SCHWEIZER BANKEN 2017 SPIELRAUM NACH OBEN
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AUTOREN
TOBIAS WÜRGLER ROGER STETTLER YANN KUDELSKI Partner and Head Swiss Banking practice Principal Principal [email protected] [email protected] [email protected] +41 44 553 35 85 +41 76 427 99 11 +41 44 553 32 78
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INHALT
MANAGEMENT SUMMARY 4
SCHWEIZER BANKEN: STATUS QUO 6
ANSTEHENDE HERAUSFORDERUNGEN 16
DER WEG IN DIE ZUKUNFT 20
FAZIT UND NÄCHSTE SCHRITTE 30 MANAGEMENT SUMMARY
Auf das Schweizer Inlandgeschäft ausgerichtete Banken haben ihre Profitabilität trotz eines schwierigen Marktumfelds aufrechterhalten können. Dazu zählen UBS Schweiz, Credit Suisse Swiss Universal Bank (SUB), die Raiffeisen Gruppe, alle Kantonalbanken inkl. Bank Cler, PostFinance, Migros Bank, Valiant und weitere Regionalbanken. Die aggregierte Eigenkapitalrendite lag 2016 bei 5,7 Prozent1. Korrigiert um die Überkapitalisierung dieser Institute ergibt sich daraus noch immer ein leicht positiver Economic Profit nach Kapitalkosten. Selbst Schocks wie negative Zinsen, steigende Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen und ein rückläufiges Kreditwachstum hatten in den Jahren 2011 bis 2016 keine gravierenden negativen Auswirkungen auf die Gesamtprofitabilität der Schweizer Inlandbanken.
Allerdings existieren aus Sicht von Oliver Wyman einige grundlegende strukturelle Defizite:
• Rückläufige Bewertungen börsenkotierter Inlandbanken deuten darauf hin, dass Investoren nicht mehr bereit sind, einen Aufschlag für Banken zu zahlen, die an ihrem bestehenden Geschäftsmodell festhalten. • Die Zinserträge haben sich nur durch eine erhebliche Bilanzausweitung und in manchen Fällen durch erhöhtes Risiko im Asset Liability Management (ALM) stabil halten lassen. Dadurch mussten rückläufige Zinsmargen ausgeglichen werden. • Die fortschreitende Digitalisierung führt zumindest in der jetzigen Phase zu strukturell steigenden Kosten. • Geschäftsmodelle und Kostenstrukturen beruhen auf einem Kreditwachstum, das deutlich über dem prognostizierten nominalen BIP-Wachstum liegt.
Darüber hinaus sehen wir eine Reihe zukünftiger Herausforderungen, die sich negativ auf den Schweizer Inlandmarkt auswirken könnten. Banken müssen sich auf Folgendes vorbereiten:
• Neue Wettbewerber im zentralen Hypothekargeschäft mit besseren Refinanzierungsmöglichkeiten und daher erheblichen Kostenvorteilen, zum Beispiel Versicherungsgesellschaften oder Pensionskassen. • Transformation der traditionellen Kanäle für die Kundeninteraktion, beispielsweise durch ein Schweizer Äquivalent zur Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 in der EU. • Hohe Investitions- und Betriebskosten im digitalen Bereich, um zeitgemässe Kundenerlebnisse bieten zu können. • Risiken durch die Konkurrenz von Fintechs – insbesondere aus dem Ausland –, die ihre europäischen oder globalen Lösungen mit Wettbewerbsvorteilen durch Skaleneffekte auf die Schweiz übertragen können.
Angesichts dieser Dynamik sind Schweizer Inlandbanken gezwungen, innerhalb des bestehenden Geschäftsmodells taktische Optimierungshebel zu nutzen und ihre Marktposition im Zinsgeschäft offensiv zu verteidigen und zu stärken.
1 Ohne UBS Schweiz und Credit Suisse SUB, die in Bezug auf die Eigenkapitalrendite aufgrund von Gruppeneffekten nicht direkt vergleichbar sind.
4 Auch sollten sie den Vorstoss in potenzielle Wachstumsbereiche wie Wealth Management, Ver- sicherungen und Banking für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wagen sowie parallel dazu Chancen in den Bereichen Asset Management und Handel nutzen. In Ergänzung zu traditionellen Massnahmen im Kostenmanagement wie Lean Management, Faktorkostensenkung oder Prozess- optimierung lässt sich durch die Vergemeinschaftlichung in selektiven Bereichen eine nachhaltige Senkung der Kosten erreichen.
