MAR.14

Am Schlagzeug EINSCHLAUFEN Betrifft: Die besten Menschen der Welt Impressum Nº 02.14 DER MUSIKZEITUNG LOOP 17. JAHRGANG Okay, das musste ja so kommen. Kurzes Einzäh- hauser Combo Papst & Abstinenzler nachhören len – und dann gleich in die Vollen. Also: Bas- lässt: «D Schlagzüüger sind immer am Skypä.» P.S./LOOP Verlag sist und Schlagzeuger fallen aus einem Fenster Doch das ist bloss ein ganz kleiner Teil der Postfach, 8026 Zürich im 10. Stockwerk. Sagt der Bassist zum Schlag- Wahrheit. Denn Schlagzeuger sind die letzten Tel. 044 240 44 25, Fax. …27 zeuger: «Hey, da sind wir ja endlich mal zusam- grossen Helden unserer Zeit. Sie verrichten ihr www.loopzeitung.ch men!» Antwort des Schlagzeugers: «Warts ab.» Handwerk im Rampenlicht inmitten von Feuer- Ba-dumm! fontänen, justieren permanent ihr Arbeitsgerät, Verlag, Layout: Thierry Frochaux Damit hätten wir die wundervolle Welt der bedienen zusätzliches Zubehör wie Regenstäbe, [email protected] Schlagzeugerwitze wenigstens gestreift. Und Glockenspiele, Ripschgurken, Schlaghölzchen, damit einem Phänomen Rechnung getragen, Tablas, Marimbas, Sambakugeln und den gros- Administration, Inserate: Manfred Müller das die Welt der hart arbeitenden Musiker seit sen Gong hinter ihrem Rücken – und bleiben [email protected] mindestens fünf Jahrzehnten prägt und als unka- dennoch in sich ruhend. puttbares Klischee immer mitschwingt, wenn Man könnte nun herausragende Vertreter der Redaktion: Philippe Amrein (amp), man sich zwischen Soundcheck, Abendessen Profession zitieren. Leute wie John Bonham, Benedikt Sartorius (bs), Koni Löpfe und Konzertbeginn in irgendwelchen Backstage- Keith Moon, Peter «Beth» Criss, Dave Grohl, [email protected] Räumlichkeiten trifft. Die einzelnen Bandmit- Ginger Baker oder die hochverehrte Corin Tu- glieder lenken sich mit diversen nebensächlichen cker. Aber das überlassen wir natürlich den Kol- Mitarbeit: Reto Aschwanden (ash), Tätigkeiten ab. Die Sänger trinken Salbeitee mit legen vom «Rolling Stone», die sich gerne mit Yves Baer, Esther Banz, Thomas Bohnet (tb), Whiskey und Zitrone drin, die Bassisten memo- Listen durch die Vergangenheit manövrieren. Harald Fette (hu), Christian Gasser (cg), rieren ihre Grundtöne (A-A-A-A-A, F-F-F-F, C- Uns liegt das fern, obschon wir ausgewiesene Michael Gasser (mig), Olivier Joliat, C-C-C), die Gitarristen lassen die Gelenke ihrer Fans der Listenschreiberei sind. In diesem Fall Hanspeter Künzler (hpk), Tony Lauber (tl), Finger knacken und lesen noch ein paar Seiten nämlich versagt der tabellarische Ansatz. Denn Mathias Menzl (men), Philipp Niederberger, in einem alten Eckhard-Henscheid-Roman. Die Schlagzeuger kümmern sich einen Dreck um Felix Traber Schlagzeuger hingegen lassen sich davon nicht engherzig verfasste Statistiken. Sie bleiben lieber beirren und trommeln – eben – unbeirrt mit ih- draussen, stürzen aus Hochhäusern, kümmern Druck: NZZ Print, Schlieren ren Stöcken auf den Oberschenkeln herum, legen sich ums Gaffa-Tape und treiben als Pragmati- sich eine Rolle Gaffa-Tape bereit, tänzeln locker ker aus dem Bühnenhintergrund die Phlegma- Das nächste LOOP erscheint am 27.3.2014 in der Garderobe herum, um dann irgendwann tiker vorne im Rampenlicht an. Das nennt sich Redaktions-/Anzeigenschluss: 20.3.2014 ihr Notebook aufzuklappen. Und dann tun sie, Rock’n’Roll. Das Tagesgeschäft der besten Men- was sich auf der nach wie vor schwer empfohle- schen der Welt. Titelbild: Ringo Starr nen neuen Platte «Geischterfahrer» der Schaff- Guido Granada

Ich will ein Abo: (Adresse) 10 mal jährlich direkt im Briefkasten für 33 Franken (in der Schweiz). LOOP Musikzeitung, Langstrasse 64, Postfach, 8026 Zürich, Tel. 044 240 44 25, [email protected] EXPORTSCHLAGER drummte für Jazz-Grössen swiss chris Von Breakbeats bis Bad Seeds: Schwei- wie Dizzie Gillespie oder Nina Simone und probierte zer Schlagzeug-Söldner sind die erfolg- sich auch im Rock. Richtig den Kopf verdrehten ihm reichsten helvetischen Musiker in frem- jedoch 190 BPM-Eskapa- den mit halsbrecherischen den Diensten. Drum-and-Bass-Beats. Da- für reichten die bekannten Das martialische steckt dem Instrument schon im Namen, Techniken nicht, und Jojo und tatsächlich fi ndet man die ersten international erfolg- entwickelte den Mayer reichen Eidgenossen-Trommler auf den Schlachtfeldern von Stroke – eine Schlagtech- Morgarten bis Marignano. nik, bei der sein Stick dank Den Ruhm der heutigen Schweizer Export-Schlagzeuger wechselndem Impuls von kann man aber schlecht mit Reisläufer-Geschichten erklä- Zeige- und Mittelfi nger zum ren. Der Krieg ist dennoch ein Grund dafür: «Wo fi ndet munteren Solo-Einer-Wirbel man schon so viele schalldichte Proberäume wie in den rollt. Hüftabwärts tüftelt er Luftschutzkellern Schweizerischer Mittelstandshäuser?», re- an neuen Kick-Varianten, sümiert Swiss Chris in seinem Brookliner Basement. Dass bei denen ein Fuss dank Bal- eifrig übende Nachwuchstrommler ein Nachbarschreck len-, Ferse- und Schwenkbe- sind, weiss der jüngste Schweizer Super-Groover aus eige- wegungen sperrfeuert wie ner Erfahrung. Lange bevor Chris musikalischer Direktor die Doppelpedale der klas- the Sky Away»-Tour spielt dennoch Sclavunos, entgegen von John Legend war und für HipHop-Giganten wie Kanye sischen Metal-Wirbler. Am der Album-Besetzung. Wydler: «Ich hatte einen Monat vor West, Chuck D oder Snoop Dog die dicken Beats klopfte, bequemsten spielt sich das Tourstart eine böse Dickdarmentzündung, und so sprang schränkte er als Bub im solothurnischen Neuendorf bei Wind bestimmt auf dem von ihm Jim ein. Nun spielt er die Tour zu Ende». Aber ein Drummer und Hochnebel seine Ordonanz-Trommel und marschierte designten Perfect Balanced wäre doch schnell zurückgewechselt? Wydler empört: «Das durchs Gäu. «Ein paar alte Frauen beschenkten mich mit Pedal. Letztes Jahr hatte wäre doof. Man müsste die ganze Setdynamik umarrangie- Schokolade, aber die meisten Neuendorfer wünschten mich Mayer die Ehre an Gedenk- ren. Nur Idioten missbrauchen Drummer als Timekeeper!» wohl eher ins Pfefferland», lacht Swiss Chris heute. konzerten zum 25. Todestag Er selbst kommt aus dem Free Jazz. Als Wydler Anfang der des ebenso legendären wie Achtzigerjahre aus dem stieren Zürich nach Berlin zog, traf HALSBRECHERISCHE BEATS virtuosen Buddy Rich zu er in der New-Wave-Szene auf offene Geister, unter ande- spielen. Duellierte sich Rich rem von den Neubauten und . «Als Das Schlagzeug nennt er schon alleine deshalb das kreativ in den 70ern mit Muppet Schweizer genoss ich sicher einen Exoten-Bonus. Heute anspruchvollste Instrument, weil jeder Drummer sein Set The Animal um den Schlag- müsste ich mein Glück als junger Musiker nicht unbedingt individuell zusammenstellt. Ausserdem wird die Rhythmik zeug-Thron, müsste Mayer in Berlin suchen. In Zürich läuft ja einiges, und so gut ist es in der heutigen Musik immer entscheidender. «It’s all about wohl zeitgemäss gegen einen hier auch nicht mehr.» the drummer», widerspricht er den gängigen Musikerwitzen Computer antreten. Doch Wydler bleibt trotzdem und ist nach dem Abgang von Bar- in der Populär-Musik, die dem Schlagzeuger in einer Band – selbst der Perfektionist ver- geld und mit bald 30 Bandjahren der dienst- spätestens seit Ringo Starr – den Clownpart zuweisen. «Ein gisst mal Elementares, wes- älteste Bad Seed. «Im März starten die ersten Proben für Schlagzeuger darf sich, wie der Goalie in einem Fussball- halb der Autor Mayer bei das nächste Album mit den Bad Seeds. Das Album erscheint team, keine Fehler erlauben, sonst fällt alles auseinander. Er seinem letzten Basler Kon- aber frühestens im Frühling 2015. Denn dazwischen gehen ist das Rückgrat und hat den verantwortungsvollsten Posten zert einen Teppich zu Füssen sie ja wieder auf Tour.» Zeit für Wydler einen Sommer aus- in einer Band.» Seinem kraftvoll virtuosen Spiel zum Trotz legen durfte. zuspannen? «Nein, ich habe noch tausend andere Sachen: nennt er denn auch Pausen als seine Signature-Spezialität. Filmmusik und Soloprojekte. Und das schöne Wetter fi ndet Und dies seit er nach dem Abschluss am Berklee College of «NICHT DIE NACHBARN NERVEN!» ja meist draussen statt, während ich mich im Studio ein- Music, wo er den vielen Namensvettern wegen Swiss Chris mauere. Aber ich bin mir als Schlagzeuger seit 38 Jahren gerufen wurde, nach New York zog und bis zu vier Gigs «Ein Schweizer Uhrwerk», gewohnt: Ja, nicht die Nachbarn nerven!» am Tag spielte, um Fuss zu fassen. «Jazz-Engagements be- nannte Nick Cave in einem Olivier Joliat kam man Mitte der 90er eh keine. Darum spielte ich viel Interview seinen Drum- in der Poetry-Scene und setzte auf die Mute-Technik des mer, den Zürcher Thomas HipHop, wodurch die Reime der Poeten wie Raps klangen. Wydler. «Wobei Cave ja in Das würde auch bei Franz Hohler funktionieren». Parallel Anlehnung an Orson Wel- fasste er in der boomenden HipHop-Szene Fuss und bekam les sagte: Eine Schweizer als Drummer der legendären Lyricist Lounge mit, wie etwa Kuckucks-Uhr. Damit sug- Jay-Z und Eminem bei ihren ersten Open-Mic-Auftritt noch geriert er unterschwellig, nicht bejubelt wurden. «Konkurrenzdenken ist mir fremd. dass die Schweizer nicht mal Einen Besseren gibt es immer, und das ist gut. So bleibe ich ihren bekanntesten Kultur- mein Leben lang ein Lernender», übt sich einer der grössten export wirklich selbst erfun- HipHop-Drummer und Member der Universal Zulu Nation den haben», präzisiert Wyd- Brooklyn Chapter 9 in schweizerischer Bescheidenheit. ler lachend. So hat Chris denn auch nur bewundernde Worte für Jojo Nicht nur sprachlich legt Mayer, den anderen eidgenössischen Überdrummer in New er Wert auf die feinen Zwi- York: «Jojo war für mich ein Vorbild und ich staune noch schentöne. Verglichen mit heute über seine Technik und sein innovatives Spiel.» Und er- Caves anderem Drummer, gänzt lachend: «Als in Bern Geborener spiele ich jedoch lieber Grindermann-Keulen- halb so schnell wie dieser Zürcher!» Mayer lernte wie Pierre schwinger , ist Favre und Fredy Studer, die Grandseigneurs der Schweizer Wydler der nuancierte Be- Jazz-Drummer, das Schlagzeugspiel autodidaktisch. Mayer senwischer. Auf der «Push thomas wydler SZENE 30 Years 30 Jahre

