternehmen das Kundenkonto verwaltet. Auch wird PSD2 aller Voraussicht nach die wachsende Verbreitung von Nichtbanken-Aggregatoren und -Plattformen beschleunigen, die sämtliche Daten zu Konten eines Kunden finanzinstitutsübergreifend in einer Hand zusammenführen.

Infolgedessen kann sich die Kontrolle der Kundenschnittstelle zu Drittanbietern verschieben. Diese unabhängigen Anbieter werden versuchen, die besten Konditionen für ihre Kunden auszuhandeln, indem sie Preistransparenz bieten und einen problemlosen Wechsel ermöglichen. In diesem Szenario kann ein Teil der etablierten Anbieter in die Rolle eines reinen Produktlieferanten gedrängt werden. Als solche stehen sie in einem intensiven Preiswettbewerb mit nur noch begrenztem Einfluss auf das Kundenerlebnis. Gleichzeitig gibt es weiterhin entsprechende Risiko-und Eigenkapital- anforderungen.

12 DNB

18 Momentan ist noch nicht absehbar, wie und wann die Schweizer Regulierung oder der Markt auf PSD2 reagieren wird. Es scheint jedoch sehr wahrscheinlich, dass es in der Schweiz eine ähnliche Initiative wie PSD2 geben wird oder der Markt einen ähnlichen Rahmen einfordert. Möglich ist auch, eine fehlende PSD2-Programmierschnittstelle (Application Program Interface, API) zumindest bis zu einem gewissen Grad durch die Nutzung von entsprechender Technologie zu ersetzen.

Eine dritte und letzte Herausforderung stellen die hohen Investitionskosten für ein zeitgemässes Kundenerlebnis im digitalen Bereich dar. Schweizer Banken investieren erhebliche Mittel in neue Projekte zur Digitalisierung der Kundenbeziehung, entweder über eigene oder über eingekaufte Lösungen. Die wesentlichsten Trends am Markt sind derzeit die Optimierung der traditionellen Online- und Mobile-Banking-Lösungen, produktzentrierte Lösungen, allen voran Online-Hypotheken, digitales Kunden-Onboarding und die Umstellung auf einen technologiegestützten Beratungsprozess mit einer stärkeren Lebensereignis- und Kundenorientierung. Die meisten dieser Initiativen haben noch keine Breitenwirkung oder grössere Nutzerzahlen erzielt. Im Markt aber werden sie als Grund- voraussetzung dafür gesehen, dem langfristigen Wandel bei den Kundenbedürfnissen Rechnung tragen zu können.

Mit diesen Initiativen gehen hohe direkte Projektkosten einher. Denn Tatsache ist, dass sich tradi- tionelle Kernbanksysteme nicht für kurzfristige Innovationen eignen. Die effektiven langfristigen Kosten liegen aber in der Regel noch deutlich über den ausgewiesenen Kosten. Derzeit setzen fast alle diese Initiativen auf traditionellen Prozessen auf, was zusätzliche Kosten- und Komplexitäts- schichten schafft. Sind diese Kernprozesse weder digitalisiert noch standardisiert, kann ein neuer Onlinekanal zu weit höheren Gesamtkosten je Prozesseinheit führen, als dies bei traditionellen Kanälen der Fall ist. Es gibt mehrere Anbieter in der Schweiz, bei denen ein digitaler Antrag auf einen Hypothekarkredit mit deutlich höheren Stückkosten verbunden ist als ein traditioneller Kreditantrag auf Papier.

Zu Beginn einer digitalen Transformation sind Investitionen unvermeidbar. Wenn jedoch erhöhte strukturelle Kosten im gesamten Unternehmen entstehen, dann verschlechtert sich die strategische Position der Bank. Diese Verschlechterung lässt sich nicht mit dem oft nur geringfügigen Zusatz- erträgen neuer digitaler Initiativen rechtfertigen.

Die Herausforderungen, die mit neuen Wettbewerbern im Kerngeschäft, grossen regulatorischen Veränderungen und hohen Investitionskosten im Zuge der Digitalisierung einhergehen, können für Banken zur Bedrohung werden. Für die Institute wird es entscheidend sein, sich auf diese Herausforderungen vorzubereiten und entsprechend aufzustellen.

Abbildung 10: Darstellung der zusätzlichen Kostenschicht zur Optimierung des Kundenerlebnisses

TRADITIONELLES MODELL Kunden Kundenschnittstelle Kernprozess Datenbank Traditioneller Kanal

NEUES MODELL Kunden Online-Kanal Kundenschnittstelle Kernprozess Datenbank Traditioneller Kanal

19 DER WEG IN DIE ZUKUNFT

20 21 Strukturelle Schwächen im Geschäftsmodell in Kombination mit den oben genannten Heraus- forderungen machen Massnahmen auf drei Ebenen in Form von kurz-, mittel- und langfristigen Initiativen nötig.

