Plenarprotokoll 16/95

Deutscher

Stenografischer Bericht

95. Sitzung

Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 26: c) Antrag der Abgeordneten , Bärbel Höhn, Ulrike Höfken, weiterer Ab- Beschlussempfehlung und Bericht des Auswär- geordneter und der Fraktion des BÜND- tigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundes- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Wirksamen regierung: Fortsetzung der Beteiligung deut- Schutz vor Passivrauchen im Arbeits- scher Streitkräfte an der Friedensmission schutzgesetz verankern der Vereinten Nationen im Sudan (UNMIS) (Drucksache 16/4761) ...... 9713 C auf Grundlage der Resolution 1590 (2005) des Sicherheitsrates der Vereinten Natio- d) Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, nen vom 24. März 2005 und weiterer Man- Bärbel Höhn, Ulrike Höfken, weiterer Ab- datsverlängerungen durch den Sicherheits- geordneter und der Fraktion des BÜND- rat der Vereinten Nationen NISSES 90/DIE GRÜNEN: Schutz vor (Drucksachen 16/4861, 16/5142, 16/5143) . . 9701 A Passivrauchen im Deutschen Bundestag direkt umsetzen Brunhilde Irber (SPD) ...... 9701 D (Drucksache 16/4957) ...... 9713 C (FDP) ...... 9703 A in Verbindung mit Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . 9703 D Monika Knoche (DIE LINKE) ...... 9705 A Zusatztagesordnungspunkt 7: Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ Antrag der Abgeordneten Detlef Parr, Daniel DIE GRÜNEN) ...... 9706 B Bahr (Münster), Heinz Lanfermann, weiterer , Staatsminister AA ...... 9707 C Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Nichtraucherschutz praktikabel und mit (FDP) ...... 9708 D Augenmaß umsetzen Hans Raidel (CDU/CSU) ...... 9709 C (Drucksache 16/5118) ...... 9713 C Gabriele Groneberg (SPD) ...... 9710 D , Bundesministerin BMG . . . . . 9713 D (Lübeck) (CDU/CSU) ...... 9712 A Detlef Parr (FDP) ...... 9717 B , Bundesminister BMELV . . . 9719 C Namentliche Abstimmung ...... 9713 A Dr. (DIE LINKE) ...... 9721 A Ergebnis ...... 9715 C Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 9722 B Tagesordnungspunkt 27: Dr. Carola Reimann (SPD) ...... 9723 B a) Erste Beratung des von der Bundesregie- Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- DIE GRÜNEN) ...... 9724 B zes zum Schutz vor den Gefahren des Maria Eichhorn (CDU/CSU) ...... 9725 B Passivrauchens (Drucksache 16/5049) ...... 9713 B Dr. Margrit Spielmann (SPD) ...... 9727 A II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Tagesordnungspunkt 28: Tagesordnungspunkt 31: Antrag der Abgeordneten Werner Dreibus, Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- Hüseyin-Kenan Aydin, Dr. , schusses für Familie, Senioren, Frauen und weiterer Abgeordneter und der Fraktion der Jugend LINKEN: Deutschland braucht Mindest- – zu dem Antrag der Abgeordneten löhne Dr. Barbara Höll, Dr. , (Drucksache 16/4845) ...... 9728 B Werner Dreibus, weiterer Abgeord- (DIE LINKE) ...... 9728 C neter und der Fraktion der LINKEN: Elternbeitragsfreie Kinderbetreu- (CDU/CSU) ...... 9729 D ung ausbauen Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) ...... 9732 A – zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin Deligöz, (Köln), Grietje (SPD) ...... 9733 B Bettin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ GRÜNEN: Leben und Arbeiten mit DIE GRÜNEN) ...... 9734 B Kindern möglich machen (SPD) ...... 9735 A – zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin Deligöz, , , (FDP) ...... 9736 B weiterer Abgeordneter und der Frak- Andrea Nahles (SPD) ...... 9736 C tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Kinder fördern und Verein- Dr. (DIE LINKE) barkeit von Beruf und Familie (Erklärung nach § 31 GO) ...... 9737 B stärken – Rechtsanspruch auf Kin- dertagesbetreuung ausweiten Klaus Brandner (SPD) (zur Geschäftsordnung) ...... 9737 D (Drucksachen 16/453, 16/552, 16/1673, 16/3219) ...... 9745 B

Tagesordnungspunkt 29: in Verbindung mit – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- Zusatztagesordnungspunkt 8: wurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychi- Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Carl- atrischen Krankenhaus und in einer Ludwig Thiele, , weiterer Entziehungsanstalt Abgeordneter und der Fraktion der FDP: (Drucksachen 16/1110, 16/5137) . . . . 9738 C Sofortprogramm für mehr Kinderbetreu- ung – Zweite und dritte Beratung des vom (Drucksache 16/5114) ...... 9745 C Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Reform des Rechts Dr. Eva Möllring (CDU/CSU) ...... 9745 C der Unterbringung in einem psychi- Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ atrischen Krankenhaus und in einer DIE GRÜNEN) (zur Geschäftsordnung) . . 9747 A Entziehungsanstalt (Drucksachen 16/1344, 16/5137) . . . . 9738 C Hartmut Koschyk (CDU/CSU) (zur Geschäfts- ordnung) ...... 9747 A , Bundesministerin BMJ . . . . 9738 D Jürgen Koppelin (FDP) (zur Geschäfts- Jörg van Essen (FDP) ...... 9739 C ordnung) ...... 9747 C Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Ute Kumpf (SPD) (zur Geschäftsordnung) . . 9747 D (CDU/CSU) ...... 9740 C (DIE LINKE) ...... 9741 D Nächste Sitzung ...... 9748 D (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 9742 C Anlage 1 Joachim Stünker (SPD) ...... 9743 C Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 9749 A Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 9744 B Anlage 2 Joachim Stünker (SPD) ...... 9744 D Amtliche Mitteilungen ...... 9749 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9701

(A) (C) Redetext

95. Sitzung

Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident Dr. : schlussempfehlung später namentlich abstimmen wer- Die Sitzung ist eröffnet. den, also irgendwann kurz nach 10 Uhr; denn diese Aussprache soll nach einer interfraktionellen Vereinba- Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle rung eine Stunde betragen. – Ich höre dazu keinen herzlich und wünsche uns allen einen guten Morgen und Widerspruch. einen erfolgreichen Tag. Es gibt heute Morgen überhaupt keine Ankündigungen, sodass wir in der glücklichen Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst der Situation sind, ohne weiteren Verzug in die Tagesord- Kollegin Irber das Wort. – Sie hat so früh noch nicht mit nung einsteigen zu können. ihrem Glück gerechnet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf: (Heiterkeit) – Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus- Bitte schön, Frau Kollegin Irber. (B) (D) schuss) zu dem Antrag der Bundesregierung (Beifall bei der SPD) Fortsetzung der Beteiligung deutscher Streit- kräfte an der Friedensmission der Vereinten Brunhilde Irber (SPD): Nationen im Sudan (UNMIS) auf Grundlage der Resolution 1590 (2005) des Sicherheitsra- Guten Morgen, Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle- tes der Vereinten Nationen vom 24. März 2005 ginnen und Kollegen! Dass wir uns heute mit der Verlän- und weiterer Mandatsverlängerungen durch gerung des UNMIS-Mandates beschäftigen, ist konse- den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen quent und richtig. Es ist auch richtig, dass wir es beschließen. Es gibt in diesem Zusammenhang einen in- – Drucksachen 16/4861, 16/5142 – terfraktionellen Entschließungsantrag zum Thema Dar- fur, der Ausdruck dafür ist, dass wir bei diesem Thema Berichterstattung: nicht nur den Süden des Sudan betrachten dürfen, son- Abgeordnete Brunhilde Irber dern den Gesamtsudan im Blick haben müssen. Ich freue Marina Schuster mich, dass wir hier an einem Strang ziehen und sich die Wolfgang Gehrcke Fraktionen zu einem interfraktionellen Antrag entschlie- Dr. Uschi Eid ßen konnten. Herzlichen Dank dafür. – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP gemäß § 96 der Geschäftsordnung und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Drucksache 16/5143 – Niemand kann bestreiten, dass die 10 000 Soldaten und 715 Polizisten – darunter maximal 75 deutsche Sol- Berichterstattung: daten – wesentlich zur Stabilität im Südsudan beigetra- Abgeordnete gen haben. Sichtbares Ergebnis sind die Flüchtlinge, die Lothar Mark wieder in ihre Heimat zurückkehren können und sich Jürgen Koppelin dort eine Existenz aufbauen wollen. Ich selbst war in Juba und habe mich von den Bemühungen überzeugt, die dort unternommen werden. Ich möchte an dieser Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktionen Stelle den zivilen und militärischen Kräften, die sich der CDU/CSU und SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grü- dort bemühen, meinen sehr herzlichen Dank ausspre- nen vor. Ich will darauf hinweisen, dass wir über die Be- chen. 9702 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Brunhilde Irber (A) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der Wir dürfen dabei aber auch eigene Fehler nicht aus (C) FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- den Augen verlieren. Ich denke hier an die Kriegsge- SES 90/DIE GRÜNEN) winner, die Waffenschieber und Geschäftemacher. Kol- lege hat es bereits während der letzten Einer der entscheidenden Sätze aus dem Regierungs- Sitzung des Europarates am 19. April 2007 erwähnt. Es antrag ist für mich der folgende: kann nicht sein, dass parallel zu den Bemühungen für Die Entwicklung im Südsudan kann aber nicht los- den Frieden im Sudan europäische Unternehmen mit gelöst von der erschreckenden humanitären und Verbrechern paktieren. politischen Situation in Darfur gesehen werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ Deshalb ist und bleibt es eines der wichtigsten Ziele CSU, der LINKEN und des BÜNDNIS- – dies kommt in dem Antrag zum Ausdruck –, dass der SES 90/DIE GRÜNEN) unabhängige Allparteiendialog in Darfur und ein natio- An dieser Stelle müssen wir vor der Haustür Europas naler Dialog aller demokratischen Kräfte stattfinden mit eisernem Besen kehren. Wer sich auf solche Weise können. Diese Dialoge kann und muss die internationale bereichert und so Tod und Leid vieler Menschen in Kauf Staatengemeinschaft mit allen Mitteln unterstützen. Al- nimmt, sollte mit allen rechtlichen Mitteln zur Verant- lerdings ist es dazu dringend erforderlich, dass die Waf- wortung gezogen werden. fen schweigen, und zwar auf allen Seiten. Ist Frieden im Sudan in Anbetracht der komplexen Wir haben in den letzten Tagen und Wochen das un- Konfliktlage eine unlösbare Aufgabe? Wird dieses rie- sägliche Leid von Millionen von Menschen, die sige Land 2008 oder 2009 ein stabiles Umfeld für Wah- Anschläge auf die AMIS-Soldaten und den dreisten len überhaupt gewährleisten können? Missbrauch der UN-Farben an Flugzeugen der suda- Im Zusammenhang mit den Wahlen im Kongo habe nesischen Armee gesehen. Dieser Verstoß gegen ich mir ähnliche Fragen gestellt. Der Einsatz der interna- Art. 100 der UN-Charta ist besonders niederträchtig und tionalen Schutztruppe wurde kontrovers diskutiert. muss scharf verurteilt werden. Heute kann man sagen: Das Risiko hat sich gelohnt. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP Alle Parteien im Sudan müssen an den Verhandlungs- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tisch zurückkehren. Dies gilt für diverse Rebellengrup- Mit der Zustimmung der sudanesischen Regierung zum pen ebenso wie für die sudanesische Regierung. Wir sogenannten „schweren Unterstützungspaket“ sind brauchen einen gesamtsudanesischen Dialog, damit die große Hoffnungen verbunden. Die diplomatischen Be- Zukunft dieses Landes gestaltet werden kann. Und wir (B) mühungen des UN-Generalsekretärs und seines Sonder- sollten die moderaten Kräfte in der Regierung in Khar- (D) beauftragten Jan Eliasson scheinen Früchte zu tragen. toum unterstützen. Wir sind damit einen kleinen Schritt in die richtige (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Richtung weitergekommen. Ich kann nur hoffen, dass BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) damit auch die Chance besteht, die humanitäre Hilfe Die im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen be- wieder in geordnete Bahnen zu lenken. schlossene AU/UN-Hybridmission wird die Vorausset- zungen dafür verbessern und die humanitäre Hilfe vor (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Ort ermöglichen. Wie viel politischer Druck dafür aufge- CDU/CSU) baut werden muss, wird sich zeigen. Was notwendig ist, Anerkennenswert ist die Zustimmung Khartoums um jetzt die zweite Umsetzungsphase zu realisieren, for- zum zweiten Unterstützungspaket. Wir müssen aber dern wir in unserem Entschließungsantrag. Ich bitte Sie, jetzt auch ein glaubhaftes politisches Signal setzen, da- diesem heute zuzustimmen. mit sich Baschir keinen weiteren Wortbruch mehr leisten Ich bitte natürlich auch darum, dem UNMIS-Antrag kann. zuzustimmen, der ein unverändertes Mandat für die Zeit (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des bis zum 15. November 2007 mit bis zu 75 Soldaten aus- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) stellt, wobei immer nur 38 oder 39 im Einsatz sind. Der Einsatz kostet 800 000 Euro. Deshalb fordern wir die unverzügliche Umsetzung dieser zweiten Stufe der vereinbarten AU/UN-Hybrid- An dieser Stelle möchte ich unseren Militärs danken, mission. Jede Verzögerung wird zur Ausweitung von die sich dieser Aufgabe unterziehen. Es ist nicht leicht, UN-Sanktionen führen. Sollte dies im Sicherheitsrat der im Sudan unter diesen Umständen zu agieren, zu beob- Vereinten Nationen nicht durchsetzbar sein, fordern wir achten und dabei zu helfen, Frieden im Südsudan zu die Bundesregierung auf, sich für einen Sanktionsme- schaffen und die Implementierung des Comprehensive chanismus der EU einzusetzen. Peace Agreement voranzubringen, aber natürlich auch dafür zu sorgen, dass die anderen Teile des Sudans dabei Nur damit kein Missverständnis entsteht: Wir reden nicht außer Acht gelassen werden. hier nicht mehr von diffusen Ankündigungen, sondern Herzlichen Dank. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung. von konkreten Maßnahmen gegen Mitglieder der suda- nesischen Regierung. Ankündigungen ohne Konsequen- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP zen darf es nicht mehr geben. und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9703

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C) Das Wort erhält nun die Kollegin Marina Schuster, der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNIS- FDP-Fraktion. SES 90/DIE GRÜNEN) Denn das ist ein deutliches Signal in Richtung Khar- (Beifall bei der FDP) toum. Ich vermisse allerdings von der Bundesregierung und Marina Schuster (FDP): der EU-Ratspräsidentschaft bislang eine deutliche Reak- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und tion auf einen aktuellen, sehr ernsten Vorgang. Nach Er- Kollegen! Die Bundeswehr leistet mit ihrer Beteiligung kenntnissen der Vereinten Nationen hat der Sudan Flug- am UNMIS-Einsatz im Südsudan trotz der sehr schwie- zeuge weißlackiert, mit UN-Hoheitszeichen versehen rigen Bedingungen vor Ort eine gute und sehr wertvolle und hat damit illegal Waffen und Munition nach Darfur Arbeit. Ich möchte eines gleich zu Beginn deutlich ma- transportiert und wohl auch zivile Ziele bombardiert. chen: Wer diesen Einsatz als Symbolik bezeichnet, weiß Die „New York Times“ hat ein Foto von einer solchen nicht, wie die tägliche Arbeit dort aussieht. Ich konnte Maschine veröffentlicht. Der Missbrauch von UN-Kenn- mich – genauso wie die Kollegin Irber und andere – in zeichen zu Kriegszwecken ist nicht nur ein unglaubli- Juba im Südsudan davon überzeugen, dass die Bundes- cher politischer Skandal, sondern auch ein schwerer Ver- wehr sehr hohes Ansehen genießt. stoß gegen das Völkerrecht. Nach 20 Jahren Bürgerkrieg und schätzungsweise (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD 2 Millionen Toten ist der Nord-Süd-Friedensvertrag und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die einzige Chance auf dem Weg zu dauerhaftem Frie- Herr Staatsminister Erler, Sie haben sich bei meiner den. Die Umsetzung des Comprehensive Peace Agree- Frage danach im Auswärtigen Ausschuss darauf bezo- ments hinkt leider hinterher, gerade bei solchen wichti- gen, dass dies eine UN-interne Angelegenheit sei, der gen Institutionen wie der National Petroleum man nun nachgehe. Ich verlange von der EU-Ratspräsi- Commission. Auch aufgrund der Spannungen um die dentschaft allerdings etwas mehr als solche allgemeinen Region Abyei und der zunehmenden Sorge hinsichtlich Verweise. der Wahlen 2009 bildet der UNMIS-Einsatz einen wich- tigen Stabilitätsfaktor. Trotz aller Schwierigkeiten vor (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Ort gibt es deutliche Zwischenerfolge. Es ist deutlicher des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) denn je: Nur mit dem Comprehensive Peace Agreement geht man den Weg zu dauerhaftem Frieden. Die FDP- Präsident Dr. Norbert Lammert: (B) Fraktion wird dem vorliegenden Verlängerungsantrag Nächster Redner ist der Kollege Hartwig Fischer, (D) zustimmen, weil wir diesen langfristigen Prozess unter- CDU/CSU-Fraktion. stützen wollen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNIS- Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): SES 90/DIE GRÜNEN) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Situation in Darfur ist unerträglich. Es geht heute Mor- Es stellt sich allerdings die Frage, ob sich die Rah- gen eigentlich um zwei Bereiche. Diese möchte ich deut- menbedingungen des Einsatzes nicht verändert haben, lich aufzeigen, weil wir in der Diskussion mit der Bevöl- wie es im Mandatsantrag heißt. Ein Beispiel: Glück- kerung leider feststellen, dass dies nicht bekannt ist. Es licherweise kehren zunehmend mehr Flüchtlinge in den geht auf der einen Seite um die Absicherung des Frie- Süden des Landes zurück. Aber wie geht es dort für die densprozesses im Südsudan durch die Verlängerung des Menschen weiter? Die entscheidende politische Frage UNMIS-Mandates. Es geht auf der anderen Seite um ist: Spüren die Menschen vor Ort die Friedensdividende? friedenschaffende Maßnahmen mit AMIS und einer Zudem hat die Bundesregierung zu Recht darauf hinge- eventuell verbreiterten Mission von UN und AMIS in wiesen, dass die Situation im Südsudan nicht losgelöst Darfur. von der Lage in Darfur betrachtet werden kann. Die Si- Nach 20 Jahren Bürgerkrieg im Südsudan gab es vor tuation in dieser Krisenregion ist nach wie vor alarmie- zwei Jahren einen Friedensschluss. UNMIS ist die Vo- rend. Die hoffnungsvollen Signale von Präsident Baschir raussetzung für den Wiederaufbau und die Stabilisierung hat er leider kurz darauf wieder relativiert. Nun spricht des Friedens im Südsudan. Es wurde eine Übergangsre- er nicht mehr von 3 000 UN-Blauhelmen, sondern nur gierung gebildet. Diese Übergangsregierung hat sich noch von Technikern und Ingenieuren. Diese gezielte eine Verfassung gegeben. Viele von uns kennen diese Verzögerungstaktik scheint sich also leider fortzuset- Verfassung. Sie ist vorbildlich für die Entwicklung in zen. diesem Teil des Sudans. Das war die Grundvorausset- Ich begrüße es daher und freue mich, dass sich die zung, um eine neue Infrastruktur mit der Weltgemein- schaft zu schaffen: Verwaltungsaufbau, Wasser, Straße, Fraktionen im Deutschen Bundestag mit Ausnahme der Energie, Agrarstruktur, Bildung und Gesundheit. Linksfraktion nach intensiven Verhandlungen auf einen interfraktionellen Entschließungsantrag geeinigt haben, Das war die Voraussetzung dafür, dass die Menschen der den Druck verstärken kann. aus den Flüchtlingslagern, zum Beispiel in Kenia, zu- 9704 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Hartwig Fischer (Göttingen) (A) rückkommen konnten. In ein Flüchtlingslager in Kenia In der Bilanz bedeutet das: rund 3 Millionen Flücht- (C) sind vor 22 Jahren innerhalb weniger Wochen 40 000 Men- linge und Binnenvertriebene, 250 000 bis 300 000 Tote, schen geflohen. Innerhalb von 20 Jahren, in denen diese täglich Flucht, Hunger, Durst, Misshandlung, Vergewal- Menschen nicht zurückkehren konnten, ist die Zahl der tigung und Mord. 400 000 Menschen – ich habe das Flüchtlinge in diesem Lager allein durch Geburten von schon in der letzten Debatte gesagt – sind in Kutum seit 40 000 auf 120 000 gewachsen. Das heißt, es gibt eine Monaten unversorgt. Natürlich sind wir alle froh, dass ganze Generation, die in einem Flüchtlingslager aufge- die Regierung Baschir jetzt einer ersten UN-Mission zu- wachsen ist, die jetzt im Südsudan in Sicherheit leben gestimmt hat. Ich zweifle aber immer noch sehr an den will. Zusagen von Baschir. In den vergangenen Jahren haben wir immer wieder erlebt, dass Zusagen im letzten Mo- Mit UNMIS und 38 Beobachtern der Bundeswehr ment zulasten der Bevölkerung von Darfur zurückgezo- kann ein entscheidender Beitrag geleistet werden. Fünf gen wurden. Soldaten sind in Stabsverwendungen – wir haben uns im Ausschuss am Mittwoch darüber informieren lassen –, Die UN-Berichte und die UN-Resolutionen sind eine 33 Soldaten sind in den Sektoren eingesetzt. Ich be- Chronik des Leidens in Dafur. Die Mission, die jetzt schreibe die Aufgaben von einigen der fünf Soldaten: fortgesetzt und verstärkt werden soll, ist dringend not- Der Chief of Staff ist mit für die Überwachung des Frie- wendig. Die 3 000 Soldaten, die im Rahmen einer soge- densvertrages zuständig. Er koordiniert unter anderem nannten Hybridmission von Afrikanischer Union und den Einsatz der UNMIS-Militärbeobachter. Der Chief J 2, UN vorgesehen sind, reichen nicht annähernd aus, sind der in Khartoum im Hauptquartier sitzt, gibt die Sicher- aber ein erster Schritt. Sie wissen, dass Kofi Annan be- heitslage für die Gesamtmission entsprechend den einge- reits im vergangenen Herbst 22 000 Mann gefordert hat. henden Einzelberichten weiter. Der Chief J 7 koordiniert Er hat gesagt, das sei die einzige Chance, dort einen die Einsatzausbildung des Personals vor Ort. Er bildet Friedensprozess einzuleiten. die neu eingetroffenen internationalen Militärbeobachter Ich habe Herrn Staatsminister Erler letztens gesagt, anlassbezogen aus und nimmt gleichzeitig die Weiterbil- vielleicht kann das Auswärtige Amt zur Information eine dung des Personals im Einsatz vor. Der sogenannte Se- spezielle Internetseite aufbauen. Das ist nicht mehr nö- nior Staff Officer Monitoring and Verification ist im tig: Schauen Sie einmal bei Google Earth nach! Die ha- Bereich der weiteren Auswertung von Berichten und ben etwas gemacht, worauf man stolz sein kann: Zeitnah Meldungen der Militärbeobachter eingesetzt. werden jede Woche Satellitenbilder von jedem größe- In Richtung der Linken, die immer den Eindruck ver- ren Flüchtlingscamp eingestellt, sodass man genau ver- mitteln wollen, wir seien dort mit Waffen unterwegs, gleichen kann, wie sich die Situation der Menschen dort (B) sage ich ausdrücklich: Alle 38 Militärbeobachter sind entwickelt. Dies bedeutet zusätzlichen öffentlichen (D) unbewaffnet. Sie unterstützen die Gesamtmission mit Druck. Ich sage auch vor dem Hintergrund von Einsät- rund 9 500 UNMIS-Soldaten. zen der Bundeswehr im Ausland: So etwas ermöglicht auch mehr Information für unsere Bevölkerung, die sol- All dies ist die Grundlage für die Wahlen, die im chen Einsätzen oft sehr skeptisch gegenübersteht und Jahr 2009 im Sudan stattfinden sollen. Es ist auch die uns Politikerinnen und Politiker fragt, ob der Einsatz Grundlage für das Referendum, das 2011 stattfinden denn notwendig ist. soll. Es ist die Grundlage für eine dauerhafte Befriedung Zu den schärferen Formulierungen im interfraktionel- des Südsudans. Deshalb wird unsere Fraktion dem An- len Antrag sage ich für meine Fraktion ganz offen: Na- trag der Bundesregierung auf Verlängerung von UNMIS türlich hätten wir uns gewünscht, dass in der Flugver- zustimmen. botsfrage nicht nur ein Prüfauftrag erteilt wird. Hier mache ich den Schnitt zu AMIS und Darfur. Ich ( [Wiesloch] [SPD]: bin ausgesprochen dankbar dafür, dass wir uns trotz Sondern?) schwieriger Verhandlungen auf einen interfraktionellen Antrag einigen konnten. An zwei, drei Punkten – ich Ich persönlich und die große Mehrheit meiner Fraktion sage gleich etwas dazu – hätte ich mir eine Verschärfung halten ein Flugverbot für absolut notwendig, gerade vor des Antrages vorstellen können. dem Hintergrund dessen, was die Kollegin Schuster an- gesprochen hat: dass weiß angestrichene Maschinen der (Zuruf des Abg.Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ Regierung Bomben bringen, während die Menschen un- DIE GRÜNEN]) ten meinen, sie bekämen Hilfsgüter. Es ist pervers, was die dortige Regierung macht. – Herr Trittin, ich sage gleich etwas dazu. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem Vier Jahre Krieg, Rebellen gegen Rebellen, vier Jahre BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- Krieg, Rebellen gegen Regierung, vier Jahre Krieg, Re- geordneten der FDP) gierung mit Rebellen. Die Lage ist also vollkommen un- überschaubar. Gleichzeitig gibt es Waffenlieferungen Ich danke allen, die an diesem interfraktionellen An- von der Regierung an die Rebellen. Das heißt, hier füh- trag mitgearbeitet haben. Ich bitte Sie, sich bei Google ren nicht nur Rebellen innerhalb des Volkes einen Krieg, Earth über diese Dinge zu informieren. Sie können dort sondern auch die Regierung einen Krieg gegen das ei- mehr erfahren als auf allen anderen Wegen. Ich hoffe im gene Volk. Interesse der Menschen in Darfur, dass wir eine große Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9705

Hartwig Fischer (Göttingen) (A) und breite Zustimmung zu dem interfraktionellen Antrag linge sind zu versorgen. Es ist hochkompliziert, die Re- (C) bekommen. bellen auf eine konsistente Position zu einen und die Integration der ehemaligen Kämpfer zu bewerkstelligen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem Das sind schon für sich genommen immense Anforde- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- rungen. Hinzu kommt der Mangel an Schulen und Ge- geordneten der FDP) sundheitsversorgung. Wer sich all das vor Augen führt, stellt fest: Zur Lösung dieser Aufgaben bedarf es ganz Präsident Dr. Norbert Lammert: anderer Kräfte. UNDP, UNHCR und UNFEM, das sind Ich erteile das Wort der Kollegin Monika Knoche, die richtigen Adressen. Da kann es Sie, meine sehr ge- Fraktion Die Linke. ehrten Herren und Damen, die Sie heute ein weiteres (Beifall bei der LINKEN) Mal die Bereitstellung von de facto 38 von 75 Militärbe- obachtern beschließen, doch eigentlich nicht zufrieden- stellen, dass sich der Beitrag Deutschlands auf ein zu Monika Knoche (DIE LINKE): eng gefasstes Verständnis von Peacekeeping reduziert. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Da- men! Die Linke hofft sehr, dass der Prozess der Frie- Zu UNMIS ist auch zu sagen: Wir sollten nicht ver- densbildung im Sudan vorankommt. gessen, dass eine lang andauernde Militärpräsenz er- hebliche negative Auswirkungen hat. Strukturen der (Zuruf von der CDU/CSU: Ihr könnt ja Fremdbestimmung und Abhängigkeit greifen Platz. Es zustimmen!) entwickelt sich eine an das Militär angedockte Ökono- UNMIS hat zweifelsfrei dazu beigetragen, das Friedens- mie. Korruption und die Ausbreitung von Prostitution abkommen im Südsudan zu sichern. Diese positive sind sozusagen die Kollateralschäden eines militärischen Bilanz würdigen wir. Denn obgleich man sich für diese Friedenseinsatzes. Militärpräsenz auf Kapitel VI und VII der UN-Charta (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: bezieht, zeichnet sich diese Mission durch Friedfertig- Waren Sie eigentlich schon einmal im Süd- keit aus. Es wäre also töricht und, wie ich meine, poli- sudan?) tisch fahrlässig, die deutsche Kriegsbeteiligung in Ju- goslawien oder die Tornadoeinsätze in Afghanistan nach Wenn Sie gestern Abend der entwicklungspolitischen Kapitel VII in einem Atemzug mit der Mission im Sudan Debatte gefolgt wären, hätten Sie bestätigt bekommen, zu nennen. dass das die tatsächlichen Auswirkungen der Präsenz jeglichen Militärs sind. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) (B) Deutsche Kriegsbeteiligungen sind und bleiben für uns (D) unannehmbar. Deshalb spreche ich mich gegen die Engführung aus, UNMIS als Blauhelmeinsatz zu bewerten. Für uns geht (Beifall bei der LINKEN) es darum, dass gefestigte zivile Strukturen entstehen. Wir wollen dafür sorgen, dass die Bevölkerung über die Im Sudan geht es aber um etwas anderes. Hier ist die Wahlen im Jahre 2009 hinaus bis zum Referendum im Frage zu beantworten, wie ein Umlenken von der militä- Jahre 2011 die gelebte Erfahrung macht, dass die inter- rischen auf eine rein zivile Konfliktbearbeitung er- nationale Gemeinschaft all ihr Können darauf richtet, die reicht werden kann. Wir Abgeordnete müssen genau hin- Ursachen der Konflikte zu bearbeiten. Hier muss selbst- schauen, was das Land Sudan jetzt am dringlichsten verständlich auch China einbezogen werden; denn dieses braucht. Ich denke, die Bevölkerung, die Konfliktpar- Land investiert angesichts der aufgeteilten Ölmärkte der teien müssen die Erfahrung machen, dass es sich lohnt, Welt in hochriskante Staaten. Die Frage des Ressour- Frieden zu schließen, in Frieden zu leben. Ihre vordring- cenzugangs ist auch eine Friedensfrage. Das müssen wir lichsten Probleme sind nämlich das Landrecht, der immer im Blick behalten. Zugang zu Wasser und zu Weideland und die Wüstenbil- dung als Folge des Klimawandels. All das ist beständi- (Beifall bei der LINKEN) ger Quell von Auseinandersetzungen. Wie die Einnah- men aus dem Verkauf von Rohstoffen zwischen den Das Land Sudan braucht zivile Infrastrukturarbeit, Me- Volksgruppen aufgeteilt werden, beschwert ebenfalls diation und eine gerechte Verteilung der Erdöleinnah- den Frieden und schürt Konflikte, auf die sich ethnische men. und religiöse Konflikte aufsetzen. Die Linke sagt: Es ist richtig, internationale Polizei- „Frieden muss von innen wachsen“, sagt der Evange- kräfte einzusetzen. Demobilisierung und der Schutz zivi- lische Entwicklungsdienst, Frieden brauche gesellschaft- ler Akteurinnen sind notwendig. Das kann Polizei leis- liche Beteiligung, gerade von jenen, die die Zivilgesell- ten. Aber bei 100 Millionen Euro für 10 000 Soldaten, schaft ausmachen. Das verweist meines Erachtens 750 Militärbeobachter und 700 Polizisten haben wir darauf, dass das deutsche Engagement eine starke Inves- schon den Eindruck, dass es sich um ein Missverhältnis tition in den zivilen Friedensdienst sein muss. handelt. Ich gebe gerne zu: Die 38 deutschen Soldaten, die im (Beifall bei der LINKEN) Rahmen von UNMIS eingesetzt werden, schaden einem Zwei Millionen Menschen waren von den grauenvol- zivilen Auftrag nicht. Aber es stellen sich die Fragen: len Zuständen im Sudan betroffen. 250 000 neue Flücht- Was nützt mehr? Was ist effektiver? Was ist nachhalti- 9706 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Monika Knoche (A) ger? Was ist besser? Welche Instrumente sind am wir- Meine Damen und Herren, auch liebe Kolleginnen (C) kungsvollsten, um Stabilität und Friedensgewinn zu er- und Kollegen von der Linken, der PDS, vor diesem Hin- zielen? Hier kommt die Linke zu einem anderen tergrund zu sagen, die unbewaffneten Beobachter, die Ergebnis als Sie. Denn die Annahme, dass Militär alles sich in dieser Mission befinden, würden „nicht schaden“, Zivile auch leisten könne oder sogar zivile Schritte erset- empfinde ich erstens als eine unglaubliche Missachtung zen könne, ist falsch. der sehr wichtigen Arbeit, die sie dort leisten, (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Nicht militärisch, auch nicht militärisch-zivil, son- dern zivil muss die Hilfe sein. Insofern sticht das Argu- und zweitens als eine insgesamt wirklich unglaubliche ment nicht, ohne Militärpräsenz hätte es keinen Frie- Ignoranz gegenüber den für diesen Friedensprozess er- densprozess gegeben. Niemand spricht sich generell forderlichen Notwendigkeiten. UNMIS ist auch in Zu- gegen Blauhelmeinsätze aus. Aber wir müssen darüber kunft für den Friedensprozess nötig. diskutieren, worin der spezifisch deutsche Friedensbei- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN trag besteht. und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Nicht zuletzt möchte ich noch darauf hinweisen: Viel- CDU/CSU und der FDP) leicht hat sich die ehemalige rot-grüne Regierung er- Es geht um unbewaffnete Militärbeobachter. Das hofft, durch die Beteiligung an UNMIS bessere Chancen müsste Ihnen ja eigentlich entgegenkommen. Das ist auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu haben. auch kein symbolischer Beitrag; vielmehr ist unsere Un- Diese Höhenflüge sind vorbei. Heute müssen wir uns ge- terstützung für UNMIS der größte Beitrag aller Euro- nau ansehen, welches Engagement Deutschland im Su- päer. Die Militärbeobachter leisten bei der Vertrauensbil- dan leistet. Wir Linken sind nicht der Meinung, dass die dung zwischen den Bürgerkriegsarmeen Wichtiges und Fortsetzung der Beteiligung Deutschlands an UNMIS sorgen für die Einhaltung der Truppenrückzüge. für den Frieden und für das innere Wachsen des Friedens wirklich dienlich ist. Wir plädieren für einen ausgepräg- Ich will das hier einmal sagen: Nach meinen Informa- ten zivilen und humanitären Beitrag und stimmen dem tionen leisten unsere Soldaten dort einen sehr schwieri- Antrag der Regierung nicht zu. gen, risikoreichen und strapaziösen Dienst. Sie sind bei dieser Aufgabe, als Unbewaffnete dort zu vermitteln, auf (Beifall bei der LINKEN – Hartwig Fischer sich allein gestellt. Ich denke, ich spreche auch in Ihrem [Göttingen] [CDU/CSU]: Das haben wir auch Namen, wenn ich diesen Soldaten hier unseren Dank nicht erwartet!) ausspreche. (B) (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Präsident Dr. Norbert Lammert: bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Kerstin Müller ist die nächste Rednerin für die Frak- tion des Bündnisses 90/Die Grünen. Wir werden der Verlängerung dieses Mandats daher na- türlich zustimmen. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Zu Darfur. Die Gewalt in Darfur hat inzwischen ne- NEN): gative Rückwirkungen auf den Nord-Süd-Friedenspro- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als zess und ist fast zur Hauptgefahr geworden, weil es im- im Januar 2005 das Nord-Süd-Friedensabkommen im mer noch nicht gelungen ist, das Morden in Darfur zu Sudan abgeschlossen wurde, hatten wir alle große Hoff- stoppen. Seit Abschluss des Nord-Süd-Friedensvertrages nungen – das ist hier schon zum Ausdruck gebracht wor- hat sich die Lage sogar noch verschlechtert. den –, dass es nach mehr als 20 Jahren Bürgerkrieg zu Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, vor dem einer friedlichen Entwicklung im Süden kommen und Hintergrund dieser Situation hier einen interfraktionellen dieser Prozess sogar positiv auf die anderen Konflikte Antrag zustande zu bringen. Das ist vielleicht nur ein im Sudan ausstrahlen würde. kleiner Beitrag, aber ich hoffe, dass das ein starkes Si- In dem jüngsten Bericht des UN-Generalsekretärs an gnal an die sudanesische Regierung in Khartoum ist, den Sicherheitsrat wird leider die umgekehrte Entwick- nämlich dass wir ein Ende der Gewalt fordern und dass lung aufgezeigt. Der Nord-Süd-Friedensprozess ist in ei- wir fordern, dass endlich eine robuste UNO-Truppe ins ner absolut kritischen Phase. Fachleute sehen sogar die Land gebracht wird, die die Menschen dort schützt. Gefahr, dass er völlig entgleisen könnte. Der Friedens- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN prozess im Osten des Sudans stagniert, und die Gewalt und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der im Westen des Landes, in Darfur, eskaliert. Im Süden ist CDU/CSU) die Sicherheitslage angespannt. Zuletzt gab es in Mala- kal sogar wieder Kämpfe; ich glaube, Sie haben es er- Der interfraktionelle Antrag ist natürlich auch eine wähnt, Herr Kollege Fischer. Es gibt Probleme bei der Aufforderung an die Bundesregierung und eine Ermuti- Grenzziehung in strittigen Provinzen, bei der Bildung in- gung: Setzen Sie sich mit den darin genannten Mitteln tegrierter Armeeeinheiten, bei der Demobilisierung der für ein Ende der Gewalt in Darfur ein! Sorgen Sie dafür, Milizen und vor allem – das ist natürlich sehr schlecht – dass die sudanesische Regierung einen hohen Preis auch bei der Vorbereitung der für 2009 geplanten ge- zahlt, wenn sie ihr Katz-und-Maus-Spiel mit der interna- samtsudanesischen Wahlen. tionalen Gemeinschaft fortsetzt und die Umsetzung der Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9707