Langfristig müssen Banken ein neues strategisches digitales Target Operating Model entwickeln. Dessen Fokus sollte nicht nur auf der digitalen Kundeninteraktion liegen, sondern auch auf konse- quenter Prozessstandardisierung und -automatisierung.
Die effektive Nutzung praktisch aller Hebel erfordert daten-, analyse- und technologiegestützte Ansätze. Hier müssen sich Institute deutlich aggressiver positionieren und entsprechende Fähig- keiten ausbauen.
Schweizer Inlandbanken sind grundsätzlich gut positioniert, um diese Herausforderungen zu meistern. Dank ihrer aktuellen Kostenstruktur und Profitabilität verfügen sie über den notwendigen Handlungsspielraum, um vorhandene Schwächen und Risiken in ihrem Geschäftsmodell zu redu- zieren und weiterhin einen Economic Profit für ihre Eigentümer zu erwirtschaften.
METHODIK
Der Report umfasst auf das Schweizer Inlandgeschäft ausgerichtete Banken (Retail-Banking, damit verknüpftes Wealth Management im Affluent-Bereich sowie KMU-Banking). Dazu zählen UBS Schweiz, Credit Suisse Swiss Universal Bank (SUB), die Raiffeisen Gruppe, alle Kantonal- banken inkl. Bank Cler, PostFinance, Migros Bank, Valiant und weitere Regionalbanken. Für Teile der Analyse wurden individualisierte Regionalbank- und Raiffeisenbankendaten verwendet. Zudem wurde aufgrund von Datenrestriktionen für historische Analyse einzelne Institute weggelassen (insb. Schweizer Geschäft von UBS und CS). Augrund von unterschiedlichen Steuerregimes (insb. bei den Kantonalbanken) und Steuergutschriften können Eigenkapital- renditen einzelner Banken nicht direkt verglichen werden. Erfolgsrechnungs- und Bilanzposten wurden für alle Banken standardisiert und gruppiert. Jedoch können durch unterschiedliche Definitionen trotzdem gewisse Inkonsistenzen entstehen. Internationale Vergleiche beruhen auf einer repräsentativen Auswahl an Banken in den jeweiligen Ländern und können durch lokale Regulierung, Steuerniveaus und Marktbedingungen zu einem gewissen Grad verzerrt sein.
5 SCHWEIZER BANKEN: STATUS QUO
6 SCHWEIZER BANKEN: STATUS QUO
7 Auf das Schweizer Inlandgeschäft ausgerichtete Banken, die ihren Fokus auf Retail-Banking, damit verknüpftes Wealth Management im Affluent-Bereich sowie KMU-Banking2 haben, sind gut auf- gestellt. Mit einer aggregierten operativen Bruttomarge von 42,3 Prozent und einer Eigenkapitalrendite von 5,7 Prozent für 2016 sind sie weiterhin profitabel. Nach Korrektur um die Überkapitalisierung lag die Rendite auf den risikogewichteten Aktiva bei 7,8 Prozent3. Mit anderen Worten: Dank ihres stabilen Geschäftsmodells und des Niedrigzinsumfelds erwirtschaftet die durchschnittliche Inland- bank einen leicht positiven Economic Profit.
Sowohl die Eigenkapitalrendite als auch die Rendite auf risikogewichtete Aktiva bewegen sich – bereinigt um das sinkende Zinsniveau – in etwa auf dem Level von 2011. Dies stellt eine erhebliche Leistung dar, waren Banken doch in diesem Zeitraum mit mehreren Schocks konfrontiert. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang vor allem das negative Zinsumfeld, aber auch erhöhte Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen sowie steigende Regulierungskosten.