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WE USED TO BE FAMILY MÄRZ 2014 für ! auf dem Kanzleiareal, Tel. 044 242 04 11, www.xenix.ch DER NEUGIERIGE FORSCHER von Sartorius’ ernsthafter Verspieltheit ebenso fasziniert ist Der Berner Julian Sartorius nimmt wie der Schweizer Pianist Hans-Peter Pfammatter, der schon lange und in verschiedenen Formationen und Kontexten mit den Begriff des Schlagzeug«spielens» dem Schlagzeuger zusammenarbeitet. Pfammatter: «Julian ist ein Forscher, immer auf der Suche, und das innigst. An wörtlich: Sein ganzes Schaffen ist ein kleinen Dingen kann er eine Riesenfreude haben. Und sein ganzes Spiel ist luftig, leicht. Bereits jetzt inspiriert und beein- unverschämt lustvolles Spielen mit fl usst er jüngere Schlagzeuger.» Sartorius selber ist stark von elektronischer Musik be- Materialien, Ideen, Beschränkungen und einfl usst. Umso mehr reizte es ihn irgendwann, jene Töne akustisch zu erzeugen, die in der elektronischen Musik vom Möglichkeiten. Computer stammen. Der Künstler selber sagt: «Ich liebe die durch den Körper bedingten Limitationen, vor allem live, Es dauert nicht lange. Man hört und schaut Julian Sartori- und ich liebe es, über sie hinweg zu gehen.» Er habe sich us höchstens eine Minute zu – und begreift: was der macht, immer so frei als möglich fühlen wollen auf dem Instrument; ist anders. So pastell diese Erkenntnis, so kräftig und bunt wenn ihn die Technik hinderte, übte er, bis er das Problem blinkend die Fragen, die daraus resultieren, allen voran: gelöst hatte. Sein technisches Können ist das solide Funda- Warum zum Henker sehen Schlagzeuge immer mehr oder ment, auf dem er begeistert forscht. Er habe die experimen- weniger gleich aus? Was ist mit all den Materialien und Ge- telle Popmusik immer ebenso gern gehabt wie die abstrakte genständen, die ebenso bespielt werden können – Töpfe, freie Musik. Es habe Leute gegeben, die ihm rieten, sich auf Wände, Küchenutensilien, Werkzeuge, Spielzeuge und so eines zu beschränken, «aber ich wollte doch beides machen weiter, welche Klänge geben sie her? – und plötzlich konnte ich die Enden verbinden: Die Klarheit Für Julian Sartorius, 32 Jahre alt, in Thun im Kanton Bern der Popmusik liess mich beim Improvisieren klar sehen und aufgewachsen, ist diese Frage zum ständigen Begleiter ge- die Klänge konnte ich in die Popmusik einbringen.» Heute worden. Das Erforschen der Klänge ist eine Arbeit, die für ist nicht zuletzt dieses Verbinden ein typisches Merkmal des ihn nie abgeschlossen sein wird. Fürs Erste gab er ihr 2011 auch malenden und zeichnenden Künstlers, der keine Erin- eine inhaltliche und formale Struktur: An allen 365 Tagen nerung an ein Leben ohne Schlagzeug hat: schon mit drei nahm er einen Beat auf, sogar im Flugzeug. Das Gesamt- Jahren spielte er ein Tamburin-Solo vor. Mit fünf durfte er in werk, das er «Beat Diary» nannte und mit Fotografi en den Schlagzeugunterricht, mit neun war er in einer Band und ebenfalls selber gestaltete, erschien 2012 als Vinyl-Box. Es mit 16 Jahren improvisierte er frei. raschelt, sirrt, böpperlet und stottert darauf in einer Viel- Der Schweizer Filmmusiker Balz Bachmann sagt über seinen falt und Schönheit, dass man auch als Hörerin die Welt Musikerkollegen und Freund: «Ich kenne keine Maschine, fortan mit den Ohren sieht. die so frei und keinen Menschen, der so präzise spielt wie Die Idee, jeden Tag etwas festzuhalten, führt Sartorius seit Julian. Er hat auch die Gabe, die Seele unterschiedlichster 2013 mit «Morph» weiter: Tag für Tag verändert er min- Musik sofort zu erkennen, um sie mit seiner sprühenden destens ein Element eines 8-sekündigen Audio-Loops, das- Kreativität zu füllen oder weiter zu entwickeln. Ich könnte selbe macht er mit dem dazugehörigen Bild. Online lassen mir vorstellen, dass er uns in Zukunft noch mit ganz anderen sich alle Collagen einzeln anhören (und betrachten). «Ich Werkzeugen und Visionen beeindrucken wird.» habe noch viele Ideen, viel zu viele», stöhnt der Musiker Esther Banz und lacht dabei beinahe etwas verlegen (und verschmitzt). julian sartorius www.morphblog.com; www.juliansartorius.ch KEIN LEBEN OHNE SCHLAGZEUG

In seinem Übungsraum in der Berner Dampfzentrale steht ein einfaches Drum- Kit, in Regalen hat es al- lerlei Utensilien, exotische Instrumente auch. Hier spielt und experimentiert Sartorius, wann immer es die vielen Konzerte zu- lassen. Jazzer fragen ihn ebenso an wie ambitionier- te Pop- und Rockbands. Mit Sophie Hunger spielte Julian Sartorius mehr als zweihundert Konzerte. In jener Zeit entstand auch das «Beat Diary». Seine letzte Veröffentlichung war ein Remake der Platte «No Compass Will Find Home» des britischen Musikers und Sängers Merz, erschienen unter anderem auf dem Label von Matthew Herbert, der «ICH BIN NICHT SUBTIL» Ich bin aus Italien. Warum hört die Tournee in Italien auf? Im Foro Italico noch Als Schlagzeuger der Beatles gelangte dazu, einem wichtigen Ort für den italienischen Fussball? Wollen Sie mit Pava- rotti konkurrieren, der dort zum Ende der WM ein grosses Konzert gab? Ringo Starr zu Weltruhm, von dem er Ringo: Ich glaube nicht, dass Pavarotti ein Problem mit mir haben wird. Es geht ihm auch ohne mich recht gut. Italien noch immer zehrt. Doch wenn man ihn – halt der letzte Termin der Tournee. braucht, ist er zur Stelle. Drei Begegnun- Sie spielen auch in Brescia, wo sich vor einigen Jahren ein grosses Terroris- tenattentat ereignete. Gibt es dafür einen besonderen Grund? gen mit der Legende. Ringo: Absolut nicht.

Ringo Starr, das kennen wir aus der Legende, ist ein spassi- Nichts politisches? ger Kumpel. Witzig, wenn er es sein will, bärbeissig, wenn Ringo: Nein. es sein muss, grad wie ein Blitzableiter, wenn es darum geht, zu sagen, was es halt zu sagen gilt. Liverpool zum Kein Fussball? Keine Politik? Bloss Musik? Beispiel. Man schrieb das Jahr 2008, und die Stadt an der Ringo: Es mag sie überraschen, meine Dame, aber ich bin Mersey durfte sich zwölf Monate lang mit dem Titel «Eu- Musiker. ropean Capital of Culture» selbstbeweihräuchern. Irgend- wie aber hatte man es geschafft, die Vorbereitungen völlig Am gleichen Tag teilte ich ein persönliches Rendez-Vous zu verpennen, um sich dann erst noch mit der superteuren, mit einem schwedischen Reporter. «Was sagen Sie zu den professionellen Feten-Organisatorin zu verkrachen. Sie sei Zynikern, die meinen: Ach, hier kommt wieder so ein al- arrogant gewesen, sagte Liverpool, die Frau konterte: «Ich ter Sack mit einem Comeback? Sie ahnten, dass Sie solche glaubte, engagiert worden zu sein, um eine Veranstaltung Kommentare zu hören bekämen?», fragte der Schwede. mit Weltniveau zu schaffen. Dann merkte ich, dass es bloss «Sicher», antwortete Ringo. «Aber diese Leute brauchen ja ein Dorffest sein sollte.» Autsch! Im letzten Moment spran- nicht ans Konzert zu kommen oder das Album zu kaufen.» gen ein paar verwegene Lokalmatadore in die Bresche. Sie Verletzen Sie solche Sprüche? «Ist mir völlig egal. Was soll dachten, als es um den Stargast für die Eröffnungsfeier ich denn sonst tun? Ich bin kein Elektriker. Sowieso, ich ging, sogleich an Ringo (Macca war schon ausgebucht – er sehe dies nicht als Comeback. Es ist bloss die nächste Phase sollte im Juni eine Spezialvorstellung geben). Zufälliger- in meinem Leben.» weise hatte dieser gerade ein neues Album fertiggestellt. Gern stellte er sich und seine Band zur Verfügung, bei der Ich: Es ist offensichtlich, dass Sie ein enthusiastischer Musiker sind. Warum Eröffnungsfeier auf dem Dach irgendeiner städtischen Bau- dann die lange Pause zwischen den Alben? lichkeit die neue Single zu kredenzen. Vorher gab es eine Ringo: Enttäuschung. 1984 nahm ich ein Album auf, das Pressekonferenz. Warum er sich bemüssigt fühle, Liverpool nur noch in Kanada und Deutschland veröffentlicht wur- im Jahr des «Capital of Culture» zu unterstützen, wurde er de. 1986 machte ich in Atlanta ein Album, das überhaupt gefragt: «Naja, Liverpool IST ja die Hauptstadt der Kul- nicht erschien. So fragte ich mich: Why bother? Ich rutsch- tur», entgegnete er, «aber seien wir ehrlich, ich habe eine te immer weiter vom Sattel. Aber dazwischen bin ich ja neue CD, sie heisst «Liverpool 8», beides hat gut zusam- auch wieder auf Tournee gegangen. So lang war ich gar mengepasst, so dachte ich mir, kommst halt und spielst eine nicht weg. Nummer.» Was ist in Liverpool besser geworden seit seiner Jugend? «Die Frage kann ich nicht beantworten. Ich bin Auf dem Album singt Brian Wilson mit (zu dem Zeitpunkt war der Beach Boy zwei Tage hier und wohne im Nobelhotel, und es macht lange verschollen gewesen). Haben Sie mit ihm schon früher gearbeitet? Spass.» Wie fühlt man sich, wenn man in siebzig Meter Nein. Das heisst – in den 80er-Jahren bestritt ich ein, zwei Höhe auf einem Dach spielt? «Ziemlich high.» Wird Ihnen Benefi zkonzerte mit den Beach Boys. Er stiess zu meinem nicht schwindlig? «Ich muss ja nicht an den Rand treten.» Projekt durch den Produzenten Don Was. Die beiden sind gute Freunde. Das erste Mal begegnete ich Ringo im Frühling 1992. In Kürze sollte sein zehntes Solo-Album «Time Takes Time» Und wie gehts Brian heute? erscheinen, das erste seit neun Jahren. Drei Jahre vorher Ich war bei den Aufnahmen nicht dabei. Erst später traf hatte er sich mit Ehefrau Barbara Bach einem Alkoholent- ich ihn dann einmal. Er soll ziemlich eigenartig sein. Aber zug unterzogen. Zur Tournee-Band gehörten Todd Rundg- gern, wenn Sie über Brian Wilson reden wollen, bitte. Re- ren, Joe Walsh, Dave Edmunds und sein Sohn Zak Starkey. den wir doch über Brian Wilson (schickt sich an, den Raum Es gab eine Pressekonferenz. Zufälligerweise nahm George zu verlassen, tut es dann aber doch nicht). Harrison am gleichen Abend an einem Benefi zkonzert für eine neue politische Partei, The Natural Law Party, teil. Sechs Jahre später begegneten wir uns ein weiteres Mal. Ringo wurde gefragt, ob er dort auch mitspielen werde: Diesmal ging es um Ringos elftes Album, «Vertical Man». «Ich werde im Publikum sitzen. Ich wusste davon nichts, Ringo zeigte sich in bester Laune. Fasziniert bewunderte bis ich im Flieger ein paar Musiker traf, die deswegen nach er das steinalte Sony-Kassettengerät, mit dem ich das Ge- London kamen.» (Anmerkung des Autors, der auch da spräch festzuhalten trachtete. war: Ringo setzte sich dann doch auch noch ans Schlag- zeug). Während der PK dann der folgende Austausch: Ich (small talkend): So alte Maschinen sind doch einfach romantisch. Ringo: Alle alten Dinge sind irgendwie romantisch. Warum Frage: Warum beginnen Sie die Tournee in Schweden? sind Sie hier? Weil mich eine fantastische romantische Aura Ringo: Warum? Warum nicht? Irgendwo muss man anfan- umgibt. Ich bin ein altes Ding. (lacht vergnügt) Nächste gen. Frage. Wann spielten Sie zum letzten Mal in Liverpool? Für ein altes Ding klingt das Album ziemlich lebhaft. Ringo: Das wird irgendwann in den Sixties gewesen sein. Allerdings! Ich bin damit echt zufrieden. Ich glaube, der ringo starr

Spass, den wir bei den Aufnahmen hatten, ist sehr schön zusitzen, um darüber nachzudenken, was etwas bedeutet eingefangen worden. Und so soll es auch sein. Es sollte kei- für uns und was nicht. ne Tortur sein, ein Album einzuspielen. In Ihrer neuen Band ist Jack Bruce (Cream) am Bass, ein fantastischer Jazz- Wie schon auf dem letzten Album singt auch diesmal wieder Brian Wilson mit. Improvisator. Sagen Sie einem wie ihm, was er zu spielen hat? Sie haben den Kontakt offensichtlich bewahrt. Was für ein Bassist! Ahh! Nein, ich sage niemandem, was Das letzte Mal war Brian Wilson dabei, weil Don Was ge- er zu spielen hat. Und Jack weiss selber, dass «Yellow Sub- rade einen Film über ihn drehte und dachte, die Passage im marine» keinen Jazz-Bass braucht. Jede Nacht kommt der Studio würde dort gut hineinpassen. Als ich Brian später Moment für sein Solo. Es kann zwei Minuten oder zwan- kennenlernte, war er äusserst gütig zu mir. Er schmiss dann zig Minuten dauern. Egal wie lang – wir anderen Musiker sogar eine Geburtstagsparty für Barbara – meine Barbara! stehen bloss da und lachen for Freude! Ich stellte dafür eine kleine Band zusammen, und er kam auf die Bühne und sang «Barbara Ann». Als ich nun an Mit der Veröffentlichung von Volume 1 der «Beatles Anthology» im November diesem Album arbeitete, fi el mir eine Liederzeile ein: «Wi- 1995 hat eine ganze neue Generation von Musikfans die Beatles wiederent- thout understanding/no good vibrations». Wie Sie wissen, deckt, allen voran die Band Oasis. Hatte das Phänomen Britpop irgendwelche bin ich nicht der subtilste Mensch. Selbstverständlich rief direkten Auswirkungen auf Sie? ich Brian an und sagte: Du musst diese Zeile singen. Und Nein. Aber das ist schon gut, dass Bands in Amerika und tatsächlich – er kam. Er ist der Beste! England mit dem Sound der Beatles arbeiten. Denn es ist ja nur der Mantel, den sie ihrer eigenen Musik umlegen. Von Mir ist besonders das Lied «Mindfi eld» (sic) aufgefallen. Es geht dort darum, Oasis bis Hootie & the Blowfi sh – sie müssen ihre eigenen wie man sich selber in einer extremen Situation treu bleiben kann. Denken Sie Entschlüsse treffen. Unser Entschluss war es, zu klingen hier an Ihre Vergangenheit? wie Little Richard und Eddie Cochrane. Wir fangen alle Es geht ums Wachsen als Person. Der Titel stammt nicht bei unseren Helden an und fi nden dadurch erst unsere ei- von mir. Er stammt von meinem Akupunkturisten in Los gene Identität. Angeles. Während er so die Nadeln in mich hineinsteckte, diskutierten wir darüber, wie das Leben so ist. Darüber, wie Wird Ihnen die ganze Liebe und Bewunderung, die Ihnen zufl iesst, nie zuviel? schwierig so vieles ist, weil wir in einem «Mindfi eld» leben. Nein! Du kannst nie genug Liebe kriegen im Leben. Und Jeden Moment könnten wir explodieren. Entspannung ist genug Liebe geben kannst Du auch nie. Liebe geschenkt etwas vom Schwierigsten überhaupt geworden, denn wir zu bekommen, ist ein Segen. Und ich bin ein wahres Love glauben, dass wir nur dann existieren, wenn wir furchtbar Child! Whooohooo – LOVE CHILD! viel zu tun haben. Es ist so wichtig, sich jeden Tag zehn Minuten oder gar eine Stunde Zeit zu geben, in Ruhe hin- Hanspeter Künzler SZENE