Banken verfügen im Rahmen ihres bestehenden Geschäftsmodells über einige kurzfristige taktische Optimierungshebel, um ihr aktuelles Ertrags- und Profitabilitätsniveau abzusichern, insbesondere im Zinsgeschäft.

Alternative, zinsunabhängige Ertragsquellen und eine Optimierung der Kostenstruktur sind mittel- fristige Optimierungshebel, um die Ertragskraft zu wahren und dauerhaft zu stärken.

Langfristig müssen Banken eine grundlegendere Neuausrichtung ihres Geschäfts und ihrer operativen Prozesse auf Basis eines digitalen Target Operating Models vornehmen, um Profitabilität und Positionierung nachhaltig zu schützen.

Alle drei Ebenen sind nicht nur miteinander verzahnt, sondern stehen auch miteinander in positiver Wechselwirkung.

Abbildung 11: Massnahmen zur Optimierung des Geschäftserfolgs

OPTIMIERUNGSHORIZONT MASSNAHMEN

langfristig Digitales Target Operating Model • Entwicklung eines nachhaltigen Betriebsmodells

trukturelle Hebel • Erschliessung zusätzlicher zinsunabhängiger Erträge mittelfristig • Kostenoptimierung durch Vergemeinschaftlichung von Kosten

Taktische Hebel kurzfristig • Absicherung der Zinserträge auf Kundenebene • Aktive Bilanzsteuerung und ALM

< 2 Jahre < 5 Jahre > 5 Jahre

22 KURZFRISTIGE OPTIMIERUNG – TAKTISCHE HEBEL

Angesichts der derzeitigen Abhängigkeit der Schweizer Inlandbanken vom Zinsgeschäft sollte oberstes kurzfristiges Ziel die Absicherung der Zinserträge durch kunden- und bilanzorientierte Massnahmen (Asset Liability Management) sein.

Absicherung der Zinserträge auf Kundenebene: Wir plädieren für eine aggressive Reduktion der aktuell praktizierten Quersubventionierung von Einlagen durch Kredite. Diese Quersubventionierung ist mit strategischen Risiken verbunden. Denn sie setzt nicht nur Anreize für Wettbewerber wie Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen, ihr Kreditgeschäft auszuweiten, sondern fördert auch die Herausbildung einer alternativen Kredit- infrastruktur. Selbst bei einer Veränderung des Zinsumfelds werden diese Wettbewerber weiterhin für Margendruck sorgen.

Absicherungsmassnahmen zur Verringerung der Quersubventionierung sind:

• Weitergabe von Negativzinsen auf Kundensegment- und Kundenebene nach Möglichkeit durch Nutzung von Daten und modernen Analysetechniken, die Preissensitivität und Wertbeitrag berücksichtigen (Deposit Characterization & Management).

• Konsequente Preispolitik gegenüber Kunden im Kredit- und Einlagengeschäft.

• Schaffung von Mehrwert für Kunden durch Leistungspakete im Retailgeschäft, insbesondere in Kombination mit neuen digitalen Beratungsmodellen, die ihren Schwerpunkt auf einem klaren Kundennutzen haben.

• Systematische Nutzung von Kundenanalysen zum Profitabilitätsmanagement und Vermeidung von Grenzkosten unrentabler Kundenbeziehungen.

Aktive Bilanzsteuerung und ALM: Zusätzlich zu kundenzentrierten Massnahmen empfehlen wir weitere Schritte zur Bilanzsteuerung und zum Asset Liability Management (ALM). Solche Aktionen sind oft einfacher und schneller um- zusetzen als kundenorientierte Massnahmen, und wirken ideal in Kombination mit kunden- zentrierten Aktionen.

Typische Massnahmen im ALM sind:

• Begrenzte Verlagerung auf günstigere Refinanzierung am Kapitalmarkt

• Umgliederung von Einlagen, Nutzung von alternativen Replikationsportfolios

• Anpassung der Risikoneigung beim Zinsrisiko an das Eigenkapitalniveau

• Aktiveres Kreditportfoliomanagement

• Erarbeitung einer Benchmarkstrategie im ALM-Risikomanagement

23 MITTELFRISTIGE OPTIMIERUNG – STRUKTURELLE HEBEL

Mittelfristig stehen aus Sicht von Oliver Wyman die Chancen gut, die Profitabilität bei Schweizer Inlandbanken zu steigern. Statt nur Kosten zu sparen, sollten sie sich auf die Erschliessung zusätz- licher Ertragspotenziale konzentrieren. Kosteneinsparungen sollten Nebeneffekt einer grundlegenden Transformation in Richtung eines digitalen Target Operating Models sein.