Abbildung 1: Operative Bruttomarge4, Eigenkapitalrendite und Rendite auf risikogewichtete Aktiva5 in Prozent, aggregierter Wert für Schweizer Inlandbanken6
OPERATIVE BRUTTOMARGE IN CHF
2011 44.8
42.3 -2.5 Punkte 2016 38.8
EIGENKAPITALRENDITE
2011 7.0
5.7 -1.3 Punkte 2016 7.3
RENDITE AUF RISIKOGEWICHTETE AKTIVA
2011 8.3
7.8 -0.5 Punkte 2016 10.8
Ohne UBS Switzerland / Credit Suisse SUB Einschliesslich UBS Switzerland / Credit Suisse SUB (2016)
Quelle: Geschäftsberichte, Orbis, Oliver Wyman-Analyse
2 Der Report umfasst auf den Inlandmarkt ausgerichtete Schweizer Banken (Retail-Banking, KMU-Banking und Wealth Management in der Schweiz): UBS Schweiz, Credit Suisse Swiss Universal Bank (SUB), die Raiffeisen Gruppe, alle Kantonalbanken inkl. Bank Cler, PostFinance, Migros Bank, Valiant und weitere Regionalbanken. Vergangenheitsbezogene Vergleiche sind aufgrund fehlender historischer Daten aus einer Marktanalyse unter Ausschluss von UBS Schweiz und Credit Suisse SUB abgeleitet. 3 Ohne UBS Schweiz und Credit Suisse SUB, die in Bezug auf die Eigenkapitalrendite aufgrund von Gruppeneffekten nicht direkt vergleichbar sind. 4 Definiert als Bruttobetriebsertrag minus Bruttobetriebsaufwand/Bruttobetriebsertrag. 5 Definiert als Reingewinn nach Steuern/Zwölf Prozent der risikogewichteten Aktiva (RWA). 6 Historischer Vergleich ohne UBS Schweiz und Credit Suisse SUB. Für 2016 sind auch aggregierte Werte einschliesslich UBS Schweiz und Credit Suisse SUB angegeben. Es besteht jedoch grosse Unsicherheit bezüglich ihrer Ergebnisse aufgrund fehlender Daten und der Bedeutung von konzerninternen Verrechnungskosten sowie Kapitalallokation, sodass einige Positionen geschätzt werden mussten.
8 Insbesondere im Vergleich zu auf den Inlandmarkt ausgerichteten Instituten in Deutschland und Südeuropa sind die Schweizer Banken wirtschaftlich sehr erfolgreich. Nur Banken aus den nordischen Ländern erzielen bessere Renditen sowie Cost-Income-Ratios, und dies auch nur in erheblich konzentrierteren Märkten.
Beim Vergleich der Bruttomargen werden erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen europäischen Märkten sichtbar. Die nordischen Märkte waren in den letzten Jahren durch eine stark steigende Profitabilität gekennzeichnet, während andere mit sinkender Profitabilität zu kämpfen hatten.
Erreicht haben die nordischen Banken dieses Wachstum durch eine umfangreiche Transformation in ihren Geschäfts- und Betriebsmodellen. Dies beinhaltete Automatisierung und Standardisierung sowie erhebliche Kosteneinsparungen.
Die Beobachtungen lassen sich nicht eins zu eins von einem Land aufs andere übertragen. Zu be- rücksichtigen sind vielmehr die konkrete Situation am jeweiligen Markt – und damit Unterschiede im Kundenverhalten und in der Wettbewerbsintensität – sowie die relative wirtschaftliche Lage in dem entsprechenden Land.
Abbildung 2: Internationaler Profitabilitätsvergleich Inlandbanken nach Bruttomarge (1-Cost-Income-Ratio)7 (in %)
BENELUX
2011 35
2016 34 -1 Punkt
DEUTSCHLAND
2011 28
2016 30 +2 Punkte
NORDISCHE LÄNDER
2011 42
2016 53 +11 Punkte
SÜDEUROPA
2011 39
2016 31 -8 Punkte
SCHWEIZ
2011 45
2016 42 -3 Punkte
Quelle: Geschäftsberichte, Orbis, Oliver Wyman-Analyse
7 Auf Basis einer Auswahl von Banken, die in den entsprechenden Ländern auf das Inlandgeschäft ausgerichtet sind; Schweiz ohne UBS Switzerland und Credit Suisse SUB.
9 Allerdings haben die derzeitigen Geschäftsmodelle vieler Institute aus unserer Sicht strukturelle Defizite. Dies spiegelt sich in den Bewertungen am Aktienmarkt wider.
Die Bewertungen für börsenkotierte Schweizer Inlandbanken sind in den letzten Jahren stark gesunken. Zwischen 2007 und 2016 verzeichneten sie einen Rückgang des Kurs-Buchwert- Verhältnisses (KBV) von rund 25 Prozent auf einen Wert von 1,3. Dabei notierte etwa ein Viertel aller Schweizer Inlandbanken mit einem KBV von unter 1. Dies deutet darauf hin, dass Investoren nicht mehr bereit sind, einen Aufschlag für Banken zu zahlen, die an ihrem bestehenden Geschäftsmodell festhalten. An den nominalen Aktienkursen ist dies nicht erkennbar, da Banken durchschnittlich 50 bis 60 Prozent ihres Gewinns einbehalten haben, um ihre Eigenkapitalbasis zu stärken und die Ausweitung ihrer Bilanzen zu finanzieren.