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ALBERTO D’ASCOLA aka ALBOROSIE

Ab 20. März in den Kinos + WER IST DIESER MANN? Obwohl Abe Laboriel Jr. für Mylène abe laboriel jr. Farmer, Johnny Halliday, Dave Stewart, Sting, Eric Clapton und Lady Gaga ge- spielt hat, kennt ihn hierzulande kaum jemand.

Abe Laboriel Jr. fällt hinter seinem Schlagzeug mit seiner grossen Figur, dem Kahlkopf und Ziegenbart auf. Er singt ebenso passioniert, wie er auf den Drums spielt. Und doch ist es ein Paradox: Liest man die Namen der Musiker, mit denen der 42-jährige Abe Jr. bereits gespielt hat, so müsste er der berühmteste Schlagzeuger der Welt sein. Es sind die grossen Namen wie Sheryl Crow, B.B. King oder Meshell Ndegeocello, aber auch Manhattan Transfer oder die jün- geren, noch als Popsternchen belächelten Ladys wie Gaga oder Miley Cyrus, denen er Takt gab. Nach Konzerten hierzulande jedoch, bei denen Abe Laboriel Schlagzeuger war, wird man mehrmals Ohrenzeuge des folgenden Dia- logskriptes:

A: «Was für ein tolles Konzert!» B: «Echt genial, dass XY gespielt wurde.» A: «Oh ja, und auch AB» B: «Dieser Schlagzeuger… Ich habe noch nie zuvor einen so kräftigen Schlagzeuger gesehen.» A: «Stimmt. Der hat mir auch sehr gut gefallen!» B: «Wer ist dieser Drummer?»

Wer also ist dieser Abe Laboriel Jr., der mit allen spielt, vom Publikum geliebt wird und an dessen Namen sich doch niemand erinnern kann? EINE MUSIKALISCHE FAMILIE

Abe Laboriel Jr. wurde am 23. März 1971 in Boston ge- boren. Von 1977 an wuchs er in Los Angeles auf. Sein Grossvater war Gitarrenlehrer in Mexiko, sein Vater Rock’n’Roll-Gitarrist, bevor er 1972 ans Berklee College of Music gewechselt und Komposition studiert hat. Abe Sr., nun an der Bassgitarre, war gefragter Sessionmusiker mit. Am nachhaltigsten war die Zusammenarbeit mit K.D. beit ist sehr natürlich. Paul und spielte u.a. für Count Basie, Ella Fitzgerald, Al Jar- Lang, die 1997 startete. Ende 2000 machte ihr Produzent erforscht die Musik lieber, reau, Herbie Hancock, Michael Jackson, Madonna oder Kipper, der bei Sting in der Band spielte, Abe mit Sting be- als sie zu diktieren», erzählt Umberto Tozzi. Sein zweiter Sohn, Mateo, arbeitet als Pro- kannt, der ihn als Nachfolger von Manu Katché engagier- Abe. Multiinstrumentalist duzent, Songwriter und Komponist von Filmmusik. te. 2004 und 2006 folgten weitere Touren mit Sting. McCartney umgibt sich Abe Jr. erhielt mit vier sein erstes Schlagzeug geschenkt. In Abe Laboriel bezeichnet sich als Workaholic, von 1997 bis nur mit seinesgleichen, so der Stube spielte er «Sgt. Pepper» und das «Weisse Album» 2002 gönnte er sich keine Ferien, um sich voll und ganz spielt Abe auch Gitarre, hat von den Beatles sowie «Shining Star» von Earth, Wind & auf die Musik zu konzentrieren. Und so schien er mit 30 als Backgroundsänger John Fire nach. Und er durfte seinen Vater zu dessen Sessions be- auf dem Höhepunkt seiner Karriere zu sein. Nach Sting Lennon zu ersetzen und gleiten. Die Drummerszene von LA, Jeff Porcaro, Chester spielte er für dessen Trompeter Chris Botti, und es folgten tanzt mit grazilen Bewe- Thompson, Bill Maxwell und Alex Acuña, nahm sich des Einsätze für die Top of The Pops wie Ricky Martin und gungen. 2012, bei «Dance Knaben an. Als Abe zehn war, erklärte er, dass er Schlag- Shakira, Avril Lavigne und später Lady Gaga oder Miley Tonight», eroberte er das zeuger werden wolle und erhielt Lektionen von Steve Gadd Cyrus. Ebenso klopfte Altmeister Eric Clapton an, der Abe Zürcher Publikum im Nu. und Vinnie Colaiuta. Sein Talent fi el auf: 1989 wurde er seit Mitte der Nullerjahre neben Steve Gadd als Schlagzeu- «Am Schlagzüg und Tanz: von der National Foundation For The Advancement Of ger bei Studiosessions und für Tourneen engagiert. Abe Laboriel Jr.», rade- The Arts und dem Down Beat Magazine ausgezeichnet. brechte McCartney auf Anfang der Neunziger folgte Abe Jr. dem Weg seines Vaters DER KREIS SCHLIESST SICH Züridütsch und führte den und studierte bis 1993 in Berklee. Einzelapplaus für seinen Im Jahr 2000 fragte David Kahne, A&R-Manager bei Schlagzeuger an. Dennoch WORKAHOLIC ON TOUR K.D. Langs Label, ob er auf Paul McCartneys nächstem erinnerte sich nach dem Album spielen wolle, das Kahne produzierte. Abe Labo- Konzert kaum jemand an Ein erstes Ausrufezeichen setzte Abe auf einer Tour mit riel gehört seit 2001 zu Paul McCartneys Begleitband, mit den Namen des Drummers. Steve Vai, die ihn zu Seal führte. Danach spielte er auf Al- dem er seither über 300 Konzerte gespielt und auf neun ben seines Vaters, von Duran Duran oder Mylène Farmer Studio- und Livealben mitgewirkt hat. «Die Zusammenar- Yves Baer SZENE Sound, Infos: leschercheursdor.com .sound- les chercheurs d’or wwPSErhd aus Québec – Folk, Bluegrass, Chanson Samstag 1.März 20Uhr20 C wRUXiee DAMIEN JURADO +COURTNEY MARIE ANDREWS AFOMPglv Sonntag 2.März 19Uhr19 GIIGESTUBETE LOJMEase Samstag 8.März 21Uhr21 MIRACULOUS MULE LREED2il Montag 10.März 20Uhr20 GEOFF BERNER + CORB LUND CRI0no Samstag 15.März 20Uhr20 RED HOUSE + THE PIXELS Sonntag 16.März 20Uhr20 T T1kp THALIA ZEDEK BAND Montag 17.März 20Uhr20 S I4im LES HAY BABIES 27.3 Lausanne, Le Lidoo Sonntag 23.März 20Uhr20 c O e 28.3 Zürich, Bogen F MALCOLM HOLCOMBE 29.3 Burgdorf, Berthoudd FestivalF ti l Samstag 29.März 21Uhr21 0 N n Album 2014 BASKERY + 06.6 Wädenswil, Les Übersee Nächte hier hören ! m t 07.6 Pully-Lavaux à l’heure du Québec Gessner-Allee 11 - 8001 Zurigo Isola www.ellokal.ch NOW! APPLY 25.04.2014 deadline: Application www.sound-development-city.com A project by Sound. Development city-

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Do. 13.3.14 Clubraum 20:30 Woo-Hah! DAN LE SAC VS SCROOBIUS PIP P-tess

So. 16.3.14 Clubraum 19:00 Fabrikjazz THE WHAMMIES PLAY STEVE LACY

Di. 18.3.14 Ziegel oh Lac 21:30 Ziischtigmusig MINISTRY OF WOLVES Ein Projekt von Alexander Hacke, Mick Harvey, Paul Wallfisch und Danielle de Picciotto