Zusätzliche Erträge: Schweizer Inlandbanken suchen seit Jahren auf Unternehmens- wie Branchenebene nach zusätzlichen Ertragsquellen. Die meisten Versuche fokussierten sich auf Wealth Management, Asset Management und das KMU-Geschäft. Von einzelnen Erfolgen abgesehen haben sich daraus jedoch keine signifi- kanten Zusatzerträge für die Branche ergeben. Dennoch sehen wir hier Möglichkeiten für neuerliche Initiativen, vorangetrieben von einem technologie- oder lösungsorientierten Ansatz:

• Wealth Management/Affluent Banking: Dies ist das attraktivste Segment, vor allem für im Hypothekargeschäft starke Banken. Es wird jedoch wegen regulatorischer Hürden, des Schwerpunkts auf weniger vermögende Segmente (im Vergleich zu den grossen Privatbanken) und der rückläufigen Margenentwicklung nicht einfach sein, ein profitables Wealth-Management-Geschäft aufzubauen. Dies gilt vor allem bei einem beratungsorientierten Ansatz. Wir plädieren für einen technologiegestützten Ansatz, bei dem das tägliche Kundenerlebnis auf massenfähigen, automatisierten Prozessen basiert. Zudem empfehlen wir, den Vertrieb von Wealth-Management-Produkten in bestehende Beratungs- prozesse zu integrieren, gerade im Hypothekargeschäft.

• Versicherungsgeschäft: Banken bieten sowohl Sach- als auch Lebensversicherungen an. Die Hoffnung, damit signifikante Erträge zu generieren, wurden in der Vergangenheit jedoch oft enttäuscht. Wegen der begrenzten Vertriebserfahrung bei Sach- und der nur schwachen Nachfrage nach Lebensversicherungen raten wir zu einem stärker lösungsorientierten Ansatz. Denkbar wäre z.B. der Verkauf von immo- bilienbezogenen Versicherungspaketen, die nahtlos in bestehende Verkaufsprozesse etwa für Hypotheken integriert werden können. Alternativ liessen sich Versicherungen in Banking-Pakete einbinden. Banken haben in der Regel engere Kundenbeziehungen als Versicherungen und sind so gut aufgestellt, zusätzliche Erträge zu erwirtschaften. Zudem bieten sich auch hier technologie- gestützte Ansätze an (Insurtech).

• KMU-Geschäft: Haben Banken eine schwache Präsenz am Markt für kleine und mittlere Unternehmen, so ist dies ein Bereich mit Wachstumspotenzial, da Unternehmer über das Retail- und Affluent-Banking angesprochen werden können. Der KMU-Markt selbst ist zweigeteilt – in einen Inlandmarkt und einen Markt mit internationaler Ausrichtung. Im international ausgerichteten Markt werden wesentlich höhere Erträge pro Kunde erwirtschaftet. Um an diesem attraktiveren Markt teil- nehmen zu können, bedarf es jedoch umfangreicher Investitionen in Know-how und Technologie, und dies speziell in den Bereichen Aussenhandelsfinanzierung, Devisen, Derivate und Spezial- beratung wie Nachfolgelösungen. Ohne eine kritische Masse an Kunden ist das sehr schwierig.

• Handel und Asset Management: Während diese Bereiche bei Retailbanken traditionell keine grosse Rolle spielen, ist hier ein signifikantes Wachstum bei begrenzten Kapitalkosten möglich. Wegen ihres guten Ratings können viele Schweizer Banken begehrte Transaktionspartner sein und könnten ab einer ge- wissen Grösse ein attraktives Handelsgeschäft aufbauen. Im Asset Management hat sich die Mindestgrösse für viele Standardprodukte in den letzten Jahren deutlich reduziert. Daher ist es möglich, bestehenden und neuen Kunden Fonds unter dem Label der Bank anzubieten und dieses Geschäft bei limitierten Kosten profitabel zu betreiben. Dieser Schritt könnte auch den Weg den Weg ins Wealth Management / Asset Management ebnen.

24 Kostenoptimierungen: Zur Bewältigung struktureller Kostensteigerungen können Banken auf kostendämpfende Mass- nahmen wie Kostenmanagement bei den Personalstückkosten, allgemeine organisatorische Effizienzprogramme sowie Automatisierung und Standardisierung bestehender Prozesse setzen. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass eine solche Kostenoptimierung eher ein konti- nuierlicher Prozess zur Stabilisierung des Profitabilitätsniveaus ist. Langfristige strukturelle Kosten- vorteile gegenüber Wettbewerbern lassen sich damit kaum erzielen. Hinzu kommt, dass viele potenzielle Kostenhebel, beispielsweise die Optimierung des Filialnetzes, den Instituten zwar wohl- bekannt, aber oft schwierig zu aktivieren sind. Dies hat seine Ursache in der spezifischen Eigen- tümerstruktur vieler Inlandbanken durch nicht allein finanziell motivierte Eigner.