Kerstin Müller (Köln) (A) 20 000-köpfigen gemeinsamen Friedensmission der Ver- densverhandlungen mit allen Konfliktparteien, die die (C) einten Nationen und der Afrikanischen Union weiter Europäische Union unterstützen kann, was sie mit dem verhindert! Sonderbeauftragten tut, und eine entsprechend Truppe, die die Menschen schützt. Ich bin sehr froh darüber, dass Natürlich hätten auch wir uns an der einen oder ande- wir heute mit dem interfraktionellen Antrag ein klares ren Stelle etwas schärfere Formulierungen gewünscht. Signal nach Khartoum setzen und dass wir uns in einer Ich will nur noch einmal zu bedenken geben – ich wichtigen Menschenrechtsfrage einig sind und gemein- glaube, das ist uns allen klar –, was die Zusagen des Su- sam handeln. Ich hoffe, dass dieses Signal in Khartoum dans in der Vergangenheit wert waren. vielleicht doch noch gehört wird. Ich hoffe, die Zusage der zweiten Phase bei AMIS Vielen Dank. – 3 000 Soldaten und sechs Kampfhubschrauber – wird umgesetzt. Das ist zweifelsfrei ein wichtiger Schritt. Wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wissen – das muss uns allen klar sein –: Zusagen des Su- sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und dans waren in der Vergangenheit leider auf die Dauer der SPD) nicht viel wert. Deshalb können wir uns nicht erleichtert zurücklehnen. Der internationale Druck muss aufrecht- Präsident Dr. Norbert Lammert: erhalten werden. Weiterhin muss uns klar sein, dass der Für die Bundesregierung erhält nun der Staatsminister Sudan der dritten und entscheidenden Aufstockungs- Gernot Erler das Wort. phase für AMIS mit 10 000 zusätzlichen Soldaten nicht zugestimmt hat. Ebenso wenig hat er einer UNO-Kom- mandostruktur oder der Beteiligung nicht afrikanischer Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Soldaten zugestimmt. Auch das wird nur geschehen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die wenn der internationale Druck aufrechterhalten wird. Bundesregierung hat am 28. März beschlossen, das Diese Instrumentarien sind im Antrag benannt. Wenn der UNMIS-Mandat bis zum 15. November dieses Jahres Sudan seine Zusagen nicht einhält, dann müssen klare zu verlängern, um die Umsetzung des Nord-Süd-Frie- Fristen gesetzt und gezielte Sanktionen gegen die Ver- densabkommens im Sudan weiter unterstützen zu kön- antwortlichen des Regimes verhängt werden, damit end- nen. Das Mandat bleibt unverändert. Wir erwarten den lich Soldaten ins Land kommen und die Menschen vor Sicherheitsratsbeschluss für eine Verlängerung um sechs der Gewalt geschützt werden können, zumindest diejeni- Monate bis zum nächsten Montag. Unser Antrag sieht gen, die in den Flüchtlingslagern sind. dieses Mal eine Dauer von sieben Monaten vor, damit wir bei der zu erwartenden nächsten Verlängerung durch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Vereinten Nationen nach der UNO-Entscheidung im (B) und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Deutschen Bundestag unseren konstitutiven Beschluss (D) CDU/CSU) treffen können. Die Obergrenze liegt weiter bei 75 ein- Wir hätten uns gewünscht, dass diese Sanktionen zusetzenden Kräften. Im Augenblick – das ist erwähnt nicht nur für die zweite Aufstockungsphase, sondern worden – sind es 38 Soldaten und fünf Polizisten, die auch für die Gesamtmission gelten. Wir sind uns hier dort ihren Dienst tun. Die Aufgabe lautet Beobachtung aber einig, dass wir letztlich die Gesamtmission brau- und Kontrolle, um die weitere Umsetzung dieses wichti- chen. Wir dürfen der sudanesischen Regierung kein gen Friedensabkommens sicherzustellen. Schlupfloch für ihr zukünftiges Katz-und-Maus-Spiel Was ist der bisherige Stand des CPA? Es gibt Fort- lassen. schritte beim Rückzug der Konfliktparteien. Das hat Auch ich möchte noch einmal dieses schamlose Bei- UNMIS ermöglicht, sich aus dem Osten der Region spiel nennen. Auf der einen Seite wird gerade verhandelt, – aus Kassala – zurückzuziehen. Es vollzieht sich ein und es gibt eine Zusage. Auf der anderen Seite ist man Prozess der Rückkehr der Flüchtlinge; aber er ist noch dort so dreist, Flugzeuge, die Waffen nach Darfur trans- zögerlich. Es gibt einen wichtigen Fortschritt bei der Be- portieren, umzulackieren, mit dem UN-Logo zu versehen endigung des Terrors, der von der LRA, der Lord’s Re- und als UNO-Flugzeuge zu tarnen. So viel Dreistigkeit sistance Army, also von ugandischen Rebellen, ausgeht. angesichts des Bemühens der internationalen Gemein- Es hat gerade gestern wieder Gespräche gegeben; die schaft, entsprechende Vereinbarungen zu treffen, ist Südregierung vermittelt erfolgreich. wirklich nicht zu überbieten. Ich teile die Auffassung des Aber nach wie vor ist die internationale Unterstüt- Kollegen Fischer: Dem Bestreben, über Darfur eine zung zur Umsetzung des Friedensabkommens notwen- Flugverbotszone zu verhängen, wurde mit diesem völ- dig. Es ist noch nicht gelungen – wir streben das an –, in- kerrechtswidrigen Verhalten ein zusätzlicher Grund ge- tegrierte Verbände aus den früheren kämpfenden geben. Gruppen zu bilden. Es gibt immer wieder – Kerstin (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Müller hat gerade wieder darauf hingewiesen – aufflam- sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der mende Kämpfe, zum Beispiel im November letzten Jah- SPD und der FDP) res in Malakal. Auch uns ist natürlich klar: UNO-Truppen sind das Natürlich steht dies in einem Gesamtkontext zu der eine. Es braucht natürlich einen Friedensvertrag. Nur Situation im Sudan. Ich kann nur sagen: Die Situation ist Friedensgespräche werden zu einem dauerhaften Frieden nach wie vor beunruhigend, ja in Darfur sogar bestür- führen. Wir brauchen aber beides gleichzeitig: neue Frie- zend. 9708 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Staatsminister Gernot Erler (A) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Drittens liegt die Arbeit mit den Rebellen vor uns, um (C) CDU/CSU) sie gemeinsam auf ein Friedenskonzept zu verpflichten. Es gibt viertens die Aufgabe, AMIS weiter zu befähigen, Die nüchternen Zahlen lassen das Ausmaß des Elends al- und fünftens die Aufgabe, das UN-Paket auch tatsäch- lenfalls ahnen. Sie lauten: bis zu 300 000 Tote, mehr als lich einsatzfähig zu machen. Man darf nicht unterschät- 2 Millionen Flüchtlinge, allein im letzten Jahr 250 000 zen, was das bedeutet. Das sechste Arbeitsfeld umfasst zusätzliche Flüchtlinge. 4 Millionen Menschen sind von die Fortsetzung der humanitären Hilfe zum konkreten Hilfe von außen abhängig. 1 Million Menschen werden Schutz der in Not befindlichen, wehrlosen Bevölkerung. von der Hilfe von außen gar nicht mehr erreicht. Jede Woche gibt es Angriffe auf und Beraubungen von Hel- Ich finde, diese Debatte sollte auch Anlass sein, unse- fern. Die Übergriffe der Aktivitäten auf den Tschad und ren hohen Respekt vor und unseren Dank für den Mut die Zentralafrikanische Republik haben längst zu einer der zivilen Helfer, die in dieses Land gehen, zum Aus- Regionalisierung der Instabilität geführt. Bisher ist es druck zu bringen. leider nicht gelungen, auch hier eine UN-Mission wirk- sam einzusetzen. (Beifall im ganzen Hause) Es ist zu begrüßen, dass nach langem Ringen mit der All das ist komplex und langwierig, und der Erfolg ist sudanesischen Regierung nun eine Zustimmung zur zwei- keineswegs sicher. Aber gerade deswegen brauchen wir ten Phase, zur Erweiterung der AMIS-Mission, also der UNMIS weiter. Deshalb bittet die Bundesregierung Sie, Mission der Afrikanischen Union, stattfinden kann. Aber der Verlängerung dieses Mandates zuzustimmen. Denn es wird noch schwierig sein, die 3 000 Soldaten, die alle diese Aufgaben lassen sich nur dann lösen, wenn es AMIS verstärken sollen, zu rekrutieren und die entspre- wenigstens beim Nord-Süd-Konflikt gelingt, den Frie- chende Logistik und Finanzierung sicherzustellen. Vor densweg weiterzugehen. Dazu ist die internationale dem Spätsommer wird das nicht der Fall sein. Deswegen Hilfe mit UNMIS weiterhin notwendig. Wir bitten Sie gibt es keine andere Alternative, als die AMIS-Mission um Ihre Zustimmung. – sie reicht leider nicht aus, um die Bevölkerung wirklich Vielen Dank. zu schützen – fortzuführen. Es gehört zu den Erfolgen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, dass wir es – auch (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) durch das gute Beispiel Deutschlands, das 20 bis 25 Millionen Euro zur Verfügung stellen wird – geschafft Präsident Dr. Norbert Lammert: haben, die Finanzierung sicherzustellen. Nächste Rednerin ist die Kollegin Elke Hoff für die Parallel dazu finden intensive Bemühungen statt, die FDP-Fraktion. (B) Rebellengruppen untereinander in einen Verständigungs- (Beifall bei der FDP) (D) prozess zu führen und sie möglichst dazu zu bringen, dass sie das DPA, also das Darfur Peace Agreement, ak- zeptieren und sich damit gemeinsam auf eine Friedens- Elke Hoff (FDP): konzeption verständigen. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Knoche, eigentlich wollte ich Insgesamt haben wir hier eine komplexe Aufgabe vor nicht näher auf das eingehen, was Sie in Ihrer Rede vor- uns. Sie umfasst mindestens sechs Felder bzw. Heraus- getragen haben. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle nur ei- forderungen: nen guten Rat geben, nämlich dem Beispiel Ihres Frak- tionskollegen Paul Schäfer zu folgen und selber in den Einmal geht es darum, weiter Gespräche mit der suda- Sudan zu fahren. nesischen Regierung zu führen, damit sie der dritten Phase der hybriden, gemeinsamen Mission aus afrikani- (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: schen und UN-Kräften mit über 20 000 Soldaten zu- Richtig!) stimmt. Dann sollten Sie noch einmal Ihre Rede lesen und sie da- Zweitens ist nach wie vor Druck auszuüben. Das pas- hin befördern, wo sie hingehört. siert in den Reihen der Vereinten Nationen mit der De- batte über Sanktionen. Ich darf Ihnen, Frau Schuster, (Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Frau Müller und Herrn Fischer, deutlich sagen: Natürlich Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜND- ist das ein unglaublicher Missbrauch der hochangesehe- NISSES 90/DIE GRÜNEN) nen UN-Symbole. Das kann so nicht bleiben. Ich bin sehr dankbar, dass heute fast alle Fraktionen (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP unseren Bundeswehrsoldaten einen herzlichen Dank und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) für die Leistung aussprechen, die sie vor Ort in einer un- bewaffneten Militärmission erbringen. Ich bin auch sehr Aber wir haben zu respektieren, dass sich die Vereinten froh, dass diese Leistung zur Kenntnis genommen wird. Nationen entschlossen haben, das erst einmal genau zu Leider lag in der Vergangenheit die nötige Wertschät- untersuchen. zung an der einen oder anderen Stelle – sei es in Form (Gabriele Groneberg [SPD]: Eben!) von finanzieller Unterstützung, sei es bei der Postversor- gung oder Ähnlichem – im Argen. Insofern kann es Dann wird es eine angemessene Reaktion geben, an der heute einen Schub bewirken, dass wir mit großem Inte- natürlich auch wir uns beteiligen werden. resse verfolgen, was unsere Soldaten vor Ort leisten. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9709

Elke Hoff (A) Ich selber würde mich auch freuen, wenn wir viel eine Stabilisierung herbeizuführen. Meine lieben Kolle- (C) mehr Informationen und Berichte – auch schriftlich – ginnen und Kollegen, ich kann Sie nur ermuntern, sich über die Erfahrungen der Soldatinnen und Soldaten vor vor Ort selber ein Bild von der Situation zu machen. Vie- Ort bekommen können. Denn auch nach Auffassung der les, was uns hier als sehr einfach erscheint, ist nämlich FDP-Bundestagsfraktion handelt es sich bei diesem vor Ort unglaublich schwierig und langwierig. Ich Mandat um einen sinnvollen und wichtigen Beitrag zur denke, hier können wir als Parlamentarier persönlich Implementierung des Friedensvertrages von Nairobi. eine wichtige Unterstützung leisten. Wie fragil die Stabilität im Südsudan ist, konnte man Ich danke Ihnen. bei den bewaffneten Auseinandersetzungen in Malakal (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten im November letzten Jahres beobachten. Leider kommt der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNIS- die Umsetzung des Friedensvertrages viel langsamer SES 90/DIE GRÜNEN) voran als notwendig. Weder die Rückverlegung der Truppen noch die konsequente Entwaffnung der ehema- ligen Konfliktparteien ist bisher erreicht worden, obwohl Präsident Dr. Norbert Lammert: diese Punkte essenzielle Bestandteile des Vertrages sind. Das Wort hat nun der Kollege Hans Raidel, CDU/ CSU-Fraktion. Den zu entwaffnenden Gefolgsleuten der ehemaligen Konfliktparteien muss aber auch gleichzeitig eine Per- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) spektive aufgezeigt werden, wie sie in Zukunft für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen können. Dabei ist die Hans Raidel (CDU/CSU): verantwortliche Institution DDR heillos überfordert. In- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und sofern wäre ich froh, wenn wir auch diesen Prozess sei- Herren! Wer den Menschen im Sudan, in Darfur, wirk- tens der internationalen Staatengemeinschaft viel stärker lich helfen will, muss dem Antrag der Bundesregierung unterstützen würden. heute zustimmen. Der deutsche Beitrag war bisher not- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten wendig. Er ist auch in der Zukunft weiterhin wichtig und der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE hilfreich. Auch ich danke der Bundeswehr sehr herzlich. GRÜNEN) Ich freue mich als Verteidigungspolitiker, dass dieser Einsatz hier so gelobt wird. Wenn Sie das bei den Haus- Dazu muss neben den zivilen Perspektiven auch die haltsberatungen 2008 mit dem notwendigen Geld unter- Einbindung in die aufzustellenden integrierten Ver- füttern, hat die Sache Hand und Fuß. Ich bin gespannt. bände zählen. Diese sollten aus den ehemaligen Solda- Wir unterstützen die Bundesregierung in ihrem Be- (B) ten der sich bekämpfenden Konfliktparteien gebildet (D) werden. Auch dieses Vorhaben kommt seit Monaten mühen, den Friedensprozess voranzutreiben, fraktions- nicht voran. Diese integrierten Verbände müssen aber in übergreifend mit einem entsprechenden Antrag. Die Lin- Zukunft das Rückgrat einer sich selbst tragenden Stabi- ken schließen sich weiter aus und erweisen sich damit lität im Sudan werden. Hier muss UNMIS deutlich grö- wieder einmal als Maulhelden; ich will das einmal so sa- ßere Anstrengungen unternehmen. gen. Außerdem müssen die Grundlagen für das im Jahr (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und 2011 anstehende Referendum über Teilung oder Einheit der SPD) des Sudans geschaffen werden. Diese werden nach unse- Wer den Antrag ablehnt, untergräbt die Friedensbe- rer Auffassung nur auf der Grundlage einer belastbaren mühungen im Allgemeinen und damit auch die Autorität Volkszählung Akzeptanz finden. Ohne diese droht das der UNO, der AU, der EU und vielleicht auch der G 8. Aufbrechen neuer Rivalitäten. Er schränkt vor allem deren Handlungsfähigkeit ein. Wir Im Hinblick auf diese politischen Herausforderungen wären durch eine Ablehnung in keiner besonders guten steht die Bundesregierung in der Pflicht, innerhalb der Position, da man die Hilfswilligkeit Deutschlands kri- Vereinten Nationen, aber auch im Rahmen der EU-Rats- tisch betrachten und unter Umständen infrage stellen präsidentschaft und des G-8-Vorsitzes diese dringend würde. Weil wir derzeit den Vorsitz des EU-Rates und notwendigen Prozesse zu beschleunigen. Deutschland auch der G 8 haben, beobachtet man genau, wie wir uns muss im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft darauf in diesen Fragen verhalten. hinwirken, dass die Rolle der Afrikanischen Union in Hier wurden positive Signale gesetzt. Ich will das gar der Krisenprävention, Konfliktbeilegung und Friedens- nicht kleinreden. Aber die internationalen Beobachter, konsolidierung gestärkt wird. Wir müssen eine angemes- die internationale Presse sehen das etwas kritischer. Wer sene Gesprächsgrundlage auch mit der sudanesischen den Antrag heute ablehnt, muss wissen, dass dem Geno- Regierung finden, damit wir unter Beweis stellen kön- zid in Darfur dadurch weiter Vorschub geleistet wird. nen, dass uns die Entwicklung im Sudan am Herzen Wer wegschaut, wenn Kinder, Frauen und Männer wei- liegt. ter wahllos getötet werden und Vergewaltigungen an der (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Brunhilde Tagesordnung sind, erweist der Sache keinen guten Irber [SPD]) Dienst. Dörfer werden nach wie vor dem Erdboden gleichgemacht, Viehherden werden gestohlen oder getö- Die nächsten Jahre werden von erheblicher Bedeu- tet, Ernten werden vernichtet und ganze Bevölkerungs- tung dafür sein, ob es gelingen wird, in Zentralafrika gruppen werden vertrieben. Das ist die Realität. 9710 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Hans Raidel (A) Wer ablehnt, muss wissen, dass der Konflikt sich auch hilfe zuständig ist. Auch darüber muss man in diesem (C) auf die Nachbarregionen, zum Beispiel den Tschad, aus- Zusammenhang reden. zuweiten beginnt und dass damit eine Destabilisierung Unser gemeinsames Anliegen muss es sein, Hilfe zur der ganzen Region stattfindet. Dieser Brandherd droht Selbsthilfe für den Sudan, insbesondere für Darfur, zu sich möglicherweise in ganz Afrika auszubreiten. Auch organisieren, aber langfristig auch für ganz Afrika anzu- das muss man zur Kenntnis nehmen. bieten. Das heißt, die bisherigen Instrumentarien und Um was geht es eigentlich? Neben religiösen und eth- Hilfen sind zu überdenken, neu zu formulieren und effi- nischen Fragen geht es – wie immer – um viel Geld, da zienter zu gestalten. Good Governance wäre ein gutes Öl, Kupfer, Uran und andere Bodenschätze reichlich Stichwort dafür. vorhanden sind. Es geht dabei natürlich auch um einen Wir begrüßen deshalb ausdrücklich, dass die Frau gerechten Finanzausgleich zwischen Nord und Süd. Wir Bundeskanzlerin in Heiligendamm das Thema Darfur wissen, dass es sich nicht um einen reinen Rebellenkrieg und das Thema Sudan auf die Tagesordnung nehmen handelt, sondern dass die Regierung an vielen Gräuel- wird und hier neue Perspektiven aufzeigen will, – taten selbst beteiligt ist und dafür verantwortlich ge- macht werden muss. Präsident Dr. Norbert Lammert: Wir wissen auch, dass diese Regierung alle Friedens- Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen. bemühungen mehr hintertreibt, als dass sie sie fördert, und dass nach wie vor eine mangelnde Kooperationsbe- Hans Raidel (CDU/CSU): reitschaft besteht. Im Prinzip sabotiert sie alle Friedens- – dass eine neue Afrikapolitik insgesamt auf den Weg pläne und hält sich nicht an bereits geschlossene Abma- gebracht werden soll, mit der vielleicht neue Perspekti- chungen. Selbst wenn in Bereichen Fortschritte erzielt ven für diesen Kontinent eröffnet werden können. Wir worden sind, ist das Friedensabkommen weiter wackelig unterstützen jede Initiative, die hier weiterhilft. und in vielen Punkten in seiner Wirksamkeit fraglich. Wir bitten herzlich, dem Antrag der Bundesregierung Die Überwachung des Friedensabkommens gestal- zuzustimmen. Die CDU/CSU stimmt diesem Antrag und tet sich also sehr schwierig. Das gilt auch für die Auflö- dem Entschließungsantrag selbstverständlich zu. sung und Rückführung der Truppen. Unsere Bundes- wehr leistet im ihr zugedachten Rahmen nach wie vor (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) einen wichtigen Beitrag bei Logistik und Beratung. Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (B) Ich erteile das Wort der Kollegin Gabriele Groneberg, (D) Wir wissen aber, dass ausländische Soldaten, zum Bei- SPD-Fraktion. spiel in Darfur, die Lage nicht beherrschen und die Si- (Beifall bei der SPD) cherheit nicht garantieren können. Dafür ist Darfur viel zu groß. Die Kongomission lässt grüßen. Der Frieden muss also von innen kommen. Zunächst muss es für Gabriele Groneberg (SPD): Darfur eine politische Lösung geben. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben viel Zeit ge- (Beifall der Abg. Brunhilde Irber [SPD]) habt, um uns mit der Situation im Sudan, im Südsudan und in Darfur zu beschäftigen. Dazu ist auch schon viel Erst dann kann Militär helfen und zur Stabilisierung bei- gesagt worden. Natürlich ist auch deutlich gemacht wor- tragen. den, dass die Diskussion für die Menschen draußen des- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und wegen so verwirrend ist, weil es um zwei vollkommen der SPD) unterschiedliche Regionen geht, nämlich Südsudan und Darfur. Natürlich sind wir dafür, dass politischer Druck aus- geübt wird und dass es zu Sanktionen über die UNO, die Darfur steht für Krieg, Mord, Gewalt, Not, Hunger EU, die G 8, die USA und auch andere kommen sollte und für Menschen, die seit Jahren aus ihrer Region vor und müsste. Aber Somalia lässt grüßen. Wir dürfen, kön- allem in die Nachbarländer flüchten. Die Nachbarländer nen und wollen uns ein zweites Somalia auf keinen Fall haben – Herr Raidel hat es schon angesprochen – damit leisten. Daraus müssen wir für unsere weiteren diploma- ihre eigenen Probleme. Lange Zeit galt dies auch für den tischen und sonstigen Bemühungen lernen. Südsudan. Als wir uns mit unserer Entscheidung vom April 2005 Lassen Sie mich auch China und Russland anspre- entschlossen haben, uns an der friedenssichernden Mis- chen. Der Widerstand gegen verschärfte Maßnahmen sion UNMIS zu beteiligen, haben wir natürlich auch eine beispielsweise der UNO muss von diesen Ländern ein- Reihe von Aufgaben übernommen. Ich will deutlich he- gestellt werden. Sie müssen ihre wirtschaftlichen Inte- rausstellen, was wir im Bereich der Folgearbeiten – da- ressen hintanstellen. Es darf nicht passieren, dass China runter fallen der Wiederaufbau und existenzsichernde und Russland die Ausbeutung der Rohstoffe betreiben Maßnahmen für die Bevölkerung – leisten. und der Rest der Welt – insbesondere die UNO, die EU und damit auch wir – für die humanitären Fragen von Für uns ist es selbstverständlich, dass wir uns nicht der medizinischen Versorgung bis hin zur Welthunger- nur an den Einsätzen zur Absicherung des Friedensab- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9711

Gabriele Groneberg (A) kommens beteiligen. Für uns ist ebenfalls ganz wichtig, Zwei deutsche Experten kümmern sich vor Ort explizit (C) die Bedingungen für die Menschen vor Ort zu verbes- um die Koordination der Maßnahmen der Geber im Be- sern, damit eine friedliche Entwicklung möglich sein reich Wasserversorgung. kann. Darüber hinaus kümmern wir uns auf Basis einer bila- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hartwig teralen Vereinbarung ebenfalls mit deutschen Experten Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]) vor Ort um den Aufbau eines Staatswesens. Dieses Pro- jekt unterstützen wir mit einer Summe von 3 Millionen Ich muss ganz offen sagen: Es macht mich jedes Mal Euro. Natürlich ist es neben dem Aufbau der lebensnot- geradezu fassungslos, wenn ich die Vertreter der Frak- wendigen Infrastruktur ganz wichtig, der Regierung im tion Die Linke zu diesem Thema sprechen höre. Wie Südsudan dabei zu helfen, rechtsstaatliche demokrati- kann man einen zivilen Friedensdienst fordern, wenn sche Strukturen und eine entsprechende Verwaltung auf- noch nicht einmal die Sicherheit vor Ort für diejenigen, zubauen. Nur dadurch kann dafür gesorgt werden, dass die diese Hilfe leisten wollen, gewährleistet ist? die Menschen auf Dauer unabhängig von ausländischer (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie Hilfe werden und sich selber helfen können. Bis dies bei Abgeordneten der FDP) möglich ist, wollen wir natürlich unseren Beitrag leisten. Es ist doch verantwortungslos, Menschen dort hinzu- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten schicken und zu sagen: „Dann macht mal!“, wenn die der CDU/CSU) notwendigen Bedingungen für die Arbeit vor Ort von uns nicht gewährleistet werden. Ich finde das unverant- Alle Kolleginnen und Kollegen, die bereits vor Ort wortlich; es tut mir leid. Ich bin mir sicher, die anderen gewesen sind – man muss natürlich einmal vor Ort ge- Kollegen sehen das ebenso. wesen sein, um beurteilen zu können, was da vor sich geht –, sind davon überzeugt, dass der unbedingte Wille (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP der Menschen zum Aufbau vorhanden ist. Wir haben und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Menschen erlebt, die mit aller Kraft daran arbeiten, ih- Humanitäre Hilfe und Nothilfe werden von uns und rem Land eine rechtsstaatliche und demokratische Ver- den anderen internationalen Gebern seit Jahren geleistet, fassung zu geben und ihrer Bevölkerung damit auch eine und das wohlgemerkt nicht nur für den Südsudan, son- Perspektive zum Leben, vor allen Dingen natürlich erst dern vor allen Dingen auch für die Region Darfur. Diese einmal zum Überleben zu geben. Wir wollen unseren Hilfe ist aber eben keine dauerhafte Aufbauhilfe; durch Anteil dazu leisten. Ich sage das hier noch einmal ganz sie wird zum Beispiel keine Infrastruktur geschaffen. deutlich. (B) (D) Die positiven Entwicklungen machen Mut, Hilfe auch Präsident Dr. Norbert Lammert: in der Zukunft zu leisten. Das ist die positive und mut- Einen kleinen Augenblick, bitte, Frau Kollegin machende Seite. Die andere Seite, das Elend in Darfur, Groneberg. vergessen wir darüber natürlich nicht. Ich bin froh, dass wir uns auf einen gemeinsamen Antrag verständigen Ich darf die Kolleginnen und Kollegen, die sich in den konnten. Hierzu wurde ja schon sehr viel gesagt, ebenso letzten Minuten entschlossen haben, das Finale dieser zum konkreten Handlungsbedarf. Damit wird deutlich, Debatte vor der Abstimmung noch mitzuerleben, bitten, was wir noch zu leisten haben. ihre Plätze aufzusuchen und dem Rest dieser Debatte konzentriert zu folgen, bis wir zu den Abstimmungen Ich bin Herrn Erler dankbar, dass er insbesondere auf kommen. einen Punkt eingegangen ist: Im Zusammenhang mit den schlimmen Dingen, die da passieren, findet häufig eine Vielleicht warten Sie noch einen Augenblick, bis wir Legendenbildung statt. Sie haben die Geschichte mit den das realisiert haben. – Bitte sehr, Frau Kollegin vermutlich als UN-Flugzeuge getarnten Waffentrans- Groneberg. porten erwähnt. Ich sage bewusst: vermutlich. Es gibt nämlich Anzeichen dafür, dass es sich hierbei nicht um Gabriele Groneberg (SPD): Flugzeuge der Regierung des Nordens gehandelt hat, Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich setze meine Aus- sondern hier andere Umstände eine Rolle spielten. Ich führungen fort. Wir haben die jahrelang praktizierte möchte das an dieser Stelle nicht erläutern, weil es unter- Entwicklungszusammenarbeit, die wir aufgrund des sucht wird. Ich bin froh darüber, dass wir uns darum Bürgerkriegs eingestellt hatten, im Jahr 2005 wieder auf- kümmern. Man muss auch vorsichtig sein, wenn man genommen. Seitdem unterstützen wir mit 10 Millionen solche Legenden bildet, weil es nicht hilft, bei den Men- Euro den Multi-Donor Trust Fund für den Südsudan. schen Verständnis dafür zu wecken, dass wir uns um sol- Dieser Fonds, der von vielen Gebern gespeist wird, sorgt che Sachen intensiv kümmern und auch mit einer Regie- für den Aufbau der dringend notwendigen Infrastruktur rung zusammenarbeiten müssen, um den Menschen dort in den Bereichen Agrar, Wasserversorgung, Bildung und zu helfen. Gesundheit. Hiermit wird ein Leben und Arbeiten in ei- ner total zerstörten Region erst überhaupt wieder mög- Wir alle sind der festen Überzeugung, dass eine posi- lich. tive Entwicklung im Süden nicht nur die Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden in der Region ist; sie ist si- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) cherlich ebenso ausschlaggebend für eine Lösung des 9712 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Gabriele Groneberg (A) Darfurkonflikts. Wir stimmen der Verlängerung der Be- fordert. Es muss Hilfsorganisationen ermöglicht werden (C) teiligung an der Friedensmission natürlich zu. – das klang heute Morgen in dieser Debatte schon mehr- fach an –, ihre Arbeit geschützt zu tun. Wie schwierig Wir wollen das noch einmal verbinden mit einem von die Lage im Sudan ist, zeigt der Rückzug ganzer Hilfs- Herzen kommenden Dank an alle dort tätigen internatio- organisationen, die wegen mangelnder Sicherheit ihre nalen Soldaten und Helfer, aber natürlich ganz speziell Arbeit nicht fortsetzen können. Daher hat die internatio- an diejenigen darunter, die aus Deutschland kommen nale Staatengemeinschaft mit der grundlegenden Reso- und sich unter wirklich schwierigen Bedingungen bemü- lution des Sicherheitsrats 1590 vom März 2005 den rich- hen, zu helfen. tigen Weg beschritten. Herzlichen Dank. Die weiteren Mandatsverlängerungen, die es seither (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie gegeben hat, zeigen nur die Konsequenz dieses notwen- bei Abgeordneten der FDP und des BÜND- digen Engagements. Mit der United Nations Mission in NISSES 90/DIE GRÜNEN) Sudan, der UNMIS, leistet die internationale Staatenge- meinschaft einen wichtigen Beitrag dazu, das Friedens- Präsident Dr. Norbert Lammert: abkommen von Nairobi erfolgreich umzusetzen. Bevor ich der Kollegin Anke Eymer das Wort als letz- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie ter Rednerin in dieser Debatte erteile, bitte ich vor allem bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE die Kollegen im hinteren Teil des Saales noch einmal da- GRÜNEN) rum, Platz zu nehmen. Wir beginnen mit der Abstim- mung erst nach Schluss der Aussprache. Ein über 20-jähriger Bürgerkrieg zwischen dem nach Unabhängigkeit strebenden Südsudan und der Zentralre- Bitte, Frau Eymer. gierung kann so beendet werden.

Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU): Auch wenn die Umsetzung hinter dem Zeitplan zu- rückbleibt, sind wesentliche Erfolge, insbesondere bei Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten der Rückverlegung der Truppen der Konfliktparteien, er- Damen und Herren! Am Beginn dieses Jahrhunderts bli- zielt worden. In weiten Teilen des Südsudan können die cken wir in Afrika auf viele positive Aufbrüche. Es gibt Menschen wieder in relativer Sicherheit leben und mehr Demokratie, mehr Sicherheit und vor allen Dingen Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren. Wie fragil der mehr wirtschaftliches Wachstum. Der Blick auf die Kri- Status quo ist, haben die aufflackernden Auseinanderset- sen im Sudan zeigt allerdings auch einen der bedroh- zungen im November vergangenen Jahres gezeigt. Die lichsten Gegensätze zu diesen guten Aufbrüchen und zu (B) Verlängerung von UNMIS ist daher eine notwendige (D) dem, was der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki als Konsequenz, um den Friedensprozess weiter zu unter- afrikanische Renaissance bezeichnet hat. Der Sudan ist stützen und abzusichern. der flächengrößte Staat des Kontinents, mehr als sieben- mal so groß wie Deutschland. Die Entwicklungen in die- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und ser Region haben natürlich Auswirkungen rundherum. der SPD sowie der Abg. Kerstin Müller [Köln] Die schlimmen Menschenrechtsverletzungen und [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Verbrechen im Westen des Landes, in Darfur, die Aus- Der Sicherheitsrat der Vereinten Nation wird das schreitungen im Osten des Sudans und der sogenannte UNMIS-Mandat daher in diesen Tagen ohne inhaltliche Nord-Süd-Konflikt zeigen, wie groß die Gefahr ist, dass Änderungen um weitere sieben Monate verlängern. We- der Sudan zerreißen könnte. Millionen Menschen sind der die Rahmenbedingungen noch Inhaltliches haben auf der Flucht oder haben in kriegerischen Auseinander- sich wesentlich geändert. Vor diesem Hintergrund sehe setzungen ihr Leben bereits verloren. ich zur Verlängerung der deutschen Beteiligung an dem Von den Entwicklungen im Sudan sind die Nachbar- Einsatz der Vereinten Nationen keine vertretbare Alter- staaten wie die Zentralafrikanische Republik oder der native. Tschad längst betroffen. Auch hier ist mittlerweile die Ein herzliches Dankeschön gilt noch einmal unseren Stabilität der staatlichen Strukturen gefährdet. Der deutschen Soldaten. Sie leisten im Sudan einen wichti- Druck durch große Flüchtlingszahlen oder durch bewaff- gen Beitrag zum politischen und wirtschaftlichen Wie- nete Übergriffe aus dem Gebiet des Sudans stellt ein ge- deraufbau. fährliches Potenzial dar. Derart instabile Regionen, zer- fallende Staaten oder ethnisch bzw. religiös geschürte (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP Krisen dienen dem internationalen Terrorismus, müs- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sen frühzeitig erkannt und frühzeitig bekämpft werden. Wir wollen jetzt endlich abstimmen. Ich bitte noch (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie einmal um Ihre Zustimmung. bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Danke schön. Neben diesen sicherheitsstrategischen Überlegungen (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie ist es aber auch das Leid von Millionen von Flüchtlingen bei Abgeordneten der FDP und des BÜND- und Gewaltopfern, das uns im humanitären Bereich NISSES 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9713

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (C) Ich schließe die Aussprache. Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Bevor wir zu den Abstimmungen kommen, möchte Ausschuss für Arbeit und Soziales ich dem Kollegen zu seinem heutigen Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Geburtstag herzlich gratulieren. Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Beifall) c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgitt – Ich hoffe, dass die Breite der Zustimmung sich auch Bender, Bärbel Höhn, Ulrike Höfken, weiterer im anschließenden Abstimmungsverhalten nieder- Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- schlägt. Jedenfalls würde das sicher einem seiner Ge- SES 90/DIE GRÜNEN burtstagswünsche entsprechen. Wirksamen Schutz vor Passivrauchen im Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Auswärti- Arbeitsschutzgesetz verankern gen Ausschusses auf Drucksache 16/5142 zum Antrag – Drucksache 16/4761 – der Bundesregierung „Fortsetzung der Beteiligung deut- Überweisungsvorschlag: scher Streitkräfte an der Friedensmission der Vereinten Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Nationen im Sudan“. Der Ausschuss empfiehlt, diesen Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Antrag auf Drucksache 16/4861 anzunehmen. Es ist na- Verbraucherschutz mentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schrift- Ausschuss für Gesundheit führerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgitt einzunehmen. – Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Bender, Bärbel Höhn, Ulrike Höfken, weiterer Das scheint überall der Fall zu sein. Dann eröffne ich die Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- Abstimmung. SES 90/DIE GRÜNEN Liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es noch jeman- Schutz vor Passivrauchen im Deutschen Bun- den, der hier ist und nicht abgestimmt hat? – Das scheint destag direkt umsetzen nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstim- – Drucksache 16/4957 – mung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir geben das Ergeb- ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Detlef nis der Abstimmung später bekannt. Parr, (Münster), Heinz Lanfermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Ich komme nun zur Abstimmung über den Entschlie- Nichtraucherschutz praktikabel und mit (B) ßungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der (D) FDP und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache Augenmaß umsetzen 16/5144. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – – Drucksache 16/5118 – Es wäre schon schön, wenn sich der eine oder andere un- Überweisungsvorschlag: ter den Anwesenden an dieser Abstimmung beteiligte. Ausschuss für Gesundheit (f) Ich frage noch einmal, wer für den Entschließungsantrag Ausschuss für Wirtschaft und Technologie der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP und Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und des Bündnisses 90/Die Grünen stimmt. – Jetzt bekommt Verbraucherschutz die Sache allmählich Volumen. Wer möchte dagegen Ausschuss für Arbeit und Soziales stimmen? – Wer enthält sich der Stimme? – Das Erste Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für war die Mehrheit. Dann ist der Entschließungsantrag an- diese Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre genommen. keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich bitte diejenigen, die an der weiteren Debatte nicht Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst teilnehmen können oder wollen, den Plenarsaal zügig zu die Bundesministerin Ulla Schmidt. verlassen und insbesondere dringende Staatsgespräche (Beifall bei der SPD) im Foyer fortzusetzen. – Auch die Beratung des nächs- ten Tagesordnungspunktes findet im Sitzen statt, mit Ausnahme der aufgerufenen Redner. Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich Ich rufe die Tagesordnungspunkte 27 a, c und d sowie muss gestehen, dass ich angesichts der Debatten der letz- den Zusatzpunkt 7 auf: ten Jahre manchmal nicht mehr geglaubt habe, dass ich 27 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- eines Tages hier stehen könnte, um einen Gesetzentwurf gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz zum Schutz der Nichtraucher und Nichtraucherinnen vor den Gefahren des Passivrauchens einzubringen. – Drucksache 16/5049 – (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Maria Eichhorn [CDU/CSU]) Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit (f) Deshalb bin ich sehr froh, dass dies heute der Fall ist. Ältestenrat Denn eines ist deutlich – man kann es nicht oft genug Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung betonen –: Tabak ist das Gesundheitsrisiko Nummer Innenausschuss eins. Dabei sind die Gefahren des Passivrauchens lange 9714 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Bundesministerin Ulla Schmidt (A) Jahre unterschätzt worden. Erst in den letzten Jahren hat schieden hat, dass die Regelungen dieses Gesetzes auch (C) hier ein Umdenkungsprozess eingesetzt. Vielleicht hat für ihn selbst gelten. auch das Vorgehen der anderen europäischen Länder mit (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dazu beigetragen, dass die Diskussion über Nichtrau- der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE cherschutz in Deutschland einen anderen Stellenwert er- GRÜNEN) halten hat. Eine Entscheidung, die den Bundestag auf Dauer ausge- Da immer noch davon gesprochen wird, dass mit ei- nommen hätte, hätte uns alle in der Öffentlichkeit un- nem Gesetz zum Schutz der Nichtraucherinnen und glaubwürdig gemacht. Deshalb halte ich das für einen Nichtraucher die Freiheit der Raucherinnen und Raucher sehr wichtigen und positiven Schritt, den wir gegangen eingeschränkt wird, lassen Sie mich an dieser Stelle sind. noch einmal einige Fakten zum Passivrauchen nennen. (Jörg van Essen [FDP]: Es gibt niemanden, der Die massive Gesundheitsgefährdung durch Passiv- etwas anderes wollte!) rauchen ist eindeutig erwiesen. Die Zahlen des Deut- schen Krebsforschungszentrums werden in keiner Lassen Sie mich an dieser Stelle darauf hinweisen, wissenschaftlichen Diskussion in Zweifel gezogen. Be- dass für uns der Nichtraucherschutz und die Fortsetzung zogen auf die Todesfälle – nachgewiesenermaßen 3 300 der Kampagne „Rauchfrei“ zwei Seiten einer Medaille pro Jahr – sind die Schätzungen eher konservativ, vor al- sind. Nichtraucherschutz ist das eine; das andere sind die lem im Vergleich mit Ergebnissen und Studien der Verei- Prävention, damit junge Menschen erst gar nicht mit nigten Staaten, des US-Departments of Health and dem Rauchen beginnen, und die Bemühungen, damit Human Services. Die kommen, bezogen auf die Bevöl- diejenigen, die rauchen, den Weg finden, mit dem Rau- kerung der USA von 300 Millionen Menschen, auf circa chen aufzuhören. Das gehört ganz eng zusammen. Ich 48 000 Todesfälle pro Jahr infolge Passivrauchens. Fakt bin sehr froh, dass aufgrund der Kampagne „Rauchfrei“, ist: Menschen sterben auch in Deutschland durch Passiv- die wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben, mittler- rauchen, etwa 2 150 an koronaren Herzerkrankungen, weile 60 000 Menschen komplett mit dem Rauchen auf- 770 infolge eines Schlaganfalls, 260 an Lungenkrebs gehört haben und dass sich binnen fünf Jahren die Quote und 60 infolge einer chronisch-obstruktiven Lungener- der rauchenden Jugendlichen um fast 30 Prozent – von krankung. Das sind nur einige Beispiele von Menschen, 28 Prozent auf 20 Prozent – verringert hat. die sterben müssen, weil sie nicht genügend geschützt (Beifall bei der SPD) werden. Ich könnte die Liste fortsetzen. Mit diesem Gesetzentwurf und den sich parallel in der Was uns besonders erschrecken sollte, sind die Wir- Diskussion befindenden Nichtraucherschutzgesetzen der (B) kungen auf Kinder. Im Jahr 2005 gab es nach Angaben (D) Länder ist Deutschland nicht länger Schlusslicht beim des Statistischen Bundesamtes 298 Fälle von plötzli- Nichtraucherschutz in Europa, sondern arbeitet sich in chem Kindstod. Etwa 60 Fälle davon gehen auf Passiv- die Spitzengruppe vor. Der Gesetzentwurf der Bundes- rauchen im Haushalt sowie auf vorgeburtliche Schad- regierung wird nicht allen Bürgerinnen und Bürgern den stoffbelastungen zurück, weil die Mütter während der uneingeschränkten Schutz vor den Folgen des Passivrau- Schwangerschaft rauchten. Auch der Anteil von Kran- chens bringen. Wir brauchen auch die Gesetze, die von kenhauseinweisungen bei Atemwegserkrankungen ist den Ländern auf den Weg gebracht werden. Wir brau- bei Kindern, die in ihrer häuslichen Umgebung Tabak- chen die eindeutigen Entscheidungen der Parlamente in rauch ausgesetzt werden, 40 bis 60 Prozent höher als bei unseren Bundesländern. Kindern, die in Haushalten aufwachsen, die nicht durch Rauch belastet sind. Deshalb ist es höchste Zeit, dass wir (Beifall bei der SPD) handeln, zumal wir wissen, dass alle Wege, die wir in den letzten Jahren beschritten haben und die auf Freiwil- Trotzdem werden Millionen Menschen profitieren: die ligkeit beruhten, nicht zum Erfolg und nicht wirklich Beschäftigten des Bundes, die Bürgerinnen und Bürger zum Schutz der Nichtraucherinnen und Nichtraucher in den Bundesverwaltungen, die Menschen in öffentli- beigetragen haben. chen Verkehrsmitteln und auch diejenigen, die dieses Hohe Haus besuchen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Auch die Regelungen im Arbeitsschutz werden prä- Ich sage ganz deutlich: Im Mittelpunkt unseres Geset- zisiert, indem klargestellt wird, dass ein Rauchverbot für zes steht der Schutz der Nichtraucherinnen und Nicht- einen gesamten Betrieb oder zumindest für Teile eines raucher. Wir wollen, dass das Rauchen grundsätzlich in Betriebes ausgesprochen werden kann. Das ist im Übri- allen Einrichtungen des Bundes verboten ist, das heißt gen nicht nur ein sinnvolles, sondern auch ein kosten- in Behörden, Dienststellen, Gerichten, bundesunmittel- günstiges Instrument; die Arbeitgeber reden ja oft von baren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, in öf- den Kostenbelastungen der verschiedenen Maßnahmen. fentlichen Verkehrsmitteln, zum Beispiel in Bussen, Die Arbeitsstättenverordnung regelt das Verhältnis zwi- Bahnen, Taxen oder Fahrgastschiffen, sowie in Perso- schen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Deshalb waren nenbahnhöfen der öffentlichen Eisenbahn. Wir wollen Regelungen zum Schutz Dritter, also der Gäste in Gast- die Regelungen des Arbeitsschutzes verbessern und den stätten, über die Arbeitsstättenverordnung nicht möglich. Jugendschutz verschärfen, indem das Alter für die Ab- Weitergehende Regelungen im Arbeitsschutz sind erst gabe von Zigaretten von 16 auf 18 Jahre angehoben dann denkbar, wenn die Länder ihre Gesetze zum Nicht- wird. Ich bin wirklich sehr froh, dass der Bundestag ent- raucherschutz erlassen haben. Ich sage deshalb noch ein- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9715

Bundesministerin Ulla Schmidt (A) mal deutlich: Wir hoffen auf klare Regelungen in Bezug (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (C) auf Gaststätten; wir hoffen nicht auf Ausnahmeregelun- der CDU/CSU) gen, die nachher die Regel werden. Erfahrungen und Studien aus anderen Ländern wie zum Beispiel Irland Gemeinsam können Bund und Länder beweisen, dass zeigen, dass sich der Gesundheitszustand der Beschäf- sie in der Lage sind, auf verschiedenen Ebenen für das tigten in den Gastronomiebetrieben nach Einführung von gleiche Ziel zu streiten. Wenn wir heute im Bundestag Rauchverboten in kurzer Zeit verbessert hat. Das, was ein eindeutiges Zeichen setzen, werden andere diesem dort möglich ist, dürfen wir nicht versäumen, indem wir Zeichen folgen. Das hat uns die Debatte in den letzten keine klaren Regelungen für die Gaststätten haben. Wochen gezeigt. Ich glaube, wir sollten auf diesem Weg gemeinsam und entschlossen weitergehen. Die Nichtrau- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten cherinnen und Nichtraucher werden es uns danken. der CDU/CSU) Danke schön. Wir appellieren hier an die Länderparlamente. Sie sind gefordert, gemeinsame Lösungen durchzusetzen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich sehe in vielen Ländern Bemühungen, ich sehe aber auch Zögerlichkeit und Unentschiedenheit. Angesichts des Gesetzes, das wir heute auf den Weg bringen, und Präsident Dr. Norbert Lammert: der Debatten der letzten Monate und Wochen bin ich von Bevor wir in der Debatte fortfahren, gebe ich das von einem fest überzeugt: Die Bürgerinnen und Bürger in den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelt unserem Land werden es sich auf Dauer nicht gefallen Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Be- lassen, wenn es unterschiedliche Regelungen gibt. schlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum Antrag der Bundesregierung „Fortsetzung der Beteili- (Detlef Parr [FDP]: „Es sich nicht gefallen las- gung deutscher Streitkräfte an der Friedensmission der sen“! Das kann doch nicht wahr sein!) Vereinten Nationen im Sudan“ bekannt: Abgegebene Jeder, der in Land A lebt, wird den gleichen Gesund- Stimmen 552. Mit Ja haben gestimmt 497, mit Nein ha- heitsschutz für sich in Anspruch nehmen wollen, wie ihn ben gestimmt 32. 23 Kolleginnen und Kollegen haben die Menschen in Land B haben. Davon können wir aus- sich der Stimme enthalten. Damit ist die Beschlussemp- gehen, und da sollte die Debatte hingehen. fehlung angenommen.

(B) Endgültiges Ergebnis Klaus Brähmig Josef Göppel (D) Abgegebene Stimmen: 552; Michael Brand Peter Götz Bernhard Kaster davon Dr. Wolfgang Götzer Siegfried Kauder (Villingen- Dr. Schwenningen) ja: 497 nein: 32 Gitta Connemann Hermann Gröhe Eckart von Klaeden enthalten: 23 Michael Grosse-Brömer Jürgen Klimke Markus Grübel Julia Klöckner Ja Maria Eichhorn Monika Grütters Kristina Köhler (Wiesbaden) CDU/CSU Anke Eymer (Lübeck) Karl-Theodor Freiherr zu Manfred Kolbe Guttenberg Norbert Königshofen Dr. Holger Haibach Hartmut Koschyk Dr. Hans Georg Faust Uda Carmen Freia Heller Thomas Kossendey Dorothee Bär Ingrid Fischbach Thomas Bareiß Hartwig Fischer (Göttingen) Jürgen Herrmann Dirk Fischer (Hamburg) Dr. Martina Krogmann Dr. Axel E. Fischer (Karlsruhe- Ernst Hinsken Johann-Henrich Günter Baumann Land) Krummacher Ernst-Reinhard Beck Dr. Robert Hochbaum Dr. Hermann Kues (Reutlingen) Klaus-Peter Flosbach Klaus Hofbauer Dr. Karl A. Lamers Herbert Frankenhauser Franz-Josef Holzenkamp (Heidelberg) Dr. Dr. Hans-Peter Friedrich Joachim Hörster Dr. Norbert Lammert (Hof) Anette Hübinger Erich G. Fritz Hubert Hüppe Dr. Max Lehmer Carl-Eduard von Bismarck Jochen-Konrad Fromme Susanne Jaffke Dr. Michael Fuchs Dr. Peter Jahr Dr. Dr. Eduard Lintner Dr. Jürgen Gehb (Konstanz) Dr. Maria Böhmer Bartholomäus Kalb Dr. Michael Luther Wolfgang Börnsen Hans-Werner Kammer (Altötting) (Bönstrup) Dr. Reinhard Göhner Steffen Kampeter Wolfgang Meckelburg 9716 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) Dr. Michael Stübgen Karin Evers-Meyer Dirk Manzewski (C) Dr. Hans Peter Thul Annette Faße Lothar Mark Elke Ferner (Hamm) Andrea Astrid Voßhoff Rainer Fornahl Hilde Mattheis Dr. h. c. Gerhard Wächter Gabriele Frechen Markus Meckel Philipp Mißfelder Petra Merkel (Berlin) Dr. Eva Möllring Peter Friedrich Dr. Ursula Mogg Dr. Gerd Müller Peter Weiß (Emmendingen) Marko Mühlstein Hildegard Müller Gerald Weiß (Groß-Gerau) Iris Gleicke Detlef Müller (Chemnitz) Carsten Müller Günter Gloser Michael Müller (Düsseldorf) (Braunschweig) Karl-Georg Wellmann Renate Gradistanac Gesine Multhaupt Stefan Müller (Erlangen) Annette Widmann-Mauz Angelika Graf (Rosenheim) Franz Müntefering Klaus-Peter Willsch Dieter Grasedieck Andrea Nahles Dr. Georg Nüßlein Elisabeth Winkelmeier- Franz Obermeier Becker Gabriele Groneberg Holger Ortel Matthias Wissmann Wolfgang Grotthaus Heinz Paula Dagmar Wöhrl Wolfgang Gunkel Johannes Pflug Rita Pawelski Wolfgang Zöller Hans-Joachim Hacker Joachim Poß Dr. Peter Paziorek Willi Zylajew Christoph Pries Ulrich Petzold Klaus Hagemann Dr. SPD Alfred Hartenbach Dr. Sibylle Pfeiffer Dr. Lale Akgün Michael Hartmann (Wackernheim) Maik Reichel Gerold Reichenbach Ingrid Arndt-Brauer Reinhold Hemker Dr. Carola Reimann Daniela Raab Rolf Hempelmann Christel Riemann- (Neuruppin) Dr. Barbara Hendricks Hanewinckel Hans Raidel Dr. Dr. Hans-Peter Bartels Petra Heß Sönke Rix Peter Rauen Gabriele Hiller-Ohm René Röspel Sören Bartol Stephan Hilsberg Dr. (Potsdam) Sabine Bätzing (Wismar) Karin Roth (Esslingen) (B) Klaus Riegert Frank Hofmann (Volkach) (D) Dr. Eike Hovermann Anton Schaaf Franz Romer Klaas Hübner Axel Schäfer (Bochum) Kurt J. Rossmanith Dr. Christel Humme Bernd Scheelen Dr. Christian Ruck Lothar Ibrügger Dr. (Weiden) Brunhilde Irber Dr. Frank Schmidt Peter Rzepka (Heidelberg) Johannes Jung (Karlsruhe) Ulla Schmidt (Aachen) Anita Schäfer (Saalstadt) Silvia Schmidt (Eisleben) Hermann-Josef Scharf Johannes Kahrs (Nürnberg) Hartmut Schauerte Dr. h. c. Susanne Kastner Heinz Schmitt (Landau) Dr. Dr. Karl Schiewerling Klaus Brandner Christian Kleiminger Georg Schirmbeck Hans-Ulrich Klose Reinhard Schultz Astrid Klug (Everswinkel) Christian Schmidt (Fürth) (Hildesheim) Dr. Bärbel Kofler (Spandau) Andreas Schmidt (Mülheim) Walter Kolbow (Berlin) Marco Bülow Fritz Rudolf Körper Dr. Ole Schröder Karin Kortmann Dr. Angelica Schwall-Düren Bernhard Schulte-Drüggelte Rolf Kramer Dr. Martin Schwanholz Dr. Michael Bürsch Anette Kramme Wilhelm Josef Sebastian Ernst Kranz Rita Schwarzelühr-Sutter Horst Seehofer Marion Caspers-Merk Nicolette Kressl Wolfgang Spanier Kurt Segner Dr. Volker Kröning Dr. Margrit Spielmann Bernd Siebert Dr. Hans-Ulrich Krüger Jörg-Otto Spiller Martin Dörmann Angelika Krüger-Leißner Dr. Ditmar Staffelt Dr. Carl-Christian Dressel Jürgen Kucharczyk Andreas Steppuhn Elvira Drobinski-Weiß Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Rolf Stöckel Christian Freiherr von Stetten Detlef Dzembritzki Dr. Uwe Küster Christoph Strässer Dr. Peter Struck Andreas Storm Siegmund Ehrmann Christian Lange (Backnang) Joachim Stünker Waltraud Lehn Dr. Rainer Tabillion (Heilbronn) Gernot Erler Helga Lopez Jörg Tauss Lena Strothmann Petra Ernstberger Gabriele Lösekrug-Möller Dr. h. c. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9717

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) Jörn Thießen Sibylle Laurischk Ute Koczy Kornelia Möller (C) Franz Thönnes Harald Leibrecht Sylvia Kotting-Uhl Elke Reinke Hans-Jürgen Uhl Ina Lenke Volker Schneider Rüdiger Veit Sabine Leutheusser- Renate Künast (Saarbrücken) Simone Violka Schnarrenberger Markus Kurth Dr. Herbert Schui Jörg Vogelsänger Michael Link (Heilbronn) Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Ilja Seifert Dr. Marlies Volkmer Markus Löning Frank Spieth Hedi Wegener Horst Meierhofer Dr. Reinhard Loske Dr. Andreas Weigel Patrick Meinhardt Anna Lührmann Dr. Axel Troost Petra Weis Jan Mücke Nicole Maisch Jörn Wunderlich Gunter Weißgerber Burkhardt Müller-Sönksen Jerzy Montag Gert Weisskirchen Dirk Niebel Kerstin Müller (Köln) fraktionslos (Wiesloch) Hans-Joachim Otto Dr. (Frankfurt) Henry Nitzsche Lydia Westrich Detlef Parr Brigitte Pothmer Dr. Krista Sager Enthalten Andrea Wicklein Jörg Rohde Irmingard Schewe-Gerigk Heidemarie Wieczorek-Zeul Frank Schäffler Dr. CDU/CSU Dr. Dieter Wiefelspütz Dr. Norbert Schindler Engelbert Wistuba Marina Schuster Hans-Christian Ströbele Dr. Wolfgang Wodarg Dr. Dr. Harald Terpe SPD Waltraud Wolff Dr. Jürgen Trittin (Wolmirstedt) Dr. Rainer Stinner Wolfgang Wieland Heidi Wright Josef Philip Winkler (Essen) Christoph Waitz Margareta Wolf (Frankfurt) Manfred Zöllmer Dr. FDP Brigitte Zypries Dr. Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Nein Miriam Gruß FDP Dr. Heinrich L. Kolb DIE LINKE Jürgen Koppelin BÜNDNIS 90/ Gisela Piltz Dr. DIE GRÜNEN Daniel Bahr (Münster) Dr. DIE LINKE Rainer Brüderle Eva Bulling-Schröter (Bremen) Sevim Dağdelen Hüseyin-Kenan Aydin (B) Volker Beck (Köln) Dr. Dr. Martina Bunge (D) Patrick Döring Werner Dreibus Mechthild Dyckmans Birgitt Bender Dr. Dagmar Enkelmann Jörg van Essen Grietje Bettin Wolfgang Gehrcke Diana Golze Ulrike Flach Alexander Bonde Heike Hänsel Dr. Ekin Deligöz Lutz Heilmann Dr. Barbara Höll Paul K. Friedhoff Dr. Thea Dückert Hans-Kurt Hill Dr. Hakki Keskin (Bayreuth) Dr. Uschi Eid Cornelia Hirsch Dr. Gesine Lötzsch Dr. Edmund Peter Geisen Hans-Josef Fell Inge Höger Wolfgang Nešković Dr. Kai Gehring Ulla Jelpke Hans-Michael Goldmann Dr. Lukrezia Jochimsen Paul Schäfer (Köln) Dr. Christel Happach-Kasan Britta Haßelmann Dr. Monika Knoche Elke Hoff Birgit Homburger Peter Hettlich Sabine Zimmermann Priska Hinz (Herborn) Katrin Kunert Hellmut Königshaus Ulrike Höfken Oskar Lafontaine fraktionslos Gudrun Kopp Dr. Ulrich Maurer Heinz Lanfermann Bärbel Höhn Dorothée Menzner Gert Winkelmeier

Wir setzen die Aussprache zum Tagesordnungs- dann aber zu einer erbitterten Auseinandersetzung ent- punkt 27 fort. Das Wort erhält der Kollege Detlef Parr, wickelte – der Beitrag von Frau Ministerin Schmidt hat FDP-Fraktion. das noch einmal bestätigt –: hochemotional, teils fana- tisch, oft radikal. (Beifall bei der FDP) (Zurufe von der SPD: Oh!) Detlef Parr (FDP): Ich könnte Bände füllen mit E-Mails voller Beschimp- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Auf zum fungen, bis hin zu Beleidigungen, nur weil die FDP an- letzten Gefecht!“, so könnte man die heutige Debatte dere Wege zum Nichtraucherschutz gehen will. zum Nichtraucherschutz überschreiben; denn vor Beginn der Sommerpause 2006 setzte ein Kampagne ein, die zu- In den letzten Monaten habe ich mich oft gefragt: nächst nur das Sommerloch auszufüllen schien, sich Rechtfertigt das Thema wirklich diesen Stil der Diskus- 9718 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Detlef Parr (A) sion, einen Stil, der bis hinein in den Alltag vieler Men- verunsichert. Versetzen Sie sich doch einmal in die Lage (C) schen wirkt, der polemisiert, diskriminiert und damit eines Ihrer Bekannten oder Freunde, der kürzlich ein eine Stimmungslage erzeugt, die unserer Gesellschaft Bistro oder eine Gaststätte eröffnet hat! Die Debatte geht nicht guttut? nicht spurlos an ihm vorbei. Er denkt über Veränderun- gen nach. Eine Zielvereinbarung der Bundesregierung (Beifall bei der FDP) mit seinem Berufsverband gibt ihm Zeit bis 2008, für Alles andere als ein Sommermärchen war das. seine Gaststätte und seine Gäste eine einvernehmliche Lösung zu finden. Nach einem Jahr kündigt die Regie- Dabei ist völlig unbestritten: Rauchen ist gesundheits- rung diese Vereinbarung einseitig auf und stoppt damit schädlich. Das ist auf jeder Zigarettenpackung nachzule- einen gerade eingeleiteten Prozess neuer nichtraucher- sen und prangt unübersehbar auf jeder Litfaßsäule, das freundlicher Regelungen. Würden Sie – selbst als gut- ungewollte Passivrauchen eingeschlossen. Diese Tatsa- williger Gastronom – jetzt noch an Investitionen in Um- chen sind den Menschen längst bekannt. Sie reagieren bauten oder Belüftungsanlagen denken, da ein radikales auch darauf. Die aktuellen Zahlen der Bundeszentrale Rauchverbot als Damoklesschwert über Ihnen schwebt? für gesundheitliche Aufklärung belegen eindrucksvoll in den letzten Jahren einen kontinuierlichen Rückgang des (Lachen bei der SPD) Rauchens auch und besonders bei Jugendlichen. Die Wohl eher nicht! Raucherquote bei den 12- bis 17-Jährigen zum Beispiel ist von 28 Prozent 2001 auf 20 Prozent 2005 gesunken. Aber weil es solche Möglichkeiten und die Bereit- Deshalb ist und bleibt es für die FDP zielführend, diesen schaft, sie zu nutzen, gibt, Frau Bätzing, führt das Weg der Eindämmung des Rauchens fortzusetzen und Gerede vom bundesweiten Flickenteppich beim Rauch- mit dem Nichtraucherschutz eng zu verknüpfen. verbot ins Leere. Auch hier will ich den Altbundespräsi- denten Roman Herzog zitieren. Er hat recht, wenn er in (Beifall bei der FDP) einem „Focus“-Interview „so was nur mit Lachen ver- Bedarf es dazu weiterer staatlicher Restriktionen und folgt“ und Spielräume lassen will. Auf die Frage, ob es Gängelungen des Einzelnen? Die laufende Diskussion problematisch sei, wenn es von Land zu Land Unter- über Rauchverbote hat eher das Gegenteil bewirkt. Die schiede gebe, antwortet er: Deutschen rauchen unbeirrt weiter. Die Menge versteu- (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Er ist ein erter Zigaretten stieg im ersten Quartal dieses Jahres so- kluger Mann, natürlich!) gar um fast 7 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal 2006. Bei Zigarren und Zigarillos ist ein Zuwachs von Überhaupt nicht. Das gibt es doch in x anderen Be- 46 Prozent zu verzeichnen. Eine ähnliche Entwicklung reichen auch. Wenn ich in fremde Wohnungen (B) ist im vermeintlichen Vorbildland Italien festzustellen. gehe, muss ich doch auch die Hausfrau fragen, ob (D) Verbotspolitik zahlt sich also nicht aus. ich rauchen darf. Alles andere ist doch bloß Prinzi- pienreiterei. (Beifall bei der FDP) Genau das ist es. Hier zitiere ich gerne Altbundespräsident Roman Herzog: (Beifall bei der FDP – Widerspruch bei der SPD) Immer als Erstes an ein Verbot zu denken, ist ty- pisch deutsch und typisch falsch. Ich wünsche mir diese Gelassenheit des Exbundespräsi- denten, die Sie nun wieder konterkarieren, in der Diskus- (Beifall bei der FDP – Lothar Binding [Heidel- sion auch von Ihnen hier und in den Bundesländern. berg] [SPD]: Das ist doch Unsinn!) Viele Rauchfreiexperten setzen sich – Frau Ministerin Das gilt auch für die beabsichtigte Anhebung des Schmidt hat das gerade wieder getan – für ein totales Abgabealters bei Tabakwaren von 16 auf 18 Jahre. Vor Rauchverbot in der Gastronomie ein, um die dort Be- dem Hintergrund der sinkenden Zahl jugendlicher Rau- schäftigten zu schützen. cher mag ein solcher Eingriff das Gewissen mancher Kollegen beruhigen. Erfolg versprechend ist es aber (Sabine Bätzing [SPD]: Genau!) nicht. Er ist vielmehr ein weiteres Beispiel für die Unbe- Dass auch in dieser Frage mehr Gelassenheit vonnöten rechenbarkeit des Handelns der Bundesregierung; denn ist – hören Sie genau zu! –, zeigt ein Blick in den Report vor gerade erst vier Monaten sind die Zigarettenautoma- der Cancer Research UK, European Cancer Leagues, ten nach erheblichen Investitionen auf ein Chipsystem European Heart Network und anderen, überschrieben umgestellt worden, das dem Jugendschutz dient und den „Lifting the Smokescreen“. Dort finden sich folgende Zugang für Jugendliche erschwert. Zudem wird die Zahl Fakten: 92 Prozent der geschätzten Todesfälle durch der Automaten drastisch reduziert. Statt die Auswirkun- Passivrauchen insgesamt gehen auf Belastungen zu gen zunächst einmal abzuwarten und zu bewerten, tut Hause zurück. In die Privatsphäre können wir mit Geset- die Bundesregierung nun übereilt den nächsten Schritt. zen ohnehin nicht hineinwirken. Das ist Aktionismus pur. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Aber in die (Beifall bei der FDP) Autos!) Angesichts einer solchen Unzuverlässigkeit der Re- – Stimmt, auch das Rauchen in Autos sollte ursprünglich gierung zeigen sich viele Gastronomen in unserem Land verboten werden. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9719