Do. 27.3.14 Volkshaus 20:00 Sugarshit Sharp MOGWAI Pye Corner Audio

Vorverkauf:www.starticket.ch Musik im Briefkasten www.loopzeitung.ch Briefkasten im Musik KOSMISCHER LÄRM Schwester Abby Portner. Und man lernt den Mann kennen, de den Restalkohol aus den Am 7. 7. 07 versammelte die japanische der dieses Projekt mitermöglicht und gemeinsam mit Eye müden Köpfen hämmerte. ausgeheckt hat. An diesem Festival kam es Band Boredoms 77 Schlagzeuger zur Per- in einer Jam-Session auch BIS NACH MANHATTAN zum grossen Weltbeat: Die formance 77Boadrum – und rückte mit kongolesischen Daumen- 3000 Bewerbungs-E-Mails gingen beim Schlagzeuger und klavierspieler von Konono dieser Noise-Zelebration die amerikani- Künstler Hisham Akira Bharoocha ein, der in Japan aufge- No 9 versammelten sich mit wachsen ist, später nach New York City übersiedelte und dem Spiritualized-Kopf Ja- sche Free-Rock-Landschaft ins Zentrum. von den Boredoms zum Mann vor Ort auserkoren wur- son Spaceman und den Bo- de. 3000 Mails von Schlagzeugern, die alle mit dabei sein redoms-Schlagzeugern und 7. 7. 2007: Unter der Brooklyn Bridge sind an diesem gol- wollten in dieser Grossformation. Bharoocha, einst frühes spielten eine freie und pulsie- denen New Yorker Sommertag 77 Drumkits aufgestellt. Mitglied von Lightning Bolt und von Black Dice und mitt- rende Noise-Psychedelika, Die Schlagzeuge bilden eine Spirale, in deren Zentrum die lerweile als Solo-Künstler unter dem Alias Soft Circle aktiv, die alles umarmte. japanische Band Boredoms ihre Drums und Keyboards und, sichtete viele dieser Unzahl an Bewerbungen, besorgte die Mit den Boadrum-Perfor- gleich einer Skulptur, die Sieben-Hals-Gitarre aufgestellt hat. Einladungen und leitete gemeinsam mit der Band aus Osaka mances, die am 11.11.2011 Von diesem Zentrum aus, erhöht und für alle Schlagzeuger die Übungssitzungen, die in einem alten Lagerhaus in Harlem und einer Vielzahl an Zym- sichtbar, wird der Boredoms-Guru Yamantaka Eye die Per- stattgefunden haben. Anweisungen gab es in diesen Sessions bal-Spielern in Australien formance namens 77Boadrum leiten und mit verschieden- kaum, nur eine Regel wurde defi niert: «Spiele das, was dein endeten, errichteten die farbigen Stöcken Signale geben, damit der Schall durch die rechtssitzender Nachbar spielt». Nach und nach entstand so Boredoms, die einst als ext- Drum-Spirale wandern kann. ein Monster-Beat, einer, der in der verschleppten und repetiti- reme Noise-Punk-Band die Als «ein grosses Instrument, eine lebendige Kreatur» konzi- ven LSD-Metal-Hymne «Acid Police» am mächtigsten war – Bühnen ihres Heimatlands in pierte der Zahlenmystiker Eye die 77-köpfi ge Drum-Band, und der am 7. 7. 2007 dank seiner Wucht auch in Manhattan Brand setzten (und mit aller- die an diesem Abend, natürlich pünktlich ab 7:07 pm, ihre zu vernehmen war. lei Auftrittsverboten belastet Noise-Wellen ausstrahlt. Die Zymbals geraten in Schwin- Bei der einmaligen Schnapszahl-Angelegenheit blieb es nicht. wurden), dem Schlagzeug ein gung und erfahren dank den einsetzenden Bass- und Tom- Am 8. 8. 2008 erweiterten die Boredoms die Anzahl der Denkmal. Ein Denkmal, in Schlägen eine Schwere, ehe zum ersten Mal alle und alles Schlagzeuger auf 88, ehe am 9. 9. 2009 eine beinahe handliche dem all die naturmystischen in freien Lärm ausbricht. Es ist heiliger Lärm, kosmischer Version der Ursprungsperformance Premiere feierte. Denn ne- Spielereien von Yaman taka Lärm, den Eye mit Stock-Schlägen auf seine Gitarrenskulp- ben den vier Mitgliedern der Boredoms und Bharoocha gab Eye, all die Noises, all das tur anreichert. Eine Feier in Lärm, die dank einer DVD-Do- es in diesem Line-Up nur noch vier weitere Schlagzeuger zu Archaische und das Feierli- kumentation und zahllosen Youtube-Clips für die Nachwelt erleben, die mit zu den aufregendsten Drummern der ameri- che, das spätestens seit ihrem konserviert ist. Man sieht auf diesen Bildern eine Vielzahl kanischen Noise-Rock-Szene zählen. Da war etwa Kid Mil- klassischen Album «Vision an Schlagzeugern, die alle die gleichen einfachen, beinahe lions der Brooklyner Rock-Forscher Oneida zu erleben, der Creation Newsun» (2009) in primitiven Drum-Figuren synchron spielen, und doch ganz High-Speed-und-Barfuss-Drummer Zach Hill, der Chicagoer ihrer Musik steckt, grossar- verschiedene Techniken und Ausdrücke bemühen. Man sieht Butchy Fuego und Jeremy Hyman, der mittlerweile in der tig zum Vorschein kommen Prominente aus der Free-Rock-Landschaft wie den Light- neuen Band des Animal Collective Sängers Avey Tare spielt. – und auf ewig nachhallen. ning-Bolt-Schlagzeuger Brian Chippendale, den Downtown- Es war diese eingedampfte Performance, die in der Folge auch Benedikt Sartorius Jazz Exponenten Jim Black, die bärtigen Neo-Hippies der in Europa zu erleben war, etwa am vom Simpsons-Erfi nder No Neck Blues Band und frühe Hipsters wie Gang-Gang- Matt Groening kuratierten ATP-Festival, wo 9Boadrum an Boredoms: «77Boadrum» Dance-Sängerin Lizzi Bougatsos oder die Animal-Collective- zwei von drei Festivaltagen jeweils zur frühen Mittagsstun- (Thrill Jockey) SCHLAGZEUGERPARADE fi nden, damit auch fürs Publikum noch welcher bleibt. Wie hört es sich an, wenn eine illustre Hansueli Tischhauser, der quirlige Impresario mit der Per- lenkette und Spiritus Rector des Drum Summit, leitet kurz Truppe von Trommlern einen Raum füllt ein. Dann setzt das erste Schlagzeug ein, das zweite folgt – ein Drummer nach dem andern fällt nach kurzer Wür- und synchron die Felle bearbeitet? Ein digung durch den MC in einen simplen, aber treibenden Rhythmus ein, der immer stärker anschwillt. Es entsteht paar Impressionen vom zweiten «Drum ein Klangteppich, der nicht in die Breite, aber in die Tie- fe wächst: Das Ensemble legt eine hohe Disziplin an den Summit» im Exil. Tag, arbeitet perfekt synchron zusammen. Der Beat wird so dicht, dass er körperlich greifbar ist. Rotlicht und Kunstrauch wabern durch das Exil. Floor «Ich wollte einfach mal hören, wie so etwas klingt», sagt und Bühne quellen fast über vor Becken, Bassdrums und Hansueli Tischhauser, Los-Dos-Zampano und Wande- Snares – 19 Schlagzeuge mussten auf engstem Raum Platz rer zwischen den musikalischen Welten, zur mittlerweile zweiten Aufl age des aussergewöhnlichen Gipfeltreffens. vibrierende Urkraft der vereinten Drum-Mächte zum Opus Also klapperte er erneut seinen Freundes- und Freundes- Magnum. Schliesslich setzt auch noch Rapper Skor zu ei- freundes-Kreis ab und versammelte eine Legion von Drum- nem Gastauftritt an und ergänzt Rhythmus mit Rhymes. mern verschiedenster musikalischer Herkunft, Alters- und Die Menge verdankts den Drummer-Kohorten mit freneti- Gewichtsklassen im Club Exil, um gemeinsam «Lärm zu schem Applaus. Und denen gefällts. machen». Üben könne man das nicht, meint Tischhauser: Von Aad Hollander (Trio from Hell, Baby Jail) über Dit- «Man muss einfach alle zusammenbringen und schauen, schgi Gutzwiller (Pirelli & the Pancakes, Jean et les Peu- wie es tut.» geots), von Tosho Yakkatokuo (Philipp Fankhauser) und Und wie es tut: Das Ergebnis ist schlicht gewaltig. Vom Jana Landolt (Rosebud) über Kaspar Rast (Ronin), von zaghaften Klopfen winziger Regentropfen auf eine Zelt- Martin Fischer (Der böse Bub Eugen, Papst & Abstinenz- blache bis zum tobenden Trommelfeuer eines tropischen ler) über Chris Filter (Tobet Lucas) und Luca Ramella (Los Platzregens auf ein Blechdach – die Schlagwerker erfüllen Dos, Palkomuski) bis zu Thomas Haldimann (Clan Mil- den Raum mit elektrisierender Intensität und lassen das Pu- ler) – das Lineup der Schlagwerke ähnelt einem Who’s who blikum in leichte Trance fallen. Begleitet von der typisch der hiesigen Drum-Szene. Und das Schönste: Sie kommen tischhauser’schen Slide-Guitar hämmern und klöppeln wieder. «Wenn man das zweimal macht, kann mans auch sich die Rhythmiker durch Boogies und Western-Melodien dreimal machen», sagt Tischhauser. Möge es so geschehen! von Los Dos, durch Surf-Rock oder Gassenhauer wie «We Will Rock You» oder «Sgt. Pepper». Sie lassen einander Felix Traber Raum und ergänzen sich gleichzeitig. Selbst ein Ukulelen- Duett von Tischhauser und Luca Ramella wird durch die 2. Drum Summit, 12. Februar 2014, Exil SZENE

Mrz ‘14

Sa 1.3.14 The Animen Support: Tar Queen Afterparty-DJs: The Grooveties (VS) Fr 7.3.14 Wasted, S.i.K., NofNog, Rhabarber Sa 8.3.14 Stigmata, DJ Daniel trüb Schallrauch DJs Marc Maurice, Sun:Elektrisch So 9.3.14 Reverend Beat-Man «Sonntagsmatinee» Tür 16h, Beginn 17h Fr 14.3.14 Palko Muski DJs Dr. Schnaps feat. Trubaci Soundsistema Sa 15.3.14 Volta Cab DJs Eigenwijs (NL), Fredi B. und Herr Mehr Fr 21.3.14 Herr Hummus, Phil Battiekh, Raphallus Orgasmus Sa 22.3.14 Silly Walks Discotheque longside Real Rock Sound Do 27.3.14 Filmfestival Schaffhausen Live-Filmvertonung & Hollywood-Horror Fr 28.3.14 Ratatöska Afterparty: DJs Rasko & Ruedi Snare Sa 29.3.14 Insanity, Lotrify, I Scream For Ice Cream, What The Hell

www.taptab.ch Tap Tab Musikraum, Baumgartenstr. 19 Postfach 1583, CH-8200 Schaffhausen Musik im Briefkasten www.loopzeitung.ch DIE NEUEN PLATTEN