Ratsam ist ein stärkerer Fokus auf Kostenoptimierung in Kooperation mit anderen Banken durch Ver- gemeinschaftlichung von Kosten. Die Schweizer Inlandbankenbranche hat bereits gute Erfahrungen mit solchen Kooperationen gemacht, und am Markt wird die Entwicklung neuer Modelle diskutiert. Dazu gehört zum Beispiel die Initiative „Transaktionsbank“, welche allerdings aktuell aus mangelndem Interesse in der Branche zurückgestellt wurde. Wir empfehlen zudem gemeinsame Wachstums- initiativen oder Kooperationen bei zusätzlichen Dienstleistungen, wodurch sich die Mehrkosten für alle Beteiligten reduzieren. Allerdings sind solche Initiativen nur in klar fokussierten Bereichen rea- listisch. Ambitionierte Projekte rund um Zusammenlegung ganzer Backoffices vieler und grosser Banken scheitern praktisch immer. Dies insbesondere bei unterschiedlicher Grösse der beteiligen Institute. FALL

Vergemeinschaftlichung von Kosten – Kooperationen zur Konzentration STUDIE auf das Kerngeschäft Fallstudie zum schwedischen Markt: Bankomat AB und Tambur

Banken in Schweden haben sich zusammengetan, um ihre Prozesse effizienter zu gestalten und ihre Kosten durch die Vergemeinschaftlichung von Kosten in Nicht-Kernbereichen erheblich zu senken:

1. Gemeinsames Netzwerk von Geldautomaten: Bankomat AB ist alleiniger Eigentümer und Anbieter sämtlicher Geldautomaten in Schweden. Das Unternehmen ist ein Joint Venture der fünf grössten schwedischen Banken und wurde 2010 mit dem Ziel gegründet, eine einfache gemeinsame Infrastruktur für Geld- und Einzahlungs- automaten zu schaffen. 2013 übernahm Bankomat AB alle 2.200 Geldautomaten des Landes. Mittlerweile erbringt das Unternehmen Dienstleistungen für alle Kartenaussteller, entweder als Kunden des Unternehmens oder über die VISA- und MasterCard-Kartenorganisationen.

2. Gemeinsames Hypothekendokumentationssystem: Tambur ist eine gemeinsame Initiative schwedischer Banken zur Digitalisierung des Hypotheken- dokumentationsprozesses im Retail-Banking. In der Vergangenheit umfasste der Dokumentations- prozess mit häufig hin- und hergereichten Dokumenten zahlreiche manuelle Vorgänge. Im Jahr 2015 einigten sich die wichtigsten schwedischen Banken auf die Einrichtung des IT-Portals Tambur, das als zentrales Dokumentationsablagesystem inklusive Unterlagen und Prozessprotokollierung dient.

25 Die Kontrolle über Struktur und Management ist das Hauptproblem bei derartigen Initiativen, vor allem dann, wenn die entsprechenden Dienstleistungen Bereiche betreffen, aus denen sich strate- gische Vorteile ergeben könnten. Zudem muss ein solches Unternehmen in sich schnell wandelnden Märkten unter Umständen mit den Eignern konkurrieren, um wirtschaftlich tragfähig zu sein. Dies kann zu strukturellem Druck in diesen Unternehmen führen. Als Alternative und vielleicht erster Schritt in Richtung einer Partnerschaft könnten gemeinsame Branchenstandards sowohl auf Prozess- als auch auf technischer Ebene geschaffen und dann branchenweit angewandt werden. Dies würde ein hohes Mass an Interoperabilität von Mitarbeitern, IT und Drittanbietern sowie Skaleneffekte für die gesamte Branche bedeuten, und das bei grösstmöglicher Flexibilität.

LANGFRISTIGE OPTIMIERUNG – DIGITALES TARGET OPERATING MODEL

Die oben genannten Massnahmen reichen langfristig nicht aus, denn Angebote mit grossem Mehr- wert für den Kunden im digitalen Bereich können ohne grundlegendere Transformation zu einer strukturellen Kosteninflation führen. Banken sollten vermeiden, die Kostenstruktur über einen längeren Zeitraum hinweg mit einer zusätzlichen digitalen Kostenschicht aufzublähen oder die Komplexität der Prozesse kontinuierlich zu erhöhen.

Obwohl viele Schweizer Inlandbanken intensiv in Online-Kundenschnittstellen investiert haben, fehlt es ihnen immer noch an End-to-End-Automatisierung und Standardisierung in Kernbetriebsprozessen. Dazu zählen Hypotheken- oder Kreditvergabeprozesse. Wollen Banken die Spirale struktureller Kostensteigerungen durchbrechen, die in den letzten Jahren teilweise durch hohe Ausgaben für IT und Kundenschnittstellen entstanden ist, müssen sie auch in Automatisierungsprozesse investieren. Nur so lassen sich spürbare Einsparungen erzielen.