Detlef Parr (A) Nun kommt die entscheidende Passage. Bei den können. Ich freue mich auf die weiteren Diskussionen (C) nichtrauchenden Servicekräften in der Gastronomie ha- im Plenum und in den Ausschüssen. ben die Wissenschaftler, bezogen auf 25 Länder mit 400 Millionen Einwohnern, 325 Tote jährlich ermittelt, Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. für Deutschland 13. Ich überlasse Ihnen gerne das Hoch- (Beifall bei der FDP – Dr. Martina Bunge rechnen der Gesundheitsrisiken. [DIE LINKE]: Wir freuen uns darauf! – Anstelle staatlicher Gängelung brauchen wir mehr Dr. Margrit Spielmann [SPD]: Wir uns auch!) positive Anreize für Verhaltensänderungen. Ein aktuel- les Beispiel: Die Helios-Kliniken, ein Gesundheitskon- Präsident Dr. Norbert Lammert: zern, belohnen Beschäftigte, die auf dem Klinikgelände Nächster Redner ist der Bundesminister Horst und während der Arbeitszeit nicht rauchen, mit einem Seehofer. zusätzlichen Urlaubstag. Eine schriftliche Erklärung ge- nügt; auf eine offizielle Kontrolle wird verzichtet und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und auf Eigenkontrolle gesetzt. der SPD) Ganz anders wären die Folgen eines gesetzlichen Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung, Rauchverbotes: Bußgelder sind zwingend, Kontrollen Landwirtschaft und Verbraucherschutz: erforderlich. In einigen Bundesländern wird sogar der Einsatz einer Raucherpolizei erwogen. Ich sehe schon Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und die Herren in Trenchcoat, mit hochgeschlagenem Kra- Herren! Ich habe schon nicht mehr gehofft, dass wir die- gen und Schlapphut auf uns zukommen. Eine tolle Vor- ses Ziel noch erreichen würden; denn das Thema besse- stellung. rer Schutz der Nichtraucher beschäftigt uns in Deutsch- land seit sage und schreibe 15 Jahren. Herr Parr, es ist „Der Freie beugt und bindet sich aus Einsicht“, so schon eigenartig, dass Sie von Hektik, Hysterie und Un- Verfassungsrichter Udo Di Fabio vorgestern Abend bei überlegtheit reden, wenn nach 15 Jahren eine Entschei- der Friedrich-Naumann-Stiftung. Die FDP bleibt dabei: dung getroffen wird. Wir setzen weiterhin auf Aufklärung, präventive Maß- nahmen und Selbstverantwortung, auf einen sich auf (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der lange Sicht selbst tragenden Prozess, bei dem der Ein- SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- zelne sein Verhalten aus eigenem Antrieb ändert, statt es NEN – Detlef Parr [FDP]: Sie haben nicht ge- gedankenlos durch staatliche Verbotspolitik verändern nau zugehört! – Jörg van Essen [FDP]: Wer zu lassen. Wir brauchen mehr Vorbilder als Vorschriften. schlechte Argumente hat, hört nicht zu!) (B) (D) (Beifall bei der FDP – Lothar Binding [Heidel- Ich bin 1992 Gesundheitsminister geworden. In die- berg] [SPD]: Sie haben das mit den Vorbildern sem Jahr hat uns das Thema zum ersten Mal im Deut- falsch verstanden, glaube ich!) schen Bundestag beschäftigt. Ich denke, es ist höchste Zeit, dass wir eine klare Entscheidung treffen. Es ist erfreulich, dass die Bundesregierung mit ihrem Gesetzentwurf einen gemäßigten Kurs ansteuert. Es ist Ich möchte heute noch einmal fünf Punkte festhalten. interessant, in den Gesetzentwurf hineinzuschauen. Sie Erstens. Es geht nicht um die Diskriminierung der Rau- rennen bei uns in vielen Bereichen offene Türen ein. Ich cher, sondern um den Schutz der Nichtraucher. kenne keine S-Bahn, in der ich rauchen darf. Manche (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie Passage könnte sogar unseren Positionspapieren ent- bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE nommen worden sein. Nach dem blamablen Scheitern GRÜNEN) der ersten gesetzgeberischen Bemühungen der Bundes- regierung – Sie erinnern sich, dass die Große Koalition Wir beurteilen und bewerten keine Lebensstile, aber es die Folgen der Föderalismusreform schlicht übersehen ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, Herr hat – scheint sie sich nun am EU-Parlament zu orientie- Parr, die Nichtraucher dort, wo Menschen zusammen- ren. treffen, zu schützen, insbesondere die Kinder und die Schwangeren in unserem Lande. Der Blick nach Brüssel ist interessant. Das EU-Parla- ment musste das totale Rauchverbot lockern, weil die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Akzeptanz im EU-Parlament fehlte. Bei uns im Bundes- der SPD – Detlef Parr [FDP]: Da sind wir uns tag soll das Rauchen in abgetrennten Räumen möglich einig! – Otto Fricke [FDP]: Dann müssen Sie bleiben und dem effektiven technischen Nichtraucher- das auch zu Hause machen!) schutz als Mittel innovativer Gesundheitsförderung Zweitens. Es gibt keinen gefährlicheren Stoff für die Raum gegeben werden. Solche Ausnahmeregelungen Gesundheit der Menschen als Tabakrauch, insbeson- werden von der FDP begrüßt. Sie helfen, den Grundsatz dere in Innenräumen. Das ist unbestritten. Ich möchte ei- der Verhältnismäßigkeit zu wahren. nen Vergleich anstellen: In der Risikoklasse der gefähr- Lassen Sie uns bei der Diskussion den Grundsatz der lichsten Stoffe ist Tabakrauch vergleichbar mit Asbest. Verhältnismäßigkeit wahren und Wege jenseits der Radi- Asbest haben wir 1993 in Deutschland verboten. Viele kalität und Totalität gehen! Lassen Sie uns der Vernunft Tausend Menschen sind daran gestorben. Es gibt zwar Vorfahrt geben! Ich hoffe, dass wir in den Ausschussbe- viele Institute und Einrichtungen in Deutschland, aber ratungen hierüber eindringlich miteinander diskutieren das Deutsche Krebsforschungszentrum Heidelberg ist 9720 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Bundesminister Horst Seehofer (A) das seriöseste. Die Studien stützen sich auf die Erkennt- wortung den Vorrang gibt –: Die Freiwilligkeit ist ge- (C) nisse dieses Forschungszentrums. scheitert. (Detlef Parr [FDP]: Dann müssen Sie den Ta- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der bak grundsätzlich verbieten und auf Steuerein- SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- nahmen verzichten!) NEN) Ich halte fest: Tabakrauch ist der gesundheitsschäd- Herr Parr, wir sollten Freiheit richtig definieren: Die lichste Stoff in Innenräumen, er führt zu vielen Tausend Schranke der Freiheit ist die Verantwortung. Die Freiheit Todesfällen. des Rauchers endet dort, wo der Schutz des Nichtrau- Herr Parr, Sie haben behauptet: Eine bessere Lüftung, chers beginnt. Das ist die Definition von Freiheit. und dann ist das Problem gelöst. Ich bitte Sie, lesen Sie (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und noch einmal die Studie: 70 Stoffe im Tabakrauch sind des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – krebsauslösend, halten sich so lange, dass sie aus Innen- Detlef Parr [FDP]: Das haben viele erkannt!) räumen auch durch eine bessere Belüftung nicht entfernt werden können. Eine bessere Belüftung löst das Problem Viertens. Von Bürokratie kann keine Rede sein. Den- also nicht. ken Sie etwa an die Fortschritte, die die Fluglinien er- reicht haben! Da gibt es keine Raucherpolizei oder Ähn- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der liches. SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN) (Detlef Parr [FDP]: Hotels, Deutsche Bahn – ohne Gesetz!) Wir diskutieren hier im Parlament im Bereich der Er- nährung, im Bereich der Agrarwirtschaft oft über ab- Das wird eine gesamtgesellschaftliche Übereinkunft strakte Gefahren, so im letzten Jahr über den H5N1- werden. Virus, und betreiben Vorsorge. Über konkrete Gesund- heitsschädigungen mit tödlichem Ausgang reden wir (Detlef Parr [FDP]: Ist es doch schon in vielen hingegen zu wenig. Bereichen!) (Frank Spieth [DIE LINKE]: So ist es!) Mir haben viele Wirte und Gastronomen gesagt: Wenn der Gesetzgeber das festlegt, ist es für sie leichter, einfa- Deshalb ist es wichtig, dass wir ins Bewusstsein rufen: cher in der Praxis, als wenn sie in ihrer Gastronomie in Tabakrauch ist gesundheitsschädlich, in vielen Fällen jedem Einzelfall für Nichtraucherschutz kämpfen müs- tödlich. sen. Das ist der Punkt. (B) (D) (Detlef Parr [FDP]: Völlig einig!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Drittens. Auch ich bin ein Anhänger von Freiwillig- SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- keit in einem freien Staat. Aber wir müssen sehen, dass NEN) wir seit einem Dutzend Jahren Freiwilligkeit propagie- ren im Hinblick auf Gastronomie, auf Krankenhäuser, Fünftens. Wir haben uns auf die öffentlichen Gebäude auf öffentliche Gebäude. konzentriert, auf die Orte, an denen Menschen zusam- menkommen. Ich bin froh, dass sich die Haltung der (Detlef Parr [FDP]: Es gibt auch gute Bei- Länder in der heißumstrittenen Frage der Gastronomie spiele!) anzugleichen beginnt, dass die Länder, die das auf der – Wir müssen feststellen, es gibt gute Beispiele, aber ei- Bund-Länder-Konferenz noch anders gesehen haben, nen Durchbruch haben wir nicht geschafft. – mittlerweile mit uns übereinstimmen, dass es nur dann praktikabel ist, wenn man eine klare Regelung trifft, (Detlef Parr [FDP]: Ein bisschen mehr Geduld nämlich ein Rauchverbot in Gaststätten, müssen wir schon haben!) (Detlef Parr [FDP]: Sheriff!) In ganzen 2 Prozent der deutschen Krankenhäuser exis- tiert ein wirkungsvoller Nichtraucherschutz. Dabei sind rauchen nur in sauber abgeschlossenen Nebenräumen. Krankenhäuser Einrichtungen, von denen man eigentlich Das ist eine klare Regelung. Ich appelliere an die Bun- annehmen möchte, dass das Bewusstsein dort so ent- desländer, in ihren Parlamenten möglichst einheitliche wickelt ist, dass man sich in Gegenwart kranker Men- Regeln zu verabschieden. Alles andere würden die Men- schen mit dem Rauchen zurückhält. Doch nein, so etwas schen nicht verstehen. erfolgt nicht. Ein Letztes: Ich betrachte das, worüber wir heute de- (Detlef Parr [FDP]: Wir haben ein Gesetz in battieren und was wir hoffentlich in absehbarer Zeit ver- NRW!) abschieden, als einen Quantensprung für den Gesund- heitsschutz in der Bundesrepublik Deutschland. Ich bin Ich habe 1998 im Bundestag eine Rede gehalten und froh, dass ich nach einiger Diskussion jetzt die Zustim- für Freiwilligkeit geworben, aber schon damals gesagt: mung des Personalrats in meinem eigenen Ministerium Wenn die Freiwilligkeit in der Praxis nicht zu veränder- habe. tem Verhalten führt, müssen wir an ein Gesetz denken. Ich stelle fest – das muss man zugeben, auch wenn man (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das hat ja auch ein Anhänger von Freiwilligkeit ist und der Eigenverant- lange genug gedauert!) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9721

Bundesminister Horst Seehofer (A) Liebe Kollegin Schmidt, auch das Verbraucherschutz- Für den Schutz vor Schadstoffen – Herr Minister (C) ministerium ist jetzt wie das Gesundheitsministerium Seehofer hat das ausgeführt – gilt in Deutschland Bun- eine rauchfreie Behörde. Das ist eine gute Entwicklung. desrecht, beispielhaft konsequent umgesetzt im Hin- blick auf Asbest. Warum sieht es beim Schutz vor dem (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Schadstoff Rauch, der mindestens ein vergleichbares SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- Gefahrenpotenzial aufweist, anders aus, und das, obwohl NEN) Millionen Menschen, insbesondere Frauen, am Arbeits- An die Adresse der FDP möchte ich noch einmal sa- platz mit diesem Schadstoff konfrontiert sind? gen: Sie werden feststellen, dass sich die Menschen, wenn dieses Gesetz mit klaren Regelungen verabschie- Der Arbeitsschutz und die Arbeitsstättenverordnung det worden ist und die Länderparlamente gehandelt ha- sind Bundesrecht. Aber es soll juristisch nicht möglich ben, in wenigen Jahren die Debatte, die wir in Deutsch- sein, dass der Bundestag den Weg für einen umfassenden land über dieses Thema 15 Jahre lang geführt haben, Nichtraucherschutz vom Bund bis in die Kommunen eb- nicht mehr erklären können. Dann wird das eine Selbst- net? Ich denke, es wäre eine Bankrotterklärung vor dem, verständlichkeit sein. was wir beschlossen haben, wenn wir nicht nach einem möglichen Weg suchen. Gesetze sind keine Naturereig- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- nisse, sondern sie werden von Menschen gemacht. Man neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ sollte sie, wenn das Erfordernis besteht, auch ändern DIE GRÜNEN) können. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Martina Bunge ist die nächste Rednerin für die Frak- NEN]) tion Die Linke. Ich denke allerdings, dazu fehlt der tatsächliche (Beifall bei der LINKEN) Wille. Ein beredtes Beispiel ist der Bundestag selbst. Am 8. März dieses Jahres haben wir auf Antrag des Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): Bündnisses 90/Die Grünen eine Debatte über das ge- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! plante Rauchverbot im Bundestag geführt. Der Ältesten- Herr Minister Seehofer, auch wenn ich Ihnen in vielem, rat beeilte sich, noch an diesem Tag zu vermelden, dass was Sie in Ihrer Rede gesagt haben, zustimmen kann, als es im Bundestag genauso geregelt werde, wie es im Ge- Quantensprung würde ich den Gesetzentwurf, der heute setz vorgesehen werde, und dass das parallel geschehe. vorgelegt wurde, nicht bezeichnen. Aber bis heute ist noch keine Regelung getroffen wor- (B) (D) Der Akt der Gesetzgebung zum Schutz vor Tabak- den. Die Frau Ministerin sagt zwar, das sei geklärt. Aber rauch und zur Herstellung europäischer bzw. internatio- ich frage: Wo? Mir ist keine schriftliche Regelung be- naler Normalität auch in Deutschland hätte zu einer kannt. Es sind lediglich Änderungsanträge zum vorlie- Sternstunde des Parlaments werden können, wenn hier genden Gesetzentwurf angekündigt. Also hat der Bun- und heute ein Gesetzentwurf aus der Mitte des Parla- destag es nötig, die Pflichten, die dieses Gesetz mit sich ments vorgelegt worden wäre, der konsequent für einen bringt, formal auf sich übertragen zu bekommen. Das wirklich umfassenden Schutz in allen öffentlichen Räu- hätten wir beispielgebend in der Zeit von Anfang März men und auf allen Ebenen, vom Bund bis in die Kommu- bis heute selbst auf den Weg bringen müssen. nen, gesorgt hätte. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- (Beifall bei der LINKEN) NIS 90/DIE GRÜNEN) Stattdessen diskutieren wir über einen Gesetzentwurf Nun möchte ich noch auf eine ewige Debatte einge- und drei Anträge sowie über einen Gruppenantrag, durch hen und klarstellen: Der Schutz vor dem Schadstoff Ta- den ein konsequenter Schutz gewährleistet würde, der bak ist nicht identisch mit dem Verbot des Rauchens. Zu sich allerdings noch in der Tiefe des parlamentarischen rauchen oder nicht zu rauchen, ist die Entscheidung ei- Raums befindet. nes jeden Einzelnen, die auch ich respektiere, Herr Parr. Mit dem Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen Das Rauchen hat in Deutschland, wie in vielen Län- sollen Nichtraucher und Raucher davor geschützt wer- dern, eine lange Tradition. Hier wie überall wirkt Niko- den, den mit dem Rauchen einhergehenden Belastungen tin auf die Psyche. Insofern wird diese Debatte natürlich nicht permanent und unausweichlich ungewollt ausge- hochemotional geführt, auch in meiner Fraktion. Trotz setzt zu sein. allem sollten wir aber nicht vergessen: Es geht um die Rechte der 73 Prozent der Bevölkerung, die Nichtrau- Natürlich erschöpft sich der Gesundheitsschutz in Sa- cherinnen bzw. Nichtraucher sind. Es geht vor allen Din- chen Tabakrauch nicht im Rauchverbot für öffentliche gen um die Kinder und Jugendlichen. Es geht um die Einrichtungen. Ich plädiere selbstverständlich für einen Vermeidung von Leid durch Tod und schwere Erkran- Dreiklang: erstens alles zu tun, um Kinder und Jugendli- kungen. Es geht um die Minderung der horrenden Kos- che von dem Einstieg abzuhalten, zweitens Nichtrauche- ten, die für das Gesundheitssystem entstehen, und um rinnen und Nichtraucher vor dem Tabakrauch zu schützen die Senkung anderer Folgekosten. Nicht zuletzt geht es und drittens Raucherinnen und Raucher zu motivieren, um den Willen von 70 Prozent der Wählerinnen und auszusteigen und ihnen beim Entzug zu helfen. Insofern Wähler. Auch das sollten wir immer bedenken. tragen Sie mit Ihrem Antrag – ich spreche die FDP an – 9722 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Dr. Martina Bunge (A) Eulen nach Athen. Ich denke, eigentlich geht es Ihnen da- und ganz schnell etwas gegen das Passivrauchen zu tun (C) rum, ein konsequentes Rauchverbot zu verhindern. und für den Nichtraucherschutz einzutreten. Mein Vor- wurf ist, dass Sie das versäumt haben. Sie haben Helios-Kliniken als Beispiel angeführt. Die Helios-Kliniken praktizieren es. Für die Kliniken besteht (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein Rauchverbot, und sie motivieren die Mitarbeiterin- sowie bei Abgeordneten der SPD) nen und Mitarbeiter, aufzuhören; denn es ist erwiesen, Passivrauchen ist in der Tat nicht nur eine bloße Be- dass Verbote und Ächtungen an der einen Stelle und die lästigung, sondern auch eine schwerwiegende Gesund- Prävention an der anderen Stelle das Nichtrauchen er- heitsgefahr. Es ist wirklich beschämend, dass Deutsch- leichtern und den Mainstream verändern helfen. Ich land in diesem Punkt in der EU auf dem letzten Platz denke, das ist ein Gesamtansatz. steht. Frau Merkel hat immer gesagt, Deutschland solle (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Nummer eins sein. Das Deutschland bei diesem Punkt der letzte Platz gebührt, ist auch dieser Bundesregierung Nun liegt der Gesetzentwurf der Bundesregierung zu verdanken, weil sie nur dann etwas unternommen hat, vor: ein Rauchschutz mit eingeschränkter Reichweite wenn sie durch den Druck der Öffentlichkeit dazu getrie- auf Bundesebene. Die Länder werden uns peu à peu die ben wurde. Diesen letzten Platz hätte sie gut korrigieren Farben des Flickenteppichs präsentieren. Hier und heute können, wenn sie mutig nach vorne gegangen wäre. Das wird mit der Gesetzgebung für die Bundesrepublik be- ist unser Vorwurf. gonnen. Damit wird für lange Zeit festgezurrt, wie der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Schutz vor Tabakrauch in Deutschland aussieht. Detlef Parr [FDP]: Warum haben Sie dann vor- Der Gruppenantrag, mit dem wir mehr wollten, hat her nichts getan?) sich unseres Erachtens damit erledigt. Wir, die Unter- Liebe Frau Schmidt und lieber Herr Seehofer, der Ge- zeichnerinnen und Unterzeichner der Linksfraktion, zie- setzentwurf, den Sie heute vorlegen, ist eine einzige Ent- hen unsere Unterschriften zurück, damit die Initiatoren täuschung. – wie Herr Binding das beispielsweise auch gegenüber meinem Kollegen Spieth erst neulich dokumentiert hat – (Detlef Parr [FDP]: Sieben Jahre lang haben den Wählerinnen und Wählern nicht nach wie vor Sand Sie nichts Besseres getan!) in die Augen streuen, wonach in nächster Zeit noch eine Er ist nämlich lückenhaft und von Mutlosigkeit geprägt; umfassende Lösung möglich ist. denn genau die Bereiche, die wirklich ernsthaft angegan- (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gen werden müssen, die Gastronomie, die Diskotheken NEN]: Das ist aber nicht der einzige Grund für und die Bars, bleiben vollkommen ausgeklammert. Das (B) den Rückzug!) zeigt auch den Geist, der momentan in der Koalition (D) herrscht: Eigentlich will man das Thema nicht angehen. So schnell kommt die Gelegenheit, die es heute gibt, nicht wieder. Sie haben hier also keinen konsequenten Nichtrau- cherschutz, sondern ein Nichtraucherschutz light vorge- (Beifall bei der LINKEN) legt. Dieser hat genau denselben Makel wie die Light- zigaretten: Den Menschen soll ein gutes Gefühl gegeben Seit den 90er-Jahren – Herr Minister Seehofer hat es werden, aber es ist tatsächlich hochgradig gesundheits- angesprochen – quält sich der Deutsche Bundestag mit gefährdend. Deshalb ist dieser Gesetzentwurf keine gute dem Nichtraucherschutz. Jetzt werden zwar endlich Nä- Lösung. gel mit Köpfen gemacht, aber leider in völlig unzurei- chender Weise. Es schmerzt mich, dass wir uns interna- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tional so blamieren und Chancen für Besseres vergeben Am schwersten wiegt, dass die Bundesregierung die haben. wirklich am stärksten durch Rauch belasteten Bereiche Ich danke. nicht geregelt hat, sodass ein Flickenteppich droht. Nord- rhein-Westfalen hat schon angekündigt, dass kleine (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten Kneipen vom Rauchverbot ausgenommen werden und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) dass die Gastwirte selber entscheiden sollen, was sie ma- chen. Präsident Dr. Norbert Lammert: (Detlef Parr [FDP]: Sehr vernünftig!) Das Wort erhält nun die Kollegin Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grünen. Ich muss ehrlich sagen: Die Gastwirte werden zum Sündenbock der Politik, die nicht bereit ist, zu entschei- den. Das ist das Problem, das wir zum Beispiel in Nord- Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): rhein-Westfalen erleben. Die Gastwirte sind zu Recht Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! empört darüber, dass die Politik nicht bereit ist, hier kon- Nach einer Studie des Deutschen Krebsforschungszen- sequent vorzugehen. Liebe Frau Schmidt, Sie beklagen trums in Heidelberg sterben in Deutschland jedes Jahr den Flickenteppich, den Sie selbst verursacht haben, 3 300 Menschen an den Folgen des Passivrauchens. Mit- denn im Rahmen der Arbeitsstättenverordnung hätten sie arbeiter in Gaststätten haben ein 30 bis 50 Prozent höhe- selbst auf Bundesebene agieren und eine bundesweit ein- res Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, als andere heitliche Regelung erreichen können. Menschen in dieser Gesellschaft. Das müsste eigentlich Anlass genug sein, ganz umfassend, ganz konsequent (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9723

Bärbel Höhn (A) Nicht nur Nordrhein-Westfalen plant Sonderwege. (Detlef Parr [FDP]: Das würde ich Ihnen nicht (C) Wer in Halle ein Bier trinkt, der muss mit Beeinträchti- unterstellen!) gungen seiner Gesundheit rechnen, die in der Nachbar- stadt Leipzig verboten sind. Hier gibt es ganz dicht Es geht nämlich nicht um stinkende Räume, um ver- nebeneinanderliegende Städte, die unterschiedliche Re- rauchte Kleidung oder um vergilbte Vorhänge. Es geht gelungen haben. In Berlin, Brandenburg und Thüringen auch nicht nur um unangenehme Belästigungen der soll in Raucherräumen Selbstbedienung gelten. In den Nichtraucher. Es geht um eine eindeutig nachgewiesene übrigen Ländern werden die Beschäftigten weiter zum Gesundheitsgefährdung. Bedienen in den blauen Dunst geschickt. Das ist ein (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: So ist es!) Chaos, das die Bundesregierung zu verantworten hat. Es fehlt der politische Wille, hier einen echten bundeswei- Betroffen sind nicht nur die Raucher, sondern auch all ten Nichtraucherschutz zu installieren. diejenigen, die in öffentlichen Gebäuden, am Arbeits- platz und auch in Gaststätten, Kneipen und Discos zum Deshalb haben wir, die Grünen, von Anfang an eine Mitrauchen gezwungen sind. klare Position vertreten. (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto (Jörg van Essen [FDP]: Was war in den ver- Solms) gangenen sieben Jahren?) Wir haben klar und deutlich gesagt, welches die In- Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass Passivrauchen strumente sind. Wir haben gesagt: Von Düsseldorf bis das Risiko für chronische Erkrankungen, die tödlich en- Dresden wollen wir denselben Schutz der Gesundheit den können, erhöht. Ein Blick in die wissenschaftlichen der Bevölkerung. Wer will eigentlich verantworten, dass Publikationen zeigt: Wir reden nicht nur von Augen- wir in Deutschland im Bereich der Gesundheit in Bars, brennen, sondern auch von Herzerkrankungen, Schlag- Gaststätten und Diskotheken einen unterschiedlichen anfällen und Lungenkrebs. Schutz der Bevölkerung haben? Das ist keine Lösung, (Detlef Parr [FDP]: Sie sorgen für die risiko- die in irgendeiner Art und Weise akzeptiert werden kann. freie Gesellschaft!) Deshalb sage ich: Gehen Sie noch einmal in sich! Sie Die Ministerin hat die Zahlen genannt. haben heute die Anhörung beschlossen. Ändern Sie Ih- ren Gesetzentwurf, schaffen Sie eine klare Lösung, oder Diese traurige Tatsache kann man auch angesichts der stimmen Sie dem Antrag der Grünen zu! Wir haben ge- gerade in diesem Haus immer wieder vorkommenden zeigt, wie es geht. Relativierungen und der Verharmlosungen, insbesondere der Tabakindustrie, gar nicht oft genug erwähnen. Wir (B) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – (D) Jörg van Essen [FDP]: Das haben Sie nicht! In alle kennen diese Floskeln. Da wird von Freiwilligkeit, den sieben Jahren, in denen Sie in der Regie- Genuss und Toleranz gesprochen. Leider hat Rauchen rung waren, ist nichts geschehen!) für die überwiegende Zahl der Raucher mit Freiwillig- keit so viel zu tun wie Schokolade mit Abnehmen, näm- lich gar nichts. Es handelt sich um eine Sucht, und die Präsident Dr. Norbert Lammert: allermeisten Raucher rauchen, weil sie abhängig sind. Nächste Rednerin ist die Kollegin Carola Reimann, Deshalb laufen auch alle Regelungen, die nur auf Frei- SPD-Fraktion. willigkeit beruhen, ins Leere. Aus diesem Grund ist an (Beifall bei Abgeordneten der SPD) dieser Stelle der Gesetzgeber gefragt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dr. Carola Reimann (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf zum Schutz ren! Man kann es kaum glauben, aber die aktuelle Debatte vor den Gefahren des Passivrauchens machen wir den ist schon wieder ein Jahr alt. Seit über einem Jahr disku- ersten wichtigen Schritt hin zu einem wirksamen Nicht- tieren wir über das Passivrauchen und über Maßnahmen raucherschutz. Damit rücken wir auch auf europäischer zum Schutz vor den wissenschaftlich nachgewiesenen Ebene, Kollegin Höhn, wieder auf die vorderen Plätze Gesundheitsgefahren. Ausgelöst wurde die Debatte durch vor. Frau Höhn, man kann ja monieren, dass man das al- das Scheitern der Dehoga-Selbstverpflichtung, durch les hätte früher haben können. Natürlich hätten wir das Veröffentlichungen des Deutschen Krebsforschungszen- gern früher umgesetzt. Aber mir ist aus Ihrer Zeit als Mi- trums sowie durch den daraufhin von SPD-Abgeordneten nisterin in Nordrhein-Westfalen keine Initiative bekannt, initiierten Gruppenantrag zum Schutz vor Passivrauchen, mit der Sie dies angeschoben hätten. für den wir breite Unterstützung erfahren haben. Für (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der diese Unterstützung möchte ich den Kolleginnen und CDU/CSU – Detlef Parr [FDP]: Das ist wohl Kollegen an dieser Stelle noch einmal danken. wahr!) (Beifall bei der SPD) Neben der Anhebung der Altersgrenze für die Abgabe Trotz dieser intensiven und monatelangen Debatte ha- von Tabakwaren und für das Rauchen in der Öffentlich- ben viele leider immer noch nicht verstanden, worüber keit von 16 auf 18 Jahre wird es in öffentlichen Einrich- wir bei der Frage des Nichtraucherschutzes eigentlich re- tungen des Bundes und in bestimmten Einrichtungen des den. öffentlichen Personenverkehrs generelle Rauchverbote 9724 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Dr. Carola Reimann (A) geben. Das Gleiche muss natürlich für uns alle hier im Schutz vor Passivrauch auch staatlicher Regelungen (C) Deutschen Bundestag gelten. bedarf; das ist schon etwas. Nur die FDP spricht noch von staatlicher Gängelung. Ich muss Ihnen, Herr Kollege (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Parr, wirklich sagen: Sie wissen genauso gut wie ich, Es wird allerhöchste Zeit, dass wir insoweit auch in un- dass Rauchen bzw. Nikotinabhängigkeit eine Sucht- serem Haus Klarheit schaffen. erkrankung ist. Wir alle wissen, dass derjenige, der auf diese Weise erkrankt ist Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sind wir auf dem richtigen Weg. Die Erfahrungen aus anderen Län- (Detlef Parr [FDP]: Das gilt doch nicht für alle dern haben gezeigt, dass sich der Gesundheitszustand Raucher!) von Angestellten nach Einführung von Rauchverboten und dadurch nur noch eingeschränkt die Fähigkeit zur innerhalb ganz kurzer Zeit erheblich verbessert. Das gilt Eigenverantwortung hat, insbesondere für Angestellte in der Gastronomie. Hier sind wir bei dem zweiten entscheidenden Schritt (Jörg van Essen [FDP]: Jetzt aber ein bisschen – dies ist schon mehrfach angeklungen –, der nun mög- vorsichtig!) lichst bald von den Bundesländern umgesetzt werden nicht das beste Beispiel für die Fähigkeit und Bereit- muss: ein umfassendes, einheitliches Rauchverbot in schaft ist, Verantwortung für die Gesundheit anderer zu den Gaststätten. Denn es kann nicht sein, dass die An- übernehmen. gestellten, die den Gefahren des Passivrauchens bislang am stärksten ausgesetzt waren, von diesem Schutz aus- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN genommen werden; ganz zu schweigen von den Gästen, und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der darunter auch Kinder und Jugendliche. LINKEN) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Das zeigt die Erfahrung; denn sonst gäbe es diesen Re- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) gulierungsbedarf nicht. Einige Länder haben inzwischen Gesetzentwürfe auf Ganz besonders abwegig finde ich – auch das sage ich den Weg gebracht. Selbst Herr Wulff – lange Zeit als in Richtung der FDP – das Hohelied auf den Flicken- vorderster Kämpfer für den Raucher-Status-quo bekannt – teppich der Regelungen in den Ländern. scheint jetzt erkannt zu haben, dass er mit seiner Position (Detlef Parr [FDP]: Was ist denn schlimm auf verlorenem Posten steht. daran?) (Detlef Parr [FDP]: Er ist genötigt worden!) (B) – Herr Kollege Parr, in welcher historischen Situation (D) Nur, Ankündigungen sind natürlich noch keine Gesetze. befinden wir uns? Vielleicht in der Zeit vor der Schaf- Solange diese Gesetzentwürfe noch nicht verabschiedet fung des Deutschen Bundes, als es zwischen den Län- worden sind, ist Vorsicht angebracht. Das hat uns die Er- dern noch Zollschranken gab? Sie vergleichen die Situa- fahrung aus den letzten Monaten und Jahren gelehrt. tion eines Bundeslandes allen Ernstes mit der eines Privathaushaltes, den man nicht regulieren kann. Nach über einem Jahr Diskussion muss man sagen: Es wird nun endlich Zeit, dass wir auf der Bundesebene (Detlef Parr [FDP]: Das war das Zitat von durch das Gesetz zum Schutz vor Passivrauchen für alle Herrn Herzog!) Bundesbehörden, im öffentlichen Personenverkehr und Aber glücklicherweise, Herr Kollege, gibt es auf der auch im Deutschen Bundestag sowie auf Landesebene Rheinbrücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen durch Gesetze, die Angestellte und Gäste in Gaststätten keine Zollschranken und Ähnliches mehr. vor den Gefahren des Passivrauchens wirksam schützen, klare Regelungen schaffen. Das sind längst überfällige (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Dann hätten Maßnahmen – das haben wir hier häufig gehört –, die Sie der Föderalismusreform nicht zustimmen durch zahlreiche wissenschaftliche Studien gestützt und sollen, Frau Bender!) im Übrigen, Herr Parr, von der großen Mehrheit der Be- völkerung unterstützt werden. Damit gibt es auch einen Bedarf, dass überall gleiche Regeln bestehen. Eigentlich müsste das eine Partei wie Vielen Dank. die Ihre auch deswegen verstehen, weil das etwas damit (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten zu tun hat, dass Unternehmer, die zum Beispiel eine der CDU/CSU) Gaststätte oder einen anderen Betrieb eröffnen wollen, 16 unterschiedliche Gesetzbücher studieren müssen, um sich zu entscheiden, wo sie ihren Betrieb eröffnen. Das Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: kann doch wohl nicht wahr sein. Das Wort hat jetzt die Kollegin Birgitt Bender vom Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Jörg van Essen [FDP]: Ha- ben die Grünen der Föderalismusreform zuge- Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): stimmt oder nicht?) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lange hat es gedauert. Aber inzwischen ist immerhin eine breite Jetzt zur Koalition. Der bekundete Wille freut uns ja; Mehrheit in diesem Haus der Auffassung, dass es zum aber leider, Frau Ministerin Schmidt, fehlt es an der Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9725