Various Artists Andromeda Blood Red Real Estate CEO Studio One Mega Express Shoes Atlas Wonderland Rocksteady Orchestra Blood Red Shoes (Domino/MV) (Modular People) (Souljazz) Live on Planet Earth (PIAS) (Morr Music) Ridgewood, New Jersey, Hinter dem Pseudonym Das jamaikanische Stu- Laura-Mary Carter und die Heimat von Real Es- CEO steckt der Schwede dio und Label Studio One 2009 ist die 18-köpfi ge Ber- Steven Ansell erlangten tate, wurde 2011 vom Eric Berglund, der früher des Produzenten Coxsone liner Formation gemeinsam zumindest in England nie «Money»-Magazin zur mit Tough Alliance unter- Dodd galt nicht als die ers- mit Notwist live zu sehen den stratosphärischen Su- Nummer 26 der «best wegs war und 2006 das La- te Adresse für Rocksteady. gewesen. Nun erscheint mit percoolheits-Level von an- places to live» gekürt. Und bel Sincerely Yours gründe- Deshalb überrascht der «Live On Planet Earth» deren lauten Duos wie den beim Thema Sicherheit, fi n- te. Das Label hat sich in den Fokus der neuen Studio- ein Livealbum, das 2012 White Stripes, The Kills, det sich die 25 000-Seelen- vergangenen Jahren einen One-Compilation. Aber nur bei einem Konzert der An- Crystal Castles oder Beach Gemeinde gar auf Platz 6. Namen gemacht für die Re- auf den ersten Blick. Denn dromedas im Berliner Hei- House. Vor zehn Jahren Ein idyllisches Plätzchen leases der beiden Balearic- Rocksteady, diese gemächli- mathafen mitgeschnitten fanden die beiden in Brigh- also. Eins, das dazu ani- Indie-Pop-Bands jj und Air che, von kunstvoll schmach- wurde. Irgendwo zwischen ton zusammen und haben miert, sich zurückzulehnen France. Vor drei Jahren hat tenden Vokalharmonien moderner Klassik und seither konsequent einen und das Leben zu genies- Berglund dann als ceo (da- geprägte Jamaikanisierung Jazz, improvisierter Mu- Raum zwischen Stuhl und sen. Das spiegelt sich auch mals noch mit Kleinbuch- des amerikanischen Soul sik, Filmmusik und subtiler Bank bewohnt. Sie waren in der Musik von Real Es- staben) sein Debüt «White in den Sechzigerjahren, er- Elektronik sind Stücke wie nicht grungig oder brachial tate wieder. Die Band um Magic» veröffentlicht, lebte auch im Studio One «Harmagedon» oder «Le genug, um im Fahrwasser Sänger Martin Courtney das als eine Mischung aus etliche musikalische Glanz- Prètre Virè» angesiedelt. amerikanischer Bands wie und Gitarrist Matt Monda- Dance, Electro, Balearic momente. Mehr noch, wie Gewitzte Neutöner sind Queens of the Stone Age nile, die es nach ihrem Stu- Pop und Indie daherkam. Lloyd Bradley in den Li- hier zu hören. Komponiert mitschwimmen zu können. dium gleich wieder in die Die neue Platte «Wonder- ner Notes ausführt: Weil vom Bandleader, dem Sa- Aber für die britische Indie- alte Heimat zog, zeichnen land» schlägt in dieselbe der Jazzmusiker Dodd an xofonisten Daniel Glatzel, Szene waren sie eindeutig zu einmal mehr Klangbilder Kerbe, kommt aber noch kitschigen Schmachtfetzen entstand eine Art moderne laut und Post-Pavement-esk. der Entspanntheit. Auch überkandidelter daher als weniger interessiert war als Sinfonie, die auch durch ih- «Blood Red Shoes» ist ihr auf ihrem dritten Album, «White Magic». Plakativ an Experimenten und Fusi- ren Livecharakter besticht. viertes Album. Aufgenom- «Atlas», klingen die Gi- liesse sich CEOs «Won- onen, weil sein Herz damals Im zwölfminütigen Finale men wurde es in Berlin, tarren klar, etwas faul und derland» als Mischung aus für den Ska schlug und er «W.A. Mozart vs Random und die Resultate sind er- nach endlosem Sonntag- Ace of Base, MGMT und sich gleichzeitig auch für Generator» hat man mit freulich vielfältig, machen morgen. Entsprechend der Dan Deacon beschreiben. Rastafari interessierte, wur- einem Zufallsgenerator ge- aber auch gehörig Dampf. Gesang, der sich launisch, Die Platte ist trotz lediglich de der im Studio One pro- arbeitet, den der Baritonsa- Bei allem freudvollen Ra- aber grundsätzlich zufrie- sechs Tracks eine Berg- und duzierte Rocksteady zum xofonist Johannes Schlei- dau besteht die Stärke den zeigt und Nabelschau- Talfahrt. Drei gute Songs wichtigen Scharnier zwi- ermacher programmiert der Combo indes aus den en der Marke «I don’t need treffen auf drei mediok- schen Ska, Mento und dem, hat. Mit einem Regler wird muskulösen Melodien, die the horizon to know where re, in die Belanglosigkeit was in den Siebzigerjahren bestimmt, wie viel Zufall in fast jedem Stück zugrunde the sky is» absondert. Die abdriftende Versuche, als Reggae bekannt wurde. eine bereits bestehende Par- liegen. Der Kontrast zwi- Musik ist meditativ, aber Electro-Synthiepop auf die Studio One jamaikanisierte titur eingestreut wird. So schen Krach und Melodie, doch so wach, gut getimet Spitze zu treiben. Eine Ten- den amerikanisch geprägten hat man hier eine Mozart- Männer- und Frauenstim- und ungezwungen, dass denz, der Berglund bereits Rocksteady, gewährte dem Komposition verfremdet: me sorgt rundum für hef- Freude herrscht. Real Es- mit Tough Alliance verfal- Bass und ganz allgemein «Wir inszenieren das Gan- tige Dynamik. Anspieltipp: tate wirken wie eine Mi- len war. Darum hinterlässt dem Arrangement mehr ze wie einen Boxkampf, bei «Stranger» und «Speech schung aus späten Bread «Wonderland» auch ein et- Raum – und tatsächlich dem ein Konsolenspiel aus Coma». und frühen Smiths. Ge- was durchzogenes Fazit. Es glaubt man in Songs wie den Achtzigerjahren mode- schmeidiger und minimal wäre wohl mehr möglich «Our Thing» des grossar- riert», so der Bandleader. hpk. alternativer Pop, der nichts gewesen. tigen Jackie Mittoo schon Sehr eigenartig, wenngleich zu wünschen übrig lässt frühe Reggaestücke zu Puristen eventuell eine und das Quintett in seiner men. hören. «Studio One Rock- Herzattacke erleiden könn- vor knapp drei Jahren geä- steady» präsentiert also ten. usserten Haltung bestätigt: Schlüsselmomente einer «Eine coole Rock-Truppe? historischen Entwicklung – tb. Nein, das sind wir nicht.» und natürlich auch wunder- schöne Off-Beat-Balladen. mig. cg. DIE NEUEN PLATTEN Sound Surprisen Punk in Ton und Bild: Unter dem Obertitel «Punk 45» be- ginnt das Londoner Label Soul Jazz mit einem opulenten Bildband und zwei Compilations die löbliche Aufarbeitung von Punk ausserhalb des Kanons. Das Medium des Punk war die handliche 7“-Single. Zwei Songs hatte jede Band im Gepäck, eine Single liess sich schnell und kostengünstig aufnehmen und notfalls ohne die Unterstützung einer Plat- Peter Hammill Chris Pureka Der Englische tenfi rma an Konzerten und in ausgewählten Plattenläden & Gary Lucas How I Learned To See Garten vertreiben. Other World in the Dark Die aufgeräumte Der Bildband «Punk 45. The Singles Cover Art of Punk (Cherry Red) (Haldern/Irascible) Stadt 1976-1980» (Soul Jazz Books) zollt dem Tribut: Er setzt (Firestation) 1969 mit den Singles der Proto-Punk-Bands MC5 («Kick Peter Hammill ist seit 1967 Ihre Herkunft aus dem Out The Jams») und The Stooges («1969») ein und en- die Stimme der konsequen- Nordosten der USA kann Vier Jahre nach ihrem wun- det elf Jahre später mit der Schweizer Frauenband Liliput ten Eigenbrötler-Combo Chris Pureka nicht verber- derschönen Debüt ist die («Eisiger Wind») und mit Joy Divisions Evergreen «Love Van der Graaf Generator gen. Die studierte Mikro- Münchner Band mit ihrem Will Tear Us Apart». Dazwischen reiht sich auf 360 Seiten und zählt zu seinen Bewun- biologin klingt nach dunk- bläsergetriebenen, über- Single-Hülle an Single-Hülle – eine visuelle Geschichte des derern John Lydon, der len Coffeehouses, nach schwänglichen Pop endlich Punks. zur Verblüffung manches Folk – dem mit dezenter wieder da. Seit zehn Jahren Die Bilder sprechen eine deutliche Sprache: Wie die Musik Pistols-Fans schon zu John- Hand Country unterge- aktiv, gehört der Achter erteilte auch ihre visuelle Präsentation der geleckten Pro- ny-Rotten-Zeiten sehr von mischt wird – und nach aber leider immer noch mit fessionalität der Siebzigerjahre eine Absage, sie war hart, ihm schwärmte. Der New Tagebucheinträgen, die zu zu den bestgehüteten Ge- laut und hässlich. Bei aller Unterschiedlichkeit sind die Yorker Gary Lucas war der Texten umgewandelt wer- heimnissen der deutschen Bilder klar als Punk zu erkennen. Das Layout ist sichtlich letzte offi zielle Gitarrist in den. Pureka ist eine von Szene. Dabei müsste man handgeklebt, die Fotos sind schlecht belichtet, die Colla- der Band von Captain Beef- Tausenden und doch an- dem Englischen Garten gen unübersichtlich. Die Hüllen waren wie die Songs für heart, ein Jahr lang gehörte ders. Wenigstens ein wenig. jede Menge Kränze fl ech- den Moment gemacht, dennoch wurden einige zu Ikonen – der junge Jeff Buckley zu Ihre erste EP veröffentlich- ten, für seinen an britischen «God Save The Queen» von The Sex Pistols, «White Riot» seiner eigenen Avant-Rock- te die Singer/Songwriterin Vorbildern geschulten Pop von The Clash oder «Satisfaction» von Devo. Das mit pro- Band Gods and Monsters kurz nach der Jahrtausend- mit deutschen Texten, der vokanter Attitüde zelebrierte Non-Design übertrug sich – und ihm schrieb er das wende, und rasch verglich so unprätentiös, klug und auf die Gestaltung der Fanzines und fand schliesslich, als Lied «Grace» auf den Leib. man sie mit Gillian Welch, interessant, kurz: einfach Design etabliert, seinen Weg in Mainstream und Werbung. Derweil Hammill auf der Cat Power oder Ani DiF- lässig daherkommt. Beim Blättern von «Punk 45» fasziniert in erster Linie je- Suche nach Mitmusikern ranco. Hat alles was. In Prefab Sprout und Dexys doch, wie viele Punk- und Postpunk-Singles zwischen 1977 auch für seine Soloprojek- ihrem Sound fi nden sich Midnight Runners, die und 1979 erschienen sind. Darunter sind etliche Klassiker te selten aus dem weiteren ausgemergelte Appalachen- Housemartins und Divine – aber weit mehr Vergessenes. Punk war eine Explosion, Umkreis von Van der Graaf Sounds, unterschwellige Comedy – möglicherweise die nicht nur London und New York erschütterte, sondern getreten ist, gehören unge- Aggressivität und viel Be- auch die Aeronauten oder jedes mittelgrosse britische Kaff, zahlreiche amerikanische wöhnliche Kombinationen kennerisches. Wie Michel- Andreas Dorau – kom- Städte und alle europäischen Länder. Die Herausgeber Stu- zum Alltag von Lucas (es le Shocked vertraut auch men einem in den Sinn, art Baker und Jon Savage haben erfreulicherweise Bands gibt von ihm ein Album mit Pureka auf die Kraft ihrer wenn man Tracks wie «Ein aus der ganzen Welt in diesen Bilderreigen aufgenommen. alten Chansons aus Taiwan, Worte, auf virtuoses, aber bisschen streiten», «Peter Aus der Schweiz auch die Nasal Boys («Hot Love», die ➜ ein anderes mit der Stimme zurückhaltendes Gitarren- Handke» oder das herrli- von Najma Akhtar). Lucas spiel und ihre verletzliche che Titelstück ihres zwei- war schon immer ein Fan und entsprechend nach- ten Albums hört. Das ist von Hammill, vor zwei Jah- denkliche Stimme. Die Lie- locker, luftig und leicht und ren kontaktierte er ihn, man der auf «How I Learned To hat dennoch den gewissen kam in Hammills Studio zu- See in the Dark», das in den Kick, den der Brite «sophis- sammen und musizierte ein- Staaten schon 2010 auf den ticated» nennt. Gegründet fach so dahin. Die Resultate Markt kam, scheuen sich von Bernd Hartwich und klingen ungewöhnlich – das nicht, Traurigkeit zu zei- Songschreiber/Sänger Axel war zu erwarten. Lucas pen- gen. Komponieren sei für Koch, gelingen dem Engli- delt zwischen warm schim- sie eine Katharsis, erklärte schen Garten zehn famose mernden Klangteppichen, die Musikerin vor einigen Songs. Ob nun im Schun- unterspielten und doch Jahren. «Stecke ich meine kelrhythmus wie bei «Ein wüsten Riffs und pedal-ge- Melancholie in einen Song, bisschen streiten», zum steuerten Geräuscheffekten. fl iesst diese aus mir her- Mitsingen bei «Der Wind, Hammill konzentriert sich aus.» Das glaubt man ihr das Gras, die Sonne» oder auf Akkorde und Gesang aufs Wort. Eine stille Platte mit diesem feinen Ska-Pop in seinem gewohnt eckigen, für ebenso stille Momente. bei «Peter Handke». englischen Stil. Meditativ und doch aufrüttelnd – ein mig. tb. faszinierendes Experiment.

hpk. DIE NEUEN PLATTEN

➜ erste Schweizer Punk-Single) und natürlich Kleenex, deren Umschläge von «Beri Beri» und «Ü» dank ihrer schlichten Eleganz aus dem grafi schen Chaos herausste- chen – gestaltet hat sie kein Geringerer als der junge Künst- ler Peter Fischli. Die Gleichzeitigkeit und Allgegenwart von Punk lässt sich gut anhand der USA beobachten, wie die CD «Punk 45 – Kill The Hippies! Kill Yourself! The American Nation De- stroys Its Young. Underground Punk in the United States of America, Vol.1» (Soul Jazz Records) zeigt. Oft wird die Baskery Judith La Femme amerikanische Punkszene auf die New Yorker Szene um Little Wild Life Holofernes Psycho Tropical The Ramones, Television, Patti Smith und Talking Heads (Mother Tarantula) Ein leichtes Schwert Berlin reduziert. Sie wurden im Club CBGB‘s gross und bereits (Four Music/Sony) (Disque Pointu) 1976 von Plattenmultis unter Vertrag genommen. Für die Gleich das erste Stück der Bands, die zeitgleich anderswo ihre Spielweise von Punk neuen Platte ist a capella, «Bring mich nach Hause» Stromae, Johnny Hally- entwickelten, interessierte sich die Musikindustrie nicht. mit dreistimmigem Gesang nannte sich das bislang day, Vanessa Paradis: Die «Punk 45 – Kill the Hippies! Kill Yourself!» präsentiert – und lässt die Herzen al- letzte Album von Wir sind meisten Preisträger der 21 Punkrock-, Proto-Hardcore-, No-Wave- und Art-Pop- ler Folk-, Cow-Punk- und Helden von 2010. Hinter diesjährigen Victoires – der Singles, die zwischen 1973 und 1980 ausserhalb New Killbilly-Fans höher schla- dem Titel versteckte sich wichtigste Musikpreis in Yorks entstanden und die Vitalität und Vielfalt der Szenen gen. Die drei Bondesson- die grosse Müdigkeit von Frankreich – kennt man. vor allem in Ohio und Kalifornien demonstrieren. Im Un- Schwestern aus Stockholm Frontfrau Judith Holo- Nicht so La Femme, de- terschied zum kleinräumigen England, wo die mächtigen singen wie der Engelschor, fernes, die sich danach ren Debüt den Preis als nationalen (Musik-)Medien schon früh zu einer Homoge- so klangrein und in hohen sehnte, endlich zu privati- «Beste Albumentdeckung» nisierung der Punkszene beitrugen, entwickelten sich die Lagen. sieren, statt auf der Bühne bekommen hat. Und das lokalen Szenen in den USA isoliert. Bei den weiteren Songs zu stehen. Nach längerer hochverdient. Eine Handvoll Bands sind bekannt: Die einzigartigen Pere wird es dann gleich wieder Auszeit hat die Berlinerin La Femme stammen eigent- Ubu, die Kunstpunks Tuxedomoon, die Protopunks Fla- schepperig-rockig, wäh- jetzt ihr Solowerk «Ein lich aus Biarritz, sind inzwi- min‘ Groovies und der damals in London exilierte John- rend andere Lieder wie leichtes Schwert» veröf- schen aber in Paris ansässig. ny Thunders. Die anderen Bands haben es höchstens als «The Change» Luft schaf- fentlicht. Eine Platte, die – Die 2010 gegründete Band Fussnoten in die Punk-Historie geschafft. The Bizarros, fen zum Durchatmen und trotz vermehrtem Einsatz hat drei EPs und bereits The Zeros und The Normals sind noch die bekanntesten. eine entrückt sehnsüchtige der Ukulele und stärkerer 2013 ihr schönes Debütal- Es waren jedoch diese Bands, die den Grundstein für die Stimmung aufbauen. Über- Fokussierung auf das Mi- bum «Psycho Tropical Ber- alternative amerikanische Musikszene der Achtzigerjahre haupt: Sehnsucht und Tief- nimalistische – eigentlich lin» veröffentlicht, das eine legten. Ohne ihre aktive Do-It-Yourself-Philosophie hätte gang sind Themen, die sich auch von Wir sind Helden tolle, vielseitige und enorm ausserhalb New Yorks nichts entstehen können. wie ein roter Faden durch stammen könnte. Doch die spritzige Mischung aus Um DIY geht‘s auch in der zweiten Compilation: «Punk die Musik ziehen, wie das 37-Jährige wirkt bei ihrem Post-Punk, French-Pop mit 45. There Is No Such Thing As Society. Get A Job, Get A zuvor schon bei anderen Tun so keck wie schon lan- Surfgitarren bietet. Ob nun Car, Get A Bed, Get Drunk. Underground Punk and Post- skandinavischen Bands zu ge nicht mehr. Vielleicht beim Track «Anti-Taxi», Punk In The UK 1977-1981 Vol.2» präsentiert englische spüren war. weil «niemand auf die Plat- wo man auch an die Neue Bands aus der zweiten Generation. Für sie waren Punk und Jeder Song ist einzigartig. te gewartet hat», wie sie Deutsche Welle der frühen Plattenkonzerne ein Widerspruch – lieber veröffentlichten Was die drei mit Banjo, Gi- uns im Interview verriet. Achtziger erinnert wird, sie ihre Platten auf unabhängigen oder eigenen Labels. tarre, Kontrabass, Stand- In «Nichtsnutz» besingt sie bei «La Femme» oder beim Auch diese Zusammenstellung ist eine wunderbare Kollek- schlagzeug, Kontrabass mit widerborstiger Stim- Hit «Sur La Planche». Das tion von kultisch Verehrtem wie Television Personalities, und Mundharmonika an me die Vorzüge des Fau- erinnert manchmal an die Johnny Moped, The Mekons, Swell Maps und obskuren Klangmaterial zaubern, lenzens, in «John Irving» frühen Achtziger und die Perlen. ist immer wieder überra- schwärmt sie nachtschwer grosse Zeit des sogenann- Der Bildband und die zwei CDs führen eine verblüffende schend. Über allem schwebt von den «perfekten Katast- ten «Cold Wave» und an Tatsache zutage: Ausgerechnet der Punk, der die Helden der dreistimmige Gesang. rophen» des US-Schriftstel- Acts wie Charles De Goal von früher vom Sockel stiess, wird heute von einem engen Einzigartig. Macht übri- lers. Holofernes berichtet oder Taxi Girl. Doch auch Kanon beherrscht. Es gibt Hunderte von Bands, die völlig gens grossen Spass, Baskery aus dem Alltag und klingt an zeitgenössische Gruppen vergessen sind. Natürlich sind nicht alle Songs auf den zwei beim Gig zuzuschauen. Am doch nie alltäglich. Ihre wie die britischen Stereolab «Punk 45»-Compilations gleichermassen zwingend, aber 29.3. im El Lokal in Zü- Lieder sind lustvoll, ver- oder die französisch-deut- etliche hätten auch heute mehr Beachtung verdient. Neben rich. Wer sich diese wun- spielt und bieten Pop voller schen Stereo Total erinnert den Evergreens von The Sex Pistols und The Ramones ha- derbaren Geschöpfe auf quietschender Keyboards der Sound dieser reisefreu- ben auch «I‘m a Bug» von The Urinals (Los Angeles) und der Bühne entgehen lässt, und munterer Gitarren. digen Band, die im Gegen- «Development Corporations» von The Now Klassikerpo- hat nie gelebt. Das ist eher locker als an- satz zu vielen französischen tenzial. Es ist zu hoffen, dass Soul Jazz Records Punk und spruchsvoll, macht aber Acts nicht auslandsscheu Postpunk auch in Zukunft mit dieser offenen Perspektive hu. enormen Spass. ist. aufarbeitet und Vergessenes oder Überhörtes zutage för- dert, das die Wiederentdeckung verdient. mig. tb. Christian Gasser DIE NEUEN PLATTEN