Um dies zu erreichen, raten wir Banken, ein digitales Target Operating Model anzusteuern, das unternehmensweit umzusetzen ist. Die mit der Digitalisierung einhergehenden Kosteneinsparungen werden dann zu einer signifikanten Kostenentlastung führen und damit die steigenden Kosten für Kundenschnittstellen ausgleichen.

Abbildung 12: Vereinfachte Darstellung eines digitalen Target Operating Models (D-TOM)

Drittanbieter von Daten Dritt- anbieter- Engine

Lösungs- Flexible Online-Kanal generator Front- Datenbank Kunden Kundenschnittstelle Kernprozess Datenbank Traditioneller Kanal

Omni-Channel- Lösungsgenerator Konsequente Automatisierung und Standardisierte, Kunden-schnittstelle nutzt Big Data und Standardisierung von Kernprozessen aber unflexible für Front-O ce Analysen im Back- und Middle-O ce Datenbank

26 Unserer Erfahrung nach hat ein erfolgreiches digitales Target Operating Model folgende Merkmale:

• Eine proprietäre Omni-Channel-Kundenschnittstelle, die jederzeit reibungslose Kommunikation zwischen Kunden und Frontoffice ermöglicht: Sowohl Frontoffice als auch Kunden arbeiten auf der- selben Plattform und haben grundsätzlich Zugang zu denselben Informationen und Erkenntnissen.

• Ein Lösungsgenerator, der mit Datenpools arbeitet und aus Daten personalisierte, umsetzbare und automatisierte Erkenntnisse sowie Lösungen für Kunden generiert: Auch hier haben Frontoffice und Kunde Zugang zu denselben Erkenntnissen. Der Generator kann Drittanbieter- Engines verwenden, um das beste Ergebnis zu erzielen.

• Ein zentraler Pool mit Kunden- und Transaktionsdaten sowie Daten von Dritten, der als Daten- quelle für den Lösungsgenerator dient, auf dem Dienstleistungen für den Kunden basieren: Dieser Pool enthält heutige Customer-Relationship-Management-(CRM-)Datenbanken, ein- schliesslich Daten zu potenziellen Kunden. Wichtig ist eine hohe Flexibilität, um neue Daten- quellen schnell und kostengünstig anzubinden.

• Hoch automatisierte und standardisierte Kernprozesse der Back- und Middleoffice-Funktionen: Diese Prozesse sollten ohne zusätzliche Interaktion mit dem Kunden oder dem Frontoffice eingeleitet und abgeschlossen werden, selbst wenn sie vorwiegend manuelle und /oder indi- vidualisierte Komponenten beinhalten. Es sollte die Möglichkeit bestehen, jeden beliebigen Prozess an Dritte auszulagern. Prozesse sollten an den Strukturen von Monolinern, also Unter- nehmen mit nur einem einzigen Produkt oder einem einzigen Prozess als organisatorischem Dreh- und Angelpunkt, ausgerichtet sein und mit einem Minimum an Komplexität auskommen. So sollten beispielsweise die Prozesse im Kernhypothekenkreditprozess hoch automatisiert sein und sofort einen rechtlich bindenden Vertrag für das Frontoffice generieren. Von Vorteil wäre zudem die Einbindung von Dritten im Rahmen eines sofortigen Bieterverfahrens (offene Architektur). Solche Prozesse sind in den aktuellen Systemen nicht darstellbar.

• Eine Kerndatenbank mit allen Transaktions- und anderen Daten: Dieses Datenmaterial muss höchsten Qualitätsstandards entsprechen, zum Beispiel KYC- und Compliance-Daten. Die Datenbank muss nicht flexibel sein.

Aufgrund der Komplexität der bestehenden IT-Architektur ist die erfolgreiche Entwicklung eines digitalen Target Operating Models ein langfristiges Projekt. Bei Instituten mit eigenem Kernbank- system ist es gängig, noch vier oder mehr Programmiersprachen und Systeme im Einsatz zu haben, die in den 1980er-Jahren oder sogar in den 1970er-Jahren entwickelt wurden.