Birgitt Bender (A) Konsequenz. Ich lese zum Beispiel fast jeden Tag beim der Nichtraucherschutz ist in Deutschland in den letzten (C) Frühstück in der Zeitung: Monaten ein gutes Stück vorangekommen. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Aber nur nach der Die große Mehrheit der Bevölkerung erwartet, dass ersten Zigarette!) der Gesetzgeber endlich handelt und die Menschen bes- ser vor den Gefahren des Passivrauchens schützt. Die Jetzt hat die Koalition beschlossen: Der Bundestag wird große Zahl von Briefen, die auch mich als Drogenbeauf- rauchfrei. Keine zwei Stunden später begebe ich mich tragte der CDU/CSU-Fraktion erreichen, beweist, Herr zur Sitzung des Gesundheitsausschusses. Was sehe ich Parr, dass den Menschen dieses Thema sehr am Herzen dort? Auf dem Weg in den Sitzungssaal muss ich die liegt. Qualmwolken durchqueren, die die rauchenden Kolle- gen aus dem Gesundheitsausschuss verbreiten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Zurufe von der SPD: Was? – Nicht alle!) Fast 70 Prozent der deutschen Bevölkerung sind Nichtraucher. Nach Angaben der Deutschen Hauptstelle Insofern frage ich Sie: Was sollen dann diese Bekundun- für Suchtfragen sind 55 Prozent der Nichtraucher unfrei- gen? willig dem Tabakrauch ausgesetzt. Das Deutsche Krebs- Wir könnten es schnell erreichen – unser Antrag dazu forschungszentrum hat ermittelt, dass fast die Hälfte der liegt vor –, dass die Hausordnung des Bundestages geän- erwerbstätigen Nichtraucher in Deutschland am Arbeits- dert und ein allgemeines Rauchverbot beschlossen wird, platz und knapp ein Drittel aller Nichtraucher in der auch für die Gastronomie. Freizeit davon betroffen sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dass Rauchen und Passivrauchen Krebs erregen, ist und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten unbestritten. Das wurde heute schon mehrfach betont, der CDU/CSU und der SPD) aber man kann nicht oft genug darauf hinweisen. Der Zi- garettenkonsum ist auch das größte Gesundheitsrisiko Wenn Sie angeblich dafür sind, stellt sich die Frage, was für viele andere Erkrankungen. Die durch das Rauchen uns dann noch daran hindert, dies zu tun. verursachten Gesundheitskosten betragen nach Berech- Stattdessen wollen Sie unseren Antrag erst einmal an nungen des Deutschen Krebsforschungszentrums rund den Ausschuss überweisen und reden jetzt darüber, den 17 Milliarden Euro. Auf die dadurch verursachten To- Nichtraucherschutz im Bundestag in dem Gesetz zu be- desfälle wurde schon mehrfach hingewiesen. rücksichtigen, das aber erst im Herbst in Kraft treten Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie soll. Warum beabsichtigen Sie das? Neulich war die Ein- haben in Ihrem Antrag geschrieben und auch hier betont, (B) beziehung des Bundestages noch ein verfassungsrechtli- dass ein generelles Rauchverbot nicht notwendig ist. Sie (D) ches Problem, Frau Ministerin Schmidt. Ich kann mich müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass der jahrelange nicht erinnern, dass seitdem die Verfassung geändert Appell, freiwillig etwas für den Nichtraucherschutz zu worden ist. Also ist es offenbar ein Problem des politi- tun, kaum gefruchtet hat. Zwar wurden in manchen Be- schen Willens. reichen Nichtraucherzonen eingerichtet, die Untersu- In vielen anderen Punkten des Gesetzentwurfs – zum chungen des Deutschen Krebsforschungszentrums bele- Beispiel beim Arbeitsschutz – sind Sie ebenfalls nicht gen jedoch, dass die Belastung mit krebserregenden konsequent. Ich glaube, dass wir Ihnen bei diesem Stoffen auch dort gefährlich hoch ist, weil keine räumli- Thema noch einigen Dampf machen werden. che Trennung erfolgt. Auch die freiwillige Vereinba- rung mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dr. Uwe Küster [SPD]: Aber keinen blauen hat nichts gebracht. Die Vorgaben wurden bei weitem Dunst!) nicht erreicht. Wir freuen uns schon auf die weitere Debatte. (Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] Danke. [SPD]) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Daher ist es folgerichtig, dass zwei Drittel der Bevöl- sowie bei Abgeordneten der SPD) kerung einen gesetzlichen Nichtraucherschutz fordern. Der Bund kann ihn jedoch nur in den Bereichen regeln, für die er zuständig ist, Frau Höhn. Ende Februar be- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: schloss das Bundeskabinett die Einführung eines gene- Das Wort hat jetzt die Kollegin Maria Eichhorn von rellen Rauchverbots in bundeseigenen Einrichtungen, der CDU/CSU-Fraktion. öffentlichen Verkehrsmitteln und Personenbahnhöfen. Der vorliegende Gesetzentwurf – nicht mehr und nicht Maria Eichhorn (CDU/CSU): weniger – wird heute eingebracht. Alles andere müssen Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle- die Länder besorgen, Frau Höhn. gen! Herr Bundesminister Seehofer, bereits Anfang der (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das 90er-Jahre habe ich den Entwurf eines Nichtraucher- hätten Sie aber anders machen können!) schutzgesetzes im Deutschen Bundestag unterstützt, da- mals ohne Erfolg. Heute bin ich davon überzeugt, dass Dieser Gesetzentwurf schafft die Möglichkeit, geson- der Gesetzentwurf, den wir heute in den Bundestag ein- derte und entsprechend gekennzeichnete Räume vor- bringen, mit großer Mehrheit verabschiedet wird. Denn zuhalten, in denen das Rauchen gestattet ist, wenn 9726 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Maria Eichhorn (A) insgesamt eine ausreichende Anzahl von Räumen zur Für mich ist die italienische Regelung nach wie vor (C) Verfügung steht. beispielhaft. Sie beinhaltet ein generelles Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden, Theatern, Kinos und in der Gas- Aber wichtig ist – gerade für mich –, dass es sich tronomie. Die Wirte haben dort die Möglichkeit, sepa- nicht um Arbeits- oder Diensträume handeln darf. Die rate, durch eine selbstschließende Tür abgetrennte Rau- genauen Kriterien, beispielsweise für die Einrichtung cherräume zu errichten, in denen allerdings nicht bedient von Raucherräumen, müssen in einer Rechtsverord- werden darf. Das heißt, die Arbeitnehmer in der italieni- nung festgelegt werden. Dabei geht es um die baulichen schen Gastronomie sind – genau wie alle anderen Ar- Anforderungen sowie die Art und Weise der Belüftung beitnehmer auch – umfassend vor den Gesundheits- dieser Raucherräume. Verstöße gegen die Bestimmun- gefährdungen des Passivrauchens geschützt. Herr Parr, gen des Gesetzes können als Ordnungswidrigkeit mit ich konnte mich davon überzeugen, dass diese Regelung Bußgeldern bis zu 1 000 Euro geahndet werden. ohne großen bürokratischen Aufwand funktioniert. Herr Minister Seehofer hat es bereits gesagt. Es ist eine Nun gibt es verschiedene Organisationen, die in ihren Selbstregulierung. Die Bevölkerung passt sozusagen sel- Stellungnahmen Zweifel äußern, ob dieses Gesetz tat- ber auf, dass dieses Gesetz eingehalten wird. Auch die sächlich greift, und auf Vorschriften anderer Länder ver- Angestellten in der deutschen Gastronomie haben ein weisen. Meine Damen und Herren von der Opposition, Recht auf einen rauchfreien Arbeitsplatz. wir werden diese Einwendungen im Rahmen des Gesetz- gebungsverfahrens natürlich eingehend prüfen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung Selbstverständlich muss für den Deutschen Bundes- enthält auch Regelungen zur Verbesserung des tag das Gleiche gelten wie für die Angestellten in den Arbeitsschutzes. Durch Erweiterung des § 5 Abs. 1 der Bundesbehörden. Der Beschluss der Koalitionsspitzen Arbeitsstättenverordnung wird klargestellt, dass insbe- vom Dienstag ist eindeutig. Er besagt, dass der Gesetz- sondere ein allgemeines Rauchverbot für den gesamten entwurf, der heute beraten wird, „voll und ganz auf den Betrieb dem Schutz der nichtrauchenden Beschäftigten Deutschen Bundestag Anwendung findet“. dient. Weitergehende Regelungen für den Gaststättenbe- (Zuruf von der LINKEN) reich, wie sie die Grünen in ihrem Antrag fordern, kön- nen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht getroffen Danach ist Rauchen zukünftig in den Gebäuden des werden. Deutschen Bundestages generell verboten und nur noch in abgetrennten und gekennzeichneten Raucherräumen (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: gestattet. Ich halte es für richtig – ich habe das vorher Warum eigentlich nicht?) von Herrn Koschyk bestätigt bekommen –, dass die Re- (B) gelung zum Nichtraucherschutz im Bundestag möglichst (D) – Der Petitionsausschuss hatte darüber beraten und das zeitgleich mit der Regelung für die Bundeseinrichtungen eindeutig festgestellt. Lesen Sie das bitte im Protokoll in Kraft tritt, nach. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Mit dem Ge- Das haben wir gemacht!) setz!) Regelungen zum Nichtraucherschutz in der Gastronomie also mit diesem Gesetz. Eine schnelle Umsetzung, wie fallen unter das Gaststättenrecht. Wir müssen zur Kennt- die Grünen sie fordern, ist damit gewährleistet. nis nehmen, dass die Länder dafür zuständig sind und der Bund hier keine Regelungskompetenz hat. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Schnell“ kann man das nicht nennen!) (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben nicht! Wir haben hier andere Möglich- Rauchverbote schützen nicht nur die Nichtraucher, keiten!) sondern führen auch zu einem Rückgang des Zigaret- tenkonsums. Herr Parr, den von Ihnen genannten Zah- – Frau Höhn, ich muss Sie fragen: Die Grünen waren len kann ich eine andere Zahl entgegensetzen. Nach An- sieben Jahre in der Regierung, gaben der „Ärzte-Zeitung“ haben ein Jahr nach der Einführung des italienischen Nichtraucherschutzgeset- (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: So ist zes bereits 500 000 Italiener gänzlich mit dem Rauchen es!) aufgehört. Das ist doch was! warum haben Sie nichts getan? Heute reden, aber vorher (Beifall bei der SPD) nichts tun! Wir Erwachsene sollten mit gutem Beispiel vorange- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- hen. Angesichts der Tatsache, dass Jugendliche heute be- neten der FDP) reits im Alter von durchschnittlich 11,8 Jahren erstmals zur Zigarette greifen, sind die Erwachsenen gefordert, Zu Recht erwarten unsere Bürgerinnen und Bürger, in einen Verzicht auf Zigaretten vorzuleben. Daher begrüße allen öffentlichen Einrichtungen, Diskotheken, Theatern ich, dass Zigaretten nach diesem Gesetzentwurf künftig und in der Gastronomie vor dem Passivrauchen ge- erst ab 18 Jahren abgegeben werden dürfen. schützt zu werden. Ich appelliere an die Länder, die dazu notwendigen Regelungen zügig umzusetzen und (Detlef Parr [FDP]: Und Sie glauben, das keinen Flickenteppich an Vorschriften zu hinterlassen. wirkt?) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9727

Maria Eichhorn (A) Ganz wichtig ist auch die Prävention. Wir begrüßen Vor uns liegt ein erster Entwurf. Viele von uns – dazu (C) es daher sehr, dass es an den Schulen mittlerweile regel- zähle auch ich – hätten sich zum Schutz vor Passivrau- mäßige wirkungsvolle Aktionen gibt. Durch frühzeitige chen ein wenig mehr gewünscht. Mir ist der Gesetzent- Aufklärung und durch gutes Vorbild müssen junge Men- wurf nicht umfassend genug. Aber wir haben eine Anhö- schen vor der Tabaksucht unbedingt bewahrt werden. rung vereinbart und sollten diese auch für entsprechende Veränderungen nutzen. Wir sind auf einem guten Wege, auch in Deutschland endlich einen umfassenden Nichtraucherschutz zu ver- Wir müssen uns noch mehr Gedanken machen, ob wir wirklichen. Wir werden den Gesetzentwurf zügig bera- die Arbeitsstättenverordnung ändern können, um einen ten, damit er fristgerecht, wie vorgesehen, zum 1. Sep- wirklichen Arbeitsschutz zu gewährleisten. tember dieses Jahres umgesetzt werden kann. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Richtig!) Wir müssen über die verlängerte Frist für die Automa- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: tenhersteller reden. Es wurde schon gesagt: Wenn wir Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt den Jugendschutz ernst nehmen, dann sollten wir dafür hat jetzt die Kollegin Dr. Margrit Spielmann von der sorgen, dass die Heraufsetzung der Altersgrenze zeit- SPD-Fraktion das Wort. gleich auch für die Abgabe von Zigaretten an Automaten (Beifall bei der SPD) erfolgt und nicht erst 22 Monate später. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Dr. Margrit Spielmann (SPD): des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Abg. Maria Eichhorn [CDU/CSU]) Kollegen! Ein altes Sprichwort besagt: „Aller guten Ich denke, das Datum 1. Juli 2009 ist für uns nicht hin- Dinge sind drei.“ Nach zwei erfolglosen Anläufen zur nehmbar. Verbesserung des Nichtraucherschutzes, die wir in den letzten zehn Jahren – oder sogar in den letzten 15 Jahren, Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir gegen wie ich erfahren habe – gemacht haben, beraten wir Verstöße gegen das Gesetz vorgehen. heute in erster Lesung ein Gesetz zum Schutz vor den (Detlef Parr [FDP]: Jetzt wird es spannend!) Gefahren des Passivrauchens. Herr Minister Seehofer, ich denke auch, wir erleben in diesem Problemfeld einen Herr Parr, ich will dafür keine Polizei mit hochgestell- Quantensprung. tem Kragen. Ich könnte mir durchaus andere Regelun- gen vorstellen. (B) Wir wissen alle, diesem Gesetzentwurf sind vielfäl- (D) tige Bemühungen vorausgegangen. Der Entwurf ist für (Detlef Parr [FDP]: Hoffentlich!) mich sozusagen eine Antwort unter anderem auf den Wir müssen uns überlegen, wie wir den Bundestag öffentlichen Druck, der in letzter Zeit durch die Medien explizit in das Gesetz einbeziehen; denn der Bundestag ausgeübt wurde. als öffentliches Gebäude kann nicht von den Regelungen (Detlef Parr [FDP]: Das ist wohl wahr!) des Gesetzes ausgenommen werden. Dazu gehört auch, dass sich alle Abgeordneten daran halten. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes erwarten von uns – Herr Parr, 72 Prozent haben sich für einen (Zuruf der Abg. Birgitt Bender [BÜND- Schutz vor Passivrauchen ausgesprochen – eine schüt- NIS 90/DIE GRÜNEN]) zende gesetzliche Regelung. – Frau Bender und liebe Kolleginnen und Kollegen von (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen, wir werden der CDU/CSU) Ihren Antrag natürlich in die Diskussion einbeziehen und positiv würdigen. In besonderer Weise haben die Institute – ich nenne beispielsweise das Deutsche Krebsforschungszentrum in (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf Heidelberg – durch ihre Forschungsergebnisse – im- von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Heute ab- merhin sterben pro Jahr 3 200 Menschen an den Folgen stimmen!) des Passivrauchens – zu dieser durchaus positiven öf- Es ist auch zu prüfen, ob wir die Definition von fentlichen Diskussion beigetragen. Ich denke, wir sollten Raucherräumen im Gesetz ändern müssen. Es kann diesen Instituten einmal für ihren Beitrag zur heutigen nicht sein, dass eine gesetzliche Definition so wie die Debatte danken. vorliegende zu den Raucherräumen auf Lobbydruck ent- (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Bärbel steht. Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Auch dieses persönliche Wort sei mir gestattet: Hilfreich Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, las- war auch das Engagement unseres Kollegen Lothar sen Sie mich zum Schluss noch einen für mich als Ge- Binding. sundheitspolitikerin wichtigen Aspekt erwähnen. Paral- (Beifall bei der SPD – Daniel Bahr [Münster] lel zum Gesetz sollten wir verstärkt Konzepte [FDP]: Warum darf er nicht reden?) unterstützen, die den Menschen helfen, mit dem Rau- 9728 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Dr. Margrit Spielmann (A) chen aufzuhören. Lassen Sie uns in der Anhörung und in Ich eröffne nun die Aussprache und erteile als erstem (C) der folgenden Debatte auch über Maßnahmen zum Bei- Redner das Wort dem Kollegen Oskar Lafontaine von spiel zur zielgruppenspezifischen Prävention, also ins- der Fraktion Die Linke. besondere über Präventionsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche, diskutieren. Wir sollten diese Aufklärungs- (Beifall bei der LINKEN) angebote – das wäre mir ein großes Anliegen – unter Einbeziehung verschiedener Berufsgruppen konzipieren; Oskar Lafontaine (DIE LINKE): hier möchte ich in besonderer Weise die Pädagogen und Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- die Ärzte erwähnen. ren! Wir haben in wenigen Tagen eine Wahl. Vielen Dank. (Jörg van Essen [FDP]: Aha! Deshalb reden (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Sie schon wieder!) CDU/CSU) Vor Wahlen neigen die politischen Parteien zu einem be- stimmten Verhalten: Sie geben Versprechen ab. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Lachen des Parl. Staatssekretärs Gerd Ich schließe die Aussprache. Andres) Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf Nun ist das mit Versprechen häufig so, meine Damen den Drucksachen 16/5049, 16/4761 und 16/5118 an die und Herren, dass diejenigen, denen Versprechen gegeben in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge- werden, diese im Gedächtnis behalten, diejenigen aber, schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der die die Versprechen abgeben, dazu neigen, die Verspre- Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. chen sehr schnell wieder zu vergessen. Wir kommen nun zum Antrag der Fraktion des Bünd- So ist das auch vor dieser bremischen Wahl. Ich be- nisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/4957. Die ginne nicht bei der Erklärung der SPD, sondern mit ei- Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen wünscht Ab- nem Plakat der CDU, das einem doch die Sprache ver- stimmung in der Sache, die übrigen Fraktionen wün- schlägt. schen Überweisung, und zwar federführend an den Ältestenrat und mitberatend an den Ausschuss für Wahl- (Der Redner zeigt ein Plakat) prüfung, Immunität und Geschäftsordnung, den Aus- schuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher- Vor der Wahl plakatiert die CDU: Gegen Lohndumping – für 7,50 Euro Mindesteinkommen. (B) schutz, den Ausschuss für Arbeit und Soziales sowie an (D) den Ausschuss für Gesundheit. (Beifall bei der LINKEN – Gitta Connemann Die Abstimmung über den Antrag auf Ausschuss- [CDU/CSU]: Mindesteinkommen, nicht Min- überweisung geht nach ständiger Übung vor. Ich frage destlohn!) deshalb: Wer stimmt für die beantragte Überweisung? – – Die besondere Schlauheit, die Sie auf dieses Plakat ge- Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Überweisung ist bracht zu haben meinen, besteht darin, dass Sie von ei- damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der nem Mindesteinkommen pro Stunde sprechen. Wer FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die kann sich ein solch unsinniges Konstrukt überhaupt er- Linke und von Bündnis 90/Die Grünen beschlossen. klären? Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Damit stimmen wir heute über den Antrag auf Druck- Sie hier versuchen, mit „7,50 Euro pro Stunde“ die Wäh- sache 16/4957 nicht ab. lerinnen und Wähler in die Irre zu führen, dann ist das Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf: dummer, dreister Wahlbetrug. Nichts anderes ist dazu zu sagen. Beratung des Antrags der Abgeordneten Werner Dreibus, Hüseyin-Kenan Aydin, Dr. Dietmar (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Winkelmeier [fraktionslos]) der LINKEN Eine Milderung ergibt sich auch dann nicht, wenn Deutschland braucht Mindestlöhne beispielsweise Ihr Spitzenkandidat in der Sprache nicht sauber ist und noch immer von gesetzlichem Mindest- – Drucksache 16/4845 – lohn spricht. Insofern sollten Sie hier mit sich zu Rate gehen, inwieweit Sie sich nicht einfach einmal dazu Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die durchringen, den Wählerinnen und Wählern das zu sa- Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die gen, was Sie wirklich meinen. Fraktion Die Linke fünf Minuten erhalten soll. Gibt es Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist so be- Wir reden heute aber auch über eine Erklärung der schlossen. Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, die mit einer Unterschriftenaktion verbunden ist und die wir im Inhalt Bevor ich die Aussprache eröffne, bitte ich die Kolle- natürlich in vollem Umfang unterstützen. ginnen und Kollegen, die an dieser Aussprache nicht teilnehmen wollen, den Saal zu verlassen, damit die üb- (Anton Schaaf [SPD]: Mach jetzt ein Ausrufe- rigen der Aussprache folgen können. – Vielen Dank. zeichen, dann reicht es ja!) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9729

Oskar Lafontaine (A) Ich lese einmal die wesentlichen Passagen vor: (Beifall bei der LINKEN) (C) Deutschland ist gemessen an der gesamtwirtschaft- Nun sind wir natürlich gespannt, was die Sozialdemo- lichen Leistung so reich wie nie zuvor. kraten machen werden. Wir haben die Sorge, dass es so sein wird wie immer in den letzten Jahren. Das stimmt wirklich. (Zuruf von der SPD: Auch unter Ihrem Vor- Trotzdem arbeiten viele Menschen den ganzen Tag, sitz! – Parl. Staatssekretärs Gerd Andres: Wer können aber sich und ihre Familien vom erarbeite- hat uns verraten? …) ten Lohn nicht ernähren. Armutslöhne sind unge- – „Wer hat uns verraten?“, tönt es hier auch noch von der recht und unsozial. Sie missachten die Leistung der Regierungsbank. Verehrter Staatssekretär, dann sagen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das ist ein Sie auch noch den zweiten Satz! Der stimmt nämlich, Skandal. wenn man die Menschen in Deutschland betrachtet, die (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der LIN- hier seit vielen Jahren zu Armutslöhnen arbeiten müs- KEN: Recht haben die Sozialdemokraten!) sen. Wer voll arbeitet, muss davon leben können. Des- Es ist nicht so, dass Sie in den letzten Jahren nicht die halb werden wir Schluss machen mit dem Lohn- Möglichkeit gehabt hätten, daran etwas zu ändern. Ge- dumping. nauso wie andere Staaten hätten Sie den Mindestlohn in Deutschland längst einführen können. Wenn man solche Worte liest, dann denkt man doch: (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Hier ist eine Truppe zusammengekommen, um ihren Winkelmeier [fraktionslos]) Worten endlich Taten folgen zu lassen. Wir werden aber sehen, dass auch hier Ihren Worten wieder keine Taten Die Wirklichkeit ist die: Wir haben hier im Deutschen folgen werden. Das ist eine Schande. Bundestag eine Mehrheit zumindest für Schritte hin zu einem Mindestlohn, was die Tarifverträge angeht und (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert was den gesetzlichen Mindestlohn angeht. Winkelmeier [fraktionslos] – Andrea Nahles [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! – Dr. Uwe (Anton Schaaf [SPD]: Dazu braucht man eine Küster [SPD]: Der hat es mit der Wahrheit qualifizierte Mehrheit!) nicht so genau!) Das Problem ist, dass das nicht geschieht, und zwar aus In Deutschland diskutieren wir schon viele Jahre über reiner Koalitionstreue – oder wie immer Sie das bezeich- nen wollen –, obwohl man Ihnen um die Ohren schlägt, den gesetzlichen Mindestlohn. Das ist keine neue Ent- Sie schadeten Deutschland. Das ist ein einmaliger Sach- (B) wicklung. Spätestens seit dem Fall der Mauer sind im- (D) verhalt. Sie schadeten Deutschland, habe ich vom Frak- mer wieder Fälle hochgekommen, in denen in Deutsch- tionsvorsitzenden der CDU/CSU gehört. Nein, Sie scha- land Hungerlöhne gezahlt worden sind. Ich erinnere den den Menschen, die zu Hungerlöhnen arbeiten, wenn mich noch gut daran, dass 1990 Bauarbeiter hier für Sie nicht endlich wahrhaftig werden und dem Mindest- 1 DM pro Stunde beschäftigt worden sind. So lange dis- lohn zustimmen und damit Ihrer eigenen Erklärung fol- kutieren wir das Thema schon! Es wird geschwätzt, ge- gen. Wer der eigenen Erklärung nicht zustimmt, macht schwätzt und geschwätzt, aber nichts geschieht. sich lächerlich. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos]) Winkelmeier [fraktionslos] – Zuruf von der SPD: Total unglaubwürdig!) Die Menschen werden in die Irre geführt. Das ist nun wirklich empörend. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die Begründung ist ganz einfach. Alle anderen Staa- Das Wort hat jetzt die Kollegin Gitta Connemann von ten in Europa diskutieren seit vielen Jahren über dieses der CDU/CSU-Faktion. Thema, und die meisten haben den Mindestlohn einge- führt. Wenn Sie heute das „Handelsblatt“ lesen, meine (Beifall bei der CDU/CSU – Hartmut Koschyk Damen und Herren, dann werden Sie dort finden, dass [CDU/CSU]: Unsere Antwort auf Oskar!) der zuständige Kommissar der Europäischen Gemein- schaft gesagt hat: Mindestlöhne kosten keine Arbeits- Gitta Connemann (CDU/CSU): plätze, sondern sie helfen, Arbeitsplätze aufzubauen. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Häufig Nehmen Sie die Erfahrung in der Europäischen Gemein- sind die, die laut schreien, heiser, wenn sie selbst beken- schaft doch einmal zur Kenntnis, und handeln Sie da- nen müssen: An diesen Spruch hat mich Ihre Tirade, die nach! Sie hier vorgetragen haben, wieder einmal in eindrucks- voller Weise erinnert, Herr Kollege Lafontaine. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos]) (Beifall bei der CDU/CSU) Da, wo Sie schon die Möglichkeit hatten, Verantwortung Das Plakat der CDU ist jetzt heruntergefallen. Es ver- zu übernehmen, haben Sie es nie getan; dient auch nichts anderes. Am besten sollte es von allen Masten fallen, auf denen es aufgeklebt ist, damit diese (Lachen des Abg. Oskar Lafontaine Irreführung im Wahlkampf keine Wirkung zeigt. [DIE LINKE]) 9730 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Gitta Connemann (A) vielmehr sind Sie immer nach dem Motto verfahren: Auf Diese Männer und Frauen arbeiten im sogenannten (C) und davon, wenn es ernst wird! Niedriglohnbereich. Sie arbeiten in Vollzeit und können ihren Lebensunterhalt trotzdem nicht allein bestreiten. (Beifall bei der CDU/CSU – Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Wie alt sind Sie?) (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann tut doch einmal etwas dagegen!) Welchen Wert hat Arbeit tatsächlich? Diese Frage habe ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Lin- Wie können wir ihnen helfen? Als ein möglicher Weg ken, hier in diesem Haus im Juni letzten Jahres gestellt. wird ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn Sie reklamierten damals für sich, die einzig wahre Ant- vorgeschlagen. In vielen Ländern Europas ist er bereits wort zu kennen: 8 Euro sollten es sein. Nur einige Realität. Warum also nicht bei uns? Monate vorher hatten Sie – wiederum mit Anspruch auf Die Antwort ist einfach: In diesen Ländern herrschen Absolutheit – verlangt, es müssten mehr als 8 Euro sein. vollkommen andere soziale und wirtschaftliche Grund- Heute nun präsentieren Sie dem verblüfften Publikum bedingungen. Nehmen wir zum Beispiel das vielzitierte einen Antrag ganz ohne Angabe. Jetzt verlangen Sie ei- Großbritannien: Dort ist ein Mindestlohn von nen gesetzlichen Mindestlohn, der sich am Niveau ver- 7,36 Euro festgelegt. Es wird angeführt, dass die Be- gleichbarer europäischer Länder orientieren soll. schäftigung dort zugenommen hat, selbst in den Bran- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) chen, in denen es einen Mindestlohn gibt. Das mag stim- men, aber die dortigen Bedingungen sind mit unseren Welches Land mit uns vergleichbar sein soll, dazu eben nicht vergleichbar: schweigen Sie. Erstens. Es gibt in Großbritannien nur einen minima- (Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Das haben len gesetzlichen Kündigungsschutz. Den will hier wohl wir schon zehnmal beantwortet!) niemand, unsere Fraktion jedenfalls nicht. Dabei wäre eine Antwort auf diese Frage nach Ihrem Zweitens. Die britischen Arbeitnehmer arbeiten im Antrag entscheidend; denn die gesetzlichen Mindest- Durchschnitt einen Monat länger im Jahr als die deut- löhne in Europa reichen von 9,08 Euro in Luxemburg bis schen. Auch das wird hier keiner wollen. zu 0,53 Euro in Bulgarien. Drittens. Es gibt dort – anders als bei uns – nur eine (Lachen bei der LINKEN – Werner Dreibus verschwindend geringe soziale Absicherung. Wollen Sie [DIE LINKE]: Bulgarien ist sehr vergleich- diese Bedingungen wirklich um den Preis des gesetzli- bar!) chen Mindestlohnes auf Deutschland übertragen? (B) Welcher Vergleichsmaßstab soll nun gelten? Sie be- (Dirk Niebel [FDP]: Das ist ja unsozial!) (D) antworten diese Frage nicht. Die Arbeitslosenquote? Dann wären wir bei Estland. Estland hat einen Mindest- Werfen wir einen Blick auf das angebliche Vorbild- lohn von 1,33 Euro. Das können Sie nicht wirklich wol- land Frankreich. Dort gibt es einen Mindestlohn von len. Dieses Beispiel zeigt aber auch die Beliebigkeit Ih- 8,27 Euro. res Antrages. Es geht Ihnen nie um die Sache. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Ihre Politik gleicht einer Mogelpackung: Wenn man Dort herrscht aber auch eine Jugendarbeitslosigkeit, die die Schachtel auspackt, stellt man fest, dass nichts, wirk- um 50 Prozent höher als bei uns in Deutschland ist. lich gar nichts darin ist. Diese Jugendlichen haben keinerlei Chance, auf dem Ar- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- beitsmarkt Fuß zu fassen. Wollen Sie das wirklich auch neten der SPD) in Deutschland um den Preis des gesetzlichen Mindest- lohnes? Das Verwerfliche dabei ist, dass Sie mit jedem dieser Pseudoanträge Angst schüren, und das bei einem Thema, Diese Beispiele zeigen: Man kann Äpfel nicht mit das die Menschen in diesem Land wirklich bewegt: die Birnen vergleichen. Sorge um ihren Lebensunterhalt. Dieses Thema bewegt (Beifall bei der CDU/CSU – Frank Spieth Arbeitslose ebenso wie Arbeitnehmer. Gerade bei diesen [DIE LINKE]: Dem kann man nur zustim- wächst doch die Angst, da sie sich zunehmend mit men!) Schlagwörtern wie „Hungerlöhne“ und „Armut“ kon- frontiert sehen. Wer würde da keine Angst bekommen? Betrachten wir also die soziale Marktwirtschaft, in der wir leben. Dazu passt eines sicherlich nicht: Lohn- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: wucher. Er ist schlichtweg unanständig, sittenwidrig, Schlagwörter? Realität ist das!) strafbar. Aber wie viele Arbeitnehmer sind tatsächlich betrof- (Beifall bei der CDU/CSU) fen? Unser Bundesminister Franz Müntefering hat uns gestern die Zahl genannt: Von den mehr als Es gibt ihn. Aber jemand, der schon heute ein Gesetz 26,4 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäfti- bricht, wird sich niemals einem gesetzlichen Mindest- gen in Deutschland sind es 500 000. lohn beugen. Dies zeigen die Erfahrungen aus der Bau- branche: Wer das Arbeitnehmer-Entsendegesetz unter- (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: 500 000 zu laufen will, tut dies auch – durch falsche Angaben zur viel!) Arbeitszeit, Scheinselbstständigkeit, Schwarzarbeit. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9731