Breton Heidi Happy Anna Aaron Ages and Ages Andrea War Room Stories Golden Heart Neuro Divisionary Schroeder (Believe Recordings) (Silent Mode/Irascible) (Two Gentlemen/Irascible) (Partisan/MV) Where the Wild Oceans End Briten in Berlin, die in ei- Schlechte Musik von Heidi 2011 gelang Anna Aaron Je nach Gelegenheit präsen- (Glitterhouse) nem altene DDR-Regie- Happy, unvorstellbar. Den- mit ihrer ersten LP «Dogs tieren sich Ages and Ages rungsgebäude ein Album noch kam ihr letztes Werk, in Spirit» ein Wurf. So tief- als Sextett, Oktett oder Wenn Andrea Schroeder aufnehmen, das «War «On The Hills» (2012), auf gehende Musik hatte man Nochmehrtett. Egal wie singt: «Summer came to Room Stories» heisst und unerwartet leisen Füssen lange nicht mehr gehört. viele Köpfe dabei sind, sin- say goodbye, the birds are die sich eigentlich gar nicht daher. Die Luzernerin feier- Das fanden auch Veranstal- gen tun sie alle. Und wie! fl ying high», sollte uns das als Band, sondern als Mul- te Zurückhaltung und das ter im In- und Ausland, so Irgendwie bringen sie es fer- um diese Jahreszeit nicht timedia Artist Collective Private. Das Ergebnis war dass die Baslerin lange auf tig, die Inbrunst von Arcade in Panik versetzen. Sie verstehen. Klischees ahoi eine Platte für die gute Stu- Tournee ging. «Neuro» Fire mit der Lagerfeuerro- kann auch anders texten: und à discretion. Das wärs be, fast zu unauffällig. Mit schlägt nun, zweieinhalb mantik von Mumford & «There’s a spider crawling dann aber zum Glück mit ihrem fünften Longplay- Jahre nach dem Debüt, un- Sons (Graus, oh Graus) zu in my head, and with its dem fahlen Beigeschmack. er tritt Heidi Happy jetzt erwartete Töne an. Wo auf vereinen, ohne dabei in ge- big fat legs it’s crawling in Denn die Londoner können wieder nach draussen und dem Vorgänger noch oft ringster Weise auf die Ner- my heart.» Naja, das war durchaus was. Ihr Genre- macht einen Satz nach vor- eine Rockband zu hören ven zu gehen. Das heisst: Ich etwas düster. Im Titelsong Mix aus Electro, Rock und ne. Die 35-jährige Multi- war, gibt es nun Synthies könnte mir schon vorstel- geht es auch freundlicher: Pop kommt frisch daher, instrumentalistin zeigt sich und Elektronik. Aaron hat len, dass die Band mit ihrer «The town is full of parrots hat einen erstaunlichen Fa- voller Neugier, umhüllt sich Kate Bush und Talk Talk positivistischen Agenda da sitting on the trees, red and cettenreichtum und wirkt mit Sounds aus Disco, Pop für sich entdeckt und ist mit und dort Allergien auslöst – yellow painted, and you weder altbacken noch oder Folk und nascht dabei ihrem Wunschproduzenten bei mir tut sie es nicht, im walk with me, I close my vintage. Da hilft vielleicht am Glamour und möglichst David Kosten (Bat for La- Gegenteil, ich bin ein be- eyes and I smell the sea.» durchaus die etwas andere vielen Farbfacetten. Die shes) sowie Jason Cooper, kennender Fan, besonders Obwohl sparsam instru- Herangehensweise der bei- Musik ist dicht, die Band dem Drummer von The seit ich die Kombo live in mentiert und ruhig ein- den Bandprotagonisten, die gut und locker eingespielt Cure, ins Studio gegangen. London erlebte. Ages and gespielt, wirkt die Musik ursprünglich als Filmkol- und Heidi Happy von ih- Wo früher archaische Mys- Ages kommen aus Portland, doch mächtig kraftvoll. lektiv gestartet sind. Mitt- rer Stimmkraft überzeugt. tik herrschte, geht es nun Oregon, sie scharen sich um Atmosphärische Vergleiche lerweile sind sie als Quin- Das mündet in Songs, die um Cyborgs und Spirituel- die Stimme und Gitarre von mit Nick Cave oder Nico tett unterwegs und haben keck die Augen aufschla- les im Cyberspace. Leich- Tim Perry sowie den Bass werden wach, allerding auch in der Schweiz schon gen, umgarnen und verfüh- ter ist die Musik dadurch von Rob Oberdorfer. Ihre ohne deren brüchige Stim- für Live-Begeisterung ge- ren. «La Danse» lockt mit nicht geworden, aber wozu Musik ist simpel und gerade me. Andrea Schroeder into- sorgt. einer durchaus gewagten, auch. Anna Aaron verfügt deshalb so aussergewöhn- niert sicher und bestimmt, aber gewinnenden Mi- als Liedschreiberin und lich. Die Besetzung besteht erschafft eine elegische men. schung aus Balalaika-Folk Sängerin über eine dunkle aus Gitarren, Mini-Key- Grundstimmung. Klassi- und französischem Elektro Kraft, die auch eingängi- board, Drums, einer Masse sche Gesangsausbildung à la Air. «Welcome Back» gere Lieder wie die Single von Klapperinstrumenten und Engagements im Gos- wird erst gehaucht, dann «Linda» prägt. Es gibt auf und eben diesen Stimmen. pel-Chor haben die Stimme geschmettert, und das Ti- «Neuro» hübsche Melodi- Diese gemahnen in ihrer gefestigt. Hier betritt eine telstück beginnt mit Horn- en und Momente von be- Fülle manchmal geradezu gereifte Persönlichkeit die klang, geht zum Falsett rückender Schönheit. Doch an die Kirche, dabei haben Bühne, die Zuhörerinnen über, zischt und peppt. Na- immer wieder öffnen sich die Texte keinerlei religiöse und Zuhörer in ihren Bann türlich mit Mass und schön Abgründe: «Now you sit Untertöne. Hingegen sind zieht. Einmal eingetaucht, wohltemperiert. «Golden on top of the world looking Perry und Oberdorfer phi- kommt man nicht mehr Heart» wirkt frisch und at the void at your feet», losophisch veranlagt – den los. doch durchdacht. Ein Al- singt die Baslerin im Stück Namen haben sie sich beim bum, das gekommen ist, «Heathen». Dieser ausser- Dichter Walt Whitman aus- hu. um zu bleiben und zu be- gewöhnlichen Musikerin geliehen – und gehen aus eindrucken. folgt man auch gern in die Prinzip jeder modischen Finsternis. Ironie aus dem Weg. «Di- mig. visionary» ist ein Album ash. frisch wie der Frühling. Un- bedingt anhören: Track 6, «Over It»!

hpk. DIE NEUEN PLATTEN London Hotline Ben Watt. Wohl eher nicht ein Name, der sogleich elektri- sche Schläge des Wiedererkennens auslöst. Vielleicht hilft es, wenn ich hinzufüge, dass Ben zusammen mit seiner An- getrauten Tracey Thorn von 1982 bis 2000 als Duo unter dem Namen Everything But the Girl auftrat und dank dem Todd-Terry-Remix von «Missing» einmal sogar so richtig Broken Bells Beck Cotton Mount die globale Hitparade stürmte. Ich wusste nicht recht, ob After the Disco Morning Phase Still Life ich mich freuen durfte oder eher nervös sein sollte am Sonn- (Columbia) (Capitol) (Irascible) tag, als ich mich auf den Weg zur St. Pancras Old Church machte, um Watt erstens ein paar Fragen zu stellen und Der zweite Output von Der Sänger wacht auf, Cotton Mount ist eine zweitens seinem Konzert beizuwohnen. Das erste Mal be- James Mercer (The Shins) nach einer langen Nacht im junge Band aus Genf, die gegnete ich Ben und Tracey vor 29 Jahren. Mit ihrem jaz- und Brian Burton (Gnarls Sturm, blinzelt und fragt mit «Still Life» ihr Debüt zig angehauchten Debütalbum «Eden» hatten sie 1984 den Barkley) mag nicht mehr scheu: Können wir noch- vorlegt. Es beginnt träge Zeitgeist ziemlich präzise aufgespiesst: in der alternativen so begeistern wie das De- mals von vorne beginnen? fl iessend mit perlender E- Musikwelt verkörperten sie quasi die stille, literarische Al- büt «Borken Bells». Beide Sechs Jahre nach seinem Gitarre und selbstverges- ternative zu den schrillen New Romantics und der avant- Musiker haben seit den letzten Studioalbum «Mo- sen geschlagenen Toms. gardistischen New Wave à la the Pop Group. Im Interview Nullerjahren etwas an dern Guilt» stellt Beck Dann macht Sänger Igor vor dem zweiten Album gaben sich die beiden aber eher Drive verloren, ihren kre- diesen Wunsch nach einem Varidel den Mund auf und igelig und defensiv. ativen Zenit überschritten, Neubeginn an den Anfang heraus kommt die Stimme Das nächste Mal interviewte ich das Paar 1999 vor dem könnte man behaupten. seiner neuen Platte «Mor- von Arno. Die Band frei- Erscheinen ihres – wie es sich herausstellen sollte – letzten Früher galten sie noch als ning Phase» – und greift auf lich musiziert weniger nach Albums. Nun wirkten sie noch verschlossener – irgendwie avantgardistisch - vor allem die milden kalifornischen, Art des Belgiers, es gibt hässig und unkommunikativ. Vor allem erinnere ich mich Brian Burton -, mittlerweile immer leicht mystifi zier- eher Ähnlichkeiten mit den daran, wie Watt, der gerade Drum’n’Bass entdeckt hatte, scheinen sie im Format-Ra- ten Folk-Harmonien zu- späteren Alben von Alain in meiner Wahrnehmung dieser Musik ein Vorurteil ortete dio-Trott steckengeblieben rück, die auch schon «Sea Bashung. Auch Spuren von und mich entsprechend zurechtwies. Inzwischen hatte Watt zu sein. «After the Disco» Change» beseelten. Doch New Wave und zeitgenös- auch ein Buch geschrieben: «Patient» hiess es und erzählte mag nicht eimal mehr die so leicht ist der Neustart sischem Alt-Art-Rock à die Geschichte, wie er am Churg-Strauss-Syndrom erkrankt lahmste Kirchenmaus aus nicht: Die Isolation und la Midlake sind auszuma- war und fast gestorben wäre. Der grimmigen Materie zum ihrem Loch hervorlocken. Resignation der vergange- chen. Das Tempo bleibt Trotz war es ein freudvolles Buch – schon damals zeigte es Das ist mit Sicherheit al- nen Jahren holt den trani- überwiegend gedrosselt, sich, dass Watt ausgezeichnet schreiben kann, vor allem les solide und auf hohem gen Sänger immer wieder die Stimmung melancho- wenn es um die unsentimentale Beschreibung von Gefühlen produktivem Niveau ge- ein, und so überlässt Beck lisch, gelegentlich von der und zwischenmenschlichen Beziehungen geht. halten - reihum gilt Mercer das Licht in diesen dreizehn Gitarre schroff schraffi ert. Nun ist sein neues Buch erschienen. «Romany and Tom» als begnadeter Songwriter Songs und Mini-Stücken Atmosphäre ist wichtiger heisst es und erzählt die Story von ihm und seinen Eltern: und Burton als gefeierter der wunderbaren Musik, als Eingängigkeit. Meist Tom, ein vom Zeitgeist abgehängter Jazz-Musikant, Roma- Produzent -, aber «After die zuweilen auch wunder- vermag das zu fesseln, das ny, einst Schauspielerin, später Journalistin mit speziellem the Disco» ist, mit Verlaub, bar leicht ist. Es gibt Strei- Titelstück freilich plät- Draht zu Elizabeth Taylor und Richard Burton. einfach nur langweilig an- cher – arrangiert von Becks schert etwas planlos vor Das Angebot, Ben zu interviewen kam kurzfristig – ich bin zuhören. Man kann sich Vater David Campbell –, sich hin, was öfter passiert noch immer nicht durch mit dem Buch, kann aber schon das höchstens noch Schön- zirpende und gleitende Gi- bei Bands, die zuviel Radio- jetzt sagen, dass es eine wirklich feine Lektüre hergibt. Wie- hören. Ist da womöglich tarren, Glockenspiele, Pi- head hören. Gelungen hin- derum schreibt Watt unsentimental über sehr persönliche ein Majorlabel mit dickem anos, die die Zeit und den gegen «The New State of Angelegenheiten, und wir wissen es zu schätzen, denn uns Budget Pate gestanden und Raum verwischen. «When Mind», das ebenfalls recht allen ist etwa das gleiche passiert wie ihm. Fast alle von uns hat etwas erzwingen wol- the morning comes to meet frei fl ottiert, vom wand- werden unsere Eltern erst dann kennengelernt haben, als len? you / Fill your eyes with lungsfähigen Sänger aber diese ihre Blüte- und Experimentierzeit längst hinter sich waking light», lauten die nach Art von Peter Mur- hatten und in mittleren Jahren ihren Trott gefunden haben. men. letzten Zeilen auf diesem phy verbindlich gemacht Darüber – die Neuentdeckung der Eltern, als diese einge- Album, ehe sich die Mu- wird. «Still Life» ist keine nebelt vom Alkohol dem Grab entgegendriften – geht es in sik dramatisch verdichtet, Platte, die ihr Publikum im dem Buch, aber um noch viel mehr darüber hinaus. Nun die Stimmen heulen und Handstreich nimmt. Wer liefert Watt auch noch ein Album nach, das sich textlich der überstanden geglaubte aber gern aufmerksam zu- um ähnliche Themen dreht und klanglich an seinem letzten Sturm zurückkehrt. Al- hört, um sich Zugang zu Solowerk anschliesst, das er mit 19 Jahren unter stimmli- lenfalls klappt Becks Be- vielschichtigen Klängen zu cher Mithilfe von Robert Wyatt sowie seiner Akustikgitarre freiungsschlag dann im verschaffen, dem können einspielte. St. Pancras Old Church ist eines der charmantes- Herbst, ist doch ein zwei- Cotton Mount viel Freude ten Konzertlokale in London: winzig, wacklig, nach Reli- tes Album, das eher in der machen. gion duftend. Perfekt für die neuen, stillen Lieder von Ben Bastel-Tradition von «Ode- Watt, der sich von Bernard Butler sensibel und elektrisch lay» stehen soll, bereits an- ash. begleiten lässt. Und nicht nur Watts Musik hat sich gewan- gekündigt. delt, auch er selber: offen, witzig, besonnen redet er über Dinge, die sonst kaum ein Popstar anzusprechen wagt. Und bs. ich nehme ihm jedes Wort ab. Hanspeter Künzler DIE NEUEN PLATTEN