Die Situation bei Banken, die externe Kernbanksysteme verwenden – im Schweizer Retail-Banking sind dies vorwiegend Avaloq und Finnova –, ist die Grundproblematik grundsätzlich identisch. Auch diese Systeme sind historisch gewachsen. Zudem sind sie nur bedingt standardisiert, auf die spezi- fische Situation einer Bank parametrisiert sowie mit peripheren Systemen kombiniert und wartungs- intensiv. Die Modernisierung der vorhandenen Software und IT-Architektur ist eine schwierige Aufgabe, und insbesondere die Plattformmigrationen weisen ein sehr hohes Projektrisiko auf. Die Entwicklung eines digitalen Target Operating Models ist aber keine Plattformmigration, sondern eher ein langfristiges strategisches Ziel, das dann konsequent umgesetzt werden kann, und dies unter Einsatz bestehender sowie neuer Software.

Für die Realisierung gibt es zwei Hebel: Zum einen ist es möglich, beim Kunden anzusetzen und auf eine Verbesserung des Kundenerlebnisses hinzuarbeiten. Zum anderen können die Kernprozesse ver- bessert und damit die strukturelle Basis des Unternehmens gestärkt werden. Zumindest auf kurze Sicht ist es einfacher, nur beim Kunden anzusetzen. Im Idealfall ist das Ergebnis eine schnelle Optimierung des Kundenerlebnisses und ein direkter positiver Ertragseffekt. Das Worst-Case-Szenario ist allerdings eine grosse Ansammlung von Apps und Kundenschnittstellen, die kaum von den Kunden genutzt werden, nicht in das Kernbanksystem integriert sind und zu erheblichen IT-Risiken und -Kosten führen. Voraussetzung für ein gutes Ergebnis sind sowohl Standards als auch ein mittelfristiger Plan zur Integration dieser Lösungen in den Kernprozess.

27 Ein ehrgeizigerer Ansatz ist die Konzipierung eines neuen End-to-End-Prozesses mit oder ohne Kundeninteraktion. In seiner Dimension ist ein solches Projekt mit dem Aufbau eines neuen Mono- liners oder dem Ersetzen eines gesamten Prozesses vergleichbar. Ein derartiger Ansatz kann extrem effektiv sein, wenn mit begrenzten Ressourcen, aber einer klaren unternehmerischen Vision an der Umsetzung gearbeitet wird. Prozessorientiertere Ansätze sind auf Veränderungen an Teilen der Kernprozesse durch Prozess-Redesign oder sogar auf die Modernisierung beziehungsweise das Ersetzen eines Kernbanksystems ausgerichtet.

Ein möglicher Ansatz für grosse Institute ist es, noch einmal bei null anzufangen und eine neue, moderne Bank einschliesslich Front-End und Back-End aufzubauen. Eine solche Lösung wird von einigen internationalen Banken geprüft. Da ein derartiges Projekt hohe Investitionskosten erfordern würde und für eine gewisse Zeit zwei Unternehmen parallel betrieben werden müssten, ist dies jedoch für viele Schweizer Banken finanziell wohl nicht realisierbar.

Abbildung 13: Ansätze zur Digitalisierung des Betriebsmodells einer Bank

KUNDENWIRKUNG / VERÄNDERUNG DES KUNDENERLEBNISSES

Entwicklung „Neue Bank“ einer „App-Welt“

Neue End-to-End-Prozesse

Operative Exzellenz Grundlegendes Prozessredesign mit bestehendem Prozess (d. h. Veränderung (d. h. Robotik) des Kernbanksystems)

UMFANG DER VERÄNDERUNG IM KERNPROZESS

FALL

STUDIE End-to-End-Automatisierung des Kreditvergabeprozesses Fallstudien: Anonymisierte Kundenbeispiele

Onboarding-Prozess: Ein klar strukturierter Kontoeröffnungs- und Onboarding-Prozess für Retailkunden kann zu Steigerungen der operativen Effizienz und Effektivität führen. Nach umfassendem Redesign und der Automatisierung des Onboarding-Prozesses gelang es einer europäischen Retailbank, im Ver- gleich zu ihren traditionellen Prozessen den Zeit- und Kostenaufwand um über 50 Prozent be- ziehungsweise 30 bis 60 Prozent zu reduzieren. Auch die Kundenzufriedenheit, gemessen an- hand des Promotorenüberhangs (Net Promoter Score, NPS), stieg durchschnittlich um 30 Prozent.

Kreditvergabeprozess: Ein voll automatisierter Kreditvergabeprozess reduziert den zeitlichen Vorlauf einer Kreditent- scheidung für Kunden erheblich. Eine andere europäische Retailbank schaffte es, durch Redesign und Vollautomatisierung den Genehmigungsprozess für die Kreditvergabe an KMU auf weniger als 24 Stunden zu verkürzen. Vor dem Prozess-Redesign waren es 7 bis 14 Tage gewesen. Die Auszahlung erfolgt nun nach 5 bis 7 Tagen, gemessen an 5 bis 20 Tagen im bisherigen Verfahren.