Wichtigster Faktor für den Aktienkurs ist die Cost-Income-Ratio, mit der sich etwa 20 Prozent der Unterschiede beim KBV statistisch erklären lassen. Anleger sind willens, einen Aufschlag für Banken mit einer niedrigen Cost-Income-Ratio und einer hohen Eigenkapitalrendite zu entrichten. Auch wird eine Prämie für grössere Institute bezahlt. Andere Aspekte wie Geschäftswachstum, Ertragsquellen oder Ausschüttungspolitik haben keine nennenswerten Auswirkungen auf die Bewertung.
Zwischen 2011 und 2016 blieben sowohl Ertrag als auch Kostenstruktur bei Schweizer Inlandbanken relativ stabil. Der Gesamtertrag war 2016 nominal etwas höher als 2011, mit einem leichten Anstieg beim Handels- und beim sonstigen Ergebnis. Auf der Kostenseite war ein stärkerer, aber immer noch moderater Anstieg von etwa zwei Prozent pro Jahr zu beobachten.
Aus Sicht von Oliver Wyman gibt es eine Reihe von strukturellen Schwachstellen, die die mässiger werdenden Bewertungen mit treiben.
Abbildung 3: Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV), Schweizer Retailbanken (aggregiert)8
2.4
KURS BUCHWERT VERHÄLTNIS -25 %
1.6
0.8
0.0 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Quelle: Datastream, Oliver Wyman-Analyse
8 Auswahl: Börsenkotierte Schweizer Retailbanken, 2007 bis 2017.
10 Grösster Schwachpunkt auf der Ertragsseite ist die starke Abhängigkeit vom Zinsgeschäft, die bei allen Schweizer Inlandbanken festzustellen ist. Bei unserer Auswahl machen die Zinserträge 55 Prozent des Gesamtertrags im operativen Geschäft aus. Bei kleineren Kantonal-, Regional- und Raiffeisen- banken kann der Ertragsanteil des Zinsgeschäfts sogar bei bis zu 80 Prozent liegen.
Der Nettozinsertrag blieb mit einem Wachstum von jährlich 0,2 Prozent zwischen 2011 und 2016 nahezu unverändert. Erreicht wurde dies durch eine erhebliche Bilanzausweitung, vorwiegend durch Wachstum im Hypothekengeschäft (zirka 4,5 Prozent pro Jahr im Zeitraum 2011 bis 2016) als Gegengewicht zu rückläufigen Zinsmargen. Eine genauere Analyse ausgewählter Banken zeigt auch einen Anstieg der Zinsrisiken und eine Abhängigkeit von Gewinnen aus der Fristentransformation. Der Ertrag konnte stabil gehalten werden – allerdings um den Preis erheblich höherer Bilanzsummen, damit verbundenen Risiken und Eigenkapitalanforderungen.
Abbildung 4: Betriebsertrag und -aufwand, Schweizer Inlandbanken (aggregiert)9 (in %)
2016 55 31 9 5 29 Mrd. CHF 0.2 1.2 3.8 22 1.3 ’11- ’16 1) Veränd. p.a.
2016 53 47 18 Mrd. CHF 2.1 2.4 2.2 ’11- ’16 1) Veränd. p.a.
Provisionsergebnis Sonstiges Ergebnis Sachkosten Zinsergebnis Handelsergebnis Personalkosten
1. Veränderung p. a. 2011-2016 ohne UBS Switzerland, Credit Suisse SUB Quelle: Geschäftsberichte, Oliver Wyman-Analyse
9 Aggregierter Wert für Inlandbanken für 2016, einschliesslich Ergebnisse für UBS Switzerland und Credit Suisse SUB. Historischer Vergleich (jährliche Veränderung 2011 bis 2016) ohne UBS Switzerland und Credit Suisse SUB.
11 Neben den ungünstigen Auswirkungen des Niedrig- oder Negativzinsumfelds stellt sich zunehmender Wettbewerb am Hypothekarmarkt ein. Pensionskassen und Versicherungsgesellschaften verfügen aufgrund ihrer Refinanzierungsstruktur über strukturelle Kostenvorteile und treten aggressiv am Hypothekarmarkt auf. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzen wird und stark vom Zinsgeschäft abhängige Banken entsprechend unter Druck bleiben. Bilanzorientierte Geschäfts- modelle sind kurz- und mittelfristig weniger attraktiv.