Gitta Connemann (A) Den Behörden gelingt es nur teilweise, diese schwar- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (C) zen Schafe zu finden. Wir haben häufig das Problem: der FDP – Widerspruch bei der LINKEN) Wo kein Kläger, da kein Richter. Hier sollten wir als Ge- setzgeber prüfen, ob eine Definition der Sittenwidrig- Das ist das zentrale Problem unserer Gesellschaft: die keit den Arbeitnehmern nicht aus diesem Dilemma hel- immer noch zu hohe Arbeitslosigkeit. Ihre Bekämpfung fen kann. muss unser oberstes Ziel sein. Die Einführung von ge- setzlichen flächendeckenden Mindestlöhnen wäre dabei (Frank Spieth [DIE LINKE]: Wer das Arbeit- eine Hürde. nehmer-Entsendegesetz unterläuft, begeht eine kriminelle Tag, wird aber behandelt, als wäre Es ist deshalb klug, die Lohnfrage dort zu lassen, wo es ein Verkehrsdelikt!) sie hingehört: in den Tarifverhandlungen. Lohnwucher ist aber nicht mit Niedriglöhnen zu ver- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) wechseln. Jeder von uns kennt die Beispiele. Eines der Ich persönlich glaube, dass die Tarifvertragsparteien bekanntesten: Eine Friseurin in Thüringen erhält im ers- den Markt am besten kennen. Die Tarifautonomie hat ten Gesellenjahr 3,82 Euro die Stunde – sich bewährt. (Jörg Tauss [SPD]: Das ist zu wenig! – Frank (Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Vor allen Spieth [DIE LINKE]: Wissen Sie, wann das Dingen bei den 50 Prozent, die keinen Vertrag zum letzten Mal angepasst wurde?) haben!) Tariflohn; von der Gewerkschaft abgesegnet. Kann diese Nur dort, wo Gewerkschaften und Arbeitgeber gemein- Frau damit eine Familie ernähren? sam feststellen, dass sie über einen Niedriglohn nicht hi- (Jörg Tauss [SPD]: Nein!) nauskommen, ist der Staat gefordert. Hier muss er, müs- sen wir ein – das betone ich, Herr Kollege Lafontaine – Sicher nicht. Hilft ihr der gesetzliche Mindestlohn? Mindesteinkommen sichern. (Zurufe von der LINKEN: Ja!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Sicher nicht. Die Befürworter zeichnen folgendes Idyll: Der Saloninhaber wird verpflichtet, 7,50 Euro zu zahlen; Mindestlohn und Mindesteinkommen sind nicht zu ver- er erhöht die Preise, und der Verbraucher zahlt diese mit wechseln. Wenn Sie es mir nicht glauben, schauen Sie in Freude. – Idyll, aber nicht Wirklichkeit. Dies zeigt: Die den Bericht des Sachverständigenrates. Aber Wissen- Kunden wollen und können manchmal auch nicht mehr schaft liegt Ihnen offensichtlich nicht nahe. zahlen. Deshalb müssen die Betriebe sparsam sein, des- Ein zu geringes Vollzeitarbeitseinkommen muss auf- (B) halb reicht für diese Arbeitnehmer der Lohn kaum zum (D) gestockt werden, damit der Satz gilt: Wer hart arbeitet, Leben, deshalb müssen sie selbst wieder auf jeden Cent muss ein anständiges Auskommen haben. – Nur dort achten usw. darf der Staat eingreifen zugunsten der Arbeitnehmer, (Frank Spieth [DIE LINKE]: So wird wie im Falle des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes zu- Schwarzarbeit gefördert!) gunsten der Arbeitgeber. Die Voraussetzungen für des- sen mögliche Ausweitung sind übrigens im Koalitions- Das ist die Wirklichkeit. Dazu gehört übrigens auch vertrag klug und klar beschrieben: Erstens bedarf es die Erkenntnis: Löhne sind Preise für Arbeit. Löhne einer sozialen Verwerfung, zweitens einer Entsendepro- orientieren sich an der Produktivität, nicht an der Siche- blematik, drittens eines Tarifgefüges und viertens der rung des Lebensunterhalts. Zustimmung von Arbeitgebern und Gewerkschaften. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dirk Der Koalitionsvertrag achtet also die Tarifautonomie Niebel [FDP]: Bisher kein einziges Mal Ap- und damit das Grundgesetz. Die Väter dieses Gesetzes plaus von der SPD!) verzichteten übrigens bewusst darauf, einen angemesse- nen Lohn staatlich definieren zu wollen. Der Sozialde- Letztere ist Aufgabe des Sozialsystems. mokrat Carlo Schmid Diese Erkenntnis mag kalt, theoretisch, wissenschaft- (Dirk Niebel [FDP]: War der wirklich in der SPD? lich klingen. Aber sie bleibt wahr. Nachfrage und Ange- Erhard war ja auch nicht in der CDU!) bot bestimmen den Preis, Herr Kollege Lafontaine. Wir können uns eben nicht wie Pippi Langstrumpf die Welt begründete dies wie folgt – ich zitiere –: machen, wie sie uns gefällt; Es ist gut, dass die Bundesrepublik darauf verzich- (Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Aber auch tet, hierbei durch staatlichen Zwang einzugreifen. nicht wie Pippi Blaustrumpf!) Wir liefen sonst Gefahr, dass das, was am besten dem Austrag durch die unmittelbar Betroffenen zwei mal drei macht eben nicht vier, Herr Kollege überlassen bleibt, unter dem Anschein der Objekti- Lafontaine. vität zum Gegenstand eines Machtanspruchs jener würde, deren Interessen das Ohr der jeweiligen Par- (Beifall bei der CDU/CSU) lamentsmehrheit finden. Wer seinen Lohn nicht erwirtschaftet, wird arbeitslos. Auch heute ist diesen Worten nichts hinzuzufügen. Wer also gesetzliche Mindestlöhne fordert, nimmt in Kauf, die Arbeitslosigkeit zu zementieren. Vielen Dank. 9732 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Gitta Connemann (A) (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD und (C) dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bei der Union ist das etwas anders. Bei ihr deutet sich Als nächster Redner hat der Kollege Dr. Heinrich seit gestern an, wohin die Reise geht. Man sperrt sich Kolb von der FDP-Fraktion das Wort. nicht gegen eine Ausweitung des Entsendegesetzes. Ich (Beifall bei der FDP) will doch noch eines zu dem anmerken, was Sie, Frau Connemann, gesagt haben. Wenn ich das richtig verfolgt habe, dann ist mittlerweile nicht mehr die Zustimmung Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): beider Tarifvertragsparteien zwingend erforderlich, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ste- ter Tropfen höhlt den Stein, (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Laut unseres Koalitionsvertrages schon!) (Beifall bei der LINKEN) um das Entsendegesetz für eine Branche zur Anwendung und stetes Debattieren schärft die Wahrnehmung von zu bringen, sondern der federführende Minister, Herr Positionen. Deswegen bin ich froh, dass am Ende dieser Müntefering, kann auch gegen den Widerstand zum Bei- Sitzungswoche eines klar ist: Eine Fraktion in diesem spiel der Arbeitgeber in einer Branche einen Tarifvertrag Haus möchte ohne Wenn und Aber die Einführung von für allgemeinverbindlich erklären. Mindestlöhnen, (Beifall bei der LINKEN) (Andrea Nahles [SPD]: 1997!) und eine Fraktion in diesem Haus möchte ohne Wenn Ich sehe insgesamt die Gefahr, dass Zug um Zug, von und Aber, dass es keine Mindestlöhne gibt. Branche zu Branche das Grundrecht der negativen Ko- alitionsfreiheit abgeschafft wird. Das kann nicht sein. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Wir glauben, dass sie beschäftigungsfeindlich sind und die Beschäftigungschancen gerade von geringqualifi- Wir bekennen uns zur Tarifautonomie. Aber zur Ta- zierten Menschen in diesem Land reduziert. rifautonomie gehört zwingend, dass ein Unternehmen oder ein Arbeitnehmer sagen kann: Ich will nicht unter (Werner Dreibus [DIE LINKE]: Glauben heißt diesen Tarifvertrag fallen. Für mich sollen andere, ab- nicht wissen!) weichende Bedingungen gelten. – Deswegen sehe ich Dazwischen gibt es ein mehr oder weniger großes die Tendenz, mit der Ausweitung des Entsendegesetzes (B) Geeiere. Das gilt auch für die Grünen, Frau Pothmer. eine Lösung herbeizuführen, kritisch. (D) (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Gestern hat der Minister in der Debatte zwischen NEN) einem Mindestlohn und einem Auffanglohn unterschie- den. Das läuft darauf hinaus, dass die Union einem Ich hatte gestern in der Debatte leider nicht genügend gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn in Deutsch- Zeit, Ihren Antrag zu würdigen. land in Höhe von 7,50 Euro nicht zustimmen wird, aber (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) – das ergibt sich auch aus der heutigen Berichterstattung der Presse – am Ende ein Auffanglohn von circa 6 Euro Aber wenn man sich durchliest, was Sie da schreiben, – Herr Brauksiepe lächelt dazu – auf dem Papier stehen dann sieht man, dass auf Ihren Fahnen ähnlich wie bei könnte. der Union steht, dass Sie den Mindestlohn wollen; aber dem Kleingedruckten entnimmt man: Wasch mir den (Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Ich lache Pelz, aber mach mich nicht nass! über Sie!) (Beifall bei der FDP und der LINKEN) Dazu sage ich: Halb zog es sie, halb sanken sie hin. – Die Union ist auf dem Weg, wieder einmal bei einer zen- Die Mindestlöhne, die eingeführt werden sollen, sollen tralen arbeitsmarktpolitischen Frage einzuknicken. Das so nach Branchen und Regionen differenziert sein, dass sehen wir mit großer Sorge. am Ende bei der Beschäftigung nichts passieren kann. (Beifall bei der FDP) (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie die Wirklichkeit, Herr Kolb!) Ich will zum Schluss sagen: Es ist immer schön, Deutschland mit dem europäischen Ausland zu verglei- Aber das geht nicht. Einerseits glauben Sie, per Mindest- chen. Es gibt aber gerade sieben Länder in einer Spitzen- lohn in die Lohnfindung eingreifen zu müssen, womit gruppe, deren Mindestlohn tatsächlich in etwa das Ni- Sie den schlichten ökonomischen Grundsachverhalt be- veau hat, das sich viele in diesem Hause für einen streiten, dass Löhne letztendlich die Produktivität wider- deutschen Mindestlohn vorstellen, nämlich 7,50 Euro. In spiegeln müssen, andererseits wollen Sie die negativen 14 weiteren europäischen Ländern gibt es zwar einen Auswirkungen des Mindestlohns verhindern. Ihr Antrag Mindestlohn; der liegt aber unter 3,90 Euro in der führt dazu, dass nichts geschehen wird, und Sie hätten Stunde. ihn besser gelassen. Wenn Sie, Frau Pothmer, geschwie- gen hätten, wären Sie eine Philosophin geblieben. Das (Anton Schaaf [SPD]: Das sind keine ver- haben Sie nicht getan. gleichbaren Länder!) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9733

Dr. Heinrich L. Kolb (A) – Das sind aber Konkurrenten in einem gemeinsamen Zur Politik gehören nämlich Seriosität, Verlässlichkeit (C) Binnenmarkt, Herr Schaaf. Das können Sie nicht unter und der Wille zur Gestaltung in der Regierungsarbeit den Tisch kehren. – Ich will auf Folgendes hinweisen: (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Eben! Die Kombination, die entstehen würde, wenn man in Genau der fehlt Ihnen ja!) Deutschland auch noch einen gesetzlichen Mindestlohn einführte, wäre in der Tat einmalig; denn wir haben mit anstelle eines tosenden Oppositionsgehabes. Hartz IV, ob man das gut findet oder nicht, faktisch ei- nen Mindestlohn in Deutschland. (Beifall bei der SPD) (Anton Schaaf [SPD]: Was? – Andrea Nahles Die zweite Variante ist: Sie sind sich unsicher in Ih- rem politischen Handeln. [SPD]: Das ist ein Mindesteinkommen! Das ist ein feiner Unterschied!) (Lachen bei der LINKEN) Wir haben eine im Vergleich mit dem europäischen Aus- Schließlich stellen Sie innerhalb weniger Wochen einen land überdurchschnittlich hohe Arbeitsmarktregulie- komplett neuen und inhaltlich abweichenden Antrag rung, und wir würden noch ein Drittes oben draufsetzen. zum Mindestlohn. Was in Großbritannien mit niedriger sozialer Sicher- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) heit funktioniert hat, wird in Deutschland genauso wenig funktionieren, wie das in Frankreich der Fall gewesen Sie haben Recht damit, sich an die große Volks- und Ar- beitnehmerpartei SPD anzulehnen. Damit können Sie ist. Das sage ich Ihnen voraus. Deshalb – damit Sie das nichts falsch machen. noch einmal mit ins Wochenende nehmen können –: Die FDP wankt nicht, sie steht! (Beifall bei der SPD) (Lachen und Zurufe von der SPD) Herr Lafontaine, der Sie da immer in der Ecke sitzen und motzen, zu Ihnen fällt mir nur eines ein: Wendehals! Wir sind gegen Mindestlöhne, gegen gesetzliche und ta- rifliche, auch gegen die Ausweitung des Entsendegeset- (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Gitta zes. Wir glauben, dass die Menschen in Deutschland Connemann [CDU/CSU]) dann die besten Chancen auf mehr Arbeit haben, wenn Wer in den 80er-Jahren die 35-Stunden-Woche ohne man den Tarifpartnern weiterhin das Recht auf Lohnfin- Lohnausgleich gefordert hat, der kann heute nicht glaub- dung lässt. würdig Arbeitnehmerinteressen vertreten. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Gitta (B) (Beifall bei der FDP) Connemann [CDU/CSU] – Dr. Dagmar (D) Enkelmann [DIE LINKE]: Manche lernen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dazu!) Das Wort hat die Kollegin Anette Kramme von der Meine Damen und Herren, eines ist klar: Wir brau- SPD-Fraktion. chen einen Mindestlohn in diesem Land. Es ist ein Skan- dal, wenn Menschen in diesem Land für 2 oder 3 Euro (Beifall bei der SPD) pro Stunde und ähnliche Beträge arbeiten. Vollzeitarbeit muss Existenzsicherung vermitteln. Anette Kramme (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und (Beifall bei der SPD) Kollegen! Zunächst einmal eine Bemerkung vorab: Min- Derzeit gibt es Forderungen, anstelle eines Mindest- desteinkommen ist nicht gleich Mindestlohn! lohnes die Sittenwidrigkeit eines Lohnes im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB zu definieren. Der objektive Tatbe- (Beifall bei der SPD) stand des Lohnwuchers nach § 138 Abs. 2 BGB ist Meine sehr geehrten Damen und Herren der Linken, wir erfüllt, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen hätten Ihnen natürlich den Spaß verderben und ignorie- Leistung und Gegenleistung vorliegt. Dabei ist für die ren können, dass Sie unseren Kampagnenaufruf für den entsprechende Feststellung grundsätzlich der Tariflohn Mindestlohn schlicht abgeschrieben haben. der jeweiligen Wirtschaftsbranche maßgeblich. Hilfs- weise ist vom allgemeinen Lohnniveau auszugehen. (Widerspruch bei der LINKEN – Gitta Wann ein auffälliges Missverhältnis vorliegt, ist nicht Connemann [CDU/CSU] zur LINKEN ge- abschließend geklärt. Viele Stimmen nehmen ein auffäl- wandt: Verletzung des Urheberrechts!) liges Missverhältnis bei zwei Dritteln des Tariflohns an, Ich frage mich tatsächlich, warum Sie das gemacht andere erst bei der Hälfte des Tariflohns. haben. Mir fallen da nur zwei Varianten ein. Die erste Ich sage ganz klar: Es reicht nicht aus, gesetzlich fest- Möglichkeit ist, dass Sie austesten möchten, ob wir Sie zulegen, dass Lohnwucher vorliegt, wenn ein Arbeitneh- als Koalitionspartner mögen. mer nur zwei Drittel des Tariflohns bzw. des hier ortsüb- (Lachen bei der LINKEN) lichen Lohns erhält. Zwei Drittel des Lohns von 3 Euro – das ist eine Beleidigung der Würde aller Arbeitnehme- Ich sage da ganz klar: Nein! Bloß nicht! rinnen und Arbeitnehmer in diesem Land! (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) 9734 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Anette Kramme (A) Wir brauchen eine absolute Untergrenze, die kein Un- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C) ternehmen unterschreiten darf. Eine Veränderung des sowie bei Abgeordneten der SPD) § 138 BGB kann nur ein zusätzliches Element gesetzge- berischen Handelns sein, wenn es darum geht, sicherzu- Wir diskutieren in diesem Parlament seit ungefähr stellen, dass eine der Qualifikation des Arbeitnehmers 15 Monaten über die Einführung eines gesetzlichen angemessene Vergütung erfolgt. Aber auch hier gilt: Mindestlohns. Zwei Drittel des Tariflohns sind zu wenig. (Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Seit Ich bin recht zufrieden, dass es uns mit der Auswei- 20 Jahren!) tung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes gelungen ist, Ich habe zunehmend das Gefühl, dass diese Diskussion zumindest eine weitere Branche gesetzlich abzusichern. zu einer Gespensterdebatte wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall des Abg. Oskar Lafontaine [DIE Ich möchte daran erinnern, dass das nicht gegen die Ar- LINKE]) beitgeber geschehen ist. Insbesondere der Bundesin- Wenn ich mir die Debatten von gestern und heute an- nungsverband des Gebäudereinigerhandwerks hat sich sehe, muss ich sagen: Ganz offensichtlich sind die Ver- dafür starkgemacht. Lassen Sie mich aus einem Posi- handlungen gescheitert. Das sollten Sie den Menschen tionspapier dieses Verbandes zitieren: nun öffentlich sagen. Monatelang haben Sie versucht, Erstens. Der gesetzliche Mindestlohn ist effizienter den Eindruck zu erwecken, als kämen Sie sich inhaltlich als der tarifliche Mindestlohn. nahe. Das Einzige, worauf Sie sich verständigen konn- ten, ist, wann der nächstmögliche Verzögerungstermin Zweitens. Der gesetzliche Mindestlohn stabilisiert die bekannt zu geben ist. Inhaltlich hat sich aber leider Sozialversicherungssysteme in Deutschland. nichts getan. Drittens. Der gesetzliche Mindestlohn vernichtet (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) keine Arbeitsplätze. Das hat auch etwas damit zu tun, dass Ihre Konzepte in Viertens. Hartz IV ist kein Mindestlohnmodell. der Arbeitsmarktpolitik genauso weit auseinanderliegen, Fünftens. Der gesetzliche Mindestlohn führt nicht zu wie sie in der Gesundheitspolitik auseinandergelegen ha- Schwarzarbeit. ben. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Krammesches (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (B) Märchen, das Sie hier vorlesen!) sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (D) Ich kann diese Liste noch fortsetzen. Es gibt einen qualitativen Unterschied zwischen Min- desteinkommen und Mindestlohn. Die Union will den (Frank Spieth [DIE LINKE]: Dann können wir Staat mithilfe des Kombilohns dazu verpflichten, Teile gemeinsam abstimmen!) der Löhne zugunsten der Unternehmer zu übernehmen. Ich kann nur sagen: Alle Achtung! Die haben es verstan- (Frank Spieth [DIE LINKE]: Es sind die Steu- den. Ich wünschte mir, dass es so viel arbeits- und wirt- erzahler, die das bezahlen müssen!) schaftspolitischen Sachverstand auch bei der FDP gäbe. – Genau, es sind die Steuerzahler, die das bezahlen. – Vielen Dank. Die SPD sagt – wie ich finde: vollkommen zu Recht –, (Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb dass das in einer Marktwirtschaft Aufgabe der Unterneh- [FDP]: Sie hat nicht einmal das Wort „FDP“ in mer sein soll und auch bleiben soll. der Rede verwendet! – Frank Spieth [DIE (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) LINKE]: Deswegen stimmen wir jetzt gemein- sam ab!) Was sich dahinter verbirgt, sind grundlegende Unter- schiede bei der Auffassung darüber, welche Aufgaben Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: der Staat und welche der Markt hat. Das Wort hat die Kollegin Brigitte Pothmer von (Anton Schaaf [SPD]: Das ist aber nichts Bündnis 90/Die Grünen. Neues!) (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt die Philoso- Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte phin!) der Wahrheit ist leider, dass sich die Koalitionspartner in dieser Koalition gegenseitig nicht das Schwarze unter Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): dem Fingernagel gönnen. Liebe Kolleginnen und Kolle- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr gen von der SPD, euer Koalitionspartner, die CDU/CSU, Kolb, Sie haben recht, wenn Sie unsere Vorschläge als hat nur das Ziel, dass die Sozialdemokraten am 1. Mai differenziert bezeichnen. Sie sind deswegen so differen- mit leeren Händen dastehen. Das Drama ist, dass die ziert, weil die Wirklichkeit so differenziert ist. Herr Union dieses Ziel leider erreicht hat. Ich sage „leider“ Kolb, leider ist die Welt nicht so einfach, wie es uns die nicht aus tiefempfundenem Mitleid mit euch. Sicherlich FDP immer wieder weismachen möchte. tut ihr mir ein bisschen leid. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9735

Brigitte Pothmer (A) (Zurufe von der FDP: Oh! – Ute Kumpf Wenn dem so ist, muss man es am Ende des Tages auch (C) [SPD]: Muss nicht sein!) regeln wollen, und zwar konkret. Das wirkliche Drama ist aber, dass die Betroffenen für (Werner Dreibus [DIE LINKE]: Wann?) Hungerlöhne arbeiten müssen. Ich frage mich inzwi- Ich wünsche der CDU/CSU noch ein bisschen mehr schen, welches eigentlich das Ziel dieser Koalition der Mut, um mit uns in den nächsten Wochen die konkreten großen Möglichkeiten ist. Gibt es überhaupt noch eine Schritte zu machen. Orientierung an den Bedürfnissen der Menschen und den Erfordernissen der Zeit? Ist das Handeln noch zukunfts- (Beifall bei der SPD) orientiert oder geht es nur noch um Programme, die ei- Was tun Sie? Sie haben einen schönen Gag gemacht. gene Klientel und Parteimitglieder, Wahltermine sowie Die Frage ist nur: Was nützt es den Menschen am Ende Auftritte zum 1. Mai? Was Sie hier aufführen, ist nicht des Tages? Wenig. Politik als Kunst der Staatsführung, sondern Politik als Kunst, die Menschen an der Nase herumzuführen. Damit (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN – sollten Sie jetzt aufhören. Gerd Andres, Parl. Staatssekretär: Nichts! – Frank Spieth [DIE LINKE]: Ihr braucht nur Ich danke Ihnen. mitzustimmen!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich sage Ihnen ganz offen: Ihnen geht es um die Schlag- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) zeilen im „Neuen Deutschland“ zum 1. Mai. Uns geht es darum, dass wir die Branchen, bei denen das dringend Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: nötig ist, mit einem Mindestlohn versehen. Wir haben Als letzter Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt auch eine Mehrheit dafür. erteile ich das Wort der Kollegin Andrea Nahles von der (Frank Spieth [DIE LINKE]: Das hat man ges- SPD-Fraktion. tern gesehen: nicht viel!) (Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist der entscheidende Unterschied zwischen unseren Das Wort zum 1. Mai, Frau Nahles!) Fraktionen. (Beifall bei der SPD) Andrea Nahles (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie sagten, dass wir hier Gespensterdebatten führen. Frau Pothmer, wir tun uns nicht leid, wir regieren. Dazu sage ich Ihnen: Ich bin der Ghostbuster! (B) (Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb (Beifall bei Abgeordneten der SPD – (D) [FDP]: Das hat keiner gemerkt!) Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Pippi Lang- strumpf! Mache mir die Welt, so wie sie mir Wir verhandeln. Wir befinden uns auf der Schlussgera- gefällt!) den dieser Verhandlungen. Am Ende – das kann ich klar sagen – wird die Tür für branchenbezogene Mindest- Ich werde Ihnen jetzt noch einmal klarmachen, worüber löhne in diesem Land weit offen stehen. wir hier diskutieren. Sie wollten doch die Gespenster vertreiben! (Beifall bei der SPD) Erster Punkt. Welchen Anteil vom Lohn zahlen die Das ist das, was man tut, wenn man regiert. Arbeitgeber, die davon profitieren, dass Menschen billig Wir regieren – das ist richtig – mit der CDU/CSU. An für sie arbeiten, die damit Gewinne machen, und wel- dieser Stelle wird zum ersten Mal deutlich, dass wir ge- chen Anteil vom Lohn zahlt der Staat in diesem Niedrig- meinsam einen Regelungsbedarf sehen. lohnbereich? Das wollen wir erst einmal klären. Die SPD sagt klipp und klar: Es muss doch wohl ordnungs- (Abg. Dirk Niebel [FDP] meldet sich zu einer politisch korrigiert werden, wenn die Löhne so niedrig Zwischenfrage) sind, dass der Staat ständig Staatslohn drauflegen muss, obwohl die Arbeitgeber aufgrund der niedrigen Löhne Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: höhere Gewinne machen. Das kann doch nicht richtig Frau Kollegin Nahles, gestatten Sie eine Zwischen- sein. Das ist das erste Problem, das gelöst werden muss. frage? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Frank Spieth [DIE LINKE]: Andrea Nahles (SPD): Der Steuerzahler zahlt!) Nein, zurzeit nicht. Der zweite Punkt. Es geht um fairen Wettbewerb. (Anton Schaaf [SPD]: Die wird sowieso nicht Das sage ich auch in Richtung FDP. weiterhelfen!) (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Lassen Sie doch einmal eine faire Zwischenfrage zu!) Herr Pofalla sagte gestern hier im Plenum: Keiner will Lohndumping zu menschenunwürdigen Bedingun- Mich hat ein Unternehmer angeschrieben, der ein tarif- gen. – Wir haben also eine Gemeinsamkeit, was den gebundenes Dienstleistungsunternehmen in der Tex- Regelungsbedarf angeht. Ich sage aber auch ganz klar: tilbranche mit 1 400 Mitarbeitern betreibt. Sie bezahlen 9736 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Andrea Nahles (A) 9 Euro pro Stunde. Dieser Unternehmer schrieb mir: (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ist ja (C) Mein persönliches Ziel ist es, die Ausgangsbedingungen interessant!) für alle Unternehmen der Branche vergleichbar zu ma- chen und dafür zu sorgen, dass zumindest ansatzweise Was Sie hier vertreten, ist schlichtweg unglaubwürdig, faire Löhne gezahlt werden. Ein Mindestlohn wäre hier- heuchlerisch. Sie sind Pharisäer. für meines Erachtens ein sehr gutes Instrument. – Diese (Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei Zuschrift ist kein Einzelfall. An diesen Zuschriften von der SPD) ehrlichen, vernünftigen und fairen Arbeitgebern merken wir, dass wir Rückenwind für unsere Position bekom- Sie belügen und betrügen die Menschen, men. Auf der Seite dieser Arbeitgeber stehen wir und (Beifall bei der FDP und der LINKEN – fordern einen Mindestlohn. Widerspruch bei der SPD) (Beifall bei der SPD) vor der Wahl bei der Mehrwertsteuer, nach der Wahl Letzter Punkt. Es geht um die Menschen, die Men- beim Mindestlohn – den ich nach wie vor für falsch schenwürde. Was ist es eigentlich für eine Botschaft, halte. So können Sie mit den Menschen in diesem Land wenn ich für meine Schufterei, für das, was ich den gan- nicht umgehen. zen Tag leisten muss, am Ende des Tages 4 Euro pro Stunde mit nach Hause nehme? Das entwertet doch mein (Anton Schaaf [SPD]: Ich würde mir die Wort- ganzes Selbst. Das entwertet die Menschen. Sie haben wahl anschauen, Herr Präsident! Unver- ursprünglich die Bereitschaft, zu arbeiten und sich nicht schämtheit! – Jörg Tauss [SPD]: Für so etwas zu Hause hinzusetzen, um auf den nächsten Scheck vom bin ich schon gerügt worden, Herr Präsident!) Sozialamt oder wie das heute genannt wird – die Leute sagen immer noch Sozialamt dazu – zu warten. Die Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frage ist doch: Was ist meine Arbeit wert? Deswegen Frau Kollegin Nahles, bitte schön. freue ich mich, dass der DGB sagt: Ihr verdient mehr. Deswegen keine Sorge, Frau Pothmer, es wird einen Andrea Nahles (SPD): Mindestlohn geben. Herr Niebel, mein Gott, muss es der FDP in Bremen Vielen Dank. schlecht gehen, denke ich mir, wenn ich Ihre Reden so höre. Das ist wirklich Wahlkampf pur. (Beifall bei der SPD) Ich will Ihnen aber in der Sache gerne antworten. Sie fragen da ja sehr penetrant immer wieder nach, und wir (B) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (D) Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem sind um Antworten nicht verlegen. Es ist schlichtweg so, Kollegen Dirk Niebel. dass wir uns ganz klar dafür ausgesprochen haben, dass branchenbezogene Mindestlöhne Priorität haben. Dirk Niebel (FDP): (Dirk Niebel [FDP]: Der Wachdienst ist eine Vielen Dank, Herr Präsident. – Nachdem schon ges- Branche!) tern vonseiten der Regierung und der SPD-Fraktion nicht der Unterschied zwischen einem Auffangmindest- Wir halten es für wichtig, dass wir den Tarifpartnern so lohn und einem gesetzlichen Mindestlohn erklärt werden viel Wertschätzung entgegenbringen, wie das richtig ist. konnte – weil ein hohes Maß an Transparenz wahr- Das heißt, wenn die Tarifpartner in einer Branche einen scheinlich deutlich gemacht hätte, dass das Gleiche ge- Tarif vereinbaren, dann gilt dieser auch für den Gesetz- meint ist –, war es auch heute wieder nicht möglich, von geber, für uns auf der politischen Ebene. Es ist aber ab- den Rednern der SPD auf eine Frage, die die Menschen sehbar, dass es Branchen geben wird, die, vor allem weil bestimmt interessiert, eine Antwort zu bekommen. In der die Arbeitgeber sich verweigern, von einem branchen- gestrigen Debatte hat der Minister für Arbeit und Sozia- spezifischen Mindestlohn nicht erfasst werden. les gesagt: (Dr. Reinhard Göhner [CDU/CSU]: Wie wol- Da kamen Arbeitgeber aus der Wachdienstbranche len Sie das denn ändern?) zu mir und sagten: Wir wollen unseren Leuten an- – Herr Göhner, machen Sie keine Zwischenrufe, melden ständige Löhne, 7 Euro, zahlen. Was sollen wir aber Sie sich! – Beispielsweise haben die Arbeitgeber des Fri- machen, wenn ein anderes Unternehmen die Arbeit seurhandwerks in Rheinland-Pfalz seit 2000 keinen für 2,50 Euro macht? Tarifvertrag mehr abgeschlossen; sie weigern sich. Mitt- Nun hat der Kollege Volker Wissing, unser Obmann lerweile werden im Friseurhandwerk von sechs Bundes- im Finanzausschuss, die Bundesregierung gefragt, wie ländern keine Tarifverträge mehr abgeschlossen. sie denn als Arbeitgeber bei der Bewachung der Ministe- (Dirk Niebel [FDP]: 5,25 Euro! – Dr. Heinrich rien in der Bundeshauptstadt damit umgeht. L. Kolb [FDP]: Die Bundesregierung kann (Frank Spieth [DIE LINKE]: Da hat er recht!) doch zahlen, was sie will, sie kann für den Wachdienst 7,50 Euro zahlen!) Hier erfahren wir, die Bundesregierung, der Arbeits- minister fordert einen Mindestlohn von 7,50 Euro – und Uns sind die Menschen, die in den Branchen arbeiten, zahlt für den Wachschutz 5,25 Euro. in denen die Arbeitgeber blockieren, genauso viel wert Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9737

Andrea Nahles (A) wie die in den Branchen, in denen es am Ende einen Was die CDU/CSU betrifft, ist es etwas schwieriger: (C) branchenbezogenen Mindestlohn gibt. Es gibt offenkundig eine klare Mehrheit gegen die Ein- führung von Mindestlöhnen. Dennoch führt zum Bei- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – spiel die CDA eine Unterschriftensammlung durch. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Zahlen Sie doch Darüber hinaus habe ich in dieser Woche einen Artikel 7,50 Euro, freiwillig, ohne Tarifvertrag! Nie- von Norbert Blüm gelesen, in dem er sich für die Einfüh- mand hindert die Bundesregierung daran!) rung eines Mindestlohns ausgesprochen hat. Offensicht- Deswegen wollen wir die Menschen auffangen. Dafür lich ist dieses Thema für Sie nicht gerade einfach. brauchen wir auch in diesen Branchen eine untere Nichtsdestotrotz könnte sich die Mehrheit heute ent- Grenze. Das ist, mit Verlaub, der Auffanglohn, von dem scheiden. die ganze Zeit die Rede ist. Damit möchten wir die Ar- (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Zur beitgeberblockade beim Mindestlohn aufheben. Geschäftsordnung!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dirk – Das ist zur Geschäftsordnung. Niebel [FDP]: Zahlen Sie doch mehr!) (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Herr Präsi- dent, Frau Enkelmann redet nicht zur Ge- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: schäftsordnung!) Lassen Sie mich abschließend die Bemerkung ma- chen: Herr Kollege Niebel, den politischen Gegner des Das Bündnis 90/Die Grünen hat gefordert, dass Lügens und Betrügens zu bezichtigen, gehört nicht zum schnell gehandelt werden soll. Das können wir mit einer parlamentarischen Sprachgebrauch. sofortigen Abstimmung tun. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE Liebe Genossinnen und Genossen von der SPD, GRÜNEN und des Abg. Frank Spieth [DIE (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) LINKE] – Klaus Brandner [SPD]: Seine Frak- tion beklatscht das noch! Das ist das Schlimme der Text unseres Antrags dürfte Ihnen sehr vertraut sein, daran! Das zeigt den Charakter! Da sage ich sodass Sie sich nicht weiter damit auseinandersetzen Pfui!) müssen. Das haben Sie nämlich dank Ihrer Unterschrif- tenkampagne bereits getan. Ich schließe die Aussprache. (Beifall bei der LINKEN) (B) Mir ist mitgeteilt worden, dass das Wort zur (D) Geschäftsordnung gewünscht wird. – Frau Kollegin Sie fordern im Rahmen Ihrer Unterschriftenkampagne Enkelmann, bitte schön. ein klares Ja zur Forderung unseres Antrags. Ich finde, das sollten Sie heute deutlich machen. Lassen Sie Ihren Worten endlich Taten folgen. Stimmen Sie unserem An- Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): trag heute zu. Die sofortige Abstimmung ist möglich. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Das sollten wir auch tun. Linksfraktion verlangt sofortige Abstimmung. Danke. (Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei der LINKEN)

Wir sind der Auffassung, die Positionen zu diesem Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Thema sind wirklich in ausreichendem Maße ausge- Zur Erwiderung auf diesen Geschäftsordnungsantrag tauscht worden. Inzwischen hat die Linksfraktion schon hat sich der Kollege Klaus Brandner gemeldet, bitte ihren dritten Antrag in Sachen Mindestlohn vorgelegt. schön. Es ist daher an der Zeit, endlich eine Entscheidung zu treffen. Unser Antrag ist kurz, knapp und sehr übersicht- lich. Jeder kann ihn, ohne eine intellektuelle Höchstleis- Klaus Brandner (SPD): tung vollbringen zu müssen, verstehen. Wir haben sehr Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und lange über dieses Thema diskutiert. Die Fakten liegen Kollegen! Um es klar zu sagen: Wir wollen Mindest- auf dem Tisch. Lassen Sie uns abstimmen. Schluss mit löhne. Wir wollen Armutslöhne in diesem Land verhin- der Eierei in diesem Parlament! dern. (Beifall bei der LINKEN – Rolf Stöckel (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN- [SPD]: Die Sache ist viel zu ernst, als dass KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- man jetzt darüber abstimmen könnte!) NEN) Wir wollen gute Bezahlung für gute Arbeit. Die Situation ist übersichtlich: Die FDP hat heute er- neut ihr Nein zum Mindestlohn bestätigt und deutlich (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Herr Kollege, es gemacht, dass sie den Kündigungsschutz einschränken geht gerade darum, ob wir heute abstimmen möchte. Das ist, wie ich denke, eine klare Ansage. Das wollen! – Frank Spieth [DIE LINKE]: Wann muss man so akzeptieren. denn? 3008?) 9738 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Klaus Brandner (A) Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Wir sagen ganz Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf: (C) deutlich: Dort, wo die Tarifautonomie nicht zu den er- hofften Ergebnissen führt, sondern zur Folge hat, dass – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre- gar keine oder unbefriedigende Tarifverträge geschlos- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes sen werden, ist der Gesetzgeber gefordert, tätig zu wer- zur Sicherung der Unterbringung in einem den. Auch daran gibt es keinen Zweifel. psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (Beifall bei der SPD) – Drucksache 16/1110 – Wir befinden uns in guten Gesprächen und führen Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner, – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Re- (Zurufe von der LINKEN: Aha! – Na, form des Rechts der Unterbringung in einem so etwas!) psychiatrischen Krankenhaus und in einer der in der gestrigen Debatte erneut erklärt hat, dass er Entziehungsanstalt gegen Lohndumping ist. Wir sind auf dem Weg zu einem – Drucksache 16/1344 – fairen Kompromiss. Unter diesem Gesichtspunkt möchte ich darauf hin- Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus- weisen, dass diese Debatte mit Blick auf den bevorste- schusses (6. Ausschuss) henden 1. Mai stattfindet. Das Motto des 1. Mai lautet zu – Drucksache 16/5137 – Recht: „Du hast mehr verdient!“ Berichterstattung: (Dirk Niebel [FDP]: Mehr als 5,25 Euro!) Abgeordnete Siegfried Kauder (Villingen-Schwen- Die Menschen in diesem Land haben es verdient, dass ningen) wir eine ehrliche, faire und angemessene Debatte über Joachim Stünker dieses Thema führen. Jörg van Essen Jörn Wunderlich (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie Jerzy Montag bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Weil wir verantwortungsbewusst handeln müssen, Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es dürfen wir keine Schnellschüsse organisieren. Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. (B) (D) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/ Bevor ich die Aussprache eröffne, bitte ich zunächst CSU – Widerspruch bei der LINKEN) diejenigen, die an der Debatte zu diesem Tagesord- Der vorliegende Antrag muss an die Fachausschüsse nungspunkt nicht teilnehmen wollen, den Saal zu verlas- überwiesen und dort angemessen beraten werden. In den sen und die Gespräche außerhalb fortzusetzen. Ausschüssen werden wir die richtigen Antworten finden. Deshalb bitte ich Sie, diesen Antrag an die zuständigen (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Interessantes Ausschüsse zu überweisen. Thema! Da bleiben doch alle!) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red- nerin der Bundesministerin Brigitte Zypries das Wort. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zunächst möchte ich fragen: Gibt es weitere Wort- Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: meldungen zur Geschäftsordnung? – Das ist, wie ich Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! sehe, nicht der Fall. Liebe Kollegen! Wir haben im letzten Monat hier im Deutschen Bundestag ein wichtiges Gesetz beschlossen, Die Fraktion Die Linke hat soeben beantragt, über ih- nämlich das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht. ren Antrag auf Drucksache 16/4845 mit dem Titel Die Führungsaufsicht dient der Überwachung, Leitung, „Deutschland braucht Mindestlöhne“ heute in der Sache Lenkung und Hilfe nach einer Straftat oder der Unter- abzustimmen. Die Fraktionen der CDU/CSU und der bringung in einer psychiatrischen Klinik. SPD wünschen Überweisung, und zwar federführend an den Ausschuss für Arbeit und Soziales und mitberatend Mit dem Gesetz, das wir heute hier beschließen, set- an den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie. Die zen wir einen Schritt früher an. Wir verbessern nämlich Abstimmung über den Antrag auf Ausschussüberwei- die fachgerechte Behandlung psychisch kranker oder sung geht nach ständiger Übung vor. Ich frage deshalb: suchtkranker Straftäter während des Maßregelvollzugs. Wer stimmt für die beantragte Überweisung? – Gegen- Diese Reform ist aus zwei Gründen notwendig: Erstens stimmen? – Enthaltungen? – Der Antrag auf Überwei- wollen wir es den Ländern ermöglichen, die Kapazitäten sung ist somit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen des Maßregelvollzugs effizienter zu nutzen, um die hohe und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Qualität der in Deutschland vorhandenen Behandlung Die Linke und des Bündnisses 90/Die Grünen beschlos- weiter sicherzustellen, und zweitens wollen wir den sen. Damit stimmen wir heute nicht über den Antrag auf Rechtsschutz derer verbessern, die einstweilig unterge- Drucksache 16/4845 ab. bracht sind. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9739