28 FALL

Digitales Target Operating Model STUDIE Fallstudie ING

ING hat ihr Bankgeschäft neu definiert, um sich an die Bedürfnisse des Markts im digitalen Zeit- alter anzupassen. Für alle Länder wurde ein einheitliches Target Operating Model eingeführt. Es erfolgte eine unternehmensweite Umstellung auf agiles Arbeiten. Das bedeutet, dass fach- übergreifende Teams für End-to-End-Prozesse verantwortlich sind, um schneller auf Rück- meldungen von Kunden reagieren zu können.

Kundenschnittstelle: One-Bank-Erlebnis mit nahtloser Kundeninteraktion, standardisierten Produkten, Verträgen und Dokumentation. Ein Omni-Channel-Banking-Model bietet ein besonderes Kundenerlebnis über alle Kanäle hinweg. Das Filialnetz wird nur noch für komplexe Dienstleistungen beibehalten.

Lösungsgenerator: Eine Initiative mit Schwerpunkt auf der Analyse von Kundenverhalten durch Einrichtung eines neuen Advanced-Data-Analytics-Teams. Dieses hatte den Auftrag, Datenanalyseprodukte zur Verbesserung der kundenorientierten Aktivitäten von ING zu entwickeln.

Kernprozesse und -datenbank: Umfangreiche IT-Investitionen, um Routineprozesse weiter zu automatisieren und zu standardisieren.

Die Wirkung dieses Projekts war enorm.

100% Digitalisierung des Tagesgeschäfts

700 Kundenprozesse komplett neu aufgesetzt

> 1.000 verschiedene Systeme reduziert auf100

270 Mio. Euro jährliche Kosteneinsparungen bis 2017

> 95% Kundeninteraktion über Remote-Kanäle

1 Target Operating Model in allen Ländern eingeführt

29 FAZIT UND NÄCHSTE SCHRITTE

30 31 Auf das Schweizer Inlandgeschäft ausgerichtete Banken sind nach wie vor gut aufgestellt. Trotz der vielen Herausforderungen der letzten Jahre wie Negativzinsen, erhöhte Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen sowie steigende regulatorische Kosten war die Geschäftsentwicklung solide.

AUSBLICK – ERTRAGSENTWICKLUNG IM SCHWEIZER RETAIL-BANKING BIS 2022

Gelingt es den Schweizer Inlandbanken, ein wichtiger Partner für ihre Kunden zu bleiben, besteht aus Sicht von Oliver Wyman ein Potenzial für Ertragswachstum entsprechend dem prognostizierten nominalen BIP-Wachstum für die Schweiz. Dieses liegt bei 2 Prozent. Unserer Einschätzung nach werden die Zuwachsraten beim Nettozinsertrag weiterhin unter dem BIP-Wachstum liegen, selbst wenn die Zinsen wieder steigen. Wir gehen davon aus, dass der Wettbewerbsdruck am Hypotheken- und Einlagenmarkt unabhängig vom Zinsniveau zu anhaltend rückläufigen Margen führen wird.

Bei den Provisionserträgen ist unseres Erachtens Wachstum in Höhe des nominalen BIP-Wachstums möglich, wenn es den Banken gelingt, ein kundenorientiertes, kundenzentriertes Angebot zu ent- wickeln. Im Handelsgeschäft und bei anderen kapitalmarktorientierten Angeboten sehen wir grosses Wachstumspotenzial mit etwa doppelt so hohen Zuwachsraten als beim BIP. Angesichts eines Wachstumstrends bei den meisten Kapitalmarktprodukten sind Schweizer Inlandbanken grund- sätzlich gut aufgestellt, um in diesem Bereich Ertragssteigerungen zu erzielen. Eine unbekannte Grösse ist das zusätzliche Ertragspotenzial aus Versicherungen. Hier sehen wir Chancen für Banken, insbesondere im Nichtlebensegment. Dieser Bereich könnte sich durchaus zu einer wichtigen zusätzlichen Ertragsquelle entwickeln. Dazu müssen die Institute aber Wege finden, Versicherungs- produkte in ihre Lösungspakete einzubinden und daraus ein nahtlos integriertes und kosten- effizientes Angebot für ihre Kunden zu formen.

Abbildung 14: Erwartete Entwicklung der operativen Erträge bis 2022 (in %)

0.2 1.2 3.8 22 1. 11-1 1 Veränd.p.a. 2016 55 31 9 5 29 Mrd. H

2.5

1.2 2.0 5.0 5.0 1-22 Veränd. p.a.