Bei näherer Betrachtung einzelner Unternehmen sind diversifizierte Banken widerstandsfähiger als spezialisierte Anbieter, beispielsweise Banken mit einem Fokus auf Entgegennahme von Kunden- geldern. So hat sich die Einführung negativer Zinsen durch die Schweizerische Nationalbank im Januar 201510 unterschiedlich auf verschiedene Bereiche ausgewirkt. Während sich die Margen bei allen Kreditprodukten erhöht haben, sind sie bei Einlageprodukten nun weitgehend negativ. Diversi- fizierung ist daher für Banken eine natürliche Absicherung. Institute, die ihre Aktivitäten auf ein sehr spezifisches Geschäftsmodell wie Einlagen konzentrieren, sind am stärksten von den Auswirkungen des Negativzinses betroffen.
Abbildung 5: Zinsmarge, Schweizer Retailbanken (aggregiert) (in %)
2.0
1.8 - 4 bps p.a.
1.6
1.4
1.2
1.0
0.8 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
90% Rang-Marge Durchschnittsmarge 10% Rang-Marge
Quelle: Geschäftsberichte, Oliver Wyman-Analyse
Die zweite Ertragssäule – Provisionserträge – verzeichnete zwischen 2011 und 2016 mit jährlich 1,2 Prozent ein etwas stärkeres Wachstum. Dies war einem Anstieg des verwalteten Vermögens zu verdanken, der lediglich durch rückläufige Margen leicht konterkariert wurde. Da das Provisions- geschäft jedoch grösstenteils nicht in einer direkten Verbindung zur Bilanz steht und nur sehr wenig Eigenkapital erfordert, haben sinkende Margen dort nicht die gleichen Folgen für die Eigenkapital- rendite wie ein Margenrückgang im Zinsgeschäft.
Der starke Anstieg des Handelsergebnisses von 3,8 Prozent pro Jahr ist vor allem auf die Aktivitäten bestimmter Banken zurückzuführen und in seinem Umfang begrenzt. Insbesondere bei Banken mit ausreichender Grösse, gutem Rating und entsprechender Kundenbasis, sprich einer starken Position bei Firmenkunden, institutionellen Kunden und beim Asset Management, kann ein solches Geschäft im aktuellen Umfeld sehr profitabel und eine attraktive Option zur Ertragsdiversifizierung sein.
10 Die Schweizerische Nationalbank hat am 18. Dezember 2014 mit Wirkung zum 22. Januar 2015 negative Zinsen von -0,25 Prozent (Mitte des Zielbands) eingeführt. Am 15. Januar 2015 wurde eine weitere Absenkung auf -0,75 Prozent bekannt gegeben.
12 Auf der Kostenseite sorgen Personal- und Sachkosten weiterhin für Druck. Der Gesamtanstieg der Personalkosten bei Inlandbanken (ohne UBS und Credit Suisse) belief sich zwischen 2011 und 2016 auf jährlich 2,1 Prozent und lag damit deutlich über der Inflationsrate. Dieser Anstieg hat zwei Ursachen: steigende Mitarbeiterzahlen und eine Zunahme der Personalstückkosten.
Die Anzahl der Vollzeitäquivalente hat sich leicht um 0,4 Prozent pro Jahr erhöht. Parallel dazu sind auch die Stückkosten gestiegen. Der Personalaufwand je Vollzeitäquivalent hat um jährlich 1,7 Prozent zugenommen. Damit liegt diese Zuwachsrate deutlich über dem durchschnittlichen Lohnwachstum für die Schweiz, das sich auf 0,7 Prozent beläuft.
Steigende Stückkosten sind in der europäischen Bankenbranche nicht ungewöhnlich. Banken beschäftigen in transaktionsbezogenen Front-, Middle- und Backoffice-Funktionen weniger niedrigqualifizierte Mitarbeiter und stellen für die Steuerung komplexerer Prozesse hochqualifizierte Mitarbeiter ein.
Allerdings sehen wir in Märkten wie Deutschland und Südeuropa von 2011 bis 2016 einen Beschäf- tigungsrückgang von jährlich etwa 1 Prozent im Inlandgeschäft. Auf das Retail-Banking in der Schweiz trifft dies nicht zu. Bei Schweizer Inlandbanken bleibt das Beschäftigungsniveau konstant, während die Stückkosten steigen.