Dan Baird and St. Vincent Dum Dum Aziza Brahim: Pendentif Homemade St. Vincent Girls Soutak Mafi a Douce Sin (Universal) Too True (Glitterbeat) (Discograph) Circus Life (Sub Pop/Irascible) (Jerkin Crokus) Gleich einem Orakel sitzt Aziza Brahim wuchs in Seltsamer Bandname, fei- sie auf ihrem Plastik-Thron, «Do you hear Suede? Si- Flüchtlingslagern am Ran- nes Album! Das Debüt- Wer die Georgia Satellites unnahbar und gebieterisch. ouxsie? Cold-wave Patti? de der Westsahara auf, werk der Gruppe aus dem mag, soll sich «Circus Life» Denn Annie Clark alias St. Madonna? Cure? Velvet entlang der algerischen Südwesten Frankreichs reinziehen. Dan Baird and Vincent inszeniert sich auf and Paisley Undergrounds? Grenze. Sie gehört der gehörte im vergangenen Homemade Sin zelebrieren dem Cover ihres selbst- Stone Roses? Cuz I did», Bevölkerungsgruppe der Jahr mit zu den besten Ver- pulsierenden Rock ‘n’ Roll betitelten, vierten Solo- singen die Dum Dum Sahrauis an. Als Mitte der öffentlichungen der fran- – wie ihn die Stones oder Albums als Führerin eines Girls und erweisen sich als Siebzigerjahre spanische zösischen Szene. Doch für die Faces mal drauf hatten. seltsamen Kults, der in der Verfechterinnen des Ek- Truppen aus der Westsa- Aufmerksamkeit sorgte die Leidenschaftlich und über- nahen Zukunft angesiedelt lektischen. Die Band um hara abzogen und Marok- Band schon 2011 mit einer zeugend. Egal, worüber ist. Und aus einer nahen, Frontfrau Dee Dee Pen- ko das Land besetzte, zog ersten Single und einer EP. Baird singt, die Harmoni- seltsamen Zukunft funkt ny alias Kristin Welchez Aziza nach Kuba, auch Diese präsentierte luftigen en sitzen, der Maschinen- auch der Kunst-Pop der drückt auch auf dem Dritt- um dort eine musikalische französischen Pop, Songs, raum (Trommler Mauro Texanerin, die einst Gitar- ling den Hall-Regler durch, Ausbildung zu beginnen. die einem das Herz aufge- Magellan und Bassist Keith ristin bei den Sektenhippies hat jedoch die Garage und Das Studium musste sie ab- hen lassen, versehen mit Christopher) macht Druck, von The Polyphonic Spree den Dreck hinter sich ge- brechen. Sie ging in die La- bittersüssen Texten. Pen- die ineinander verzahnten war und Sufjan Stevens lassen und ist ins Boudoir ger in Algerien zurück und dentif sind am englischen Gitarren von Baird und auf seinen «Illinoise»-Kon- gewechselt. Dort, wo die musizierte in verschiedenen Pop genauso orientiert Hodges schmieren mit kna- zertfahrten begleitet hat. Lippen rot sind und sich Gruppen. Dann der Umzug wie am französischen. Die ckigen Riffs und präziser Gleich zu Beginn, im frene- die Liebe als Kampfzone nach Spanien, wo sie noch Band setzt zwar auf die Rhythmusarbeit. Dan Baird tischen «Rattlesnake» und erweist. Ein Feld, das in heute lebt in Barcelona. französische Sprache, doch ist ein feiner Songschreiber. dem ausgelassenen «Birth den Achtzigerjahren von Die Texte von Aziza Bra- schmuggeln Pendentif auch Einer, der straighte Rocker In Reverse», gibts toll ver- Acts wie Pat Benatar oder him handeln oft von poli- gerne immer mal wieder wie «Outlivin’» kreiert zerrte Sequenzer-Sounds, Bananarama besetzt war. tischem Engagement, auch englische Textzeilen in ihre und den Gitarrensound der immer leicht übersteuerte Dee Dee Penny holte sich wenn es persönliche Texte Songs ein. Einfüsse? Hier Beatles oder der Byrds in und doch trockene Drum- Hilfe von Produzent Ri- sind. Ihre Lieder singt sie die Smiths, Foals, Belle and Ehren hält. Ironisch han- Sounds, und vor allem chard Gottehrer (Blondie, in ihrer Heimatsprache Sebastian oder Weekend, delt er die Beziehung zwi- die verschlungenen und The Go-Go’s), um die Me- und auf Französisch, aber dort Françoise Hardy, der schen den Geschlechtern ab punktgenauen Gitarren lodien simpel zu behalten, das starke Booklet in der poppige Bashung oder Pol- («Fall Apart on Me»), ehe der 31-Jährigen, die ihre aber dicker und poppiger geschmackvoll aufgemach- nareff. in «Thousand Little Pieces» Stimme immer wieder kon- aufzutragen. Die Drum- ten CD listet alle Texte in Songs wie der Opener «Ri- alles den Bach runter geht: terkarieren und umarmen. beats wummern, die Gitar- arabisch, französisch und viera», «Pendentif» oder «We had it all, pretty as a Clark setzt nach diesem ren glänzen, und das Post- englisch. die grossartige Single «Em- picture. Just like the one, grossen Auftakt auf ruhi- Pubertäre ist omnipräsent. Die Gesangsstimme von brasse moi» sind wunder- you left hanging in the hall. gere, fl ächigere Songs, die Songs wie «Trouble Is My Aziza ist das bestimmende schöne Popperlen, die nicht A better man, would fi nd immerzu gefährlich ausbre- Name» oder «Are You Element. Sparsam unter- mehr aus dem Ohr wollen. hope in the scriptures. But chen können und bei aller Okay?» wirken melancho- stützen Schlagzeug, Bass, Eleganter, zeitloser French- Jesus wept, is all I can re- Schönheit vertrackt und lisch, vor allem aber naiv. Gitarre und traditionelle Pop. Den Namen der Band call.» George Jones hätten unnahbar bleiben – wie die Das weiss auch Dee Dee Handtrommel. Dabei kom- um Sängerin Cindy Callède diese Zeilen sicher gefallen. Gebieterin auf dem Plastik- Penny, weshalb sie mit men neben afrikanischer sollte man sich merken. «Break Down and Cry» Thron, die diese ausserge- Nachdruck von den Augen Wüstenmusik auch spa- bringt sublime Rhythmen, wöhnliche Platte erschaffen Rimbauds schwärmt und nische Flamencogitarren tb. fette Orgel, poppige Ge- hat. mit Namen wie Rilke oder und karibische Rhythmen sangsharmonien. «Wear Verlaine nur so um sich zum Vorschein. Mit gros- and Tear» macht die Sause bs. wirft. «Too True» klingt sem Einfühlungsvermögen perfekt, fl otter Power-Pop, wie ein neu entworfener hat Chris Eckman (Walka- wie ihn die Flamin’ Groo- und doch nostalgischer bouts) die akustische Schei- vies nicht besser hinge- Soundtrack zu «Back to be produziert. Die Musik kriegt hätten. the Future». Mit anderen strahlt eine ungeheure Le- Worten: Ziemlich superb, benskraft aus. tl. eigentlich. hu. mig. DIE NEUEN PLATTEN 45Prince Keine Ahnung, ob heutigen Hardcore-Bands wie Kremlin einfach das Geld fehlt für irgendwelche Metal-Effekte, oder ob sich einfach eine neue Freude für rohen Garage-Punk- Sound verbreitet. Auf jeden Fall stürzen sich die drei Jungs aus Toronto auf ihrer EP «Will You Feed Me?» (Grave Mistake) in halsbrecherischem Tempo durch fünf Songs David Grissom J. Roddy Birth Of Joy mit langhaarigen Gitarrensoli, wobei sich der Sänger mit How It Feels to Fly Walston & Prisoner etlichen Zwischenrufen und viel Echo den Ärger vom Leib (Blue Rose/MV) The Business (Long Branch/MV) schreit. Und wenn dann in «Forced March» der Bass und Essential Tremors die Gitarren mal nicht durchschreddern, sondern schon David Grissom ist ein Aus- (ATO/MV) Psychedelischer Rock er- beinahe eine gepfl egte Langsamkeit einlegen, entsteht ein nahmegitarrist aus Austin, lebt mal wieder ein Revi- neuer Brain-Shake-Favorit. Texas, der mit Lucinda «Essential Tremors» heisst val, wie die Temples ge- Nachdem Michael Hurtt seine Sixties-Combo The Royal Williams, Joe Ely, John das dritte Album der Road- rade beweisen. Birth Of Pendletons aufgelöst hatte, begann er sich mit den Haunted Mellencamp, Storyville, house-Rocker aus Tennes- Joy sind ein anderes Bei- Hearts voll auf Rockabilly, Country und Louisiana-Swamp The Dixie Chicks, Chris see, weil ihr Frontmann J. spiel: härter, schmutziger zu fokussieren. «Struck with the Blues» (Witchcraft Re- Isaak, Ringo Starr, Buddy Roddy Walston an eben und schöner. «Prisoner» cords) ist ein angeschrägter, gemächlicher Stroller mit einem Guy und vielen anderen dieser Nervenerkrankung ist das dritte Album der Gitarrensolo, das einem aufschreckt. «Searching for Sha- unterwegs oder im Studio leidet. Wegen des Tremors Utrechter und dürfte den dows» bobt wie ein perfekter Rockabilly-Song einer Sieb- war. Sein viertes Solalbum zittern seine Hände unkont- Durchbruch bringen. Das ziger-Platte von Mac Curtis und hat dank der Steel-Guitar enthält acht Studio- und rolliert, was für den singen- Trio beschränkt sich auf die gleiche leicht morbide Stimmung, die auch «You Don’t vier Live-Tracks, darunter den Pianisten eher unprak- Schlagzeug, Gitarre, Orgel Have to Tell Me The Night Is Long» so unwiderstehlich fesselnde Covers von «Jes- tisch ist. «E.T.» offenbart und Gesang und musiziert macht. «Breaking Hearts» kommt dann einem klassischen sica» (The Allman Brothers eine Affi nität für Künstler damit irgendwo zwischen Carl Perkins am nächsten. Und so hält man eine EP voll mit Band) und ZZ Tops «Nasty wie Led Zeppelin, T. Rex, MC5 und den Doors und unangestrengter, grossartiger Musik in den Händen. Dogs and Funky Kings». The Replacements, oder für klingt manchmal, als wä- Für einen neuen Song von Destruction Unit schreibt man Die ersten vier Songs Soulmusik, wie sie das Stax- ren die Lords Of Altamont gerne auch nach Japan. Dort packt Big Love Records den spielte Grissom in seinem Label populär gemacht hat. nach Woodstock gezügelt. «Deep Trip»-LP-Track «Holy Ghost» in ein klasse Cover Heimstudio mit Stefano J. Roddy Walston & The Es gibt räudigen Rock, mitsamt landestypischem OBI. Und mit «The Church of Intelisano (Keyboards), Business (dazu gehören Gi- aber auch wogendes Dra- Jesus Christ» gibts gleich noch den vielleicht besten Song Scott Nelson (Bass) und tarrist Billy Gordon, Bassist ma, Steinzeit-Riffs, Mes- der Arizona-Psych-Aktivisten. Mittlerweile nicht mehr das Drummer Bryan Austin Logan Davis und Drum- ser-im-Manual-Orgel und Soloprojekt von Ryan Rousseau, sondern eine volle Band ein. Mächtige Riffs läuten mer Steve Colmus) setzen richtig grosse Gesangsme- mit fester Besetzung und kollektivem Gedankengut. Eini- «Bringin’ Sunday Mornin’ auf eingängige Refrains, lodien. Ein Wahnsinniger ge Mitglieder sind Teil des Ascetic House Labels, das uns to Saturday Night» ein. elegante Melodien und ist insbesondere der Orga- auch mit Fanzines versorgt. Die Gitarren sind sphärisch Überhaupt bietet «How It kriptische Texte. In einem nist: Von Jon Lords wum- und trotzdem gemeingefährlich bretternd, denn sie erzeu- Feels to Fly» kaum Blues, Interview erklärte Walston, mernder Hammond bis zu gen Sounds, die Trips in der Wüste nachempfunden sind. dafür quirligen Southern- er wolle sowohl die anima- Ray Manzareks Vox Conti- Was in endlosen Jams ausarten könnte, wird aber präzise Rock («Georgia Girl»), et- lische wie die spirituelle Sei- nental wütet der Mann an gesteuert von Bruder Rusty am Bass sowie dem knüppeln- was Americana sowie zwei te seiner Hörer ansprechen: allem mit Tasten, das sich den Schlagzeuger. Ganz klar die Band der Stunde. Instrumentals. Im Mittelteil «Manche Songs verbreiten als rocktauglich erwiesen nimmt der Saitenzauberer Partystimmung, beim ge- hat. 2014 wird das Jahr der Philipp Niederberger etwas Gas weg, spekuliert nauen Hinhören entpup- fl eissig tourenden Hollän- über «Gift of Desperati- pen sie sich als kopfl astig. der, denn die Festivalauf- on», während sich Co- Wer sich darauf einlässt, tritte sprechen für sich: Eu- Autorin Kacy Crowley zur entdeckt einen ganz ande- rosonic, Reeperbahn, Bad akustischen Roots-Rock- ren Song.» Aha. Immerhin Bonn Kilbi. Und verkaufen Ballade «Overnight» rä- erschliesst sich mir eine können sie sich auch: «Six- kelt. Crowleys schöner spannende Stilpalette, mit ties on Steroids Psyche- Harmoniegesang veredelt heftiger Energie («Heavy delic Organ Rock n Roll» auch «Satisfi ed», eine folki- Bells», «Hard Times»), an- steht als Claim über den of- ge Southern-Soul-Nummer, dererseits hymnischem Pop fi ziellen Verlautbarungen. in welcher Grissom ein sau- («Nobody Knows») als Ex- Man könnte auch sagen: beres Akustik-Solo pickt. treme, etwas Glam-Rock Musik, zu der Mann über Danach wird – zur Einstim- («Black Light»), seligem dem Paisley-Shirt eine Le- mung auf sein einziges dies- Piano-Rock-Geschwofe derjacke trägt. jähriges Schweizer Konzert («Marigold»). am 26. März in Köniz – «Sweat Shock» klingt wie ash. live abgerockt. ein Tanz für indianische Zeppelin-Fans. Rock’n’Roll tl. ist eine starke Medizin!