Bundesministerin Brigitte Zypries (A) Mehr Effizienz erreichen wir vor allem dadurch, dass Koalitionsfraktionen auch die Kollegen vom Bünd- (C) wir mehr Flexibilität schaffen. Bei der Unterbringung in nis 90/Die Grünen und von der FDP ein. einer Entziehungsanstalt soll von der starren Reihen- Ich würde mich freuen, wenn wir das Gesetz hier im folge – erst Maßregel-, dann Strafvollzug – in Einzelfäl- Deutschen Bundestag mit einer ähnlichen Mehrheit wie len abgewichen werden können; denn wie lange jemand im Rechtsausschuss verabschieden würden; denn die in einer Entziehungsanstalt bleiben muss, muss sich Gerichte und Kliniken warten seit längerer Zeit auf diese nach Dauer seiner Therapie richten, also nach der Ant- Reform des Maßregelrechts. Wir brauchen mehr Flexibi- wort auf die Frage, wie krank er ist, und nicht danach, lität, um mit den vorhandenen Plätzen effizienter umge- welche Freiheitsstrafe er bekommen hat. Alles andere hen zu können. Das verbessert die Situation für die zu würde nämlich die unnütze Blockade eines wertvollen, Behandelnden, und das gibt zugleich mehr Sicherheit für benötigten und auch teuren Therapieplatzes bedeuten. die Bevölkerung. Es kann deshalb sinnvoll sein, mit dem Strafvollzug (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der – und nicht, wie heute, mit dem Maßregelvollzug – zu CDU/CSU) beginnen und die Therapie hinterher anzuschließen. Das gilt im Übrigen auch für ausreisepflichtige Ausländer. Es macht keinen Sinn, eine Therapie zu beginnen, von der Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: man weiß, dass man sie nicht abschließen wird. Als nächster Redner hat der Kollege Jörg van Essen von der FDP-Fraktion das Wort. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Wieso das?) – Weil es keinen Sinn macht, eine Therapie anzufangen, Jörg van Essen (FDP): die man nicht abschließen kann; das ist doch logisch. Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen Dann bringt sie nämlich nichts. Dies wäre vergeudeter und Kollegen! Ja, ich gehe davon aus, dass wir diese Platz und vergeudetes Geld. Wir brauchen also mehr Neuregelung des Maßregelvollzugs heute mit großer Flexibilität bei der Reihenfolge der Vollstreckung. Mehrheit beschließen werden. Ich finde, das ist gut so, weil viele der Dinge, die Sie angesprochen haben, ein Auf Anregung des Bundesrates haben wir eine Rege- wirklicher Fortschritt sind. lung aufgenommen, die das Verbot der sogenannten Reformatio in Peius betrifft, also den Grundsatz, wo- Wir haben nun nach sechs Monaten ein Prüfungsver- nach die Entscheidung bei Einlegung eines Rechtsmit- fahren beim Oberlandesgericht. Wie wir bei vielen tels nicht zulasten des Betroffenen verschärft werden spektakulären Entscheidungen der Oberlandesgerichte soll. Das ist ja eine Schutzvorschrift für den Verurteilten. zur Untersuchungshaft sehen konnten, ist das dringend notwendig. Ein Beispiel ist das Oberlandesgericht (B) Lassen Sie mich nur ganz kurz etwas dazu sagen, weil (D) Hamm. Dort haben die Ermittlungen der Staatsanwalt- das im Rechtsausschuss durchaus streitig war. Wenn schaft zu lange gedauert. Deshalb ist es gut, dass es jetzt nach dem Urteil ein Angeklagter wegen Schuldunfähig- Druck gibt und dass da, wo Menschen vorläufig die Frei- keit in der Psychiatrie untergebracht wird, er gegen das heit entzogen wird, nach einem halben Jahr geprüft wird, Urteil Revision einlegt und in einer erneuten Hauptver- ob das weiter verantwortet werden kann oder nicht. Ich handlung dann festgestellt wird, dass er gar nicht schuld- halte es auch für einen besonderen Fortschritt, dass die unfähig war, sondern schuldfähig ist, dann würde die Erfolgsaussicht des Maßregelvollzugs in Zukunft stren- groteske Situation entstehen, dass er aus der Unterbrin- ger geprüft wird. Ich glaube, auch das ist richtig. gung entlassen werden muss, aber nicht mehr bestraft werden kann, weil dann die Reformatio in Peius gelten Trotz der von mir angesprochenen Fortschritte darf würde. Ich glaube, das kann nicht richtig sein. Es ist vielleicht auch ein kritisches Wort gesagt werden. Die rechtsstaatlich nicht geboten. Deswegen hat sich der Verantwortung für diesen Punkt liegt bei vielen, nicht Rechtsausschuss insgesamt dazu verstanden, hier eine nur bei der jetzigen Regierung: Das Ganze hat eindeutig Korrektur vorzunehmen. zu lange gedauert. Diese Neuregelungen des Maßregel- vollzugs hätten früher geschehen können und müssen; Ein wichtiges Ergebnis für die Betroffenen – das habe ich eben schon einmal gesagt – sind die Rechtsmittel (Beifall bei Abgeordneten der FDP und des bei der einstweiligen Unterbringung. Künftig wird BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) nach sechs Monaten vom Oberlandesgericht darüber ent- denn wenn man sich die entscheidenden Urteile des schieden. Das ähnelt jetzt den Vorschriften zur Haftprü- Bundesverfassungsgerichts anschaut, dann stellt man fung bei der Untersuchungshaft und wird dazu führen, fest, dass es da eines von 1985 und eines von 1994 gibt. dass die Verfahren mit der gebotenen Schnelligkeit be- Daran sieht man, wie viel Zeit ins Land gegangen ist, die handelt werden. eigentlich hätte besser genutzt werden können. Hier wird Meine Damen und Herren, mit dem heutigen Geset- ein wirklicher Fortschritt erzielt. zesbeschluss bringen wir eine Debatte zum Abschluss, Trotz der grundsätzlichen Zustimmung will ich kurz die mehr als zehn Jahre gedauert hat. Im Rechtsaus- auf drei Punkte eingehen, weil wir als FDP-Bundestags- schuss ist es uns gelungen, die Vorstellungen der Bun- fraktion hier eine andere Auffassung haben. desregierung und des Bundesrates zu einer vernünftigen Synthese zusammenzufügen. Dafür möchte ich mich bei Einen Punkt haben Sie bereits angesprochen: Das ist allen Beteiligten sehr herzlich bedanken. Dieser Dank § 358 Abs. 2 StPO. Hier gibt es tatsächlich das mögliche schließt neben den Kolleginnen und Kollegen von den Problem der Reformatio in Peius. Frau Ministerin, Sie 9740 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Jörg van Essen (A) haben den Sachverhalt dargestellt. Es ist richtig, dass Personal ausgestattet ist. Auch das sollte in einer solchen (C) dies nur in wenigen Fällen zum Tragen kommen wird. Debatte gesagt werden. Wenn wir das anders regeln würden, dann hätte das zur Vielen Dank. Konsequenz, dass die Staatsanwaltschaften in all diesen Fällen Rechtsmittel einlegen müssten und die Justiz so (Beifall bei der FDP und der SPD) erheblich belasten würden. Ich glaube, das ist auch des- halb zu verantworten, weil in jedem Fall eine Strafe ver- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: hängt worden wäre; denn es ist festgestellt worden, dass Als nächster Redner hat das Wort der Kollege sich jemand grundsätzlich schuldig gemacht und gegen Siegfried Kauder von der CDU/CSU-Fraktion. die Gesetze verstoßen hat. Ich glaube, das Ganze ist des- halb so zu regeln, wie das im Gesetzentwurf tatsächlich geschehen ist. Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/ CSU): Ein Punkt, bei dem nicht nur wir als FDP Bedenken Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe hatten, war § 67 Abs. 2 StGB. Dort ist die Mindestdauer dem Kollegen van Essen in einem Punkt durchaus recht: beschrieben, zu der jemand verurteilt werden muss, be- Der Gesetzentwurf, den wir heute beschließen werden, vor eine Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge statt- hat eine lange Geschichte. Aber am Ende wird manch- finden kann. Hier haben die Sachverständigen darauf mal etwas, was lange dauert, auch gut. hingewiesen, dass die im Gesetz vorgesehenen drei Es fing im Jahre 1989 mit einer Beschlussempfehlung Jahre möglicherweise zu kurz sind. Das Ergebnis kann des Deutschen Bundestages und der Aufforderung an die sein, dass die Gefahr besteht, dass jemand länger in Frei- Bundesregierung an, eine Novelle zur Änderung des heitsentzug ist, als das eigentlich von den Richtern vor- Maßregelvollzuges – das betraf die §§ 63 und 64 des gesehen war. Strafgesetzbuches – vorzulegen. Eine Bund-Länder- Ich bin sehr dankbar, dass wir in den Berichterstatter- Kommission wurde eingerichtet. Im Jahr 1997 präsen- gesprächen jetzt eine Lösung gefunden haben. In der Be- tierte das Bundesjustizministerium den ersten Referen- gründung wird darauf hingewiesen, dass dieser Fall tenentwurf und im Jahr 2000 den zweiten. nicht eintreten darf und nicht eintreten wird. Ich glaube, Dann zogen die Länder nach. Im Jahr 2001 präsen- dass es außerordentlich gut und richtig ist, dass wir als tierte der Freistaat Bayern den ersten durchkonzipierten Opposition darauf gedrungen haben, dass ein solches Er- Entwurf eines Gesetzes zum Maßregelvollzug. Dieser gebnis nicht eintreten darf. Herr Kollege Montag, Sie ha- Gesetzentwurf des Freistaates Bayern wurde vom Bun- ben dies auch unterstützt. desrat übernommen und ist dann irgendwo hängen ge- (B) In der Sachverständigenanhörung hat ein Gesichts- blieben. Auf einer Konferenz der Länderjustizminister (D) punkt eine besondere Rolle gespielt, der in § 67 a Abs. 2 und des Bundesjustizministers im Jahr 2002 wurden auf Satz 2 StGB geregelt ist. Es geht um die Frage, was wir der Grundlage dieses bayerischen Gesetzentwurfes ge- mit Sicherungsverwahrten machen. Ich unterstütze die wisse Empfehlungen abgegeben. Dann dauerte es wieder Sorge der angehörten Klinikleiter, die gesagt haben, man eine Weile – denn man muss manches auch in sich auf- dürfe Sicherungsverwahrte, die therapieunwillig seien nehmen und verarbeiten –, bis im Frühjahr 2006 der oder bei denen kein Therapieerfolg erzielt werden Bundesrat und die Bundesregierung fast zeitgleich diffe- könne, nicht in den Maßregelvollzug geben, der ohnehin renzierte Gesetzentwürfe vorgelegt haben. schon überlastet ist. Warum schildere ich das so detailliert? Um klarzustel- Es ist ganz wichtig, darauf hinzuweisen, dass hier die len, dass die Länder an diesem Gesetzgebungsverfahren Länderjustizverwaltungen in der Verantwortung sind. in der gleichen Weise beteiligt waren wie der Bund. Am Für psychisch kranke Sicherungsverwahrte, die den Zie- Ende kann man aber nicht zwei Gesetzentwürfe verab- len des Maßregelvollzuges nicht genügen, muss in ei- schieden, sondern nur einen. Das bedeutet aber nicht, nem Justizvollzugskrankenhaus eine entsprechende Ab- dass die Arbeit der Länder umsonst gewesen ist. Denn teilung eingerichtet werden. In Nordrhein-Westfalen wenn man die Gesetzentwürfe vergleicht, wird man sehr – ich komme aus Nordrhein-Westfalen – tun wir dies. schnell feststellen, dass insbesondere nach der Sachver- Ich halte dies für den richtigen Weg. In der Begründung ständigenanhörung vieles von dem, was in den Länder- wurde auch auf diesen Sachverhalt hingewiesen. entwürfen enthalten war, in den Entwurf der Bundesre- gierung übernommen worden ist. Es ist in der Tat gut, Ich muss sagen, dass die Anregungen, die die FDP- was am Ende herausgekommen ist; die Frau Bundesjus- Bundestagsfraktion gemacht hat, sich zumindest in der tizministerin hat dies dankenswerterweise schon ange- Begründung wiederfinden, sodass wir dem Gesetzent- sprochen. wurf insgesamt zustimmen können, der – das will ich unterstreichen – zu einem wesentlichen Fortschritt beim Nicht alles, was die Länder wollten, wurde übernom- Maßregelvollzug führen wird. men. Die Änderung, § 63 Strafgesetzbuch – Unterbrin- gung in einer psychiatrischen Anstalt – aufzuweichen, Allerdings sind auch die Länder – diese Bemerkung wollten wir nicht übernehmen. Aber einen Änderungs- muss zum Schluss ebenfalls gemacht werden – in der vorschlag zu § 64 – Unterbringung in einer Entziehungs- Verantwortung. Probleme im Maßregelvollzug gibt es anstalt – hielten wir für durchaus sinnvoll. Bisher war unter anderem auch deshalb, weil nicht ausreichend das eine Mussvorschrift. Es wird jetzt eine Sollvorschrift Plätze zur Verfügung stehen und er nicht ausreichend mit werden. Das heißt, dass man den Richtern dort, wo die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9741

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (A) Therapieaussicht relativ schwach ist, die Möglichkeit sofern gab es Regelungsbedarf unter Berücksichtigung (C) gibt, die Maßregel der Unterbringung in einer Entzie- der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. hungsanstalt nicht anzuordnen. Das ist in Extremfällen Ein Kritikpunkt, der ebenfalls schon andiskutiert wor- der Fall: Wenn beispielsweise ein ausländischer Staats- den ist, bleibt noch offen: § 358 Abs. 2 der Strafprozess- bürger die deutsche Sprache überhaupt nicht beherrscht, ordnung. Jetzt wacht auch der Kollege Montag auf. wird es schwierig, bei ihm einen Therapieerfolg herbei- zuführen. Das gilt auch dann, wenn das Therapieergeb- (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nis aus anderen Gründen „wackelig“ erscheint. NEN]: Das werden wir kritisieren!) Wie schon gesagt wurde, sind die Maßregeleinrich- Wir haben dieses Thema schon im Rechtsausschuss be- tungen mehr als ausgebucht. In den Jahren 1996 bis raten. Es geht um das sogenannte Verbot der Schlech- 2006 war sowohl bei der Unterbringung in der Psychia- terstellung. Legt nur der Angeklagte gegen ein Urteil trie als auch in Entziehungsanstalten eine Steigerungs- ein Rechtsmittel ein, gilt der Grundsatz, dass er sich ei- rate von jeweils über 100 Prozent zu verzeichnen. Da- gentlich nicht verschlechtern darf, sondern sich nur ver- rum müssen wir helfend eingreifen. bessern können muss. Aber das Verbot der Reformatio in Peius hat keinen Verfassungsrang. Das Rechtsstaatsge- Ein Punkt – das wurde zu Recht schon angesprochen – bot gebietet ein Verbot der Reformatio in Peius nicht. stellt eine deutliche Verbesserung dar. Das ist der teil- Deswegen gibt es schon nach geltendem Recht Durch- weise Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe vor einer brechungen. Darin wird mir der Kollege Montag sicher- Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungs- lich recht geben. Ein Blick in die §§ 331 Abs. 2 und anstalt nach § 64 des Strafgesetzbuches. Diese Rege- 358 Abs. 2 der Strafprozessordnung in der bisherigen lung ist wohlüberlegt. Es ist wenig sinnvoll, einen Straf- Fassung zeigt, dass es dort schon Durchbrechungen gibt. täter zuerst erfolgreich einer Therapie zu unterziehen, Legt nämlich ein Angeklagter gegen ein Urteil ein wenn ein Überhang bei der Freiheitsstrafe nach der Maß- Rechtsmittel ein, kann er sich in der Rechtsmittelinstanz regel angeschlossen werden müsste. schon nach jetzigem Recht verschlechtern, wenn das Ge- richt zu dem Ergebnis kommt, dass neben der Strafe eine Man kann lange darüber debattieren, wann die rich- Maßregel nach §§ 63 oder 64 des Strafgesetzbuchs anzu- tige Einstiegsschwelle erreicht ist, um den Vorwegvoll- ordnen ist. zug für sinnvoll zu halten. Kollege Montag wird sicher- lich die entsprechende Vorschrift des § 67 Abs. 2 des Das heißt, schon nach geltendem Recht kann ein Strafgesetzbuches kritisieren. Erlauben Sie mir dazu ei- Richter die Unterbringung eines Angeklagten in einer nen Hinweis: Auch das ist als Sollvorschrift ausgestaltet. Entziehungsanstalt oder einer psychiatrischen Klinik an- ordnen, auch wenn dieser nur zu seinen Gunsten Rechts- (B) Stellt der Tatrichter fest, dass ein Vorwegvollzug zusam- (D) men mit der Maßregel zu einer Verlängerung der gesam- mittel eingelegt hat. Wenn dieser Weg erlaubt ist, stellt ten Haft führen wird, dann muss er den Vorwegvollzug sich die Frage, warum nicht auch der umgekehrte Weg nicht anordnen. möglich sein soll; denn sonst hätten wir in der Tat das unerquickliche Ergebnis, dass eine Maßregel der Unter- § 67 d Abs. 5 des Strafgesetzbuches ist ebenfalls eine bringung nach § 63 des Strafgesetzbuchs in der psychia- außerordentlich wichtige Vorschrift. Bisher konnte das trischen Klinik aufgehoben würde und nach Zurückver- Gericht erst nach einem Jahr der Unterbringung in einer weisung durch das Revisionsgericht das Gericht erster Entziehungsanstalt prüfen, ob die Fortsetzung sinnvoll Instanz keine andere Entscheidung treffen könnte. Das ist oder ob die Unterbringung abgebrochen werden wäre unbillig. Deswegen ist auch in diesem Punkt das muss. Das wird schon früher möglich sein. Das Gericht Verbot der Reformatio in Peius zu durchbrechen. kann dann jederzeit feststellen, ob eine Therapiemaß- Das Gesetzeswerk insgesamt hat zwar lange gedauert, nahme greift, und sie gegebenenfalls abbrechen und den aber wie Sie sehen, ist es im Ergebnis gut. Deswegen Täter in den Vollzug überführen. kann man dem Gesetzentwurf guten Gewissens zustim- Ein Wechsel von einer Therapiemaßnahme in die an- men, worum ich bitte. dere ist nach dem Gesetzentwurf ebenfalls möglich. Das Vielen Dank. ist außerordentlich sinnvoll. Des Weiteren wurden unter Beachtung der Entscheidung des Bundesverfassungsge- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der richts zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt FDP) – Band 91, S. 1 ff. – einige weitere Vorschriften einge- führt. Die Entscheidung stammt zugegebenermaßen aus Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dem Jahr 1994; insofern besteht dringend Regelungsbe- Das Wort hat jetzt die Kollegin Ulla Jelpke von der darf. Fraktion Die Linke. Die Zeit im Maßregelvollzug muss also auch dann auf (Beifall bei der LINKEN) die Strafe angerechnet werden, wenn die Ursache für den Therapieabbruch in der Persönlichkeit und im Ver- Ulla Jelpke (DIE LINKE): halten des Untergebrachten liegt. Bisher durfte eine Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ge- Anrechnung nur dann nicht erfolgen, wenn der Unter- setzentwurf der Bundesregierung enthält einen wichti- gebrachte therapieunwillig war. Soweit er therapieunfä- gen Grundgedanken: Gefängnisse machen krank. Dieser hig war, durfte die Anrechnung nicht versagt werden. In- Gedanke wird leider nicht vertieft. Die Konsequenz 9742 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Ulla Jelpke (A) wäre nämlich: Therapie statt Strafe, psychisch- und Der Zusammenhang zwischen sozialer Not und Sucht- (C) suchtkranke Täter therapieren und nicht bloß einsperren. krankheit ist ja bekannt. Zu fragen wäre also, ob Per- Es läge auch im Interesse der Öffentlichkeit, dass kranke spektivlosigkeit als Folge neoliberaler Politik – ich sage Täter im Knast nicht noch kränker werden und weitere nur Hartz IV, Armut per Gesetz – immer mehr Menschen Straftaten begehen können. in psychische Krankheiten und in die Sucht treibt. Den Gesetzentwurf durchziehen leider vorwiegend (Lachen des Abg. Jerzy Montag [BÜND- ökonomische Überlegungen. Die Einrichtungen des NIS 90/DIE GRÜNEN]) Maßregelvollzugs sollen effektiver arbeiten. Das ist ein Deswegen lautet mein Vorschlag, Nägel mit Köpfen gutes Vorhaben, aber das, was die Regierung plant, scha- zu machen und diesen Gesetzentwurf nicht vorschnell det den Therapiebedürftigen und der Öffentlichkeit. Man aus Kostengründen durchzupeitschen. kann nicht nur mit kurzfristigen Kosteneinsparungen argumentieren, sondern muss auch längerfristige Überle- (Jörg van Essen [FDP]: Das sagt die Angehö- gungen anstellen. Das vermissen wir. rige einer Partei, die die Psychiatrie in der DDR schrecklich missbraucht hat!) Eine wichtige Änderung sieht jetzt die Möglichkeit vor, bei Strafen über drei Jahren erst einen Teil der Haft- Stimmen Sie heute gegen den Gesetzentwurf. Fangen strafe abzusitzen. Danach soll therapiert werden. Der wir die Debatte noch einmal von vorne an. Grund: Ein Gefängnisaufenthalt nach der Therapie ge- Ich danke Ihnen. fährde den Therapieerfolg. Mit anderen Worten: Knast macht krank. Deswegen wurden die Insassen im Zwei- (Beifall bei der LINKEN) felsfall länger im Maßregelvollzug belassen. Aber das ist der Regierung nun zu teuer geworden. Nicht aus fachli- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: chen, sondern aus rein finanziellen Erwägungen wollen Das Wort hat der Kollege Jerzy Montag von Sie die alte Regel umkehren. Bündnis 90/Die Grünen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Las- sen Sie doch den Populismus!) Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie wissen, was Experten – auch in der Anhörung – ge- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der sagt haben: Gefängnis wirkt sich negativ auf die Thera- Gesetzentwurf, den wir heute verabschieden, ist im Kern piewilligkeit eines Menschen aus. An Drogen kommt und im Grundsatz gut. Er ist durch die Beratung im Par- man im Knast gut ran; auch das wissen Sie. Ob das die lament und durch die Arbeit im Rechtsausschuss in eini- gen wesentlichen Punkten noch verbessert worden. Ich (B) richtige Grundlage für eine Therapie ist, Herr Kauder, (D) wage ich zu bezweifeln. will an dieser Stelle zu Ihnen, Frau Kollegin Jelpke, sa- gen: Ich bin fast geneigt, zu bewundern, wie Sie es Ich will noch einen anderen kritischen Punkt nennen; schaffen, nun wirklich jedes Thema in diesem Hause mit die Ministerin hat ihn angesprochen. Für Menschen ohne Hartz IV in Verbindung zu bringen. deutschen Pass soll in Zukunft gelten: erst Knast, dann keine Behandlung, dann Abschiebung. In der Gesetzes- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei begründung ist von durchreisenden Drogenkurieren, die der CDU/CSU, der SPD und der FDP) selbst drogenabhängig sind, die Rede. Diese mag es ja Was nun der Maßregelvollzug mit dem psychiatrischen geben, aber es gibt auch drogenkranke Menschen aus Krankenhaus und mit der Entziehungsanstalt mit Einwandererfamilien, die hier in der dritten Generation Hartz IV zu tun hat, erschließt sich niemandem außer Ih- leben. Ich meine, dass sie hier behandelt werden müssen nen. und nicht in dem Land, aus dem sie ursprünglich kom- men. Es ist meiner Meinung nach ziemlich zynisch, (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr gut!) diese Aufgabe anderen Gesellschaften aufzudrücken und Natürlich hat es viel zu lange gedauert, bis dieser Ge- diesen Menschen hier nicht zu helfen. Denn sie sind setzentwurf vorlag. Ich will an dieser Stelle daran erin- krank. nern: Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1994 (Beifall bei der LINKEN) entschieden, dass in eine Entziehungsanstalt nur derje- nige verbracht werden kann, bei dem konkrete Hei- Der Gesetzentwurf enthält einige richtige Überlegun- lungschancen bestehen, und dass ein solcher Aufenthalt gen, etwa über die regelmäßigen Begutachtungen der im zu beenden ist, wenn sich zeigt, dass eine Heilung nicht Maßregelvollzug Untergebrachten. Wir sind jedoch der möglich ist. Warum es eigentlich 14 Jahre gedauert hat, Meinung, dass diese Begutachtungen häufiger gesche- bis diese Einsicht heute gesetzlich verankert wird, ist im hen sollten. Aber das lassen wir einmal dahingestellt. Nachhinein nur schwer nachzuvollziehen. Jeder, der da- Nur: Damit werden Sie das Problem der Überbele- ran beteiligt war – auch wir –, sollte sich da an die ei- gung, die hier schon angesprochen wurde, nicht lösen. gene Nase fassen. Die Belegungszahlen in den therapeutischen Einrich- Für die Verzögerung hat es natürlich Gründe gegeben. tungen haben sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Darüber habe ich aber eine etwas andere Auffassung als Warum ist das so? Darauf hat die Regierung leider keine der Kollege Kauder. Die Verzögerung hängt zum Teil Antwort gegeben. Ich gebe zu: Auch wir haben darauf auch damit zusammen, dass in vielen wichtigen Punkten keine einfache Antwort. Aber wir haben eine Einsicht. die Vorschläge der Länder und die Vorschläge des Bun- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9743

Jerzy Montag (A) des in einem unversöhnlichen Gegensatz standen. Des- nicht daran, dem Gesetzentwurf zur Reform des Maßre- (C) wegen mussten alle Vorschläge der Länder, die im Wi- gelrechts zuzustimmen; denn es ist ein guter Gesetzent- derspruch zu den bundespolitischen Rechtsauffassungen wurf geworden. standen, abgelehnt werden. Aus dieser Auseinanderset- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zung zwischen Bund und Ländern resultiert unter ande- und bei der FDP) rem die Länge des Verfahrens.

(Jörg van Essen [FDP]: Klar!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich will einige Punkte nennen, die die Vorteile dieses Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt Gesetzentwurfs deutlich machen. Ein Aufenthalt in einer gebe ich dem Kollegen Joachim Stünker von der SPD- Entziehungsanstalt nur bei konkreter Heilungsaussicht Fraktion das Wort. ist ein Fortschritt. Dass die Einweisung in eine Drogen- entziehungsanstalt Ausländern, die sprachunkundig sind, Joachim Stünker (SPD): nicht verweigert werden kann, ist ebenfalls ein Fort- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die schritt, der durch dieses Gesetz bewirkt wird. Dieser Notwendigkeit und Einrichtung des Maßregelvollzugs Punkt war bisher durchaus streitig. Ich halte es für not- folgt aus dem ehernen Grundsatz, dass es keine Strafe wendig, dass bei Freiheitsstrafen über drei Jahren – wir ohne Schuld gibt. Darum ist es notwendig, bestimmte hätten gerne eine Grenze von vier Jahren gehabt – Täter, die straffällig geworden sind, ohne dass man ihnen einen Schuldvorwurf machen kann, in einem entspre- (Jörg van Essen [FDP]: Wir auch!) chenden Vollzug, entweder in einem psychiatrischen der Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe angewendet Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt, zu thera- wird. Denn: Wenn zum Schluss noch eine Behandlungs- pieren. Schließlich gibt es ja auch noch die Möglichkeit, bedürftigkeit besteht, dann hat der Betroffene die Mög- beides sozusagen nebeneinander anzuordnen. lichkeit, nach dieser Behandlung in einer Entziehungs- Dass es diese Möglichkeiten geben muss, steht, Frau anstalt sofort in Freiheit zu kommen. Es ist gut, dass wir Jelpke, wie ich glaube, seit gut 100 Jahren im StGB, das festgehalten haben, dass dem Betroffenen durch die heißt also schon zu Zeiten, als über Hartz IV und solche recht komplizierten Anrechnungen kein Nachteil er- Dinge noch kein Mensch in diesem Land gesprochen wachsen soll. hat. Ich will noch Folgendes klarstellen: Wenn die nach- (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- folgende Maßregel bei ausreisepflichtigen Ausländern NEN]: Als es mehr Elend in Deutschland gab wegfallen würde, wie Sie, Frau Ministerin Zypries, ge- als heute! – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Ich (B) sagt haben, dann würden die Grünen diesem Gesetzent- (D) habe von Therapie statt Strafe gesprochen!) wurf nicht zustimmen. Wir haben im Rechtsausschuss genau diese Vorschrift geändert. Jetzt heißt es, dass eine Das hat sich ganz einfach und notwendigerweise aus ge- solche Möglichkeit der Versagung der Maßregel nur be- sellschaftlichen Zusammenhängen und Bedingungen er- steht, wenn ein Ausländer ausreisepflichtig ist und die geben. Es gab auch Zeiten, zu denen die entsprechenden Ausreise sicher zu erwarten ist. Damit ist sichergestellt, Einrichtungen stärker belegt waren als heute. Ich weiß, dass all diejenigen, bei denen Ausreisehindernisse beste- worüber ich rede; denn ich habe fast 25 Jahre im Bereich hen – das sind sehr viele; diese Menschen sind zwar aus- des Strafrechts gearbeitet. Bezüglich der Zahl der Be- reisepflichtig, aber sie können nicht ausreisen und blei- troffenen kann man eine Wellenbewegung mit Tälern ben im Lande –, selbstverständlich in den Genuss einer und Höhen konstatieren. Hier nun aber einen Zusam- Drogenentziehungsmaßnahme kommen können. menhang mit Hartz IV herzustellen, ist wirklich absurd. Zum Schluss will ich noch eines sagen: Natürlich ist Ich warte nun wirklich seit fast zwei Jahren darauf, in auch dieser Gesetzentwurf mit einem Fehler bemakelt. einer rechtspolitischen Debatte einmal eine gehaltvolle Ich beziehe mich auf § 358 Abs. 2 der Strafprozessord- Rede von der Fraktion Die Linke hier im Deutschen nung. Die Bundesregierung war einmal der Meinung: Bundestag zu hören. Der Vorschlag höhlt das Verschlechterungsverbot, ei- (Beifall bei der SPD – Dr. Jürgen Gehb [CDU/ nen fundamentalen Grundsatz des Strafprozessrechtes, CSU]: Das Warten habe ich aufgegeben!) der zu einer fairen Prozessgestaltung beiträgt, in unver- tretbarer Weise aus. Sie entziehen sich ja nun wirklich laufend der Fachdis- kussion. Vorschläge werden überhaupt nicht unterbreitet. (Beifall des Abg. Jörn Wunderlich [DIE Die Personen, die bei Ihnen handeln, wechseln ständig. LINKE]) Wenn Sie wirklich ernsthaft mitdiskutieren wollen, dann Dieser Satz stammt aus dem Hause Zypries. Anderthalb tun Sie es bitte, aber nicht so, wie Sie es heute hier wie- Jahre später heißt es aus dem gleichen Hause: Die Bun- der versucht haben. desregierung steht der Prüfung des Vorschlags der Aus dem Grundsatz, den ich eben genannt habe, er- Durchbrechung des Verschlechterungsverbots aufge- gibt sich ein zweiter Ansatz: Herr Kollege Montag, Sie schlossen gegenüber. müssen es doch der deutschen Öffentlichkeit irgendwie Wir haben gesagt, dass wir das nicht wollen, und ha- deutlich oder begreifbar machen, was Sie mit jemanden, ben deshalb einen Änderungsantrag gestellt. Er ist von der einen Totschlag begangen hat, aber bei dem nach Ihnen leider abgelehnt worden. Aber das hindert uns § 20 die Schuldunfähigkeit festgestellt wurde und dessen 9744 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Joachim Stünker (A) Unterbringung angeordnet wurde, dann, wenn bei einer Gericht stand und über den ein Urteil gesprochen wurde, (C) von ihm eingelegten Revision festgestellt wird, er war dann, wenn dieser bei der höheren Instanz Beschwerde nicht schuldunfähig, sondern schuldfähig, geschehen einlegt, nicht verschlechtert werden soll. In den hier zu soll. Wollen Sie den nun laufen lassen, oder was wollen diskutierenden Fällen führt das ja zu dem Ergebnis, dass Sie mit ihm machen? dann, wenn seiner Beschwerde vor Gericht stattgegeben wird, er freigelassen werden muss, obwohl er schuldig (Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE geworden ist. GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischen- frage) Wir haben noch etliche andere Grundsätze im deut- schen Strafrecht und Strafprozessrecht, zum Beispiel den – Nein, ich möchte zum Schluss kommen. – Das heißt Grundsatz: im Zweifel für den Angeklagten. Der Herr also, die von Ihnen hier begonnene Grundsatzdiskussion Bundesinnenminister Schäuble, der das mit der Un- geht ein Stück weit an den Notwendigkeiten vorbei. schuldsvermutung verwechselt hat, hat letzte Woche in Deshalb haben wir uns auf Anregung der Länder sehr der Öffentlichkeit gesagt: Wir stehen hier auf dem wohl dazu entschieden, die Durchbrechung des Ver- Standpunkt: Es ist besser, zehn Schuldige laufen zu las- schlechterungsgrundsatzes in diesem Fall zu gestatten. sen, als einen Unschuldigen einzusperren. – Ich frage Sie: Wie wollen Sie den Menschen eigentlich erklären, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dass wir ein Rechtssystem haben und verteidigen, in Herr Kollege Stünker, der Kollege Montag wollte dem es möglich ist, dass man zehn Schuldige laufen eine Zwischenfrage stellen. lässt? (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Es ist alles Joachim Stünker (SPD): durcheinander!) Nein, ich hatte schon gesagt, ich würde gerne zum Schluss kommen, weil ich gleich einen Termin habe. Es gibt im Strafrecht schwierige Fragen. Manchmal Deshalb habe ich heute Mittag einfach nicht mehr die muss man auch gegen die Vox populi anargumentieren. Zeit dazu. Es tut mir leid. Aber dass jemand, der sich bei Gericht beschwert, des- wegen nicht schlechtergestellt werden soll, ist ein Schließlich möchte ich noch anmerken, dass es sehr Grundsatz, den wir nicht verlassen sollten. lange gedauert hat – das ist richtig –, bis diese Novellie- rung erfolgt ist. Vielleicht bedurfte es erst der Großen (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Koalition, um vernünftige Gespräche mit den Ländern darüber führen zu können. Im Ergebnis können wir fest- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (B) stellen, dass sich jetzt einiges aufeinander zubewegt hat, Herr Kollege Stünker zur Erwiderung, bitte. (D) was über einen langen Zeitraum sehr unversöhnlich ge- genüberstand. Joachim Stünker (SPD): Die Praxis wird froh sein, liebe Kolleginnen und Kol- Es wäre ein bisschen kollegialer gewesen, Herr legen, dass wir mit diesen Regelungen ihr ein flexibleres Montag, wenn Sie mir vorhin zugehört hätten. Aber Vorgehen ermöglichen. Das wird die Anwendung dieser okay, dann muss ich es noch einmal sagen. Maßnahme in der Praxis wesentlich erleichtern. Das Problem ist ein ganz einfaches. Sie sagen nicht Ich bedanke mich bei Ihnen für die faire und sachli- die volle Wahrheit. Natürlich kann der Rechtsstaat ein che Beratung und freue mich, dass diesem Gesetzent- solches Ergebnis nicht hinnehmen. Wenn wir dieses In- wurf eine breite Mehrheit zustimmen wird. strument, über das wir hier reden, nicht schaffen würden, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten würde das bedeuten, dass die Staatsanwaltschaft in je- der CDU/CSU und der FDP) dem dieser Fälle ebenfalls Revision einlegen würde. Das ist ein Beispiel für Bürokratie. Mehr wird das im Ergeb- nis nicht bringen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem (Jörg van Essen [FDP]: Das habe ich auch ge- Kollegen Jerzy Montag. sagt!) Man muss sich bei diesen Dingen eben ein bisschen Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): auskennen. Das wird ein Annex sein. Jeder Staatsanwalt Danke, Herr Präsident. – Lieber Kollege Stünker, wird bei einer Verurteilung nach § 20 StGB einfach sa- nachdem Sie mich persönlich mit einer rhetorischen gen: Ich lege das Rechtsmittel der Revision ein. – Er Frage angesprochen haben, hätte ich es schon für gut be- kann es gar nicht anders machen. funden, wenn Sie mir auch Gelegenheit gegeben hätten, Herr Montag, bauen Sie also nicht einen Popanz auf! darauf zu reagieren. So will ich es nun auf diese Art und Das gehört hier nicht hin. Es lohnt sich nicht. Weise tun. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich gebe Ihnen recht: Es ist nicht einfach, in einer Diskussion Rechtsunkundigen klarzumachen, warum wir alle gemeinsam immer noch im Grundsatz der Auf- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: fassung sind, dass die Position von jemandem, der vor Jetzt schließe ich die Aussprache. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9745