Erklären lässt sich dies damit, dass Schweizer Banken noch immer über ein sehr dichtes Filialnetz verfügen, was mit erheblichen Kosten verbunden ist. Andere europäische Märkte wie die nordischen und die Benelux-Länder bieten ein hohes Serviceniveau bei weit weniger Filialen. Dänemark gehört zu den Märkten, in denen Banken ihr Filialnetz deutlich ausgedünnt haben, um Kosten zu sparen und ihre Vertriebskanäle neu zu strukturieren – und das insbesondere mit neuen digitalen Modellen.
Abbildung 6: Auswirkungen des Negativzinses auf Geschäftsbereiche, Schweizer Inlandbanken
AFFLUENT BANKING + KREDITGETRIEBEN KMU +
- RETAIL BANKING AFFLUENT BANKING -- EINLAGENGETRIEBEN
13 Abbildung 7: Anzahl Vollzeitäquivalente und Personalaufwand, aggregierter Wert für Schweizer Inlandbanken ohne UBS und CS11; Filialen von Geschäftsbanken pro Kopf, europäische Märkte
111
110
109 Struktureller 108 Stückkostenanstieg 5.3%, 2011-2016 107
106
105 Durchschnittliche 104 Lohnerhöhung Schweiz 103 3.4%, 2011-2016 102
101 Indexierter FTE / Personalaufwand (2011=100) 100 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Personalauwand FTE
70
60
50
40
30
20
10
Bankfilialen, je 100.000 Einwohner 0 2011 2012 2013 2014 2015
Südeuropa Schweiz Benelux Deutschland Dänemark Nord. Länder
Quelle: Geschäftsberichte, BFS, OECD, EZB, Oliver Wyman-Analyse
11 Hohe Zahlungen an Pensionskassen für Bankmitarbeiter in den Jahren 2012 (ZKB, Raiffeisen), 2015 (Berner Kantonalbank) und 2016 (ZKB). Bereinigt um diese Einmalzahlungen lag der strukturelle Anstieg der Stückkosten zwischen 2011 und 2016 bei 3,8 Prozent.
14 Abbildung 8: Jährliches Wachstum bei ausstehenden Hypotheken am Schweizer Markt im Vergleich zum Wachstum des nominalen BIPs in der Schweiz (in %)
6
5
4 -2.8 Punkte
3 Wachstum ausstehende Hypotheken 2
1 Schweizer BIP-Wachstum, nominal
0 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Quelle: SNB, BFS, OECD
Und schliesslich sehen wir viele Banken mit etablierten Geschäftsmodellen, die auf einem hohen Kreditwachstum beruhen, das deutlich über dem prognostizierten Wachstum des nominalen BIPs liegt. Mehrheitlich erwarten Schweizer Inlandbanken immer noch, dass sich ihr Kreditwachstum auch längerfristig deutlich über dem nominalen BIP-Wachstum bewegt, und sind strukturell ent- sprechend aufgestellt. Unseres Erachtens sollten diese Banken ihr Geschäftsmodell radikal auf eine „Null-Kreditwachstums-Ära“ ausrichten. Das jährliche Wachstum der ausstehenden Hypotheken ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken, und dieser Trend wird sich aller Voraussicht nach weiter fortsetzen.
Insgesamt haben Schweizer Inlandbanken in einem schwierigen Marktumfeld stabile Ergebnisse erzielt. Angesichts einer Reihe struktureller Schwächen, dazu gehören die starke Abhängigkeit von rückläufigen und strukturell unattraktiven Zinserträgen, der strukturelle Kostenanstieg und die Fokussierung auf Bilanzwachstum, wird es für Banken jedoch schwieriger werden, das aktuelle Niveau zu halten. Die sinkenden Bewertungen sind daher als Warnsignal zu betrachten.
15 16 ANSTEHENDE HERAUS- FORDERUNGEN
Zusätzlich zu den oben genannten strukturellen Schwächen zeichnen sich in Zukunft einige Heraus- forderungen ab, die Schweizer Inlandbanken weitaus stärker unter Druck setzen könnten.
So drängen neue Anbieter wie Versicherungs- gesellschaften oder Pensionskassen in das für den Zinsertrag zentrale Hypothekargeschäft und in einem geringeren Ausmass auch in den Markt für KMU-Kredite. Sie haben strukturelle Vorteile, da sie keine Einlagen quersubventionieren und langfristige Kredite nicht absichern müssen.