2022 50 30 10 6 4 Mrd. H

Tradit. Provisionsergebnis Sonstiges Ergebnis2) Zinsergebnis Handelsergebnis Neues Provisionsergebnis (z. B. Versicherung)

1. Veränderung p. a. 2011-2016 ohne UBS Switzerland, Credit Suisse SUB, 2. Einschliesslich Dividenden auf Anlagen sowie Veräusserungen Quelle: Geschäftsberichte, FINMA Bericht über den Versicherungsmarkt, Oliver Wyman-Analyse

32 Auch wenn wir die Schweizer Banken durchaus weiter auf Erfolgskurs sehen, gibt es Warnsignale, die ein entschlossenes Handeln notwendig machen. Dies sind zum einen rückläufige Bewertungen, die darauf hindeuten, dass die Märkte nicht mehr bereit sind, einen Aufschlag für das bestehende Geschäftsmodell von Banken zu zahlen. Warnsignale sind zum anderen eine gefährlich starke Ab- hängigkeit vom Zinsgeschäft in einem herausfordernden Zinsumfeld, strukturell steigende Kosten, vor allem Personalkosten, und eine Fixierung auf Zuwachsraten bei den wichtigsten Kreditprodukten, die über dem BIP-Wachstum liegen.

Banken müssen zudem auf neue Wettbewerber vorbereitet sein, aber auch auf erhebliche Änderungen im aufsichtsrechtlichen Rahmen. Diese werden die aktuelle Branchenlandschaft mit Sicherheit verändern.

Kurzfristig sollten Banken ihre Marktposition im Zinsgeschäft offensiv verteidigen. Als Gegengewicht zu neu auf den Markt drängenden Konkurrenten sollten sie die Quersubventionierung von Einlagen durch Kredite zurückfahren und versuchen, durch daten- und analysegetriebene Preisanpassungen, Anlagezinsoptimierungen und ALM-Massnahmen zusätzliches Ertragspotenzial zu schaffen.

Mittelfristig sollte der Fokus auf der Erschliessung zusätzlicher zinsunabhängiger Ertragsquellen liegen. Wenngleich dies durchaus eine Herausforderung ist, so dürften die meisten Akteure doch in der Lage sein, durch Wealth Management, Versicherungsgeschäft, KMU-Geschäft, Asset Management und Handelsgeschäft Ertragssteigerungen zu erzielen. Hier bieten sich insbesondere technologie- gestützte Initiativen an, die mehr Potenzial haben als traditionelle, in der Vergangenheit schon oft ausprobierte Ansätze. Massnahmen zur Kostensenkung sollten zwar ergriffen werden, doch ist es unwahrscheinlich, dass sich daraus langfristig nachhaltige Vorteile ergeben. Initiativen zur Vergemein- schaftlichung von Kosten, vor allem mit dem Ziel der Erschliessung neuer Ertragsquellen, sollten hingegen mit grösserem Nachdruck verfolgt werden.

Langfristig müssen Banken die Umstellung auf ein voll digitalisiertes Target Operating Model be- wältigen. Dies impliziert nicht nur Investitionen in eine digitale Kundenschnittstelle, die viele Institute bereits getätigt haben, sondern auch eine konsequente Automatisierung und Digitalisierung von Kernprozessen im Back- und Middleoffice. Dadurch ist gewährleistet, dass die Unternehmen aus- reichend agil, innovativ und flexibel bleiben. So sind die Voraussetzungen für Effizienzsteigerungen, vor allem aber für eine Verschlankung der Kostenstruktur geschaffen – und die Banken sind auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet.

Die effektive Nutzung praktisch aller Hebel erfordert daten-, analyse- und technologiegestützte Ansätze. Hier müssen sich Institute deutlich aggressiver positionieren und entsprechende Fähigkeiten ausbauen.

Schweizer Inlandbanken sind grundsätzlich gut aufgestellt, um diese Herausforderungen zu meistern. Dank ihrer aktuellen Kostenstruktur und Profitabilität verfügen sie über den notwendigen Handlungsspielraum, um vorhandene Schwächen und Risiken in ihrem Geschäftsmodell zu redu- zieren und weiterhin einen Economic Profit für ihre Eigentümer zu erwirtschaften.

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SCHWEIZER BANKEN 2017 SPIELRAUM NACH OBEN

Oliver Wyman ist eine international führende Managementberatung mit weltweit 4.500 Mitarbeitern in mehr als 50 Büros in rund 30 Ländern. Das Unternehmen verbindet ausgeprägte Branchenspezialisierung mit hoher Methodenkompetenz bei Strategieentwicklung, Prozessdesign, Risikomanagement und Organisationsberatung. Gemeinsam mit Kunden entwirft und realisiert Oliver Wyman nachhaltige Wachstumsstrategien. Wir unterstützen Unternehmen dabei, ihre Geschäftsmodelle, Prozesse, IT, Risikostrukturen und Organisationen zu verbessern, Abläufe zu beschleunigen und Marktchancen optimal zu nutzen. Oliver Wyman ist eine hundertprozentige Tochter von Marsh & McLennan Companies (NYSE: MMC).

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AUTOREN

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