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- Berichterstattung: (C) desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Siche- Abgeordnete Dr. Eva Möllring rung der Unterbringung in einem psychiatrischen Kran- Caren Marks kenhaus und in einer Entziehungsanstalt. Der Ina Lenke Rechtsausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschluss- Diana Golze empfehlung auf Drucksache 16/5137, den Gesetzent- Ekin Deligöz wurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/1110 in ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ina der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, Lenke, Carl-Ludwig Thiele, Sibylle Laurischk, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim- weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP men wollen, um ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Bera- Sofortprogramm für mehr Kinderbetreuung tung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktion der FDP, der Fraktion des Bündnisses 90/Die – Drucksache 16/5114 – Grünen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke ange- Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) nommen. Innenausschuss Dritte Beratung Finanzausschuss und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zu- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die stimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? – Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Wi- Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen derspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so be- Stimmenverhältnis angenommen. schlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red- Abstimmung über den Gesetzentwurf des Bundesra- nerin der Kollegin Dr. Eva Möllring von der CDU/CSU tes zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem das Wort. psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungs- anstalt. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Nr. 2 seiner (Beifall des Abg. Johannes Singhammer Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/5137, den Ge- [CDU/CSU]) setzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 16/1344 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf Dr. Eva Möllring (CDU/CSU): zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenstim- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich men? – Enthaltungen? – Dann ist der Gesetzentwurf in bin sehr dankbar dafür, dass ich als Erste das Wort habe, zweiter Beratung einstimmig abgelehnt. Damit entfällt obwohl es um Anträge der Oppositionsfraktionen geht. (B) nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. (D) (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Qualität setzt Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 31 sowie sich durch!) Zusatzpunkt 8 auf: Das zeigt deutlich, dass wir bei diesem Thema die Mei- 31 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- nungsführerschaft übernommen haben. richts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) (Beifall bei der CDU/CSU – Ina Lenke [FDP]: Wo bleiben denn die Finanzen?) – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Werner Dreibus, weite- Das kann man auch an so einer formellen Stelle einmal rer Abgeordneter und der Fraktion der LIN- klarmachen. – Vielen Dank. KEN In die Debatte ist – das brauche ich Ihnen nicht zu sa- Elternbeitragsfreie Kinderbetreuung aus- gen, weil Sie alle an dem Thema interessiert sind – in bauen den letzten Monaten eine unglaubliche Bewegung ge- kommen. Da hat sich in kurzer Zeit mehr getan als in – zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin den Jahren zuvor. Ich selber habe in der Kommune lange Deligöz, Volker Beck (Köln), Grietje Bettin, Jahre Verantwortung getragen und verzweifelt für mehr weiterer Abgeordneter und der Fraktion des Kinderbetreuung gekämpft. Die Uhren haben mehr oder BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN minder stillgestanden. Jetzt haben wir etwas erreicht. Leben und Arbeiten mit Kindern möglich Das begrüßen natürlich auch die Kollegen der SPD- machen Fraktion. Das weiß ich, und da sitzen wir alle in einem Boot. Ich danke der Familienministerin dafür, dass wir – zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin hier auf einem so guten Weg sind. Deligöz, Krista Sager, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – SES 90/DIE GRÜNEN Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Familienministerin? – Ute Kinder fördern und Vereinbarkeit von Be- Kumpf [SPD]: Menschenskind, endlich sind ruf und Familie stärken – Rechtsanspruch Sie aufgewacht!) auf Kindertagesbetreuung ausweiten Sie hat eine Lawine losgetreten, und nicht nur das: Sie – Drucksachen 16/453, 16/552, 16/1673, 16/3219 – hat auch Nägel mit Köpfen gemacht; was sie getan hat, 9746 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Dr. Eva Möllring (A) war ein erster Meilenstein. Sie hat die Vertreter von Hinzu kommt, dass auch im Hinblick auf die Betreu- (C) 16 Ländern und vor allen Dingen die Vertreter der Kom- ungszeiten völlig unterschiedliche Bedürfnisse bestehen. munen an einen Tisch gebracht. Wir, die CDU, haben Die meisten Mütter mit kleinen Kindern wollen Teilzeit immer gesagt: Kinderbetreuung fällt in erster Linie in arbeiten. Viele brauchen einen Ganztagsplatz, und an- die Verantwortung der Kommunen. Deswegen ist es dere brauchen eine Kinderbetreuung nur zu Randzeiten, so wichtig, dass man die Kommunen zwecks Klärung weil sie andere Hilfen haben und die verschiedenen Kin- der Finanzierungswege an den Tisch holt. derbetreuungsmöglichkeiten kombinieren wollen. Wir brauchen also einen Markt der Möglichkeiten und Die Ministerin hat das Ziel – die Zahlen brauche ich nicht nur ein Angebot. Deshalb ist es wichtig, dass die Ihnen nicht zu nennen; jeder hier kennt sie auswendig –, Kommunen jetzt klug vorgehen und überlegen, was sie die Notwendigkeit und die Aufgabenverteilung geklärt. vor Ort tun können, um den Familien einen solchen Deswegen müssen wir heute nicht mehr darüber disku- Markt zu eröffnen, damit sie entscheiden können – bis- tieren – dafür bin ich dankbar –, ob Angebote zur Be- her können sie das nicht –, was für ihr Kind gut ist und treuung unserer Kinder – damit meine ich auch die Kin- was für die Berufstätigkeit der Eltern richtig ist. der bis zu drei Jahren – in Deutschland notwendig sind. Gott sei Dank ist diese Frage geklärt. Wir in Niedersachsen haben jetzt ein neues Modell geschaffen. Für dieses Modell sind 100 Millionen Euro (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) zur Verfügung gestellt worden. Wie ich gern mit einem Der nächste Schritt muss jetzt sein, die Frage zu be- Schmunzeln feststelle: Das ist für ein Bundesland wie antworten, wie wir die Aktivitäten und die Mittel so Niedersachsen eine Menge Geld. Mit diesem Geld sollen steuern können, dass die Familien diejenigen Angebote die Kommunen neue Modelle ausprobieren können. Ziel bekommen, die sie für ihre Lebensplanung brauchen. ist, dass Tagesmütter – ich erlebe es – gestärkt, qualifi- Wie wir alle wissen, ist der Bedarf vor Ort völlig unter- ziert und vernetzt werden können. schiedlich. Es klappt in den verschiedenen Regionen schon ganz Ich möchte das einmal anhand meines Wahlkreises gut, und es wird noch besser. Ich denke, das ist der Weg, – er ist ziemlich groß; ich weiß, dass auch andere Kolle- den wir einschlagen müssen. Um einen Markt der Mög- gen große Wahlkreise vertreten – erläutern. lichkeiten zu schaffen, müssen wir die Eltern mit ins Boot nehmen. Die Eltern müssen die finanziellen Mittel Dort gibt es Eltern, deren Arbeitgeber groß ist. Diese haben, um Erziehung durch andere Personen zu gestal- Eltern wollen, dass sich die – staatlichen – Kinderbetreu- ten und zu organisieren. Die Nachfrage wird zeigen, ungsplätze möglichst unweit der Bundesstraße befinden, welche Angebote notwendig sind. Aber die Eltern müs- auf der sie zu ihrem Arbeitsplatz fahren. Noch lieber sen sie auch bezahlen können. (B) wäre ihnen, wenn die Kinderbetreuung in demjenigen (D) Betrieb wäre, in dem sie arbeiten. Deswegen bin ich der Meinung: Lassen Sie uns die Eltern bitte nicht außen vor lassen; lassen Sie uns sie (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) nicht vergessen; lassen Sie uns sie stärken! Ein Rechts- Dafür hat ihr – womöglich sehr sozialer – Betrieb bisher anspruch ist sicherlich gut gemeint, gibt den Eltern aber allerdings noch nicht gesorgt. Steine statt Brot. Denn es muss ein ganz klares Angebot definiert werden und dadurch engen Sie die Möglichkei- (Ina Lenke [FDP]: Aber der hat doch nicht ten der Eltern schon ein. Damit machen Sie den Markt eine staatliche Aufgabe!) der Möglichkeiten schon im Vorfeld kaputt. – Frau Lenke, Sie erklären nachher, was für ein Betrieb Wenn wir erreicht haben, dass Kinder gut aufgehoben das ist. – So viel zur Problematik der Betriebskindergär- sind, dass sie gefördert werden, dass die Eltern Auswahl- ten. möglichkeiten vor Ort haben und dass sie die Preise be- Außerdem gibt es Familien, die in kleinen Gemeinden zahlen können, dann sind wir ein gutes Stück vorange- auf dem Land leben. Dort kann man gar keine staatli- kommen. chen Krippenplätze vorhalten, weil der Bedarf vollkom- Eines möchte ich noch anfügen: Das Kindergeld wer- men unterschiedlich ist und rasch wechselt. Dort will den wir nicht antasten. man Tagesmütter, Stundenkontingente und Flexibilität haben. Man muss sich dafür einsetzen, dass Kinderbe- (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: treuung ohne bürokratischen Aufwand möglich ist und Müssen Sie ja auch gar nicht!) nicht durch Auflagen vollkommen überfrachtet wird. Danke schön fürs Zuhören. Last, not least gibt es Eltern, die Landwirte sind. De- ren Kinder sind in der Regel ganztägig in der Familie (Beifall bei der CDU/CSU – Krista Sager und auf dem Hof. Ich sage Ihnen: Auch sie leisten ihren [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo soll das Anteil an der Erziehung, und deswegen möchte ich sie Geld denn jetzt herkommen?) an dieser Stelle nicht vergessen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es gibt einen Antrag zur Geschäftsordnung von der Für alle diese Familien und nicht nur für einen Teil Kollegin Schewe-Gerigk von Bündnis 90/Die Grünen. müssen wir ein Angebot vorhalten. Bitte. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9747

(A) Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE Jürgen Koppelin (FDP): (C) GRÜNEN): Die Fraktion der FDP unterstützt den Antrag auf Her- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beirufung der Ministerin. diskutieren heute über das Thema Kinderbetreuung, ein Thema, das in den letzten Monaten im Zentrum der Poli- (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem tik gestanden hat. Hier liegen Anträge von zwei Fraktio- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nen vor, über die zu diskutieren ist. Ich sehe, dass die Herr Kollege, Ihre Argumente können nicht gelten. Wir Ministerin an dieser Debatte nicht teilnimmt. Wir haben haben heute einen Sitzungstag, und da kann die Ministe- im Vorfeld keine Information darüber bekommen, dass rin nicht entschuldigt sein; bei unserer Fraktion ist sie je- die Ministerin unabkömmlich ist. Darum bitte ich Sie, denfalls nicht entschuldigt, uns ist das nicht bekannt. An nach § 42 unserer Geschäftsordnung über die Herbei- einem Sitzungstag kann die Ministerin keine anderen zitierung der Ministerin abstimmen zu lassen. Termine haben; es sei denn, sie sind wirklich wichtig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Erstens aus diesem Grund lasse ich Ihre Argumente und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der nicht gelten. LINKEN) Zweitens. Der Herr Staatssekretär, dessen Anwesen- heit Sie hier loben, hat sich nicht einmal auf die Redner- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: liste setzen lassen. Das ist ein Armutszeugnis bei einem Zur Geschäftsordnung hat sich ebenfalls der Kollege so wichtigen Thema. Koschyk gemeldet. (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Hartmut Koschyk (CDU/CSU): LINKEN) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dieser Debatte ist der Parlamentarische Staatssekretär im Ein dritter Punkt, Herr Kollege. Es kann einfach nicht zuständigen Bundesressort, Herr Kues, anwesend. sein, dass diese Ministerin von Interview zu Interview hechelt, aber den Plenarsaal meidet. (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Ministerin ist aufgrund anderweitiger Termine ver- hindert. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von Bünd- Ich vermute, warum sie den Plenarsaal meidet: weil sie nis 90/Die Grünen, wir haben, wenn wir die Plenartages- den Sozialdemokraten nicht über den Weg laufen will. In dem Zusammenhang darf ich mit Genuss zitieren, was (B) ordnung festlegen, immer das Einvernehmen, dass Sie (D) uns als Oppositionsfraktionen sagen, wenn Sie zum Bei- Peter Struck in dieser Woche gesagt hat. Nach seinen spiel wollen, dass bei bestimmten Tagesordnungspunk- Worten ist dieses „Gewürge ein Offenbarungseid“ für ten die Ministerin oder der Minister anwesend ist. Familienministerin , CDU. „Mehr als heiße Luft ist bei ihr bisher noch nicht herausgekom- (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- men.“ So Peter Struck. Dem ist nichts mehr hinzuzufü- NEN) gen. – Doch. Wir bleiben dabei: Wir beantragen die Herbeirufung (Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜND- der Ministerin. NIS 90/DIE GRÜNEN] – Beifall beim (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: GRÜNEN: Abstimmen!) Das Wort hat der Kollege Koschyk. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Auch Frau Kollegin Kumpf hat sich zur Geschäfts- Die Ministerin ist aufgrund anderer Termine entschul- ordnung gemeldet. Bitte schön. digt, und der Staatssekretär ist anwesend. Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, Ute Kumpf (SPD): es wird dem Thema nicht gerecht, wenn Sie jetzt einen Liebe Kolleginnen und Kollegen Parlamentarische Antrag auf Herbeizitierung der Ministerin stellen. Kon- Geschäftsführer! Ich kann verstehen, dass Sie jetzt, zum zentrieren Sie sich auf die Sachdebatte, und lassen Sie Ende der Woche, ein bisschen Zirkus machen wollen. Es diese Schaukämpfe, die diesem Thema nicht gerecht gibt einen parlamentarischen Brauch. Wir sind das Parla- werden! ment, und wir sollen über diesen Antrag debattieren. Für (Beifall bei der CDU/CSU) mich als Abgeordnete ist es zunächst einmal gar nicht re- levant, ob die Ministerin auf der Regierungsbank sitzt oder ob wir uns auseinandersetzen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Kollege (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Jürgen Koppelin. NEN) 9748 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

Ute Kumpf (A) Ich glaube, wir sind Manns und Frau genug, uns inhalt- den Mitgliedern des Bundestages sagen, dass (C) lich zu streiten. sie rausgehen sollen?) (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Dann – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, den brauchen wir gar keine Minister!) Plenarsaal zu verlassen. – Ein bisschen langsam! – Wir sind heute dabei, Anträge Ich will daran erinnern, worüber jetzt beim Hammel- zu beraten. Ich weiß gar nicht, warum Sie so autoritäts- sprung abgestimmt wird. Es geht um den Antrag der Op- gläubig sind. Hier ist heute der Platz, diese Debatte zu positionsfraktionen auf Herbeizitierung der Ministerin führen. Warum suchen Sie Ihre Mutter? Ich glaube, wir Frau von der Leyen. Wer diesem Antrag zustimmen will, können hier auch ohne Mutter debattieren, und wir ha- muss durch die Ja-Tür gehen, wer dagegen stimmt, ben genügend Zeit, diese Debatte ordentlich, auch ohne durch die Nein-Tür, wer sich enthalten will, durch die die Ministerin, fortführen zu können. dritte Tür. Noch ein Wort: Alle reden davon, dass es im Zusam- Ich eröffne die Abstimmung. menhang mit der Kinderbetreuung ein großes Problem gibt, nämlich die Männer. Ich sage immer: Bei der Frage (Auf der Tribüne wird ein Transparent entrollt der Kinderbetreuung schwächeln die Männer. Sie neh- – Zwei Besucher springen von der Tribüne in men ihre Pflichten nicht wahr. Es ist gut, dass der Staats- den Plenarsaal hinab – Dr. Peter Ramsauer sekretär unsere Anregungen in der Debatte entgegen- [CDU/CSU]: Typisch Thierse! Thierse unter- nimmt. Die Ministerin ist bei ihren Terminen gut nimmt nichts! Der Präsident schläft!) aufgehoben. Liebe Gäste, ich fordere Sie auf, solche Aktivitäten zu (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der unterlassen und sofort die Zuschauertribüne zu verlas- CDU/CSU) sen. (Beifall) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich bitte um Aufmerksamkeit. Wir kommen zur Ab- Ich bitte all diejenigen, die sich noch außerhalb des stimmung. Wer für die Herbeizitierung der Ministerin Plenums befinden, endlich durch eine der Türen zu ge- stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstim- hen und abzustimmen. men! – Enthaltungen? – Darf ich die Schriftführerinnen und Schriftführer fra- (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ gen, ob sich noch Abgeordnete außerhalb des Plenar- DIE GRÜNEN]: Wir haben die Mehrheit! – saals befinden, ob wir die Abstimmung beenden kön- (B) Gegenruf des Abg. Johannes Singhammer nen? (D) [CDU/CSU]: Niemals!) Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen, damit ich sehen Das Präsidium hat eine unterschiedliche Betrachtungs- kann, ob alle Abgeordneten in den Plenarsaal gekommen weise. sind. (Heiterkeit) (Jürgen Koppelin [FDP]: Das geht zu weit!) Das ist nicht ganz überraschend. Deswegen kommen wir Der Hammelsprung ist beendet. Ich teile das Ergebnis jetzt zum Hammelsprung. der Abstimmung mit: Für den Antrag haben 76 Kolle- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) ginnen und Kollegen gestimmt, 192 haben dagegen ge- stimmt. Ich bitte Sie alle, den Saal zu verlassen und die Türen zu schließen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Vorsitz: Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Damit ist der Antrag auf Herbeirufung der Ministerin ab- Thierse) gelehnt. Nach unserer Geschäftsordnung ist die Beschlussfä- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: higkeit des Hauses nur dann gegeben, wenn mehr als die Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt einen Bedarf Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist. Ich stelle also an Schriftführern. Können sich einige Schriftführer, die fest, dass das Haus nicht beschlussfähig ist und hebe die an den Türen zählen, bei Herrn Kollegen Winkler mel- Sitzung damit auf. den? Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende. (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Herr Präsident, können Sie (Schluss: 13.17 Uhr) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9749

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Bätzing, Sabine SPD 27.04.2007 Dr. Paech, Norman DIE LINKE 27.04.2007

Barth, Uwe FDP 27.04.2007 Dr. Priesmeier, Wilhelm SPD 27.04.2007

Dr. Bartsch, Dietmar DIE LINKE 27.04.2007 Reiche (Cottbus), SPD 27.04.2007 Steffen Blumentritt, Volker SPD 27.04.2007 Roth (Heringen), SPD 27.04.2007 Brüning, Monika CDU/CSU 27.04.2007 Michael

Dr. Däubler-Gmelin, SPD 27.04.2007 Roth (Augsburg), BÜNDNIS 90/ 27.04.2007 Herta Claudia DIE GRÜNEN

Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 27.04.2007* Rupprecht (Tuchenbach), SPD 27.04.2007 Marlene Glos, Michael CDU/CSU 27.04.2007 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ 27.04.2007 Göbel, Ralf CDU/CSU 27.04.2007 DIE GRÜNEN

Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ 27.04.2007 Dr. Schavan, Annette CDU/CSU 27.04.2007 DIE GRÜNEN Scheel, Christine BÜNDNIS 90/ 27.04.2007 (B) Griefahn, Monika SPD 27.04.2007* DIE GRÜNEN (D)

Großmann, Achim SPD 27.04.2007 Schieder, Marianne SPD 27.04.2007

Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 27.04.2007 Schily, Otto SPD 27.04.2007

Haustein, Heinz-Peter FDP 27.04.2007 Schneider (Erfurt), SPD 27.04.2007 Carsten Heinen, Ursula CDU/CSU 27.04.2007 Steenblock, Rainder BÜNDNIS 90/ 27.04.2007 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ 27.04.2007 DIE GRÜNEN DIE GRÜNEN Teuchner, Jella SPD 27.04.2007 Dr. Hoyer, Werner FDP 27.04.2007 Vo gel , Vo lk mar U we CDU/CSU 27.04.2007 Kasparick, Ulrich SPD 27.04.2007 Dr. Winterstein, Claudia FDP 27.04.2007 Dr. Krings, Günter CDU/CSU 27.04.2007

Lämmel, Andreas G. CDU/CSU 27.04.2007 * für die Teilnahme an der 116. Jahreskonferenz der Interparlamenta- rischen Union Dr. Lauterbach, Karl SPD 27.04.2007

Leutert, Michael DIE LINKE 27.04.2007 Anlage 2 Lötzer, Ulla DIE LINKE 27.04.2007 Amtliche Mitteilungen Merten, Ulrike SPD 27.04.2007 Der Bundesrat hat in seiner 832. Sitzung am 30. März Müller (Gera), Bernward CDU/CSU 27.04.2007 2007 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Naumann, Kersten DIE LINKE 27.04.2007 Grundgesetzes nicht zu stellen: 9750 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007

(A) – Drittes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes gen bei der Kampfmittelbeseitigung der Dienststellen zu (C) einem Haftungsfall führen. Darüber hinaus ist auch nicht – Erstes Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmer- jede im Einzelfall verursachte Veränderung an Arten oder Entsendegesetzes Lebensräumen schon ein Schaden, sondern es muss die – Gesetz zur Verbesserung der Beschäftigungschan- Schwelle zur Erheblichkeit überschritten sein. Durch die cen älterer Menschen vom Bundestag beschlossene Ergänzung des neuen § 21a Abs. 5 BNatSchG um einen Katalog mit Regelbeispielen – Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an für das Nichtvorliegen eines Schadens ist verdeutlicht die demografische Entwicklung und zur Stärkung worden, dass die Erheblichkeitsschwelle voraussetzt, der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen dass dauerhaft die Funktion geschützter Lebensräume Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungs- oder der Erhalt von Populationen geschützter Arten be- gesetz) einträchtigt wird. – Siebtes Gesetz zur Änderung des Bundesvertrie- – Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur benengesetzes Änderung der Vorschriften über die nachträgli- – Gesetz zu dem Zusatzprotokoll vom 12. Septem- che Sicherungsverwahrung ber 2002 zum Übereinkommen vom 16. Novem- Darüber hinaus hat er die nachstehende Entschlie- ber 1989 gegen Doping ßung gefasst: – Gesetz über Einmalzahlungen und zur Änderung des Besoldungsstrukturgesetzes 1. Der Bundesrat begrüßt die Stärkung der Führungs- aufsicht, die mögliche Gefahren durch Wiederho- – Gesetz zu den Protokollen vom 16. Mai 2006 über lungstaten reduziert. die Änderung des Abkommens vom 6. Juni 1955 über die Errichtung eines Internationalen Aus- 2. Der Bundesrat begrüßt weiter, dass durch die im lau- schusses für den Internationalen Suchdienst und fenden Gesetzgebungsverfahren aufgenommenen Re- der Vereinbarung vom 6. Juni 1955 über die Be- gelungen zur nachträglichen Sicherungsverwahrung ziehungen zwischen dem Internationalen Aus- eine vornehmlich in den neuen Ländern bestehende schuss für den Internationalen Suchdienst und empfindliche Regelungslücke rasch geschlossen und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz damit einem dringenden Sicherheitsbedürfnis Rech- nung getragen wird. – Gesetz zu dem Protokoll vom 4. Juli 2006 zur Ver- längerung des Abkommens vom 9. April 1995 3. Der Bundesrat stellt fest, dass darüber hinaus weite- (B) zwischen der Bundesrepublik Deutschland und rer Regelungsbedarf bei der Sicherungsverwahrung (D) den Vereinigten Arabischen Emiraten zur Ver- besteht, dem im Interesse des Schutzes der Bevölke- meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet rung vor besonders gefährlichen Wiederholungstä- der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen tern Rechnung getragen werden muss. Er bittet des- und zur Belebung der wirtschaftlichen Beziehun- halb den Deutschen Bundestag, den entsprechenden gen Vorschlag des Bundesrates (Entwurf eines … Straf- rechtsänderungsgesetzes – Stärkung der Sicherungs- – Gesetz zur Schaffung deutscher Immobilien-Ak- verwahrung – (… StrÄndG), Bundesratsdrucksache tiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen 139/06 (Beschluss)), den dieser bereits am 19. Mai – Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie des Europäi- 2006 beschlossen hat, rasch aufzugreifen und umzu- schen Parlaments und des Rates über die Umwelt- setzen. haftung zur Vermeidung und Sanierung von Um- Der Gesetzentwurf des Bundesrates sieht vor, das In- weltschäden strument der nachträglichen Sicherungsverwahrung Darüber hinaus hat er die nachstehende Entschlie- insbesondere bei Ersttätern zu stärken. Hierzu soll ßung gefasst: das Gericht bei der Entscheidung über die nachträgli- che Sicherungsverwahrung künftig auch solche Tat- Der Bundesrat ist mit der Bundesregierung der Auf- sachen berücksichtigen können, die im Zeitpunkt der fassung, dass Kampfmittelbeseitigungsmaßnahmen der Verurteilung zwar erkennbar waren, aus rechtlichen für die Kampfmittelbeseitigung zuständigen Dienststel- Gründen aber die Anordnung der Sicherungsverwah- len der Länder als solche keine Tätigkeiten darstellen, rung nicht begründen konnten. die in Anhang 1 des Umweltschadensgesetzes (Katalog der beruflichen Tätigkeiten) genannt sind. Solche Tätig- Außerdem sollen bei Heranwachsenden, die nach Er- keiten fallen daher nur dann in den Anwendungsbereich wachsenenstrafrecht verurteilt wurden, auch die für des Gesetzes, wenn sie erstens einen Schaden an Arten Erwachsene geltenden Regelungen der Sicherungs- und natürlichen Lebensräumen oder die Gefahr eines verwahrung angewendet werden. Für die derzeit gel- solchen Schadens verursacht haben und zweitens dabei tende Privilegierung nach dem Jugendgerichtsgesetz schuldhaft gehandelt worden ist. gibt es keine durchgreifenden Gründe. Im Hinblick darauf, dass das Verschuldenserfordernis 4. Eine Regelungslücke besteht auch bei nach Jugend- auch gleichzeitig eine entsprechende Pflichtverletzung strafrecht verurteilten Straftätern. Für sie soll in beson- voraussetzt, könnten damit nur pflichtwidrige Handlun- ders schweren Fällen die Möglichkeit der Anordnung Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2007 9751

(A) nachträglicher Sicherungsverwahrung geschaffen Finanzausschuss (C) werden. Drucksache 16/4258 Nr. 2.8 Drucksache 16/4258 Nr. 2.9 Der Abgeordnete Garrelt Duin hat mitgeteilt, dass er Drucksache 16/4258 Nr. 2.10 seine Unterschrift auf dem Antrag Flugverkehrskonzept Drucksache 16/4501 Nr. 2.28 für den Großraum Berlin überprüfen – Flughafen Drucksache 16/4635 Nr. 2.15 Berlin-Tempelhof offenhalten auf Drucksache 16/4813 zurückzieht. Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Drucksache 16/4105 Nr. 2.42 mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 Drucksache 16/4501 Nr. 2.9 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den Drucksache 16/4501 Nr. 2.30 nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 16/4501 Nr. 2.31 Drucksache 16/4501 Nr. 2.39 Drucksache 16/4501 Nr. 2.40 Finanzausschuss Drucksache 16/4635 Nr. 2.1 Drucksache 16/4635 Nr. 2.17 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 16/4635 Nr. 2.19 Drucksache 16/4635 Nr. 2.25 Bericht der Bundesregierung über die risikoadäquate Eigenmittelausstattung der Versicherungsunterneh- men und den Stand ihres Kapitalanlagenmanagements Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft – Drucksachen 16/4339, 16/4632 Nr. 1 – und Verbraucherschutz Drucksache 16/4635 Nr. 2.7 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 16/4501 Nr. 1.6 Zweiter Bericht der Bundesregierung über die For- Drucksache 16/4635 Nr. 1.3 schungsergebnisse in Bezug auf Emissionsminderungs- Drucksache 16/4635 Nr. 2.6 möglichkeiten der gesamten Mobilfunktechnologie und in Bezug auf gesundheitliche Auswirkungen – Drucksachen 16/1791, 16/1941 Nr. 1.5 – Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Drucksache 16/2555 Nr. 1.28 (B) – Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 16/2555 Nr. 2.60 (D) Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahr Drucksache 16/4105 Nr. 1.22 2005 – Drucksachen 16/3084, 16/3375 Nr. 1.2 – Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Drucksache 16/4258 Nr. 2.2 Union Drucksache 16/4501 Nr. 1.7

– Unterrichtung durch die deutsche Delegation des Deut- schen Bundestages zur Euromediterranen Parlamenta- Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit rischen Versammlung und Entwicklung Gründungsversammlung der Euromediterranen Parla- mentarischen Versammlung am 22./23. März 2004 in Drucksache 16/150 Nr. 2.125 Athen, Griechenland Drucksache 16/150 Nr. 2.243 Drucksache 16/629 Nr. 1.1 – Drucksache 15/3414 – Drucksache 16/901 Nr. 2.1 Drucksache 16/1101 Nr. 2.15 – Unterrichtung durch die deutsche Delegation des Deut- Drucksache 16/2555 Nr. 2.38 schen Bundestages zur Euromediterranen Parlamen- Drucksache 16/2555 Nr. 2.76 tarischen Versammlung Drucksache 16/2555 Nr. 2.77 Erste Plenarversammlung vom 12. bis 15. März 2005 in Drucksache 16/2555 Nr. 2.100 Kairo, Ägypten Drucksache 16/4105 Nr. 1.2 – Drucksachen 15/5963, 16/893 Nr. 2 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Ausschuss für die Angelegenheiten mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU- der Europäischen Union Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Drucksache 16/820 Nr. 1.61 Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- Drucksache 16/3382 Nr. 1.9 tung abgesehen hat. Drucksache 16/4105 Nr. 2.13 Drucksache 16/4105 Nr. 2.14 Drucksache 16/4258 Nr. 1.2 Drucksache 16/4258 Nr. 1.3 Petitionsausschuss Drucksache 16/4258 Nr. 2.49 Drucksache 16/4105 Nr. 1.20 Drucksache 16/4501 Nr. 2.1

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