Derzeit betreiben Banken eine Quersubventio- nierung ihres unrentablen Einlagengeschäfts durch Preisanpassungen auf der Aktivseite, ins- besondere im Hypothekargeschäft. Alle Schweizer Inlandbanken verfügen über eine ähnliche Refinanzierungsstruktur, die sich vor allem auf Einlagen stützt. Gleichzeitig dominieren diese Banken den Schweizer Hypothekarmarkt mit einem aggregierten Marktanteil von rund 95 Prozent. Nichtbanken verfügen auch im Unter- nehmenskreditgeschäft mit KMU nur über einen verschwindend geringen Marktanteil. Daher war es möglich, Preisanpassungen im Kreditgeschäft vorzunehmen und die negativen Margen im Ein- lagengeschäft durch Margensteigerungen bei Hypotheken und anderen Krediten auszugleichen.
Nichtbanken haben nach wie vor nur einen Markt- anteil von etwa 5 Prozent am Schweizer Hypo- thekarmarkt. Dennoch könnten Zinsvorteile zusammen mit Kapitalvorteilen und neuen Ver- triebsmodellen den Wettbewerbsdruck durch Nichtbanken erheblich verstärken und damit für einen hohen Margendruck bei Banken sorgen. Und dies vor allem bei längeren Laufzeiten und weniger komplexen Hypothekenstrukturen im Niedrigrisikosegment.
17 FALL
STUDIE Abbildung 9: Konkurrenz durch Nichtbanken Fallstudie: Niederländischer Hypothekenmarkt12 (in %)
2010 20 80
2015 25 75
Neue Hypotheken 38 62 (H1 2016)
Banken Nichtbanken
Quelle: DNB
Am niederländischen Hypothekenmarkt haben Banken in den letzten Jahren Marktanteile an Wettbewerber verloren. Seit 2010 ist der Marktanteil von Instituten im Hypothekengeschäft leicht von 80 auf 75 Prozent gesunken. Wird jedoch nur das Neugeschäft betrachtet, so entfällt mittlerweile ein deutlich höherer Anteil auf Nichtbanken (38 Prozent). Von allen Wettbewerbern haben Pensionskassen die grössten Möglichkeiten, ihren Anteil am Hypothekenmarkt weiter auszubauen, da Hypotheken derzeit nur 2 Prozent ihres Anlageportfolios ausmachen.
Eine zweite Herausforderung ist die Transformation traditioneller Kanäle für die Kundeninteraktion. Die überarbeitete Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) hat mit Inkrafttreten in der Europäischen Union (EU) im Januar 2018 das Potenzial, die Spielregeln am Markt neu zu definieren.
PSD2 wird die rechtlichen Grundlagen dafür schaffen, dass alle Anbieter von Finanzdienstleistungen in der EU umfassenden Zugang zu Kunden- und Produktdaten haben. Jedes Unternehmen, das entsprechende Dienstleistungen offerieren möchte, wird dann auf Daten zu Einlagen, Zahlungen, Darlehen und Kapitalanlagen zugreifen können – unabhängig davon, welches Unternehmen das Kundenkonto verwaltet. Auch wird PSD2 aller Voraussicht nach die wachsende Verbreitung von Nichtbanken-Aggregatoren und -Plattformen beschleunigen, die sämtliche Daten zu Konten eines Kunden finanzinstitutsübergreifend in einer Hand zusammenführen.
Infolgedessen kann sich die Kontrolle der Kundenschnittstelle zu Drittanbietern verschieben. Diese unabhängigen Anbieter werden versuchen, die besten Konditionen für ihre Kunden auszuhandeln, indem sie Preistransparenz bieten und einen problemlosen Wechsel ermöglichen. In diesem Szenario kann ein Teil der etablierten Anbieter in die Rolle eines reinen Produktlieferanten gedrängt werden. Als solche stehen sie in einem intensiven Preiswettbewerb mit nur noch begrenztem Einfluss auf das Kundenerlebnis. Gleichzeitig gibt es weiterhin entsprechende Risiko-und Eigenkapital- anforderungen.
12 DNB
18 Momentan ist noch nicht absehbar, wie und wann die Schweizer Regulierung oder der Markt auf PSD2 reagieren wird. Es scheint jedoch sehr wahrscheinlich, dass es in der Schweiz eine ähnliche Initiative wie PSD2 geben wird oder der Markt einen ähnlichen Rahmen einfordert. Möglich ist auch, eine fehlende PSD2-Programmierschnittstelle (Application Program Interface, API) zumindest bis zu einem gewissen Grad durch die Nutzung von entsprechender Technologie zu ersetzen.