tl. NACHTSCHICHT

Verblüffen mit Boy & Bear Nordöstlich mit Kassette

Ein Brüderpaar aus Australien? Das ist in musikalischer Hinsicht eigentlich Kassette ist der Künstlername von Laure Betris, einer Fribourger Songwri- schon mal ein sehr gutes Zeichen, wie Malcolm und Angus Young mit ihrer terin, die es bisher nicht richtig über den Röstigraben geschafft hat. Das unzerstörbaren Combo AC/DC seit mittlerweile vier Jahrzehnten eindrucks- liegt vielleicht daran, dass die Deutschschweiz in den letzten Jahren selber voll beweisen. Und es trifft auch auf Boy & Bear zu, die Band der beiden eine ganze Reihe herausragender Liederschreiberinnen hervorgebracht hat. Brüder Tim und Jon Hart. Wenngleich stilistisch in einer ganz anderen Ecke Kassette sollte man trotzdem unbedingt entdecken. Nach zwei eher folki- angesiedelt, führen sie das Erbe der Youngs weiter. Sie sind das Herz und die gen Alben spielte Betris voriges Jahr auf «Far» ihre dunklen, toll kompo- Seele des Quintetts, in dessen Mittelpunkt jedoch Dave Hosking steht. Die- nierten Lieder als wuchtige, rumpelnde Rocksongs und sang dazu beseelt ser junge Mann, von Haus aus eigentlich Singer/Songwriter, hat das Projekt bis herzzerreissend. Ihre Songs inszeniert sie in einer Laut-Leise-Dynamik in den späten Nullerjahren angerissen und mit einer cleveren Mischung aus mit Sinn für Zwischentöne, was den knappen Stücken jede Menge Span- elegischem und forschem Indie-Folk zum Debütalbum «Moonfi re» geführt. nung verleiht. Bis Bern schaffte sie es damit in einige Jahres-Bestenlisten, Damit steht das Quintett aus dem Grossraum Sydney in der Tradition von nordöstlich davon aber nahmen nur wenige Leute Notiz. Einige Gigs in der Bands wie den Fleet Foxes, doch wenn man sie auf ihre Einfl üsse wäh- Deutschschweiz bieten nun Gelegenheit, der Dame die Ehre zu erweisen. rend der Entstehungsphase ihres aktuellen Albums «Harlequin Dream» Derzeit tourt Kassette in Deutschland, und wir möchten doch nicht das anspricht, kommen verblüffende Referenzen zur Sprache: Fleetwood Mac, alte Lied von der Prophetin im eigenen Land neu aufl egen müssen. (ash) Bruce Springsteen und Paul Simon. Von deren Werken aus den Siebziger- jahren habe man sich inspirieren lassen, erklärte Bassist Dave Symes einem 8.3., Café Mokka, Thun; 29.3., M4Music, Zürich; 19.4., Fri-Son, Fribourg Interviewer. Das sind natürlich grosse, wenngleich eher sperrige Vorbilder, doch Boy & Bear haben sich mit aller gebotenen Lockerheit damit be- schäftigt. Und ein Werk geschaffen, das neben beschaulichen Seufz-Songs auch etliche forsch-fl otte Mitwipp-Nummern umfasst. Auf Tonträger ganz nett, als Download ganz passabel – aber eben: Man muss es live miterlebt haben, um wirklich dabeigewesen zu sein. (amp)

5.3., Rote Fabrik, Zürich

aausus ddemem nnachlassachlass eerscheintrscheint aamm 227.7. mmärz.ärz. aabotalonbotalon sseiteeite 2 NACHTSCHICHT

Verschwinden mit Earl Sweatshirt Süss lärmen mit Deerhoof

«Where’s Earl?», fragte der «New Yorker» im Mai 2011 – und machte Seit zwanzig Jahren betreibt der Teufels-Schlagzeuger Greg Saunier seine sich in einer grossen Reportage auf die Suche nach dem verschwundenen Band Deerhoof. In all den Jahren erforschte der Kalifornier krachend, fi n- «Wunderkind» des skatenden jugendlichen HipHop-Kollektivs Odd Fu- tenreich und lustvoll die freie Rockmusik und schlug mit seiner wechseln- ture, das damals dank dem Splatter-Rap von Tyler The Creator die Schlag- den Mitstreiterschaft – zuvorderst die japanische Nonsense-Sängerin und zeilen beherrschte. Die Reportage fasst die digitale Schnitzeljagd zusam- Bassistin Satomi Matsuzaki – immer überraschende Haken. Das reichte von men, die schliesslich auf den Samoa-Inseln endete. Denn dort war Thebe direkten Garage-Rock-Alben über tribalartige Congotronic-Rhythmen und Kgositsile alias Earl Sweatshirt in einer Besserungsanstalt untergebracht. In befreiten Noise-Clips bis hin zu süss lärmenden, traumhaften Pop-Songs. der Anstalt schrieb der mittlerweile 20-jährige Earl auch die Raps für seine Doch so unterschiedlich die Alben und Sounds der Band mit Heimbasis San im letzten Jahr erschienene Platte «Doris». «Doris», auf dem Earl immer Francisco auch ausfi elen: Deerhoof klangen stets unverkennbar nach Deer- wieder das Mikrofon seinen Sidekick-Freunden übergibt, ist ein grimmi- hoof. Das gilt auch für das letzte, noch gerade aktuelle Album «Breakup ges und überaus düsteres Album, eines, das den üblicherweise derben und Songs», auf dem die Band freudige und geschickt lärmende Popsongs insze- überaus grenzwertigen Humor der Odd-Future-Gang zum grossen Teil niert. Popsongs mit Brüchen, Songs, die mit Future-Funk-Elementen, mit hinter sich lässt und mit persönlichen Raps seine schwierige Familienge- groteskem Euro-Dance und monumentalem Progrock hantieren und doch schichte streift. Eine Familiengeschichte, die in «Where’s Earl» ebenfalls immer kompakt bleiben. Und so wird es hoffentlich immer weitergehen mit nachzulesen ist, was nachdrücklich empfohlen wird. (bs) dieser süssen, süssen und kindlichen Freude am Song – und am Lärm. (bs)

18.3., Komplex Klub, Zürich 18.3., Exil, Zürich

Deklinieren mit Mogwai Berlinern bei M4Music

«It’s the singer, not the Song», lautet eine uralte Rock’n’Roll-Grundregel. Für Menschen, die in den letzten 30 Jahren Indie- und Avantgarde-Klänge Doch wie soll dieser Anspruch ausgelegt werden, wenn eine Band komplett schätzten, hat M4Music dieses Jahr einen besonders illustren Gast geladen. auf Gesänge verzichtet und sich stattdessen auf die Instrumentalebenen Daniel Miller (Bild) gründete 1978 das Label Mute, um Aufnahmen seiner konzentriert? Einfache Antwort: Man vergisst die Auslegung gleich ganz Band The Normal veröffentlichen zu können. Die Band blieb kurzlebig, und fügt sich stattdessen in die Rolle des Zuhörers. Wenn die fünf Musiker Mute aber wurde zu einem einfl ussreichen Label, das Depeche Mode, Cave von Mogwai auf den Bühnenbrettern stehen, ist dies zweifellos angebracht. und Konsorten, aber auch Abseitigeres wie Diamanda Galas oder die Swans Sie kontern das vokale Vakuum mit dem beherzten Einsatz von Gitarren, veröffentlicht(e). Vor zehn Jahren geriet auch Mute in den Strudel der all- Bass, Schlagzeug und ein wenig Elektronik. Die Band aus Glasgow agiert gemeinen Krise, wurde erst an EMI verkauft und gehört nun der BMG. seit Mitte der Neunzigerjahre in unvergleichbarer Manie: selbstvergessen, Im Gespräch mit Markus Kavka bietet Daniel Miller Einblicke in über 30 tief über die Instrumente gebeugt und geradezu entfesselt. Sie deklinieren Jahre Indie-Schaffen und verrät vielleicht auch, ob es mit Depeche Mode konzentriert ein Hardrock-Riff, lassen lange, zerdehnte Indierock-Passagen tatsächlich bis in die Neunziger Handschläge statt schriftliche Verträge gab. einfl iessen und prügeln immer mal wieder richtig fi ese Unisono-Figuren im Ebenfalls seit den späten Siebzigern ist Diedrich Diederichsen aktiv. Er leite- Geiste von Black Sabbath aus ihren Instrumenten heraus. Die vordergrün- te «Sounds» und «Spex» und führte in Deutschland einen Diskurs über Pop dige Stummheit, die durch den abwesenden Gesang entsteht, wird aus dem ein, der mehr mit Gesellschafts- und Kunsttheorien zu tun hat als mit der instrumentalen Hintergrund mit Ideenreichtum und Hochenergie gekon- Rockschreibe der «Rolling Stone»-Generation. Nun erscheint mit «Über tert. So werden Strukturen aufgelöst, Versatzstücke (englischer Punk, Post- Pop-Musik» das Ergebnis seines lebenslangen Nachdenkens über Pop. rock, New-York-Artcore) herbeizitiert und schliesslich präzise zwischen Einen weiteren Themenschwerpunkt bildet die Brücke Berlin-Zürich mit Atemstillstand und Eruption neu verortet. Die rhythmischen Wechsel blei- den Panels «Hotspots Berlin» und «Berlin – die neue Schweizer Musik- ben dabei unvorhersehbar wie die Bahn einer Flipperkugel, doch gewisse hauptstadt», aber auch mit Bands wie dem Folk-Trio Mighty Oaks und Bo- Stilverwandtschaften lassen sich ausmachen: Tortoise, Sonic Youth, Fuga- naparte. Und neu gibt es nachmittags Gratis-Konzerte auf dem Schiffbau- zi. Geht es besser? Nein. (amp) platz, wo unter anderem Jeans For Jesus begutachtet werden können. (ash)

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