Eine dritte und letzte Herausforderung stellen die hohen Investitionskosten für ein zeitgemässes Kundenerlebnis im digitalen Bereich dar. Schweizer Banken investieren erhebliche Mittel in neue Projekte zur Digitalisierung der Kundenbeziehung, entweder über eigene oder über eingekaufte Lösungen. Die wesentlichsten Trends am Markt sind derzeit die Optimierung der traditionellen Online- und Mobile-Banking-Lösungen, produktzentrierte Lösungen, allen voran Online-Hypotheken, digitales Kunden-Onboarding und die Umstellung auf einen technologiegestützten Beratungsprozess mit einer stärkeren Lebensereignis- und Kundenorientierung. Die meisten dieser Initiativen haben noch keine Breitenwirkung oder grössere Nutzerzahlen erzielt. Im Markt aber werden sie als Grund- voraussetzung dafür gesehen, dem langfristigen Wandel bei den Kundenbedürfnissen Rechnung tragen zu können.
Mit diesen Initiativen gehen hohe direkte Projektkosten einher. Denn Tatsache ist, dass sich tradi- tionelle Kernbanksysteme nicht für kurzfristige Innovationen eignen. Die effektiven langfristigen Kosten liegen aber in der Regel noch deutlich über den ausgewiesenen Kosten. Derzeit setzen fast alle diese Initiativen auf traditionellen Prozessen auf, was zusätzliche Kosten- und Komplexitäts- schichten schafft. Sind diese Kernprozesse weder digitalisiert noch standardisiert, kann ein neuer Onlinekanal zu weit höheren Gesamtkosten je Prozesseinheit führen, als dies bei traditionellen Kanälen der Fall ist. Es gibt mehrere Anbieter in der Schweiz, bei denen ein digitaler Antrag auf einen Hypothekarkredit mit deutlich höheren Stückkosten verbunden ist als ein traditioneller Kreditantrag auf Papier.
Zu Beginn einer digitalen Transformation sind Investitionen unvermeidbar. Wenn jedoch erhöhte strukturelle Kosten im gesamten Unternehmen entstehen, dann verschlechtert sich die strategische Position der Bank. Diese Verschlechterung lässt sich nicht mit dem oft nur geringfügigen Zusatz- erträgen neuer digitaler Initiativen rechtfertigen.
Die Herausforderungen, die mit neuen Wettbewerbern im Kerngeschäft, grossen regulatorischen Veränderungen und hohen Investitionskosten im Zuge der Digitalisierung einhergehen, können für Banken zur Bedrohung werden. Für die Institute wird es entscheidend sein, sich auf diese Herausforderungen vorzubereiten und entsprechend aufzustellen.
Abbildung 10: Darstellung der zusätzlichen Kostenschicht zur Optimierung des Kundenerlebnisses
TRADITIONELLES MODELL Kunden Kundenschnittstelle Kernprozess Datenbank Traditioneller Kanal
NEUES MODELL Kunden Online-Kanal Kundenschnittstelle Kernprozess Datenbank Traditioneller Kanal
19 DER WEG IN DIE ZUKUNFT
20 21 Strukturelle Schwächen im Geschäftsmodell in Kombination mit den oben genannten Heraus- forderungen machen Massnahmen auf drei Ebenen in Form von kurz-, mittel- und langfristigen Initiativen nötig.
Banken verfügen im Rahmen ihres bestehenden Geschäftsmodells über einige kurzfristige taktische Optimierungshebel, um ihr aktuelles Ertrags- und Profitabilitätsniveau abzusichern, insbesondere im Zinsgeschäft.
Alternative, zinsunabhängige Ertragsquellen und eine Optimierung der Kostenstruktur sind mittel- fristige Optimierungshebel, um die Ertragskraft zu wahren und dauerhaft zu stärken.
Langfristig müssen Banken eine grundlegendere Neuausrichtung ihres Geschäfts und ihrer operativen Prozesse auf Basis eines digitalen Target Operating Models vornehmen, um Profitabilität und Positionierung nachhaltig zu schützen.
Alle drei Ebenen sind nicht nur miteinander verzahnt, sondern stehen auch miteinander in positiver Wechselwirkung.
Abbildung 11: Massnahmen zur Optimierung des Geschäftserfolgs
OPTIMIERUNGSHORIZONT MASSNAHMEN
langfristig Digitales Target Operating Model • Entwicklung eines nachhaltigen Betriebsmodells